Anna Netrebko singt erstmals Wagner

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Anna Netrebko singt erstmals Wagner
10 KULTUR
SAM STAG, 21. MAI 20 16
Wie kommt die Primadonna assoluta mit der deutschen
Sprache zurecht? Wie bewältigt sie dramatische Passagen?
KARL HARB
Seit Monaten haben
Opernfreunde diesen Abend mit
Spannung erwartet, es wurde darüber gemunkelt und geredet, wie Anna Netrebko, die Primadonna assoluta, bei ihrem Wagner-Debüt mit
der deutschen Sprache zurechtkommen würde. Seit Donnerstag
wissen wir: Es ist makellos, geradezu akzentfrei. In der Dresdner Semperoper sang sie ihre erste „Lohengrin“-Elsa. Dafür hat das Haus seine
33 Jahre alte Inszenierung „nach
Christine Mielitz“ ausgegraben; sie
ist nicht weiter der Rede wert. Aber
als Vehikel für Sängernervenkitzel
taugt sie nicht schlecht.
Luxus also in mehrerlei Hinsicht:
Denn nicht nur die Netrebko gab ihr
Wagner-Debüt, auch Piotr Beczała
ist neu in diesem Fach – und ab sofort als Lohengrin zu Jonas Kaufmann und Klaus Florian Vogt eine
Alternative: ein schmiegsamer,
französisch-italienisch geschulter,
expansionsfähiger Tenor mit feinen
Möglichkeiten zu viriler Attacke, einer weich angesetzten heldischen
Strahlkraft ohne Muskelprotzerei,
ein kultivierter Schwanenritter mit
zwanglosem Espressivo.
Insofern passte er in den lyrischen Passagen, etwa im Brautgemach, ehe Elsa die verhängnisvolle
Frage nach der Herkunft des Helden stellt, ideal zur Leuchtkraft des
Soprans von Anna Netrebko – mit
der er ja schon lange künstlerisch
harmoniert. Netrebkos Schimmer
wird immer tiefer, geheimnisvoller,
reifer, runder, lockender. Das Duett
mit Lohengrin: gleichsam Wagner à
l’italienne, ein ungewohnt ver-
BILD: SN/SEMPEROPER DRESDEN/DANIEL KOCH
DRESDEN.
Anna Netrebko debütiert in Dresden als Elsa von Brabant.
schmelzender Ton – der auch in
den gesanglich auf Linie gebauten
Teilen der Auseinandersetzung mit
ihrer Gegenspielerin Ortrud voll
stillem Zauber wirksam wird.
Aber: Wo die Stimme ins Dramatische ausbricht, sehr oft (noch)
sehr überbetont, gerät sie unter
Druck. Dann vergröbert sich die Expression, verhärtet sich das Timbre,
gewinnt eine gekünstelte Schwere,
die den sonst so betörend schwingenden Stimmbändern nichts Gutes tut. Der erste Akt litt darunter,
die Intonation verrutschte oft gefährlich. Am liebsten hätte man diesen Eindruck löschen mögen –
auch, weil Christian Thielemann in
diesen Phasen mit der Sächsischen
Staatskapelle nur lärmendes Geschmetter im preußischen Stechschritt exekutieren ließ.
Hinzu kamen noch der gellende
Bariton von Tomasz Konieczny als
Telramund (weit sprachschwächer
als Netrebko, obwohl er schon lange deutsch singt) und die mittlerweile unerträglich und vibratowild
schreiende Evelyn Herlitzius als Ortrud. Markig klar dagegen Georg
Zeppenfeld als König Heinrich und
Derek Weltons deutlich deklamierter Heerrufer, exzellent die (Männer-)Chöre. Und wenn sich Thielemann zurücknimmt, ist er wie immer ein fabelhafter Sängerträger –
was der Entfaltung der Persönlichkeit und Präsenz Anna Netrebkos
noch größere Spielräume gibt.
Ob der viermalige Probegalopp
reicht für „Lohengrin“ 2018 in Bayreuth? Wieder munkelt man, womöglich hätte Anna Netrebko aboder noch gar nicht zugesagt, die Elsa auf dem Grünen Hügel zu singen.
Oper in Rom
holt Sofia Coppola
EU-Kommission stärkt
europäische Filme
ROM. Die US-amerikanische Schau-
BRÜSSEL.
spielerin und Filmregisseurin Sofia
Coppola debütiert am Dienstag mit
einer Oper: Die 44-Jährige inszeniert der krisengebeutelten römischen Oper Verdis „La Traviata“. Dirigieren wird der Italiener Jader Bignamini.
SN, APA
Europäische Filme sollen bei Streamingdiensten künftig stärker zum Zuge kommen.
Ein Gesetzesvorschlag für die EU
werde demnächst vorgestellt,
teilte eine Sprecherin der EUKommission am Freitag mit. Angeblich sollen US-Anbieter wie
Netflix oder Amazon gezwungen
werden, ihren Internetkatalog in
jedem EU-Land zu mindestens 20
Prozent mit europäischen Produktionen zu füllen. Bei Netflix und
iTunes entfallen derzeit im Schnitt
21 Prozent auf europäische Filme,
eber je Land stark variierend. SN, dpa
Ein Musik-Maschinist
kommt zu neuen Ehren
KARL HARB
Max Brand zählt zu
jenen
(alt-)österreichischen
Komponisten, deren Leben zwischen Kunst und Politik aufgerieben wurde: fliehen, ankommen,
wieder fliehen, neu ankommen –
und nirgends zu Hause. Als er
1975 aus dem amerikanischen
Exil nach Niederösterreich zurückkehrte, nahm kaum jemand
von ihm Notiz. Die Transportversicherung verweigerte ihm
Schadenersatz für sein beschädigtes Studio, in dem er Pionierarbeit für die elektronische Musik leistete (wie dem Moog-Synthesizer, den er für neue Klänge
nutzbar machte). Es gelang ihm
aus eigener Kraft, das Studio wieder in Betrieb zu nehmen.
Dabei feierte Max Brand –
ähnlich wie Ernst Krenek, dessen
„Jonny spielt auf“ ein Welterfolg
wurde – mit seiner 1929 uraufgeführten Oper „Maschinist Hopkins“ Erfolge. 37 Bühnen hatten
diese Eifersuchtstragödie in einer neuen Maschinenwelt bis
1932 auf dem Spielplan. Das
Nachfolgewerk,
„Requiem“,
SALZBURG.
Eine Oper Max Brands
wird in Salzburg
wiederentdeckt
wohl ein Memento auf seine 1929
verstorbene erste Frau, die Salzburgerin Fela Gütermann, sollte
von Karl Böhm an der Berliner
Staatsoper uraufgeführt werden,
wurde jedoch von den braunen
Machthabern verboten. Auf der
Flucht ist das Werk in Prag offenbar verloren gegangen.
Wir hätten nur ein bruchstückhaftes Konvolut eines Gesamtwerks von Max Brand, bedauert Mirga Gražinytė-Tyla,
Musikdirektorin des Salzburger
Landestheaters. Das aber zeige
eine eigenständige Musiksprache, auch wenn sie von der Opulenz Franz Schrekers ebenso beeinflusst sei wie von Arnold
Schönberg, von der Neuen Sachlichkeit wie vom „Songstil“ eines
Kurt Weill. Die österreichische
Erstaufführung von „Aufstieg
und Fall der Stadt Mahagonny“
finanzierte Max Brand einst sogar aus eigener Tasche.
Eine ORF-Aufnahme aus 1996
hat die Musikdirektorin auf
„Stormy Interlude“ aufmerksam
gemacht. Zum 100. Geburtstag
BILD: SN/WIENBIBLIOTHEK
Anna Netrebko
singt erstmals Wagner
Komponist Max Brand (1896–1980)
Max Brands gab es eine konzertante
Aufführung des Einakters, den er –
auf eigenen Text – 1955 in den USA
geschrieben hat. Es ist die Geschichte eines Mädchens, das sich
nachts den Mann ihrer Träume
imaginiert. Doch statt ins Glück gerät sie in die Fänge eines Verbrechers.
Heute, Samstag, wird das Werk
im Salzburger Landestheater szenisch uraufgeführt. Da sollte die Expressivität der Musik ebenso ihre
Wirkung tun wie die Regie Amelie
Niermeyers, die hier bei „Wozzeck“,
„La Clemenza di Tito“ und „Rigoletto“ gezeigt hat, wie sehr sie sich auf
aufgeladene psychologische (Kammer-)Spiele versteht. Die Regisseurin will den schlichten Plot in einen
größeren, auch doppelbödigen Zusammenhang heben. Zwei Sätze aus
Max Brands „Nachtmusik“ dienen
als Erweiterung des Klangspektrums, um den Kreislauf eines Albtraums zu zeigen, der von einem
problematischen Mutter-TochterVerhältnis angetrieben wird. Dabei
wird in der Salzburger Version der
Männerchor des Landestheaters eine Rolle spielen. Man darf also mit
einer bemerkenswerten Wiederentdeckung rechnen.
Seit gestern, Freitag, zeigt die
Wienbibliothek, die Max Brands
Nachlass verwahrt, in der Musiksammlung, Bartensteingasse 9, eine
Ausstellung über den Komponisten
und dessen Visionen einer elektronischen Musikmaschine.
Oper: „Stormy Interlude“ von Max
Brand, Salzburger Landestheater.
Premiere am 21. Mai, 19 Uhr. Vier weitere Aufführungen bis 5. Juni.
Ausstellung: Der Komponist Max
Brand, Wienbibliothek, bis 13. Jänner.
Buch: Elisabeth Schimana (Hrsg.),
„Maschinen für die Oper“, Hollitzer
Verlag, Wien 2016.
Das Fest barocken Musizierens
Orgelmusik mit Heribert Metzger,
Werken v. J. S. Bach, B. Pasquini u. a.
Sonntag, 5. Juni 2016, 15 Uhr
Bach’s New Generation,
Residenzgalerie
Freitag, 3. Juni 2016, 19.30 Uhr
Jubiläumskonzert in der
Pfarrkirche Mülln
J. S. Bach: „Die Himmel erzählen die
Ehre Gottes“, A. Caldara: Magnificat.
Sonntag, 5. Juni 2016,
16 bis ca. 21.30 Uhr
Barockfest im DomQuartier Salzburg
Musik und Tanz in den Prunkräumen
der Residenz, der Residenzgalerie,
der Kunst- und Wunderkammer
sowie im Museum St. Peter
Sonntag, 5. Juni 2016, 15 Uhr
Festliche Einstimmung im Dom,
J. S. Bach Orchestersuiten Nr. 2, hMoll und Nr. 3, D-Dur, Violinkonzert
a-Moll, Flötensonaten, Kantate:
„Tönet ihr Pauken, erschallet
Trompeten“, „Kaffeekantate“,
„Hochzeitsquodlibet“, Musik am
Hof der Fürsterzbischöfe, u. a.
Interpreten:
Vokal- und Instrumentalsolisten,
La Divina Armonia, Barockorchester,
Blockflötenconsort der Universität
Mozarteum, Schwanthaler Trompetenconsort, u. a.
Leitung:
Florian Birsak, Lorenzo Ghielmi,
Albert Hartinger, Dorothee
Oberlinger, Midori Seiler
BILD: SN/BACHGESELLSCHAFT
Seit 40 Jahren bietet die
Salzburger Bachgesellschaft
unter der Künstlerischen
Leitung von Albert Hartinger
Alte Musik der Spitzenklasse.
Feiern Sie mit uns!
Das Ensemble La Divina Armonia unter der Leitung von Lorenzo Ghielmi.
Gemeinsame Veranstaltung der
Salzburger Bachgesellschaft mit
dem DomQuartier Salzburg und der
Universität Mozarteum
Information und Karten:
Kartenpreis: 40 Euro
Schüler und Studenten: 15 Euro
SN-Card-Inhaber erhalten 15%
Rabatt – gültig für alle Konzerte!
Salzburger Bachgesellschaft
Kaigasse 36/I, 5020 Salzburg
Tel.: +43 662/43 53 71
[email protected]
SALZBURGER-BACHGESELLSCHAFT.AT
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