1. SoSe 09 - Universität Bremen

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1. SoSe 09 - Universität Bremen
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Inhaltsverzeichnis
1.
2.
4.
5.
Einleitung...............................................................................................................................2
Wohnen ..................................................................................................................................2
London School of Economics .........................................................................................4
Persönliches Fazit...............................................................................................................5
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1. Einleitung
In diesem Bericht gebe ich Einblick in meine Erfahrungen, die ich während eines Auslandstrimesters von Januar bis April 2009 an der London School of Economics gesammelt habe. Der
Auslandsaufenthalt wurde ermöglicht durch ein Erasmusabkommen des Studiengangs Arbeitswissenschaften des Fachbereichs 11 der Universität Bremen mit der Abteilung Employment
Relations and Organisational Behaviour des Management-Departments der London School of
Economics. Dieses Erasmusabkommen ist Teil eines größeren Austauschprogramms von verschiedenen europäischer Universitäten, die gemeinsam ein europäisches Masterzertifikat für
den Studienschwerpunkt European Labour Studies vergeben. Neben der Universität Bremen
nehmen auch Universitäten in Trier, Amsterdam, Toulouse, Mailand und London an diesem
Programm teil. Die London School of Economics stellt aber in diesem Netzwerk leider nicht jedes Jahr einen Platz für Erasmusstudierende zur Verfügung. Es gehört also ein bisschen Glück
dazu, einen Platz zu erhalten. An der Universität Bremen wird das Programm zurzeit noch von
dem Arbeitswissenschaftler PD Dr. Guido Becke betreut. Bei Interesse stehe ich für weitere
Nachfragen gerne zu Verfügung.
2. Wohnen
Die Mieten in London sind sehr teuer. Ich habe meine Reise relativ kurzfristig organisiert, so
dass ich erst einmal in einem Hostel übernachten musste. Davon gibt es zahlreiche in London,
sie bieten meistens Schlafplätze in Ein- bis Vierbettzimmern an. Ein Zweibettzimmer incl. Küchenmitbenutzung kostet pro Person in etwa um die 90 Pfund pro Woche. Glücklicherweise sind
diese Hostels in der Regel nicht ausgebucht, so dass man dort eigentlich immer einen
Schlafplatz bekommen kann. Das Hostel „Railton House“ zum Beispiel, in dem ich gewohnt
habe und dass in der Nähe des Hyde- Parks liegt, findet sich im Internet unter der Adresse
www.london-hostels.co.uk/uk/pages/hostels/Railton-House.aspx. Der Standort ist relativ zentral,
in der Nähe der U-Bahnhaltestelle Lancaster Gate. Die Zimmer verfügen über Wireless-Lan,
wobei dieser Service von den meisten anderen Hostels ebenso angeboten wird. Später bin ich
dann ich eine Wohngemeinschaft gezogen, die aus mehreren Deutschen und Engländern
bestand. Für mich war es eine Bereicherung, etwas von dem Alltagsleben der Engländer zu
Hause mitzuerleben, insofern kann ich diese Wohnform empfehlen. Wohnungsanzeigen findet
man zum Beispiel auf www.deutsche-in-london.net/forum/ oder
www.gumtree.com. Bei der
Wohnungssuche von zu Hause empfand ich die Kommunikation auf Englisch gerade am Telefon
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noch als ungewohnt. Daher ist vielleicht die erste Homepage zu empfehlen, da sie sich direkt an
Deutsche richtet. Viele Deutsche, die in London leben, inserieren auf dieser Seite, so dass die
Sprachbarrieren bei den Verhandlungen wegfallen. Zimmer und Wohnungen werden in London
üblicherweise pro Woche bezahlt. Angesichts des angespannten Wohnungsmarktes kann ein
Zimmer schnell 200 Pfund pro Woche kosten. Die London School of Economics verfügt zwar,
wie andere Universitäten in London auch, über mehrere Wohnheime. Leider vermieten die ihre
Zimmer aber eigentlich nur für ein komplettes Jahr, in Einzelfällen kann man aber auch dort
Glück haben. Allerdings ist ein Zimmer im Wohnheim eher teurer als ein privates Zimmer. Die
London School of Economics sendet den zukünftigen Erasmusstudierenden sehr frühzeitig vor
dem
Beginn
des
Trimesters
eine
sehr
empfehlenswerte
Informationsbroschüre
zu
verschiedenen Aspekten des studentischen Lebens. Dort finden sich auch Informationen zu den
Wohnheimen.
3. Anreise/Transport
Vom Bremer Flughafen gibt es mit Ryanair eine Direktverbindung zu dem Flughafen London
Stansted, welcher etwas außerhalb von London gelegen ist. Die Flüge sind günstig, wichtig ist
es allerdings rechtzeitig zu buchen, da die Preise bei kurzfristiger Buchung steigen können. Der
Flughafen Stansted ist etwa 45 min Busminuten von der City of London entfernt, aber bereits im
Flugzeug kann man ein Hin- und Rückfahrtticket für einen Shuttle-Busservice zur Liverpool-Station oder Victoria-Station für etwa 20 Pfund erwerben. Das ist meiner Sicht auch zu empfehlen,
um sich weitere Unannehmlichkeiten zu ersparen. Das öffentliche Verkehrssystem in London,
allen voran die U-Bahnen, ist benutzerfreundlich, aber nicht sehr preisgünstig. Eine Oyster-Card,
eine Dauerkarte für das öffentliche Verkehrssystem, kostet knapp 30 Pfund pro Woche. Es gibt
glücklicherweise eine Ermäßigung für Studierende. Dafür benötigt man allerdings eine Bestätigung der Universität, die mir aber eine Sachbearbeiterin an der London School of Economics
ohne weitere Formalitäten sofort ausgestellt hat. Empfehlenswert ist es außerdem, eine Kreditkarte zu besitzen: Mit meiner Visa-Karte zum Beispiel konnte ich an bestimmten Automaten
ohne zusätzliche Gebühr britische Pfund abheben. Das ist in Hinblick auf den Wechselkurs nach
meinem Wissen die günstigste Alternative.
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4. London School of Economics
Mit meinem Auslandsstudium an der LSE war ich besonders aus akademischer Perspektive
sehr zufrieden. Die Universität genießt weltweit einen sehr guten Ruf und vertritt den Anspruch,
sich in den Sozialwissenschaften mit den besten Universitäten der Welt zu messen. Auch in der
Abteilung Employment Relations and Organisational Behaviour des Management Departements,
in der ich studiert habe, gehören die Professoren europaweit zu den führenden ihres Fachs. Ich
habe dort hauptsächlich Veranstaltungen in einem Masterprogramm für Human Resource Management besucht: Einen Kurs über Führung, einen über Management im interkulturellen Vergleich und einen über europäische Arbeitsbeziehungen. Diese Lehrveranstaltungen habe ich als
sehr anregend erlebt. Das Lehrkonzept, das ich an der London School of Economics kennen
gelernt habe, unterscheidet sich weitgehend von dem meines Hauptfaches zu Hause, dem Diplomstudiengang Psychologie an der Universität Bremen. Alle Studierenden haben in dem Master
der London School of Economics insgesamt „nur“ drei Kurse zu belegen, die aber jeweils aus
einer Vorlesung und einem Seminar bestehen. Der Aufwand für die einzelnen Kurse hingegen
ist wesentlich höher als in meinem Diplomstudiengang zu Hause. Der Stoff einer Vorlesung wird
in der darauf folgenden Woche jeweils anhand konkreter Fragen im Seminar diskutiert, wobei in
der Vorlesung der folgenden Woche bereits der Stoff der kommenden Woche behandelt wird.
Das geforderte Lektürepensum pro Woche für die drei Kurse insgesamt liegt meistens so um die
500 Seiten. Da man aber sehr viel Zeit zum lesen hat, ist dieses Pensum auch realistisch zu
bewältigen. Außerdem werden die Lesevorgaben auch nicht in jeder Woche konsequent von
allen Studierenden eingehalten, was aber zu keinen ernsthaften, negativen Sanktionen von
Seiten der Lehrenden führt, da die wahrscheinlich auch wissen, dass es von Zeit zu Zeit im Leben eines Studierenden andere Prioritäten als die Lektüre geben kann.
Neben dem Lesepensum musste ich in jedem Fach ein Essay von 2000 Zeichen zu einer vorgegeben Frage verfassen. Diese Aufgabe empfand ich als sehr reizvoll, da die Begrenzung von
2000 Zeichen unbedingt eingehalten werden musste, was im Vergleich zu den Hausarbeiten zu
Hause, in denen im Studiengang Psychologie ein Umfang von etwa 15 Seiten üblich ist, zur
Kürze und Stringenz zwang. Die Essays, die ich zum Ende meines Aufenthaltes abgeben
musste, waren die Grundlage für meine Leistungsnachweise in den drei Kursen. Die Benotung
ist im Gegensatz zu meinem Diplomstudiengang zu Hause sehr unterschiedlich: Wer mehr als
40% erreicht hat ‚bestanden’, wer mehr als 70% erreicht bekommt bereits ein ‚sehr gut’. Das
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Bestehen der Kurse war zwar nicht so schwierig, ein ‚sehr gut’ zu erreichen dagegen schon.
Eine Punktzahl über 75% kommt in der Benotung praktisch nicht mehr vor. Da das Curriculum
der an dem Netzwerk des Studienschwerpunkts European Labour Studies beteiligten Studiengänge vergleichbar ist, gab es bei der Anerkennung der Leistungsnachweise zu Hause an der
Universität Bremen keine Schwierigkeiten.
Insgesamt habe ich die Stimmung unter den Kommilitonen an der London School of Economics
schon als recht elitär erlebt. Viele meiner Kommilitonen nahm ich zudem als sehr leistungsorientiert und konkurrenzbetont wahr. Aus meiner Sicht empfiehlt es sich daher, im Umgang untereinander etwas auf der Hut zu sein. Eine kleine Anekdote mag das verdeutlichen: Da es sich bei
dem Erasmusprogramm um einen Studierendenaustausch handelt, war ich als Teilnehmer des
Erasmusprogramms von den Studiengebühren der London School of Economics befreit. Eine
deutsche Kommilitonin, die sich regulär für den Master Human Resource Management dort
eingeschrieben hatte, machte mich dann eine Woche nach meiner Ankunft darauf aufmerksam,
dass sie ja wohl die Kosten für mein Studium an der London School of Economics
mitzufinanzieren habe. Vor dem Hintergrund, dass sie selbst für den einjährigen Master etwa
12.000 Pfund bezahlen muss, empfand ich ihren Unmut als emotional verständlich, als
besonders taktvoll und vor allem folgerichtig empfand ich ihre Bemerkung nicht. Andererseits
habe ich auch sehr viele liebenswürdige Kommilitonen an der London School of Economics
kennen gelernt. Ebenso gab es viele Dozenten, die uns Erasmusstudierenden freundlich und
aufgeschlossen gegenüber waren. Am meisten hat mich an meinem Aufenthalt die Vielfalt an
unterschiedlichen Nationalitäten der Studierenden beeindruckt: Etwa 40% der Studierenden an
der London School of Economics kommen zurzeit aus dem Ausland, neben Europa und
Nordamerika viele davon aus asiatischen Staaten wie Indien und China, dem arabischen Raum
und Afrika.
5. Persönliches Fazit
Zwei Aspekte meines Erasmusaufenthaltes in London empfand ich als besonders bereichernd:
Mein vornehmliches Motiv für mein Auslandstrimester bestand ursprünglich darin herauszufinden, ob ich angesichts des akademischen Niveaus an einer so genannten „Eliteuniversität“ bestehen kann. Dass ich dann sowohl den sprachlichen als auch den akademischen Ansprüchen
genügen konnte, hat mein Selbstbewusstsein in dieser Hinsicht gestärkt. Durch den zweiten
Aspekt, über den ich mir vor meiner Abreise nach London gar nicht im Klaren war, habe ich von
meinem Auslandsaufentenhalt am meisten profitiert, nämlich das Eintauchen in eine fremde
Kultur. Anfangs empfand ich meine neue Situation eher als psychische Bedrohung: Eine fremde
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Sprache zu sprechen, in der mir nicht alle Nuancen bekannt sind; von meinen Freunden
getrennt zu sein; die Rituale und Gebräuche im öffentlichen und privaten Leben in
Großbritannien nicht genau zu kennen; die Einsamkeit mit meinen neuen Erfahrungen
auszuhalten und keinen Vertrauten an der Seite zu haben, um sich auszutauschen. Anfangs war
ich von den Eindrücken der neuen Stadt und der neuen Universität geradezu wie erschlagen.
Mit der Zeit wurden mir dann die Tagesabläufe vertrauter und ich wurde gelassener. Oft habe
ich mich wie ein Ethnologe gefühlt, der die Bedeutungen von so vielen sozialen Situationen und
Handlungen erst entschlüsseln und reflektieren muss. Gleichzeitig habe ich mich mit in dieser
„Feldforscherhaltung“ viel lebendiger und aufmerksamer als in meinem alltäglichen Leben zu
Hause gefühlt. Meine Auslandserfahrung führte außerdem dazu, dass ich begann, meinen
eigenen kulturellen Standpunkt, kritisch zu hinterfragen. Viele vertraute Gewohnheiten
erschienen mir mit einem Mal überdenkenswert. Gerne wäre ich länger in London geblieben, um
noch vertrauter mit der britischen Kultur zu werden. Aufgrund meines relativ kurzen Aufenthaltes
hatte ich den Eindruck, gar nicht bis zu einem „normalen“ Alltagsleben vorzudringen, da für mich
in dieser kurzen Zeit alles neu und aufregend war. Wohlmöglich würde ich den nächsten
Auslandsaufenthalt deshalb länger ansetzten. Trotzdem freue ich mich sehr über die
verschiedenen Begegnungen und Erfahrungen, die ich in London machen durfte, von denen
viele mich noch jetzt, einige Monate nach meiner Rückkehr, beschäftigen. Überrascht hat mich
nach meiner Rückkehr, wie sehr ich mich durch meine Reise verändert hatte. Anfangs fiel es mir
in Bremen schwer, mich wieder in die ehemals vertraute Umgebung einzufinden. Inzwischen
fühle ich mich in Bremen wieder verwurzelt, wobei ich einige Verhaltensweisen und
Perspektiven aus der britischen Kultur übernommen, andere hingegen wieder verworfen habe.
Eine grundsätzliche Erfahrung, nämlich, dass viele der eigenen Verhaltens- und Denkweisen
relativ zur eigenen Kultur sind, hat mich tief erschüttert und verändert. Ich wünsche diese
Erfahrung jedem Menschen, weil sie nach meiner Wahrnehmung die Toleranz vor dem
„anderen“, das ich nicht verstehe, deutlich erhöht. In diesem Sinne war der Auslandsaufenthalt,
den nicht zuletzt die Unterstützung durch das Erasmusprogramm möglich wurde, eine große
Bereichung für mein Leben, für die ich sehr dankbar bin.
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