26 - Ensuite
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ensuite u l t u r m a g a z i n nr. 26 februar 2005 | 3. jahrgang k reduktion in die qualität des klanges wenn das wörtchen «wenn» nicht wäre... mathilde - eine grosse liebe familienfest in solothurn ensuite und anderes... gere zbinden|grafik 6. KULTURMANAGERKURS 2005 Mit grossem Erfolg führen wir in Zürich seit fünf Jahren die Ausbildung Kulturmanager/in als berufsbegleitenden Kurs mit SAWI Diplom durch. Diese Praktiker-Ausbildung bietet bei erfolgreichem Abschluss besondere Übertrittsmöglichkeiten an alle Deutschschweizer KulturmanagementLehrgänge auf Universitäts- und Hochschulebene. Kursstart • Zürich 1: 17. März 2005 • Zürich 2: 7. April 2005 Verlangen Sie die ausführliche Kursausschreibung bei Frau Priska Stegmann, Telefon 032 366 70 40 oder über e-mail [email protected] SAWI Schweizerisches Ausbildungszentrum für Marketing, Werbung und Kommunikation Zentralstrasse 115 Nord, Postfach 7002, CH-2500 Biel 7 Tel. 032 366 70 40, Fax 032 366 70 49, www.sawi.com, e-mail: [email protected] Februar - Programm Russland – wohin? Filmreihe zum aktuellen Filmschaffen in der heutigen russischen Föderation. Mit vier Spielfilmen und zwei dokumentarischen Essays Restaurierte Filmperlen aus der Schweiz jeweils am Dienstag, 18.30 h Fred Kelemen Kunst und Film Frost Sonntag, 13.02. 17.00 h Abendland Samstag, 19.02. 18.00 h Verhängnis Sonntag, 20.02. 14.00 h in Anwesenheit von Fred Kelemen Kino Kunstmuseum / Hodlerstrasse 8 / 3000 Bern 7 Ticketreservationen: 031 328 09 99 Die genauen Anfangszeiten sind der Tagespresse oder auf kinokunstmuseum.ch zu entnehmen sandrainstrasse 3 3007 bern 031 311 13 33 [email protected] O Helvetia! Stehenden Applaus gab’s nicht für den Künstler vom Ständerat dafür palaverten die Räte ständig von ihrem anständigen Kunstverständnis wonach Kunst bieder, hausbacken und kleinkariert sein sollte möglichst Käse und Tourismus fördernd wirken könnte und unbedingt allseits gefällig sein müsste. Von der Freiheit von Kunst und Kultur gaben die abgestandenen Räte nichts zu verstehen dafür umso mehr von ihrer erpresserischen Finanzhoheit. So wenig sich Künstler und Kulturschaffende in sachfremde Amtsgeschäfte von anständigen Räten und unverständigen Politikern einmischen so wenig sollten diese Krämerseelen Kunst und Kultur eins auswischen und die selbstverständliche Aufgabe der Kulturförderung einfach jenen überlassen die wissen was jenseits von Kantönligeist und Landesgrenze bekömmlich und kulturverständigend ist im wohlverstandenen Sinne Pro Helvetia. www.comedia.ch, www.connexxnet.ch die medien- (und kultur-) gewerkschaft i n h Titelseite und rechts: Mathilde - die grosse Liebe a l t 3 Vor allem... ■ Und da haben wir den Salat: Die Stadt Bern besitzt jetzt stolze vier unabhängige Kulturredaktionen, ohne die Trend- und Szenenmagazine mitgerechnet. Alle buhlen sie um die gleiche Leserschaft und stehen sich in den Publikationen auf den Füssen rum. Da schreibe ich einen Artikel und muss einen Tag vor Druckbeginn feststellen, dass eine andere Tageszeitung einen gleichen Artikel einen Tag vorher gedruckt hat. Das kommt vor. Wenn sich aber alle vom gleichen Brot ernähren, so wird das ziemlich langweilig. Die neue städtische Kulturagenda zum Beispiel verwendete die gleichen Bilder wie wir, ohne diese wenigstens ein bisschen in der Gestaltung zu verändern. Kunststück: Die Pressebilder sind rar und nicht jeder Veranstalter macht sich überhaupt die Mühe, den Redaktionen mehrere Bilder zuzustellen. Im Beispiel mit der Tageszeitung musste ich feststellen, dass auch die Recherche-Datenquellen fast identisch mit den meinen waren – obwohl ich versuchte, etwas anderes zu schreiben. Doch das tun wir jetzt alle – und treffen uns an den gleichen Wegkreuzungen wieder... Als ich mit meinem Schreibstau im Büro um die Wette trommelte, stolperte ich über einen Satz von Rudolf Augstein (1923 – 2002, ehemaliger Herausgeber des Spiegels): „Die Zahl derer, die durch zu viele Information nicht mehr informiert sind, wächst.“ Das kann uns sogar im kulturellen Bern, mit seiner unheilbaren Blätterflut passieren – also aufgepasst. Etwas ganz anderes: Ich möchte mich bei all den Briefe-, Mail- und NotizschreiberInnen bedanken, die auf unser neues Format und Layout reagiert haben. Ausnahmslos sehr gute Stimmen. Das freut natürlich und macht den Jahresauftakt sehr spannend. Im gleichen Atemzug möchte ich mich für die Fehler in der Datenbank entschuldigen – wir kämpfen in den rieseigen Datenmengen mit fast unkontrollierbaren binären Abenteuern. Doch was wir ohne Geld, mit Papier und Schere, ein paar Leimtuben zusammengebastelt haben, sieht doch ganz nett aus, oder? Und so freuen wir uns wie die tanzenden Schneeflocken draussen auf den Februar. Das kann ja heiter werden... (diese gespielte Fröhlichkeit ist aufgrund der Bemerkung eines Lesers, dass ich nicht mehr jammern solle...) Lukas Vogelsang K U L T U R & G E S E L L S C H A F T mathilde - eine grosse liebe 6 von menschen und medien: was hat ernst jandl mit media-markt zu tun? 27 B Ü H N E hidden garden - kommentar 8 tierisches, allzutierisch 8 ein bus voller erlösungsbedürftiger 9 L I T E R A T U R berchtold brecht in der schweiz 5 commerce - vom schwelgen mit fischen // menetekel 11 K U N S T I M B I L D restauration im zentrum paul klee 12 südsicht - aus bern nord 19 M U S I K leise proteste in leerem raum 9 reduktion in die qualität des klanges - don li 14 wenn das wörtchen «wenn» nicht wäre... simon ho & freinds 16 cd-tipp 21 enjoy the silence // «hey you should come, bla bla bla...» 20 postrock mit cindy crawford 26 R E I S E N objects may be closer than they appear - teil 4 24 E S S T I P P jaffna special 32 K I N O / F I L M familienfest in solothurn 28 «film ist auch eine kunst» 29 million dollar baby 29 programmschwerpunkte der der berner off kinos 30 V E R A N S T A L T E R ono - galerie - paarlauf 13 hkb: sehnsucht des erzählens // studiengang visuelle kommunikation 16 D I V E R S E S kulturnotizen 4 wintereinklang 13 stadtläufer // die wa(h)ren helden // zum glück ensuite abo 17 aufgewärmt 19 cartoon 27 letzte lusteite 63 B I E L - B I E N N E / S E E L A N D cadenza // trio wanderer 22 museum neuhaus in biel // das letzte band 23 A G E N D A der grösste veranstaltungskalender für bern und biel-bienne mit galerien, museen und vielen details 33 kulturagenda bern 34 museen & galerien 54 agenda biel - bienne 59 4 K U L T U R N O T I Z E N SAUFEN BIS DER CHIP QUALMT ■ Ein implantierbarer Chip ist nichts Neues. Millionen von Katzen und Hunde sind bereits Träger des Identifikations-Chips, nun kommen aber immer mehr auch Menschen, allen voran das Trend- und Ausgeh-Publikum in den Genuss implantierbarer Chips. Der Schritt vom Tier zum Mensch geht patentrechtlich relativ einfach. Man stützt sich auf die evolutionistische Biologie, wo der Mensch als höheres Säugetier eingestuft wird und schon ist das Problem gelöst. Don Small, Vizepräsident von Hughes Identification Devices meint: «Definieren wir ein Tier als Säugetier, schließt dieser Begriff den Menschen selbstverständlich mit ein.» Die kleine in Glas gegossene Schnittstelle ist in Europa schon seit längerem implantierbar – quasi im Grossraumversuch, denn in Amerika durfte der Chip erst seit Oktober 04, vor allem im Gesundheitswesen eingepflanzt werden. Als Feldversuch wurde der Baja Beach Club in Barcelona und Rotterdam ausgesucht. Sie waren die ersten Discos, die ihre Gäste implantierten. Jeden zweiten Donnerstag im Monat trommelt der Baja Beach Club zur «Implantation Night». Will ein Gast zum «Very Important Person» VIP werden, lässt er sich einen Chip in den linken Oberarm spritzen. Dann noch schnell den Vertrag unterschrieben, der den Club von der Verantwortung für gesundheitliche Schäden entbindet, ein kleiner Piekser und der Kunde ist zu einer wichtigen Person geworden. Der VIP bezahlt seine Drinks, indem er den Arm an ein Lesegerät hält, das Geld wird praktisch vom Konto abgebucht. So sind im spanischen Club bereits 40 Spanier zu ihrer eigenen Kreditkarte geworden. Jetzt haben auch die Schotten nachgezogen. In der Bar Soba, in Glasgow, können sich die Schotten nun weit über ihr bares besaufen – bis der Chip qualmt. Der Anbieter des Chips, Applied Digital Solutions, hat aber noch andere Pläne für den Winzling im Fleisch: Durch den eben vollendeten Schulterschluss mit der Satteliten - Betreiber Firma Orbcomm kann die Fleischbörse mit einem Personal Location Device aufgepeppt auch über das Satteliten System GPS verfolgbar sein. Ähnlich wie eine tote Sau auf Irrwegen im Viehtransport. Die Firma Orbcomm garantiert durch 35 Microstar low earth orbit (LEO) Satelliten in Umlaufbahnen auf 775 km Höhe, die weltweit flächendeckende Verfügbarkeit der Daten. Das ist gut so: wer nach dem Saufen auf der Strasse umfällt, dem könnte so schnell geholfen werden. Oder doch nicht? Angela Fulcher, Verichip’s Kommunikationschefin meinte dann auch: «Rund 7000 Chips sind verkauft worden, etwa 1.000 davon sind implantiert. Wir haben keine Ahnung wohin die Chips geliefert wurden. Wir vermuten, dass viele zu Testzwecken von militärischen Einheiten und Nachrichtendiensten gebraucht werden. Darüber können wir aber nicht sprechen.» Lassen wir besser die Zigarren qualmen. (sf) HERR MÜLLERS TAG – ODER EINE CHRONIK EINIGER ANTI-WEF AKTIONEN 2005 ■ Als Herr Müller am Morgen des 22. Januars in seinen Schrank schaute, musste er bemerken, dass er keinen sauberen Pullover mehr hatte. Dies kam zwar etwa einmal alle zwei Wochen vor, aber dieses Mal war es ziemlich viel dramatischer: Es war gar nicht Waschtag. Wie konnte das sein? Es ging doch immer auf. Vier Pullover, 14 Tage, jeden vierten Tag einen neuen Pullover anziehen, zwei Tage blieben sogar noch für den Notfall, dass er zweimal schon nach drei Tagen wechseln müsste. Nur dieses Mal ging es nicht auf. Und so entschied Herr Müller, in die Stadt zu gehen und sich einen fünften Pullover zu kaufen. Ausserdem war das Wetter vorzüglich, und so störte es ihn überhaupt nicht, den alten Aargauerstalden Richtung Loeb hinunterzulaufen. Doch sofort fielen ihm die vielen Menschen auf. Vorwiegend Junge standen herum, sprachen miteinander und tanzten etwas zu der Musik, die aus den, auf dem Trottoir parkierten Autos, kam. Was konnte hier nur los sein? Herr Müller blieb auf seinem Weg, er würde sich doch nicht von ein paar merkwürdig angezogenen Jugendlichen abschrecken lassen. Verschiedene Blätter wurden ihm in die Hand gedrückt, was zur Hölle konnte den das WEF sein, jedenfalls schienen sie es nicht so gern zu haben und es tönte auch gar nicht nett. Leider liess sich nicht mehr aus den Überschriften herausfinden, und Herr Müller mochte keine langen Texte lesen. Eine Überschrift beunruhigte ihn jedoch ungeheuerlich: «Weltrevolution»! Das war doch etwas Böses, und musste in irgendeinem Zusammenhang mit Russland stehen. Aber Russland gab es gar nicht mehr, soweit Herr Müller wusste. Kurz fragte er sich, ob er die Polizei benachrichtigen sollte, doch die schien es schon zu wissen. Jedenfalls standen da ziemlich viele auf der Nydeggbrücke. Ob sie wohl wegen den Russen so bös ausschauten? Fürchteten sie auch die Weltrevolution? Oder waren sie einfach nicht so nett weil sie zu dem komischen WEF gehörten. Denen würde er sicher nichts erzählen, sie hatten sogar seinen Ausweis sehen wollen. Wie unfreundlich. Die mussten eindeutig Teil des WEFs sein. Da waren ihm die Russen viel sympathischer gewesen, obwohl sie die Schweizerische Parkordnung nicht zu kennen schienen. Als Herr Müller weiter Richtung Loeb lief, merkte er, dass es in der ganzen Stadt sehr viele Polizisten hatte. Doch auch merkwürdige Personen gab es viele: Sie liefen vergnügt in kleinen Gruppen herum, sangen, riefen Sprüche – Herr Müller war sich sicher, wieder das Wort WEF gehört zu haben, er fragte sich nur, was wipe out heissen konnte – und tanzten herum. Ein paar schienen zu einer Sekte zu gehören, sie beteten das WEF an. Wie kam es wohl das jemand etwas Böses anbetete? Aber Religionen hatte er noch nie verstanden, und wenn es Leute gab, die einen Gott anbeteten, der von einem ganzen Land alle Erstgeborenen tötete, konnte es auch gut solche geben, die das WEF anbeteten. Andere Leute in der Stadt weinten um die Meinungsfreiheit, vielleicht hatten die Russen sie gestohlen, und Dritte schrieen: «Mehr WEF für die Welt» Diese sahen aber überhaupt nicht nett aus, so reiche Bonzen mit Zigarren und Anzügen. Auch ihre anderen Aussprüche, dass sie mehr Geld brauchen und mehr Leute ausnutzten wollen, gefielen Herr Müller überhaupt nicht. Ob sie zum WEF gehörten? Das alles wurde ihm immer suspekter, schon am Donnerstagabend waren ihm Leute aufgefallen, die über eine ganze Strasse verteilt alle gleichzeitig dasselbe machten. Zwar hatte er dann herausgefunden, dass sie ihre Befehle über das Radio bekamen, aber den Grund hatte er nicht in Erfahrung bringen können. Vielleicht hatte es ja auch etwas mit dem WEF zu tun gehabt. Und immer noch all die Polizisten! So viele hatte er noch nie gesehen. Entweder waren diese harmlos aussehenden, singenden, lachenden Leute eine grössere Gefahr als er dachte, oder die Polizisten waren tatsächlich irgendwie ein Teil des WEFs. Vielleicht hatte das WEF ihnen auch einfach Geld gegeben, damit es seine Ruhe hatte bei dem, was es auch immer tat. Denn Geld schien es genug zu haben. Herr Müller entschied, dass etwas geschehen müsse. Was auch immer das WEF war, ob ein neuartiges, gefährliches Raubtier oder eine Gruppe Antirussen, er wollte es jetzt wissen. So kam es, dass Herr Müller an diesem Tag mit einem schmutzigen Pullover in eine Tearoom sass und das erste Mal etwas lass, dass nicht fett gedruckt war. (hm) K U L T U R N O T I Z E N ERSTER KLANGAUSTAUSCH MIT TITAN Bild rechts: Werner Wüthrich Foto: Thomas Burla, Zürich Bild links: Luise Gaugler/ Foto: zVg. BERTOLD BRECHT UND DIE SCHWEIZ Jahrhundertfund der Literaturgeschichte ■ « Ich habe es gefunden, wegen meiner Hartnäckigkeit und... weil ich es nicht gesucht habe,» - sagte Herr Dr. Werner Wüthrich zum Schluss des Interviews und lächelte mich an. – «Gerade deswegen war mein Glück kein Zufall». Als im Jahr 1998 der Direktor des Instituts für Theaterwissenschaft der Universität Bern, Pr. Dr. Andreas Kotte, den Schriftsteller und Theaterautor Werner Wüthrich kontaktierte, um dessen 1974 erschienene Wiener Dissertation «Vom Ärgernis zum Klassiker. Bertolt Brechts Aufnahme in der Schweiz 1923 – 1969» zu publizieren, stimmte Herr Wüthrich zu. Er vermutete, dass die Bearbeitung und Erneuerung der statistischen Angaben maximal zwei bis drei Monate in Anspruch nehmen würden und dachte, dass er für diese Zeit seine eigene Tätigkeiten als Dramaturg und Schriftsteller vorläufig bei Seite schieben müsste. Die Arbeit schien keine Überraschungen zu geben, da alle Brechts Papiere schon längst gezählt, dokumentiert, erforscht und kommentiert waren. Was danach passierte, zerstreute alle Pläne nicht für nächste 3 Monate, sondern für ganze fünf Jahre. Der Zeitpunkt einer Forschung kann entscheidend für eine ganze Unternehmung sein: die Archive, die in 1974 für den Autor geschlossen wurden, waren jetzt zugänglich. Die Staatschutzakten des Bundesarchives in Bern über Brechts Beschattungen während seines letzten Aufenthalts in der Schweiz, 1947-1949, wurden ab 1996 geöffnet und die Stiftung Archiv der Akademie der Künste in Berlin lieferte zusätzliche Informationen aus dem privaten Brecht-Archiv, welches in den 70er Jahren für die Öffentlichkeit geschlossen war. Die andere Ausgangslage erlaubte Dr. Wüthrich das Verhältnis Brecht zur Schweiz neu zu betrachten, verlangte von ihm weitere Forschungsschritte. Die ersten Ergebnisse zeigten zunächst, dass Bertold Brecht gegen der Meinung aller Biographen, 1949 in der Schweiz bleiben und nicht nach Ost-Berlin gehen wollte. Das führte Wüthrich zur Idee, dass Brecht möglicherweise in der Schweiz einige seiner Arbeiten oder Schriften aus den 14 Jahren Exil zurücklassen musste. Doch was er fand übertraf alle Vermutungen. 5 Zeit spielt in dieser Geschichte eine bedeutende Rolle: die Zeitzeugen, Bekannten von Brecht, die in 70er Jahren, während des kalten Krieges, nicht aussagen wollten, gingen jetzt in Kontakt und so fand Werner Wüthrich das «Arbeitsdepot»: Die insgesamt 44, in der Regel mehrteiligen, unbekannten Manuskripte, Fotos, 500 Briefe, neue Fassungen bereits bekannter Schriften das alles wurde im Estrich des Hauses in Feldmeilen am Zürichsee bei der Familie Mertens-Bertozzi aufbewahrt, bei der Brecht mit der Familie von 1947 bis 1948 Unterkunft bekam. Die Dachwohnung stand für ihn immer bereit, sogar nach seiner Abreise nach Deutschland. Die Lesung am Podium NMS (siehe Angaben unten) bittet die Möglichkeit diese unendlich spannende Geschichte aus erster Hand zu hören: Werner Wüthrich präsentierte die Bücher die aufgrund der Forschung geschrieben und publiziert wurden und berichtet über den neuen Stand der Forschung. Die Schauspielerin Louise Gaugler, die Brecht gut gekannt hat, liest aus «Geschichten vom Herrn Keuner», sowie bekannte, als auch neu gefundenen Keuner Geschichten. (av) Lesung mit Ausschnitten aus den neuen Dokumentarfilmen: Bertold Brecht und die Schweiz Werner Wüthrich/ Louise Gaugler Podium NMS am Waisenhausplatz 29 am 18.2.2005, 20:00 Uhr Publikationen: Bertold Brecht: Geschichten von Herrn Keuner. Züricher Fassung mit Fünfzehn erstmals veröffentlichen Geschichten. Hg. von E. Wizisla, Suhrkamp, 2004, ISBN 3-518-41660-X. Werner Wüthrich: Bertold Brecht und die Schweiz. hg. von A. Kotte. Chronos Verlag Zürich, 2003, ISBN 3-0340-0564-4 ■ Titan / Erde - Als Huygens am 14. Januar auf dem Saturnmond Titan nieder ging, gelangt mit der ESASonde erstmals eine CD auf eine außerirdische Welt: Rockmusik und Grußbotschaften aus Europa. Den Sieben-Jahres-Trip mitgemacht hat die CD mit einem interplanetaren Musik- und Kulturprogramm von der Erde, die nun auf dem Saturnmond Titan verbleibt. „Lalala“, „Bald James Dean“, „Hot Time“ und „No Love“, so die Titel der vier Rocknummern, die von dem französischen Komponisten-Duo Julien Civange und Louis Haeri stammen. Die vier speziell für die Saturnmission erarbeiteten Songs mit einer Spieldauer von insgesamt 14 Minuten wurden unter der Projektbezeichnung „Music2Titan“ 1997 auf die CD-Rom gebrannt und im Bauch der Landesonde Huygens verstaut. Im Austausch dafür, gab der Mond Titan der interessierten Klangbevölkerung die Jungfräulichen Klänge preis. Durch Huygens Atmospheric Structure Instrument (HASI) wurden die Sounds bei einem Fieldrecording auf Titan aufgenommen. Die Soundfiles werden mit grosser Wahrscheinlichkeit zu den aller ersten ausserplanetarischen grooves zusammengesampelt. Die Jungfräulichen Sounds können unter http://www.planetary.org/sounds/huygens_sounds. html gefunden werden. (sf) BIN ICH EIN STAR? ■ Die 7.Demotape Clinic richtet sich einmal mehr an ambitionierte Bands und MusikerInnen mit dem Bedürfnis einer soliden Standortbestimmung und Einschätzung ihres musikalischen Könnens durch Profis der Branche. Die Beurteilung erfolgt öffentlich: hat die Band das Potenzial für einen Plattenvertrag? Für Live Auftritte? Was kann verbessert werden? Gut für die Nachwuchsmusiker: Sie sehen wie die Profis denken, auf was sie achten und wo sie kritisieren. Die Demotape Clinic richtet sich an analog arbeitende Musiker, electronic surfers und urban groovige sounds. Eine Auswahl der spannensten Demos wird an den Demotape Clinic Live Events präsentiert. Für alle drei Kategorien werden die vielversprechendsten Newcomer mit einer CD Produktion im Wert von 2‘500 Fr. Belohnt. (sf) Details zur Anmeldung findet sich unter: www.demotapeclinic.ch 6 K U L T U R & G E S E L L S C H A F T Bild: Mathilde - Warner Bros. LUKAS VOGELSANG mathilde – eine grosse liebe Der teuerste europäische Film: Un long dimanche de fiançailles Filme, die noch in den 60’er Jahren dieses Thema darstellten, wurden in Frankreich teils verboten (darunter auch «Path of Glory» von Stanley Kubrick. Erst in den 80’er Jahren lockerte sich diese Zensur. Dieser neue Film gehört, salopp gesagt, auch ein Teil zur französischen Selbstfindung. ■ Der in Marseille geborene Sébastian Japrisot (1931 – 2003) lieferte die Vorlage zum neuen Film von Jean-Pierre Jeunet (Frankreich) und «dessen» Star Amélie, oder eben richtig: Audrey Tautou. Vier von Japrisots psychologischen Kriminalromanen wurden seit den 60’er Jahren verfilmt. Der neue Film ist ebenfalls eine von Medien kreierte Bestsellergeschichte, geformt durch Sätze wie: «Ein poetischer, ein philosophischer Roman mit der Spannung eines Thrillers.» (Berliner Morgenpost) oder «Den berühmtesten Liebespaaren der Weltliteratur sind Mathilde und Manech hinzuzufügen.» (Der Tagesspiegel). Das lechzende Publikum ist überwältigt, die gesamte Produktion kann jeglichem Traum nach guter Unterhaltung und befriedigender Wiederholung standhalten. Muss sie auch, denn mit 46 Euromillionen ist «Un long dimanche de finançailles» der teuerste europäische Filmproduktion. «Mathilde – eine grosse Liebe» (der Originaltitel wurde schon gar nicht erst übersetzt...) ist aber nicht einfach opulentes französisches Kino. Hollywood hat unlängst das potential vom Star-Regisseur Jean-Pierre Jeunet erkannt und gebucht. Seine künstlerische Freiheit muss man ihm aber lassen – so ganz käuflich ist er nicht. Und in seiner Filmografie der Kinohits hat es nur einen Film, der nicht eine überragende Leistung zeigte: Alien: Resurrection (1997). Mit Delicatessen (1992), La cité des enfants perdus (1995), Le fabuleux destin d’ Amélie Poulain (2001) hat er Meisterwerke der Kinowelt geschaffen. Der Film beherbergt aber noch weitere Eigenwilligkeiten, wenigstens für Frankreich. Der erste Weltkrieg hatte in die französische Geschichte einen tiefen Riss geschnitten: 1.3 Millionen Tote hatte Frankreich zu verzeichnen (von 10 Millionen insgesamt). Filme, die noch in den 60’er Jahren dieses Thema darstellten, wurden in Frankreich teils verboten (darunter auch «Path of Glory» von Stanley Kubrick. Erst in den 80’er Jahren lockerte sich diese Zensur. Dieser neue Film gehört, salopp gesagt, auch ein Teil zur französischen Selbstfindung. Zum Film: Der Erste Weltkrieg geht zu Ende und die junge Mathilde hat erfahren, dass ihr Verlobter Manech zu jenen fünf Soldaten gehörte, die von einem Kriegsgericht verurteilt und als Todgeweihte ins Niemandsland zwischen den französischen und deutschen Schützen- gräben hinausgeschickt worden sind. Mathilde weigert sich seinen gemeldeten Tod zu akzeptieren. Durch Kinderlähmung hinkend und in bäuerlicher und einfacher Umgebung wohnend, sind ihre Möglichkeiten zwar beschränkt, doch der Wille gross. Sie hofft und sagt sich: « Wenn Manech tot wäre, dann würde Sie das spüren.» So sucht sie nach Details und der Wahrheit und bringt im Verlaufe der Recherchen das wahre Schicksal der fünf Soldaten ans Licht. Ein Weg voller Überraschungen und brutalen Erkenntnisse, Detektive, Prostituierte und verworrenen Geheimnissen. Die Geschichte mag auf den ersten Überblick ziemlich romantisch und kitschig klingen. Das Drama zieht sich aber nicht nur über eine Liebesgeschichte, sondern geht durch Weltgeschichte und emotionellen Willen. Nur die starrsinnige Hoffnung, der Glaube, die Unvernunft, die unverdorbene und jungfräuliche Liebe, unbeirrbarer Optimismus tragen das Geschehen. Und dies ist natürlich ein hervorragender Tummelplatz für Jean-Pierre Jeunet und Audrey Tautou: Die Vorübungen zu diesem Thema wurden bereits mit «Amélie» gut eingespielt. So sind zwar ganz andere Charakteren in diesem Film anzutreffen, doch fast die gleiche SchauspielerInnen-Crew. Und noch mehr: Die eigenartigen, spielerischen und grotesken Kameraführungen von Jeunet wurden in Perfektion weiter gezogen. Diesmal einfach etwas ernster, glaubwürdiger, faszinierender und versöhnlicher, als bei «Amélie». Die Kriegsszenen werden in keiner Art und Weise verunglimpflicht, kein Spott oder Hohn ist da. Die Bomben der Hoffnung und die des Krieges explodieren in uns. Die 7 Wochen Dreharbeiten im Schützengraben sind auch dem Filmteam in die Knochen gedrungen. Jeunet war sich bewusst, dass die Geschichte gefährlich ist und im Gegenteil dazu schaffte er ein eindrückliches und geniales Werk, welches in vielen Szenen peinlich berührt. Die Produktionsmillionen sind gut investiert. Besonders Spass machen die wiederkehrenden und nachgestellten Szenen. Mit jedem Schnipsel, dem Mathilde auf ihrem knorrigen Weg begegnet, ändert sich die Erzählung und die Szene wird neu eingespielt – jetzt mit den neuen Geschichtselementen. Das macht die Erzählung unberechenbar und spannend. Fast kein Moment ist voraussehbar und wenn doch, so dienen diese Sequenzen der reinen cinéastischen Erholung. Jeunet ist ein brillanter Erzähler und Gestalter, einer der wenigen wahren Gaukler der Kinowelt. Die Illusionen sind perfekt und wir fiebern mit den Figuren – seien sie noch so klischiert - anderes ist gar nicht möglich. Ein kleines, desillusionierendes Beispiel: Der Gare d’ Orsay und auch andere Schauplätze waren leer und gar nicht existent. Die SchauspielerInnen agierten vor einem Blue-Screen und wurden später montiert... Die Dreharbeiten dauerten von August 2003 bis Februar 2004, beginnend in Korsika, dann Paris, Bretagne, in die Region Poitiers (Schützengraben-Szenen) und abschliessend in den Bry-sur-Marne-Studios. Jeunet ist ein Perfektionist und das ist spürbar. Seine Spontaneität ist abgesichert durch detailgetreue Storyboards und Videoaufnahmen, die jeweils Tage zuvor gedreht werden. Das heisst aber nicht, dass er keine Änderungen zulassen würde, so meint das Team. Das Aufgebot an guten SchauspielerInnen ist beachtlich. Jodie Foster spielt mit und Julie Depardieu, die Tochter von Gérard, Jean-Claude Dreyfus, Dominique Pinon und viele weitere bekannte Gesichter. Die Effekte und technischen Finessen sind Jeunets Steckenpferdchen und dort entpuppt sich immer wieder sein enormes Potential: Die Farben, das Dekor, die Ambiente... man riecht förmlich die Hoffnung der damaligen Zeit. Eines ist gewiss: Mathilde ist eine gute und befriedigende Nachfolgerin für Amélie. Ein grosses Stück Zauber im Alltag und eine grosse Illusion. Hoffentlich lassen sich davon viele Menschen anstecken... Der Film läuft in den Berner Kinos. Audrey Tautou, 26-jährig, verschlägt es jetzt ganz nach Hollywood: Sie wird in Dan-Browns «Das Sakrileg» die weibliche Hauptrolle an der Seite von Tom Hanks spielen. Alias Sophie Neveu, Entschlüsselungsexpertin, untersucht sie den Mord an ihrem Grossvater im Pariser Louvre und wird in die Suche nach dem Heiligen Gral verwickelt. 8 B Ü H N E / M U S I K Kommentar HIDDEN GARDEN – ES BLIEB DABEI.... ■ Es ist immer spannend, bei den ersten Produktionen , neuer künstlerischen Direktoren dabei zu sein. So präsentierte der neue Tanzdirektor von Stadttheater Stijn Celis im Januar sein erstes Abendprogramm. Seinen Einstand gab er bereits mit dem Weihnachtsmärchen «Aschenputtel», welches gemischt, aber grundsätzlich beim Publikum gut ankam. «Hidden Garden», eine Uraufführung um Leidenschaft Aggression und menschliche Beziehungen - das «Erwachsenenprogramm» also – wurde gespannt erwartet. Im Vorfeld aufgefallen ist mir, dass in den Presseunterlagen das Wort «Ballet» verschwunden war. Früher redete man noch von «modernem Ballet», wenn es schwierig wurde. Jetzt scheint es nur noch «Tanzabende» zu geben. Ein Verlust? Im Hinblick auf den Erstling schon, ja. In diesem Getümmel von Klischees und programmierter Entrüstung, dem Versuch, gar zu «neu» und «anspruchsvoll» in Szene zu treten, wäre etwas Besinnung auf den Ort und Funktion besser gewesen. Stijn Celis Produktion hätte in einer Dampfzentrale noch einen Hauch von «modern» zu bieten. In einem Stadttheater fand ich es aber ziemlich deplaziert. Nicht, dass ich gegen «modernes» etwas entgegenzuhalten hätte – ich verstehe auch, dass das Stadttheater der Zeit hinten nachrennt. Doch ein Fluch für TänzerInnen, die nach so vielen Jahren Training, plötzlich Theater spielen müssen, als wären sie beliebig auszuwechseln. Das würdelose Scheitern ist programmiert. Der Inhalt des Stückes ist zudem gar platt und die Musik (oder was vom elektronischen Getöse übrig bleibt) und die Bewegungen, fern von Einheit. Ein Jahr zuvor kam Philipp Saire mit [ob:seen] viel deutlicher zum Thema (ensuite – kulturmagazin berichtete: ausgabe 09/03). Was und wohin will Stijn Celis? Möchte er die moderne Tanzszene in Bern konkurrieren? Macht dies Sinn für das Stadttheater Bern? Um Stadtgespräch zu werden, um wieder Aufmerksamkeit zu erhalten, bringt das Theater nur die alte Leier zum Klingen. Rotznasig Realitäten abzulichten bringt dem Publikum aber nichts mehr ab. Und wenn zu Beginn von Hidden Garden, sich die TänzerInnen nackt vor uns auf der Bühne aufbauen, zuckt hier und da eine Wimper – doch mehr nicht. Und wenn die Provokation, von einem Event zum anderen geführt wird, so lernen wir nur die Sprache der versagten Provokation und gewöhnen uns daran. Zurück bleibt ein verborgener Garten, der uns mehr auslädt, als interessiert. Ein richtig klassisches Ballet wäre besser gewesen – das wäre heute wieder die provokativste Form. (vl) Bild: zVg. TIERISCHES, ALLZUTIERISCHES SAFARI von Matto Kämpf Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist ein unerschöpfliches Thema. Kann es ein natürliches Zusammenleben mit unseren tierischen Freunden geben? Was halten die Tiere wohl von uns? Sind Tiere gar die besseren Menschen? Stoff für witzige Anekdoten geben sie allemal. Zu diesem Schluss kam auch der Theaterautor Matto Kämpf. «Mensch und Tier begegnen sich in seltsamer Manier» meint er. In Safari hat der Autor einen Strauss teils haarsträubender, teils herzzerreissender Episoden versammelt. Inspiriert wurde er von einem fantasievollen Biologielehrer und abstrusen Zeitungsmeldungen. Von Polarforschern, die sich kurz vor dem Erfrieren an Robben klammern oder einen Eisbären umarmen ist die Rede, von euphorischen Zirkuslöwen, die plötzlich die Führungsrolle übernehmen, von masochistisch veranlagten Regenwürmern, Hamstern mit ausgesprochenem Mutterinstinkt und telepatischen Fähigkeiten, von simulierenden Rehen, von Affen, die zur Freude ihrer Mitaffen Menschen imitieren und von Ratten die dem Wodka verfallen. Ein philosophischer Zoodirektor schliesst seinen Vortrag über Tierhaltung mit dem Satz: «Es ist insofern schwierig zu sagen, wie die Tiere, im umgekehrten Fall, uns halten würden.» Meistens sind es die Menschen, die von den Tieren an der Nase herumgeführt werden und den Kürzeren ziehen müssen. Ein Unternehmer wird von einem Terrarium voller beharrlicher Ameisen in den Wahnsinn getrieben, ein Zoodirektor verzweifelt ob ihren vorwitzigen Affen und brandstiftende Bauern kommen erst wieder durch das verzweifelten Schreien ihrer Kühe zu Vernunft. Kämpfs Texte sind von einer sachlichen, fast wissenschaftlichen Trockenheit, so dass man ihm jede noch so abwegige Behauptung willig abnimmt. Gleichzeitig lösen die Texte Bauchschmerzen vor Lachen aus, eine Lesung der Texte kann dieses Gefühl nur noch verstärken. Der Schauspieler Nils Torpus wird die Safari-Texte lesen, musikalisch begleitet wird er von den Zorros, einer Formation bestehend aus dem Aeronauten Olifr Maurmann, Reverend Beatman und Patrick Abt. Wer einen anderen Blick auf die mysteriöse Tierwelt werfen möchte, hat nach letztjährigen Auftritten im Schlachthaus, am 26. Februar im Café Kairo nochmals die Gelegenheit dazu. (ss) SAFARI Tiergeschichten von Matto Kämpf Gelesen von Nils Torpus Musik: Die Zorros Café Kairo, Dammweg 43 26.Februar um 22:00 h B Ü H N E / M U S I K 9 Bild: zVg. LEISE PROTESTE IN LEEREM RAUM EIN BUS VOLLER ERLÖSUNGSBEDÜRFTIGER stromsounds + mechanik Der Bus (Das Zeug einer Heiligen) von Lukas Bärfuss ■ Die zwei Klangkünstler zimoun und pe lang sind Mitbegründer des «leerraums», einer Plattform für zeitgenössische Klangkunst (ein ausführlicher Artikel über diese Innovation erschien im ensuite vom Dezember). Eine weitere Performance/Installation, die in dem sich langsam etablierenden «leerraum» entstanden ist, kann nun in den Räumen der Dampfzentrale belauscht und bestaunt werden. Unter dem Titel «untitled sound objects» präsentieren die zwei Sound-Tüftler ihre klingenden Objekte im Foyer der Dampfzentrale. Die Klangobjekte sind programmierte einfache Roboter, mit denen verschiedene Materialien bespielt und zum Klingen gebracht werden. «Kabel», so der schlichte Name der Live-Performance, die Zimoun im Anschluss im Kesselhaus, in völlig verdunkeltem Raum präsentieren wird. Dabei arbeite er ausschliesslich mit «Kabelfehlergeräuschen, welche normalerweise mit allen Mitteln vermieden werden wollen». Kurzschlüsse, Wackelkontakte, Kabelbrüche. Zimoun komponiert aus diesen unwillkommenen Geräuschen minimalistische Klangwelten. Arbeitet Rhythmen heraus und findet Klänge, die in ihrer Repetition und Monotonie fesseln. «Rhythmen, die sich ständig leicht variierend neu überlagern und dadurch eine organisch anmutende Lebendigkeit erlangen.» Die Forschung an Raum, Form, Struktur, Leere interessieren ihn; die Reduktion, die Unschärfe, das Da- FREIBURGER INTERNATIONALES FILMFESTIVAL ■ Einen Termin den sich Filmbegeisterte jetzt schon vormerken müssen: die 19. Ausgabe des FIFF, am 6-13. März 2005. Die Südsicht ist garantiert, denn das Filmfestival ermöglicht seit 25 Jahren die Vielschichtigkeit filmischen Schaffens aus dem Süden. Die Schwerpunkte in diesem Jahr bewegen sich zwischen Philosophie und Politik, zwischen oft sehr harter Realität und mystischen Träumen und Geschichten. Das Unsichtbare abbilden, das imaginäre, das mystische und die Traumwelten einfangen sind noch heute ein wichtiger Bestandteil des Autoren Films. Der türkische Regisseur Ömer Kavur gehört zu den progressiven Filmemachern, wobei progressiv nicht als politisch zu verstehen ist, sondern als ruhige neue Sicht auf die Zeit und auf jene Dinge, die kaum definierbar sind. Unter dem Titel „palästina – Israel und das Schweizer Filmschaffen, ist weiter auch ein ganzer Zyklus von filmische, grenzüberschreitendem Engagement entstanden und setzt sich mit dem Zwist der israelischen und palästinensischen Bevölkerung in den 70iger Jahren auseinander. (sf) Festival international de Films de Fribourg www.fiff.ch/ 06.03. – 13.03.2005 zwischen, das sind die Themen, die Zimoun mit seinen Arbeiten verfolgt. «Durch Repetition kann ich auf Dinge aufmerksam machen, die sonst ungehört blieben. Zeiträume, wo nichts passiert, laden den nächsten Wechsel auf, kleine Veränderungen werden grosse Veränderungen.» Als eine Art «leisen Protest» umschreibt der Künstler seine Arbeiten treffend. Wem also nach einem unkonventionellen Erlebnis für Ohr und Sinne zu Mute ist, der sollte am 10. Februar in der Dampfzentrale vorbeischauen und sich dank «stromsounds + mechanik» in eine noch unerforschte Welt katapultieren lassen. «stromsounds + mechanik» 10. Februar Dampfzentrale Foyer ab 20h: «untitled sound objects» zimoun + pe lang Kesselhaus 21h: «kabel» zimoun Ab 22h: dj mastra HUMAN PLAYGROUNDS ■ Burgdorf - Dorothee Golz, die in Wien lebende Künstlerin, eröffnet am 04. Februar ihre Ausstellung Human Playgounds. Auf die neue Ausstellung der galerie im park darf man gespannt sein. An der documenta X in Kassel sorgte Dorothee Golz bereits für Aufsehen. Sie fertigt Kunstwerke bei denen das Spannungsverhältnis von subjektiver und objektiver Wahrnehmung im Zentrum steht. Human Playgrounds präsentiert Fotografien, Bilder und eine Reihe von Objekten wie Tische , sich verdoppelnde Kannen, Teller und Tassen, die sich im Widersprüchlichen, im Doppeldeutigen bewegen und uns so unverhofft einen „neuen“ Blick auf die umgebende Welt öffnen. (sf) Vernissage: Freitag 04. Februar 2005 um 19:30 galerie im park, Technikumstrasse 2, 3400 Burgdorf. Die Ausstellung dauert bis am 3. April 2005. ■ Der junge Berner Autor Lukas Bärfuss konnte mit seinen vergangenen Stücken «Meienbergs Tod» und «Die sexuellen Neurosen unserer Eltern» grosse Erfolge in Deutschland und der Schweiz feiern, Der Bus ist nun sein erstes ÐHeimspielÐ am Stadttheater Bern. Bärfuss ist Mitbegründer der Theatergruppe Ð400asa», erhielt u.a. den Buchpreis des Kantons Bern und wurde durch die Zeitschrift «Theater Heute» als Nachwuchsdramatiker des Jahres 2003 ausgezeichnet. Sein neues Stück entstand als Auftragswerk des Thalia Theater Hamburg, wo es Ende Januar dieses Jahres, mit Fritzi Haberland in der Hauptrolle, zur Uraufführung kam. «Der Bus (Das Zeug einer Heiligen)» thematisiert den Wunsch nach religiösem Trost, nach Sicherheit in unserer Gesellschaft, der in letzter Zeit wieder vermehrt laut wird. Erika, eine selbsternannte Pilgerin, ist im Bus unterwegs zur Schwarzen Madonna von Tschenstochau. Eine Gruppe Kranker, Kaputter, vom Leben Enttäuschter sind ihre Reisegefährten Sie sind unterwegs in die Berge, in ein Kurhotel. Erika ist eine blinde Passagierin und sitzt im falschen Bus. Ist sie eine Drogenschmugglerin, ein durchgeknalltes Sektenmitglied oder vielleicht eine Heilige? Unterwegs offenbaren die Kurgäste ihr nach und nach ihre Lebensängste und ihre Sehnsucht nach Erlösung. «Ein entschieden anachronistischer Text, der auf wundersame Weise den Nerv unserer illusionslosen Gegenwart trifft» fasste ein deutscher Kritiker die Essenz des Stückes zusammen. Es geht darin um Erlösung, um Seelenheil, um den Unterschied zwischen politischem und religiösem Widerstand, um Romantik und um die menschliche Würde. «Der Bus (Das Zeug einer Heiligen)» ist ein Roadmovie, ein Kreuzweg, eine Fahrt in die Freiheit. In Bern führt Schauspielleiter Stefan Suske Regie, auf seine innovative Umsetzung des aktuellen Stoffes kann man gespannt sein und sich auf eine wichtige Schweizer Erstaufführung freuen. (ss) BUS (DAS ZEUG EINER HEILIGEN) von Lukas Bärfuss - Schweizer Erstaufführung Inszenierung: Stefan Suske Bühne: Raphaël Barbier Kostüme: Catherine Voeffray Musik: Michael Frei Dramaturgie: Rainer Hofmann Mit: Ragna Guderian, Matthias Redlhammer, Grazia Pergoletti, Susanne Bard, Thomas Mathys, André Benndorff, Uwe Schönbeck (ab Band) Im Stadttheater Bern Premiere: Donnerstag, 3. Februar,19.30 Uhr weitere Daten siehe Agenda 1 von 310 Haltestellen: Gurtenbahn. L I T E R A T U R 11 gibt es den Kunstschaffenden und den Behörden Auftrieb, Bern wieder dahin zu führen wo die Stadt wieder hingehört: als geheime Kunstmetropole. (sf) Markus Jakob « Café du Commerce ». eine Berner Kulturgeschichte seit 1947. Erschienen im Verlag Gachnang & Springer 2004. ISBN 3-906127-76-1. Commerce – vom schwelgen mit Fischen ■ In dieses Aquarium haben schon einige geguckt. Jean-Paul Belmondo, seine Ursula Andress, der Philosoph Jean Gebser, Meret Oppenheim und… eine weitere Aufzählung erübrigt sich, nahezu die gesamte Berner Kunst und Intelligenzija Szene der 50er 60er 70er und 80er Jahre. Den Fischen war das wohl egal, für Bern war das die glänzendste Epoche als Kunststadt. Bern als geheime Kunstmetropole, das Café Commerce war Dreh und Angelpunkt. Im Verlag Gachnang & Springer erschien das wunderbare Buch «Café du Commerce», herausgegeben von Markus Jakob. Das 112 Seiten umfassende Buch beschreibt die rauschende Geschichte eines der bis jetzt unverwundeten Beizen in Berns Herz. Das Buch macht ein Stück Berner Kulturgeschichte greif- und nachvollziehbar. Zeitzeugen erzählen von Erlebnissen, Zusammenkünften und zollen fantastische Einblicke in die Szene hinter den grossen Museen und Persönlichkeiten, in den spannenden Auf und Abstieg des Restaurants und eben in Kneipenkultur, die es heute fast nicht mehr gibt. Das Commerce hat von diesem Charme nichts eingebüsst – auch wenn diese Generation Kunstschaffender in ferne Länder gezogen oder… verstorben ist. Das Commerce ist eines der wenigen Kneipen die nicht ausgeschlachtet und mit Tarnkappe einem neuen Trendpublikum untergeschoben worden ist. Musik plärrt keine aus den Boxen, das babbeln der Fische umso mehr. Wer eintritt in die unveränderte Gaststube, der ahnt welche Geschichten das Holz abgewetzt haben. Und immer noch tun. Das Restaurant Commerce wird wieder entdeckt. Vermehrt sitzen wieder Maler, Musiker, Schriftsteller, Ballerinas und andere Handwerker in der Gaststube. Das Wirte Paar Rui und Annabela Pacheco sind sich ihres Schatzes durchaus bewusst und pflegen ihn dementsprechend fürsorglich. Der Ober, Paul Carreira, der charmanteste Ober Berns wohlgemerkt, kennt die Tücken seiner Schäfchen, versucht unmögliches möglich zu machen. Die Küche lässt nicht nur die Fische schwelgen, sondern überrascht mit guten preiswerten Essen. Mit dem Buch aus dem Hause Gachnang & Springer hat der Verlag ein Dokument publiziert, das gerne als Geschenk an Bern bezeichnet werden darf. Vielleicht Menetekel – Fotogramme zur Jahrtausendwende ■ Das Bild ist eine mächtige Waffe. Unablässig schlägt sie auf uns ein, so machtvoll, dass das Hirn nicht mal merkt, dass es längst verkümmert ist. Überdrüssig überfliegt der Zeitungsleser die Pressebilder, mag die geschundenen, verbrannten, ausgemergelten Menschen schon gar nicht mehr sehen. Verständlich, denn die mit rasender Schnelligkeit und Perversität kaum zu überbietende Bildabfolge von kokettierten Minuten-Stars und ihren Schosshündchen, den grinsenden Politikern, mafiösen Wirtschaftskapitänen, den Bombentrichtern und siechenden Menschen schafft es, das Denken über den Informationsgehalt eines Bildes zu zerstören. Dem Schutzmechanismus unseres Hirnes dank… der Platz in den psychiatrischen Kliniken würde wohl noch enger werden. Trotz diesem natürlichen Schutz bewirkt die beständige Bombardierung der Bilder die konsequente Ruhigstellung des Gedankens. Die Konsequenz daraus ist mit Sicherheit eine verheerende Lethargie den Dramen der Welt gegenüber. Die Macht der Bilder und vor allem der Gehalt ihrer Informationen werden erst bewusst beim Innehalten. Peter Fahr holt aus dieser Lethargie zurück. Sein neues Buch «Menetekel» ist der Beweis, dass unser Geist sehr wohl bereit sein kann, gerade solche Informationen zu verarbeiten und in einem grösseren Kontext zu verstehen. Peter Fahr ist gebürtiger Berner. Seine arbeiten, Gedichte, Collagen und Geschichten, seine zeitkritischen Essays und politische Lyrik wurde verschiedentlich ausgezeichnet. Mit «Menetekel» schaffte Peter Fahr ein Werk, das durch seine Schlichtheit absolut besticht. Er vereint die Pressebilder von 170 Ereignissen chronologisch mit einer jeweiligen nüchternen, sachbezogenen Bildunterschrift, welche die Daten und Fakten des Bildes umschreiben. Dazu stellt Fahr wie ein Chor im antiken Drama Vierzeiler in reimender Form. Die quantitative Verringerung auf seine Vierzeiler, steigert in verblüffender Weise die Qualität des Bildes. Peter Fahr schafft es dadurch mit sanfter Ironie, aber auch mit analytischen, zum Teil selbstbissigen Gedankengängen das Geschehen im grösseren Zusammenhang zu stellen. Interessant, denn damit überwindet Fahr den Schutzmechanismus des denken Hirns und lässt die Bilder aus dem Jahre 2000, die meisten Fotos kennt der Leser aus der Presse, mit anderen Augen verarbeiten. Das Buch will sich langsam gelesen wissen, verführt aber auch zum schmökern, zum einfach mal aufschlagen und überraschen lassen. Durchaus kann das Buch auch anregen an Peter Fahr’s Gedanken weiter zu knüpfen. Vielleicht – und das wäre zu hoffen, gewinnt seine Form der Vierzeiler für manchen zu einer neuen Quelle der Bildbetrachtung und vor allem Verarbeitung. Bilder - und sind sie noch so grässlich, noch so verlogen und scheinheilig kitschig – sie gehören zu unserem Rüstzeug die Welt zu verstehen. Und darum geht es. Peter Fahr’s «Menetekel» ist, wie konstantin wecker meint, leider ein wichtiges Buch. (sf) Buchvernissage: Menetekel Fotogramme zur Jahrtausendwende, von Peter Fahr Lesung: Hans Saner & Sabine Ehrlich Musik Tinu Heiniger und das Heimatland – Orchester. Freitag, 25. Februar 2005 Aula Lerbermatt, Kirchstrasse 64, 3098 Köniz. «Menetekel» Fotogramme zur Jahrtausendwende. Von Peter Fahr 384 Seiten mit 170 farbigen Fotografien, gebunden , Leinen. 2005 Nemesis Verlag Bern, Bantigenstrasse 43, 3006 Bern ISBN 3-9520343-3-9 12 K U N S T I M B I L D Bild: Atelier von Paul Klee, Weimar, fotografiert vom Künstler, 1925; Zentrum Paul Klee, Bern, Schenkung Familie Klee SONJA WENGER RESTAURATION IM ZENTRUM PAUL KLEE Nicht spektakulär, aber wichtig! ■ 9600 Gesamtwerke Circa 3‘000 Werke auf Papier befinden sich im Zentrum Paul Klee in Bern, welches am 20.Juni 2005 seine Tore öffnen wird. Da macht es Sinn, dass das Zentrum zur Zeit einen Papierrestaurator oder Restauratorin für die Erhaltung dieser weltweit grössten monographischen Sammlung sucht. Was aber muss man sich unter Papierrestauration vorstellen? Ein Gespräch mit Dr. Michael Baumgartner, Konservator der Abteilung Sammlung und Ausstellungen im Zentrum Paul Klee. Das alte oder beschädigte Bilder wiederhergestellt und dadurch neu entdeckt werden können ist nur ein, wenn auch der bekanntere Aspekt dieser hochqualifizierten Arbeit. Ein wesentlich grösseres Gewicht der Arbeit eines Restaurators oder einer Restauratorin liegt in den Komponenten Konservierung, Kontrolle und Prävention. Wie alte Zeitungen Wir alle haben schon mal eine Zeitung gesehen, welche ein paar Monate oder Jahre herumgelegen ist. Aufgrund des hohen Holzanteils von Papier wird es durch die Lichteinstrahlung schnell braun und brüchig. Genau diesen Effekt versuchen nun die Restauratoren zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen. Dabei wird vor allem versucht äussere Faktoren wie Licht und Klima zu beeinflussen und dabei möglichst konstant zu halten. Ideale Lagerungsbedingungen für Papier herrschen bei einem stabilen Klima von 20-21°Celcius und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 50% sowie dem ziemlich schummrigen Licht von 50-60 Lux. Diese sogenannte präventive Konservierung wird ergänzt durch die aktive, bei welcher man darauf achtet, welche Materialien zur Lagerung verwendet werden können oder mit welchen Methoden sich der UV-Anteil des Lichts verringert. Trotz dieses Aufwands können Papierwerke maximal sechs bis sieben Monate öffentlich ausgestellt werden, nur um danach wieder für ca. drei Jahre im Dunkeln gelagert zu werden und sich quasi « erholen» zu können. Die Kontrolle dieser ständigen Rotation ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit dieser Form der Konservierung. Klimabedingungen Im Haus selbst ist die Stabilität dieser Klimabedingungen ohne Probleme gewährleistet. Anspruchsvoll wird es erst bei einer Ausleihe der Werke an andere Museen. Mit sogenannten Facility Reports klären die Restauratoren ab, ob der Ausleiher in der Lage ist, die restriktiven Klimabedingungen einzuhalten. Im Zweifelsfalle verlangt das Zentrum die Klimastreifen des Depots eines Museums über den Zeitraum von einem Monat. Darauf werden Temperatur und Luftfeuchtigkeit festgehalten und können so auf ihre Konstanz hin kontrolliert werden. Haben die Verantwortlichen ihre Zustimmung für eine Ausleihe gegeben, geht es an die Logistik des Transports. Klee-Werke werden ausschliesslich in Klimakisten und klimatisierten Lieferlastwagen transportiert. Auch bei Transporten nach Übersee, welche mehrere Tage dauern können oder im Flugzeug unterwegs sind, kann so eine Stabilität des Klimas garantiert werden mit maximalen Schwankungen von plus/minus 10% der vorgegeben Werte. Zusätzlich zu diesen Sicherheitsmassnahmen werden die Transporte und Ausleihen im Normalfall von einer Person des Zentrums begleitet, welche die strikte Einhaltung vor Ort kontrolliert. Experimente mit Materialien Neben den Konservierungsmethoden für Papier, werden im Zentrum auch Gemälde restauriert und konserviert. Dabei stellen sich naturgemäss andere Fragen. Bei Gemälden ist die Problematik der Lichteinstrahlung üblicherweise weniger zugespitzt wie bei Papierwerken. Es interessiert in einem grösseren Masse die Methoden zur Erhaltung der verwendeten Materialien. Paul Klee hat sehr wenige Gemälde mit klassischen Malmitteln hergestellt. Sein Interesse galt dem Experiment mit Materialien wie Gips und Sand, mit Leinwänden aus Jute, mit Aquarellfarben und äusserst komplexen Farbschichtungen. Das Hauptproblem bei den Gemälden liegt jedoch in der Beschriftung, welche einen integralen Bestandteil der Werke darstellt. Paul Klee verwendete nicht nur lichtresistente Tusche, sondern häufig auch normale Tinte um seine Gemälde zu signieren oder zu beschriften. Diese Tinte ist nun wiederum der Gefahr des Ausbleichens ausgesetzt und gehört dadurch zu den empfindlichsten Bereichen der Konservierungsbestrebungen. Nur noch präventiv Durch die günstige, beinahe schon luxuriöse Situation, dass bereits kurz nach Klees Tod die Werke gesammelt und gepflegt wurden, gibt es verhältnismässig wenige verlorene Zeichnungen und Gemälde. Das Bewusstsein für die präventive Konservierung hat allerdings erst vor ca. 30 Jahren eingesetzt. Noch in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden aktive Eingriffe in die Werke gemacht, zum Teil sogar aus ästhetischen Gründen. Heute sind die Eingriffe ausschliesslich präventiver Natur. So werden im Speziellen abblätternde Farbschichten durch einen unsichtbaren Leim gefestigt oder Gemälde stabilisiert. Da Paul Klee häufig seine Zeichnungen durch einfache Leimpunkte fixierte, kann sich das Papier mit der Zeit um diese Punkte zusammenziehen, zerknittern und an den schwächsten Stellen Risse bilden. Die Palette der Probleme lässt sich beliebig erweitern. Das Ziel der Restauration besteht vor allem darin, diese Alterungsprozesse zu verlangsamen. Synergien Für diese Aufgabe wird das Zentrum Paul Klee 130 Stellenprozente zur Verfügung stellen. Darauf entfallen 80% für die Papier-, 30% für die Gemälderestauration und 50% für die Buchbinderei. Diese Arbeit bedingt ein Hochschulabschluss in Konservation und Restauration wie es zum Beispiel an der Hochschule der Künste in Bern angeboten wird. Mit dieser Schule wie auch mit anderen Institutionen wie dem Kunstmuseum Bern, besteht ein reger Austausch des Know-hows und die Nutzung von Synergien in Bereich der Infrastruktur. Dank der Bewilligung des Baukredits konnte die gewünschte Infrastruktur beim Neubau verwirklicht werden. Zwei Ateliers für Papier- und Gemälderestauration wurden auf den neuesten technologischen Stand gerüstet. Das Zentrum Paul Klee stellt an sich den Anspruch zu einem Kompetenzzentrum für die Restauration der Werke Paul Klees und einiger befreundeter Künstler wie Wassily Kandinsky und Frank Marc zu werden. Die Vorraussetzungen dafür sind zweifellos vorhanden. D I V E R S E S 13 Wintereinklang: Foto: Franz Schwendimann Sandrainstrasse 3 3007 Bern V E R A N S T A L T E R Bild: zVg. CLAUDIA DRECHSLER PAARLAUF Malerei von Hugo Brülhart vom 30. Januar bis 31. März in der ONO-Galerie ■ Hugo Brülharts Serie Paarlauf hat nicht weniger als die Malerei selbst zum Thema. Der Freiburger Künstler setzt sich mit unterschiedlichen Maltechniken und Darstellungsweisen auseinander. Seine mehrteiligen Bilder greifen jeweils zwei Sujets auf. Streng, fast wissenschaftlich abgebildete, überlebensgrosse Tiere oder Früchte werden meist paarweise auftretenden figürlichen Fragmenten oder Figuren, die in flüchtigem Malstil auf die Leinwand gebracht sind, gegenübergestellt. Erdbeere, Tomate, Frosch oder Fisch sind detailgenau, teilweise beinahe fotorealistisch wiedergegeben. Licht und Schatten, Hell und Dunkel erhalten nach akademischen Richtlinien der Malerei ihren Platz. Daneben stehen durch Umrisse und Farbflecken angedeutete Figurenpaare oder Einzelfiguren, die wie in Bewegung scheinen. Beide Pole dieser Bilder erscheinen isoliert, ohne räumliche Bezugspunkte auf einfarbigem Bildhintergrund. Die Aufmerksamkeit des Betrachters wird auf das Wechselspiel der Gegensatzpaare gelenkt und nicht durch Raum oder Hintergrund irritiert. Beziehungen zwischen konkretem Ding und abstrahierter Figur sind, abgesehen von Eva und der Apfel, nur unterschwellig, beispielsweise in der Farbgebung, vorhanden. Die Kombination von scheinbar Zusammenhanglosem auf leerer Bildfläche verleiht den Darstellungen etwas Surreales. Anliegen des Künstlers ist es auch, das l’art pour l’art von Gemälden deutlich zu machen. Ein Kunstwerk steht für sich und ist nicht Abbildung der Realität. Gesteigerten Wert legt er auf das Repertoire eines Kunstschaffenden an unterschiedlichen Stilen und Techniken, deren er sich, wie ein Jazzmusiker beim Improvisieren, nach Bedarf bedienen kann. Spannungen zwischen Konkretem und Abstrahiertem, mit unterschiedlichem Pinselstrich Festgehaltenem, machen den besonderen Reiz seiner Bilder aus. ONO Bühne|Galerie|Bar Kramgasse 6, 3011 Bern 031 3127310 www.onobern.ch Ausstellungsdauer: 30. Januar bis 31. März '05 Öffnungszeiten: Fr – Sa 13 – 17.00 Uhr Nachtgalerie: Mi – So 22 – 24. 00 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung 14 M U S I K STEPHAN FUCHS reduktion in die qualität des klanges Das Gespräch mit Don Li - Tonus Music - Labor Ich würde mich selber töten, wenn ich des Geldes wegen meine Forschungen unterbinden würde. ■ Don Li, ich habe Ihnen zwei Sachen mitgenommen: Eine furchtbare CD eines Musikers, den wir beide kennen und eine andere CD, auch schlimm, die Sounds vom Mond Titan, aufgenommen von der Huygens-Sonde. Oh ja, also die erste CD ist wohl… na ja! Wissen sie was? Ich schenke ihnen das nächste Mal die schlimmste meiner CDs. Was halten sie davon? Grossartig! Ich befürchte nur, dass Ihre CD, die sie mir schenken wollen, ein Genuss sein wird. Lassen Sie sich überraschen! Aber die Titan Sound Files… das ist Grossartig. Wieso finden sie die so schlimm? Allem voran herrscht da oben offensichtlich das grosse Rauschen. Bei genauem hinhören aber, kristallisiert sich ein Ticken… ein sanftes Wummern heraus. Ich war gerührt, denn das ist ein jungfräuliches Geräusch eines uns 1,2 Milliarden Kilometer entfernten Mondes. Das fand ich fantastisch! Es war die Reduktion die das Erlebnis ausmachte. Nachher, bitte entschuldigen Sie, dass ich ausschweife, habe ich Musik von ihnen gehört. Ich war zu Tränen gerührt, ich bekam Hühnerhaut! Auch Sie reduzieren Musik auf die Substanz, auf die Wichtigkeit des einzelnen Klanges und der Repetition. Don Li, Sie sind ein Meister! Ich danke ihnen… ich glaube meine Musik ist, ähnlich wie bei Ihrem Erlebnis der Musik des Mondes Titan, vom grossen Rauschen befreit. Ich habe alles Rauschen, alle Eskapaden zurückgenommen und die Musik auf den Klang reduziert. Die Musik, die ich im Tonus Labor komponiere und mit den Musikern vom Orchester damit experimentiere, lebt erst durch die Reduktion. Da liegt ein grosses Potential an Energie. Empfinden sie die Reduktion als Qualität? Ja, unbedingt! Schauen Sie, es rauscht um uns unaufhörlich. Selbstverständlich ist es ein Genuss, wenn das ein Jazzkonzert, Klassik, irgendein Musikstück ist. Für mich geht das Erlebnis Musik aber weiter. Qualität ist Entwicklungsfähigkeit, Eigenständigkeit, Charakter, tiefes Handwerk, Inhalt. Qualität ist Zeitlos. Qualität ist bestimmt nicht etwas, das schnell kommt und schnell geht. Das Erleben wir auch mit unserem kulturellen Fundament: Klassik, Jazz… Formen, auf die ich mit dem Tonus Orchester zurückgreife… Sie machen eine musikalische Zeitreise. Nein, das klingt zu utopisch. Ich verbinde nur Zeiten. Ich versuche die Werte der klassischen Musik mit den Werten des Cyberspace zu verbinden. Eine Verbindung von klassischen Werten, Groove- und Minimal Music. Ich reduziere auf das Wesentliche. Qualität hat nichts mit Menge zu tun… vielleicht im Gegenteil, mit der Leere. Das ist was ich erlebt habe bei Ihren Kompositionen. Dadurch werden Sie im ersten Moment endlos anstrengend… …bis Sie sich gehen lassen. Es sind nicht endlose Wiederholungen des immer Gleichen, sondern eine Vertiefung des immer Gleichen… …genau! Ich empfand es als Befreiung. Die Kompositionen gaben mir das Gefühl der Musik gegenüber mündig zu sein, selber zu entscheiden, was ich damit kreiere. Und dabei habe ich Ihre Musik als geballte Kraft erlebt. Ja, es ist auch diese geballte Kraft des Zurückhaltens. Stellen sie sich das vor: Sie beherrschen Instrumente in der vollen Virtualität und Bandbreite. Sie dudeln damit eine dicke Wand bis sie explodiert… und Buff… und dann? Nichts geschieht weiter. Halten sie diese Energie zurück und geben diese in einen Ton… in eine Schlaufe, die Tore öffnen sich, der Klang bekommt Tiefe, bekommt Information, und eine neue Qualität. Dann bekommt jede Note Power. Das ist für mich auch Qualität. Dann bekommen Noten einen Kontext. Kommt es nicht auch auf den Empfänger an, wie er einen Klang aufnimmt? Sicher, der… wie Sie sagen «Empfänger»… füllt einen Klang mit seinen eigenen Werten. Er gibt ihm Inhalt und modifiziert den Wert der tonalen Information. Genau so wie Sie es bei den jungfräulichen Sounds des Titan Mondes gemacht haben. Das ist aber eine rechte Herausforderung an den Zuhörer. Um ehrlich zu sein habe ich nur diese einzige Notiz zum Interview aufgeschrieben: Ihre Musik ist nicht Erholung, sie ist Herausforderung. Sie machten sich wohl eine Reduktion des Interviews. Musik ist immer eine Form der Kommunikation. Sie können sich nach hinten lehnen und unterhalten lassen, oder Sie können sich Räume schaffen, Sie können sich darin aufhalten, forschen, und neues entdecken. Sicher, man muss die Bereitschaft haben zu entdecken, das mag anstrengend sein, muss aber nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass je mehr ein Musiker seine Tonleitern technisch perfekt rauf und runter spielt, also mehr quantitativ arbeitet, desto mehr krebst ein Hörer zurück. Ich habe das selbst auch erfahren. Bis vor kurzem hielt ich mein Labor hermetisch. Das heisst der Hörer kam, wurde mit meiner Musik konfrontiert und ging wieder. Ich habe dabei der Musik das Geheimnis weggenommen. Ich machte keine Ansage, nichts! Das war zu dieser Zeit sicher richtig, denn ich hatte eben mein eigenes Ding erschaffen: mein Labor, und damit musste ich mich auch klar positionieren. Jetzt hat sich das geändert. Ich habe mich positioniert. Und ich habe dabei entdeckt: Ich will nicht einen geschlossenen Raum schaffen, sondern Einladen. Heute mache ich das wieder. Ich erkläre die Musik, lade den Hörer ein, sich vorzubereiten und schaffe es so, die Bereitschaft zum hören zu öffnen. Das hat nicht im Geringsten mit Mystik zu tun, sondern mit meiner Arbeit als Musiker im experimentalen Bereich. Also doch ein Exzentriker? Nein, ich muss mich nicht mehr vor anderen - und vor allem mir - nichts mehr behaupten. Ich glaube, das ist der Punkt. Wie meinen Sie das? Schauen Sie, ich habe jahrelang gesucht. Kennen Sie das Gefühl? Sie wissen etwas ist da, und sie finden es nicht. Nirgends finden sie das Gesuchte und Sie wissen aber, dass es existiert. Irgendwo da draussen. Ich habe die Musik, die ich wollte, aber nicht gefunden. Also hab ich sie selber gemacht. Ich habe mir mein Tonus Labor eingerichtet, habe meine eigene Musik gespielt, habe experimentiert, habe mich ausgetauscht. Klar ich wurde auch belächelt und schubladisiert… Jetzt sind Sie ein Meister! Bin ich das? Ich glaube nicht. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich vergleiche das nun einmal mit dieser Huygens-Sonde: Der Kerl ist vor Jahren los geflogen in eine andere Welt und wurde selbst von NASA Leuten belächelt. Was nützt uns M U S I K Bild: zVg. als Gesellschaft da ein fliegendes Ding, haben wir uns gefragt. Reichlich wenig… …wirklich? Eben! Huygens gibt unserer Gesellschaft Impulse, abgesehen von technischen und wirtschaftlichen Errungenschaften. Es gibt uns philosophische und gesellschaftliche Impulse. Neue Sounds, neue Gedanken, dadurch ein neues Verständnis. Vielleicht nicht in unserer Generation, aber bei unseren Kindern. Visionen wie eine Huygens-Sonde, ein vielleicht dummes Beispiel, hat Einfluss auf die Kultur. Sie, Don Li, stehen eben auch weit vorne. Da, wo die Gesellschaftsmusik aufhört, da beginnen sie. Sie kreieren mit Ihrer Musik das Verständnis der Gesellschaft von morgen. Wenn Sie das so sagen, kann ich das akzeptieren. Ja, ich bin vorne. Ich kreiere, ich bin aktiv am Suchen, ich kann nicht stehen bleiben, auch wenn ich dabei gut Geld verdienen könnte. Das ist das Los, das Sie tragen. Ich kann nicht anders. Ich würde mich selber töten, wenn ich des Geldes wegen meine Forschungen unterbinden würde. Viele Musiker haben das gemacht. Sie waren innovativ, sie waren on the edge und haben sich blenden lassen von den vollen Konzertsälen. Reizt Sie das grosse Geld nicht? Ich brauche Geld zum Überleben, um meine Versicherungen zu bezahlen und meinen Kühlschrank zu füllen. Wissen sie, es liegt noch so viel in meinen Händen. Ich habe noch so viel zu tun. Ich will da weiter gehen. Die Musik und das ganze daraus resultierende Gebilde sind unerschöpflich. Wissen Sie was? Vielleicht spielt man Sie in fünfzig Jahren im Stadttheater Bern und alle finden das modern. Ja, wer weiss. Davon werde ich auch nicht viele Kühlschränke füllen können. Im Moment geht es aber, neben dem Kühlschrank füllen, auch um die Entwicklung einer Sprache für meine Musik. Wie darf ich das verstehen? Ich arbeite viel mit dem Streich-Quartett und mit anderen Musikern. Das sind traditionelle Instrumente, Holzinstrumente, Blasinstrumente, Geige. Um einem klassischen Orchester zu vermitteln, was in meinem Kopf an Klangvorstellung herrscht, reichen die traditionellen Ausdrücke, die in der Klassik Verwendung haben, nicht mehr aus. Erklären Sie einem klassischen Orchester mal die Klangfarben in ihrem Kopf. Sounds, die es als Sprache noch nicht gibt. Das sind Ausflüge auf fremde Monde. Vorstellungen zu benennen und sprachlich begreiflich zu machen für die es keine Worte gibt… Wie erklären Sie denn ihre Klangvorstellungen den Musikern? Ich habe die Sprache noch nicht entwickelt. Es ist wirklich nicht ganz einfach. Im Moment mit Beschreibungen, oder Umschreibungen. Ich habe gemerkt, dass die Beschreibungen mehr mit einem Gefühl zu tun haben. Ein Adagio zum Beispiel ist jedem Musiker absolut klar. Das klingt so und nicht anders. Erklären sie aber mal den Klang einer aalglatten Fläche. Da kommen sie ins Rutschen. Können sie das in Bern erreichen? Ich meine, da sind die Forschungsressourcen doch recht begrenzt oder? Ja, Sie haben zum Teil Recht. Bern hat schon Ressourcen. Gute Musiker, absolut interessante Künstler, die sich weit vorwagen und mit ihnen arbeiten wir zusammen. Doch jetzt darf ich nicht stehen bleiben. Das Tonus Labor wird nach Manhattan New-York gezügelt und ich gehe natürlich mit. Darauf freu ich mich sehr. Da, in N.Y. ist ein noch grösserer Pool an Forschungsmöglichkeiten, ein gutes Netzwerk und eine breitere Austauschmöglichkeit, die meine Arbeit vorantreiben wird. Was heisst das. Gute Nacht Tonus Labor Bern? Das Tonus Musiklabor werde ich in beste Hände legen. Das Tonus Labor Bern wird es weiterhin geben, aber es jetzt Zeit mich wieder zu bewegen. Don Li, Sie zu treffen war eine grosse Bereicherung... herzlichen Dank. Ich wünsche Ihnen alles Gute auf Ihrer Reise in die Qualität des Klanges. 15 DON LI & Tonus Music- Labor ■ Don Li wurde 1971 in Bern geboren. Mit 16 Jahren schrieb er erste eigene, repetitive Kompositionen und befasste sich intensiv mit den Strukturen der Jazzmusik. Seit seinem 17. Lebensjahr lebt Don Li ausschließlich von der Musik. Don Li wirkte als Saxophonist, Klarinettist, Komponist und später als Produzent auf über 20 CDs und spielte mit unzähligen international renommierten Musikern. 1993 gründete er das für seine Arbeit Grundstein bildende Trio TONUS. Der Klangkörper diente dem Komponisten zur Entwicklung seiner musikalischen Intentionen. Die Gruppe wuchs bald zum Quartett und zum Quintett heran, mit dem neben minimalistisch, repetitiven Strukturen das Erforschen und Erreichen grösstmöglicher Fingerfertigkeit und vertrackter Rhythmen im Zentrum standen. Ab 1996 veröffentlichte er insgesamt vier Tonträger, wovon «Suun» 1998 zu den best verkauften Schweizer Jazz CDs gehörte. TONUS-MUSIC ist ein musikalisches und kompositorisches Konzept der Reduktion und Repetition. Dabei interessieren Don Li Elemente der Metrik, der Verzahnung des Gleichgewichts von rhythmischen Strukturen in Kombination mit musikalischer Askese und Meditation. Bislang schrieb er unter diesem sich ständig weiterentwickelnden Konzept über siebzig Kompositionen die er seit 1993 laufend durchnummeriert und mit japanischen Haikus vergleicht. Im Jahr 2000 gründete Don Li zur Vertiefung und Entwicklung von TONUS-MUSIC, das TONUS-MUSIC LABOR in Bern. Seither arbeitete er dort mit über 80 Konzerten, von tibetischen Mönchen zur Butho Tänzerin bis zu indischen Meistern, und MusikerInnen wie Ania Losinger. Die Entwicklungen aus dem Labor bezeichnet er als TONUS-MUSIC LABOR RESEACH RESULTS und spielte im Januar 2002 unter diesem Namen am Jazzfestival Bern ein fünfstündiges Marathon-Konzert mit wechselnden Formationen. Das Konzert wurde vom Schweizer Fernsehen für 3Sat und vom Radio DRS2 aufgezeichnet. 2002 gewann Don Li das New York Stipendium des Kantons Bern. Mit der dort entstandenen 60 Minuten SurroundKomposition «THE LONGEST JOURNEY», das binnen 6 Stunden zwischen Video-Installation und live gespielter Komposition hin und her spielt, bestätigt sein Interesse an zeitgenössischer Konzeptkunst und wurde im 2003 in der Diapason Gallery in N.Y. uraufgeführt. Darauf folgte am 1.Mai 2003 die erfolgreiche Uraufführung des 60 Minuten Werkes «TONUS-MUSIC». Die erste Komposition der Welt für Sinfonie Orchester und Xala. Im August 2003 präsentierte Don Li am Jazzfestival Willisau seine neuste 60 Minuten Surround-Komposition «TIME-EXPERIENCE» und setzte damit für Willisau technisch und konzeptionell neue Maßstäbe. Zurzeit arbeitet Don Li an einer neuen Umsetzung von Steve Reichs Komposition «Different Trains» aus dem Jahre 1988. 16 V E R A N S T A L T E R SEHNSUCHT DES ERZÄHLENS ■ Es ist ein dunkler Zauber um die Filme Fred Kelemens, der Kritiker und Filmliebhaber in verschiedenen Teilen der Welt immer wieder fasziniert. Susan Sontag nannte in ihrem berühmten Aufsatz «The decay of Cinema» (1996) «Verhängnis», Kelemens ersten Film, 1995 in Deutschland mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet, als eines der wenigen Beispiele authentischen zeitgenössischen Films und beschrieb diesen Film anlässlich seiner dreiwöchigen Präsentation in New York 1996 als «einzigartige visionäre Leistung». Die «Helden» in Kelemens Filmen – ein russisches Paar im Berlin der 90er Jahre («Verhängnis»), eine Mutter, die mit ihrem Kind am Weihnachtsabend vor dem trunksüchtigen und gewalttätigen Ehemann an den Ort ihrer Kindheit in der ehemaligen DDR flüchtet («Frost»), der Arbeitslose Anton und seine Frau Leni, die als Büglerin arbeitet, deren Beziehung in die Krise geraten ist («Abendland») – leben am unteren Rand der Gesellschaft. Ihr Kampf ums Überleben ist hart, hat in jedem von ihnen Spuren des moralischen Verschleißes und der Abnützung hinterlassen. Ihren Schicksalen geht Kelemen auf den Grund, aber so, wie nur Film das kann, durch Bilder, Licht und Schatten, Rhythmus, durch die Bewegung der Kamera, die Länge der Einstellungen, die Art des verwendeten Filmmaterials. Geredet wird wenig. Obwohl die Kamera die Menschen nur von außen zeigen, ihre Physis abbilden, ihre Bewegungen in Räumen, Straßen, auf Plätzen etc. verfolgen kann, wird uns durch die Art der filmischen Erzählweise – und das eben ist das Geheimnis – die Fähigkeit vermittelt, in ihre Seelen zu blicken, ihre Leiden und Sehnsüchte mitzuempfinden, ihre Schwäche, ihr Versagen, ihre Kraft. Ihr Alltag wird vorurteilslos beschrieben, aber es sind keine Zustandsschilderungen. Ein besonderes Ereignis oder eine Kette schlimmer Erfahrungen durchbrechen das Gleichmaß des alltäglichen Lebens, verdichten das Gewohnte und lassen uns so die tragische Dimension dieser Lebensverläufe erfahren, nein erleiden. Es gibt keinen einfachen Trost in diesen Filmen. Aber die Magie des filmischen Erzählens, die Schönheit des Lichts, die gänzlich unverbrauchte Ausdruckskraft der Bilder, der Kamerastandpunkte oder -bewegungen gibt diesen «gewöhnlichen» Menschen und ihren Schicksalen eine außerordentliche Eindringlichkeit, verleiht ihnen in all ihrem Versagen und ihren Zerrissenheiten Würde, Respekt und letztlich Schönheit. (ER/HKB) Der Regisseur Fred Kelemen und seine Filme in Bern Im Rahmen des Freitagsprojekt «Der Faden ist gerissen – Narrative Strategien in der zeitgenössischen Kunst und Gestaltung» hat die Hochschule der Künste Bern, Studienbereich Gestaltung und Kunst den Berliner Regisseur Fred Kelemen nach Bern eingeladen. Parallel dazu zeigt das Kino Kunstmuseum Bern vom 13.-20. Februar 2005 drei Filme von Fred Kelemen. Termine: Aufführungen im Kino Kunstmuseum: Sonntag, 13. 02. 17.00: Frost Samstag, 19. 02. 18.00: Abendland Sonntag, 20. 02. 14.00: Verhängnis (mit anschliessendem Gespräch mit F. Kelemen) Kino Kunstmuseum, Hodlerstrasse 8, 3000 Bern 7 Vortrag / Werkdiskussion Fred Kelemen spricht an der HKB, Studienbereich Gestaltung und Kunst über seine Arbeit. Parallel dazu Ausstellung von Arbeiten der Studierenden des Freitagsprojekts «Der Faden ist gerissen» Montag, 21.02. ab 17.00, Sodium, Fellerstrasse 11, 3027 Bern Bild: Frost von Fred Kelemen/ zVg. STUDIENGANG VISUELLE KOMMUNIKATION HKB AbgängerInnen für den ‘dns award 2005’ nominiert ■ Bereits zum 14. Mal verleiht ‘design network switzerland’ den Förderpreis in der Höhe von CHF 12’000, um den beruflichen Nachwuchs hinsichtlich Qualitätsniveau, Innovation und Gestaltungsverantwortung zu unterstützen. Über 80 Projekte wurden in einer Kurzfassung eingereicht. Die NomatorInnen haben aus über 80 Arbeiten die besten 16 Projekte für den ‘dns award’ nominiert. Unter diesen befinden sich auch die Diplomarbeiten der HKB AbgängerInnen 2004 Yvonne Choquard, Christoph Frei, Helm Pfohl, Lorenz Tschopp und Roland Zenger (Studiengang Visuelle Kommunikation, Fachbereich Gestaltung und Kunst). Die öffentliche Präsentation der nominierten Projekte durch die AutorInnen hat am 28. Januar 2005 an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel stattgefunden, die ‘dns award 2005’ werden am Freitag, 15. April 2005 verliehen. Die noch junge Hochschule der Künste Bern vergibt dieses Jahr zum zweiten Mal Diplome im Bereich der Visuellen Kommunikation. Die öffentliche Veranstaltung findet am Freitag, 25. Februar 2005 ab 18.00 Uhr an der HKB, Fellerstrasse 11 in Bümpliz statt. Anlässlich der Diplomübergabe sprechen Thomas D. Meier (Direktor HKB), Franziska Räz (Co-Studienleitung Visuelle Kommunikation) und Ruedi Baur (Visueller Gestalter und Mitglied der Diplomjury). Wer mehr über die Hochschule der Künste Bern und den Studiengang Visuelle Kommunikation erfahren möchte, ist herzlich zum Informationstag am Mittwoch, 2. Februar 2005, 12.00 - 19.00 Uhr, eingeladen. Der Informationstag bietet Gelegenheit, sich in den Räumlichkeiten und Ateliers umzusehen, Gespräche mit Studienleitungen, Dozierenden und Studierenden zu führen und sich über das Hochschulstudium im Bereich der Künste ein konkretes Bild zu machen. Nähere Angaben zum Informationstag unter www.hkb.bhf.ch (ES/HKB Viskom) D I V E R S E S 17 STADTLÄUFER nr. 6 // bürgerlich. Ich hätte anfangs kaum geglaubt, die nötigen 1800 Zeichen für diese Folge des Stadtläufers über mein aktuelles Wohnumfeld zusammen zu bringen, weswegen ich auch ohne mit der Wimper zu zucken 278 Zeichen (inklusive Leerschläge) für eine sinnlose Einleitung wie diese verschwende. Was gibt es denn schon über das Weissenbühl-Quartier zu sagen? Es ist weder angesagter Studentenmagnet (Lorraine) noch zur Schau gestellte Dekadenz (Kirchenfeld), weder zentrales Berner Urgestein (Altstadt) noch dezentrales Schlachtfeld (Bern West). Wo liegt des Weissenbühls Kern? Bin versucht, die Endstation vom Drü zu nennen, schliesslich ist der Kebabstand einziges Anzeichen eines urbanen Kontexts. Die beiden Kneipen in unmittelbarer Nähe zur Tramschlaufe haben nämlich eher Dorfcharakter als was anderes. Wo wir schon beim Thema sind versuche ich mich an einer nicht faktenorientierten Charakterstudie des Quartiers: Der durchschnittliche Bewohner des Weissenbühls ist Schweizer und 55 Jahre alt (in unserem Sechsparteienhaus drückt unsere WG den Altersschnitt von 63.3 auf 56.6 Jahre). Häufigstes serviertes Gericht in den spärlich gesäten Kneipen ist Schnipo, häufigstes Verkehrsschild «Achtung! Neue Verkehrsführung!». Das typische Haustier ist ein Hunderl der Klasse Bodenwischer, und die Dichte von Geranien auf Balkonbrüstungen ist kaum noch zu übertreffen. Was ausserordentlich spiessbürgerlich klingt hat natürlich auch Vorteile: Im Weissenbühl ist es in der Regel ruhig; sehr ruhig sogar. Geranien wachsen nämlich nahezu lautlos und Dackel sind – richtig erzogen – ruhige Tiere. Nur in den Sommermonaten kommt etwas Leben in die Umgebung: Dann nämlich, wenn Menschen aller Nationalitäten im nahen Beaumontpark Grillparties feiern. Und auf einmal fällt mir noch viel mehr ein, dass ich über den Weissenbühl sagen könnte – aber die Einleitung hat nun leider doch zu viel Platz gefressen. (al) DIE WA(H)REN HELDEN: Chaotischer Drache Zeichnung: 2003, Sebastian Johannes Hämmerli (Jrg. 1996) - Pokémon-Inspirationen ensuite - kulturmagazin im ABONNENMENT 02/05 ❒ ja, wir wollen keine 10-minuten-kulturblätter! wir wollen kultur-kultur! ❒ ich möchte inserieren oder hätte etwas vorzuschlagen. ❒ ❒ ❒ ❒ abonnement Fr. 45.00 studierende/ ahv/ iv Fr. 25.00 gönner/ geschenke/ sponsoring ab Fr. 300.00 ich bin bereits abonnentin und möchte ein abo verschenken. mein name, adresse und wohnohrt: vorname name adresse plz/ ort email WEIL EIN KULTURMAGAZIN SELBER EIN STÜCK KULTUR IST. datum/ ort/ unterschrift ■ ausschneiden und einsenden an: ensuite - kulturmagazin // sandrainstrasse 3 // 3007 Bern // Tel. 031 318 60 50 - schneller: www.ensuite.ch 18 M U S I K Bild: Vera Van Der Pool mit Andi Hug im Hintergrund. /vl LUKAS VOGELSANG wenn das wörtchen «wenn» nicht wäre... Simon Ho und «if» Joskus on ostettava Valaksi Lentolippu Joskus on Trapeeksi Nähdä Ikkunasta Lintu. (Timo Pusa) Sometimes it is necessary To buy an airplane ticket on credit Sometimes it is enough To watch a bird from your window. ■ Tja, manchmal genügt es tatsächlich. Zwischendurch muss man aber auch etwas tun für das Glück: Zum Beispiel die richtige CD in das Abspielgerät legen und «play» drücken... und dann geht’s in diesem Artikel nur um eine neue CD, eine handvoll Musiker, ein Konzert. Eigentlich überhaupt nichts spektakuläres. Wenn hier nur das Wörtchen «wenn» nicht wäre... Doch von vorne: «If» – so heisst das neue Album von Simon Ho. Ho wie Hostettler oder Horizonte, denn der Berner Komponist und Musiker sucht sich im musikalischen Universum immer wieder neue Spielplätze. Sein Markenzeichen – mal abgesehen von dem «künstlerischen» Erscheinungsbild – ist, dass er in jeder Produktion die MitmusikerInnen an der Hand nimmt. Er dominiert nicht oder spielt nie den Meister, welcher er unzweifelhaft ist. Seine Vernetzungsfähigkeit bringen ihn damit über die Wolken. Simon Ho ist der gespielt schüchterne und einfühlsame Charmeur – und dies einfach gut. In vielen Theater- undTanzensembles und Filmproduktionen hat er musikalische Noten gesetzt. Beim Stadttheater Bern war er als Komponist schon öfters im Programmheft. Man kann sagen, dass Ho einer der spannendsten Musikschaffer von Bern ist und die heimische Musikgeschichte bereits stark geprägt hat. Die Liste der Projekte und Mitwirkungen, Arragements und Kompositionen ist erschütternd vielfältig gross. Sein Schaffensdrang und die Lust haben ihn in den letzten Jahren um die Welt getrieben: Mexiko, New York, Paris, als Gastkomponist am Staatstheater Stuttgart und nicht zuletzt nun auch Finnland, wo Teile von «if» aufgenommen wurden. Und das schöne an der Geschichte ist, dass er (meistens) in Bern lebt. Wie im umtriebigsten Ho-Jahr 2002, wo er seinen erste grosse Soloproduktion veröffentlichte, arbeitet er auf «if» mit Henk Hofstede, dem Sänger und Kopf der holländischen The Nits zusammen. Die grosse Überraschung sind aber Värttinä aus Finnland (ensuite – kulturmagazin nr. 4/03), die powerigen Frauenstimmen, welche Bern vor 2 Jahren in der Reitschule entdecken konnte. Diese Zusammenarbeit kam durch Henk zustande. Lustig, wie sich die Wege kreuzen. Eric Facon, der DJ und bekannte Radiomann, half bei der Produktion ebenfalls Tatkräftig mit. Aufgeführt als MusikerInnen (Inland) sind Shirley Grimes (voc), Vera Van Der Poel (voc), Oli Hartung (git, banjo), Monic Mathys (bass), Andi Hug (dr, perc, mandolin, kb, slide guitar). Die unausprechlichen AusländerInnen sind: Susan Aho (voc), Mari Kaasinen (voc), Johanna Virtanen (voc), Henk Hofstede (voc), Michiel Peters (voc), Markku Lepistö (akk), Kimmo Kajasto (elec), Timo Väänänen (kantele), Misa Stefanovic (vio), Orlando Theuler (cello) und Pekka Lehti (bass). Ein Bataillon aus feinsten musikalischen Köchinnen und Köchen also. Ganz hervorragend hat sich Shirley Grimes auf der CD hervorgebracht. Mit einer von ihr selten gehörten Fröhlichkeit, überzeugt sie im zweiten Stück «Stars». Es klingt, als hätte sich Shirley an einen eigenen Kindertraum erinnert. Ihre Stimme, die Tonalität - es passt alles haargenau und es klingt ein wenig nach Edie Brickell & the New Bohemians – eine Band, die schon eine Weile still geworden ist. So frisch und präsent, so dynamisch, sprungbereit – das sind Qualitäten, welche Shirley in ihren sonst eher melancholischen Liedern kaschiert. Das muss ändern – sonst bleibt sie womöglich dort, wie im Text zu «Stars» beschrieben. Aber auch Vera Van Der Poel ist umwerfend. Die süffig-frivole Stimme trägt meilenweit. Es ist auffallend, wie die gesamte Produktion spontan und ungekünstelt wirkt. Obwohl spürbar intelligent mit Grooves, Hightech, Arrangements und Stimme gearbeitet wurde, die Aufnahmen zerbrachen im Studio nicht. Da muss ein grosses Lob ausgesprochen und ein paar Verdienstorden gehängt werden. Und natürlich wäre die CD trotz aller Qualität auch nur halb so gut, wenn Henk nicht seine rotzig-rauchige Stimme einbrächte. Und so war an der Plattentaufe am 21. Januar in der Mühle Hunziken ein kleines Feuerwerk auf der «Winterreise 2005» von Simon Ho. Henk Hofstede war im Anzug mitanwesend, nur den Värttinä gelang das Timing nicht ganz. Die wären im Kollektiv mit Henk am 12./ 13. und 14. Februar in Basel und Adelboden zu bewundern – eine Winterreise die sich lohnt. Die Band spielte für eine CD-Taufe und im Anbetracht der doch nicht ganz einfachen atmosphärischen Songs super. Und von dem zweistündigen Konzert, welches an Spannung und Präsenz nichts einbüsste, war das Publikum entsprechend begeistert. Der einzige Wehrmutstropfen waren die tänzerischen Leistungen, die auf der kleinen Bühne in Rubigen, mit einer sieben-köpfigen Band auch kaum zu meistern sind. Weitere «Winterreise 2005»-Daten: 05.02. Bäre Buchsi, Münchenbuchsee 06.02. Werkstall St. Gallen 12.02. Kaserne Basel (Doppelkonzert mit The Nits & Värttinä) 13.02. Kaserne Basel (Doppelkonzert mit The Nits & Värttinä) 14.02. Taverne Adelboden (Doppelkonzert mit The Nits & Värttinä) Infos: www.simonho.ch D I V E R S E S 19 MARTA NAWROCKA aufgewärmt ■ Irgendwie kommt mir das bekannt vor. Die Suppe von gestern? Der Rest aus der Tupperware? Ein bisschen neu gemischt, mit anderen Gewürzen, aber doch irgendwie dasselbe. Man stelle sich vor: Jeden Tag Reste essen? Doch, das tun wir. Die meisten zwar unbewusst, doch täglich wird uns der Frass vom Vortag serviert. Und landet nicht im Magen, sondern dort, wo‘s wehtut: Direkt im Hirn. Archiv ahoi! Denn das Fernsehen spezialisiert sich heutzutage nicht auf frische Sendungen, sondern aufs Recycling. Wichtig sind nicht mehr originelle Redaktoren und neue Sendekonzepte. Die Leute im Archiv und am Schnittplatz sind die Herrscher, Ziel: Televisionierung von Aufgewärmtem. Ganz nach dem «Erfolgsrezept», welches heutzutage so viele Radios zu Hintergrundgeräusch-Krüppeln gemacht hat: Ja nicht auffallen, das Publikum in den debilen Alphawellenrausch versetzen. Das wohl schwerwiegendste Problem bei dieser Wüste des Einerlei ist die Grösse der Privatsender. Fernsehriesen wie RTL oder ProSieben können es sich nicht leisten, Experimente zu veranstalten. Denn Nischensendungen verursachen bei ihnen einen grösseren Verlust, als sie es zum Beispiel bei Vox oder Kabel1 machen würden. Quotenangst macht Hasenfüsse Bei den SumoSendern geht es nämlich gleich um Millionen, Zuschauer und Marktverluste. Man versucht das Esperanto des gesunden Menschenverstandes zu erfinden: Das mittlere menschliche Interesse. Sogar Ally McBeal, die Sendung mit der verkorkst-hysterischen Anwältin, war den Grossen ein zu hohes Risiko. So wurde die Serie bei Vox ausgestrahlt, was dem Sender relativ hohe Einschaltquoten bescherte. Doch muss man sich fragen: Wenn schon Ally McBeal als Nischenprodukt gilt, was ist dann mit den Sachen, die wirklich gehaltvoll sind? Wiederkäuer Es gibt verschiedene Arten, wie das Fernsehen Gleiches zu Gleichem verquirlt. Da wären zunächst einmal die erfolgreichen Sendekonzepte. Bei diesen hat sich der Erfolg bereits in anderen Ländern bewährt, ein siegessicherer Gaul sozusagen. Sie werden gefranchised und bis-zum-geht-nicht-mehr und manchmal auch bis-zum-geht-noch-ein-bisschen-weiter über die Mattscheibe gejagt. Hier wären zu erwähnen: Wer wird Millionär?, Big Brother, Popstars und viele andere. Andere Leute, gleicher Schmarrn. Und vorausgesetzt, es wird vom lokalen Publikum angenommen, so kann man sich auf jahrelange Ausstrahlung gefasst machen. Big Brother hätte doch lange sterben sollen. Und doch sieht man die eingesperrten Plebs täglich durch die Gitter tratschen. Funktioniert eben todsicher. Wer denkt, das öffentlich-rechtliche Fernsehen würde hier gegen- steuern, der irrt sich gewaltig. Hier wird fleissig hinterhergehinkt: Siehe MusicStar. Aus Abfall wird Neues Dann gibt es die Patchworksendungen. Diese greifen auf die Archive der, sagen wir mal, letzten 40 Jahre der Fernsehgeschichte zurück. Neu gemischt und mit ein paar kommentierenden Promis gezuckert präsentiert sich diese Mogelpackung zur Prime Time am Abend. Oliver Geissen lässt grüssen. Die grössten Hits der Achtziger oder Die nervigsten Dinge der Neunziger sind reine Archivarbeit, in Pseudo-Moderation eingebettet. Und jeden Tag grüsst... Wer mutig genug ist, schaut mal einen Tag lang RTL. Und wird den gleichen Beitrag schätzungsweise vier bis fünf Mal vorfinden. In der Morgensendung, bei Punkt12, bei Exklusiv, bei Extra... Man rechnet, dass eine Person etwa zwei Stunden lang am Stück in die Röhre schaut. Danach ist eine neue Zuschauergruppe am Start, man kann theoretischerweise alles wiederholen. Und macht es praktischerweise auch. Kosten, Arbeitsplätze und Aufwand werden gespart. Auch noch eine relativ simple Variante der Gleichschaltung: Promis gehen in den Dschungel, auf die Burg, zum Bauernhof. Und zwar vorzugsweise diejenigen der B-, Coder D-Klasse. Die tun nämlich alles, um das Augenmerk auf sich zu richten, A-Prominenz ist sich da zu schade dafür, Naddel nicht. Die Revoluzzer Einer, der das Problem schon früh erkannt und ein Mittel dagegen erfinden wollte: Alexander Kluge. Der schrieb 1972 «Öffentlichkeit und Erfahrung», ein Buch über die Relevanz einer unabhängigen Öffentlichkeit, die reich an Erfahrungen ist. Da das Fernsehen so ziemlich genau das Gegenteil dessen war, schloss er sich mit Kollegen aus Musiktheater, Buchverlagen und Film zusammen, um ein Schaufenster bei RTL und Sat1 zu schaffen. Über dieses stolpert man heutzutage noch spät nachts und wundert sich. Dem guten Willen zum trotz: schaut irgendjemand wirklich aktiv DCTP? Was es zur Veränderung braucht, sind doch schlaue Sendungen, die trotzdem noch unterhaltsam sind. Wie Die Sendung ohne Namen zum Beispiel. Läuft Donnerstags um 23:20 Uhr auf ORF1. Die ist witzig, schlau und schnell, sehr schnell. Nach dieser Sendung sind alle Sinne geschärft (na gut, riechen kann man sie nicht) und das Hirn verarbeitet immer noch die Allegorien der letzten fünf Minuten: Brainfuck. Und das ist es doch, was wir brauchen. Etwas, was uns fordert, aber nicht anstrengt. Was einen Eindruck hinterlässt, und nicht ein Zucken im Daumen, um zur nächsten Aufwärm-Sendung zu zappen. Es ist wahr, das Hirn hat auch seine erogenen Zonen. SÜDSICHT – AUS BERN NORD n Kirchlindach - Zehn Kunstschaffende aus der Region Bern-Nord sind zu Gast in der Klinik südhang, der Fachklinik für stationäre Therapien bei Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. Die Ausstellung in Kirchlindach entstand in enger Zusammenarbeit mit Christoph Lichtin (Konservator Kunstmuseum Luzern), den Kulturverantwortlichen der beteiligten Gemeinden und den Künstlerinnen und Künstlern. Die Ausstellung zeigt eine breite Pallete verschiedenster Kunstrichtungen. Grund genug, sich die südsicht Ausstellung näher anzuschauen, denn die Finissage ist bereits am 11. Februar 2005. Die KünstlerInnen und Besucher werden mit einem Referat von Hans Saner, Philosoph und einer anschliessenden Diskussion unter der Leitung von Francois Wasserfallen, Leiter des Amtes für Kultur Bern und Barocken Liedern verabschiedet. Unter den Ausstellern finden Ricardo Abella, geboren 1950 in Tucuman, Argentinien. Kunststudium an der Universidad Nacional de Tucuman. Er Praktiziert als Maler, Zeichner und Keramiker. Heidi Künzler, Malerin, Grafikerin und Gestalterin. Mitglied des Schweizerischen Werkbundes, Ida Maibach, Kombination monochromer Farbflächen zu mehrteiligen Bildensembles, Egbert Moehsnang, Maler, Zeichner, Kupferstecher und Glasmaler, 1955 erste Ausstellung in der Kunsthalle Bern. Ernst Oppliger mit mehreren Beteiligungen an nationalen und internationalen Ausstellungen. Irene Schubiger, Tätig als Textilkünstlerin, Zeichnerin, Malerin, Plastikerin und Bildhauerin. Sie gewann 1998 den Preis der Kunstkommission der Stadt Bern, Verena Welten, Initiantin des Kunstvermittlungspreises K.i.S. Kunst im Soziokontext und Adela Picón, Malerin, Performanceund Installationskünstlerin. Letztere ist gewinnerin des Frauenkunstpreises. Diesen Preis, nimmt sie an der öffentlichen Vergabe in der Galerie Artraktion am 15. februar 2005 entgegen. (sf) Finissage: Mehrzwecksaal Klinik südhang, 3038 Kirchlindach am 11.02 um 20h Frauenkunstpreisverleihung: Galerie Artraktion, Hodlerstr. 16, Bern am 15.02 um 18h 20 M U S I K SARAH ELENA SCHWERZMANN SARAH ELENA SCHWERZMANN ENJOY THE SILENCE «HEY YOU SHOULD COME, BLA BLA BLA...» ■ Depeche Mode ist ein Vierteljahrhundert alt, habe ich gelesen. Und rettet regelmässig die Synthie-Pop Welt vor dem Untergang, habe ich gelesen. Darüber soll es Geschichten geben, mit denen man Bücher füllen könnte, habe ich gelesen. Und manch ein Musikjournalist soll sich über Depeche Mode schon die Finger wund geschrieben haben, habe ich gelesen. Was soll man dazu noch sagen? Und was sagen Depeche Mode dazu? Enjoy the silence. Enjoy the silence. Enjoy the silence. Enjoy the silence. Enjoy the silence. Enjoy the silence. Enjoy the silence. Enjoy the silence. Enjoy the silence. Enjoy the silence. Enjoy the silence. Enjoy the silence. Enjoy the silence. Enjoy the silence. Enjoy the silence. Enjoy the silence. 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Enjoy the silence. Enjoy the silence. Noch Fragen? Infos: Depeche Mode, «Enjoy the silence – Remixes 19912004», Mute Records www.depechemode.com ■ iDub. iDub? Irgendwo habe ich das schon mal gehört. Ist das nicht das neuste Gadget aus dem Hause Apple? Nein. Sehr peinlich. Dabei sollte mir iDub etwas sagen. Tut es dann auch. Denn spätestens nachdem ich den Namen des einen Duomitglieds gehört habe, ist der Groschen gefallen: Cosmic Rocker. Cosmic Rocker ist nämlich Sasha Crnobmja, unser verlorenes Schäfchen im grossen Amerika. Für alle die, dies nicht wissen: Sasha ist ursprünglich aus Basel. Das heisst er ist als 10jähriger aus seiner Heimat Serbien in die Schweiz gekommen und hat seine Teenagerjahre hier bei uns verbracht. Als gelernter Schneider verfolgte er schon immer das Geschehen in der Metropole New York und so kam es dann, dass ihn am Telefon ein Freund mit einem unkomplizierten «Hey you should come, bla bla bla...» überreden konnte, seine Koffer zu packen und der Schweiz den Rücken zu kehren. In New York angekommen arbeitet Sasha als Schneider. Bald einmal merkt er aber, dass ihm zwar das Arbeiten mit Textilien und das Fertigen von Kleider und Taschen Spass macht, dass er jedoch mit der Fashionszene an sich wenig anfangen kann. So entscheidet er sich dann, die Oberflächlichkeit und Schnelllebigkeit der Modeszene hinter sich zu lassen, um sich dem zuzuwenden, was er schon immer aus tiefstem Herzen geliebt hat: der Musik. So hat Sasha also ungefähr 1995 angefangen, zusammen mit Erica Lively, nur so zum Spass in irgendeinem Keller in der East Side Partys zu schmeissen. Anfangs zogen diese ein kleines, allerdings ausserordentlich experimentierfreudiges Publikum an. Schon nach kurzer Zeit aber verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt und es kamen immer mehr Leute. Die Partys wurden immer grösser, jedoch nicht kommerzieller, denn die Hauptrolle spielte immer noch die Musik. Neu an der ganzen Sache war nämlich, dass da nicht nur ein DJ stand, der ein bisschen Platten auflegte sondern eine ganze Gruppe von Leuten, darunter hauptsächlich Live-Musiker, die den Mann hinter den Plattentellern nicht nur unterstützten, sondern auf gleicher Ebene mit ihm kommunizierten. Einen Stil gab es nicht. Es galt, Barrieren zu durchbrechen. Und das hat sich bis heute kaum verändert. Die Basis bilden dabei Deep House und Afrobeats. Denn als passionierter Schlagzeuger und begabter Produzent weiss Sasha, dass der Beat in seinem Ursprung ein solides Fundament darstellt, auf das aufgebaut werden kann. Dann sind die Musiker gefragt. Bei ihren Auftritten verzichten Sasha und seine Musiker auf einstudiertes Ableiern, sondern lassen sich von der Musik tragen und versuchen immer wieder, an ihre Grenzen zu stossen. Die Rechnung scheint aufgegangen zu sein: Die von Sasha ins Leben gerufene Partyserie Organic Grooves ist in New York ein Dauerrenner. Bei einer dieser Partys hat er dann auch Zeb kennen gelernt. «Wir haben beide einen ähnlichen musikalischen Hintergrund, deshalb haben wir uns auch sofort verstanden.» Nun kommen die beiden als iDub Sound System feat. Cosmic Rocker & Zeb am 5. Februar in die Dampfzentrale. Zu verdanken haben wir das Dubquest, die vor kurzem erst gerade den sehr coolen Dorfmeister ins langweilige Bern geholt haben. Wer sich also von der letzten Dubquest Session erholt hat, kommt am 5. Februar in die Dampfere. Und wer sich noch nicht erholt hat, kommt trotzdem, um unseren Auslandschweizer gebührenden zu empfangen. Event: iDub Sound System feat. Cosmic Rocker & Zeb, Samstag, 5. Februar 2005, Dampfzentrale, ab 22 Uhr Infos: www.dubquest.com, www.dampfzentrale.ch Bild: zVg. C D - T I P P 21 Aus tiefsten Tiefen - Tocotronic Pure Vernunft darf niemals siegen Matt Sweeney & Bonnie ‚Prince‘ Billy «Superwolf» (Domino) Irène Schweizer – Omri Ziegele: Where‘ s Africa ■ Tocotronic sind zurück, und wie: Mit neuen Album, neuem Line-up und neuer Wut. «Pure Vernunft darf niemals siegen», so der Schlachtruf der feinsinnigen Hamburger Band. Tocotronic wurden schon immer an erster Stelle, vor der Musik, an ihren Texten gemessen. Diese gehen auf ihrem neuen Album manchmal hart an der Grenze zum Kitsch vorbei, manchmal sind sie bedeutungsschwanger bis zum geht nicht mehr, doch meistens sind sie von treffender Schönheit. «Ich mag’s wenn sich die Wut entfacht / Ich mag erschaudern und nicht zu knapp», singt Dirk von Lowtzow und man nimmt ihm dieses Verlangen nach authentischen Gefühlen aufs Wort ab. Aber hier leben, nein danke: Ein gespaltenes Hass-Liebeslied auf Deutschland, das sich gegen den plötzlichen trendy Nationalismus in ihrem Heimatland richtet und für Echtheit in der seichten (deutschen) Popwelt plädiert. Die Band, die in ihren Anfängen einen Mtv Award mit dem Titel «jung, deutsch und auf dem Weg nach oben» ablehnte mit der Begründung, sie könnten sich mit keinem dieser Adjektive identifizieren. «Die Illusion wird Menschenrecht» und «eine Bewegung gegen den Fleiss»: Es geht um notwendige Fluchten aus dem Alltag, um den Aufstand gegen die Erfolgsgesellschaft. Manche mögen die Ironie der früheren Texte vermissen, im Stil der wunderbaren selbstironischen Grunge-Persiflage «Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk»; doch die neue Wut, die Wahrhaftigkeit steht ihnen nicht weniger gut. Musikalisch ist das Album von melancholischem, dunklen Indierock, der in den besten Momenten an Velvet Underground oder Sonic Youth erinnert. Die Band wurde übrigens erweitert durch einen vierten Musiker, den Amerikaner Rick McPhail, der früher an Tocotronic Konzerten T-Shirts verkaufte und sich nach und nach zum Bandmitglied mauserte. Höhepunkte sind das widerborstige Liebeslied «Gegen den Strich», die selbstlose Hymne «Mein Prinz» und das gespenstische Finale «Ich habe Stimmen gehört». «Pure Vernunft darf niemals siegen, wir brauchen dringend neue Lügen!” schreien sie und genau solche Überlebens-Lügen gegen die öde Vernunft liefern uns Tocotronic, geschickt verpackt in 13 aufwühlende Songs. (ss) ■ «Ease Down The Road», also «Sorglos die Strasse hinab», hiess eine frühere Platte von Will Oldham alias Bonnie ‹Prince› Billy. Sorglos war seine persönliche Auslegung des Country schon damals nicht und sie wird es auch nie werden. Einmal mehr zelebriert Oldham den brüchigen, dunklen Frieden, der in seiner Seele oder sonst wo zu sitzen scheint. Nahe der Katastrophe hält sich der mittlerweile 35-jährige aus Louisville, Kentucky, auf, die am Ende der 44 Minuten Spielzeit im ergreifenden «I Gave You» schlussendlich auch eintrifft. Matt Sweeney begleitet mit Gitarre roh, dunkel bis tief friedlich Oldhams nächtliche Wanderungen, Wanderungen, die den Hörer in ehrfürchtige Stille versetzen. (bs) ■ Mit hörbarem Spass spielen sich Irène Schweizer und Omri Ziegele durch ein Programm von Monk bis Ellington, von Don Cherry bis Dudu Pukwana: Great American Songbook meets African Tradition, dazu eine wunderschöne Eigenkomposition der Pianistin («Bleu Foncé») und zwei naja, eher mittelprächtige Gesangseinlagen des Saxophonisten. Die beiden geben einander den nötigen Freiraum, unterstützen einander, mono- und dialogisieren munter, und dass Irène Schweizer früher mal auch Drummerin war, merkt man ihrem rhythmusbetonten Spiel an: Auch ohne Rhythm Section funktioniert diese Musik prächtig, mal swingend, mal bluesig, mal feierlich und mit angezogener Handbremse wie in «Monk’s Mood». Wer Irène Schweizer «nur» von ihrer Free-JazzSeite her kennt, sollte diese Chance, der Grande Dame des Schweizer Jazz in einem ganz anderen Licht zu begegnen, unbedingt nutzen! (kb) Irène Schweizer - Omri Ziegele: Where’s Africa, Intakt CD 098 Pure Vernunft darf niemals siegen 2005 L’age D’or / Lado; Live: 4. März, Rote Fabrik Zürich; 5. März, Schüür Luzern; 6. März, Reithalle Basel Slowblow «Slowblow» (Mobilé) ■ Hausmusik aus Island: Der Filmemacher Dagur Karí (Noí Albinoi) und sein Kumpane Orri nahmen die zehn, wahlweise schiefen, rudimentären, sonnigen und niedergeschlagenen Lieder in Stuben und Badezimmern auf. Karí singt kaum, eher fistelt und haucht er gebrochen über den durchlässigen Klangteppich aus Klavier, Gitarre und Perkussion, zuweilen auch Akkordeon und Geige. Wunderbar ist Kristín Anna (Múm), die eine Handvoll Lieder mit ihrem hellen Stimmchen veredelt und so einen Kontrast zu Karís Grummeln schafft. Wunderbar auch die leisen, in der Ferne explodierenden, pfeifenden Feuerwerksraketen in «Cardboard Box», dem schönsten Stück des Albums, die als Bild dieses Album nicht schlecht auf den Punkt bringen. Besser jedenfalls, als die arg strapazierte, sprichwörtliche isländische Schwermut. (bs) Lynne Arriale Trio ■ Das klassische Piano-Trio hat in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt. Und eine der Vorreiterinnen auf dieser Erfolgswelle kommt nun nach Bern: Die Pianistin Lynne Arriale ist erstmals im Marians Jazzroom zu Gast, mit ihren langjährigen Partnern Jay Anderson (Bass) und Steve Davis (Drums). Kraftvoll, melodisch, dann wieder sanft und gefühlvoll bearbeitet Lynne Arriale ihr Instrument – «ihre Finger tupfen über die Tasten des Klaviers, als spielte sie gar nicht mit den Händen, sondern mit Besen», schwärmte ein Kritiker. (kb) (1.- 5. Februar, Marians Jazzroom, Bern) 22 B I E L — B I E N N E TRIO WANDERER Vincent Coq, Klavier - Jean-Marc Phillips-Varjabédian, Geige - Raphaël Pidoux, Violoncello CADENZA Un nouveau cycle de concerts, donnés par les professeurs de l’Ecole de musique de Bienne, voit le jour à la Rotonde et à la salle Farel ! ■ Quand une école de musique met au concours un poste d’enseignant, elle recherche un candidat hors du commun qui, par son caractère et sa formation, réunisse trois valeurs : celles d’être un humaniste, un artiste et un pédagogue. Pourtant, l’élève qui rencontre chaque semaine son professeur de musique, le sait musicien sans le voir souvent à l’œuvre. La remise sur pied de concerts donnés par l’Ecole de musique – anciennement dénommés les Concerts du 20 - vise, entre autre, deux objectifs : donner une nouvelle occasion aux professeurs d’exprimer leurs talents et permettre aux élèves et au public de considérer l’institution comme un lieu où non seulement on apprend la musique mais où on la dispense aussi. Cette école continue à être productrice en lançant Cadenza, un cycle de concerts qui s’insérera dans la vie culturelle biennoise en deux lieux distincts : à la salle Farel, pour des lundis soirs de musique intimiste et à la Rotonde où le concert du dimanche matin sera couronné par un brunch convivial, parrainé par les fournisseurs des différents produits. La programmation se fera l’écho de la diversité enseignée à l’Ecole de musique : les professeurs, évoluant parfois avec leur ensemble, délecteront les musicophiles de pièces éclectiques. Le plaisir de ces concerts se jouera dans la découverte par la rencontre avec des hommes et des femmes qui, enseignant bien plus que le «do-ré-mi» de la musique, révèlent leur métier d’interprète. Au terme « cadence » qui désigne la fin d’une phrase musicale ou encore l’improvisation d’un soliste, s’associe le langage de tous les jours pour exprimer l’harmonie de mouvements faits en commun. En cadence donc, pour Cadenza ! 1er concert-brunch Cadenza-Rotonde (Trio Cassata : I. Lehmann, flûte traversière ; A. Milova, violon et W. Riechsteiner, guitare. Musiques tous azimuts écrites par des compositeurs suisses vivants). 6 mars, 10h45. 11, rue de la Gare. Billets sur place. Informations au 032 329 84 74. Dates suivantes dans l’agenda d’ensuite. ■ Die « Wanderer » haben wirklich den auf sie zutreffenden Namen. Sie haben sich diesen nicht ohne Grund gewählt, sondern zu Ehren von Schubert und aufgrund ihrer Geistesverwandtschaft mit der deutschen Romantik, ihrem Lieblingsrepertoire, u.a. ist das Thema des «umherziehenden Wanderers» eines ihrer Leitmotive. Im weiteren ist es auch, wie sie schelmisch zugeben, als Anspielung auf das Leben eines Musikers zu verstehen, voll von «Reisen in sein Inneres» oder prosaischer ausgedrückt, im Rhythmus unablässiger Tourneen! Neugierige Vagabunden, uner-sättliche Wanderer, die jungen französischen Musiker sind dies auch durch ihren musikalischen Forschergeist, der sie dazu treibt, unerlässlich die Jahrhunderte von Haydn bis Ravel und Copland zu durchstreifen. Aber die Gemeinsamkeit mit dem düsteren und zurückgezogen lebenden Held der Romantik hört, glücklicherweise für sie, hier auf. Zuerst einmal treten die drei Komparsen selten alleine auf. Umso besser, denn ihre vor vierzehn Jahren durch die Gründung der Gruppe entstandene Freundschaft geht aus jeder ihrer Noten hervor und ist das A und O ihrer Darbietung: Ein Spiel mit einer außergewöhnlichen Sensibilität und einer fast telepatischen Harmonie. Und schließlich, um mit dieser Metapher abzuschließen, haben unsere drei Wanderer nichts vom Unsegen des romantischen Helden geerbt: Von der Kritik bereits bei ihren ersten Vorstellungen gekrönt, wurden sie seither pausenlos mit Lobeshymnen und Ruhm überhäuft. Zweifellos ist ihnen eine rosige Zukunft bestimmt. Einige Etappen Nach Studien an der nationalen Musikhochschule von Paris, ergänzt das Trio Wanderer seine Ausbildung in den USA und in Kanada bei János Starker, György Sebök, Dorothy Delay und Menahem Pressler, sowie in Deutschland bei den Mitgliedern des Amadeus-Quartetts. Das Trio gewinnt zwischen 1988 und 1990 große internationale Wettbewerbe wie die Fischoff Chamber Music Competition und den Wettbewerb der ARD in München. Es beginnt seine internationale Karriere mit der vollständigen Aufführung aller Trios von Beethoven im Herkulessaal von München. Das 1998 von der berühmten Musikzeitschrift «The Strad» als «Wandering Stars» ausgezeichnete Trio Wanderer tritt seither in den größten Musikszenen auf: Phil- harmonie Berlin, Théâtre des Champs Elysées in Paris, Library of Congress in Washington, Scala in Mailand, Wigmore Hall in London, Kioi Hall in Tokyo und bei berühmten Festivals, u.a. bei den Festspielen von Salzburg, Schleswig- Holstein, Roque d’Anthèron, Stresa, Osaka... Bei musikalischen Treffpunkten hatte das Trio Wanderer als Partner u.a. Paul Meyer, Sir Yehudi Menuhin, Christopher Hogwood, Charles Dutoit oder James Colon, und es wurde in den Repertoires mit Tripel- und Doppelkonzerten von berühmten Orchestern begleitet: die Philharmonie von Radio France, das Radio-Sinfonieorchester Berlin, die Sinfonia Varsovia, das GürzenichOrchester Köln... In dieser Saison tritt das Trio Wanderer unter anderem in Rio de Janeiro, Moskau, London und Basel, in Paris, Graz, Lissabon, beim Folles Journées in Nantes, beim Printemps des Arts in Monte Carlo, bei den Settimane Musicale in Stresa, und bei den Salzburger Festspielen auf. Neben den zahlreichen Rundfunkaufzeichnungen (Radio France, BBC, ARD, RSR, ARTE) zwei CD-Aufnahmen der Trios von Mendelssohn im Jahre 1995, den Trios von DvoÐrák und Smetana im Jahre 1996 für Sony Classical hat das Trio Wanderer 1999 eine neue Zusammenarbeit mit Le Chant du Monde-Harmonia Mundi begonnen, und zwar mit den Trios von Chausson und Ravel, gefolgt von einer Aufzeichnung sämtlicher Trios von Schubert (Ende 2000), und schließlich Ende 2001, das Tripelkonzert von Beethoven sowie eine neue CD, die den letzten Trios von Haydn gewidmet ist. Im Februar 2000 erhält das Ensemble eine weitere aufsehenerregende Auszeichnung, den «Victoires de la Musique», als beste Kammermusikgruppe des Jahres. Das Trio Wanderer wurde von der Unternehmensstiftung «Accenture» als ihr Patenkind gewählt. Von nun an wird ihm diese Stiftung durch ihr Netz, eine beachtliche Unterstützung verleihen. Zudem wurden sie im Dezember 2002 mit zwei bedeutenden Auszeichnungen für ihre CD-Einspielungen bedacht: In den Zeitschriften «Le Monde de la Musique» und in «Gramophone» wird ihre Haydn-CD beide Male als beste CD des Jahres bezeichnet. Nach ihrem überragenden Debüt bei den Salzburger Festspielen 2002 wurden sie für 2004 und 2006 sofort wieder eingeladen. Bild: zVg. THE RISING STAR Viktoria Tolstoy in Biel ■ Ein kleiner Tipp für Jazzfreunde: Die schöne Tolstoy kommt nach Biel ins Blue Note. Erst noch im Rummel und Rampenlicht der neuen CD „shining on you“ und bereits in unserer Umgebung anzutreffen. Viktoria Tolstoy (vocals), Bror Falk (piano), Dan Berglund (bass), Wolfgang Haffner (drums), Nils Landgren (trombone) Freitag, 18. Februar / 21.00 Blue Note Club, (unter dem Restaurant Palace beim Bahnhof); 2502 Biel-Bienne B I E L Vollständige Bieler Agenda ab Seite 57 — B I E N N E 23 DAS LETZTE BAND LA DERNIÈRE BANDE Stück von Samuel Beckett Bild: zVg. MUSEUM NEUHAUS BIEL Bild: zVg. Verlängerung der Sonderausstellung «Das neue Biel: Geschichte und Architektur der Jahre 1920 – 1930» bis zum 27. Februar 2005-01-26 ■ Die aktuelle Sonderausstellung im Museum Neuhaus «Das neue Biel: Geschichte und Architektur der Jahre 1920 – 1930» stiess auf ein grosses Besucherinteresse. Deshalb wird die Ausstellung um einen Monat bis zum 27. Dezember 2005 verlängert (ursprünglich bis 31. Januar 05). Dies wurde möglich dank dem Entgegenkommen der verschiedenen Institutionen und Privatpersonen, die als Leihgeber zahlreiche originale Dokumente zur Verfügung stellen. Die Ausstellung richtet sich an ein breites Publikum, und sie wirft verschiedene Schlaglichter auf die historisch spannende Periode der Zwischenkriegszeit. Damals wurden vom «roten Biel» nachhaltige städtebauliche Akzente gesetzt. Zahlreiche markante Bauten wurden im Stil der modernen Architektur des «neuen Bauens» errichtet, die noch heute das Stadtbild mitprägen, wie zum Beispiel das Bahnhofquartier, Volkshaus, Hotel Elite, die Bibliothek an der Dufourstrasse oder das Strandbad. Die Architektur als wohl augenfälligster Aspekt der Epoche dient als roter Faden um Themen wie ■ Das berühmte tragikomische Solo für einen alten Mann, ein Tonbandgerät und ein paar Bananen - gespielt vom Bieler Bühnenkünstler Peter Wyssbrod! Die Überlagerung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist das Thema in Samuel Becketts «Das Letzte Band», die Gleichzeitigkeit von Erinnerung und Imagination. Krapp, der alternde Schriftsteller lauscht alten Tonbändern, auf welchen er sein Leben tagebuchähnlich dokumentiert hat. Die Stimme schwört die Bilder der Vergangenheit herauf. Unzählige Momente seines Lebens werden in ihm wieder lebendig. Krapp nimmt ein weiteres Band auf, versucht sein Leben zu resümieren und damalige Entscheidung ins Licht seiner Erfahrung zu setzen. Die Tonbandspule: Ein Bild für die Zeit, für die Erinnerung, für die mechanische Wiederholung, für das sich Drehen um sich selbst ... «Das letzte Band» wird in zwei Sprachen einstudiert. Peter Wyssbrod wird Vorstellungen auf Deutsch und auch auf Französisch spielen! den Bau von Genossenschaftssiedlungen, die Weltwirtschaftskrise oder die Kunst in Biel zu beleuchten. Zahlreiche zeitgenössische Fotos, originale Skizzen und Pläne vermitteln ein umfassendes Bild vom «neuen Biel», das von der damals sozialdemokratisch dominierten Gemeinde, dem «roten Biel», geschaffen wurde. Das Museum Neuhaus bietet zudem zwei öffentliche Führungen durch die Konservatoren an: Mittwochs, 16. Februar 05 um 18 Uhr auf französisch, Mittwochs, 23. Februar 05 um 18 Uhr auf deutsch. Private Führungen auf Anfrage. Museum Neuhaus Biel Schüsspromenade 26, 2501 Biel Tel. 032 328 70 30/31, Fax 032 328 70 35 E-Mail [email protected]/www.mn-biel.ch Öffnungszeiten: Di - So 11 – 17 Uhr, Mi bis 19 Uhr 24 SIMONE WAHLI R E I S E N objects may be closer than they appear – teil 4 Freak Wave Reisenotizen auf dem Weg von Russlands Westen bis nach Südost-Asien. (Teil vier, 23. Dezember 2004– 22. Januar 2005.) ■ Auf den Strassen Kambodschas sowie Laos’ ist von einem Motorradtaxi über Rauschmittel jeglicher Art bishin zu Frauen alles erhältlich. Das Beispiel Thailand macht offenbar Schule, und dies nicht nur in Bezug auf die vornehmlich männliche Klientel, denn auch westliche Frauen eines bestimmten Alters werden in Begleitung junger asiatischer Männer gesichtet. Nach wie vor sind jedoch, neben den kulturellen Sehenswürdigkeiten, die unverbaute Landschaft sowie der Umstand, dass hier Zeit noch nicht gleich Geld ist, die Hauptfaktoren für eine Reise nach Kambodscha und Laos – hoffen wir, dass es so beibt. Der Westen, zumeist verkörpert durch den westlichen Touristen, scheint Sehnsüchte zu wecken, dessen Ausmasse wir kaum begreifen können. Dies geht soweit, dass der aurasische Phänotyp zum Schönheitsideal schlechthin erklärt wird - eine Hautcreme ohne Weissmacher besitzt Seltenheitscharakter und die Suche nach einer solchen kann durchaus zu einer Tagesbeschäftigung ausarten. Der weibliche Körper wird zumeist verhüllt, teilweise tragen die Frauen sogar die Arme bedeckende Handschuhe und Mützen, trotz bzw. gerade aufgrund der Temperaturen über 30 Grad. Auch in kambodschanischen sowie laotischen Videoproduktionen, denen man auf unzähligen Busfahrten ausgesetzt ist, scheinen die Attribute des Westens dem Mann stets zum Gewinn des Herzens seiner Liebsten zu verhelfen. Interessanterweise gehören zu den Aphrodisiaken auch Baustellen und Häuser aus Beton. Anders als in Vietnam, wo der Kontakt mit Einheimischen häufig dadurch erschwert wird, das man sich allzu oft auf den ausgetretenen Touristenpfaden befindet, sind in von Touristen weniger frequentierten Ortschaften in Laos und Kambodscha Begegnungen fernab der Geschäftstüchtigkeit möglich. An jeder Strassenecke wird man von Einheimischen umringt, die bestrebt sind, mit einem ins Gespräch zu kommen und häufig findet sich auch jemand, der genügend Englisch spricht, um als Übersetzer zu fungieren. Lebensmittel und Getränke werden einem nicht nur auf der Strasse, sondern auch in Bussen angeboten und die Antwort auf die stete Frage nach unserem Heimatland wird oft lediglich mit einem Schulterzucken kommentiert oder mit Schweden gleichgesetzt. In beiden Ländern sind wir immer wieder auf Orte gestossen, die bezüglich der Anzahl an Austeigern, welche dort für kürzere oder längere Zeit hängenbleiben - eine grosse israelische Gemeinde hat sich auf dem Binnenarchipel Si Phan Don (»4000 Inseln”) häuslich eingerichtet - an Goa erinnern. Dazu gehören neben dem kambodschanischen Sihanoukville sowie dem bereits erwähnten laotischen Si Phan Don auch das Boom Village Vang Vieng, wo Gerichte, die THC-glücklich machen, sogar auf der Speisekarte vieler Lokale stehen. Hier wird das Restaurant jedoch weniger nach der Speisekarte, sondern vielmehr nach dem Filmprogramm ausgewählt - ein Lokal ohne DVD-Movie-Dinner scheint geradezu undenkbar. Daneben fasziniert der Ort aber vor allem aufgrund seiner unzähligen Höhlen, mehrere verfügen über natürliche Pools, die zum Baden einladen. Eine der Hauptattraktionen Vang Viengs ist jedoch das Tubing, bei dem man in einem Lastwagenreifen den Nam Xong hinuntertreibt - würde wahrscheinlich auch in der Aare funktionieren. Unterwegs laden schwimmende Bars immer wieder zum Verweilen und zum Genuss eines weiteren Beerlao ein und an tieferen Stellen wird die Möglichkeit zu einem Kopfsprung ins kühle Nass geboten. Ganz anders hingegen muten Siem Reap bzw. Angkor sowie die laotische Tempelstadt Luang Prabang an. Werden erstere Ortschaften vor allem von Backpackern besucht, sind letztere mehrheitlich auf dem Tagesprogramm von Kulturtouristen. Dies trägt dazu bei, dass sowohl Siem Reap als auch Luang Prabang über eine touristische Infrastruktur verfügen - manche Strassenzüge erinnern in Anbetracht der Restaurantdichte stark an den Europapark -, die angesichts der Armut der beiden Länder, die während der Busfahrt zu den Sehenswürdigkeiten besonders deutlich ins Auge sticht, zutiefst seltsam anmutet. So sind in Laos nach wie vor über 50 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, dennoch ist es bis nicht gelungen, über die Subsistenzwirtschaft hinauszukommen, was jedoch den Vorteil hat, dass es sich bei praktisch allem Fleisch um »Bio” handelt und vor allem das Hühnchen ausgezeichnet schmeckt. Dennoch sind sowohl Angkor als auch Luang Prabang den Besuch und die zumindest für ersteres horrende Eintrittsgebühr für einen Tag von 20 Dollar, welche leider einer Ölfirma zugute kommt, absolut wert. Dass viele, zum Teil aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammende Wats, sowohl in Vientiane als auch in Luang Prabang, für unser Auge etwas überrestauriert sein mögen, ist wahrscheinlich darauf züruckzuführen, dass sie für uns vor allem ein historisches und weniger ein sakrales Monument darstellen, während der Buddhismus hier noch zum Alltag gehört, was sich unter anderem in der Präsenz unzähliger jugendlicher Mönche in leuchtendem Orange festmacht. Ja, einige Jahre als Mönch zu leben nicht nur in Laos und Kambodscha, sondern auch in Thailand geradezu zum männlichen Curriculum gehört. Sowohl die kambodschanische Kapitale Phnom Penh als auch deren laotisches Pendant Vientiane sind unheimlich entspannt und können dank ihrer kompakten Struktur ausgezeichnet zu Fuss beschritten werden. Gehören in Phnom Penh neben dem Königspalast mit R E I S E N 25 Bilder: Christof Sulzer der Silberpagode auch das Genozidmuseum Tuol Sleng sowie die 18 km von der Stadt entfernten Killing Fields zu den Sehenswürdigkeiten, hat Laos, trotz dem makabren Rekord, das meist-bombadierte Land der Geschichte zu sein, nichts Derartiges zu bieten. Bis heute glaubt manch amerikanischer Vietnamveteran, auf vietnamesischen Boden gekämpft zu haben, während er sich in Realität in Laos befunden hatte. Generell sollte es in beiden Ländern vermieden werden, sich in die Büsche zu schlagen, da nach wie vor eine Unzahl undetonierter Sprengkörper existieren, die bis heute immer wieder menschliche Opfer fordern. In Phnom Penh wie in Vientiane kann man spektakuläre Sonnenuntergänge bei einem Bier am Tonle Sap bzw. am Mekong geniessen und vor allem an den Strassenstränden am Mekong lässt sich vorzüglich speisen - berühmt sind die ursprünglich aus Luang Prabang stammende Schweinswurst sowie Fische aus dem Mekong. Flussfahrten lassen sich, obwohl der Mekong einer der grossen Ströme Asiens ist, nicht mit einer Bootsfahrt auf dem Huangpu (Shanghai) vergleichen. Der Mekong hat, zumindest heutzutage, in keiner Weise mehr den Status einer Haupttransportader. Dies ist einerseits darauf zuruckzuführen, dass das Strassennetz sowohl in Kambodscha als auch in Laos in den letzten Jahren stark verbessert wurde, andererseits, dass der Mekong in der Trockenzeit (November bis März) vielerorts nur mit kleinen Booten schiffbahr ist. Einen Teil der Strecke mit dem Boot zurückzulegen ist dennoch ein absolutes Must, insbesondere an der kambodschanisch-laotischen Grenze, da die Natur hier aufgrund der wenigen Bewohner noch weitgehend unberührt ist. Das Nachtleben ist in beiden Städten zu vernachlässigen, obwohl ich mich hier gerne eines Besseren belehren lasse. Auch hier wird ein Grossteil der Bars und Klubs lediglich von Expats und Backpackern besucht, während die Locals sich in einschlägigen Lokalen, die zumeist schon vor Mitternacht ihre Tore schliessen, am Alkohol und an asiatischer Popmusik berauschen. Jedoch hat auch Bangkok, das gemeinhin mit Shopping und Nightlife assoziiert wird, bezüglich letzterem nicht gerade viel zu bieten. Obwohl die Lokalitäten, wie beispielsweise der in westlichen Medien schon hinlänglich besprochene »Bed Supper Club”, in Bezug auf Design kaum Wünsche offen lassen, ist mit Abtanzen bis in die frühen Morgenstunden aufgrund der Sperrstunde um 1 Uhr nachts nicht zu rechnen – so bleibt auch hier einmal mehr der Ausschank von Alkohol auf der Strasse. Einkaufen lässt sich jedoch wahrhaftig in ausgezeichneter Weise , und dies sogar wenn man ohne Louis Vuitton (in ökonomischer Plastikausführung) nach Hause reist. Um noch etwas Sonne zu tanken, haben wir die letzten paar Tage auf der Insel Koh Mak, die zum Archipel um Koh Chang gehört, verbracht, wo angesichts der vielen Pauschaltouristen einmal mehr deutlich wurde, wie sehr die Katastrophe, zumindest vorübergehend, die Tourismuslandschaft verändert hat. Obwohl nach wie vor nicht überlaufen - die Insel hat eine ständige Wohnbevölkerung von gerade einmal 420 Einwohnern - ist es zumindest im Augenblick schwierig , ein freies Bungalow zu finden. In Anbetracht der riesigen Backpackergemeinde weltweit stellt sich die Frage, inwiefern es sich hierbei um eine Zeiterscheinung Ende des 20. bzw. zu Beginn des 21. Jahrhunderts handeln mag. Die Möglichkeit, praktisch alle Teile der Welt für relativ wenig Geld zu bereisen, ist vor allem auf die tiefen Flugpreise zurückzuführen, die mit dem Schrumpfen der natürlichen Ressourcen sowie dem bisherigen Unvermögen, alternative Energiequellen in breiterem Masse zugänglich zu machen, automatisch wieder steigen werden. Auch Pandemien, die bislang ihren Ursprung immer wieder in Südostasien gefunden haben, sowie Naturkatastrophen könnten möglicherweise in Zukunft das grassierende Reisefieber etwas ins Stocken geraten lassen. In den Medien scheint der Tsunami langsam in den Hintergrund zu treten und macht den kommenden Wahlen im Irak sowie den israelisch-palästinensischen Konflikten Platz. Bis heute hat die ‘Freak Wave’ über 220’000 Opfer gefordert. Reisestationen seit dem 1. Oktober 2004 St. Petersburg, Moskau, Irkutsk, Olchon (Russland), Ulanbator, Terelj (Mongolei) Peking, Shanghai, Macau (China), Hanoi, Catba, Hue, Hoi An, Mui Ne, Saigon, Chau Doc (Vietnam), Phnom Penh, Sihanoukville, Siem Reap, Kampong Cham, Stung Treng (Kambodscha), Don Det, Vientiane, Luang Prabang, Vang Vieng (Laos), Koh Mak, Bangkok (Thailand). ADRESSEN Phnom Penh Malis Güsthouse und Restaurant, E-mail: [email protected] Vientiane Sticky Fingers Café und Bar, 10/3 Francoi Nginn Road Luang Prabang Café Ban Vat Sene, 48/3 Sakkarine Road Vang Vieng Sunset Restaurant, Thavonsouk Bungalows, bei der Nam Xong Brücke 26 M U S I K MARTA NAWROCKA postrock mit cindy crawford ■ Luzern, ein Abend im Januar. Ich stapfe durch die Strassen, Richtung Restaurant Helvetia. Dort sitzt schon die halbe Besetzung von Neviss – Beni (Rhythmusgitarre) und Martae (Vocals, Leadgitarre) – am Stammtisch, drei Gläser Rotwein darauf. Gefällt mir. Chewy, Favez, Bush und sogar komischerweise Saybia – diesen Bands sollen sie ähnlich klingen. Ist klar, eine neue Band bedeutet Verwirrung und muss erst mal kategorisiert werden. Hoffentlich werden Neviss nach dem Erscheinen ihres neuen Albums «Neige & Soleil» nur noch mit einer Band verglichen: mit Neviss. Zunächst will ich aber wissen, warum sie in einem Lied eine bekannte Model-Ikone besingen: Wer von euch steht auf Cindy Crawford? Martae: Ich, ganz fest. Das ist so: Man ist in den achtziger Jahren geboren, wächst in den Neunzigern auf. Sie ist halt eine der ersten Frauen, die man in der erotisierenden Pubertät wahrnimmt. Ich habe grad letztens im Fernsehen einen Bericht über sie gesehen und ich finde sie immer noch sehr schön. Sie ist einfach ein Stilbild der Neunziger. Beni: Cindy Crawford ist eben gut, weil man «Cindy Crawford» singen kann. Und ich meine: (singt) «Claudia Schiffer, Claudia Schiffer» hätte doch ein bisschen scheisse getönt. Darum ist sie schon deswegen schon mal nicht zur Diskussion gekommen. Euer postrockiges Minialbum «Backseat Travelling» ist ja eher so etwas wie «Musik für Fortgeschrittene»: Anfänglich ist man etwas überfordert und muss sich langsam reinhören. Bei «Neige & Soleil» findet man schon beim ersten Stück leichteren Zugang zum Album, es tönt fast schon poppig. Eine natürliche Entwicklung oder versucht ihr, es dem Zuhörer leichter zu machen? Beni: Wir wollten sicher mit dem neuen Album einen Schritt weiterkommen. Ich finde, das ist uns auch gelungen. Weil wir nicht nur beim Alten geblieben sind, das wäre eben das postrockige, was du erwähnst. Der Schritt weiter bedeutet, dass wir nicht mehr nur Riffs Bild: zVg. aneinanderreihen, sondern leicht mehr zum Songwriting tendieren. Postrock war eine Zeitlang ein ziemlicher Hype. Wir waren eine Band, die das schon sehr früh gemacht hat, vor allem in Luzern. Und mittlerweile ist es uns halt ein bisschen verleidet. Nun fanden wir es spannend, Postrock mit 0815-Songs zu verbinden. Martae: Wir wollten das Alte nicht verwerfen, sprich schöne Refrains oder Melodien zu haben und auch manchmal etwas Eckiges. Wir wollten das Ganze einfach etwas flüssiger, nicht so schwer gestalten. Also beim Alten anknüpfen und trotzdem auf ein anderes Level kommen. Wolltet ihr auch gezielt Lieder für das Publikum machen? Beni: Ich würde sagen: eigentlich nicht. Uns ist es aber auch schon passiert, dass wir gespielt haben und die Leute mit dem Sound überfordert waren. Wir wollten die Leute also einfach nicht mehr so vor den Kopf stossen. Aber es war sicher nicht eine gezielte Überlegung hinter dem Ganzen. In Hinsicht auf den Mainstream gesehen stossen wir die Leute immer noch vor den Kopf. Es ist vielleicht eine leichte Entwicklung in Richtung Kommerz, aber immer noch in einem Antikommerzkosmos. Zu eurer ersten Single «Kings On The Run» wird ein Video produziert. Was kann man erwarten? Martae: Wir werden demnächst ein paar Tage in einer Bluebox drehen. Der Herr von der Kunsthochschule, der das Video machen wird, wird uns dann filmen und den Hintergrund animieren. Das geht vom Stil her in Richtung Franz Ferdinand, die auch als Band vor einem animierten Hintergrund spielen. Das wird sicher sehr gut und sieht für den Schweizer Standard wohl auch recht ansprechend aus. Was ist das Ziel mit dem Video? Airplay auf Viva? Martae: Das sicher auch. Allgemein war es unser Ziel, überhaupt mal ein Video zu machen. Mit der heutigen Entwicklung in der Musiklandschaft hilft Airplay auf Viva oder auf «Roboclip» den Bands extrem, um bekannt zu werden. Apropos bekannt werden: Habt ihr mit «Neige & Soleil» vor, zu den Leuten zu kommen? Im Klartext: wollt ihr Rockstars werden? Martae: Wollen sowieso. Grundsätzlich ist das unser Kindheitstraum. Aber wollen und realistisch sein ist halt etwas anderes. In der Schweiz haben wir mit unserer Musik wohl nicht so eine Chance, Rockstar zu sein. Da müssten wir schon ins Ausland gehen und CDs verkaufen. Aber wir wollen sicher im Vergleich zur letzten CD ein breiteres Publikum ansprechen. Wir hätten sicher Freude an einem gewissen Wiedererkennungseffekt seitens der Zuhörer. Ist es allgemein überhaupt möglich, in der Schweiz Rockstar zu sein? Denn Popstars gibt es eigentlich ge- nug, aber Rockstars? Martae: Um ein bisschen provokativ zu antworten würde ich nein sagen. Der Markt und das Interesse sind zu klein. Wenn man zum Beispiel Bands wie Favez anschaut: sie kommen auf der ganzen Welt rum und haben doch einen internationalen Ruf, aber in der Schweiz verkaufen sie fast keine Platten. Sie haben zwar eine lokale Fangemeinde und genug Publikum an ihren Konzerten, aber sie sind noch weit entfernt davon, schweizer Rockstars zu sein. Beni: Meiner Meinung nach könnte man schon zum schweizer Rockstar werden, wie damals Krokus. Es müsste einfach ein Hype entstehen. Wie zum Beispiel der Schwedenhype mit «The Hives» oder «Mando Diao». Ich kann aber auch nicht erklären, warum es in der Schweiz keine solchen Hypes gibt. Dass eine schweizer Band es international schaffen könnte, glaube ich. Aber in der Schweiz selber… Zu den Texten auf «Neige & Soleil»: «cheaters.com», was stimmt da? Martae: (lacht) Alles. Ich weiss nicht, ob ich das jetzt sagen soll, das ist politisch wohl nicht so korrekt. «cheaters.com» kommt aus einer persönlichen Erfahrung. Ich habe mal in einem Restaurant gearbeitet und dort eine prominente politische Persönlichkeit aus Luzern gesehen. Diese Person war in Begleitung einer deutlich jüngeren Dame. Dann kam mir eben der Songtext mit dem «cheater» in den Sinn. Noch zu «No Other Place». Ich nehme an, der Song handelt von Luzern? Martae: Falsch. Prinzipiell geht es eigentlich schon um Luzern, weil ich in dieser Stadt aufgewachsen bin. Generell ist es aber eine Hommage an die Stadt. Ich liebe Städte allgemein, auch Basel, wo ich jetzt wohne. Falsche Annahme von mir also. Trotzdem: Wie viel gibt euch Luzern als «Indiestadt» musikalisch? Beni: Das coolste an Luzern ist, dass wir ein Radio haben, welches junge Bands fördert. Ich glaube auch, dass viele Bands wegen Radio 3fach überhaupt anfangen, Musik zu machen. Bei uns war das jetzt nicht so, weil wir schon als Kinder zusammen gespielt haben. Aber andere Bands denken sich «In einem halben Jahr werden wir schon im Radio gespielt» und machen deshalb motiviert Musik. Ausserdem gibt es in Luzern verhältnismässig viele Bühnen, die regionale Bands fördern. Ein letztes Wort? Martae: Stitch. Beni: Stitch. Und eben, Pendelton spielt an unserer Plattentaufe… Plattentaufe «Neige & Soleil»: 18. Februar in der Schüür, Luzern Infos: www.neviss.ch c a r t o o n 27 KLAUS BONANOMI VON MENSCHEN UND MEDIEN Was hat Ernst Jandl mit Media-Markt zu tun? ■ Der österreichische Dada-Dichter und Meister des höheren Blödsinns hat vor einigen Wochen die Texter von Bund und Berner Zeitung zu ungewöhnlicher formaler Kreativität inspiriert: François Hollande zittert. Verliert er die interne EU- schla- wird jedoch die Ergen. wartung geäus- verzichtet. sert, dass der Abstimmung, Iran künftig ist seine Au- permanent torität in auf Uran- der Par- anrei- tei an- che- ge- rung Das grosse, knallrote, dreieckförmige Inserat eines genannt sein wollenden Discounthauses, machte sich vor einigen Wochen auf einer Doppelseite im Bund und in der Berner Zeitung breit; die Folge war, dass die darum herum drapierten redaktionellen Texte wie unfreiwillige Parodien eines Jandl-Poems aussahen. «Solcherlei ist derart hässlich, dass es wahrscheinlich sogar den Inserenten stört; jedenfalls hast Du mir seither kein Pyramiden-Pano mehr ins Blatt gedrückt,», sagt der Chefredaktor zum Verlagsleiter. «Hoffentlich verschwindet diese unsägliche Werbeform so plötzlich wieder, wie sie aufgetaucht ist!» - «Hoffentlich nicht», kontert der Verlagsleiter: «42‘496 Franken kostet ein solches Pyramiden-Pano auf einer Doppelseite im Bund und in der BZ, zuzüglich MWST, abzüglich Mengenrabatt, das ist viel Geld! Geld, das wir dringend nötig haben... sonst musst Du, lieber Chefredaktor, eine weitere Sparrunde auf Deiner Redaktion einläuten!» Und der Verlagsleiter hält dem Chefredaktor die neuste Inseratestatistik unter die Nase: «Da, sieh selber – die Jahresbilanz von Media-Focus: 1,7 % weniger Inserate als im Vorjahr, welches auch schon ein schlechtes war. – Immerhin, ich kann Dich etwas beruhigen: Auf dem Platz Bern siehts besser aus; dank unserer verlegerischen Kooperation von Bund und BZ konnten die beiden Zeitungen ihre Inseratevolumen erhöhen.» Der Dialog ist fiktiv, die Realität dahinter sieht tatsächlich so aus: Um heute auf einen grünen Zweig zu kommen, muss man auch rote Pyramiden-Panos im Angebot haben und den Werbeauftraggebern, die bei der mageren Marktlage am längeren Hebel sitzen, immer mehr entgegenkommen. Ein Blick in den aktuellen Angebotskatalog der BZ zeigt dabei, dass der Phantasie der Inserate-Platzierer keine Grenzen gesetzt sind: Da gibts etwa den «Monolithen», ein Inserat, das sich über eine, zwei oder drei ganze Zeitungsspalten hochzieht; es gibt halb- und viertelkreisförmige und sogar ganz kreisrunde Inserate; das «Quadralit-Pano», das den ganzen Rand rund um eine Doppelseite herum belegt; den «Front-Kopfstreifen» auf der Titelseite direkt unter dem grossen Schriftzug der «Berner Zeitung», oder das «Bogenanzeigen-Pano», einen Kreisbogen, der sich unter dem Text auf einer Doppelseite hinzieht. Doch solcher Scheusslichkeiten nicht genug – es fallen weitere Tabus; im Tessin hat eine Tageszeitung erstmals die ganze Frontseite für ein Inserat zur Verfügung gestellt, und die BZ hat in jüngster Zeit verschiedentlich die ganze Seite 3 für ganzseitige Inserate freigegeben. Bisher galt, dass die rechtsliegenden Seiten, die beim Blättern in der Zeitung zuerst ins Auge springen und die deshalb «wertvoller» sind, dem redaktionellen Text gehören und dass die Inserate links zu stehen kommen. Mit vereinten Kräften sägen Zeitungen und Werbeauftraggeber an dem Ast, auf dem sie selber sitzen: Wenn die Werbung so offensichtlich wichtiger ist als der redaktionelle Text, wenn die Kunst des Zeitungsmachens nur noch darin besteht, die Leerräume neben den Inseraten irgendwie aufzufüllen, warum sollte dann jemand noch für ein BZ-Jahresabo 339 Franken bezahlen? Wir kaufen die Zeitung doch nicht wegen der Inserate, sondern wegen der redaktionellen Inhalte... Natürlich ist es noch ein weiter Unterschied zu den reinen Gratisblättchen à la «Berner Bär» oder «20 Minuten»; und natürlich ist es jetzt bereits so, dass die Inserenten weit mehr als die Leserinnen und Leser an die Kosten einer Zeitung beitragen: Doch das höchste Gut, die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit, wird ernstlich gefährdet, wenn die Zeitungen dem Druck der Werbeauftraggeber immer mehr nachgeben. Letztlich ist dies nicht im Interesse der Werbeauftraggeber, die mit ihren Inseraten in der unabhängigen und ernst zu nehmenden «Qualitätspresse» doch gerade ein Umfeld suchen, das sich vom Billig-Image des Gratisblättchens unterscheidet. Doch diese Botschaft ist bei den Inserenten noch nicht angekommen: Eine Umfrage des Westschweizer Verlegerverbandes ergab Mitte Januar, dass die Werbeauftraggeber von den Zeitungsverlegern «mehr Flexibilität» und fordern und «die Bereitschaft, über Preise zu verhandeln.» 28 K I N O S / F I L M DETLEF VÖGELI FAMILIENFEST IN SOLOTHURN Publikumstauglich? «Verflixt verliebt» von Peter Luisi, nominiert für den Schweizer Filmpreis 2005. ■ Voraussichtlich werden auch an den 40. Solothurner Filmtagen Unmengen an Bildern über die Leinwände flimmern, die eigentlich niemand sehen will. Vorurteile und Recherchen eines cinéphilen Laien über das einheimische Filmschaffen. «Wie kein anderes künstlerisches Medium ist der zeitgenössische Film immer auch Spiegel gesellschaftlicher Befindlichkeit», so steht es auf der Internetseite der Solothurner Filmtage geschrieben. Ein Blick auf den in der Regel erfolglosen Schweizer Film zeigt: Das Schweizer Volk sieht offenbar nur ungern und daher höchst selten in den Spiegel. Von den zehn im letzten Jahr für den Schweizer Filmpreis nominierten Filme konnten nur gerade deren zwei ein ansprechendes Kinopublikum mobilisieren: Achtung, fertig, Charlie mit 560'336 und der Dokumentarfilm Mais im Bundeshaus mit 104'432 Eintritten. Elisabeth Kübler Ross erreichte immerhin noch die für einen Dokumentarfilm stattliche Zahl von 67'518 Eintritten. Ferner liefen im Wettbewerb: Mein Name ist Bach (22'287 Eintritte), Au Sud des Nuages (18’933), Skinhead Attitude (10’876), Little Girl Blue (9’528), Viaggio à Mister Bianco (3’174), Mission en Enfer (2’633), Des Epaules Solides (636). Auch im Vorjahr präsentiert sich der Publikumszuspruch kaum erbaulicher: 2003 wurden mit On dirait le sud und Hirtenreise ins dritte Jahrtausend ebenfalls zwei Werke mit bescheidenem Publikumszuspruch ausgezeichnet. Natürlich führt uns gerade Achtung fertig Charlie vor Augen, (nach Schweizermacher die erfolgreichste Schweizer Produktion aller Zeiten): Nicht alles was gefällt, muss aus cinéphiler Warte auch gut sein. Gut war da sicher weniger die filmische Leistung, als das Marketing mit der prominent schönen Melanie Winiger und der cervelatprominenten Mia Aegerter als Darstellerinnen. Nur: Der Umkehrschluss, wonach gut ist, was niemand sehen will, klingt auch wenig glaubwürdig. Der dürftige Publikumszuspruch bei den für den Schweizer Filmpreis nominierten Produktionen legt die Vermutung nahe: selbst die besten Schweizer Filme will kaum jemand sehen. Stimmt auch aus kultureller Sicht irgendwie nachdenklich, falls Kulturgut Allgemeingut sein soll. Und wirft Fragen auf. Warum wollen SchweizerInnen keine Schweizer Filme sehen? Sind wir Eidgenossen ein Volk von Banausen? Oder aber ist die Filmbranche ein elitäres Grüppchen von selbstverliebten Autisten? Filmbehinderungsanstalt Kulturminister Couchepin bezichtigte die Filmbranche in seiner Rede anlässlich des Festivals in Locarno der «copinage». Damit löste er eine Grundsatzdebatte über Sinn und Unsinn von Fördermassnahmen aus. Die Medien schlachteten genüsslich aus, was zu schlachten war. Filmschaffende spielten sich gegenseitig Subventionen zu, echote es durch den Blätterwald. Filetstück mit Symbolcharakter für die Ver- Bild: zVg. filzung war dabei die Geschichte um die Entstehung des mit dem Swiss Award ausgezeichneten Films Mein Name ist Bach. Die Westschweizerin Dominique de Rivaz soll im Jahr 2000 mit ihrer Projekteingabe zum Kinoflop vor den Gremien vorerst abgeblitzt sein. Die damalige Kulturministerin Ruth Dreifuss, die mit de Rivaz persönlich bekannt war, soll daraufhin ein Machtwort gesprochen haben. Und siehe da: De Rivaz erhielt die maximale Hilfe von 500`000 Franken. Der Filmkredit war bis auf weiteres ausgeschöpft, andere Projekte wurden auf Eis gelegt. Die Branche selbst begann zu meutern. Im Zentrum der Kritik: Marc Wehrlin, Leiter der Sektion Film des Bundesamtes für Kultur. So monierte etwa Produzentin Ruth Waldburger, die Sektion Film sei unter Wehrlins Führung zur «Filmbehinderungsanstalt» verkommen. Und überhaupt: Die Fördergelder seien zu knapp bemessen, schrie die Filmfraktion. Angesichts der Tatsache, dass eine durchschnittliche Schweizer Produktion zwei bis drei Millionen Franken kostet, erscheint der jährliche Beitrag des Bundes von 13 Millionen in der Tat erbärmlich. Doch sind die beschränkten finanziellen Mittel wirklich einzig Grund für die teils lausigen einheimischen Produktionen? Wenn interessiert’s? Ivo Kummer, Festivaldirektor der Solothurner Filmtage, sieht die Situation des Schweizer Filmschaffens nicht ganz so drastisch. Das mag kaum verwundern, ist Kummer doch nicht nur seit 20 Jahren Direktor des Festivals, sondern dazu Filmproduzent und Einsitzender im Stiftungsrat von Swiss Films. Kummer ist also mittendrin in der Familie der Schweizer Filmschaffenden; die Solothurner Filmtage sind sein Kind. Wer zieht schon in aller Öffentlichkeit lauthals über seine Familie her? Nicht, dass Kummer der sentimentalen Lobhudelei verfallen wäre, nein, natürlich sei längst nicht alles gut, was produziert werde. Dazu fehlten auch die Mittel, der Markt sei zu klein, der Sprachenpluralismus hinderlich. Und das kleine Dänemark? Warum sind dänische Filme erfolgreicher? – «Die haben mehr staatliche Mittel zu Verfügung und einen grösseren, homogenen Markt.» – Aber gerade die dänische Dogma-Bewegung zeigte doch: Gute Ideen kann man nicht kaufen. – «Natürlich braucht es auch gute Geschichten und starke Drehbücher.» – Und wie sieht diesbezüglich die Qualität an den aktuellen Filmtagen in Solothurn aus? – «Das ist schwierig zu beurteilen. Natürlich genügt nicht alles, was in Solothurn gezeigt wird, höchsten Ansprüchen. Aber das will Solothurn auch gar nicht. Solothurn hat eine andere Ausrichtung, will nicht ‚Schaufenster der Schweiz’ sein, sondern ‚Spiegel einer Jahresproduktion’.» – Und wie sieht der Spiegel der Jahresproduktion 2004 aus? – «In diesem Jahr zeigen wir 77 Spielfilme und 77 Dokumentarfilme. Dabei sind in der Schweiz gedrehte Produktionen selten, da viele Filmemacher im Ausland tätig sind, weil die Produktionsverhältnisse dort besser sind. Erfreulich ist die wachsende Zahl an Spielfilmen.» – Warum lohnt es sich trotzdem, die Solothurner Filmtage zu besuchen? – «Weil man zum einen Filme sieht, die man sonst nicht sehen kann. Auch Begegnungen sind wichtig, mit Leuten aus allen Generationen; man hat die Möglichkeit, über Filme zu sprechen und mit Filmschaffenden in Kontakt zu treten.» Aber Mal ehrlich: Wen interessiert’s? Ausser die Verwandten und Bekannten des Schweizer Films und deren medienschaffende Patenschaft? Wer sonst, ausser der Sippschaft pilgert an die beschauliche Messe für einheimische Kleinstkunst? «52% der Besucher kommen aus privatem Interesse», weiss Kummer aus einer Publikumsbefragung vom letzten Jahr, und relativiert damit die These vom Familienfest. Immerhin. Filmische Selbstbefriedigung Dies ändert jedoch nichts an der allgemeinen Geringschätzung des Schweizer Films. Und nur die Produktionsbedingungen und das Publikum für die Misere verantwortlich zu machen, ist zu einfach. Umso mehr, als mir schon oft genug das Gefühl gegeben wurde, mich in eine Vorführung eines professionell aufgemachten Familienfilms verirrt zu haben. Im besten Fall mag mich dann die filmische Selbstbefriedigung aufregen – falls ich nicht von dem auf Leinwand geträufelten Schlummertrunk ermattet wegdöse. (Schweizer) Film verkommt zum Selbstzweck. Aktuellstes Beispiel dafür: Promised Land von Michael Beltrami, der einzige Schweizer Streifen, der in Locarno im internationalen Wettbewerb lief. Ein mit einer Handkamera bewaffneter Protagonist sucht in unerträglicher Länge seine Identität – und findet sie nie. Das Gute liegt oft näher als man glaubt. Dänemark hat es vorgemacht. Trotz allem. Zuversicht scheint angebracht: Die 1997 ins Leben gerufene erfolgsabhängige Filmförderung Succes Cinema zeitigt Wirkung. Wie eine Studie belegt: «In der Branche wächst das Bewusstsein, dass ein Film vor allem auch für das Publikum gemacht wird.» Quellen: www.procinema.ch; www.kultur-schweiz. admin.ch/film/; www.solothurnerfilmtage.ch; www.success-cinema.ch; www.swissfilms.ch DETLEF VÖGELI K I N O S / F I L M 29 «FILM IST AUCH EINE KUNST» ■ Der 27-jährige Berner Moritz Gerber hat mit seinem Kurzfilm «Tiger erdolchen» den kantonalen Nachwuchsförderpreis gewonnen. Protokollfetzen eines zweistündigen Gesprächs über Filz, Film und Kunst. Film und Filz: «Jede Industrie besteht aus Menschen. Wie kriegst du deine Wohnung? Wo deinen Job? Es menschelt überall. Es ist scheinheilig, wenn man mit dem Finger auf die Filmindustrie zeigt. Das Zürcher Opernhaus wird beispielsweise jährlich mit einem vergleichbaren Betrag finanziert, wie Schweizer Filme gefördert werden.» Film und Politik: «Mit meinen Filmen möchte ich meinen Teil zum Tagebuch der Gesellschaft beitragen.(…) Mit Politik und Film, halte ich es wie Woody Allen, der auf die Frage warum er keinen Film zu 9/11 mache meinte: ‚Politik ist mir zu banal.’ (…)» «’Was sind Dschingis-Khans grosse Reisen im Vergleich zu meinen nächtlichen Ausflügen auf die Toilette?’, ist einer meiner Leitsprüche. Es wird viel zu wenig gezeigt, wie reich normales Dasein sein kann. Wenn es einem zerreisst vor Schmerz oder wenn man im anderen Moment platzt vor Freude. Weil es viel schwieriger ist, diese Momente auf der Leinwand festzuhalten. Es ist einfacher, wenn bereits in der ersten Szene jemand eine Pistole zieht und schiesst. Da ist die Spannung schon da. (…)» «Manche Kollegen zieht es ins Ausland, sie finden hier in der Schweiz kann man nichts machen. Ich sehe das anders. Für mich ist meine Heimat der Humus auf dem meine Geschichten wachsen. Der einzige Ort, wo ich gescheites Zeugs zu erzählen weiss, ist in der Schweiz, darum hatte ich auch gar nie den Drang meinen Film in der Weltgeschichte rumzuschicken.» «Tiger erdolchen» Der Name: «Der Titel ‚Tiger erdolchen’, stammt aus einem spätabendlichen Gespräch mit einem Kollegen. Wir waren betrunken. Ich ärgere mich heute noch, dass ich den genauen Wortlaut dieses Dialoges nie wieder gefunden habe. Seither notiere ich mir oft Dialoge auf dem Handy. Denn, so platt es klingen mag, so gute Dialoge wie das Leben schreibt niemand. Überhaupt habe ich eine Obsession, Dinge festzuhalten: Situationen, Emotionen, Dialoge. Ich schreibe auch Tagebuch, im Sinne eines meteorologischen Berichts über die seelische Grosswetterlage. Warum ich dann Filme mache und nicht schreibe? Habe ich mich auch schon gefragt. Weil es ein geiles Gefühl ist, mit Schauspielern zu arbeiten, die deinen Texten Leben einhauchen können. Ja, vielleicht ist es das Lebendigwerden der Sprache, der den Übergang von schwarz-weiss zu farbig ermöglicht. (…)» Drehort Bern: «Klar war immer: Mein Film wird eine Alltagsgeschichte, sie spielt in Bern und gesprochen wird berndeutsch. Am Anfang von ‚Tiger erdolchen’ war ein Dialog, den ich eines Abends am Lagerfeuer aufgeschnappt hatte. Ich wusste sofort: Dieser Dialog muss in meinen Film. Drum herum habe ich dann meinen Film gebaut. Erstaunlicherweise war genau jener Lagerfeuerdialog die erste Szene die aus meinen Film rausfiel. Kill your darling. (…)» Reaktionen: «Am Festival in Locarno erlebte ich die beste Reaktion. Normalerweise herrscht nach dem Filmabspann vorerst Stille, bis ein einsames Klatschen die peinliche Ruhe durchbricht, und die anderen mitreisst. Bei der Vorführung meines Films war es anders. Kaum wurde die Leinwand schwarz, brach tosender Applaus los. Einerseits war es natürlich Ausdruck über die Freude an meinem Films, andererseits spürte ich aber auch die Verachtung gegenüber den anderen Kurzfilmen. Ich glaube so eine Reaktion wird es auf diesen Film nicht wieder geben.» Auszeichnungen: «Viele Entscheide an Festivals und Preisverleihungen sind für mich nicht nachvollziehbar. So auch bei der diesjährigen Nomination zum Wettbewerb des besten Schweizer Films. Viele dieser Filme sind nicht auf Augenhöhe. Nach meinem Geschmack wird zu viel Wert auf technische Fähigkeiten gelegt.» «Filmpreise bedeuten für mich in erster Linie finanzielle Unterstützung. Es ist hart sich in der Filmindustrie sein Brot zu verdienen. So ein Preis verschafft finanzielle Erleichterung. Grundsätzlich finde ich Auszeichnungen und Preisverleihungen aber widerlich. Klar, es scheint irgendwie menschlich, den Besten küren zu wollen und Preise zu vergeben. Ich kann dies sogar irgendwie nachvollziehen, wie sich Leute beispielsweise für die Oskarverleihung begeistern können. Doch mein Ding ist es nicht wirklich.» Film und Kunst «Sigfried Kracauer hat es auf den Punkt gebracht. ‚Film ist auch eine Kunst’. Aber eben nicht nur. Das Produkt verkaufen und verwerten gehört genau so dazu. (…)» «Die Grundsatzfrage bleibt: Ist Film eine Industrie oder eine Kunst? Der aktuelle Film Alexander ist Marketing pur. (…)» «Effizienz ist sicher nicht das wichtigste Kriterium bei Kunst. Also schreib ja nicht, es sollte keinen Subventionen geben. Denn ohne Subventionen gäbe es keinen Schweizer Film.» Moritz Gerber hat mit dem Diplomfilm «Tiger erdolchen» die Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich im Studienbereich Film/Video abgeschlossen. Sein Film erhielt folgende Auszeichnungen: Kantonalen Nachwuchförderpreis Bern 2004; Bester Kurzfilm Winterthur 2004. MILLION DOLLAR BABY Tough ain’t enough – Hart sein reicht nicht! ■ Clint Eastwoods Film «Million Dollar Baby» ist nicht wirklich eine Geschichte über das Boxen. Es geht um Frankie Dunn (Clint Eastwood), der die Beziehung zu seiner eigenen Tochter verloren hat und in Maggie Fitzgerald (Hilary Swank) einen Ersatz findet. Deren grösster Wunsch ist es, sich einen Platz in der Welt der Profi-Boxer zu erobern und aus einem Leben ohne Perspektiven auszubrechen. Es ist eine Liebesgeschichte, keine romantische, sondern die zwischen Vater und Tochter. Sie handelt vor dem Hintergrund eines schäbigen Trainingszentrums und eines physisch wie psychologisch anspruchsvollen Bild: zVg. Sports. Es ist ein Film der düsteren Hoffnungslosigkeit und dem Hunger nach Leben. Es geht wie beim Boxen selbst um Respekt und nicht um Gewalt. Respekt vor sich selbst und dem Gegner und darum, was es braucht, um über sich selbst hinaus zu wachsen. Es geht nicht um eine glanzvolle Boxerkarriere, sondern um ein feinfühliges Porträt von Menschen, welche um einen Rest Würde kämpfen. Um Menschen, die sonst nichts zu verlieren haben. Es geht um die Überwindung von Hindernissen und um Loyalität. Der Film reisst mit und fast meint man, die Schläge in den eigenen Muskeln und Knochen zu spüren. Das harte Training ist ein Aspekt des Films. Wer sich selbst einmal darauf eingelassen hat weiss, dass man sich diesem faszinierenden Sport kaum mehr entziehen kann. Doch der Moment, wirklich in einen Kampf zu gehen und sich dem Risiko auszusetzen verletzt zu werden, erfordert noch mal eine andere Form der Kompromisslosigkeit. Clint Eastwoods Charakter trichtert denn auch allen seinen Zöglingen ein, sich in erster Linie immer selbst zu schützen. Doch genau dies ist nicht möglich bei diesem Sport und führt schlussendlich zur grossen und überraschenden Wendung im Verlauf dieser Geschichte. Nach langem Zögern erst erklärt sich Frankie bereit, Maggie zu trainieren und das Team steigt konsequent in der Hierarchie des Boxens auf. Einen Moment glaubt man sogar, dass der Film gut ausgehen würde, doch während eines entscheidenden Kampfes wird Maggie schwer verletzt. Frankie sieht sich plötzlich mit der Frage konfrontiert, wie weit ein Mensch aus Liebe zu gehen vermag und selten wird der Wunsch nach einem Happyend so endgültig demontiert. Der Film ist eine Perle und wühlt auf. Clint Eastwood beweist einmal mehr seine Begabung für die ruhigen Töne und wie Momente voller Pathos auch ohne Schmalz erzählt werden können. Neben Clint Eastwoods Darstellung beeindruckt auch Hilary Swank, welche sich gänzlich ihrem Charakter unterwirft und den Zuschauer beinahe schmerzhaft nahe an sich herankommen lässt. Bemerkenswert ist auch, dass sie ihre Rolle ohne Double spielte und sämtliche Kämpfe selbst geführt hat. Diese Ehrlichkeit ist dem Film anzusehen. Nicht zu vergessen ist Morgan Freeman in seiner Rolle als Scrap. Er spielt den langjährigen Weggefährten und Freund von Frankie der alles zusammenhält und als weiser Einflüsterer dem Schicksal und der Geschichte jeweils einen leichten Schubs gibt. Das ist Kino, nicht Hollywood, vom Feinsten! (sw) «Million Dollar Baby» kommt am 24. Feburar 2005 in die Kinos und dauert kurzweilige 132 Minuten 30 W W W . B E R N E R K I N O S . C H www.cinematte.ch / Telefon 031 312 4546 www.kellerkino.ch / Telefon 031 311 38 05 www.kinokunstmuseum.ch / Telefon 031 328 09 99 Altmeister Hitchcock Whisky Russland – wohin Wir führen unseren Zyklus über den Altmeister des Suspense, den Vater des Thrills und das Vorbild unzähliger Filmregisseure, Alfred Hitchcock, im Februar mit folgenden Filmen fort: «Rear Window» in einer restaurierten Fassung, «North By Northwest», «To Catch A Thief», «The Trouble With Harry» und «Vertigo». Umwerfend skurrile Filmperle aus Uruguay Stoll & Rebella/Pablo & Juan Pablo, Uruguay 2004, 94’, Spanisch/d/f Der 60-jährige Jacobo, Inhaber einer heruntergekommenen Sockenfabrik in Montevideo, lebt seit dem Tod seiner Mutter alleine. Marta (48) ist für ihn viel mehr als nur eine qualifizierte Angestellte, sie ist praktisch seine rechte Hand. Über die Jahre hinweg entstand zwischen den beiden eine gewisse Abhängigkeit. Als sein jüngerer Bruder Herman seinen Besuch ankündigt, gibt Jacobo Marta als seine Ehefrau aus, um mit seinem jüngeren Bruder gleichzuziehen. Denn Herman leitet in Brasilien eine gut gehende Strumpffabrik und hat Frau und Kinder. Marta sieht Jacobos Bitte sich als seine Ehefrau auszugeben als Beweis dafür, dass sie mehr ist, als nur seine Angestellte. Herman lädt Jacobo und Marta zu einem Ausflug ans Meer ein. Dabei verändert sich die Beziehung zwischen den dreien. (Ab 3.2.2005) Mit vier Spielfilmen und zwei dokumentarischen Essays bietet das Kino Kunstmuseum ein filmisches Rahmenprogramm zur gleichnamigen Veranstaltungsreihe der Schweizerischen Osteuropabibliothek und des Polit-Forums des Bundes im Käfigturm. Die Geschichte von «The return» von Andrej Zvjagintsev kann als neobiblisches Gleichnis über das Schicksal Russlands verstanden werden. Der Film gewann 2003 in Venedig den Goldenen Löwen. Auf jeweils sehr poetische Art beschreiben auch die beiden Dokumentarfilme «Heute bauen wir ein Haus» und «Landschaft» von Sergej Loznica die Situation des Landes. Im einen Film verlaufen die Bauarbeiten an einem Haus schier endlos, im andern wird eine Bushaltestelle zum zentralen Ort des Geschehens. «Die Wahrheit über Schelps» von Aleksej Muradov ist eine bissige Komödie über die heutige Generation der 40-jährigen, die durch die Reformmühle der Perestrojka gegangen sind. Schelps ist die Bezeichnung für eine Art von Trollen, die in Sibirien beheimatet sein soll. Weiter zu sehen sind: «Langer Abschied» von Sergei Ursuljak und «Oligarch - un nouveau Russe» von Pavel Lungin. El Otro Lado Del Alma Kuba liegt im Trend - Salsa-Kurse, kubanische Nächte, spirituelle Kulte haben in Europa Hochkonjunktur. Die Ausstellung «El Otro Lado Del Alma» im Kornhausforum vereint erstmals zeitgenössische Konzeptkunst und die dokumentarische Tradition der kubanischen Fotografie mit ihrem Bezug zu den afrokubanischen Religionen. Die Ausstellung ist erstmals in Europa zu sehen. Als Rahmenprogramm zeigt die Cinématte einen vielseitigen Zyklus mit folgenden Kubafilmen: «La Muerte De Un Burocrata», «Hello Hemingway», «Soy Cuba», «Guantanamera», «Cuba Feliz», «Lista De Espera» und «Suite Habana». Siehe auch www.kornhausforum.ch. Kunststück Behinderung Vom 17. bis 21. Februar 2005 präsentiert der Verein BewegGrund ein kleines Festival unter dem Titel «Kunststück Behinderung». Mit dieser Zusammenarbeit verlässt der Verein BewegGrund sein angestammtes Gebiet - den integrativen Tanz - für einmal. Ziel ist es, mit der Filmreihe ein breites Publikum anzusprechen und auf die Thematik «Kunst und Behinderung» aufmerksam zu machen. Wir verfolgen keine didaktische Absicht, hoffen aber, Diskussionen auszulösen und zum Nachdenken über behinderte KünstlerInnen anzuregen. Im Anschluss an die Filmvorführungen besteht die Möglichkeit zur Diskussion mit Mitgliedern des Vereins BewegGrund, zum Teil unterstützt von FilmkritikerInnen. Folgende Titel werden gezeigt: «Idioten», «Gattaca», «Stuck On You», «Nationale 7», «Halleluja! Der Herr ist verrückt», «Frida», «Miffo», «The Elephant Man» sowie ein Kurzfilmprogramm. Siehe auch www.beweggrund.org Walk on water Starkes israelisches Kino von Eytan Fox («Jossi & Yagger») Eytan Fox, Israel 2004, 104’, OV/d/f Pia lebt mit ihrem Freund in einem Kibbuz in Israel. Ihr Bruder Axel unterrichtet in Berlin ausländische Kinder. Die beiden sind die Enkel eines Naziverbrechers, den der israelische Geheimdienst immer noch nicht aufspüren konnte. Eyal gehört zum Mossad. Seine Eltern haben den Holocaust überlebt. Der smarte Geheimagent bekommt den Auftrag, den Grossvater von Pia und Axel aufzuspüren. Als Axel seine Schwester in Israel besucht, wird Eyal ihr Reiseführer. Dabei tritt die Gegensätzlichkeit zwischen Axel, der seine Homosexualität offen lebt, und Eyal, einem Bilderbuch-Geheimagenten, offen zutage. Kaum ist Axel wieder zurück nach Deutschland gereist, bekommt der Mossad Hinweise, dass der Großvater von Axel und Pia noch lebt. Er wird als Gast bei der Geburtstagsfeier ihres Vaters erwartet und Eyal bekommt den Auftrag, ihn zur Strecke zu bringen. Er reist nach Berlin und besucht Axel. Hier wird der kaltblütige Agent nicht nur mit den Abgründen einer deutschen Familiengeschichte konfrontiert, sondern er muss ein paar Wahrheiten über sich selbst entdecken. (Ab 24.2.2005) Kunst und Film: Fred Kelemen «Unter den deutschen Filmregisseuren der Gegenwart ist Fred Kelemen bei den Cineasten der Welt der Bekannteste. In Deutschland kennt man ihn kaum.» Diese Aussage trifft auch für die Schweiz zu, wo seine Filme bis anhin kaum zu sehen sind. Dabei finden die sperrigen, visuell und erzähltechnisch aussergewöhnlichen Filme seines bislang schmalen Werks auf der ganzen Welt höchste Anerkennung. Gezeigt werden: «Verhängnis» (1994), «Frost» (1997) und «Abendland» (1999). Restaurierte Filmperlen aus der Schweiz Seit über 100 Jahren werden in der Schweiz Filme gedreht. Dank dem Schweizer Filmarchiv in Lausanne und Memoriav können diese audiovisuellen Kulturgüter der Nachwelt erhalten bleiben. Zu sehen sind: «Menschen, die vorüberziehen» (1941/42, Max Haufler), «La vocation d’André Carel» (Stummfilm von 1925, Jean Choux), «Der doppelte Matthias und seine Töchter» (1941, Sigfrit Steiner, Emile Edwin Reinert) und «La Salamandre» (1971, Alain Tanner). F ü r d a s Ta g e s p r o g r a m m d i e Ta g e s z e i t u n g o d e r d a s I n t e r n e t K I NO i n d e r R e i t s c h u l e www.reitschule.ch / Telefon 031 306 69 69 31 LICHTSPIEL www.lichtspiel.ch / Telefon 031 381 15 05 www.pasquart.ch / Telefon 031 322 322 71 01 Die Gleichzeitigkeit im Anderswo Das Geheimnis der Frösche Películas de España Eine Naturkatastrophe stimmt uns nachdenklich und führt uns die Endlichkeit des da Seins vor Augen. Gleichzeitig können solche Schocks die Wahrnehmung des Anderswo stärken. Eine kleine Filmreihe, die das Kino in der Reitschule und trigon-film zusammengestellt haben, möchte dazu einen Beitrag leisten, mit vier Filmen aus betroffenen Gebieten und von anderswo. Alles ist relativ. 350 Millionen Dollar hat die US-Regierung nach einigem Zögern für Soforthilfe in den Tsunami-Gebieten gesprochen. Das klingt grosszügig, entspricht aber andererseits nur der Summe, die dieselbe Regierung alle eineinhalb Tage im Irak in einem von ihr angezettelten Krieg ausgibt, und dies seit bald zwei Jahren. Warum, fragt man sich angesichts solcher Relationen, werden die Mittel nicht grundsätzlich sinnvoll ausgegeben und aufbauend. In «Das Geheimnis der Frösche» von Jacques-Rémy Girerd (1.2.) kommen die Frösche zu einer erschreckenden Prognose: eine erneute Sintflut steht bevor. In ihrer Not sehen sie keinen andern Ausweg, als mit den Menschen zu sprechen und sie vor der bevorstehenden vierzigtägigen Regendauer zu warnen. In einer Art schwimmenden Scheune sind die verschiedenen Arten gefordert, Toleranz und Verständnis für ihre Mitbewohner aufzubringen. Der erste abendfüllende Spielfilm des französischen Trickfilmers Jacques-Rémi Girerd aus den Folimage Trickfilmstudios schafft es mit viel Charme, den biblischen Mythos mit witzigen Charakteren und in aussergewöhnlichen Bildern darzustellen und so zu einem einmaligen Kinobesuch für die ganze Familie zu machen. Vom 28.01.–28.02. weht ein mediterraner Wind durchs FILMPODIUM BIEL: zehn neue und neuste Filme aus Spanien beherrschen während fünf Wochen die Leinwand. Publikumserfolge wie «La mala educación», der letzte Film von Almodóvar oder «Los lunes al sol», der 2003 fünf Goyas gewonnen hat, treffen auf insgesamt vier Bieler Filmpremieren: «Sin noticias de Dios» ist eine Komödie mit hochkarätiger Besetzung: Penelope Cruz, Victoria Abril, Fanny Ardant und Jungstar Gael Garcia Bernal kämpfen als Himmels- bzw. Höllenboten um Gut & Böse. «Cachorro» wagt sich an das Thema von schwulen Vätern. «El otro lado de la cama», verfolgt zwei unterschiedliche Paare, deren Wege sich öfters kreuzen, als den Personen lieb ist. «El Bola» schliesslich, 2001 in Spanien mit dem Goya ausgezeichnet, greift ein Thema auf, das zu den aktuellsten im spanischen Kino gehört: der Film von Achero Mañas dreht sich um Gewalt in der Familie. Die jähzornigen Ausbrüche seines Vaters haben Pellet zu einem Einzelgänger gemacht und nur langsam freundet er sich mit einem neuen Mitschüler an, der ihn in seine Familie mitnimmt und ihm so ein neues Zuhause bietet. Auch «Solas» und «Te doy mis ojos» erzählen Geschichten, die sich um Gewalt im Privaten drehen: In «Solas» sucht die Tochter der Familie einen Weg ausserhalb der familiären Spannungen. Im Film von Icíar Bollaín, von der ebenfalls «Flores de otro mundo» zu sehen ist, ist es eine Mutter und Hausfrau, welche von ihrem brutalen Ehemann fliehen muss. Gleichzeitig zum spanischen Filmprogramm zeigen das CentrePasquArt und das Photoforum Werke von zeitgenössischen spanischen KünstlerInnen. Damit die BesucherInnen das spanische Ambiente voll und ganz geniessen können, bieten das Kunsthaus und das Filmpodium ein Kombiticket à 18.- an (1 Eintritt CentrePasquArt und 1 Eintritt Filmpodium). Weiterer Programmschwerpunkt sind zwei Filme aus der Reihe cinéart: ein Porträt des südafrikanischen Künstlers William Kentridge und der Film von Peter Schamoni über Niki de Saint Phalle. Amarcord Do-Fr: 3./4.2. je 21.00h: «Piravi», Shaji N.Karun, Indien, Kerala 1988, 110’, Malayalam/d/f Sa: 5.2. + Do, 10.2. je 21.00h: «A Peck on the Cheek», Mani Ratnam, Indien 2002, 135’, Tamile/Sinhala/d/f Fr/Sa 11./12.2. je 21.00h: «Neak srê», Rithy Pahn, Kambodscha 1994, 125’, Kambodschanisch/d/f Do 17.2. 21.00h: «Elsewhere» Teil 1 Nikolaus Geyrhalter, Oesterreich 2002, 120’, OV/d/f, Fr 18.2. 21.00h: «Elsewhere» Teil 2 Nikolaus Geyrhalter, Oesterreich 2002, 120’, OV/d/f, «Amarcord» (12.2.), einer der erfolgreichsten, stark autobiographisch geprägten Filme Fellinis, zeichnet ein satirisches Stimmungs- und Sittenbild der skurrilen Bewohner eines süditalienischen Städtchens zu Beginn des Faschismus anfangs der Dreissigerjahre. Lebensfroh, übersprühend und schräg kommt der gewaltige, bunte Bilderreigen daher, der die Sicht eines sechzehnjährigen Jungen wiedergibt. Der Halbwüchsige fühlt sich zwischen seiner katholischen Erziehung und den übergrossen, prallen Brüsten der Tabakhändlerin hinund hergerissen, sein Onkel, der auf einen Baum klettert und stundenlang «voglio una donna» schreit, ist inzwischen in die Kinogeschichte eingegangen. Frauen in Action Sa 19.2. 21.00h: «Elsewhere» Teil 1 + 2 Der wunderbare chilenische Film «B-Happy» (Forum Berlinale 2004) wird von den Freunden der Deutschen Kinemathek für zwei Monate in die Schweiz importiert. Einige Off-Kino werden diesen Film zeigen. Do-Sa 24.-26.2. je 21.00h «B-Happy» Gonzalo Justiniano, Chile / Spanien / Venezuela 2003, 90’, Spanisch/d Im Rahmen des Zyklus «Frau und Film», der im März verschiedenen Berner Kinos läuft, zeigen wir Filme über «Frauen in Aktion»: Seit den Anfängen des Films hat es immer wieder starke Frauen gegeben, die mit viel Kraft, Geschicklichkeit und Charme die Leinwandhelden in den Schatten gestellt haben. Den Auftakt bildet der Stummfilm «Protéa» aus dem Jahre 1913 (28.2.), in dem die schöne Spionin Protéa (Josette Andriot) mit List und viel Körpereinsatz die Interessen ihrer Nation verteidigt - sie soll einen heimlichen Pakt zwischen zwei europäischen Staaten entlarven. Der Film wird live begleitet vom Pianisten Wieslaw Pipczynski. 32 E S S T I P P NADJA MEIER jaffna special Aber mehr sag ich jetzt nicht, sonst geht ihr alle dahin und esst mir das Jaffna Special weg. ■ «Meine Damen und Herren, hier spricht ihr Captain. Bitte bringen sie ihre viel zu engen Touristenklassesitze wieder in eine aufrechte Position, schnallen sie sich lieber an, denn das war auch für mich ein verdammt langer Flug. Wir bitten sie, nichts mehr zu rauchen und ihr Handgepäck wieder unter den Sitz zu schieben. Wir beginnen nun unseren Landeanflug auf Colombo. Der Tower meldet sonniges Wetter bei 32, ja sie haben richtig gehört, 32 Grad. Cabin Crew, please take your seats.» So hätte ich mir das vorgestellt. Dann kam alles anders, ich bin immer noch in Bern, die Reise ins Wasser gefallen. Als wäre das nicht genug, suchte und fand mich auch noch irgendeine exotische Infektion, weshalb ich täglich drei antibiotische Keulen ebenfalls in Wasser auflösen und zu mir nehmen darf. Binational Natürlich ist mein Trostpflaster eins zum Essen. Wir gehen ins Restaurant Akul im Monbijou, eine rührende Mischung aus ceylonesischer Spezialitätenküche und gutbürgerlicher Quartierbeiz. So stell ich mir die perfekte binationale Ehe vor. Im Akul geht das so: Wer nur isst, was jeder subventionierte Schweizer Bauer kennt, der kriegt hier sein Gordon-bleu oder die Eglifilets im Teig, und findet sehr zu seiner Freude auch Aromat und vielgeliebtes Maggifläschchen zum Nachwürzen auf dem schlicht gedeckten Tisch. Wer sich lieber zum Apéro an einem Mangosaft verlustiert, und indischer Filmmusik lauscht, während er aufs Jaffna Special wartet, einem Crevetten-Cashew Curry mit Puttu in Bioqualität, ist hier ebenso richtig. Wir machten das zweite. Wie Spätzli Puttu ist übrigens, das vergass ich oben noch zu schreiben, so was ähnliches wie das, zu dem wir Spätzli sagen. Der Mann bestellte das zusammen mit einem Lammcurry. Ich wollte auch ein Schäfchen, aber nicht dasselbe wie er, also orderte ich ein anderes, ein Special. Erstmal übersahen wir aber irgendwie den Mangosaft und das indische King Fisher Bild: zVg. Bier. Wir bestellten ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken einen halben Merlot, der gar nicht zum Menu passte, aber irgendwie fielen wir ins Januarloch und jagten Schnäppchen: Die Flasche kostete grad mal 13.50 Franken. Aber schon bei der Vorspeise war uns der Wein ziemlich egal. Es gab Samosas mit Erbschen und kleinen Erdnüssen drin, die waren lecker. Aber Vegetarier verpassen einfach was, ich kann es nicht anders sagen. Denn die fleischigen Freunde der Samosas, frittierte Teigröllchen gefüllt mit Lammhäppchen und doch noch ein Bisschen Gemüse, die waren einfach herrlich. Wir hätten uns darum streiten können. Taten wir aber nicht. Das ist schliesslich eine gastronomische Empfehlung, und kein Beziehungsratgeber. Schön und dick Mein Babyschaf kam mit Fladenbrot und einem Eieromelett mit, glaube ich fast, Kreuzkümmel und Chili. Das war aber noch nicht alles. Auf dem riesigen Teller fand ich auch einen Berg mit einem kohlartigen Salat und einen zweiten mit Kartoffeln, Auberginen und Kichererbschen. Der zweite Berg trieb mir Freudentränen in die Augen. Oder vielleicht war es auch das teufelscharfe Curry, egal. Die Kartöffelchen jedenfalls waren weichgekocht, die Auberginen schmiegten sich an sie wie hübsche Frauen sich manchmal an dicke Kerle kuscheln. Man weiss nicht warum, aber es funktioniert. Das Fladenbrot schmeckte nach satt und Butter und war noch grösser als das Eieromelett. Der Mann putzte den ganzen Teller leer, keine Ahnung wie er das gemacht hat. Ich glaub sein Schaf war nicht so scharf wie meins. Das Puttu auf seinem Teller duftete nach Kokosnuss bis in meine Nase rüber, aber sonst war ich gar nicht eifersüchtig. Und das ist ziemlich ungewöhnlich. 29.90 Franken Unser Kellner, ein stattlich eleganter Mann, kullerte mich mit seinen Augen an und zeigte fragend auf meinen Teller, wo einige leckere Bissen liegen blieben. Sorry Mister, das Lamm musste sich den Platz in meinem Bauch mit Frau Antibiotika teilen. Wenn ich wieder einen gesunden Appetit habe, komme ich zurück. Und zwar am Wochenende. Da gibt‘s im Akul ein ceylonesisch-indisches Buffet à discrétion für knapp mehr als doppelt so viel, wie man für einen halben Merlot bezahlt. Aber mehr sag ich jetzt nicht, sonst geht ihr alle dahin und esst mir das Jaffna Special weg. Restaurant Akul Monbijoustrasse 26 3011 Bern 031 381 11 71