Die CHiLLi-Archive Rezensionen Film Inhaltsverzeichnis

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Die CHiLLi-Archive Rezensionen Film Inhaltsverzeichnis
Markus Grundtner
Die CHiLLi-Archive
Rezensionen Film
Inhaltsverzeichnis
Der abgespeckte Hitchcock ........................................................................................................ 2
Ethan Hunt alias Tom Cruise stürzt sich mit „Mission: Impossible III“ erneut in atemlos
inszenierte Action. Strahlemann Tom Cruise geht dabei natürlich nicht die Luft aus, dem
Film aber schon
Immer mitten in die Fresse rein .................................................................................................. 4
Ein rachsüchtiger Todgeweihter muss sich in gefährliche Situationen bringen, um
weiterzuleben. Klingt weit hergeholt, ist aber die Basis für das irrwitzige Kino-Fast-Food
„Crank“
Mann aus Stahl und Rauch ......................................................................................................... 6
Was lange währt, wird doch nicht gut: Superman fliegt zwar wieder, doch die heiß
erwartete Comic-Verfilmung „Superman Returns“ enttäuscht auf ganzer Linie
Kinderreime für ein Dichter-Genie ............................................................................................ 8
Eine Doku, die auf den Schultern eines Riesen stehen will, aber nicht klettern möchte
KURZKRITIKEN
Cars, USA 2006.................................................................................................................... 10
Come Early Morning ............................................................................................................ 10
Der Kick ............................................................................................................................... 10
Der rosarote Panther, USA 2006 .......................................................................................... 11
Gue Mool ............................................................................................................................. 11
Hard Candy, USA 2006 ....................................................................................................... 11
Honor de Cavallaria ............................................................................................................. 12
Hui Buh, Deutschland 2006 ................................................................................................. 12
Romance & Cigarettes ......................................................................................................... 12
X-Men: The Last Stand, USA, 2006 .................................................................................... 13
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Markus Grundtner
Der abgespeckte Hitchcock
Ethan Hunt alias Tom Cruise stürzt sich mit „Mission: Impossible III“ erneut in atemlos
inszenierte Action. Strahlemann Tom Cruise geht dabei natürlich nicht die Luft aus, dem
Film aber schon
Geheimagenten sind Universaltalente: Sie töten schnell, taktieren klug und verführen
spielend. Spione können im Grunde alles, weil sie auf alles vorbereitet sein müssen. „Mission:
Impossible III“ setzt sich auch das Ziel, alles zu sein – ein verzwickter Spionage-Thriller, ein
schneidiger Action-Reißer und eine anrührende Romanze. Eine fast unmögliche Mission also,
an der das 150 Millionen Dollar teure Machwerk letztlich scheitert.
Der Spion, der mich liebte
Agenten sterben doch nicht einsam, hat sich Regisseur J. J. Abrams wohl gedacht und diese
Gedankenspielerei „M:i:III“ zugrunde gelegt. IMF-Spezialagent Ethan Hunt hat ja bisher auch
noch kaum seine menschliche Seite gezeigt. Wie sieht nun also das Privatleben des
Adrenalinjunkies aus? Und: Was passiert, wenn er eine Frau fürs Leben gefunden hat und sich
aus dem Spionage-Geschäft zurückziehen will?
Als James Bond 1969 in „Im Geheimdienst ihrer Majestät“ in den verdienten Ruhestand
treten und heiraten wollte, war das Resultat niederschmetternd. Das ungewöhnlich tragische
Ende dieser Hochzeit gilt als einer der Gründe, warum Darsteller George Lazenby kein
zweites Mal in den Bond-Smoking schlüpfen durfte.
Tom Cruise hat sicherlich bessere Aussichten auf eine Reprise seiner Rolle als Ethan Hunt.
Menschlicher geworden ist Hunt aber trotzdem nicht. Der Part fordert Cruise schauspielerisch
immer noch wenig ab: Er muss nur dem Feind mit stahlharter Miene ins Angesicht blicken
und so energisch durch die Gegend hetzen als könnte er durch Wände laufen. Daher lässt auch
die emotionale Komponente völlig kalt – ganz egal, ob Ethan nun sieht, wie seine ehemalige
Schülerin (Keri Russell – „Felicity“) bei einer Rettungsmission umkommt, oder er um das
Leben seiner zukünftigen Frau (Michelle Monaghan – „Kiss Kiss Bang Bang“) fürchten muss.
Die Jagd nach einem Hasenfuß
Ethan Hunts Schmerzgrenze liegt aber auch einfach höher. Wer sich von Wolkenkratzer zu
Wolkenkratzer schwingt oder zwei Stromkabel als behelfsmäßigen Defibrillator an sich selbst
einsetzt, hat wohl eine ganz andere Gefühls-Bandbreite als ein Normalsterblicher.
Weit über die Grenze alles Menschenmöglichen und physikalisch Glaubhaften gestalten sich
daher auch wieder die Pfeiler der „Mission: Impossible“-Reihe – die Action-Sequenzen.
Diese strotzen vor überzogenen Ideen zur Spannungssteigerung, werden von J.J. Abrams aber
nicht bis in die letzte Zeitlupeneinstellung ausgekostet. Serien-Macher Abrams („Felicity“,
„Alias“, „Lost“) grenzt sich in seinem Kino-Debüt von Regisseur John Woo und seinem
überbordenden Action-Ballett in „Mission: Impossible II“ ab. Ein fadenscheiniger Plot
fungiert trotzdem erneut als Bindemittel zwischen Schiessereien, Prügeleien und
ausgeklügelten Täuschungsmanövern.
Alles dreht sich um den „Rabbit`s Foot“, eine gefährliche Vorrichtung, deren Bedeutung nie
enthüllt wird – ein „MacGuffin“ also. Wie aus dem Filmlexikon abgeschrieben, baut Abrams
und sein Drehbuch-Team Alex Kurtzman und Roberto Orci diese Story-Triebfeder in ihre
konventionell verlaufende Geschichte ein. Der eigentliche Inhalt ist schnell zusammengefasst:
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Markus Grundtner
Der skrupellose Geschäftsmann Owen Davian (Philip Seymour Hoffmann – „Capote“) und
Ethan Hunt jagen beide dem „Hasenfuß“ hinterher.
Dramaturgie für Blöde
Eine plump gesetzte falsche Fährte soll diese Jagd um den halben Globus weiter aufbauschen.
„Red Herring“ nennt sich ein solches Manöver im Filmjargon, bei dem die Zuschauer durch
ein falsches Verdachtsmoment in die Irre geführt werden.
Anhand von „M:i:III“ lassen sich damit zwei filmwissenschaftliche Grundbegriffe leicht
erklären, einfach nur weil J.J. Abrams mit seiner holzhammermäßigen Verwendung eines
„MacGuffin“ und „Red Herring“ kaum mehr fertig bringt als eine Lektion in „Dramaturgie
für Blöde“ bzw. „Hitchcock – Von A bis Z“.
Auch die ersten beiden „Mission: Impossible“-Filme sind ja unter ihrer Oberfläche des
Popcorn-Kinos Hommagen an Alfred Hitchcock. Beide haben jeweils ihren eigenen
„MacGuffin“. Der zweite Teil erinnert außerdem verdächtig an „Notorious“, während Brian
De Palma – sowieso der „amerikanische Hitchcock“ – im ersten Teil auch den Meister des
Suspense immer wieder zitiert.„M:i:III“ fehlt im Vergleich zu seinen Vorgängern jeglicher
doppelter Boden. In manchen Momenten gerät die Handlung zwar an die Weggabelung in
Richtung eines überraschenden oder schockierenden Moments, rast dann aber doch auf
abgesteckter Route dem vorhersehbaren Ende entgegen.
Wie bei seiner Mystery-Serie „Lost“ hätte Abrams am besten die Story hinter gefinkelter
Charakterzeichnung zurücktreten lassen sollen. Aber: Weit und breit lässt sich keine einzige
ausgestaltete oder interessante Figur ausmachen. Abrams greift lieber auf eine illustre
Schauspieler-Riege zurück, die den Charakteren ohne Eigenschaften zumindest markantes
Gesicht und Stimme verleihen. In einer um Tom Cruise zentrierten One-Man-Show müssen
sich großartige Darsteller wie Billy Crudup („Stage Beauty“) oder Laurence Fishburne
(„Assault on Precinct 13“) mit souveränen, aber kurzen Auftritten begnügen. Ving Rhames
(„Dawn of the Dead“) kann mit witzigen Bemerkungen Sympathien gewinnen, während
Philip Seymour Hoffman sich nur durch seine desinteressierte Bösartigkeit von so manchem
eindimensionalen Bond-Bösewicht unterscheidet, der genüsslich eine weiße Katze streichelt.
Ohne Ecken, ohne Kanten
Auf einen massentauglichen Nenner kommen – so ließe sich J.J. Abrams Regiearbeit für
„M:i:III“ am besten zusammenfassen. Brian De Palma und John Woo drückten ihren Filmen
jeweils ihren unverkennbaren, stilistischen Stempel auf. Beide polarisierten: Teil 1 sei zu
verworren und Teil 2 nur ästhetische Fassade, ließ sich aus der Mehrzahl der Kritiken
herauslesen.
Abrams Annäherung löst jedoch lediglich ein Schulterzucken aus. „M:i:III“ ist sicher für sein
Genre kein kompletter Reinfall: Trotz durchschaubarer Story und Pappaufsteller-Charaktere
sorgen die Action-Szenen immer noch für genug Spannung und Kurzweil, um die diesjährige
Saison des Sommer-Kinos einzuleiten.
„M:i:III“ bleibt aber völlig belanglos und damit – krass ausgedrückt – einfach nur feige.
„M:i:III“ fehlen jegliche Ecken und Kanten, wie auch Subtilität in irgendeiner Form. Diese
Glattpoliertheit und leicht verdauliche Anspruchslosigkeit mag den Film lange an der Spitze
der Kinokassen halten, aber bestimmt nicht im Gedächtnis des Publikums.
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Markus Grundtner
Immer mitten in die Fresse rein
Ein rachsüchtiger Todgeweihter muss sich in gefährliche Situationen bringen, um
weiterzuleben. Klingt weit hergeholt, ist aber die Basis für das irrwitzige Kino-Fast-Food
„Crank“
Der Handy-Klingelton-Sender MTV feiert heuer seinen 25. Geburtstag. Inoffizieller Film zum
Jubiläum ist „Crank“, ein selbstgenügsamer Rachestreifen mit Computerspiel-Physik,
Videoclip-Ästhetik und Minimal-Handlung. Nicht nur die MTV-Generation darf sich freuen:
Action-Fans, die den raubeinigen Helden der 80er Jahre nur noch in der Videothek begegnen,
können auch jubilieren. Jason Statham bringt vor Sex und Gewalt strotzendes Entertainment
zurück auf die Leinwand.
Willkommen im Nintendo-Universum
Während Statham in „The Transporter“ noch den kampferprobten, aber immer coolen
Fahrkünstler Frank Martin spielte, brennen ihm in „Crank“ alle Sicherungen durch. Als
Auftragskiller Chev Chelios erwacht er eines Morgens mit einem Brummschädel und einem
seltenen chinesischen Gift im Körper. Wegen seines letzten Jobs muss er sterben. Zum Glück
für das Publikum aber nicht sofort, denn Adrenalinstöße verzögern die Wirkung des Giftes.
Chelios hat jetzt natürlich nur ein Ziel: Rache an seinen Mördern zu nehmen und nebenbei
seinen Arzt Doc Miles (Dwight Yoakam) zur Suche nach einem Gegenmittel anzutreiben.
Speed ohne Bus
Seine Vendetta führt Chelios durch ein schrill überzeichnetes und gleichzeitig schmieriges
Los Angeles. Eine Kopfschmerzen auslösende Explosion der Farben wie bei Tony Scotts
„Domino“ bleibt aber aus. Ab dem ersten Moment von Chelios Hetzjagd verschmilzt der
optische Firlefanz von schnellen Schnitten, Farbfiltern und einer fiebrigen Kamera mit
treffsicherer Selbstironie. Durch augenzwinkernde Musikeinspielungen und den fast schon
slapstick-artigen Körpereinsatz von Statham zeigen die Regisseure Mark Neveldine und
Bryan Taylor, dass ihnen Lächerlichkeit und Flachheit der Story vollauf bewusst ist. Anstatt
sich nun dafür zu entschuldigen, holen sie aus der eigentümlichen Prämisse von „Crank“, oder
sperriger betitelt „Speed mit Mann statt Bus“, ein Maximum an Unterhaltungswert heraus.
Chev rennt
Es gibt ja immerhin viele Möglichkeiten, für Adrenalinschübe zu sorgen. Prügeleien und
Schiessereien halten den Kreislauf zwar in Schwung, aber diverse Drogen oder ein Stromstoß
helfen natürlich auch bei Chevs ungewöhnlichem Problem. (Von Sex in der Öffentlichkeit
ganz zu schweigen.) Das Skript, das auch von Taylor und Neveldine stammt, lässt wirklich
keine aufregende oder witzige Spielart der Grundidee aus.
Krampfhafte Gefühlstiefe
Für Kurzweil sorgt „Crank“ damit in jeder seiner 83 Minuten, viel mehr bietet der Streifen
aber nicht. Um einen nahe liegenden Vergleich zu bemühen: „Crank“ ist wie eine Achterbahn
in einem Themenpark. Die Loopings und Steilfahrten bleiben in bester Erinnerung, während
die Story, die meist mit mäßig lebensechten Roboter-Figuren erzählt wird, nur BindemittelFunktion hat. Da gibt es zum Beispiel die Liebesgeschichte zwischen Chelios und seiner
dauerbekifften Freundin Eve. Den Zweck, mit wahren Höhepunkten schlüpfrigen Humors zu
punkten, erfüllt diese seltsame Beziehungskiste zwar, aber Glaubhaftigkeit oder Gefühlstiefe,
die manche Dialogzeilen krampfhaft vermitteln wollen, stellt sich nicht ein. Darstellerin Amy
Smart („Starsky & Hutch“) als Eve geht es noch dazu genauso wie Efren Ramirez („Napoleon
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Dynamite“) als Chevs tuntiger Informant Kaylo: Jeder Versuch, die Charaktere zu mehr zu
machen als skurriler Staffage, geht im Effekte-Gewitter unter.
Game Over?
Anarchistischer Spaß hat in „Crank“ klar vor allem anderen Vorrang. Sonstigen Nährwert hält
dieses Leinwand-Fast Food höchstens noch für werdende Kameramänner und
Schnitttechniker bereit, da hier so ziemlich das ganze Handwerkszeug ihrer Zunft zum Einsatz
kommt. In der Action-Sparte schießt sich „Crank“ sowieso den Weg an die Genre-Spitze frei.
„Crank“ schert sich auch noch einen Dreck um Altersfreigaben, zeigt nackte Haut und lässt
das Blut nur so fließen. Political Correctness wird hier genauso wenig eingehalten wie
stereotype Gangster-Darsteller auftauchen. Beispiel gefällig? Ein Taxifahrer macht Chelios
Schwierigkeiten und will ihn nicht ohne weiteres mitnehmen. Chev lässt sich nichts gefallen,
stößt ihn zu Boden und schreit „El Kaida! El Kaida!“. Plötzlich fällt eine Meute ganz
normaler Bürger, die eben noch in einem Straßencafe daneben gesessen sind, wie aus Instinkt
über den Taxifahrer her.Welches Statement hinter dieser Szene stehen mag, soll der
Zuschauer selbst für sich entscheiden. Zu „Crank“ sei nur abschließend, in genauso
selbstironischem und streitbarem Ton gesagt: Lasst das fröhliche Prügeln und Ballern
beginnen!
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Markus Grundtner
Mann aus Stahl und Rauch
Was lange währt, wird doch nicht gut: Superman fliegt zwar wieder, doch die heiß
erwartete Comic-Verfilmung „Superman Returns“ enttäuscht auf ganzer Linie
Einen „Superman“-Film zu drehen, kommt der Adaption eines allseits bekannten griechischen
Mythos gleich: Der Großteil des Publikums weiß um die Grundfesten der Geschichte, das
heißt, das Abenteuer kann ohne lange Einführung beginnen. Regisseur Bryan Singer denkt
genauso und knüpft direkt an „Superman II“ aus dem Jahr 1980 an. Dass dabei viele lose
Enden entstehen, ist noch der geringste der vielen Tiefschläge, unter denen selbst der Mann
aus Stahl zu Boden geht.
Held in blauen Strumpfhosen
Comic-Serien haben eine Gemeinsamkeit mit Computern: Beide besitzen einen Reset-Knopf.
Wenn sich bei einem Comic nach mehreren Jahren voller kreuz und quer laufender Storylines
keine originelle Geschichte mehr erzählen lässt, drücken die Macher einfach besagten Knopf
und Helden wie Spider-Man oder Batman befinden sich wieder ganz am Anfang ihrer
beschwerlichen Reise.
Das Kino-Pendant eines solchen Neustarts war „Batman Begins“. Supermans Rückkehr ist
dagegen von einem anderen Kaliber. In einer neu geschneiderten Variante des ikonischblauroten Kostüms hebt Brandon Routh in einer Quasi-Fortsetzung der „Superman“-Filme um
Christopher Reeve vom Boden ab. Mit Quasi-Fortsetzung ist einerseits gemeint: Die
Vorgeschichte wird zwar als bekannt vorausgesetzt, Details wurden aber verändert.
Andererseits handelt es sich bei „Superman Returns“ um gar kein richtiges Sequel, denn wer
„Superman“ gut kennt, wird im neuen Comics-Ableger mehr als nur ein Déjà vu erleben.
Signifikante Frisur
Brandon Routh ist der spiegelverkehrte Christopher Reeve: Er hat sich für seine Rolle den
Scheitel genau auf die andere Seite gekämmt. Der Kern der Story von „Superman Returns“
enthält seltsamerweise auch ein spiegelverkehrtes Element: 1978 wollte Gene Hackman als
Lex Luthor Kalifornien durch ein Erdbeben im Meer versenken, 2006 will Kevin Spacey als
Lex Luthor an der Ostküste durch Technik vom Planeten Krypton eine Landmasse aus dem
Meer erstehen lassen. Superman, der gerade von einer fünfjährigen Reise zu seinem zerstörten
Heimatplaneten Krypton zurückgekehrt ist, muss das natürlich verhindern. Das ist aber nicht
sein einziges Problem: Da wäre auch noch eine gekränkte Lois Lane, die einen Sohn hat und
verlobt ist.
Trotz einer säuerlichen Mutter Lane wirkt die Geschichte allzu bekannt und nicht nur deshalb
uninspiriert, die Dialoge klingen nämlich merkwürdig vertraut. Die Drehbuchautoren Dan
Harris und Michael Dougherty („X-Men 2“) haben nicht nur Anspielungen auf Comics und
die Vorgänger-Streifen eingebaut, sie haben ganze Dialogzeilen übernommen. Bei einem
Film, der zweieinhalb Stunden dauert, mag das als respektvolle Verbeugung durchgehen,
solange die restlichen Dialoge genauso raffiniert dazu passen. Auf Harris und Doughertys
eigenem Mist gewachsen sind aber Zeilen, die sich im besten Fall als Füll-Sätze bezeichnen
lassen. Besonders schwerwiegend wirken sich diese hohlen Dialoge bei Superman
beziehungsweise seinem Alter-Ego Clark Kent aus: Routh hat absolut gar nichts zu sagen,
sein Schauspiel besteht darin, Christopher Reeve zu kopieren. Als Clark kann er in der
Redaktion des Daily Planet keine Drehtüren meistern, während er sich als Superman
überhaupt nur in heroische Posen wirft. Dabei ist er meilenweit von dem augenzwinkernden
Charme entfernt, mit dem Reeve begeistern konnte.
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Markus Grundtner
Keiner Schlagzeile würdig
Damit häuft „Superman Returns“ eine Halbherzigkeit auf die andere: Die klassische Story, in
der natürlich wieder Kryptonit eine Rolle spielt, ließe sich ja verschmerzen, solange Brandon
Routh eine Charakterentwicklung mit der Tiefe von Sam Raimis „Spider-Man“ zeigen würde.
Da dies aber nicht der Fall ist und ein lustloser Kevin Spacey als Lex Luthor zu keinem
charismatischen Bösewicht avanciert, kann der Film die Handlungsmankos nicht ausgleichen.
Die Nebenfiguren, zu denen wegen Harmlosigkeit, Charakterblässe und Schauspiel-Untalent
Kate Boswort als Lois Lane gehört, wurden nicht besser ausgestaltet.
Lobenswert ist lediglich die Verwertung von Filmmaterial mit Marlon Brando als Supermans
Vater Jor-El. Hier wird versucht, die Mythologie von Superman durch eine religiös
angehauchte Vater-Sohn-Note zu erörtern und dem Mann aus Stahl gleichzeitig als
möglichem Familienmenschen einen neuen Charakter-Aspekt zu verleihen. Die
Drehbuchautoren fischen aber auch hier wieder im Seichten.
Wieder nur Popcorn-Kino
Das Hauptaugenmerk bei „Superman Returns“ liegt offensichtlich an anderen Stellen. Der
spektakulär inszenierte erste Auftritt von Superman hatte wohl klar Vorrang vor dem
unbekömmlich-anspruchsvollen Inhalt. Somit darf Bryan Singer unter dem Strich einen neuen
Auswuchs belanglosen Popcorn-Kinos für sich verbuchen. Verdanken kann er dies seinem
Special-Effects-Team und Regisseur Richard Donner, von dessen „Superman“ er fleißig
geklaut hat. „Superman Returns“ ist lediglich das glamouröse Abziehbild der Original-Filme
und der Comics. Singer fängt höchstens den Glanz der Vorlage ein, aber kann nicht deren
Essenz ausloten und schon gar keine neuen Facetten des Mythos ergründen.
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Markus Grundtner
Kinderreime für ein Dichter-Genie
Eine Doku, die auf den Schultern eines Riesen stehen will, aber nicht klettern möchte
Die Dokumentation „Leonard Cohen – I`m Your Man“ versucht einen der größten Dichter
und Musiker unserer Zeit zu porträtieren. Ein großes Wagnis, bei dem Eitelkeiten siegen.
Einem grandiosen Künstler wie Leonard Cohen Tribut zu zollen, muss kein großer Aufwand
sein. Genau das dachten sich die australische Regisseurin Lian Lunson und eine Handvoll
renommierter Musiker, die in der Dokumentation „Leonard Cohen – I`m Your Man“ dem
singenden Poeten ihre Ehrerbietung erweisen und dabei recht billig davonkommen.
Text vergessen
Lunsons Musik-Doku fährt auf zwei Schienen, die direkt zur allumfassenden Erleuchtung von
Leonard Cohens Gesamtwerk führen sollen, dann aber doch in einem krakeligen Porträt
enden. Den Rahmen bildet das Konzert „Came So Far For Beauty“ aus dem Jahr 2005. Zum
siebzigsten Geburtstag von Leonard Cohen versammelten sich Interpreten wie Nick Cave,
Jarvis Cocker oder Rufus Wainwright in der Oper von Sidney, um ihrem Idol ein Ständchen
zu bringen. Zusammengeschnitten sind Teile der Veranstaltung mit Interviewfetzen der
huldigenden Gratulanten und Gespräche mit Leonard Cohen selbst. Was schon bei der
zweiten Performance (Linda Thompson singt „A Thousand Kisses Deep“) negativ auffällt:
Cohen scheint auf die meisten der auftretenden Musikergrößen keinen allzu profunden
Einfluss gehabt zu haben, diese starren nämlich dauernd auf den Boden, sprich: auf den
Spickzettel mit dem jeweiligen Songtext.
Old Blue Eyes
Die neu eingesungenen Lieder sind noch dazu seltsam aufbereitet: Nick Cave trällert „I'm
Your Man“ vor sich hin, gerade so als befände er sich auf einer Frank SinatraGedenkveranstaltung. Wirklich überzeugen kann nur der Cohen-Adept Rufus Wainwright,
dessen Version der Ballade „Hallelujah“ wohl schon öfter in TV-Serien und Filmen zu hören
war als das Original.
Aus dem Fundus von Liedern für die Ewigkeit wie eben „Hallelujah“ oder „Everybody
Knows“ legt sich Regisseurin Linson einen roten Faden für eine Biografie zurecht.
Insbesondere Rufus Wainwrights eindringliches Arrangement von „Chelsea Hotel“ – einem
Lied, in dem der junge Cohen seine Affäre mit Janis Joplin thematisierte – erfüllt diese
Intention. Die Auflistung der wesentlichen Lebensstationen rettet Cohen selbst vor dem öden
Charakter pflichtbewusster Informationsvergabe. In den lakonischen Geschichten erfährt das
Publikum von seinen ersten bedeutungsschweren Zeilen, die er als Kind nach dem Tod seines
Vaters geschrieben hat, und natürlich auch über sein Mönchtum – und das alles in den
berührenden Worten seiner meisterlichen Dichtkunst.
Jesus!
Was als zweistündiges Interview samt Einspielungen von Original-Musik als reduziertes, aber
konzentriertes Porträt funktioniert hätte, ruinieren optischer Firlefanz und nicht zuletzt U2Frontmann Bono, der aus unerfindlichen Gründen auch zu den Interviewpartnern zählt. Es ist
nun mal nicht zu ändern, dass überall, wo Bono auftaucht, sich eine ironiefreie Zone bildet, in
der bald von himmlischer Sendung und anderem Größenwahn die Rede ist. So wird leicht der
einzige Fehler erkennbar, den Regisseurin Lian Lunson begangen hat.
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Markus Grundtner
Dieser war grob genug, um „Leonard Cohen – I`m Your Man“ scheitern zu lassen: Das
Augenmerk hätte auf Leonard Cohen selbst bleiben, mehr von seinem literarischen Denken
enthüllen, mehr von seiner Philosophie offenbaren und mehr von seinem Gesang präsentieren
müssen. Die wenigen Höhepunkte der Dokumentation ergeben sich nur dann, wenn der wirr
durch die Gegend streifende Scheinwerfer diese Aspekte beleuchtet. Mehr als ein paar
Lichtblicke lassen sich so aber nicht erhaschen.
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Markus Grundtner
KURZKRITIKEN
Cars, USA 2006
Lightning McQueen ist der schnellste und beliebteste, aber auch egozentrischste Rennwagen
in einer Welt, in der Autos sprechen können und keine Menschen oder Tiere existieren. (Selbst
Fliegen sind kleine VW-Käfer.) Auf einer Reise quer durch dieses Parallel-Amerika kommt
McQueen vom Highway ab und landet in dem Wüstenort Radiatorville, dessen Hauptstraße er
gleich mal ruiniert. Um aus dem verlassenen Nest wieder verschwinden zu dürfen, muss er
den Schaden reparieren. Dabei findet er allmählich neue Freunde und erfährt, dass Ruhm
und Erfolg nicht das Wichtigste im Leben sind.
Einen wehmütigen Song von damals, als in den USA noch alles besser war, hat Pixar mit dem
Spielzeug-Cowboy Woody in „Toy Story“ angestimmt. „Cars“ trällert davon in rührseliger
Country-Manier die letzte Strophe: Jungspund Lightning McQueen trifft in Radiatorville auf
Autos, die zum alten Eisen gehören und von der Welt vergessen wurden. Warum? Alles muss
schneller gehen, weswegen die Route 66 verwaist ist und an dem früher florierenden Ort nun
eine Autobahn vorbeiführt. Die Story nostalgischer Verklärung ist in den Rahmen der
Michael J. Fox-Komödie „Doc Hollywood“ eingefasst, um mit sprechenden Autos Werte aus
der guten alten Zeit zu vermitteln. Die sich einschleichende Routine bei Pixar ist damit nicht
mehr zu leugnen. Zwar immer noch um Längen besser als alles, was in den letzten Jahren aus
dem Hause Disney kam und nicht von Pixar stammte, zeigen sich bei „Cars“ erste
Abnutzungserscheinungen in einer nur auf Autopilot ablaufenden Morallektion, eines
formelhaft angewandten Plots und einem verschwindenden Maß an liebevollen Einfällen.
Come Early Morning
Eine feste Beziehung ist das Letzte, was Lucy (Ashley Judd – „De-Lovely“) sich wünscht. Der
samstägliche One-Night-Stand mit irgendeinem Typen aus ihrer Stammkneipe reicht ihr
vollkommen. Auf mehr menschliche Nähe will sie sich nicht einlassen. Wie soll sie auch? Ihr
Vater hat seine Mutter mit der Dorfschlampe betrogen, ihr Großvater behandelt seine Frau
seit Jahrzehnten wie seine persönliche Dienerin. Im amerikanischen Süden der Gegenwart
spannt sich dieses Panorama von Täuschung und Enttäuschung. „Come Early Morning“
handelt davon, wie Lucy das immer noch ungleiche Machtgefüge zwischen Mann und Frau
zuerst umgeht, dann aber doch ihr Glück darin finden möchte. Zum Umdenken bringt sie die
Begegnung mit dem sensiblen Autonarren Cal (Jeffrey Donovan – „Hitch“). Ihr Misstrauen
hindert Lucy jedoch daran, sich auf eine Beziehung von gegenseitiger Liebe und Achtung
einzulassen.
Das Regiedebüt der Schauspielerin Joey Lauren Adams, bekannt aus der Titelrolle von Kevin
Smiths „Chasing Amy“, durchdringt komische Südstaaten-Atmosphäre und glaubhafte
Alltagsnähe. Lokale Eigenarten wie Square-Dance halten für den Durchschnittseuropäer
einiges an Amüsement bereit. Lucys Suche nach Liebe und ihrem Platz im Leben gewinnt
dadurch nur noch mehr an authentischem Charme. Ashley Judd überzeugt oscarreif als
resolute und verletzliche Mittdreißigerin in dieser romantischen Komödie, die so unaufgeregt
ist, dass das Leben sie geschrieben haben könnte.
Der Kick
Wie lässt sich Gewalt in der Kunst zeigen, ohne sie faszinierend darzustellen? Die Methode,
die Dokumentarfilmer Andres Veiel („Die Spielwütigen“) und seine Co-Autorin Gesine
Schmidt gewählt haben, ist unspektakulär und eindringlich zugleich: Eine nahezu leere
Industriehalle bildet den Schauplatz von „Der Kick“. Ein Mann (Markus Lerch) und eine Frau
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Markus Grundtner
(Susanne Marie-Wrage) schlüpfen in die Rollen von Betroffenen und sprechen deren Worte
aus Interviews sowie Gerichtsprotokollen.
Der Fall ist erschütternd: In der Nacht vom 13. Juli 2002 betrinken sich die Brüder Marcel
und Marco Schönfeld gemeinsam mit deren Kumpel Sebastian Fink und Marinus Schöberl.
Marco ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden. Die Wut, die er in sich hat, muss raus
– der Rechtsextreme hat aber keinen ausländischen Sündenbock bei der Hand. Also wird der
schwächliche Marinus bis zum Tod gequält. Rechtsextremer Hass ist aber nur eines der
möglichen Motive für die Tat. „Der Kick“ setzt nicht auf Schwarzweißmalerei, sondern wird
zur differenzierten Milieustudie in der Tradition von Truman Capotes „Kaltblütig“. Ein
unfilmisches, aber auf jeden Fall verstörendes und differenziertes Dokumentarstück.
Der rosarote Panther, USA 2006
Fußballtrainer Yves Gluant (Jason Statham – „Transporter 2“) wurde ermordet und sein
wertvollster Besitz, der „rosarote Panther“-Diamant, gestohlen. Chefinspektor Dreyfus
(Kevin Kline – „De-Lovely“) will die Aufklärung des Falls für einen Karrieresprung nutzen.
Damit ihm die Medien nicht dazwischenfunken, betraut er zur Ablenkung von seinen eigenen
Ermittlungen den unfähigen Inspektor Jacques Clouseau (Steve Martin – „Im Dutzend
billiger 2“) mit dem Fall. Das Chaos lässt nicht lange auf sich warten ...
Keine Frage: Steve Martin ist der erste würdige Nachfolger von Peter Sellers, der die Figur
des Jacques Clouseau als eingebildeten, aber komplett vertrottelten Polizisten prägte. Martins
übertriebene Akzentspielereien und seine cartoon-artigen Slapstick-Nummern machen den
neuen „Pink Panther“-Teil aber noch lange zu keiner ausgereiften Komödie. Das restliche
Schauspielensemble besteht nur aus Stichwortgebern, weswegen „Der rosarote Panther“
letztlich nichts weiter bleibt als eine One-Man-Show, deren Alibi-Handlung und teilweise
schamlos billige Pointen am ehesten bei einer Free-TV-Ausstrahlung nicht weiter stören.
Gue Mool
Hochgiftige Chemikalien in einen Fluss zu schütten, war noch nie eine gute Idee – schon gar
nicht in einem Monsterfilm. Ein US-Wissenschaftler (Scott Wilson) in Südkorea denkt da aber
anders, und verursacht durch umweltfeindliche Müll-Entsorgung die Geburt eines
verfressenen und akrobatisch begabten Riesenfisches. Auf dem Land wie im Wasser treibt die
Kreatur ihr Unwesen und jagt hilflose Menschlein. Dabei macht das böse Tier einen fatalen
Fehler: Es hat die kleine Hyun-seo (Ah-sung Ko) entführt, was deren Familie dazu veranlasst,
stinksauer auf Rachefeldzug zu gehen.
Regisseur Joon-Ho Bong („Memory of a Murder“) bemüht sich redlich, eine Horrorkomödie
zu schaffen, die seine Genre-Schublade sprengt. Rücksichtslose Amerikaner und eine Familie,
deren Mitglieder alleine schwach und nur gemeinsam stark sind, zählen aber zu den
verbrauchtesten Motiven anspruchsvoll-„schlechter“ Filme. Am Ende bleibt zwar ein
gelungener Monsterstreifen, der sich des eigenen Irrsinns bewusst ist und Komisches daraus
bezieht. Das Rad, sprich die Monsterjagd, will der Film aber auch neu erfinden und überhebt
sich dabei.
Hard Candy, USA 2006
Der 32-jährige Fotograf Jeff (Patrick Wilson – „Das Phantom der Oper”) hat im Internet
eine neue Bekanntschaft gemacht – die 14-jährige Hayley (Ellen Page – „X-Men – Der letzte
Widerstand“). Bei einem ersten Treffen läuft für Jeff alles wie geplant: die aufgeweckte und
ein wenig frivole Hayley kommt mit ihm nachhause. Was auch immer Jeffs Absichten mit dem
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Markus Grundtner
Mädchen waren, er findet sich bald an einen Sessel gefesselt wieder. Hayley ist nämlich doch
nicht so hilflos und naiv, wie Jeff angenommen hat.
„Hard Candy“ ist Pädophilen-Slang für minderjährige Mädchen. Das gleichnamige,
zwiespältige Psychodrama wird zur schonungslosen Abrechnung mit dem KinderschänderMilieu, gleichzeitig aber auch zu einem Kammerspiel des Sadomasochismus. Kino-Debütant
David Slade inszeniert die damals 17-jährige Ellen Page als raffinierten, übermächtigen
Racheengel und ihren Verführer Patrick Wilson als wehrlose Marionette in ihren Händen. Auf
theatrale Enge reduziert erreicht „Hard Candy“ fast eine Dichte wie J.B. Priestleys „An
Inspector Calls“. Leider nur fast, denn die Auflösung des brutalen Moralstücks wird allzu
achtlos aus dem Hut gezaubert.
Honor de Cavallaria
Um ein Stück Weltliteratur wie „Don Quijote“ zu inszenieren, braucht es keine großen
Effekte und berühmte Schauspieler. Regisseur Albert Serra reichen zwei Laiendarsteller, die
durch die Landschaft ziehen und gelegentlich ein, zwei Worte auf Katalanisch wechseln. Ein
Gefühl wie bei Samuel Becketts „Warten auf Godot“ stellt sich in dieser puristischen und
zugleich abstrakten Literatur-Neuempfindung schnell ein: Quixot (Lluís Carbó) maßregelt
ständig seinen blöde dreinblickenden Knappen Sancho (Lluís Serrat). Manchmal will er ihm
auch die Größe Gottes vor Augen führen.
Serra inszeniert Rituale wie das Anlegen der Ritterrüstung genau wie gemeinsames
Schwimmen in einem Teich als Bestandteile einer komisch anmutenden Männerbeziehung.
Vom üppigen „Don Quijote“-Text ist fast nichts übrig geblieben. Die Abenteuer sind
verschwunden, nur die ruhigen Momente und ausgedehnte Eindrücke der Natur, also alles,
was bei Cervantes zwischen den Zeilen steht, rücken in den Vordergrund.
Hui Buh, Deutschland 2006
Balduin (Michael Herbig – „(T)raumschiff Surprise“) ist ein Ritter, aber nicht unbedingt
einer von der edlen Sorte. Nachdem er beim Kartenspiel betrogen hat, trifft ihn der Blitz.
Fortan muss er sein Dasein als Gespenst Hui Buh auf Schloss Burgeck fristen. Mehr
Nervensäge als gruseliges Monster treibt Hui Buh noch 500 Jahre nach seinem Ableben den
Schlossbesitzer König Julius, den 111 (Christoph Maria Herbst – „Der Wixxer“) in den
Wahnsinn. Wie das Schicksal so will, werden die beiden aber zu Verbündeten gegen die
wirklich bösen Mächte, die im alten Gemäuer wirken.
„Hui Buh“ ist ein weiteres Beispiel dafür, dass das deutsche Kino Hollywood immer noch
gute 10 Jahre hinterher hinkt. Der Film kann zwar nichts dafür, dass die Geschichte markant
an „Casper“ erinnert – die Hörspielvorlage stammt immerhin aus den 60er Jahren und hat sich
auch reichlich bei „Das Gespenst von Canterville“ bedient. „Hui Buh“ ist aber sehr wohl für
grausig leblose Dialoge verantwortlich und sich auch nicht zu schade, jedes erdenkliche
Klischee – vom Aschenputtel-Motiv bis zu traurigen Kinderaugen – hervorzukramen. Im
Gewand von Kitsch-Kino und, zugegebenermaßen, gekonnter Spezial-Effekte-Spielerei
mangelt es „Hui Buh“ an charakteristischer Handschrift und eigenen Ideen. So steht dieser
belanglose Familienfilm selbst hinter liebloser, aber wenigstens ausgefeilter US-Massenware
zurück.
Romance & Cigarettes
Wenn Menschen ihre Gefühle nicht mehr durch gewöhnliches Sprechen ausdrücken können,
bleibt eigentlich nur noch Eines – zu singen. Schauspieler und Autor John Turturro („Barton
Fink“) hat nach dieser Idee, die er sich bei Autor Dennis Potter ausgeliehen hat („The
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Markus Grundtner
Singing Detective“), seine Komödie „Romance & Cigarettes“ zurechtgestutzt. Angesiedelt im
Arbeitermilieu erzählt er von Liebe, Betrug und Lungenkrebs. Dreh- und Angelpunkt ist die
Affäre des Bauarbeiters Nick Murder (James Gandolfini – „Die Sopranos“), der sich mit der
vulgären Schönheit Tula (Kate Winslet – „Vergiss mein Nicht!“) eingelassen hat. Als seine
Frau Kitty (Susan Sarandon – „Elizabethtown“) hinter den Betrug kommt, steht Nick zuerst
eine komisch-musikalische und dann tragische Läuterung bevor.
John Turturros dritte Regiearbeit bezieht seinen Reiz daraus, bekannte Charakterköpfe wie
James Gandolfini plötzlich zu Liebesliedern singen und tanzen zu sehen. Ohne diese
amüsanten Schauwerte, die gleichzeitig als Hommage an Musicals wie „West Side Story“
funktionieren, bleibt von „Romance & Cigarettes“ aber nicht viel übrig. Die fadenscheinige
Handlung, die nicht mehr schafft als von einem Song zum nächsten zu führen, verliert im
letzten Drittel durch einen radikalen Stimmungsumschwung sogar ihre Balance. Damit spielt
die ambitionierte Kino-Jukebox „Romance & Cigarettes“ nicht mehr als kurzweilige Hits,
erzeugt aber kein nennenswertes Echo.
X-Men: The Last Stand, USA, 2006
Die Mutanten dieser Welt wurden verfolgt, ausgegrenzt und sind immer noch gefürchtet. Nun
ist ein „Heilmittel“ für ihr Problem aufgetaucht – sie können wieder in normale Menschen
verwandelt werden. Der Aufruhr ist groß: Magneto (Ian McKellen – „Der Herr der Ringe“)
nutzt die Empörung, um eine kleine Mutanten-Armee für sich zu mobilisieren. Die Mutanten
um Professor Xavier (Patrick Stewart – „Star Trek: Nemesis“) versuchen den Frieden zu
bewahren. Sie haben aber nicht mit Magnetos Geheimwaffe gerechnet, die sich im Alkali-See
aus „X-Men 2“ verbirgt.
Es ist ein Trost, wenn auch nur ein schwacher: Regisseur Brett Ratner hat die X-Men-Serie
nicht ruiniert. Mehr Lob als „Es hätte viel schlimmer können“ lässt sich für „X-Men: Das
letzte Gefecht“ aber nicht erübrigen. Ratner profitiert von den Charakteren, die Vorgänger
Bryan Singer meisterlich eingeführt hat. An den neu hinzukommenden Comic-Mutanten
überhebt sich Ratner völlig – nicht nur, weil sie einfach zahlenmäßig zu viel sind. Sein
größter Verdienst liegt darin, Singers Stil zu kopieren. Die Dialoge bleiben dabei aber
oberflächlich und nur selten witzig. In den Action-Sequenzen tritt dann wieder der versierte
Regie-Handwerker Ratner hervor. Das Fehlen jeglicher Inspiration wird durch Routine aber
keineswegs aufgewogen.
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