Mein Teddy und ich
Transcrição
Mein Teddy und ich
Spielen und Lernen 3/10 Mein Teddy und ich Dass Kinder ihr Herz an ein Plüschtier verlieren, kommt nicht von ungefähr: Die felligen Freunde spielen eine große Rolle in der Entwicklung „Knut ist weg!“ Der Schreckensruf des dreijährigen Paul löst eine hektische Suche nach Knut, dem plüschigen Knuddelkälbchen aus. Taschen und Tüten, Sitzbänke, der Fußboden der Ankunftshalle werden vergeblich inspiziert und dann ist klar: Knut muss im Flugzeug zurückgeblieben sein. Auf dem Absatz macht Pauls Papa kehrt und stürmt zurück Richtung Pass- und Sicherheitskontrolle. Nach wenigen erklärenden Worten wird ihm Einlass gewährt und nun jagt er durch das riesige Gebäude zum Ankunftstor zurück. Gott sei Dank – der Flughafenbus steht noch da und dessen Fahrer handelt, wie es sich in einem Notfall gehört. Beherzt wirft er den Motor an und jagt mit dem aufgeregten Vater zurück zum Flugzeug. Dann die Erlösung: Knut sitzt zufrieden auf Platz 79 und wartet darauf, abgeholt zu werden. „Das ist eine schöne Geschichte“, kommentiert Christiane Mertens diesen Bericht. Besonders freut die Psychologin und Familientherapeutin aus Aachen, dass so viele fremde Menschen Verständnis zeigten und die Knut-Rettung unterstützten. „Erwachsene sollten die Beziehung eines Kindes zu seinem Kuscheltier sehr ernst nehmen“, sagt Mertens. „Damit beweisen sie Respekt vor dessen Person und der Wahl seines Liebesobjektes.“ Tatsächlich verschenken die meisten Kleinen schon früh ihr Herz an ein bestimmtes Plüschtier, und bleiben ihm viele Jahre lang treu. Denn so ein Kuscheltier bietet sich an, im Leben eines Kindes verschiedene wichtige Rollen zu übernehmen. Seine erste und größte ist die des Übergangsobjekts. Christiane Mertens erklärt sie so: Am Anfang seines Erdenlebens bindet sich ein Säugling emotional fest an die Person, die sein Überleben garantiert, bei uns meist die Mutter. Sobald er aber krabbeln kann, beginnt er, die Welt aktiv zu erkunden. Er bewegt sich von der Mutter weg und nimmt dabei eine kurzzeitige Trennung in Kauf. „Diese Trennung ist nötig und lustvoll, aber auch Angst besetzt, das Fremde ist beängstigend und interessant zugleich“, sagt die Psychologin. Mit einem Kuscheltier im Arm jedoch wird die Furcht kleiner und der Mut wird größer. Es verkörpert die Geborgenheit, die ein Kind bei seinen Eltern erfährt, bietet Vertrautheit, Sicherheit, Beruhigung und Trost. Bester Freund Auch Knut, das kleine Stoffkalb, ist schon lange Pauls steter Begleiter. Es war dabei, wenn der Kleine zur Tagesmutter gebracht wurde oder zur Oma, er geht mit in den Kindergarten, zum Arzt und natürlich auf die erste große Reise per Flugzeug. Abends im Bett muss Knut ebenfalls zur Stelle sein. Schließlich bringt das Einschlafen immer ein Entfernen von den Eltern mit sich, hinein in eine unbekannte, mitunter beängstigende Traumwelt. Indem er seinen Knut fühlt und riecht, „imaginiert er einen inneren Helfer, der ihn beschützt“, so drückt es Christiane Mertens aus. Aber Knut kann noch weitaus mehr, erklärt sie. Er hilft Paul, seine „Wirkmächtigkeit“ zu erfahren. Weil das kleine Kälbchen liegen bleibt, wo er es hinlegt, sich überall mitschleppen lässt und sich nicht wehrt, wenn es schlecht behandelt wird, erlebt sein Besitzer, dass er selbst etwas beeinflussen, verändern und kontrollieren kann. „Eine wichtige Erfahrung für ein Kind“, sagt Mertens. Seit einiger Zeit bewährt sich Knut zudem immer häufiger als Partner im Rollenspiel. Mal spricht er wie die Erzieherin im Kindergarten, mal ist er ein Baby, wie Pauls kleinen Bruder Max, und ein anderes Mal muss er sich als Paul mit Mamas Worten ausschimpfen lassen. In solchem Rollenspiel, weiß die Expertin, entdecken Kinder sich selbst und üben, sich in andere hineinzuversetzen. „Kinder erlernen mit dem Kuscheltier komplexe soziale Fähigkeiten“, ist Mertens sicher. „Der Umgang damit unterstützt ihre emotionale Intelligenz.“ Bis ins Grundschulalter bleibt der Spielpartner Kuscheltier ein realer, beseelter Freund und die Beziehung zu ihm eine echte Liebe. Das Beste an diesem Freund, das ihn von allen anderen unterscheidet: Man kann sich jederzeit auf ihn verlassen, denn er bleibt immer loyal. Die Psychologin rät deshalb dringend davon ab, dass Eltern das Stofftier benutzen, um ihre erzieherischen Ziele zu erreichen. So sollte ein Knut weder eingesetzt werden, um Paul zum Zähneputzen zu überreden, noch um ihn wegen eines Fehlverhaltens zu tadeln. Beides könnte so wirken, als würde der sonst stets unverbrüchlich treue Begleiter dem Jungen in den Rücken fallen. Erst recht verbietet es sich, mit dem Entzug des Schmusetiers zu drohen. Statt die enge Bindung Pauls an Knuts zu stören, sollten die Erwachsenen sie eher unterstützen. Trennung tut weh Hin und wieder allerdings ist es unvermeidlich, dass die Eltern eingreifen, weil das Stofftier dringend einer Wäsche bedarf. Soweit es Knut betrifft, haben sich Paul und seine Mama darauf verständigt, dass das Plüschkalb an einem gelegentlichen Bad seine Freude hat und es besonders genießt, in der Waschmaschine „Karussell zu fahren“. Was aber tun, wenn der gute Freund tatsächlich einmal unwiederbringlich verloren ist? Die Psychologin Christiane Mertens rät: „Die Trauer des Kindes über den Verlust, sollte man unbedingt ernst nehmen.“ Tränen sind also erlaubt und der nötige Trost muss gespendet werden. Manchmal hilft es, mit dem Kind gemeinsam zu spekulieren, wo das geliebte Kuscheltier sich jetzt aufhalten könnte, und dass es ihm dort gut geht. Ein kleines Abschiedsritual kann ebenfalls tröstlich sein, genau wie ein Willkommensritual für einen potentiellen Nachfolger. Das Kindchenschema Beliebter als alle anderen Knuddelobjekte sind solche, die dem Kindchenschema entsprechen, also wie Tierkinder oder Babys aussehen. Ihre typischen Merkmale: großer, runder Kopf mit vorgewölbter, hoher Stirn, große Augen, Stupsnase, kurze Arme und Beine. Verhaltensbiologen bezeichnen diese Eigenschaften als Schlüsselreize, bei deren Anblick ein angeborener Auslösemechanismus wirksam wird. Erwachsene, aber auch schon kleine Kinder (und sogar Säugetiere) reagieren automatisch mit Freundlichkeit und Zuwendung. Dieser Reflex, ein genetisches bedingtes Erbe aus der Natur, hilft dem auf Pflege angewiesenen Nachwuchs, zu überleben, weil er den Wunsch nach Fürsorge auslöst. Die Hersteller von Kuscheltieren wissen heute um den Effekt des Kindchenschemas und machen ihn sich zu nutze. Der berühmte Teddybär der Margarete Steiff, die als die Erfinderin der Kuscheltiere gilt, war 1905 ein magerer, erwachsen aussehender Geselle. Heute gleichen die meisten Teddys eher Bärenkindern. Das Kindchenschema wirkt übrigens auf beide Geschlechter, auf Mädchen allerdings etwas stärker als auf Jungen. Ein Grund dafür, dass Mädchen ihr Kuscheltier mitunter bis ins Erwachsenenalter ehren, während es Jungen spätestens mit Beginn der Pubertät meist aus den Augen verlieren? Die Wissenschaft gibt darauf keine eindeutige Antwort. Darauf sollten Sie beim Kauf achten Damit ein Kuscheltier den Strapazen gewachsen ist, denen es als bester Freund ihres Kindes ausgesetzt wird, sollte es aus robustem Material bestehen, fest (kleine Stiche) vernäht und bei 60 ° C waschbar sein. Testen Sie, ob aufgenähte oder -geklebte Augen, Schnauzen und Ähnliches so fest sitzen, dass sie von Ihrem Kind nicht abgerissen werden können. So vermeiden Sie, dass sie in seinen Mund geraten und gefährlich werden können. Selbstverständlich sollte das Stofftier frei von giftigen Substanzen sein. Achten Sie deshalb darauf, dass es das deutsche GS-Zeichen („geprüfte Sicherheit“) oder, noch besser, ein Öko-Siegel trägt. Das Knuddeltier sollte nicht allzu groß sein. Ihr Kind will es ja mit sich herumtragen oder in sein eigenes Rucksäckchen packen können.