Auswertung von Urteilen betroffener Anleger wegen Lehman

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Auswertung von Urteilen betroffener Anleger wegen Lehman
Auswertung von Urteilen betroffener Anleger wegen LehmanZertifikaten
Ein Jahr, nachdem die Lehman Brothers Holding in New York Insolvenz nach Kapitel 11
des Insolvenzrechts der Vereinigten Staaten und einige Tage später auch deren
Niederländische Tochter, die Lehman Brothers Treasury in Amsterdam, die die meisten
Lehman-Zertifikate emittiert hat, Insolvenz angemeldet haben, gibt es bereits eine ganze
Reihe erstinstanzlicher Urteile verschiedener Amts- und Landgerichte, die sich mit der
Frage beschäftigen, ob und wie Inhaber von Lehman Zertifikaten, die durch die Insolvenz
zunächst wertlos geworden sind, ihr Geld zurück bekommen können. Dabei geht es um
Schadenersatzansprüche gegen die Banken, die zu diesen Zertifikaten beraten und den
geschädigten Kunden die Anlage empfohlen haben. Bundesweit ist dazu in erster Linie die
Citibank und in zweiter Linie die Dresdner Bank zu nennen. Regionale Schwerpunkte gibt
es durch die Hamburger und die Frankfurter Sparkasse.
Die bis jetzt bekanntgewordenen Urteile sind überwiegend zu Gunsten der geschädigten
Verbraucher ausgegangen. In einem kleinen Umfang, der aber aktuell zu wachsen scheint,
haben auch die Banken gewonnen. Zu beachten ist allerdings, dass noch keines dieser
Urteile rechtskräftig geworden ist und die im Mittelpunkt dieser Entscheidung stehenden
Fragen grundsätzlich wohl erst in ca. zwei Jahren vom BGH entschieden werden.
1. Sachverhalt
Inhaltlich im Mittelpunkt dieser Entscheidungen stehen alle Aspekte, die im Rahmen der von
der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur anleger- und objektgerechten Beratung eine Rolle spielen. Allerdings haben besondere Umstände, nämlich dass
es sich bei Zertifikaten um jedenfalls für den gewöhnlichen Anleger relativ neue Produkte
handelt und dass ein Totalverlust durch die Insolvenz der emittierenden Bank entstanden ist,
dazu geführt, dass insbesondere drei Aspekte auch in den Urteilen hervorgetreten sind.
Das eine ist die Frage, ob und wie über die Funktionsweise und die besonderen Risiken bei
den verschiedenen Zertifikateypen aufzuklären ist. So hält ein Teil der Gerichte z.B. ExpressZertifikate für spekulative Anlagen, ein anderer Teil für eher risikolos.
Der zweite Aspekt ist, dass durch die Insolvenz der Lehman Brothers Bank als Emittentin
offen zu Tage trat, dass diese Papiere nicht gegen ein Totalverlustrisiko etwa durch die Einlagensicherungssysteme geschützt sind. Die Frage, die von den Gerichten ebenfalls noch
verschieden beantwortet wird, ist dabei, ob darüber aufgeklärt werden muss, dass diese
Papiere z. B. dem deutschen Einlagensicherungssystem nicht unterliegen.
Der dritte Aspekt hängt mit einer sich zuspitzenden Rechtsprechung des BGH zur Offenlegung von Kick-Backs oder anderer Provisionszuflüssen zusammen. In den meisten Fällen
haben die Beraterbanken diese nämlich auch bei den Zertifikaten nicht offengelegt. Die
Frage war, ob die sog. „Kick-Back“-Rechtsprechung des BGH auch auf die Beratung zu
Zertifikaten anzuwenden ist.
Zur Übersicht und zur Verwendung bei der Geltendmachung von Ansprüchen geschädigter
Lehman-Anleger wird nachfolgend in chronologischer Reihenfolge eine Übersicht der Rechtsprechung mit Stand zum September 2009 gegeben. Dabei wird da, wo dies zu ermitteln
war, zunächst die betreffende Bank und das Zertifikat, um das es sich in der Entscheidung
handelt, genannt sowie der in den Urteilen mitgeteilte Sachverhalt kurz zusammengefasst.
Nach der Information, wie das Urteil ausging, folgt dann eine vom Verfasser leitsatzartig
zusammengefasste Begründung, zum Teil mit eigenen kursiv hervorgehobenen Anmerkungen.
2. Die Urteile im Einzelnen
2.1.1
Amtsgericht Leipzig vom 10.11.2008 (115 C 3759/08 = WM 2009, 19)
Gegen die Citibank wegen Beratung zu „Premium Express Defensiv XIII-Zertifikat“
(A0G04G). Emittent war die Citibank, nicht Lehman Brothers.
Unterlegt war der Euro Stoxx 50. Barriere war 50%, Herausgabe im Januar 2007. Zu den
Beobachtungszeitpunkten nach je einem Jahr musste der Euro Stoxx gestiegen sein, um
7%, evtl. 14% usw. Boni zu bekommen. Laut Risikoprofil war die Klägerin absolut konservativ. Bei den Sicherheitsfragen war jeweils „stimme voll zu“ angekreuzt.
Die Bank meinte, die Klägerin sei aus steuerlichen Gründen ein höheres Risiko eingegangen. Angelegt wurden EUR 30.000,00 davon EUR 20.000,00 in das Zertifikat. Die Klägerin
benötigte für einen Zeitraum von drei Jahren das Geld sukzessive für eine Privatausbildung
der Tochter.
Da nach einem Jahr der Euro Stoxx gefallen war, konnte das Zertifikat nicht vorzeitig aufgelöst werden. Es wurde mit einem Kursverlust verkauft.
Zuerkannt wurde der Kursverlust plus 4,5% entgangener Zinsen auf den Anlagebetrag für
den Anlagezeitraum und vorgerichtliche Anwaltskosten.
1. Die Empfehlung zum Kauf des Zertifikats war nicht anlegergerecht, weil diese
Empfehlung mit der gewünschten Anlagedauer, auch wenn es theoretisch nach
einem Jahr mit Gewinn hätte aufgelöst werden können, und mit dem konservativen
Risikoprofil nicht vereinbar war.
2. Bei Empfehlung wegen steuerlicher Vorteile muss geprüft werden, ob überhaupt
ein steuerlicher Nachteil vorliegt, der dadurch evtl. ausgeglichen werden kann.
2.1.2
Landgericht Frankfurt am Main vom 28.11.2008, (2-19 O 62/08 = VuR 09, 144 mit
Anm. Maier = WM 09, 17 und ZIP 09,148)
Es handelt sich um ein Verfahren gegen die Frankfurter Sparkasse. Gegenstand ist ein
Lehman Brothers Alpha-Express-Zertifikat, dem das Verhältnis des Euro Stoxx Select
Dividend 30 zum DAX zugrunde liegt (DE000A0LJV62).
Der Kläger hat 12 Stück des Zertifikats zum Preis von EUR 12.000,00 erworben. Das Geld
stammt aus dem Verkauf eines Aktienfonds. Unstreitig ist, dass mündlich nicht ausdrücklich
auf ein Totalverlustrisiko hingewiesen wurde, ebenso, dass vor dem Kauf als Verkaufsunterlage der Flyer zu dem Zertifikat vorgelegen hat.
Die Anlegerklage wurde abgewiesen!
1. Das Landgericht hält eine generelle Aufklärungspflicht zum Totalverlust- und
Bonitätsrisiko im Rahmen des Beratungsvertrages für nicht erforderlich. Eine
entsprechende Hinweispflicht erwächst aber, je realer eine entsprechende Gefahr
ist. Im Dezember 2006 war das Bonitätsrisiko von Lehman Brothers nur
theoretischer Natur.
Anmerkung: Diese Entscheidung wird seitdem von den Banken zur Frage der
Aufklärungspflicht über das Totalverlust- und das Bonitätsrisiko der Emittentin ins
Feld geführt, auch wenn das Landgericht Potsdam (s.u.) zwischenzeitlich den
Ausführungen des LG Frankfurt ausdrücklich widersprochen hat.
2. Das Landgericht lässt es zudem für eine ordnungsgemäße Beratung über das
Risiko des Zertifikats, zum unterlegten Verhältnis von Euro Stoxx zu DAX, zum
Bonitätsrisiko und zu den Kosten ausreichen, wenn als Verkaufsunterlage dem
Kunden ein Flyer zum Produkt vorliegt, der nach Meinung des Landgerichts
ausreichende Erklärungen enthält und Gelegenheit zu Nachfragen gibt.
2.1.3
Landgericht Hamburg vom 15.12.2008 (3-118 O 4/08 = VuR 09, 143 mit
Anmerkung Maier)
Gegen die Dresdner Bank auf Zahlung der Differenz aus Kauf- und Verkaufspreis von
„Dresdner Alpha Express Zertifikaten II“. Unterlegt ist das Verhältnis zwischen Euro Stoxx
Select Dividend 30 und DAX 30 (ähnlich wie Landgericht Frankfurt vom 28.11.08). Riskiert
wird dabei der teilweise oder im Extremfall auch völlige Verlust des Kapitals, wenn der Euro
Stoxx um 40 Prozentpunkte und mehr hinter dem DAX 30 zurückbleibt. Bei günstigem Verlauf z.B. nach einem Jahr gibt es eine Verzinsung von 16,75%, bzw. 35% nach zwei Jahren
usw.
Gerügt war, dass über das Zertifikat als Solches, als auch über seine innere Struktur, d.h. die
komplizierte Abhängigkeit der Rendite und/oder des Verlustes von unterschiedlichen Bewegungen im Verhältnis der beiden unterlegten Indizes, nicht aufgeklärt wurde. Die Kläger
hatten vorher in Geldmarkfonds angelegt.
Die Bank bestreitet eine nicht ausreichende Aufklärung.
Das Gericht verurteilt die Dresdner Bank zum Ersatz des Verlustes zzgl. entgangener Zinsen
in Höhe geschätzt 4% auf das Anlagekapital.
1. Es kommt zu einer Verurteilung vor allem deshalb, weil angesichts der detaillierten
Rügen durch die Kläger die Bank im Wege der ihr dann obliegenden sekundären
Dar-legungslast nicht hinreichend spezifiziert vorgetragen hat, wie sie die
Anlageziele, das Wissen der Anleger erfragt und wie sie im Einzelnen über die
Funktionsweise der Zertifikate sowie deren Chancen und Risiken beraten hat.
Entsprechenden Hinweisen des Gerichts war die Bank nicht ausreichend
nachgekommen.
2. Das Alpha Express Zertifikat, das auf die Entwicklung des Verhältnisses zweier
Indizes setzt, ist gerade nicht für Anleger, die möglicherweise Kenntnisse im
Bereich der Aktien haben, geeignet, weil das Zertifikat selbst nicht von der
Entwicklung von Einzelwertaktien abhängt, sondern Verlustgefahren sogar bei
steigenden Märkten enthält. Es handelt sich deshalb um ein reines
Spekulationspapier, das auch zu einer „mittleren Risikobereitschaft“ nicht passt.
3. Ein Mitverschulden, weil die Kläger das Zertifikat nicht sofort verkauft und evtl.
einen höheren Erlös erzielt hätten, sieht das Gericht nicht.
2.1.4
Landgericht Osnabrück vom 07.04.2009, AZ: 7 O 2908/08
Betroffen ist die Citibank wegen eines in der Veröffentlichung nicht näher genannten
Lehman-Zertifikats, gekauft im September und Oktober 2005, das offenbar mit einem
Kapitalschutz ausgestattet war.
Gerügt wird fehlende Aufklärung über das Emittentenrisiko und die nicht gegebene
Absicherung über den Einlagensicherungsfonds.
Als der Anleger am 11.08.2008 mit Hinweis auf Zeitungsberichte nachfragte, ob er nicht jetzt
besser verkaufen sollte, wurde wieder auf den Kapitalschutz hingewiesen. Der Verlust hätte
zu diesem Zeitpunkt 30% betragen. Eingeklagt ist deshalb der Kurswert am 12.09.2008.
Die Anlegerklage wurde abgewiesen.
1. Fehler im Zusammenhang mit der Beratung beim Kauf waren verjährt.
2. Die Anlegerin konnte zudem nicht nachweisen, dass sie den Kapitalschutz wie eine
Einlagensicherung unabhängig von der Bonität der Emittentin verstehen musste.
3. Auf eine drohende Insolvenz muss am 11.09.2008 nicht besonders hingewiesen
werden, weil der Anleger aufgrund der Nachfrage bereits „selber alarmiert“
gewesen ist.
2.1.5
Landgericht Frankfurt vom 07.04.2009 (2-19 O 211/08 = VuR 09, 303 mit
Anmerkung Maier = WM 09, 947)
Gegner ist die Sparkasse Frankfurt, Gegenstand wiederum Lehman Alpha Express
Basket Zertifikate (ähnlich wie LG Frankfurt vom 28.11.08 und LG Hamburg vom 15.12.08)
auf das Verhältnis von Euro Stoxx Select Dividend 30 zum DAX.
Der Kläger hatte lt. Wertpapierberatungsformular unstreitig eine kurzfristige Anlage angestrebt. Der Berater hatte erklärt, dass die Rückzahlung des Betrages plus 10% Zinsen schon
nach einem Jahr nahezu gesichert sei. Die Laufzeit des Zertifikats war allerdings auf vier
Jahre konzipiert. Der Anleger hatte im Vorfeld des Kaufs eine Produktinformation
bekommen.
Das Gericht verurteilte die Sparkasse zur Rückzahlung des Anlagebetrages zzgl. vorgerichtlicher Anwaltskosten und Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Zertifikate.
1. Das Gericht begründete die Verurteilung damit, dass ein Kundenberater eine
bestimmte zukünftige Entwicklung eines Wertpapiers nicht als nahezu sicher
hinstellen darf, wenn in Wahrheit die weitere Entwicklung offen ist.
2. Vier Jahre Laufzeit sind nicht kurzfristig.
Anmerkung: Das Urteil konnte wohl nur deshalb erstritten werden, da dem Kläger
der Beweis zu der geschilderten Zusicherung des Beraters gelungen war.
2.1.6
Schlichtungsspruch des Ombudsmanns Horst-Diether Hensen der Privaten
Banken vom 06.05.2009, AZ: H 932/08
Gegen Citibank wegen Alpha Express (WKN A0N6GH) und Bonus Express Defensiv II
(WKN A0SUEV).
Die Bank muss beide Kaufverträge rückgängig machen, weil sie der Pflicht, umfassend über
die Funktionsweise und die Risiken der Zertifikate aufzuklären, nicht nachgekommen ist.
1. Zwar hält der Ombudsmann eine Aufklärungspflicht über das Emittentenrisiko für
nicht nötig, weil bis zum 15.09.2009 eine Insolvenz eines derart großen
Bankhauses undenkbar war.
2. Dennoch muss bei den hier vorliegenden Zertifikaten als komplexe Produkte, wie
sie von der Citibank selbst bezeichnet werden, umfassend über Risiken und
Funktionsweise aufgeklärt werden. Die Bank hat dies nicht dargelegt.
3. Zudem hat der Ombudsmann zu den vorgedruckten Formulierungen auf den
Wertpapierorders der Citibank entschieden, dass ein handschriftlich
anzukreuzender Risikohinweis als vorformulierte Tatsachenbestätigung nach § 309
Nr. 12b BGB unwirksam und deshalb rechtlich ohne Bedeutung ist. Ebenso das
Kästchen mit den alternativen Formulierungen „und/oder“, weil damit unklar und
deshalb unbeachtlich bleibt ob die Alternativen gebündelt vorliegen sollen oder
nur eine Möglichkeit gilt.
2.1.7
Landgericht Potsdam vom 20.05.2009, AZ: 8 O 1/09
Die beklagte Bank ist nicht bekannt. Es geht auch nicht um ein Zertifikat sondern eine
Inhaberschuldverschreibung, deren Ausschüttung ähnlich wie bei einem Zertifikat an die
Entwicklung eines Index gekoppelt ist. Es handelt sich um die „7,5% Real Estate Garant
Anleihe“ der Lehman Brothers Treasury, die an die Entwicklung des „EPRA Euro Zone
Price Index“ (Börsennotierte europäische Immobiliengesellschaften) gekoppelt war.
Die Anleger hatten vorher lediglich Sparkonten. Das Geld sollte als Reserve dienen. Die
Anleger waren laut Kundenfragebogen „sicherheitsorientiert“ und hatten danach lediglich
Erfahrungen bei festverzinslichen Wertpapieren. Ein Prospekt lag vor mit dem Hinweis, dass
„100%-iger Kapitalschutz bis zum Laufzeitende“ bestehe. Es war unstreitig, dass der Berater
der Bank nicht ausdrücklich auf das Fehlen der Einlagensicherungssysteme hingewiesen
hat.
Die Bank wurde zum Ersatz der in die Papiere angelegten Gelder plus 2,6% entgangener
Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe der Inhaberschuldverschreibung verurteilt.
1. Gerade bei sicherheitsorientierten Anlegern hält das Gericht den Hinweis auf die
fehlende Einlagensicherung für nötig. Ein Kreuz auf der Wertpapierorder, dass der
Kläger auf Chancen und Risiken hingewiesen worden sei, reicht nicht, weil sich
daraus Details und Inhalt der Behauptung nicht ergeben. Es geht dabei nicht um
die Aufklärung über das Insolvenzrisikos. Denn bei einlagegesicherten Anlagen
steht dem Anleger für den Fall der Insolvenz durch die Sicherungsfonds ein
weiterer Schuldner zur Verfügung.
2. Bezogen auf das Totalverlustrisiko wegen Insolvenz vertritt das Gericht die
Ansicht, dass im Gegensatz zur Entscheidung des LG Frankfurt vom 28.11.2008
auch auf ein unwahrscheinliches Risiko hingewiesen werden muss. Dieser Hinweis
gehört zu einer umfassenden Beratung, da der Anleger erst dann eine
Entscheidung darüber treffen kann, ob er dieses Risiko eingehen will.
2.1.8
Landgericht Hamburg vom 23.06.2009, AZ: 310 O 4/09 = WM 09, 1282, ZIP
091311 und BB 09, 1828
Gegen die Hamburger Sparkasse wegen Lehman Zero Basket Zertifikat
(ISIN IX0272318709). Unterlegt war ein „virtueller Aktienkorb“ von Aktien aus dem DAX 30.
Fällt der Kurs nicht, gibt es nach 1,5 Jahren einen Bonus von 10%, ansonsten läuft das
Zertifikat weiter. Sollte am Endfälligkeitstag der Kurs unter 100% liegen, wird ebenfalls nur
das Kapital ausbezahlt.
Die Sparkasse wird zur Rückabwicklung des Zertifikatekaufs zzgl. 4% entgangener Zinsen
verurteilt.
1. Das Landgericht kommt zu dem Ergebnis, dass das hier vorliegende Zertifikat mit
praktisch 100% Kapitalschutz (Lehman Insolvenz war unwahrscheinlich) kein
„riskantes Wertpapier“ sei und auch zu einem konservativ orientierten Anleger
passe.
2. Allerdings muss eine Sparkasse auf die fehlende Einlagensicherung des Zertifikats
auf jeden Fall dann hinweisen, wenn der Kunde aus gesicherten Anlagen in das
ungesicherte Zertifikat wechselt. Flyer und „Basisinformationen“ der beklagten
Bank enthalten diesen expliziten Hinweis nicht.
3. Informationen über das spezielle Bonitätsrisiko im Flyer reichen nicht aus. Da der
Anleger das Bonitätsrisiko trägt, ist für ihn die Information wichtig, ob er für den
Fall der Insolvenz durch die Einlagensicherung gegen Totalverlust zusätzlich
abgesichert ist (ähnlich wie LG Potsdam oben).
4. Hinzu kommt, dass die Sparkasse, die das Zertifikat aus dem eigenen Bestand
verkauft und beim Ankauf vom Herausgeber einen Nachlass auf den Kaufpreis
erhalten hat, den Kunden über diese sog. Marge aufklären muss. Das Gericht
vertritt damit die Ansicht, dass die Kick-Back-Rechtsprechung auf diesen Fall
entsprechend anzuwenden ist, weil die Interessenlage die gleiche ist und damit
entsprechende Schutzgesichtspunkte greifen (eigenes Umsatzinteresse der Bank,
Gefährdung von Kundeninteressen).
5. Das Gericht führt auch weiter aus, dass bei einer Anlageberatung die
Aufklärungspflicht
bezüglich
der
Gewinnmarge
über
ein
evtl.
Geheimhaltungsinteresse der Bank hinausgeht.
6. Ein Rechtsirrtum lag nicht vor, weil die Sparkasse diesen hätte vermeiden können,
wenn sie die Rechtsprechung zu den Kick-Backs, die auf das Jahr 2000
zurückgeht, richtig analysiert hätte.
2.1.9
Landgericht Chemnitz vom 23.06.2009, AZ: 7 O 359/09 = WM 09, 1505
Gegen Dresdner Bank wegen Lehman Brothers Bonus Barriere (WKN A0LHVD) und
Lehman Brothers Express Bonus III (WKN A0MHVV). Dem Bonus Barriere Zertifikat war
der Nikkei 225 mit einer Barriere von 70% unterlegt. Dem Express Bonus Zertifikat lag der
Euro Stoxx 50 mit einer Barriere von 40% zugrunde.
Die Dresdner Bank wurde zur Rückabwicklung der beiden Zertifikatgeschäfte nebst
Verzugszinsen verurteilt, bei Feststellung, dass gegen den einzelnen Kundenberater aber
keine Schadenersatzansprüche zustehen.
1. Anfang 2007 muss auf das Emittentenrisiko von Lehman nicht hingewiesen
werden.
2. Bei einem Abschlag auf den Kaufpreis für den Erwerb der Zertifikate durch die
Bank in den Eigenbestand handelt es sich nicht um eine „Rückvergütung“,
sondern um eine übliche Handelsspanne, mit der der Kunde rechnen muss. Bei
Kenntnis hätte er im Übrigen nicht auf die Geldanlage verzichtet (keine Kausalität).
3. Allerdings war die Empfehlung der Zertifikate für die Altersvorsorge bei einem
überwiegend konservativen Anleger nicht anlegergerecht. Denn Bonuszertifikate
bieten wegen der erhöhten Volatilität der Aktienmärkte seit 2000 keine erhöhten
Sicherheiten z.B. gegenüber eine Direktanlage in Aktien, weil die Möglichkeit des
Unterschreitens der Barriere in diesen Zeiten als erhebliches Risiko nicht
vernachlässigt werden darf.
4. Der konkrete Wertpapierberater haftet nicht, weil er kein eigenes wirtschaftliches
Interesse an dem Geschäft hat und kein persönliches Vertrauen hervorruft,
sondern für die Bank auftritt.
2.1.10
Landgericht Hamburg vom 01.07.2009 = WM 09, 1361
Gegen die Hamburger Sparkasse wegen Bull Express Garant Anleihe, (WKN A0N1VM8)
Lehman Zero Index NTS.
Die Hamburger Sparkasse wird zur Rückabwicklung des Zertifikategeschäfts zzgl. 4%
entgangenen Gewinns verurteilt.
1. Das Landgericht begründet die Verurteilung ähnlich wie im Urteil einer anderen
Kammer vom 23.06.2009 damit, dass die Sparkasse nicht über die Handelsspanne
der aus eigenem Bestand stammenden Zertifikate aufgeklärt hat. Die Kick-BackRechtsprechung ist wegen der gleichen Interessenlage auf diesen Fall zu
übertragen.
2. Ein Widerspruch zur EU-Finanzmarktrichtlinie vom 21.04.2004 besteht nicht, weil
diese insbesondere nach der dazu erlassenen Durchführungsrichtlinie die
Mitgliedsstaaten verpflichtet, über Gebühren und Provisionen oder andere
Zuwendungen aufzuklären, damit die Produktempfehlungen unvoreingenommen
erfolgen.
3. Das Geheimhaltungsinteresse (Geschäftsgeheimnis) ist bei Anlageberatung
eingeschränkt.
4. Die Anlegerin hatte einen Produktflyer erhalten, in welchem im Kleingedruckten
allgemein auf eine Vertriebsmarge hingewiesen wurde. Dieser allgemeine Hinweis
reicht jedoch nicht, weil zu jedem Geschäft konkret dazu zu beraten ist, ob und in
welcher Höhe eine Marge existiert.
5. Die Sparkasse hat auch schuldhaft gehandelt, weil spätestens seit Beginn der
Rechtsprechung über Kick-Backs im Jahre 2000 eine Pflicht zur Aufklärung über
die Gewährung von Anreizen beim Anlagegeschäft hätte erkannt werden müssen.
2.1.11 Landgericht Frankfurt am Main vom 09.07.2009, AZ: 2-19 O 255/08
Gegen Frankfurter Sparkasse wegen Lehman Alpha Express (WKN A0LJV6). Unterlegt
ist der Euro Stoxx Select Dividend 30 im Verhältnis zum DAX und der Möglichkeit, an den
Beobachtungstagen 10%, 20% usw. zu bekommen, allerdings mit einer 40% Schwelle, falls
der DAX über Euro Stoxx 30 liegt.
Die Frankfurter Sparkasse
Verzugszinsen verurteilt.
wird
zur
Rückabwicklung
des
Anlagegeschäfts
zzgl.
1. Der Kläger sei durch den Inhalt einer ihm zugesandten Mail beraten worden, die
aber schon optisch nur die Chancen des Papiers hervorhob und die Risiken
herunter-spielte. Es fehlt der Hinweis auf das Totalverlustrisiko. Auch die
Darstellung des Rückzahlungsprofils muss die Verlustmöglichkeiten ausdrücklich
erwähnen. Erträge dürfen nicht uneingeschränkt als Vorteile, sondern allenfalls als
Chance mit Verlust-risiko beschrieben werden.
2. Die Hervorhebung der Gewinnmöglichkeit bei Express-Zertifikaten auch bei fallenden Märkten ist unvollständig, wenn nicht auch auf das Verlustrisiko bei
steigenden Märkten hingewiesen wird.
3. Nachgereichte schriftliche Informationen muss der Anleger nicht überprüfen, da er
sich auf die vorher schon erhaltenen Informationen verlassen darf, es sei denn, es
er-folgt ein Hinweis, dass diese falsch oder unvollständig gewesen sind.
2.1.12 Landgericht Frankfurt am Main vom 10.07.2009, AZ: 2-21 O 45/09
Gegen Citibank wegen BRIC-Anleihen (WKN A0JX2F) unterlegt durch den Index der BRICAktienmärkte, allerdings mit 100% Kapitalschutz am Laufzeitende.
Die Citibank wurde zur Rückabwicklung des Zertifikategeschäfts zzgl. Verzugszinsen
verurteilt.
1. Die Citibank hat eine erhaltende Rückvergütung nicht offengelegt. Laut
Produktinformation räumt die Bank ein, von der Emittentin einen Bonus zu
erhalten, der nach der Rechtsprechung des BGH als Rückvergütung zu bezeichnen
ist. Diese Rechtsprechung gilt wegen der identischen Ausgangslage nicht nur für
Fonds, sondern auch für Zertifikate.
2. Ein Kleingedruckter schriftlicher Hinweis in der Produktinformation reicht nicht,
weil die erforderliche Bezifferung der exakten Höhe dieser Zahlungen fehlt, die erst
über die „eventuelle Intensität“ eines Konflikts aufklärt.
3. Die Citibank hat die Pflichtverletzung zu vertreten, weil sie nicht dargelegt hat, ob
und welche organisatorischen Maßnahmen sie für die erforderliche Aufklärung
über die Höhe der Provisionen ergriffen hat.
4. Es bestehen keine europarechtlichen Bedenken.
2.1.13 Landgericht Hamburg vom 10.07.2009, AZ 329 O 4/09 = WM 07, 1511
Gegen die Dresdner Bank wegen Lehman Global Champion Index Basket. Unterlegt ist
ein Korb aus Euro Stoxx 50, S & B 500 sowie Nikkei 225 mit einer Barriere von 60% und
Chancen auf 8,75% usw., gezeichnet Februar 2007, ein Bonus wurde im Mai 2008
ausgezahlt. Der Kläger hatte ausschließlich konservative Anlagen und einen Fonds, den er
nun auflösen und sicherer anlegen wollte.
Die Dresdner Bank wurde zur Rückabwicklung des Zertifikatekaufs zzgl. 4% entgangener
Zinsen verurteilt.
1. Es wurde nicht über das Fehlen des Einlagesicherungssystems aufgeklärt, was
aber zumindest für einen aus sicheren Anlagen kommenden Anleger ein
bedeutsamer Umstand ist. Dabei geht es nicht um das Bonitätsrisiko, sondern
darum, dass im Falle der Verwirklichung des Bonitätsrisikos bei Bestehen der
Einlagensicherung kein, bei Nichtbestehen aber ein Totalverlust beruht.
2. Hiergegen spricht auch nicht die Tatsache, dass der Kläger als vorhergehende
Anlage in einem Fonds investiert war. Ein Fonds stellt insoweit insolvenzfestes
Sondervermögen dar und ist dadurch entsprechend abgesichert.
3. Die Dresdner Bank hat es zudem pflichtwidrig unterlassen, den Kläger über ihre
Vertriebsprovision von unstreitig 3,5% aufzuklären. Es ist gleichgültig, ob es sich
um ein Kick-Back handelt, eine Provision oder um eine Gewinnmarge.
2.1.14 Landgericht Frankfurt am Main vom 21.07.2009, AZ: 2-19 O 327/08 (noch keine
Fundstellen)
Gegen die Frankfurter Sparkasse wegen „Dax-Coupon-Zertifikaten“, denen der DAX mit
einer Barriere von 50% unterlegt war.
Die Frankfurter Sparkasse wurde zur Rückabwicklung des Zertifikategeschäfts zzgl.
Verzugszinsen verurteilt.
Es lag kein wirksamer Auftrag zum Kauf der Zertifikate vor. Die Frankfurter Sparkasse
konnte nicht beweisen, dass die Anlegerin am Ende eines zweieinhalbstündigen
Beratungsgesprächs mit der Order einverstanden war. Eine Unterschrift lag nicht vor.
Einen entsprechenden Sachvortrag der Sparkasse, dass die Anlegerin nach den AGB
der Bank frühzeitig hätte reklamieren müssen, sah das Gericht als verspätet an.
2.1.15 Landgericht Stuttgart vom 17.07.2009, AZ: 8 O 129/09 = WM 2009,1697
Betroffen ist offenbar die Deutsche Bank mit einem Lehman-Express-Bonus III Zertifikat
und weiteren Zertifikaten anderer Emittenten. Eingeklagt war zum Teil die Rückabwicklung
der Anlagegeschäfte, teilweise die Auszahlung erlittener Verluste.
Geklagt war auch auf Auskunft über die im Zusammenhang mit den Geschäften erhaltenen
Provisionen.
Die Anlegerklage wurde im vollen Umfang abgewiesen.
1. Nach Ansicht des Gerichts können unter „Kick-Backs“ im Sinne der hierzu
ergangenen Rechtssprechung des BGH nur „echte“ Rückvergütungen gemeint
sein, die aus offen ausgewiesenen Kosten zurückfließen. Nur in diesem Fall
besteht nach Ansicht des Gerichts ein Interessenkonflikt.
2. Unabhängig von dieser Unterscheidung führte das mögliche Verschweigen von
Provisionsrückflüssen oder Gewinnmargen bei Verkäufen aus dem Eigenbestand
nicht zur Rückabwicklung, weil die Ursächlichkeit für den Schaden nach Ansicht
des Gerichts im vorliegende Fall fehlte.
3. Zudem ist die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens dadurch
ausgeräumt, da sich die Klägerin bei späteren Zertifikatkäufen durch die im FactSheet angegebenen Vertriebsprovisionen nicht vom Kauf abhalten ließ.
Anmerkung: Das Gericht berücksichtigt bei seiner Entscheidung nicht, dass
gerade wegen der Offenlegung bei den späteren Käufen der Anleger eine Basis für
die Entscheidungsfreiheit hatte, beim ersten streitgegenständlichen Kauf wegen
der Verheimlichung aber gerade nicht.
4. Aktienbasierte Zertifikate sind in Bezug auf Anleger, die Erfahrungen mit dem Auf
und Ab der Börsenkurse haben, anlegergerecht.
5. Objektgerecht ist es, wenn dem Anleger rechtzeitig ein „Fact-Sheet“ zu den
einzelnen Zertifikaten ausgehändigt wird, das die wesentlichen Eigenschaften und
Risiken darstellt.
6. Enthält das „Fact-Sheet“ einen Hinweis auf das Bonitätsrisiko, ist ein zusätzlicher
Hinweis auf die fehlende Einlagensicherung nicht notwendig.
7. Ein Anspruch auf Auskunft besteht nicht, weil der Auskunftsanspruch nicht der
Klärung der Frage dient, ob Mitteilungspflichten verletzt wurden. Ein solcher
Anspruch besteht nur, wenn dem Gläubiger die Bezifferung der Höhe einer
Forderung erst dadurch ermöglicht werden muss. Bei der begehrten Auskunft über
die Höhe der Provisionen geht es aber gerade nicht um Informationen, die die
Klägerin für die Bezifferung Ihres Anspruchs benötigt.
Anmerkung: Prozesstaktisch kann dieser „Spitzfindigkeit“ des Gerichts dadurch
entgangen werden, dass Rückabwicklung gegen Zahlung des Anlagebetrages
abzüglich der Provision begehrt wird. Zusätzlich ist im Wege der Stufenklage
Auskunft über die Höhe sowie die Zahlung des sich ergebenden Betrages (§§
666,667 BGB) einzuklagen.
2.1.16 Landgericht Düsseldorf vom 31.07.2009, AZ: 15 O 53/09
Gegen die Citibank wegen Lehman-Alpha-Express III, gekauft am 13.07.2007. Unterlegt
war das Verhältnis von DivDax zu DAX.
Ein Jahr vorher war bereits ein anderes Express-Zertifikat von Allegro erworben worden.
Beide überstiegen lt. Risikoprofil das Risikoanteil des Anlegers von 70%, was er aber unterschrieb, obwohl er gleichzeitig angeordnet hatte, dass seine Aufträge nur in Übereinstimmung mit seinem Risikoprofil ausgeführt werden sollten.
Die Klage auf Rückabwicklung des Zertifikategeschäfts wurde abgewiesen.
1. Obwohl die Antworten des Anlegers zur Risikoeinstellung auf eine konservative
Strategie schließen lassen, hat er nach Ansicht des Gerichts die Überschreitung
des vorgegebenen Risikoanteils akzeptiert, weil er die entsprechende „Mitteilung“
in seinem Risikoprofil unterschrieben hat und im Zeichnungsschein der Vermerk
„ausdrücklicher Kundenwunsch“ angekreuzt war.
2. Eben dort hat der Anleger durch seine Unterschrift auch bestätigt, dass er den
Verkaufsprospekt erhalten habe. Entsprechendes Bestreiten ist angesichts des
Vermerks auf dem Zeichnungsschein unbeachtlich.
3. Das Verlustrisikos des Lehman Zertifikats ist gering, weil die Gefahr, dass sich der
DivDax nach fünf Jahren um mehr als 15% schlechter als der DAX entwickelt nur
gering ist und ein Totalverlust im Regelfall dadurch ausscheidet.
4. Es besteht grundsätzlich eine Pflicht darauf hinzuweisen, dass der Anleger das
Emittenten- und Totalverlustrisiko trägt. Dem ist die beklagte Bank aber in
mehrfacher Hinsicht dadurch nachgekommen, dass der Zeichnungsschein einen
Hinweis enthält, die Produkte seien keine Bankeinlagen und dass mit dem Kunden
die Risiken und Funktionsweise der Anlagen besprochen wurden; zudem enthält
der Prospekt den Vermerkt, dass der Anleger das Kreditrisiko der Emittentin trägt
und die Rückzahlung am Ende der Laufzeit von deren Bonität abhängt.
5. Die von der Emittentin gezahlte Provision kann ein Anleger z.B. darin erkennen,
dass er für ein parallel angelegtes Festgeld keinen, für das Zertifikat aber 2%
Aufschlag
zahlen muss. Außerdem
stehe im
Kleingedruckten des
Verkaufsprospekts auf S. 14 graphisch hervorgehoben ein Hinweis auf eine
Gebührenrückvergütung in Höhe von 2,8%.
2.1.17 Landgericht Schweinfurt vom 05.08.2009, AZ: 14 O 192/09 = WM 2009, 1696
Betroffen ist offenbar die Dresdner Bank und ein Lehman-Express-Bonus III Zertifikat,
erworben am 07.02.2007.
Die Anlegerklage wurde abgewiesen.
1. Ein Fragebogen aus dem Jahre 2001 reicht nach Ansicht des Gerichts für eine
ordnungsgemäße Exploration des Kunden auch für einen Wertpapierkauf in 2007
aus.
2. Das vorliegende Express-Zertifikat ist für Anleger, bei denen es während der
Beratung um „Renditegesichtspunkte“ geht, geeignet. Ein Barriererisiko von 40%
ist sicherer als eine Aktienanlage.
3. Anleger mit Erfahrungen in Aktien bedürfen in der Regel keiner weiteren
Aufklärung über das Fehlen des Einlagensicherungsfonds.
4. Diese Aufklärung wird im Übrigen mit dem Hinweis auf ein Totalverlustrisiko
indirekt erteilt. Das Emittentenrisiko muss daneben nicht noch extra erwähnt
werden.
2.1.18 Landgericht Itzehoe vom 06.08.2009, AZ 7 O 39/09 (noch keine Fundstelle)
Gegen Dresdner Bank wegen Lehman Bonus Barriere Zertifikate mit Chance auf 7% und
Kapitalgarantie am Laufzeitende. Geklagt wurde auch auf Auskunft über die gezahlten
Provisionen.
Die Klage wurde abgewiesen.
1. Der Kläger war risikobereit und vor allen in Aktien- aber auch Termingeschäften
erfahren.
2. Die Benennung eines Totalausfallrisikos infolge Insolvenz der Emittentin war im
November 2006 entbehrlich, weil das Risiko einer Insolvenz von Lehman nicht
erkenn-bar war (anders z.B. LG Potsdam und LG Hamburg, die trotzdem eine
Pflicht zur Aufklärung über fehlende Einlagensicherungssysteme bejahen).
3. Entgegen LG Hamburg u.a. wird eine Pflicht zur Aufklärung über erhaltene
Provisionen von 3,5 % abgelehnt, weil der Anleger selbst keine offen
ausgewiesenen Provisionen gezahlt hat und 3,5% allgemeiner Übung entsprechen.
Anders als beim LG Hamburg lagen keine weiteren Vorteile oder drohenden
Nachteile (z.B. Verlust bei Rückgabe an die Emittentin) vor.
Anmerkung: Wenn zur Offenlegungspflicht bei Provisionen – so wie es auch der
BGH fordert - auch die Offenlegung der jeweiligen Höhe gehört, kann diese
Offenlegungspflicht aber bei Nichtüberschreitung einer bestimmten Grenze nicht
wieder entfallen. Gerade die Offenlegung der Höhe soll ja sicherstellen, dass der
Anleger entscheiden kann, ob und welches Eigeninteresse der Bank hier besteht.
2.1.19 Landgericht Frankfurt am Main vom 31.08.2009, AZ: 2-19 O 287/08
Gegen die Frankfurter Sparkasse wegen Lehman Twin-Win-Zertifikat (WKN: A0NZAV)
auf Dow Jones Euro Stoxx 50 mit einer Barriere von 50% und Gewinnmöglichkeiten über der
Barriere abhängig von der absoluten Wertentwicklung des Euro Stoxx 50. Der Berater soll
nach Vortrag des Klägers (ein Rechtsanwalt) telefonisch eine Kapitalgarantie zugesichert
haben.
Die Sparkasse wurde zur Rückabwicklung des Zertifikategeschäfts zzgl. Verzugszinsen
gegen Rückgabe der Papiere verurteilt.
Die 19. Kammer des Landgerichts Frankfurt am Main, die am 28.11.2008 noch gegen den
Anleger, in der Folge aber mehrere Urteile für den Anleger gefällt hatte (s.o.), kommt auch
hier zu einem anlegerfreundlichen Urteil. Es sieht Verstöße gegen die Grundsätze der
objektgerechten Beratung.
1. Das Gericht hat Zweifel, ob die komplexe Struktur des vorliegenden Zertifikats
einem Kunden überhaupt am Telefon in objektgerechter Weise erläutert werden
kann.
2. Der Hinweis, dass beim Unterschreiten der Barriere Euro Stoxx 50
Endloszertifikate ausgegeben werden, reicht nicht aus, wenn damit nicht zugleich
das Verlustrisiko deutlich gemacht wird.
3. Alle relevanten Risikoinformationen aus einer schriftlichen Produktinformation
müssen auch in einem telefonischen Beratungsgespräch ihren Niederschlag
finden.
3. Links
Ständig aktualisierte und zum Teil auch kommentierte Urteilssammlungen zum Thema kann
man unter den folgenden Links finden:
http://www.lehman-zertifikateschaden.biz/faq/0334289be00752520.php
und
http://www.rechtsrat.ws/vlink/urteile/ezb-lehman-zertifikate.htm
4. Veröffentlichungen in Fachzeitschriften
1. Rechtsanwalt Dr. Felix Podewils und Dennis Reisig: Haftung für „Schrott“-Zertifikate? –
Aufklärungs- und Beratungspflichten nach BGB und WpHG beim Erwerb von Zertifikaten in
NJW 2009, 116 ff.
2. Rechtsanwalt Stefan Frisch: Anlageberatung, Anlegerschutz und copliance in VuR 2009,
43 ff.
4. Jürgen Johannes Witte, Kim Lars Mehrbrey: Haftung für den Verkauf wertlos gewordener
Zertifikate – der Fall Lehman Brothers in ZIP 2009, 744 ff.
und schon 2007
5. Prof. Dr. Peter O. Mülbert, Anlegerschutz bei Zertifikaten- Beratungspflichten,
Offenlegungspflichten bei Interessenkonflikten und die Änderungen durch das FinanzmarktRichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) in WM 2007, 1149 ff.

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