Dossier - Brigitte

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Dossier - Brigitte
Dossier
Was ist für Sie
Mädchen sind zickig,
empfindlich und brav.
Oder etwa nicht?
In unserem Dossier
erfahren Sie, was
Mädchen wirklich
ausmacht. Und bevor
Sie weiterlesen,
überlegen Sie doch
mal, was Sie meinen.
Kreuzen Sie fünf
Eigenschaften an:
leidenschaftlich
empfindlich
rücksichtslos
zickig
bevorzugt
wild
spontan
pflegeleicht
loyal
rücksichtsvoll
verschlossen
zielstrebig
einfühlsam
übermütig
kompliziert
hilfsbereit
zappelig
geschwätzig
angepasst
tapfer
benachteiligt
frech
humorlos
gewissenhaft
interessiert
?
nachdenklich
begriffsstutzig
vorlaut
unterschätzt
verträumt
verletzlich
faul
mutig
eingebildet
gefühlvoll
ängstlich
schlau
fleißig
ehrgeizig
belastbar
brav
überschätzt
langweilig
vernünftig
eitel
oberflächlich
willensstark
witzig
ausgeglichen
selbstbewusst
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TYPISCH MÄDCHEN?
Das denken die
anderen
Mütter und Väter, Fußballspielerin,
Schlagzeuglehrer und Geschlechterforscher: Wir haben zehn ganz
unterschiedliche Menschen gefragt,
welche fünf Eigenschaften für sie
„typisch Mädchen“ sind
„Interessiert,
selbstbewusst,
willensstark,
zielstrebig,
belastbar“
„Zappelig,
geschwätzig,
frech,
selbstbewusst,
ehrgeizig“
Robert Martin, Vater von zwei Mädchen
und zwei Jungen, 40
Gisela Anton, Jury-Vorsitzende von „Jugend forscht“, 52
„Leidenschaftlich,
empfindlich,
nachdenklich,
ehrgeizig,
vernünftig“
Fabian von Stein, Praktikant in einer
Tagesstätte für psychisch kranke Kinder, 26
„Tapfer,
unterschätzt,
verträumt,
gefühlvoll,
selbstbewusst“
Hannah Paulini, Stürmerin
beim Fußballclub „Altona 93“, 11
„Empfindlich,
zickig,
kompliziert,
geschwätzig,
belastbar“
Ulrike Hagemann, SOS-Kinderdorfmutter von sieben Kindern, 49
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Dossier
„Empfindlich,
pflegeleicht,
gewissenhaft,
ängstlich,
vernünftig“
Viola Cadeggianini, Mutter von drei Mädchen und zwei Jungen, 31
„Leidenschaftlich,
zielstrebig,
frech,
fleißig,
selbstbewusst“
Thomas Arp, Schlagzeuglehrer, 48
„Einfühlsam,
hilfsbereit,
tapfer,
selbstbewusst,
vernünftig“
Sulejman Fejzhulahi, Schüler und
gläubiger Moslem, 15
„Spontan,
pflegeleicht,
belastbar,
vernünftig,
selbstbewusst“
Fotos: privat
Eva-Maria Welskopp-Deffaa, Leiterin der Abteilung
„Gleichstellung“ im Bundesfamilienministerium, 48
„Loyal,
leidenschaftlich,
unterschätzt,
selbstbewusst,
gefühlvoll“
Jürgen Budde, Geschlechterforscher an der
Universität Hamburg, 38
Das sagt die Statistik
Nach wie vor sind Mädchen stark
mit traditionellen Klischees belegt.
Das ergab eine repräsentative Umfrage im Auftrag von BRIGITTE.
87 Prozent der Befragten halten
Mädchen für zickig, und auch die
von jeher für Mädchen als typisch
geltende Emotionalität spiegelt sich
in den Ergebnissen deutlich wider.
Die fünf am häufigsten gewählten
Mädchen-Eigenschaften sind:
1. Zickig
2. Geschwätzig
3. Einfühlsam
4. Gefühlvoll
(Quelle: Ipsos)
5. Ängstlich
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Dossier
MÄDCHEN SIND VIELSEITIG
„Mädchen vertrauen
zu wenig ihren
eigenen Leistungen“
Sie sind diszipliniert, ehrgeizig und sozial – und in vielen Bereichen
erfolgreicher als Jungen. Warum fehlt es Mädchen trotzdem an
Selbstbewusstsein? Ein Gespräch mit der Soziologin und Geschlechterforscherin Waltraud Cornelißen vom Deutschen Jugendinstitut
BRIGITTE: In der Schule ziehen die
Mädchen an den Jungs vorbei. Sie schreiben die besseren Noten, bleiben seltener
sitzen und machen häufiger Abitur.
Warum sind Mädchen so viel besser?
Waltraud Cornelißen: Weil sie den Jungen
sprachlich überlegen sind, das hat die PISAStudie eindeutig gezeigt. Sie können sich
besser ausdrücken und haben ein besseres
Leseverständnis. Davon profitieren sie in
fast allen Fächern. Etwas schlechter als die
Jungen schnitten die Mädchen nur im
mathematischen Bereich ab. Allerdings
waren dort die Differenzen sehr gering.
Sind Mädchen klüger?
Nein. Mädchen und Jungen haben im
Schnitt denselben Intelligenzquotienten.
Aber Mädchen lassen sich stärker in die
Pflicht nehmen. Dadurch schneiden sie in
der Schule besser ab.
Das Klischee vom fleißigen Lieschen
also. Bleiben wir dabei: Was ist heute
„typisch Mädchen“?
Mädchen sind Kleidung und Aussehen
wichtiger. Mädchen spielen mehr drinnen,
Jungen mehr draußen. Mädchen wenden
mehr Zeit auf für Kommunikation, und sie
treffen sich auch häufiger privat als Jungen:
zum gemeinsamen Musikhören, Klönen
und Shoppen. Sie lesen sehr viel mehr als
Jungen und hören auch mehr Radio. Beim
Fernsehen ist es relativ ausgewogen. Dafür
spielen Jungen deutlich mehr am Compu110
ter. Mädchen haben mehr Hobbys, lernen
häufiger ein Musikinstrument, gehen häufiger in die Stadtbücherei. Das, was sich
Bildungsbürger-Eltern wünschen, hat bei
Mädchen viel höhere Chancen, realisiert
zu werden. Aber all diese Stereotype sind
gebrochen: Viele Mädchen toben auch gern
mal, und manche Jungen lesen viel. Die
Eltern bemühen sich, Mädchen die gleichen Freiheiten zu geben wie Jungen. Da
aber vieles in der Erziehung unbewusst
abläuft, gelingt das nicht immer.
Und doch sind Mädchen viel stärker mit
Stereotypen belegt als Jungen. In einer
aktuellen BRIGITTE-Umfrage sagen 87
Prozent der Befragten, Mädchen seien
zickig, während nur etwas mehr als die
Hälfte sich auf ein Schlagwort für Jungen
einigte. Warum sind Mädchen so mit
Klischees behaftet?
Das ist eine schwierige Frage, in dem Umfrageergebnis drückt sich auch eine Abwertung des Weiblichen aus. Der Sonderstatus,
den Kinder heute haben, weil immer weni-
Viele werdende Eltern erhoffen sich
vom Frauenarzt den Satz: „Es wird ein
Mädchen.“ Warum?
Untersuchungen belegen, dass das Verhältnis von Mädchen zu ihren Eltern ungetrübter ist als das von Jungen. Natürlich haben
auch Mädchen Phasen, in denen sie nicht
so gut mit ihren Eltern klarkommen. Aber
die Übereinstimmung mit den Eltern ist bei
Mädchen durchweg größer als bei Jungen.
Tochter-Eltern-Beziehungen sind zudem
emotionaler und enger. Mädchen erzählen,
was sie machen, was sie beschäftigt.
Und wann knallt es?
Handy-Rechnung, Schulleistungen, Ausgehen und Pünktlich-nach-Hause-Kommen
sind die ganz großen Themen. Die meisten
Eltern, die einen Sohn und eine Tochter
haben, machen sich mehr Sorgen um die
Tochter, was eigentlich nicht unserer Lebenswirklichkeit entspricht: Bei Gewalt
unter Jugendlichen sind Jungen nicht nur
häufiger Täter, sie sind auch häufiger Opfer.
Mädchen werden in der Regel geschont.
In der Pubertät bröckelt das Selbstwertgefühl
der Mädchen. Bei den Jungen bleibt es stabil
ger Kinder geboren werden, könnte bei
Mädchen das Prinzessinnenhafte unterstützen. Mädchen inszenieren schon sehr früh
Weiblichkeit: Lange bevor Jungen interessant werden, sind es Schmuck und Mode.
Natürlich gilt das nicht für sexuelle Gewalt,
von der Mädchen stärker betroffen sind
und vor der Eltern so Angst haben.
Gibt es überhaupt Bereiche, in denen die
Mädchen den Jungen hinterherhinken?
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Alle sprechen derzeit über Powerfrauen,
Alphamädchen und die neuen Frauen in
der Politik. Sicher: Die Bundeskanzlerin ist
die erste, die wir haben. Aber das heißt doch
nicht, dass damit die Benachteiligung von
Frauen aus der Welt geschafft ist! Auch die
leistungsstarken jungen Frauen werden in
Deutschland nur dann zum Ziel kommen,
wenn sie entweder ganz auf Familie verzichten oder neue Arrangements finden.
Ist Gleichberechtigung für die Mädchen
von heute denn noch Thema?
Ja. 90 Prozent der Mädchen sagen: Ich will
mir die Hausarbeit mit meinem Partner
teilen. Allerdings haben das nur 75 Prozent
der Jungen vor. Heute haben wir eine
Riesengruppe von Mädchen, die beides
wollen: Beruf und Familie. Eine Einteilung
in die, die ganz für die Familie da sein wollen, und andere, die ganz im Beruf aufgehen
möchten, ist heute kaum mehr möglich.
Die Shell-Studie nennt die Jugend von
heute eine „pragmatische Generation“,
die Lebensgenuss und Selbstverwirklichung schätzt, ohne sich von konservativen Werten wie Leistung und Sicherheit
verabschieden zu wollen.
Heute gibt es den Wunsch, möglichst viele
Lebensaspekte gleichzeitig zu leben. Den
jungen Menschen ist ihre Berufsperspektive
wichtig, gleichzeitig wollen fast alle eine
Paarbeziehung, und der Anteil derer, die
Leistung gilt als männlich. Ein leistungsstarkes
Mädchen wirkt nicht so weiblich, wie es sollte
andere Geschlecht. Das alles unter einen
Hut zu bekommen ist schwierig. Und immer noch gelten für Mädchen andere Maßstäbe. Das beste Beispiel ist die Schule: Man
weiß, dass leistungsstarke Jungen leicht zu
Klassensprechern gewählt werden, für leistungsstarke Mädchen gilt das nicht unbedingt. Leistung macht Jungen sympathisch,
weil Erfolg zum männlichen Rollenbild
passt. Ein leistungsstarkes Mädchen hingegen wirkt nicht so weiblich, wie es sollte.
Anders in den USA: Der amerikanische
Kinderpsychologe Dan Kindlon beschreibt in seinem Sachbuch „Alpha
Girls“ eine neue Schicht von selbstbewussten, hoch motivierten und unabhängigen Mädchen. Wann kommt in
Deutschland die neue weibliche Elite?
sich Kinder wünschen, steigt wieder. Weil
die Berufssphäre als zunehmend unsicher
wahrgenommen wird, gibt es stellenweise
eine Renaissance des Wunsches nach der
kleinen heilen Welt.
Welche Rolle spielen in diesem WerteCocktail Freundschaften?
Mädchenfreundschaften sind anderes als
Jungenfreundschaften. Bei Mädchen gibt
es meistens eine beste Freundin, die als
Beraterin in allen Lebensfragen zur Seite
steht. Die Mädchenfreundschaften sind
persönlicher gefärbt. Jungen unternehmen
viel gemeinsam. Mädchen sprechen viel,
auch über sehr Privates. Und es gibt viel
Gerangel um dieses „Bist du meine beste
Freundin?“ oder „Wenn du meine Freundin
bist, dann darfst du aber nicht … “
… mit dem Ex der Erzfeindin anbandeln?
Wie steht es eigentlich um das Thema
Mädchen und Sex?
Wir haben heute eine unglaubliche Pluralisierung des Umgangs mit Sexualität. Da
gibt es die, die sich von Clique oder Medien
unter Druck setzen lassen und meinen,
schon mit 13 nicht länger warten zu dürfen.
Und es gibt neue konservative Kreise, die
wieder darauf insistieren, dass Mädchen
„rein“ in die Ehe gehen sollen. Der Zeitpunkt des ersten Geschlechtsverkehrs ist
aber über die Jahre immer weiter nach vorn
gerutscht: Mit 16 hatte nahezu die Hälfte
der Mädchen schon Sex.
Untersuchungen besagen, dass Mädchen
einen kleineren Freundeskreis haben,
wenn sie Eltern mit niedrigem Einkommen haben. Bei Jungen gibt es keinen
Einfluss des sozialen Status auf die Anzahl der Freunde. Warum?
Es mag sein, dass Mädchen ihre Freundinnen stärker als Jungen nach deren äußerem
Erscheinungsbild auswählen, jedenfalls die
loseren Kontakte. Das Mädchen, das sich
gut kleiden kann, ist wahrscheinlich beliebter. Das war früher aber auch nicht viel anders. Ich weiß noch: Die erste Klassensprecherin, die wir gewählt haben, war eine, die
täglich weiße Kniestrümpfe getragen hat.
Von den weißen Kniestrümpfen von damals zur Prinzessin Lillifee von heute.
Wagen Sie eine Prognose: Vor welchen
Herausforderungen werden Mädchen im
Jahr 2027 stehen?
Eltern werden immer mehr Miterzieher bekommen. Sie müssen dann selbstbewusst
kooperieren, vielleicht auch mal dagegenhalten. Sehr viel wird auch von den Medien
abhängen: wie sich Mädchen selbst wahrnehmen, was ihre Ideale sein werden. Was
wir jetzt beklagen, dass die Jungen so stark
beeinflusst sind durch die Medien, wird
sich auch für die Mädchen verschärfen.
INTERVIEW: GEORG CADEGGIANINI
Die Soziologin Dr.
Waltraud Cornelißen,
57, ist Leiterin
der Abteilung Geschlechterforschung
und Frauenpolitik am
Deutschen Jugendinstitut in München
Foto: DJI
Bei Mädchen steigt das Selbstbewusstsein
nicht im gleichen Maß wie bei Jungen. Im
Grundschulalter vertrauen Mädchen und
Jungen noch gleich stark auf ihre eigene
Leistungsfähigkeit; ab der Pubertät klafft
das dann auseinander. Obwohl Mädchen
in Leistungstests im Durchschnitt besser
abschneiden als Jungen, fehlt es ihnen
immer noch an Selbstbewusstsein.
Woher kommt das?
Das hat mit gesellschaftlichen Wertvorstellungen zu tun. Kinder erleben, dass der
Vater mehr Geld nach Hause bringt als die
Mutter. Sie nehmen in den Grundschulen
wahr, dass der einzige Mann der Direktor
ist. Und beim Arzt trifft der Doktor die
Entscheidungen, während die Arzthelferin
assistiert. Es könnte sein, dass sich dadurch
für die Jungen eine Art selbstverständliche
Dominanz ergibt, die auf das Selbstbewusstsein der Mädchen drückt…
…und sie vielleicht sogar krank macht?
Die Zahl der Mädchen, die wegen
Depressionen in Behandlung sind, ist
in den letzten Jahren angestiegen.
Von Mädchen wird heute sehr viel und teilweise Widersprüchliches erwartet: Sie sollen intelligent und in der Schule leistungsbereit sein, andererseits weiblich wirken.
Letzteres heißt oft noch: bescheiden sein,
Kompetenzen eher verbergen, sich ständig
Gedanken machen um die Wirkung auf das
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„Ich kann gut
klettern, mit Seil
und Knoten und
ganz weit rauf.“
Camilla, 4
MÄDCHEN SIND SELBSTBEWUSST
Darauf
bin ich stolz!
Sie sind oft viel zu bescheiden. Dabei haben
sie allen Grund, mit ihren Pfunden zu
wuchern. Hier erzählen zehn Mädchen,
was sie an sich selbst besonders gut finden
Foto: Sigrid Reinichs
FOTOS VON ODILE HAIN
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„Ich bin stolz darauf,
Chinesin zu sein. Das ist sonst
niemand in meiner Klasse.“
Liv, 6
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„Ich bin weit und breit
die allerbeste Babysitterin.“
Yara, 16
„Chiva, mein Pony, zickt schon
mal rum, wenn sie schlechte
Laune hat. Nur bei mir bockt sie
nie, da ist sie immer ganz lieb.
Darauf bin ich stolz.“ Corinna, 12
„Ich kann am besten
Kopfstand machen,
ganz lange und
ganz gerade – sogar
mit nur einer Hand.“
Ernestine, 6
„Ich bin stolz auf meine
Unordnung, weil ich
unordentliche Zimmer
gemütlich finde.“ Ella, 8
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Dossier
MÄDCHEN SIND BELIEBT
Räubertochter
und Glamourgirl
Warum Töchter das Beste sind, was einer Frau
passieren kann. Eine Liebeserklärung von BRIGITTEMitarbeiterin Tatjana Blobel
Diese dreckverschmierten Zehen mit
„Stolz bin ich darauf, dass
ich meine Mutter beim
letzten Halbmarathon so
richtig abgehängt habe!“
Felicitas, 14
„Ich bin in Englisch richtig
gut. In der Schule habe ich es
jetzt seit einem Jahr, und
wenn wir in den Ferien nach
England fahren, verstehe
ich schon sehr viel und kann
fast alles lesen.“ Sonia, 10
„Ich habe mich auf dem
Bauernhof getraut, ganz allein
in den Kälberstall zu gehen
und das Kälbchen Joni zu
streicheln.“ Hannah, 5
„Ich bin stolz auf meine
Eltern, weil sie mich beim
Hockeyspielen angemeldet
haben, als ich fünf war.
Allein wäre ich gar nicht auf
die Idee gekommen. Jetzt
habe ich viel mehr Freunde
und bessere Noten im Sport.“
Luisa, 13
den schwarzen Rändern unter den Nägeln.
Ein wenig abgekaut sehen sie aus, darüber
pinkfarbener Glitzerlack. Ich glaube, es ist
dieser Anblick, der mich immer wieder
rührt. Diese unnachahmliche Mischung
aus Räubertochter und Glamourgirl.
Ich habe mir immer Mädchen gewünscht
– im Geheimen. Den anderen erzählte ich,
es sei egal. War aber nicht so. Warum nur,
frage ich mich heute, elf und sechs Jahre,
nachdem meine beiden Töchter auf die
Welt gekommen sind. Vielleicht, weil sie
wie ein Spiegel meiner eigenen Vergangenheit sind. Sie zeigen mir das Mädchen, das
ich war, und das Mädchen, das ich hätte
sein können. Jede auf ihre Weise.
Während der ersten Schwangerschaft tobte
die Große durch meine Träume: frech,
dreckverschmiert, wild und gefährlich. Fast
wie ein kleiner Junge. Ich hatte zwei Brüder,
wild und ungestüm. Ich selber war ordentlich, niedlich und brav. Vielleicht wollte ich
mir beweisen, dass man auch ohne diese
Etikettierungen durchs Leben gehen kann.
Meine Große konnte es von Anfang an. Erst
auf allen vieren: Am Strand von Mallorca
krabbelte sie davon, um bei einer spanischen Großfamilie anzudocken. Juchzend
und ohne sich auch nur einmal umzuschauen. Später dann gehörte jede Matschkuhle ihr, und Schlammschlachten endeten
damit, dass sie und ihre Kumpel sich Pfützenwasser über die Köpfe schütteten.
Innerhalb von Sekunden schafft sie es,
mich an den Rand eines Nervenzusammenbruchs zu treiben und zu Tränen zu rühren,
sie ist wahnsinnig kompliziert und entwaffnend direkt. Als ich es einmal wagte, den
Schmerz einer kaum sichtbaren Schnittwunde an ihrem kleinen Finger anzuzweifeln, baute sie sich vor mir auf und sagte:
„Ich weiß, was mit meinem Körper los
ist, und du mit deinem.“ Den Mut, sich so
klar und deutlich abzugrenzen von der
eigenen Mutter, den hatte ich nie.
Die Kleine ist anders. Irgendwie viel mehr
Mädchen – aber nur auf den ersten Blick.
Sie wartet ab und beobachtet, ist harmoniebedürftig und dickköpfig, sanftmütig
und zickig. „Iiieh, da is ’ne Slange!“: dieser
schaudernde Aufschrei beim Anblick eines
Regenwurms. Erst als sie feststellte, dass
man mit den Viechern wunderbar VaterMutter-Kind spielen kann, war sie mit der
hiesigen Flora und Fauna wieder im Reinen. Schminke? Bei ihr ein Muss. Wangen,
Lippen, Nägel – alles in Knallepink. Hat sie
sich beim ukrainischen Au-pair-Mädchen
abgeschaut. Und natürlich liebt sie Barbies.
Ihre oft mädchenhafte Art fordert mich heraus. „Ich mach es so, wie ich es will!“, sagt
sie dann auf ihre unvergleichliche Art.
So unterschiedlich die beiden sind, so
ähnlich sind sie sich auch. Ich liebe das
Eigenwillige und das Feinsinnige an ihnen,
das Verwurzelte und das Luftige, das Lautstarke und das In-sich-Gekehrte, die Listigkeit, mit der sie versuchen, ihren Willen
durchzusetzen, vom gesäuselten „Ach, bitte,
bitte, liebe Mami“ bis zum gebrüllten „Du
bist ja so bescheuert!“. Ich liebe diese Wucht
der Gefühle, die in ihnen schlummert, und
ihren Mut, sie allen zu zeigen. Ich liebe das
grundlos Vergnügte wie das Himmelhochjauchzend-zu-Tode-Betrübte: „Mama, ich
bin so traurig und weiß gar nicht, warum.“
Meine Mädchen sind typische Mädchen –
und doch auch wieder nicht. Sie pfeifen auf
jegliche Klischees, bedienen sich selbstverständlich aus allen Schubladen und experimentieren damit so lange herum, bis es
passt. Sie selbst sind das, was zählt. Und sie
schaffen mit Leichtigkeit, worum Generationen von Frauen gerungen haben. Sie
sind unabhängig und stark. Sie schöpfen
aus dem prallen Leben und gehen ihren
Weg. Die eine so. Die andere so.
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Dossier
MÄDCHEN SIND VERLETZLICH
„Ich hab geschnitten, bis ich
Ritzen ist eine Massenkrankheit wie Magersucht und Bulimie, jeder vierte Jugendliche hat
Auf Janas linkem Oberarm leuchten
vier rote Striche. „Das sind meine tiefsten
Schnitte“, sagt sie. Mit einem zerbrochenen
Spiegel und einer Rasierklinge hat sie sich
die Haut aufgeschlitzt. „Eigentlich wollte
ich noch tiefer – hab es nicht geschafft.“
Jana, 14, schwarzes Top, dunkle Struwwelpeterfrisur, die Stimme hektisch. „Rede ich
zu schnell?“, fragt sie und ist schon drei
Sätze weiter. Im Schneidersitz sitzt sie auf
ihrem Bett, sie hibbelt, zappelt, wippt vor
und zurück. Ihr Freund daneben ist ganz
ruhig. Sie möchte ihn dabeihaben, wenn
sie ihre Geschichte erzählt.
Knapp ein Jahr ist es her, dass Jana sich das
erste Mal geritzt hat, an einem Freitag im
Herbst war das, sie weiß es noch genau. Ein
schöner Tag, Altweibersommer, und unter
ihrer Französischarbeit prangte eine Sechs.
Es war nicht ihre erste im achten Schuljahr,
aber heute war der Tag X. Jana wollte endlich tun, was sie schon so oft bei einer
Freundin gesehen hatte. Sie wollte sich
schneiden, „ritzen“, sagt sie. Nicht weil sie
Angst hatte vor der Reaktion der Eltern.
Die interessierten sich nicht sonderlich für
ihre Noten. Sondern um sich selbst zu
bestrafen. Jana war immer eine gute Schülerin gewesen, engagiert und neugierig. Und
plötzlich konnte sie nicht mehr mithalten.
An diesem Tag im Herbst stand Jana auf,
nahm den Schlüsselbund aus ihrem Rucksack, ging zur Toilette. Mädchen standen
am Waschbecken, tuschten sich die Wimpern, lachten. Jana öffnete die mittlere Kabine, schob den Ärmel ihres Pullis hoch und
stach den Fahrradschlüssel in den linken
Unterarm. Stach und hakte, wie eine Furie,
bis Blut herausquoll. Tropfenweise. „Jep,
geschafft, die Strafe habe ich verdient.“
In ihrem Tagebuch schrieb sie: „Ihr wurde
schlecht. Vor zehn Minuten hatte sie sich
noch darauf gefreut, ihr Blut zu sehen, auf
die Befreiung gefreut. Jetzt war nichts
davon übrig, nur ein schmerzendes Handgelenk und Wunden, die bluteten.“
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„Klar, Ritzen ist Mode, wie Kiffen halt, viele
machen es“, sagt Jana und fährt sich mit
ihren Händen durchs Haar, als wolle sie
einen Albtraum abstreifen. Jeder vierte Jugendliche hat sich schon mal geritzt, ergab
eine aktuelle Studie der Universität Ulm.
Manche nur einmal. Andere können nicht
mehr aufhören, gieren nach dem nächsten
Schnitt wie ein Alkoholiker nach der Flasche Schnaps. Ritzen ist eine Massenkrankheit wie Magersucht und Bulimie. Besonders betroffen sind Mädchen.
Warum die Mädchen, ausgerechnet?
„Weil sie angepasster sind. Weil sie braver
sind und ihre Aggressionen eher nach innen, gegen das eigene Ich richten“, sagt
Professor Gunther Klosinski, Leiter der
Tübinger Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Immer häufiger sitzen Mädchen in seinem
Sprechzimmer, den Blick zu Boden, auf
den Armen krustige Striemen, Zeichen des
unerträglichen Drucks und der verhängnisvollen Meinung, nur liebenswert zu sein,
wenn sie schön, schlau und fleißig sind.
Sie verletzen sich, um sich zu bestrafen,
ihre Wunden sind Zeugen des Selbsthasses
und Anklage zugleich: „Ich bin anders als
erwartet!“ Hinzu kommt die immer früher
einsetzende sexuelle Reife und das Hinterherhinken der sozialen und intellektuellen Entwicklung, das die Pubertätskrise
vertieft. Sex wird
Mit Scherben in den Medien
und Messern vorgelebt, der
reißen sie
Druck ist extrem
tiefe Wunden hoch, gleichzeiins Fleisch
tig ist da diese
Angst, nicht gut genug zu sein, zu versagen. Eine unerträgliche Spannung.
„Alle Macht dem Proletariat“ hat Jana auf
ihre Zimmerwand gekritzelt, neben ihrem
Bett liegen Bücher von Erich Fried und
Françoise Sagan. Immer wieder springt sie
auf, geht zu ihrem Computer und zitiert aus
Beiträgen in einem Internetforum. Dann
wieder sitzt sie auf ihrem Bett, spricht dis-
tanziert wie eine Therapeutin: Ihr fehle die
Struktur und eine heile Welt. „Na ja, gleichzeitig ist eine heile Welt wohl stinklangweilig.“ Liebe und Geborgenheit ohne heile
Welt also? – „So ähnlich“, sagt sie lachend.
Schon als kleines Mädchen fühlte Jana sich
verantwortlich für die psychisch kranke
Mutter. Dazu der Vater, dem sie nie was
recht machte. Ein cooler Typ, das schon, er
gehe mit ihr auf Punk-Konzerte und habe
ihr schon als Kind aus philosophischen
Werken vorgelesen. In den Arm aber hat er
sie nur einmal genommen: als die Mutter
zum ersten Mal mit dem Krankenwagen in
die Psychiatrie gebracht wurde.
An dem Tag, an dem Jana sich auf der
Schultoilette den Fahrradschlüssel in den
Arm rammte, ging sie nach Hause, nahm
eine Sicherheitsnadel aus dem Nähkästchen, setzte sich auf ihr Bett, öffnete die
Nadel, eine Kerze brannte, Musik dröhnte.
Vier Tage später hatte sie neun Schnittwunden auf dem Arm, von einer Rasierklinge.
Und der Schmerz? „Es tut nicht weh“, sagt
sie. „Es kribbelt, macht dich high. Du vergisst, wie scheiße es dir geht. Aber dann …
Dann fühlst du dich nur noch zum Kotzen.
Noch mehr als vorher.“
In ihrem Tagebuch steht: „Ihr Handgelenk brannte. Sie starrte die frischen Wunden und die älteren Narben an. Wie konnte
sie so bescheuert sein? Da lag die Klinge,
darauf ein winziger Blutfleck. Sie ekelte sich
vor sich selbst. Das Desinfektionsspray
brannte auf ihren Wunden. Sie hoffte, dass
sie so schneller heilen würden, sie wollte
nicht, dass Spuren blieben. Spuren ihres
Selbsthasses. Spuren ihrer Verzweiflung.“
Ritzen wurde für Jana zur Sucht. Ohne
konnte sie nicht mehr einschlafen. Mit
Scherben, Rasierklingen, Messern, Scheren, Nadeln riss sie sich klaffende Wunden
ins Fleisch. Wenn die Klinge in die Haut
sinkt, werden vom Körper Endorphine
mit opiatähnlicher Wirkung ausgeschüttet.
Wenn das Blut fließt, macht sich ein
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keinen Schmerz mehr spürte“
es schon getan. Besonders betroffen sind Mädchen
Glücksgefühl breit, das den Selbstheilungsprozess einleitet und unüberwindbar scheinende Probleme kurzfristig wegwischt. Der
Schmerz, der dann kommt, zeigt: „Hey, ich
lebe noch.“ Ein versteckter Hilfeschrei.
„Sie braucht mich, gleichzeitig signalisiert sie mir: Komm mir nicht zu nahe“, sagt
Anja Petersen*, Mutter von Leonie, 15. Vor
einem Jahr klingelte Anja Petersens Telefon.
Leonies Klassenlehrer sagte: „Ihre Tochter
ritzt sich.“ – „In meinem Bauch tat sich ein
Loch auf. Was bin ich für eine Mutter, dass
ich das nicht gemerkt habe? Klar gehen dir
solche Gedanken durch den Kopf.“
Die meisten Mädchen ritzen sich heimlich, daheim in ihrem Zimmer oder unter
der Dusche. Und doch ist der Wunsch da,
entdeckt zu
Andere hören
werden, MitMusik, wenn
leid und Trost
sie entspannen zu erfahren,
wollen. Emmi
wie früher als
schneidet sich kleines Mädchen, wenn das Knie blutete und die Mutter „Heile, heile Segen“ sang.
Anja Petersen, 49, trägt Jeans und ein dunkles T-Shirt. Sie ist eine selbstbewusste Frau.
Aber wenn sie von Leonie spricht, zittert
ihre Stimme. „Ich war total erschüttert, wie
damals, als ich ihr als Baby aus Versehen
beim Fingernägelschneiden in die Haut
schnitt. Als Mutter versuchst du doch, dein
Kind vor jedem Schmerz zu schützen.“
Leonie ritzte sich über längere Zeit hinweg
heimlich. Jana hingegen machte kein großes Geheimnis daraus. Halbherzig nur
verdeckte sie ihre Schnittverletzungen mit
Stulpen. Als sie die Schnitte sah, machte
Janas Klassenlehrerin einen Termin bei
einer therapeutischen Beratung.
Reinhild Fliethmann, Englischlehrerin am
Tübinger Carlo-Schmid-Gymnasium und
Suchtberaterin, kennt das Phänomen seit
einigen Jahren. „Ritzen ist ein Hilferuf,
genau wie Magersucht“, sagt sie. Deshalb
*Name von der Redaktion geändert
dürften Eltern und Lehrer nicht wegschauen, sondern müssten das Gespräch
suchen. Sofort. Und die Schüler am besten
mit einem Therapeuten in Kontakt bringen. Am Carlo-Schmid-Gymnasium steht
inzwischen ein Suchtprophylaxe-Projekt
auf dem Stundenplan der siebten Klasse.
Emmi, 17, sitzt in einem Beratungszimmer
der Tübinger Kinder- und Jugendpsychiatrie, still und gerade, den schwarzen Pullover über die Handgelenke gezogen, die
Hände im Schoß gefaltet. Ihre langen blonden Haare hat sie zu Dreadlocks gedreht,
ihr hübscher Mund verzieht sich zu einem
Lächeln. Das erste Mal geritzt hat sie sich
mit 13, mit einer Schere, nach einem Streit
mit der Mutter. Sie wollte shoppen gehen,
die Mutter war dagegen, eine Lappalie,
doch wie so oft fühlte Emmi sich unverstanden. „Mit meinen Schnitten kann ich ausdrücken, was ich mit Worten nicht sagen
kann“, erklärt sie: Hey, Leute, seht her, so
geht’s mir, aber ich halt’s aus.
Emmi war in ihrer Klasse unbeliebt und
wurde als ehrgeizige Einser-Schülerin gemobbt. Nachmittags saß sie in ihrem Zimmer. Andere hören Musik oder lesen, um
zu entspannen. Emmi schnitt sich. Mit
dem Ritzen kamen Depressionen, dann
Bulimie und der zwanghafte Wahn, sich
mittels Listen kontrollieren zu müssen.
Ihre Wunden zeigt Emmi nicht, aber sie
erzählt so sanft, dass es einen im Innersten
trifft. „Ich habe geschnitten, bis ich keinen
Schmerz mehr gespürt habe“, sagt sie, „auch
den Seelenschmerz nicht mehr.“ Wenn sie
endlich die „totale Kontrolle über Körper
und Seele“ hatte, empfand sie Stolz. Die
Eltern, die Lehrer, die Freundinnen – sie
alle bemerkten nichts. Erst als Emmi immer
häufiger an Selbstmord dachte, ging sie zu
ihren Eltern, sagte: „Ich glaube, ich muss in
die Klinik.“ Während sie erzählt, versagt
ihre Stimme. „Es kommt alles wieder hoch“,
erklärt sie, den Blick nach innen gerichtet,
sie selbst eine Statue, wie eingefroren.
Nach dem ersten Schock brachten die
Eltern Emmi in die Jugendpsychiatrie. Sie
blieb sieben Monate. „In der Zeit habe ich
viel über mich erfahren. Ich weiß jetzt, was
hinter meinen Selbstverletzungen steckt“,
sagt sie. Die Symptome aber blieben. Emmi
wurde auf eigenen Wunsch entlassen, ritzte
weiter. Zwei Monate später war sie wieder
drin, wurde wieder entlassen. Bis heute ist
sie eine gute Schülerin, aber noch immer
überzieht sie ihren Körper mit blutenden
Wunden. Arme, Bauch, Beine. Sie kann
nicht anders. Es ist eine Sucht.
Vor kurzem ist sie ausgezogen und lebt nun
in einem Studentenzimmer. Sie plant einen
neuen Klinikaufenthalt. Will keine Narben
mehr, die ein Leben lang bleiben. In einer
Verhaltenstherapie soll sie Alternativen zum
Schneiden lernen: auf eine Chilischote
beißen, brennende Cremes auf die Haut
schmieren, spazieren gehen, Bilder betrachten, mit Freunden telefonieren.
Als Anja Petersen erfahren hat, dass ihre
Tochter sich ritzt, hat sie Leonie für eine
Therapie angemeldet und sie ein paar Wochen bei einer beRitzen: Das freundeten Famiist die totale lie untergebracht,
Kontrolle
„Um die in der Puüber Körper bertät unvermeidund Seele
lich auftretenden
Streitigkeiten zwischen Mutter und Tochter
zu reduzieren“, sagt sie. Sie versucht, mehr
für Leonie da zu sein, ihr Geborgenheit zu
geben. Die frischen Wunden auf Leonies
Haut sind seitdem weniger geworden.
Jana hat sich nicht mehr geschnitten, seit sie
ihren Freund hat, sieben Wochen schon.
„Am Anfang saß ich stundenlang auf meinem Bett und sagte mir: ,Du darfst dich
nicht schneiden, du darfst dich nicht
schneiden.‘“ Viele Abende lang, bis der innere Druck nachließ.
„Du tust mir gut“, sagt sie und zwinkert
ihm verschwörerisch zu. „Ich versteh dich“,
antwortet er.
MARIANNE MÖSLE
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Drei für alle Fälle: Antonia
(oben), Kati (rechts) und
Vanessa (links), alle 12 Jahre
alt, kennen sich aus – mit
Heimweh, Liebeskummer,
Blödsinnmachen, Wimperntusche und guten Verstecken
für Handys und Süßigkeiten
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Dossier
MÄDCHEN SIND ZICKIG
Leben im Rudel
Nichts ist für Mädchen so wichtig wie andere Mädchen, und eine
Mädchenfreundschaft ist die Versuchsanordnung für all die großen Gefühle,
die das Leben für uns bereithält. Aber nach welchen Regeln funktioniert sie?
Besuch in einem Mädcheninternat
VON ALENA SCHRÖDER (TEXT) UND HENRIKE HANNEMANN (FOTOS)
er ein Biotop sucht, muss weite Wege
auf sich nehmen. Zwei Stunden südlich von Stuttgart, eine Stunde von
der nächsten Autobahn entfernt, nach
einer langen Fahrt durch winzige
Dörfer, gelangt man nach Wald. Ein
adrettes schwäbisches Dörfchen mit
einem Bushaltestellenhäuschen, zwei Kneipen und Geranien vor
den Fenstern. Mittendrin in dieser Land-Idylle, alle anderen Gebäude überragend, steht eine barocke Klosteranlage: die „Heimschule
Kloster Wald“, ein katholisches Mädcheninternat und Gymnasium.
120 Mädchen zwischen zehn und 19 Jahren leben hier, zusammen
mit ihren Erzieherinnen und 25 Schwestern des Benediktinerordens von der Heiligen Lioba. Tagsüber kommen Schülerinnen aus
der Umgebung hinzu, die das Gymnasium besuchen. Ein reineres
Östrogenkonzentrat lässt sich kaum finden.
Uralte Dielen knarzen in den Gängen, es riecht nach Kirche,
kaltem Stein und altem Holz. Und wenn es um halb zehn zur großen
Pause klingelt, weht der Duft von Himbeerlipgloss und Vanilledeo
durch die Flure, Glitzerballerinas, Miniröcke, ausgelatschte Turnschuhe und zerschlissene Jeans flitzen vorbei. Wie ein Schiff durch
schwere See schiebt sich eine der greisen Schwestern in schwarzer
Nonnentracht, gestützt auf einen Gehwagen, durch den Strom der
Mädchen. „Einen herzigen Rock trägst du da, mein Kind“, sagt sie
zu einer 15-Jährigen im wallend bunten Hippie-Outfit. „Danke,
Schwester“, sagt die höflich, lässt sich segnen und hüpft davon.
Gegenseitiger Respekt und ein strenges Regelwerk – so funktioniert
das Internat. Anders geht es nicht, wenn Nonnen und zungengepiercte Girlies, höhere Töchter aus Adelskreisen und Teenager aus
schwierigen Verhältnissen, die vom Jugendamt nach Wald geschickt
werden, auf so engem Raum zusammenleben. Bis auf die Abiturientinnen teilen sich alle Mädchen kleine Zwei- und Drei-BettZimmer. Der streng durchgeplante Tagesablauf mit Schule, Haus-
aufgabenbetreuung, Musik, Sport, Kunst und Samstagsunterricht,
mit sonntäglichem Gottesdienstbesuch und festen Essens- und
Schlafenszeiten lässt wenig Freizeit. So verbringen die Mädchen beinahe jede Minute zusammen. Wer würde da nicht einen Stall voller
Zicken und Diven vermuten, einen Hanni-und-Nanni-Albtraum
mit Intrigen, Lästereien und Mobbing – eben allem, was das Verhältnis von Mädchen oft so kompliziert macht.
„Nein, so würde das hier nie funktionieren“, sagt Sophia, 17.
„Wir wohnen hier zusammen. Und wenn einer lästert und schlechte
Stimmung verbreitet, leiden wir alle darunter. Außerdem kann hier
keiner eine Rolle spielen oder einen auf cool machen, das hält niemand lange durch. Wir kennen uns einfach zu gut.“ Auch die Harten weinen manchmal vor Heimweh, auch die Schüchternen flippen
mal aus. Wo die eigenen Schwächen kaum zu verbergen sind, hält
man sich besser damit zurück, auf denen anderer herumzuhacken.
Zusammen mit sieben anderen Mädchen wohnt Sophia im „Pavillon“, so heißt ihr Flur, in dessen Zentrum eine Teeküche mit einem
Tisch und einem durchgelegenen Sofa steht. Hier sitzen die Mädchen zusammen, quatschen, helfen einander mit Französischvokabeln und massieren sich gegenseitig die Schultern.
„Natürlich diskutieren wir auch viel. Ohne klare Ansagen geht
gar nichts, hier sagen alle gleich direkt, was sie stört“, erzählt die
17-jährige Claire, die neben Sophia auf dem Flur wohnt. Die besten
Freundinnen sind die beiden sicher nicht, aber sie verstehen sich gut,
obwohl sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Sophia, die adrette
Polohemdenträgerin mit langjähriger Ballettausbildung, Claire, der
Einzelgängertyp mit leicht düsterer Aura und frisch rasiertem Kopf.
„Ich mag Claire, und ich wohne gern neben ihr, aber ich könnte nie
mit ihr ein Zimmer teilen“, sagt Sophia. „Ich bin manchmal ein
bisschen egoistisch“, sagt Claire. „Manchmal? Du bist immer egoistisch, du erwartest immer, dass andere Leute deinen Kram erledigen“, sagt Sophia. „Deshalb werden wir wohl nach dem Internat
auch nichts mehr miteinander zu tun haben“, sagt Claire. Das hat
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Dossier
Außen wie innen –
ein Mädchenidyll.
Die Bewohnerinnen
der Heimschule
Kloster Wald teilen
alles miteinander:
den Schulalltag,
ihre Zimmer,
ihre Freundinnen
und die große
Schaukel im Garten
nichts Spitzes oder Verletztes. Beide wissen, dass das die Wahrheit
ist, und finden es völlig okay. Die Macken der anderen akzeptieren,
Grenzen setzen und sich an die der anderen halten, das lernt man
schnell in Wald. Wären sich Claire und Sophia auf einer normalen
Schule begegnet – wo die Ponyhofmädchen und die Coolen aus der
Raucherclique schon aus Prinzip nichts miteinander zu tun haben
wollen –, dann hätten sie sich wohl niemals richtig kennen gelernt.
„Hier ist es viel weniger oberflächlich als in einer normalen Schule,
keiner wird einfach so nach Äußerlichkeiten beurteilt“, sagt Sophia.
„Ja, wirklich, man kann hier auch im Schlafanzug oder in Sackleinen
rumlaufen“, sagt Claire. „Es sei denn, es ist schlecht kombiniert!“
anz frei von Gruppenzwängen ist eben auch die Internatsgemeinschaft nicht. Sonst wäre sie auch fast ein bisschen
unheimlich, diese Harmonie. Beim Mittagessen in der
Mensa kein Kreischen, kein Schubsen, kein Vordrängeln am Salatbuffet. Und wenn es am Tisch der Elfjährigen doch mal laut wird,
reicht ein genervter Blick der älteren Schülerinnen. Wer sein Gemüse nicht aufisst, bekommt keinen Nachtisch, basta! „Und geh dir
mal die Hände waschen vor dem Essen, die sind total dreckig“, sagt
eine Elftklässlerin mütterlich-streng zu einer Jüngeren, die zwar die
Augen verdreht, dann aber ihren Teller mit Spaghetti abstellt und
sich in Richtung Badezimmer trollt. „Die erziehen sich hier gegenseitig, das klappt ganz hervorragend“, sagt eine der Lehrerinnen. Wo
Eltern und Geschwister abwesend sind, sind die Mädchen einander
Korrektiv und Familienersatz. Nicht bei den Erzieherinnen holen
sich die Jüngeren Lob, Bestätigung und Streicheleinheiten ab, sondern bei den Schülerinnen der Oberstufe. Und die genießen es,
bewunderte Vorbilder zu sein. So sind neben den strengen offiziellen
Internatsregeln eine ganze Reihe ungeschriebener Gesetze entstanden: Die Älteren helfen den Jüngeren, Petzen ist verboten, Lästern
nur über „Externe“ erlaubt, die Ordensschwestern werden nicht
geärgert, und Tokio Hotel ist die uncoolste Band der Welt.
„Iihh, die gehen gar nicht, die findet hier echt keiner gut“, sagt
Antonia, 12. „Genau, die sehen ja wohl total krank aus“, pflichtet
Kati bei, ebenfalls 12 Jahre alt und Antonias Mitbewohnerin. Silbermond, Juli, Gwen Stefani, die sind cool – schließlich haben hier
Frauen das Mikrofon in der Hand.
Die Wände ihres mit zwei Betten, zwei kleinen Tischen und einem
Waschbecken eher spärlich eingerichteten 15-Quadratmeter-Zimmers haben die beiden mit Postkarten und Ausrissen aus Mode120
zeitschriften dekoriert, keine Poster von Brad Pitt oder irgendwelchen Boygroups. Beinahe eine männerfreie Zone, bis auf das
schwarz-weiße Kunstposter, das Bauarbeiter auf einem Stahlträger
über den Dächern New Yorks zeigt, und ein Foto von Papst Benedikt, das Kati zwischen ihre Postkartensammlung gepinnt hat.
icht, dass Jungs in Wald keine Rolle spielen würden. „Na
ja, vor allem die Älteren sind total jungsgeil, die sind alle
voll in der Pubertät“, sagt augenrollend die 12-jährige
Evelyn, die bei Kati und Antonia auf dem Flur wohnt und mit viel
Sorgfalt roten Lippenstift aufgelegt hat. Antonia, die „schon fast 13“
ist und wegen ihrer Größe und der rauchigen Stimme älter als die
anderen wirkt, hat selbstverständlich einen Freund, aber „privat“,
also in ihrem Heimatort. Und die zarte blonde Kati hatte mal einen,
„aber der wollte keine Fernbeziehung“. Sich nur in den Ferien und
ab und zu am Wochenende zu sehen, macht eine Teenie-Liebe eben
schwierig. Manchmal, wenn im großen Gewölbekeller des Internats
eine Party veranstaltet wird, werden in großen Reisebussen die Jungs
aus Ettal vorgefahren, einem befreundeten katholischen Jungeninternat. Fast wie ein Zoobesuch sei das dann, raunen die älteren
Mädchen: ein bisschen gucken, ein bisschen anfassen.
„Ich finde es eigentlich ganz gut, dass hier keine Jungs sind, so
können wir uns besser auf die Schule konzentrieren, und es gibt
nicht so viel Zickenkrieg“, sagt Antonia. In Physik zu glänzen und
in Mathe gut zu sein ist für die Mädchen genauso wichtig wie eine
gute Note in Englisch oder Deutsch. Ohne Jungs in der Klasse gibt
es auch keine Rabauken und Clowns, die die Aufmerksamkeit von
Lehrern und Mitschülern auf sich ziehen, schlechten Leistungen den
Anstrich cooler Lässigkeit geben und die, die gute Noten schreiben
oder sich tatsächlich für den Stoff begeistern, zu Strebern abstempeln. Bei den zahlreichen Sport-AGs, die die Mädchen belegen
können, ist Fußball genauso beliebt wie alle anderen Sportarten
auch. Und bei der handwerklichen Ausbildung, die die Schülerinnen ab der Oberstufe parallel zum Abitur absolvieren können,
entscheidet sich ein Drittel der Mädchen nicht für eine Schneider-,
sondern für eine Schreiner- oder Holzbildhauerlehre.
„Aber das Allerbeste daran, dass es hier keine Jungs gibt, ist, dass zum
Beispiel Antonia einen Freund haben kann und trotzdem noch
meine Freundin ist und immer Zeit für mich hat“, sagt Kati. Klar
sind die beiden so etwas wie beste Freundinnen – wenn man sich ein
Zimmer teilt, ist man sich automatisch nah. „Vor allem kurz vor dem
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Einschlafen, wenn plötzlich traurige Gedanken kommen, bin ich
froh, dass ich Antonia habe“, sagt Kati. Aber als wirklich exklusive
Zweier-Freundschaft sehen sie ihre Beziehung nicht. „Mit vielen
ist es doch eh immer lustiger“, sagen sie. Ständig klopft es an der
Zimmertür, andere Mädchen lümmeln sich auf Katis Bett, und
besonders sonntags, wenn sich die Mädchen für den Gottesdienst
aufbrezeln, ist bei Antonia und Kati viel los. „Wir sind nämlich
hier das Beauty-Zimmer“, erklärt Kati. Und tatsächlich haben die
beiden eine beeindruckende Palette an Cremes, Parfümpröbchen
und Gesichtsmasken vorzuweisen. Jungs hin oder her, schön und
dünn sein ist den Mädchen wichtig.
Sie kneifen in imaginären Speck an ihren dünnen Kinderkörpern, wissen über Gewicht, Diäten, Cellulite und Fettzellen bestens
Bescheid. Kati möchte Model werden, weil man da viel von der Welt
sieht. „Aber ich weiß nicht, ob ich dafür schön genug bin“, sagt sie.
„Oh Mann, hört auf damit“, ruft Vanessa und fällt ihren Freundinnen um den Hals, „ihr seid alle schön.“ Am schönsten, ganz klar,
sei die Evelyn, und weil die auch noch total nett ist, ist auch keine
neidisch. Vanessa kann am besten trösten. Kati hat immer Zeit
und einen guten Rat, mit Antonia kann man am besten Blödsinn
machen. Die Finger ineinander verschränkt und die Beine übereinandergelegt erzählen die Mädchen, was sie an den anderen toll
finden und was sie manchmal nervt. Gibt es hier Krach, geht es meist
ums Aufräumen. Oder wer am Freitag, dem offiziellen Putztag, als
Erstes den Staubsauger bekommt. Weil ein eskalierender Streit die
ganze Gruppe durcheinanderbringt, ist tagelang zelebriertes Beleidigtsein und Nicht-miteinander-Reden einfach nicht drin.
nd dann erzählen sie kichernd noch ein paar Räuberpistolen, in denen es ums Rauchen und ums Trinken und ums
Knutschen geht und darum, wer sich bei den Lehrern und
Erzieherinnen was besonders Unerhörtes getraut hat. Die sind
manchmal natürlich „voll bescheuert“ und „total ungerecht“ – so
wie es sonst eben meistens die eigenen Eltern sind.
Und trotzdem: Bei aller Albernheit und gelegentlicher Angeberei
sind die Mädchen eigentlich sehr vernünftig. Obwohl keine von
ihnen sonderlich religiös ist, finden sie es klasse, dass die Ordensschwestern mit im Haus leben und für sie beten, wenn in der Schule
wichtige Klausuren anstehen. „Und dass die Schwestern alles miteinander teilen und nicht so materialistisch sind“, sagt Kati. Sie
wissen, dass das Leben als Supermodel ein Kleinmädchentraum ist,
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der sich irgendwann von selbst erledigt – und dass Erwachsene viel
lieber hören, dass man eine berühmte Hirnforscherin werden will.
Abends gegen 21 Uhr, wenn die Kleinen längst im Bett liegen
sollten, huschen noch einmal zwei Gestalten durch die Flure. Antonia
und Kati schleichen hoch zu „den Großen“, zu Sophia, Claire und
den anderen Mädchen in die Teeküche. Dort sitzen die Elftklässlerinnen und reden über das anstehende Heimfahrtwochenende.
Dann haben auch die Internatsschülerinnen ein ganz normales Leben, in dem sie tanzen, Jungs treffen und die Nächte durchfeiern.
Aufregende, verheißungsvolle Pläne, denen Antonia und Kati rotwangig lauschen. Dann werden sie noch ein bisschen gedrückt und
beschmust, ermahnt, endlich wieder zur Nachhilfe zu gehen und
nicht so viel Quatsch zu machen – und wieder nach unten ins Bett
geschickt. „Voll cool und total nett, die Großen“, findet Antonia.
Mit der Nacht kehrt wieder die sakrale Ruhe in die Mauern der
Heimschule Kloster Wald ein. Schwach hört man durch einige Zimmertüren noch ein bisschen Musik oder die Stimmen einer BibiBlocksberg-Kassette, ein paar der älteren Mädchen sitzen auf ihren
Fensterbrettern und schauen in die
Nacht. Sie wissen, dass es da draußen
auch ein anderes, weniger behütetes
Teenie-Leben gibt, eines, in dem sie
niemand zum Gottesdienstbesuch
zwingt, ihre Handys konfisziert und
ihren Fernsehkonsum auf öffentlichrechtliche Sender beschränkt. Ein
Leben, in dem sich Freiheit und Abenteuer nicht nur auf die Ferien beschränken und sie viel mehr über die
Stränge schlagen könnten. Manchmal
träumen sie ein bisschen davon. Wirklich vermissen tun sie es nicht.
Ersatzfamilie:
Carolina aus
Mexiko (links)
und Sung aus
Korea machen
Erinnerungsfotos. Ihre Zeit
im Internat geht
bald zu Ende
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Dossier
MÄDCHEN SIND UNTERNEHMUNGSLUSTIG
Noch mehr Spaß mit Mädchen!
Hier können Sie was erleben – und zwar zusammen mit Ihrer Tochter.
Mädchen erzählen uns, was sie am allerliebsten mit ihren Eltern machen
Eis essen
Gesichter anmalen
Papiertiere falten
„Ich spiele am liebsten Eisdiele: Der Papa
macht das Eis, ich kaufe es, und die Mama
isst es. Und wenn der Papa kein Eis macht,
weil er dann die Küche putzen muss, dann
kaufen wir Eis und Waffeln im Supermarkt,
das geht auch.“ Gianna, 7
Auf www.chefkoch.de verraten Hobbyköche mehr als 500 Eisrezepte
„Schminken. Dann sind alle bunt. Das ist
viel schöner, als wenn alle nicht bunt sind.
Die Mama kann gut Fische schminken.
Dem Papa hab ich mal Glitzer auf seine
große Nase geschmiert. Der war dann eine
Fee, das sah lustig aus.“ Camilla, 4
Schminkkästen gibt es von „Eulenspiegel“ oder „Eberhard Faber“
„Mein Vater hat ein Origami-Buch gekauft.
Wenn es regnet, nehmen wir buntes Papier
und falten alle möglichen Tiere daraus.“
Hanna-Sophie, 14
Gut erklärte Faltanleitungen finden Sie in
Miyuki Laczas Buch „Origami. Kinderleichte Falt-Ideen“ (32 Seiten, 6,90 Euro,
Christopherus)
Selbstverteidigung für
Mädchen
Disco im Wohnzimmer
Flugzeuge gucken
„Neulich haben meine Eltern mir und
meinem Bruder ihre alten Schallplatten vorgespielt, wir haben noch einen Plattenspieler im Wohnzimmer stehen. Am Ende
haben wir die Musik auf ganz laut gedreht
und wild zusammen getanzt wie auf einer
Party. Das war lustig, und Mama und Papa
haben am Ende sogar ein bisschen geknutscht, das war eigentlich peinlich, aber
irgendwie auch schön, weil man sehen
konnte, dass die beiden doch noch ineinander verliebt sind.“ Paula, 11
„Mit meinen Eltern mache ich am liebsten
eine Radtour am Flughafen entlang. Leider
schaffen wir fast nie eine ganze Runde,
weil wir immer viel zu sehr mit den Flugzeugen beschäftigt sind, die da starten und
landen.“ Luisa, 13
Gute Tipps für Fahrradtouren mit Kindern
bekommen Sie auf der Homepage des
Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs,
www.adfc.de
„Ich war mit meiner Mutter zusammen bei
einem Selbstverteidigungskurs, ein ganzes
Wochenende lang. Da haben wir beide
gute Tricks gelernt, wenn es mal einen
Notfall gibt. Und ich hatte Mama zwei Tage
nur für mich, das war schön.“ Julia, 9
Selbstverteidigungskurse werden von
Polizeidienststellen, Volkshochschulen
und Sportvereinen angeboten
Nasch-Memory spielen
„Ich spiele mit meinen Eltern am liebsten
Nasch-Memory. Das geht so: Man nimmt
lauter weiße Plastikbecher, und unter die
legt man verschiedene Süßigkeiten, aber
zwei Süßigkeiten sind immer gleich, zum
Beispiel zwei rote Gummibärchen. Und
dann muss man die finden. Wenn man sie
gefunden hat, darf man sie aufessen. Am
besten finde ich, dass ich immer gewinne.
Und wenn Papa auch mal Süßigkeiten findet, dann gibt er sie mir.“ Greta, 5
Noch mehr kreative Kinderspiele finden
Sie unter www.kidsweb.de
Fotos anschauen
„Neulich haben uns meine Eltern Dias gezeigt aus der Zeit, als wir noch gar nicht
geboren waren. Sie haben ganz viel über
sich erzählt: Wie sie gelebt haben, was für
Urlaube sie gemacht haben und wie sie
sich kennen gelernt haben. Ich fand das
gut, weil man sich ja sonst nicht so richtig
vorstellen kann, dass auch Eltern einmal
jung waren. Ich habe gedacht: Mann, die
waren ja mal richtig cool! Nur Mamas Frisur, die war echt unmöglich.“ Anne, 16
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Angeln fahren
„Ich fahre mit meinem Papa campen und
angeln, zum Beispiel an die Weser. Das ist
schön ruhig, und wir haben endlich Zeit
zum Reden. Die Fische, die wir fangen,
schmeißen wir aber wieder ins Wasser,
damit sie weiterleben.“ Marisa, 14
Campingplätze in Europa beschreibt und
bewertet der ADAC in seinem „ADAC
Camping-Caravaning-Führer“ (863 Seiten, 17,90 Euro). Hier erfahren Sie auch,
ob es dort einen Abenteuerspielplatz
oder ein Kinder-Ferienprogramm gibt
Lesen im Café
„Meine Mama und ich lesen gern. Manchmal gehen wir zusammen in die Bücherei
und leihen uns ganz viele Bücher aus. Danach gehen wir in ein Café und bestellen
Marzipantorte und fangen an zu lesen. Das
finde ich sehr gemütlich.“ Kati, 12
Kino im Wohnzimmer
„Am Wochenende leihen meine Mama und
ich abends manchmal eine DVD aus, und
ich darf mir etwas Ungesundes zum Essen
wünschen. Ich mag am liebsten Cola,
Hamburger und Pommbären. Dann macht
Mama ein Buffet auf dem Bügelbrett, weil
nicht alles auf den Sofatisch passt, ich
ziehe meinen Schlafanzug an, wir kuscheln
uns nebeneinander und gucken fern und
essen dabei, und danach muss ich ganz
schnell ins Bett. Das ist viel schöner als
allein gucken.“ Henriette, 10
Der BRIGITTE-DVD-Tipp für den perfekten Mutter-Tochter-Abend: „Little Miss
Sunshine“ – kein Familien-Roadmovie ist
schöner, rührender und durchgeknallter
Billard spielen
„Ich gehe manchmal mit meiner Mutter
Billard spielen. Wir können das beide nicht
so richtig gut, und deshalb lachen wir dabei die ganze Zeit.“ Svea, 16
Was ist für Sie „typisch Mädchen“?
www.brigitte.de/dossier
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