Beratung und Begleitung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch
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Beratung und Begleitung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch
Beratung und Begleitung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch Unterstützungsmöglichkeiten zur Förderung einer gelingenden Elternschaft Counseling and guidance of women with bipolar disorder wishing to have children Opportunities to support and promote successful parenthood Masterarbeit Zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts in Social Sciences (MA) der Fachhochschule FH Campus Wien Vorgelegt von: Isabel Weimer Personenkennzeichen 1210534076 Erstbegutachter/in: Mag. (FH) Josef Schörghofer Zweitbegutachter/in: FH-Prof. Mag. Dr. Johannes Vorlaufer Eingereicht am: 17.10.2014 Erklärung: Ich erkläre, dass die vorliegende Masterarbeit von mir selbst verfasst wurde und ich keine anderen als die angeführten Behelfe verwendet bzw. mich auch sonst keiner unerlaubter Hilfe bedient habe. Ich versichere, dass ich diese Masterarbeit bisher weder im In- noch im Ausland (einer Beurteilerin/einem Beurteiler zur Begutachtung) in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe. Weiters versichere ich, dass die von mir eingereichten Exemplare (ausgedruckt und elektronisch) identisch sind. Datum: ................................. Unterschrift: ............................................................... Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich bei all den Menschen, die mich bei der Entstehung dieser Arbeit unterstützt haben bedanken. Mein ganz besonderer Dank gilt dabei meinen Interviewpartnerinnen, die diese Arbeit durch ihre Bereitschaft, mir von ihren ganz persönlichen Lebenserfahrungen zu erzählen, erst ermöglicht haben. Ich danke ihnen allen für ihre Offenheit und das mir entgegengebrachte Vertrauen. Ihre Erzählungen zum Kinderwunsch und der Elternschaft bilden die Basis dieser Arbeit. Neben der rein wissenschaftlichen Untersuchung stellte der Gesprächsaustausch für mich auch eine persönliche Bereicherung dar. Die Fähigkeiten der Frauen teilweise sehr schwierige Lebenssituationen zu meistern hat mich tief beeindruckt und mir dabei geholfen mich im oft hektischen Alltag auf die wesentlichen Dinge zurückzubesinnen. Ebenso danke ich den ExpertInnen für ihre Interviewteilnahme und ihre damit verbundene Bereitschaft mich an ihrer Expertise teilhaben zu lassen. Ihre Einschätzungen und die fachliche Expertise stellen eine wichtige Ergänzung zu den Gesprächen mit den betroffenen Frauen dar. Zudem danke ich Josef Schörghofer, dem Betreuer meiner Masterarbeit, für sein Interesse an der Thematik und seine vielfältigen Anregungen während des Entstehungsprozesses. Meinen beiden Kommilitoninnen Ina und Bianca danke ich für ihre tatkräftige Unterstützung bei der Kategorienbildung und Auswertung der Interviews, sowie ihre wertvollen Tipps während des Schreibprozesses. Dank gebührt auch meiner Familie, ohne die das Masterstudium nicht möglich gewesen wäre, und meinem Vater für die sorgfältige Überprüfung der Arbeit hinsichtlich formaler Kriterien. Meinem Freund Martin danke ich für seine Korrekturen, sowie die vielen hilfreichen Anregungen, aber auch für seine emotionale Unterstützung. i Kurzfassung Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Beratung und Begleitung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankter Mütter. Anhand von Leitfragen wird untersucht mit welchen besonderen krankheitsbezogenen Herausforderungen bipolar erkrankte Frauen im Zeitraum von der Entstehung des Kinderwunsches bis zum dritten Lebensjahr des Kindes konfrontiert sind. Daneben wird der Fokus auf Faktoren gerichtet, die bipolar erkrankte Frauen und Mütter darin fördern bzw. hindern, die mit der Elternschaft verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. Ziel ist es, durch die Zusammenführung dieser Erkenntnisse die Forschungsfrage inwiefern Klinische Soziale Arbeit durch Unterstützungsmöglichkeiten zur Förderung einer gelingenden Elternschaft beitragen kann zu beantworten und Implikationen für die Praxis abzuleiten. Zur Bearbeitung des Forschungsgegenstandes wurden fünf episodische Interviews mit bipolar erkrankten Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankten Müttern und drei leitfadengestützte ExpertInneninterviews geführt, die themenanalytisch ausgewertet wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass bipolar erkrankte Frauen mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert sind. Einerseits müssen die Frauen zwischen eigenen krankheitsbezogenen Bedürfnissen und Bedürfnissen des (potentiellen) Kindes abwägen, da diese oftmals nur schwer miteinander vereinbar scheinen. Zum anderen erschweren Stigmatisierungserfahrungen im gesellschaftlichen und professionellen Kontext die Inanspruchnahme von Hilfen. Ferner konnte offengelegt werden, dass die Beratung und Begleitung bipolar erkrankter Frauen auch für professionelle HelferInnen eine Herausforderung darstellt, wenn diese zwischen dem Wohl der Mutter und dem Wohl des Kindes abwägen müssen. Es wird ersichtlich, dass die derzeitige Versorgungssituation bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch / mit Kind lückenhaft ist und die interprofessionelle Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen optimiert werden muss. Um Frauen bereits frühzeitig erreichen zu können ist ein niedrigschwelliges Angebot und das Zurverfügungstellen einer kontinuierlichen Betreuung immens wichtig, genau wie der Einbezug der Partner und naher Angehöriger in die Versorgung. Klinische Soziale Arbeit weist durch ihre Gesundheitsperspektive und ihre Ganzheits-, Querschnitts-, und Klinische Kompetenz Potenziale auf, die gewinnbringend in der Unterstützung von bipolar erkrankten Frauen mit Kinderwunsch, sowie bipolar erkrankten Müttern eingesetzt werden können. ii Abstract This article examines the support and counseling of women with bipolar disorder who are mothers or desire to have children. Guided interviews are used to find out which specific illness-related problems these women face. The examined time period ranges from when the first wish to have children is expressed until the children of the women have reached the age of three. At the same time there will be a focus on factors that especially help or hinder women and mothers dealing with the challenges posed by parenthood. The article aims at finding out how clinical social work can help bipolar women manage parenthood, which support is needed and what the implications at the practical level are. To examine the posed question five episodic interviews were conducted with woman with bipolar disorder. Of the interviewed women some already were mothers whilst the others had a strong desire to have children. Additionally three guided interviews were conducted with experts. The interviews were explored with a thematic analysis. The results show that woman with bipolar disorder are confronted with many challenges. On the one hand they have to balance the needs of a (potential) child with their own illness-related needs. These needs often seem incompatible. On the other hand previous stigmatization experiences in social and professional contexts let many women with bipolar disorder shy away from taking advantage of offered support measures. Furthermore it could be shown that professional helpers counseling women with bipolar disorder face a big challenge if they have to weigh up what is in interest of the child and what in the interest of the mother. It becomes obvious that the current care situation is fragmented and that interprofessional cooperation of different disciplines is necessary and needs to be optimized. To reach women already in an early stage a low-threshold support structure and the provision of continuous counseling is of utmost importance. At the same time partners and next of kin need to be included. Clinical Social work has a great potential to support women with bipolar disorder desiring to have children as well as mothers with bipolar order as its health centered, entirety and cross-sectional approach is of great advantage in this situation. iii Abkürzungsverzeichnis DIMDI Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DGBS Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. DSM IV Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders Exp. ExpertIn ICD-10 International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10. Revision IFSW International Federation of Social Workers IP InterviewpartnerIn KSA Klinische Soziale Arbeit WHO World Health Organisation iv Schlüsselbegriffe Bipolare Erkrankung Beratung Kinderwunsch Elternschaft Mutterschaft v Inhaltsverzeichnis Danksagung ........................................................................................ i Kurzfassung....................................................................................... ii Abstract ............................................................................................. iii Abkürzungsverzeichnis ................................................................... iv Schlüsselbegriffe............................................................................... v 1. Einleitung ..................................................................................... 1 1.1 1.2 Relevanz der Thematik ................................................................................ 2 Forschungsziel und Aufbau der Arbeit ......................................................... 3 2. Das Krankheitsbild der bipolaren Störung ................................ 6 2.1 2.2 2.3 Diagnostische Kriterien der bipolaren affektiven Störung nach ICD-10 ....... 7 2.1.1 Symptome einer depressiven Episode ........................................................... 7 2.1.2 Symptome einer manischen Episode ............................................................. 8 2.1.3 Symptome einer gemischten Episode .......................................................... 10 2.1.4 Entgegengesetzte Episoden - die bipolare affektive Störung ........................ 10 Prävalenz ................................................................................................... 12 Geschlechtsspezifische Unterschiede ....................................................... 14 3. Kinderwunsch und Elternschaft bipolar erkrankter Frauen ... 15 3.1 3.2 3.3 3.4 Zum Begriff des Kinderwunsches .............................................................. 16 Bedeutung von Kinderwunsch und Elternschaft ........................................ 17 Erklärungsansätze zur Entstehung des Kinderwunsches .......................... 19 3.3.1 Ökonomische Erklärungsansätze reproduktiven Verhaltens ......................... 20 3.3.2 Reproduktives Verhalten unter dem Blickwinkel der Individualisierung ......... 21 Das Konzept der reproduktiven Kulturen ................................................... 22 3.4.1 Muster I: Der stabile Kinderwunsch als biografische Konstante .................... 22 3.4.2 Muster II: Die generalisierte Akzeptanz von Kindern .................................... 23 3.4.3 Muster III: Entwicklungs- und situationsabhängige Kinderwunschproduktion 24 3.5 Reproduktive Risiken im Kontext der bipolaren Erkrankung ...................... 26 3.6 Stigmatisierung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch und bipolar erkrankter Mütter .................................................................................................. 30 vi 4. Mögliche Auswirkungen einer bipolaren Erkrankung eines Elternteils auf die Lebenssituation der Kinder .............................. 35 4.1 Bio-psycho-soziale Auswirkungen ............................................................. 36 4.1.1 Die biologische Ebene.................................................................................. 37 4.1.2 Die psychologische Ebene ........................................................................... 39 4.1.2.1 4.1.3 Auswirkungen unter dem Blickwinkel der Bindungstheorie ....................... 41 Die soziale Ebene ........................................................................................ 43 4.2 Faktoren zur Einschätzung des Belastungspotentials der Kinder bipolar erkrankter Eltern ................................................................................................... 46 4.3 Fünf Kriterien zur Einschätzung der mütterlichen Kompetenz nach Matakas ................................................................................................................ 48 4.4 Das Konzept von Resilienz und Vulnerabilität ........................................... 50 4.4.1 Definitionen .................................................................................................. 51 4.4.2 Kindzentrierte Resilienzfaktoren ................................................................... 52 4.4.3 Familienzentrierte Resilienzfaktoren ............................................................. 54 4.4.4 Umweltzentrierte Resilienzfaktoren .............................................................. 56 4.5 Krankheitserfahrung als Erziehungsressource & Entwicklung von Potentialen ........................................................................................................... 57 5. Soziale Arbeit als Lebenskunst- und Menschenrechtsprofession: Die Förderung der gelingenden Elternschaft als Aufgabe Klinischer Sozialer Arbeit? .............................................. 59 5.1 Ethische Herausforderungen ..................................................................... 63 6. Unterstützungsmöglichkeiten Klinischer Sozialer Arbeit ...... 66 6.1 6.2 Formen der psychosozialen Versorgung nach Ludewig ............................ 66 Klinisch-sozialarbeiterische Beratung und Behandlung ............................. 70 6.2.1 Definition klinisch-sozialarbeiterischer Beratung und Behandlung ................ 71 6.2.2 Bestimmung psychosozialer Beratung als Interventionsform der Klinischen Sozialen Arbeit ........................................................................................................ 73 6.2.3 Die Gesundheitsorientierung Klinischer Sozialer Arbeit als Potential zur Förderung einer gelingenden Elternschaft ............................................................... 74 7. Zwischenbetrachtung ............................................................... 76 7.1 7.2 Forschungsfeld .......................................................................................... 76 Formulierung der Forschungsfrage............................................................ 77 8. Der qualitativ empirische Zugang ............................................ 80 8.1 Zielgruppe .................................................................................................. 82 8.1.1 Zugang zum Untersuchungsfeld ................................................................... 83 8.1.2 Beschreibung der einbezogenen Fälle ......................................................... 85 vii 8.2 8.3 8.4 8.5 Datenerhebung .......................................................................................... 87 8.2.1 Das episodische Interview ............................................................................ 88 8.2.2 Das leitfadengestützte ExpertInneninterview ................................................ 90 Interviewdurchführung ............................................................................... 91 Transkription .............................................................................................. 92 Auswertungsmethode ................................................................................ 94 9. Darstellung der Ergebnisse und Interpretation ....................... 97 9.1 9.2 Bipolare Erkrankung .................................................................................. 97 9.1.1 Verlauf und Erleben der Erkrankung ............................................................ 98 9.1.2 Diagnose / Kenntnis der Erkrankung .......................................................... 100 9.1.3 Krankheitsbedingte Einschränkungen ........................................................ 101 Kinderwunsch .......................................................................................... 103 9.2.1 Entstehung ................................................................................................. 104 9.2.2 Ängste und Bedenken ................................................................................ 106 9.2.3 Prozess der Kinderwunscherfüllung ........................................................... 107 9.2.4 Thematisierung im medizinischen / psychiatrischen Kontext ...................... 108 9.3 Gesundheit bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch / bipolar erkrankter Mütter ................................................................................................ 110 9.4 9.5 9.6 9.3.1 Reproduktive Risiken ................................................................................. 111 9.3.2 Salutogene und pathogene Faktoren ......................................................... 113 Gesundheit des Kindes ............................................................................ 117 9.4.1 Reproduktive Risiken ................................................................................. 117 9.4.2 Salutogene und pathogene Faktoren ......................................................... 118 Elternschaft mit bipolarer Erkrankung ...................................................... 120 9.5.1 Herausforderungen .................................................................................... 120 9.5.2 Bewältigungsstrategien .............................................................................. 122 9.5.3 Ressourcen ................................................................................................ 124 Unterstützungsmöglichkeiten ................................................................... 126 9.6.1 Wichtige Voraussetzungen ......................................................................... 126 9.6.2 Anlässe der Unterstützung ......................................................................... 128 9.6.3 Klinische Soziale Arbeit im Spannungsfeld zwischen dem Wohl des Kindes und dem Wohl der Mutter ...................................................................................... 129 9.6.4 Weitere Schwierigkeiten im Zugang / der Versorgung ................................ 131 9.6.5 Formen der Unterstützung.......................................................................... 133 9.7 Versorgungssituation und gesellschaftlicher Umgang mit der Erkrankung ......................................................................................................... 137 9.7.1 Ist-Zustand der Versorgung ........................................................................ 137 9.7.2 Erforderliche Veränderungen ..................................................................... 139 viii 10. Der Kinderwunsch / die Elternschaft bipolar erkrankter Frauen – ein Resümee .................................................................. 141 10.1 10.2 10.3 Hypothesenbildung .................................................................................. 142 Limitationen der Untersuchung ................................................................ 146 Ausblick ................................................................................................... 147 Literaturverzeichnis ...................................................................... 148 Abbildungsverzeichnis ................................................................. 157 ix "Das Leben lässt sich nur mit dem Blick auf die Vergangenheit verstehen, aber man muss es vorwärts gerichtet leben." (Sören Kierkegaard) x 1. Einleitung Der Kinderwunsch und die Elternschaft sind für viele junge Menschen reproduktionsbiographische Themen von hoher subjektiver Bedeutung (vgl. Krumm et al. 2011: 23). Rohde und Schäfer betonen, dass der Wunsch nach einem eigenen Kind bei kranken ebenso wie bei gesunden Frauen entsteht, und zwar quer durch alle Diagnosegruppen (vgl. Rohde/Schaefer 2010: 6). Nichtsdestotrotz waren die reproduktiven Möglichkeiten psychisch erkrankter Frauen aufgrund eugenischer Motive lange Zeit stark eingeschränkt. Erst durch die Mitte des letzten Jahrhunderts einsetzende reformpsychiatrische Bewegung haben sich die biografischen Gestaltungsmöglichkeiten psychisch erkrankter Menschen erheblich erweitert. Damit verbunden war auch die Berücksichtigung ethischer Belange in der Behandlung psychisch erkrankter Menschen, sowie die Stärkung ihrer Rechte und der Wandel hin zu einer lösungsorientierten Sicht auf psychische Erkrankungen (vgl. Krumm 2010: 13). Dieser Wandel der Perspektive wird auch durch Amerings und Schmolkes Recovery-Konzept zum Ausdruck gebracht, in dem die Autorinnen das Stigma der Unheilbarkeit und Unbeeinflussbarkeit psychischer Erkrankungen zu überwinden versuchen (Amering/Schmolke 2012). Folglich kann konstatiert werden, dass heute die Entscheidung psychisch erkrankter Menschen „für oder gegen ein Kind idealerweise in der alleinigen Verantwortung der betroffenen Personen [liegen sollte]“ (Krumm et al. 2010: 134). Bei genauerer Betrachtung wird jedoch augenscheinlich, dass der Kinderwunsch für Frauen mit psychischer Erkrankung mit zahlreichen Herausforderungen verbunden ist. Zum einen geht mit sogenannten „Life-Events“ wie Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett ein erhöhtes Rezidivrisiko für die Frauen einher. Ebenso ist die Zeit nach der Geburt mit vielfältigen Herausforderungen verbunden – insbesondere wenn sich Frauen aufgrund ihrer Erkrankung und der damit verbundenen Medikamenteneinnahme in ihrer Erziehungsfähigkeit beeinträchtigt sehen. Des Weiteren ergeben sich durch eine mütterliche bipolare Erkrankung auch Risiken für die psychosoziale und körperliche Entwicklung des (ungeborenen) Kindes. Entsprechend konnten in Untersuchungen Dilemmata der Frauen in der Kinderwunschgestaltung sichtbar gemacht werden, die aus der Gegenüberstellung ihrer 1 eigenen krankheitsbedingten Bedürfnisse einerseits und den prospektiven Bedürfnissen eines (ungeborenen) Kindes andererseits hervorgehen. Erschwerend kommen soziale Repräsentationen und gesellschaftliche Normen „guter Mutterschaft“ hinzu, die mit einer psychischen Erkrankung schwer vereinbar scheinen und häufig zur Stigmatisierung psychisch erkrankter Frauen mit Kinderwunsch bzw. psychisch erkrankter Mütter führen (vgl. Krumm et al. 2010: 134; Krumm et al. 2011: 23). 1.1 Relevanz der Thematik Die dargestellten Faktoren lassen erkennen, dass die Unterstützung und Gesundheitsförderung bipolar erkrankter Frauen (und ihrer Kinder) von großer Relevanz ist um - auch präventiv - Risiken für die Mütter und ihre (ungeborenen) Kinder möglichst gering zu halten. Nichtdestotrotz ist die Thematik des Kinderwunsches / der Elternschaft in der psychiatrischen Forschung bislang nur unzureichend bzw. einseitig repräsentiert: In früheren Untersuchungen standen häufig die Möglichkeiten einer adäquaten Schwangerschaftsverhütung bei psychischer Erkrankung im Vordergrund. Von welch hoher subjektiver Bedeutung ein Kinderwunsch im Leben junger Menschen mit psychischer Erkrankung sein kann, wurde hingegen bisher nur unzureichend berücksichtigt. Insbesondere aus einer klinisch sozialarbeiterischen Perspektive wird dabei ersichtlich, dass die bisherige Fokussierung der Risikofaktoren für Kinder psychisch erkrankter Eltern - im Sinne der Kindeswohlgefährdung - eine einseitige Betrachtungsweise darstellt und einer (auch) ressourcenorientierten Betrachtung von Elternschaft und Mutterschaft trotz bipolarer Erkrankung nicht gerecht wird (vgl. Krumm et al. 2010: 134). Diese Arbeit versucht daher, problematische Aspekte der Mutterschaft bipolar erkrankter Frauen auch im Kontext mangelnder Unterstützungsangebote zu sehen (vgl. Howard/Underdown 2011: 13) und nach Unterstützungsmöglichkeiten zu fragen. Dabei wird deutlich, dass die Kinderwunschthematik auch professionelle HelferInnen im psychiatrischen Handlungsfeld vor Herausforderungen stellt. Die Menschenrechte, insbesondere das Recht auf Familienplanung, bilden zwar einen klar definierten ethischen Bezugsrahmen für die Arbeit Klinischer SozialarbeiterInnen. 2 Jedoch bleiben ethische Herausforderungen im Umgang mit reproduktiven Aspekten bestehen: „Balancing ethical tenets in psychiatric practice is often challenging. These challenges increase in complexity when clinicians must consider simultaneously the needs of a pregnant woman or her fetus, a postpartum woman and her baby, or a woman planning a pregnancy and her not-yet-conceived child“ (Miller 2009: 259). Diese Schwierigkeiten bedingen sicher mit, dass die Beratung zum Kinderwunsch bislang kaum Beachtung findet. Zwar rückten Kinder psychisch erkrankter Eltern in den letzten Jahren mehr in den Fokus professioneller Hilfe und es wird versucht zielgruppenspezifische Angebote zu schaffen. Jedoch ist ein frühzeitiges Beratung- und Beziehungsangebot, das besonders wichtig wäre, um Frauen im Idealfall bereits vor Eintritt der Schwangerschaft zu erreichen und informieren zu können, noch nicht Teil der regulären Versorgung. 1.2 Forschungsziel und Aufbau der Arbeit Die mangelnde Beachtung der Thematik „Reproduktion und psychische Erkrankung“ bildet somit die Ausgangslage der Masterarbeit. Es soll in den Blick genommen werden, unter welchen Bedingungen Elternschaft durch Begleitung und Beratung bipolar erkrankter Mütter mit Kinderwunsch gelingen kann. Innovationswert kommt der Arbeit dadurch zu, dass ein ressourcenorientierter Ansatz verfolgt wird, d.h. nicht ausschließlich Gefährdungen, die mit einer Schwangerschaft / Elternschaft bipolar erkrankter Frauen einhergehen können, fokussiert werden. Zudem wird konzeptuell bereits bei der Beratung / Familienplanung vor Eintritt einer Schwangerschaft angesetzt. Die Auseinandersetzung mit der Thematik im Rahmen dieser Masterarbeit ist daher von besonderer Relevanz, da sie sich mit einer bisher nicht ausreichend thematisierten Forschungslücke beschäftigt. Die Forschungsfrage lautet: „Inwiefern kann Klinische Soziale Arbeit durch Unterstützungsangebote zur Förderung einer gelingenden Elternschaft beitragen?“. Konkretisiert wird die Forschungsfrage durch die Eingrenzung des Untersuchungszeitraumes. Dieser beschränkt sich auf die Zeitspanne vom Auftreten des Kinderwunsches bis zum dritten Lebensjahr des Kindes. 3 Die Forschungsfrage soll anhand von erkenntnisleitenden Fragen untersucht werden: Zum einen soll analysiert werden mit welchen besonderen Herausforderungen bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankte Mütter im Zeitraum vom Kinderwunsch bis zum dritten Lebensjahr des Kindes konfrontiert sind. Zum anderen wird ein besonderes Augenmerk auf solche Faktoren gelegt, die - aus Sicht betroffener Frauen aber auch aus Sicht professioneller HelferInnen - als förderlich / hinderlich für die Umsetzung einer gelingenden Elternschaft eingeschätzt werden. Anhand dieser Erkenntnisse sollen Ableitungen für die Praxis klinischer Sozialer Arbeit getroffen werden. Dazu wurden fünf episodische Interviews mit bipolar erkrankten Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankten Müttern geführt, die themenanalytisch ausgewertet wurden. Des Weiteren fließen die Ergebnisse von drei weiteren leitfadengestützten ExpertInneninterviews, die ebenfalls themenanalytisch ausgewertet wurden, in die Untersuchung mit ein. Zur Bearbeitung der Forschungsfrage wird wie folgt vorgegangen: Zunächst wird im zweiten Kapitel das Krankheitsbild der bipolaren Störung erläutert. Dadurch wird auch gezeigt welche Auswirkungen eine bipolare Erkrankung auf die Lebenssituation der Betroffenen hat. Diese Auswirkungen werden anschließend im dritten Kapitel mit dem Kinderwunsch in Verbindung gebracht. Dabei wird analysiert inwiefern die spezifischen Lebensbedingungen bipolar erkrankter Frauen Einfluss auf deren Kinderwunsch nehmen und mit welchen Herausforderungen und Risiken eine Schwangerschaft / Elternschaft verbunden sein kann. In diesem Kontext wird auch auf die subjektive Bedeutung des Kinderwunsches eingegangen und es werden gesellschaftliche Repräsentationen von „guter Mutterschaft“ kritisch reflektiert. Ziel ist eine Sensibilisierung professioneller HelferInnen. Im vierten Kapitel werden anhand des bio-psycho-sozialen Modells mögliche Auswirkungen einer bipolaren Erkrankung eines Elternteils auf die Lebenssituation der Kinder diskutiert. Um Ableitungen für Förderungsmöglichkeiten treffen zu können wird zudem danach gefragt, wie ein Gleichgewicht zwischen Vulnerabilitätsund Resilienzfaktoren der Kinder hergestellt werden kann. Kapitel fünft zeigt auf, warum die Förderung einer gelingenden Elternschaft Aufgabe Klinischer Sozialer 4 Arbeit sein muss, wenn diese sich als Menschenrechts- und Lebenskunstprofession versteht. Daran anschließend wird in Kapitel sechs geklärt, in welcher Form Klinische Soziale Arbeit Unterstützungsmöglichkeiten zur Förderung einer gelingenden Elternschaft leisten kann. Zudem wird auf die Potentiale und Kompetenzen Klinischer Sozialer Arbeit verwiesen, welche sie für die Arbeit mit mehrfach belasteten und schwer zu erreichenden KlientInnen, wie der Zielgruppe dieser Arbeit, qualifizieren. Es folgt eine Zwischenbetrachtung, in der die bis dahin gewonnenen theoretischen Erkenntnisse in einem Modell zusammengeführt werden, bevor in Kapitel acht der Arbeit die qualitativ-empirische Vorgehensweise erläutert wird. Daran anschließend erfolgt die Darstellung der Ergebnisse und deren Interpretation. Das letzte Kapitel liefert eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse und Implikationen für Wissenschaft und Praxis. 5 2. Das Krankheitsbild der bipolaren Störung Im folgenden Kapitel soll zunächst das Krankheitsbild der bipolaren Störung erläutert werden. Dies soll zum einen zur Klärung der Symptomatik und dem Erkennen von Krankheitsanzeichen dienen. Zum anderen soll gezeigt werden, welche Auswirkungen eine bipolare Erkrankung auf die Lebenssituation Betroffener hat. Die Erläuterung des Krankheitsbildes erfolgt zu Beginn dieser Arbeit, um anschließend in den Blick nehmen zu können, mit welchen reproduktiven Risiken eine Schwangerschaft/Elternschaft bei bipolar erkrankten Frauen einhergehen kann. Da psychische Erkrankungen Familienerkrankungen sind und die Erkrankung eines Mitglieds sich stets auf das gesamte System Familie, seine innerfamiliären Beziehungen und die Lebenssituation jedes/jeder Einzelnen auswirkt, darf auch die Lebenssituation der Kinder nicht aus dem Fokus der Untersuchung geraten (vgl. Schone/Wagenblass 2002: 11). Die nun folgende Charakterisierung des Krankheitsbildes der bipolaren Störung stellt somit die Basis dar, um im weiteren Verlauf dieser Arbeit mögliche Auswirkungen einer bipolaren Erkrankung eines Elternteils auf die Lebenssituation der Kinder diskutieren zu können. Die bipolare Erkrankung ist der Gruppe der affektiven Störungen zuzuordnen und bezieht sich auf krankhafte Veränderungen des Gefühlslebens und der Stimmung. Durch die Veränderungen des Gefühlslebens und der Stimmung bipolar erkrankter Menschen nimmt die Erkrankung auch Einfluss auf das Verhalten, d.h. die Motivation, die Initiative und die motorische Aktivität, sowie auf das Denken. Charakteristikum der bipolaren Erkrankung ist ein in Phasen verlaufender Wechsel von manischen und depressiven, sowie teilweise auch gemischten Episoden, welche durch ein unterschiedlich lang andauerndes, meist symptomfreies Intervall voneinander abgegrenzt sind. Bipolar meint somit, dass im Laufe der Erkrankung beide Pole, nämlich sowohl manische als auch depressive Phasen, auftreten. Auch die ältere Bezeichnung der „manisch depressiven Krankheit“ bezieht sich auf das Schwanken des Krankheitsverlaufes zwischen den Polen Manie und Depression (vgl. Bräunig et al. 2005: 14; Simhandl/Mitterwachauer 2007: 25ff.). 6 2.1 Diagnostische Kriterien der bipolaren affektiven Störung nach ICD-10 Zur Klassifikation und Diagnostik psychischer Störungen wird im europäischen Raum die ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) in der 10. Revision herangezogen. Dieses im Jahre 1991 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebene Diagnosesystem verfolgt das Ziel Krankheitsbilder für die Diagnostik möglichst präzise zu beschreiben. Nachfolgend soll die Symptomatik depressiver, manischer und gemischter Episoden beschrieben werden, welche im Verlauf der bipolaren Erkrankung auftreten können. Ergänzend wird auf die diagnostischen Kriterien der bipolaren affektiven Störung nach ICD-10 eingegangen, um zu erläutern, wodurch das vielgestaltige Bild der bipolaren Erkrankung gekennzeichnet ist und welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit eine bipolare affektive Erkrankung – in Abgrenzung zur unipolaren affektiven Erkrankung, mit rein depressiven bzw. manischen Episoden, – diagnostiziert werden kann.1 2.1.1 Symptome einer depressiven Episode Eine depressive Episode wird durch eine Vielzahl an heterogenen Symptomen auf psychischer, körperlicher und vegetativer Ebene gekennzeichnet. Zur Abgrenzung von normalen Reaktionen und krankhaften Störungen, wurde als formales Kriterium festgelegt, dass die Symptome mindestens von zweiwöchiger Dauer sein müssen. Zudem wird niedergedrückten Gefühlszuständen erst dann ein Krankheitswert beigemessen, wenn ein bestimmter Ausprägungsgrad erreicht wird (vgl. Assion 2006: 59). Laut Bräunig et al. geht eine Depression mit niedergedrückter Stimmung, Motivations- und Freudlosigkeit, sowie Hemmung der Gefühle, des Denkens und des Verhaltens einher. Im ICD-10 werden zudem weitere Sympto- 1 Die vollständige Kategorisierung der depressiven Episode (F30), der bipolaren affektiven Störung (F31) und der manischen Episode (F32) nach ICD-10-GM Version 2014 ist über http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd10-gm/kodesuche/onlinefassungen/htmlgm2014/block-f30-f39.htm (22.07.14) abrufbar. 7 me, wie etwa eine ausgeprägte Müdigkeit, angeführt. Daneben ist der Schlaf meist gestört und der Appetit vermindert. Auch das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind in depressiven Episoden fast immer beeinträchtigt. Sogar bei der leichten Form kennzeichnen Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit das Krankheitsbild (vgl. Bräunig et al. 2005: 15f.; DIMDI 2014). „Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag wenig, reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von so genannten "somatischen" Symptomen begleitet werden, wie Interessenverlust oder Verlust der Freude, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung, Agitiertheit, Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust“ (DIMDI 2014). Eine depressive Episode wird in Abhängigkeit von der Anzahl und dem Schweregrad der Symptome als leicht, mittelgradig oder schwer klassifiziert. Leiden Betroffene unter schweren depressiven Episoden sind sie häufig nicht mehr in der Lage den Aufgaben des täglichen Lebens und den Anforderungen des Umfelds gerecht zu werden. Teilweise ist es ihnen über längere Zeiträume nicht möglich das Bett zu verlassen und „ermutigende Worte von Angehörigen erreichen die Betroffenen kaum noch. Sie haben selbst die Hoffnung verloren, dass dieser Zustand sich jemals wieder verändern wird“ (Bräunig et al. 2005: 16). Depressive Symptome können folglich zu einer erheblichen emotionalen, sozialen und beruflichen Beeinträchtigung führen (vgl. Bräunig et al. 2005: 15f.; Assion 2006: 59) und stellen für das gesamte Familiensystem eine besondere Herausforderung dar. Eine einzelne depressive Episode wird in der ICD-10 unter der Kategorie F32 eingeordnet. 2.1.2 Symptome einer manischen Episode Den Gegenpol zu einer depressiven Episode bildet die manische Episode: „Die Manie ist durch eine Konstellation typischer Symptome auf der Kognitions-, Emotions-, Wahrnehmungs- und Verhaltensebene gekennzeichnet“ (Assion 2006: 61). In der ICD-10 werden unter der Kategorie manische Episode (F30) die Manie ohne psychotische Symptome (F30.1), die Manie mit psychotischen Symptomen (F30.2), sowie die Hypomanie (F.30.0) eingeordnet. Diese sollen nachfolgend erläutert werden: 8 Die Manie ohne psychotische Symptome ist durch eine für die Betroffenen deutlich abnorm gesteigerte, expansive und gereizte Stimmung gekennzeichnet, die mindestens eine Woche anhält. Während sich die Betroffenen zu Beginn meist wohl, glücklich und heiter fühlen verändert sich die Gefühlslage im Verlauf dann hin zu einer euphorischen, erregten bis gereizten Stimmung. „Den graduellen Stimmungswechsel von normaler zu krankhafter Gestimmtheit vermag der Betroffene zunächst gar nicht richtig wahrzunehmen, sondern wird eher von engen Bezugspersonen darauf aufmerksam gemacht“ (Assion 2006: 61). Weitere Symptome der Manie sind ein gesteigerter Antrieb, eine innere Getriebenheit und ein beschleunigtes Denken, welches häufig in Verbindung mit Ideenflucht, Gedankenrasen und einem gesteigerten Rededrang auftritt. In einer akut manischen Phase sind die Betroffenen häufig leicht ablenkbar, sodass es zu Störungen des Denkens kommen kann, wenn immer neue Einfälle ein zielgerichtetes, logisches Denken nicht mehr ermöglichen. Die Betroffenen leiden unter innerer Unruhe und verspüren ein subjektiv vermindertes Schlafbedürfnis. Ebenso zählen eine gesteigerte Libido und sexuelle Taktlosigkeit zu den möglichen Symptomen. Daneben können der Verlust normaler sozialer Hemmungen und eine erhöhte Selbsteinschätzung bzw. ein empfundenes Allmachtsgefühl schwere Störungen der persönlichen Lebensführung verursachen. In einer manischen Episode sind die Symptome so weitreichend, dass die berufliche und soziale „Funktionsfähigkeit“ zeitweise gestört oder teilweise sogar massiv beeinträchtigt ist (vgl. Lemke 2004: 39; Simhandl/Mitterwachauer 2007: 22ff.; Bräunig et al. 2005: 14f.; DIMDI 2014). „Die betroffenen Menschen merken nicht, dass sie einen beschleunigten Gedankengang, viele gute Ideen haben, dass ihre Aufmerksamkeit beeinträchtigt oder ihre Arbeitsleistung deutlich vermindert ist. Übertriebener Optimismus, Abenteuerlust, Extravaganz und erhöhte Risikobereitschaft in Verbindung mit Reizbarkeit und Feinfühligkeit machen es Menschen in der näheren Umgebung nicht leicht, mit den Betroffenen die Situation zu besprechen. Besorgte Eltern oder Partner werden oftmals als behindernd und einschränkend erlebt“ (Simhandl/Mitterwachauer 2007: 23f.). Neben der beschriebenen Manie ohne psychotische Symptome fällt in der ICD-10 auch die Manie mit psychotischen Symptomen unter die Kategorie der manischen Episode. Bei der Manie mit psychotischen Symptomen treten neben den bereits beschriebenen Symptomen auch Wahnideen und Halluzinationen auf; am 9 häufigsten sind dabei Größen-, Liebes-, Beziehungs- und Verfolgungswahn (vgl. DIMDI 2014; Simhandl/Mitterwachauer 2007: 22ff.). Handelt es sich um leichtere Verlaufsformen der Manie, bei denen Hochphasen schwächer ausgeprägt sind, werden diese nach ICD-10 als Hypomanie bezeichnet. Im Unterschied zu einer akuten Manie geht eine Hypomanie mit weniger gravierenden psychosozialen Einschränkungen einher und es treten keine psychotischen Symptome auf (vgl. Lemke 2004: 39; Assion 2006: 64). Betroffenen gelingt es ihre Rolle in Beruf und Familie weiterhin zu erfüllen. Obwohl Betroffene euphorisch gestimmt, ihr Verhalten enthemmt und ihr Selbstwertgefühl und Schlafbedürfnis herabgesetzt sind, bleibt die Ausprägung der Symptome in einem Rahmen, der es den Betroffenen möglich macht, nach außen hin - zum Teil sehr erfolgreich - zu funktionieren (Bräunig et al. 2005: 14f.). 2.1.3 Symptome einer gemischten Episode Neben depressiven und manischen Episoden können auch gemischte Episoden im Krankheitsverlauf auftreten: Unter einer gemischten Episode versteht man das gleichzeitige Auftreten oder einen raschen Wechsel von manischen und depressiven Symptomen (vgl. DIMDI 2014). Betroffene sind sowohl erregt und getrieben, fühlen sich aber auch mutlos und deprimiert. Da die gesteigerte Aktivität mit einer depressiven Stimmung einhergeht ist in gemischten Episoden das Suizidrisiko besonders hoch (vgl. DGBS 2011: 4). 2.1.4 Entgegengesetzte Episoden - die bipolare affektive Störung Das Krankheitsbild der bipolaren affektiven Störung weist zwar depressive und manische Symptome auf, wird aber diagnostisch durch den Wechsel von Episoden mit entgegengesetzter oder gemischter Stimmung von rein depressiven und rein manischen Episoden (unipolare affektive Erkrankung) abgegrenzt. Einzelne Krankheitsepisoden können zudem durch eine Remission, in der die Krankheitssymptome nachlassen, das sogenannte freie Intervall, voneinander getrennt sein. 10 Abb. 1: Phasen der bipolaren Erkrankung Bezogen auf die Kategorisierung nach ICD-10 bedeutet dies, dass eine einzelne Episode der Manie oder Hypomanie mit F30 (manische Episode) kodiert wird. Kommt es zu einem wiederholten Auftreten einer manischen/ hypomanischen Episode ändert sich die ICD-10-Nummer auf F31, d.h. ab der zweiten Episode der Manie oder Hypomanie wird das Krankheitsgeschehen als bipolare affektive Störung (F31) eingeordnet. Tritt erstmals eine depressive Episode auf wird diese nach ICD-10 unter F32 eingeordnet. Kommt es zu einem Wiederauftreten der depressiven Symptome wird die ICD-10-Nummer auf F33 (rezidivierende depressive Störung) geändert. Erst ab dem Moment, wenn eine manische Episode zum Krankheitsgeschehen hinzukommt (oder sich bereits in der Vergangenheit ereignet hat) sind die ICD-10Kriterien erfüllt, um eine bipolare affektive Störung (F31) zu diagnostizieren (Simhandl/Mitterwachauer 2007: 26; DIMDI 2014). Abb. 2: Einteilung affektiver Störungen nach ICD-10 11 Zur Kategorisierung einer bipolaren affektiven Störung nach ICD-10 soll angemerkt werden, dass insbesondere der Psychiatriebereich von vielen Sichtweisen und Meinungen beherrscht wird. Daher war mit der Herausgabe der ICD-10 die Intention verbunden eine rein beschreibende nicht theoriegeleitete Diagnostik zu ermöglichen. Eine Kategorisierung von Krankheitsbildern ist für die Forschung, Verwaltung und Kommunikation professioneller Helfer durchaus wichtig, kann aber die Vielfalt und Realität der Krankheitsbilder manchmal nur ungenau erfassen. „Bei den Bemühungen einer modernen Diagnostik geht es zwar immer um eine möglichst präzise Beschreibung eines Krankheitsbildes, die Tendenz der Medizin, Menschen in Kategorien einzuteilen, bleibt jedoch erhalten“ (Simhandl/Mitterwachauer 2007:16). Nichtsdestotrotz steht eine wertschätzende Anteilnahme und das Erfassen von Beweggründen eines Menschen nicht im Gegensatz zu einer ICD-10-Diagnostik (vgl. ebd.: 16). 2.2 Prävalenz Da die bipolare Erkrankung in Form von vielfältigen Erscheinungsbildern mit unterschiedlich starken Symptomen auftreten kann wurden durch verschiedene Autoren, wie Akiskal, genauere Einteilungen mit Untergruppierungen der bipolaren Erkrankung entwickelt, um das Krankheitsgeschehen differenzierter beschreiben zu können: Krankheitsverläufe der bipolaren Erkrankung, die das Vollbild einer Manie im Wechsel mit mittelschweren und schweren depressiven Episoden aufweisen, werden als Bipolar I-Verlauf bezeichnet. Die Lebenszeitprävalenz dieser Form der bipolaren Erkrankungen, bei denen Betroffene das Vollbild einer Depression und Manie entwickeln liegt in der österreichischen Allgemeinbevölkerung bei 0,5 bis 2 Prozent. Folglich sind in Österreich zwischen 40.000 und 160.000 Menschen an einer bipolaren Störung der Typs I erkrankt (zur Anzahl der Eltern siehe Kapitel 3). Weisen Personen in ihrem Krankheitsverlauf hingegen schwächer ausgeprägte manische Symptome (Hypomanie) und depressive Episoden auf, spricht man von einem Bipolar II-Verlauf. Von dieser Form der bipolaren Erkrankung sind in Österreich weitere fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung betroffen (vgl. Simhandl 2013: 12 26).2 Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. sind in der Bundesrepublik Deutschland 1,5-5% der Bevölkerung von einer bipolaren Erkrankung betroffen. Auch die von Bräunig et al. angegebene Zahl von mindestens zwei Millionen Betroffenen in Deutschland stimmt mit dieser Angabe überein (vgl. DGBS 2011: 1; Bräunig et al. 2005: 11). Weltweit leiden nach Angaben der Bipolar Foundation 254 Millionen Menschen unter einer bipolaren Erkrankung (vgl. The Bipolar Foundation 2014). Bei diesen Zahlen wird nicht zwischen unterschiedlichen Verläufen der bipolaren Erkrankung unterschieden. Auffällig ist jedoch, dass nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen nur etwa 10-15% der Betroffenen eine ihrer Krankheit entsprechende Behandlung erhalten (vgl. DGBS 2011: 1). Ebenso ergab eine aktuelle Befragung aus den USA, dass es im Durchschnitt fünf Jahre dauert bis eine bipolare Erkrankung als solche richtig diagnostiziert wird. Diese lange Phase ohne entsprechende Diagnose wirkt sich oftmals sehr belastend auf die Lebenssituation der Betroffenen aus (vgl. Simhandl 2013: 27). In Hinblick auf die Reproduktion erkrankter Menschen erscheint die späte Diagnosestellung insbesondere dahingehend problematisch, dass in vielen Fällen während der Schwangerschaft/Elternschaft bereits Krankheitssymptome auftreten, jedoch aufgrund der fehlenden Diagnose und dem mangelnden Wissen um die Erkrankung keine Unterstützungsangebote in Anspruch genommen werden bzw. bereit gestellt werden. Betrachtet man auch die Entwicklung der Anzahl der diagnostizierten affektiven Erkrankungen, so zeigt eine in den USA durchgeführte Studie, dass sich im Zeitraum zwischen 1975 und 1999 die Zahl der diagnostizierten affektiven Störungen in der psychiatrischen Versorgung verdreifachte. Auffällig ist dabei, dass gleichzeitig die Zahl der diagnostizierten „Schizophrenien“ um denselben Faktor zurückging. Als Gründe für diese Verschiebung werden zum einen engere diagnostische Schizophreniekriterien im DSM-IV3 angeführt, welche die Häufigkeit der Diagnose „Schizophrenie“ herabsetzten. Zum anderen ist naheliegend, dass niedrigschwelligere Versorgungsstrukturen für Menschen mit affektiven Erkran2 Für weiterführende Informationen zu den verschiedenen Verlaufsformen der bipolaren Erkrankung siehe auch: Simhandl/Mitterwachauer 2007: Depression und Manie. Erkennen und erfolgreich behandeln, 30-34.; Akiskal 2005: Bipolarity is Clinically Expressed as a Spectrum Pro & Con. International Journal of Bipolar disorder (IV): 3-5. 3 Das DSM-IV ist das gängige Diagnosesystem der amerikanischen Psychiatrievereinigung, welches in fast allen englischsprachigen Ländern Verwendung findet und in der Forschung von Relevanz ist. 13 kungen ebenso mit der zunehmenden Zahl diagnostizierter affektiver Störungen in Zusammenhang stehen (vgl. Shean: 2003: 751 ff.; Brieger 2007: 673). Wenngleich im deutschsprachigen Raum nicht das DSM-IV sondern die ICD-10 zur Diagnostik herangezogen wird, ist anzunehmen, dass auch im deutschsprachigen Raum die Veränderung hin zur gemeindenahen psychiatrischen Versorgung und die Weiterentwicklung der Diagnosesysteme Einfluss auf die Zahl der diagnostizierten affektiven Erkrankungen hatten. 2.3 Geschlechtsspezifische Unterschiede Bezüglich Symptomatik, Verlauf, Häufigkeit und Therapie einer bipolaren Erkrankung sind bei Frauen und Männern nur wenige geschlechtsspezifische Unterschiede bekannt – im Gegenteil zur unipolaren Depression, unter der vermehrt Frauen leiden. Geschlechtsspezifische Unterschiede konnten jedoch dahingehend beobachtet werden, dass Frauen häufiger unter gemischten Episoden leiden und ein Rapid Cycling entwickeln (d.h. sie erleiden häufiger vier und mehr Krankheitsphasen innerhalb von zwölf Monaten) und Männer häufiger an reinen Manien erkranken. Zudem finden sich bei Frauen häufiger „life-events“ vor Krankheitsepisoden. Dies ist bei Frauen insbesondere in Hinblick auf Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes von besonderer Relevanz, welche mit zusätzlichen Umstellungen durch hormonelle Veränderungen einhergehen (vgl. Bräunig et al. 2005: 25; Rohde 2006: 202). Führt man sich vor Augen, dass bipolare affektive Störungen meist um das 20. bis 30. Lebensjahr erstmals auftreten4, (vgl. Simhandl 2013: 28) wird augenscheinlich, dass der Erkrankungsbeginn bei steigendem Erstgebärendenalter häufig der Familienplanung bzw. Umsetzung des Kinderwunsches zuvorkommt. Daher soll, nachdem nun das Krankheitsbild der bipolaren Störung beschrieben wurde, im nächsten Kapitel genauer betrachtet werden wie die spezifischen Lebensbedingungen bipolar erkrankter Frauen Einfluss auf deren Kinderwunsch und Reproduktion nehmen. 4 Deutliche Abweichungen von diesem Altersdurchschnitt sind möglich (vgl. Simhandl 2013: 28). 14 3. Kinderwunsch und Elternschaft bipolar erkrankter Frauen „Der Wunsch nach einem eigenen Kind entsteht bei psychisch kranken ebenso wie bei gesunden Frauen, und zwar quer durch alle Diagnosegruppen“ (Rohde/Schaefer 2010: 6). Jedoch gibt es nur wenige Studien zum reproduktiven Verhalten von psychisch erkrankten Menschen. Die wenigen vorliegenden Befunde beziehen sich meist auf die Gruppe der schizophrenen Erkrankungen. Es liegen kaum Zahlen vor, wie viele bipolar erkrankte Menschen auch Eltern sind, da der Familienstand und die Anzahl der Kinder meist nur als Nebenbefund von Studien mit anderem Fokus erfasst werden. Zahlen zweier repräsentativ- epidemiologischer Studien in Großbritannien und Australien zufolge sind etwa 60% der Frauen und ein Viertel der Männer, die an einer psychischen Erkrankung leiden auch Eltern (vgl. Howard/Underdown 2011: 8). Eine Studie von Grube und Dorn zur Elternschaft bei psychisch kranken Menschen beschreibt die Elternschaftsrate bei affektiv Erkrankten mit 69,4 %, wobei auch hier Unterschiede zwischen den Geschlechtern beobachtet wurden. Entsprechend waren 41,2% der affektiv erkrankten Frauen der Stichprobe auch Mütter aber nur 28,2% der affektiv erkrankten Männer Väter (vgl. Grube/Dorn 2007: 68). Wenngleich nur wenige konkrete Zahlen vorliegen, so ist zumindest bekannt, dass Personen mir affektiven und schizoaffektiven Störungen häufiger verheiratet sind als Personen mit schizophrener Erkrankung und ihre Fertilität ebenfalls weniger stark reduziert ist (vgl. Rohde/Schaefer 2010: 1). Aufgrund der beschränkten Datenlage wird im nächsten Kapitel folgende Vorgehensweise gewählt: Zunächst soll in den Blick genommen werden von welcher Bedeutung ein Kinderwunsch / die Elternschaft für Frauen und Paare sein kann und welche individuellen und überindividuellen Faktoren Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen ein Kind nehmen. Nach dieser übergreifenden Betrachtung des Kinderwunsches / der Elternschaft, als zentrales Lebensthema vieler junger Menschen, soll dann darauf eingegangen werden inwiefern die spezifischen Lebensbedingungen bipolar erkrankter Frauen Einfluss auf deren Kinderwunsch nehmen und mit welchen Herausforderungen und Risiken eine Schwangerschaft / Elternschaft verbunden sein kann. 15 Die Auseinandersetzung mit diesen Inhalten, soll zum einen zum Verständnis und der Anerkennung beitragen, von welch hoher subjektiver Bedeutung ein Kinderwunsch in der Biografie vieler psychisch erkrankter Frauen ist. Zudem ist eine fachliche Expertise helfender Professionen bezüglich der Herausforderungen und reproduktiven Risiken bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch / Kind unumgänglich, um einer bedürfnisorientierten Beratung und Begleitung gerecht werden zu können. Nicht zuletzt ist eine Sensibilisierung professioneller HelferInnen hinsichtlich der Elternschaft im psychiatrischen Kontext zentral, um möglicherweise bereits verinnerlichte gesellschaftliche Repräsentationen und Stereotype zu hinterfragen und somit einer Stigmatisierung psychisch erkrankter Frauen mit Kinderwunsch bzw. psychisch kranker Mütter im professionellen Umfeld entgegenzuwirken. Wenngleich diese Arbeit versucht, anhand einer ressourcenorientierten Perspektive zu untersuchen, wie Mutterschaft / Elternschaft mit psychischer Erkrankung gelingen kann, ist es dennoch unumgänglich sich auch vor Augen zu führen, welche Risiken mit der Erkrankung einhergehen können. Denn nur unter Kenntnis dieser Expertise können angemessene Hilfs- und Unterstützungsangebote entwickelt und bereit gestellt werden, die tatsächlich auf die Anforderungen und Bedürfnisse bipolar erkrankter Frauen und ihrer Kinder abgestimmt sind. 3.1 Zum Begriff des Kinderwunsches Der Kinderwunsch kann pointiert als das Bedürfnis eigene Kinder zu haben definiert werden (vgl. Duden 2014). Nichtsdestotrotz zeigt sich bei einer tiefergehenden Betrachtung der Thematik, dass der Kinderwunsch ein höchst vielschichtiges Phänomen ist, zu dem vielfältige Befunde vorliegen: „Sie [die Befunde] reichen von demografischen Daten zur gewünschten und realisierten Kinderzahl über Untersuchungen zu Normen und Werten bis hin zur Erfassung überindividueller Einstellungen zu Kinderwunsch und Elternschaft. (Krumm 2010: 25). Da ein Kinderwunsch im Lebenslauf nicht unbedingt stabil ist und verschiedene Aspekte des Kinderwunsches, wie die gewünschte und die tatsächlich umgesetzte Kinderzahl, häufig nicht deckungsgleich sind ist der Kinderwunsch methodisch schwer greifbar. Ferner bestehen verschiedene Konstruktionen - vom psychologischen Kin16 derwunsch hin zu gesellschaftlichen Normen, die sich teils konträr gegenüberstehen und den Kinderwunsch zu einem sehr komplexen Thema werden lassen (vgl. Helfferich 2001: 171f.). Der Begriff des Kinderwunsches stellt daher durchaus ein heterogenes Feld dar, welches im Rahmen einer wissenschaftlichen Betrachtung vereindeutigt und definiert werden muss. Die Abhandlungen zum Kinderwunsch sind folglich als wissenschaftliches Konstrukt zu verstehen. Diese Überlegung ist insbesondere deshalb relevant, da sie auf ein methodisches Dilemma hinweist und die Frage aufwirft „wie empirisch, d.h. von einer fragenden Position gegenüber der realen Welt aus, mit einem Begriff umzugehen ist, der selbst ein wissenschaftliches Produkt ist“ (Engelhardt 2000:56). Hinzu kommt, dass das Thema Kinderwunsch weniger isoliert zu betrachten ist, sondern vielmehr in einem größeren Zusammenhang steht. Beim Kinderwunsch ist nicht die präzise Vorstellung von einem Kind ausschlaggebend, sondern der Kinderwunsch ist innerhalb eines gesamten Lebensentwurfes verankert. Bei ihren Untersuchungen zur Intentionalität des Kinderwunsches im Rahmen der Studie „Familienplanung und Lebensläufe von Frauen“ fand Engelhardt heraus, dass Frauen das Thema „eigene Kinder“ fast nie isoliert ansprachen. Vielmehr wurde dem Begriff der eigenen Kinder / des Kinderwunsches eine weitreichendere Bedeutung zugemessen, indem dieser synonym für das gesamtbiografische Großprojekt „Familie“ verwendet wurde (vgl. ebd.: 56). „Wünsche nach Kindern beziehen sich dann nicht präzise auf konkrete Vorstellungen von einem Kind, sondern symbolisieren einen ganzen Lebensentwurf. Diese gesamtbiografische Einbettung der Kinderthematik ist so gut wie allen Frauen gemein“ (ebd.: 56). 3.2 Bedeutung von Kinderwunsch und Elternschaft Die jeweiligen Bedeutungen, welche Frauen der Kinderthematik innerhalb ihres Lebensentwurfes beimessen, sind jedoch unterschiedlich, wie Engelhardt in qualitativen Interviews herausfand: Für einige Frauen steht die Gemeinsamkeit mit dem Partner im Vordergrund. Andere verbinden mit der Einbettung des Kinderwunsches in den Lebensentwurf Vorstellungen von Geborgenheit und stabilen emotionalen Beziehungen. Ebenso können Motive des persönlichen Selbstverständnisses, wie etwa der Wunsch, Verantwortung zu übernehmen, relevant sein. Nicht 17 zuletzt finden sich auch „utopische Überschüsse an positiv phantasierten Lebenswelten, wie eine Frau selbst lachend zum Ausdruck brachte ‚Ich wollte ja eigentlich schon immer ein Haus, Hühner, vielleicht zwei, drei Schafe, vier, fünf Kinder (lacht)’“ (ebd.: 56). Für Frauen mit psychischer Erkrankung kann die Kinderthematik zudem auch dadurch von hoher subjektiver Bedeutung sein, dass der Kinderwunsch einen nach außen hin sichtbaren Beleg der „Normalität“ darstellt - vorausgesetzt die Mutterschaft ist in das Konzept der „Normalbiografie“ erkrankter Frauen eingebettet. „Ich will ein ganz gewöhnliches einfaches Leben (…) Von dem her, ja, ein Kind wäre schon ein Wunsch (Int. 17)“ (Krumm et al. 2010: 136). Daneben stellt die Kompensation negativer Kindheitserfahrungen ein weiteres individuelles Motiv des Kinderwunsches dar. Krumm et al. zitieren entsprechend eine Interviewpartnerin: „Familie ist für mich sehr wichtig, weil halt bei uns, gut wir waren halt nie eine richtige Familie, weil irgendwo jeder seinen eigenen Weg gegangen ist und Familie ist für mich schon sehr wichtig, bedeutet halt Zusammenhalt (Int. 9)“ (ebd.: 137). Ferner konnte freigelegt werden, dass eine Mutterschaft für psychisch erkrankte Frauen auch mit dem Motiv der Selbstheilung in Verbindung gebracht wird. Die Hoffnung auf Selbstheilung ist dabei mit der Erwartung, die Mutterschaft könne das Selbstwertgefühl stärken, verbunden: „Vielleicht denk ich mir, hilft mir das, dass ich mein Selbstwertgefühl ein bissel aufbauen kann, für das Kind dann da bin und nicht ständig über MICH nachdenke (Int. 4)“ (ebd.: 137). Nicht zuletzt empfinden viele psychisch erkrankte Frauen die Möglichkeit kinderlos zu bleiben als Verlust einer wichtigen, spezifisch weiblichen Erfahrung (vgl. ebd.: 137). Wenngleich die genannten Motive aus Interviews mit psychisch erkrankten Frauen hervorgingen, sind sie teilweise sicherlich auch für viele Frauen ohne psychische Erkrankung gültig. Die Erläuterung hebt damit nur hervor, welche Motive insbesondere für psychisch erkrankte Frauen relevant sind, will bei den Bedeutungszuschreibungen des Kinderwunsches aber nicht grundlegend zwischen Frauen mit und ohne psychischer Erkrankung unterscheiden. Festzuhalten bleibt, dass ein Kinderwunsch bzw. die Ablehnung von Kindern sich weniger auf ein konkretes Kind bezieht, sondern auf die gesamtbiografischen Vor18 stellungen, die Frauen mit dem Leben als Mutter assoziieren. In der Kinderwunschfrage scheinen somit eher diverse Bedeutungen, welche Frauen mit dem Gesamtprojekt Familie verbinden, ausschlaggebend zu sein. „Von dem Kinderwunsch zu sprechen, verschleiert also leicht diese größere symbolische Dimension eines Lebensentwurfes, auf die der Wunsch nach oder die Ablehnung von Kindern zielt“ (Engelhardt 2000:56). Fragt man auf einer überindividuellen Ebene nach der Bedeutung von Kinderwunsch und Elternschaft deuten aktuelle Ergebnisse der Shell Jugendstudie, entgegen der These von der Auflösung von Ehe und Familie darauf hin, dass „Familie“ einen hohen Stellenwert für Jugendliche und junge Erwachsene hat und sogar einen Bedeutungszuwachs erfährt. Mehr als drei Viertel der 12-25 jährigen Befragten gaben in der Studie an, dass man eine Familie brauche um glücklich leben zu können. Diese hohe Wertschätzung von Familie bezieht sich dabei aber nicht auf eine bestimmte Familienform, sondern auf die in der Gesellschaft vorhandene Vielfalt der Familienformen – „von der klassischen Kleinfamilie und der PatchworkFamilie über die Familie mit einem alleinerziehenden Elternteil bis hin zur Großfamilie“ (Albert et al 2011: 200). Auch der Wunsch nach einem Kind, der wiederum in einem größeren Kontext des Gesamtprojekts Familie zu sehen ist, stellt für viele junge Menschen ein zentrales Lebensthema von hoher subjektiver Bedeutung dar: 69 % der Befragten wünschen sich eigene Kinder, wobei der Wunsch bei Frauen weiter verbreitet ist als bei Männern (73% bzw. 65%) (vgl. ebd.: 200f.). 3.3 Erklärungsansätze zur Entstehung des Kinderwunsches Betrachtet man den Kinderwunsch und seine individuelle und gesellschaftliche Bedeutung im historischen Kontext, so entsteht der Eindruck, dass es für Frauen noch nie so leicht war wie heute eigenständig darüber zu entscheiden ob, wann und wie viele Kinder sie bekommen möchten (vgl. Krumm 2010: 13). Auch GlogerTippelt et al. verweisen darauf, dass breite Bevölkerungskreise erst seit kurzem eine bewusste Entscheidung für oder gegen ein Kind treffen können. Entsprechend der mit gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen einhergehenden zunehmenden Individualisierung seien heutzutage weniger kollektive Normen als 19 individuell motivierte Entscheidungen, für die Frage ob man Kinder möchte, ausschlaggebend: „Insgesamt lässt sich bei der Erforschung des generativen Verhaltens eine Tendenz zu einer stärkeren Gewichtung psychologischer Aspekte des Kinderwunschs konstatieren, da die sozio-ökonomisch unterschiedlichen Gruppen sich in Bezug auf ihre realisierte Kinderzahl zunehmend angleichen“ (Gloger-Tippelt et al. 1993: 7f). Krumm hält dem entgegen, dass normative Zwänge für die Familiengründung heute zwar von deutlicher geringerer Relevanz seien als noch vor wenigen Jahrzehnten und anstelle des ökonomischen Nutzens von Kindern heute eher psychologische Aspekte bei der Familienplanung ausschlaggebend seien. Nichtsdestotrotz müsse aber berücksichtig werden, dass der Kinderwunsch auch durch überindividuelle Bedingungen geprägt ist. Folglich kann das Phänomen des Kinderwunsches nur dann hinreichend erfasst werden wenn sowohl individuelle als auch strukturelle Faktoren erfasst werden (vgl. Krumm 2010: 25f.). Dabei darf nicht vergessen werden, dass der Entscheidungsspielraum psychisch erkrankter Frauen mit Kinderwunsch, vor dem geschichtlichen Hintergrund von Eugenik und Zwangssterilisation, lange Zeit sehr begrenzt war - sich aber in den letzten Jahrzehnten, (zumindest in der Theorie) und durch die reformpsychiatrische Bewegung, deutlich erweitert hat. Um die Veränderungen in der Geburten- und Familienentwicklung der letzten Jahrzehnte, zu denen etwa der Geburtenrückgang, die Verschiebung des Alters bei der Familiengründung, sowie die Pluralisierung von Lebensformen und sich wandelnde Geschlechterrollen zählen, erklären zu können finden sich entsprechend verschiedene Ansätze: 3.3.1 Ökonomische Erklärungsansätze reproduktiven Verhaltens Zum einen sind hier mikrotheoretische Ansätze zu nennen, „die das reproduktive Verhalten in Anlehnung an ökonomische Theorien als Ausdruck einer individuellen Kosten-Nutzen-Abwägung verstehen“ (Krumm 2010: 26). Zentrales Merkmal einer ökonomischen Betrachtung generativen Verhaltens stellt die Annahme dar, dass reproduktive Handlungen rational begründet werden und der Nutzenmaximierung 20 dienen sollen, indem rational über die Verwendung knapper Güter, wie etwa der Zeit, entschieden wird. In diesem Sinne sind auch Kinder als dauerhafte Konsumgüter zu verstehen, die in Konkurrenz zu anderen Gütern stehen. Im Rahmen einer ökonomischen Betrachtung des Kinderwunsches ist folglich davon auszugehen, dass die Geburtenrate durch die Kosten von Kindern beeinflusst wird, deren Höhe sich wiederum in Abhängigkeit von den Kosten anderer Güter entwickelt, da diese in Konkurrenz zueinander stehen. „Höhere Kosten verursachten bspw. mit wachsender technischer Rationalisierung vor allem die durch die Eltern aufzuwendenden hohen Zeitressourcen für Erziehung und Ausbildung der Kinder, sodass im Sinne eines rationalen KostenNutzen-Kalküls tendenziell weniger Kinder geboren wurden, für die ein höherer Zeitaufwand erbracht wird“ (Schmidt 2002: 257). 3.3.2 Reproduktives Verhalten unter dem Blickwinkel der Individualisierung Neben einer ökonomischen Betrachtung des Kinderwunsches erheben zum anderen Ansätze, die auf die Individualisierung Bezug nehmen und von einer normativen Freisetzung der Subjekte ausgehen, den Anspruch Veränderungen der Geburten- und Familienentwicklung erklären zu können (vgl. Krumm 2010: 26). Entsprechend argumentiert auch Ulrich Beck in seiner Individualisierungstheorie, dass Menschen durch einen sich wandelnden Arbeitsmarkt und die wachsende Überwindung nationaler Grenzen aus tradierten, verpflichtenden Regelwerken befreit wurden und die soziale Gruppenzugehörigkeit einen Relevanzverlust erlebte. Zudem hätten sozialstaatliche Absicherungssysteme und die Anhebung des Lebensniveaus aller Gesellschaftsmitglieder (Fahrstuhleffekt) nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen Individualisierungsschub gefördert, sodass geschlechtliche Ungleichheit und die Legitimation von Familie immer mehr hinterfragt worden sei (Beck 1986: 116ff.). „Die Biografie der Menschen wird aus traditionalen Vorgaben und Sicherheiten, aus fremden Kontrollen und überregionalen Sittengesetzen herausgelöst, offen, entscheidungsabhängig und als Aufgabe in das Handeln jedes Einzelnen gelegt“ (Beck/Beck-Gernsheim 1990: 12). Beck überträgt die Auswirkungen der Individualisierungsprozesse auch auf die Entstehung des Kinderwunsches und erläutert, dass es heute keine einheitliche Erwartung mehr gebe, dass auf eine Eheschließung die Geburt eines Kindes folgen müsse. „Frauen müssen das Skript ihrer Biografie selber entwerfen, 21 zusammenbasteln, zusammenflicken, angesichts höchst komplexer, oft widersprüchlicher Entscheidungsfaktoren“ (ebd.: 183). 3.4 Das Konzept der reproduktiven Kulturen Entsprechend der individuellen biografischen Besonderheiten finden sich in den Lebensläufen von Frauen verschiedene Muster, wie mit der Kinderwunschthematik umgegangen wird. Im Rahmen der empirischen Studie Frauenleben, welche das Familienplanungsverhalten von Frauen untersuchte, konnten drei verschiedene Muster des Umgangs mit der Kinderwunschthematik identifiziert und das Konzept der reproduktiven Kulturen entwickelt werden5 (vgl. Engelhardt 2000:56). Reproduktive Kulturen beschreiben ein System von Regeln wie angemessen mit reproduktiven Aspekten, wie etwa Sexualität, Verhütung, Schwangerschaft, Elternschaft oder ungewollter Schwangerschaft umzugehen ist (vgl. Krumm 2010: 39). Nachfolgend sollen nun die drei freigelegten Muster des Kinderwunsches dargestellt werden, da diese durch die Berücksichtigung individueller biografischer Besonderheiten, wie etwa einer Erkrankung, auch auf die spezifischen Bedingungen des Kinderwunsches psychisch erkrankter Frauen anwendbar sind. Die drei Muster sind: Der biografisch stabile Kinderwunsch, die generalisierte Akzeptanz von Kindern und die entwicklungs- oder situationsabhängige Kinderwunschproduktion: 3.4.1 Muster I: Der stabile Kinderwunsch als biografische Konstante Beim stabilen Kinderwunsch als biografische Konstante werden Kinder als etwas Selbstverständliches eingeordnet. Eltern und Großeltern können dabei Modelle für das eigene reproduktive Verhalten sein und Bezugspunkte für einen biografisch stabilen Kinderwunsch darstellen. Frauen die diesem Typ zuzuordnen sind beton- 5 Das Konzept der reproduktiven Kulturen wurde in Anlehnung an Luc Boltanskis Konzept der Somatischen Kulturen entwickelt (vgl. Krumm 2010: 39). Es versucht „die Vielzahl von Ergebnissen zu den unterschiedlichen Aspekten eines erweiterten Familienplanungsbegriffs – vom Planungs- oder Abbruchverhalten über den Umgang mit der Kinderfrage und Kontrazeption bis zur Partnerschaftsgestaltung – zu bündeln […]“ (Helfferich 2000: 23). Eine reproduktive Kultur definiert sich über kulturelle Formen und soziale Regeln, welche die Überzeugung(en) hervorbringt, was der angemessene Umgang mit dem eigenen Körper, dem anderen Geschlecht, der Kinderfrage etc. sei (vgl. Krumm 2010: 23). 22 ten häufig, dass sie schon immer Kinder wollten (vgl. Krumm 2010: 42; Engelhardt 2000: 56f.). Zum einen führen Frauen ihren schon immer vorhandenen Kinderwunsch auf individuelle Persönlichkeitsmerkmale zurück: „Ich bin sehr kinderlieb gewesen, schon immer“ (Engelhardt 2000: 57). Zum anderen werden aber auch normative Vorstellungen, laut denen Kinder einfach zum Leben dazugehören, geäußert. Auffällig ist, dass bei beiden Schilderungen das Motiv „schon immer“ im Vordergrund stand. Darüberhinausgehende ausführlichere Erläuterungen des Kinderwunsches fanden sich nicht. „Die Orientierung spricht offensichtlich für sich und spielt auf das subjektiv oder objektiv Selbstverständliche am Kinderhaben an, das benannt, aber nicht weiter erklärt werden muss“ (ebd.: 57). 3.4.2 Muster II: Die generalisierte Akzeptanz von Kindern Das zweite Muster zum Umgang mit der Kinderwunschthematik stellt die generalisierte Akzeptanz von Kindern dar. Sie kennzeichnet im Gegensatz zum stabilen Kinderwunsch, dass Kinder weder gewünscht noch nicht gewünscht werden. Es steht also weniger ein zielgerichtetes Wollen im Vordergrund, sondern eher eine „Art freischwebende Bereitschaft“. Dies bedeutet, dass eine Schwangerschaft akzeptiert wird, wenn sie sich einstellt – wenn es zu keiner Schwangerschaft kommt wird dies ebenso akzeptiert (vgl. Krumm 2010: 43; Engelhardt 2000: 57). „Das Muster der generalisierten Akzeptanz kann auf eine familiäre Tradition des selbstverständlichen Willkommenheißens von Kindern basieren und zwar in jedem Alter der Mutter und in jeder Situation oder es kann aus religiösen Überzeugungen resultieren“ (Engelhardt 2000: 57). In diesem Fall ist das Muster der generalisierten Akzeptanz als biografisch recht stabil einzuordnen. Für diese Arbeit ist zudem besonders relevant, dass auch bestimmte Lebensereignisse zur Entstehung der generalisierten Akzeptanz von Kindern führen können. Folglich kann dieses Muster eine Kompromissformel für Frauen darstellen, die sich ein Kind wünschen, die Kinderwunscherfüllung aber gleichzeitig durch biografische Ereignisse erschwert wird. Neben Uneinigkeiten mit dem Partner über den Kinderwunsch oder Fruchtbarkeitsstörungen sind auch psychische Erkrankungen als biografische Ereignisse zu verstehen, welche 23 dazu führen können, dass Frauen ihren Kinderwunsch nicht als präzise Zukunftsvorstellung und zielgerichtetes Wollen, sondern eher als generelle Bereitschaft, formulieren. Da die genannten biografischen Ereignisse nicht unbedingt stabil im Lebenslauf sind, ist das beschriebene Muster situativ geprägt und kann sich im Zusammenhang mit sich ändernden Lebensverhältnissen entwickeln. Ferner stellte das Muster der generalisierten Akzeptanz von Kindern bei einigen befragten Frauen auch einen bewussten Planungsverzicht dar. Damit verbunden war die Annahme, dass es nie den richtigen Zeitpunkt für ein Kind gebe und eine Planung somit unmöglich sei (vgl. Engelhardt 2000: 57). 3.4.3 Muster III: Entwicklungs- und situationsabhängige Kinderwunschproduktion Das dritte Muster der entwicklungs- und situationsabhängigen Kinderwunschproduktion bezieht sich auf einen sich im Lebenslauf verändernden Kinderwunsch. Der Wunsch nach Kindern kann somit im biografischen Verlauf in beide Richtungen schwanken und phasenweise bejaht oder verneint werden. Die entwicklungsabhängige Kinderwunschgenese stellt dabei ein Erzählmuster der interviewten Frauen dar, welches die „Entwicklung weg von einer Ablehnung von Kindern hin zu einem Kinderwunsch […] als ganz normalen Entwicklungsprozess mit Motiven der Reifung“ schildert (Engelhardt 2000: 57). Die Phase der Postadoleszenz, welche (noch) vorrangig durch den Wunsch nach Freiheit und die Entbindung von Verantwortung geprägt zu sein scheint, steht somit dem Wunsch nach Kindern und den damit verbundenen Aufgaben entgegen. Im Verlauf der persönlichen Entwicklung und Reifung kann dann aus einer vorausgegangenen Ablehnung von Kindern ein Kinderwunsch entstehen. Neben dieser eindimensionalen Entwicklung kann der Kinderwunsch aber auch als situationsabhängiges Phänomen auftreten und auch wieder verschwinden. In diesem Fall stellt der Kinderwunsch keine lineare Entwicklung dar, da er abhängig von der jeweiligen Lebenssituation ist. Dieses Muster wird als situationsabhängige 24 Wunschproduktion bezeichnet (vgl. Krumm 2010: 43; Engelhardt 2000: 57). „Auf sprachlicher Ebene erscheint der Kinderwunsch eher als Ausprobieren eines neuen Lebenskonzeptes und weniger als die Realisierung eines tief fundierten und selbstverständlichen Kinderwunsches“ (Engelhardt 2000:57). Die drei beschrieben Muster des Kinderwunsches führen zu unterschiedlichen Herangehensweisen an die Familienplanung und nehmen darauf Einfluss, inwieweit die entsprechenden Voraussetzungen zum Kinderkriegen geschaffen werden: Für befragte Frauen mit einer generalisierten Akzeptanz von Kindern waren die geeigneten Rahmenbedingungen für die Umsetzung des Kinderwunsches von geringster Relevanz. Dies ist durch die Annahme begründet dass „Kinder eben kommen wie sie kommen“. Frauen die dem Muster des stabilen Kinderwunsches zuzuordnen waren, versuchten für die Erfüllung des Kinderwunsches gute Realisierungsbedingungen zu schaffen. Entsprechend wurden einer stabilen Partnerschaft bzw. der Suche nach einem geeigneten Kindsvater oder etwa einer Arbeit, die mit einer Familiengründung vereinbar ist, viel Bedeutung zugemessen. Übertragen auf die Lebenssituation von Frauen mit psychischen Erkrankungen ist anzunehmen, dass auch die gesundheitliche Situation und psychische Stabilität für diese Gruppe einen besonders hohen Stellenwert hat. Auch für die Befragten, die einen situations- oder entwicklungsabhängigen Kinderwunsch schilderten, waren die Rahmenbedingungen ebenfalls wichtig. Jedoch wurde nicht versucht diese umzusetzen da der Kinderwunsch überhaupt erst dann entstand, wenn gute Realisierungsbedingungen und die subjektiv als genügend empfundene Reife vorhanden waren. Psychische Stabilität stellt in diesem Zusammenhang also eine (unter vielen) potentiellen Realisierungsbedingungen dar, die gegeben sein muss, damit der Kinderwunsch explizit geschildert wird. Bei der situationsabhängigen Kinderwunschgenese stellen die psychische Erkrankung und der Kinderwunsch somit zwei voneinander abhängige Variablen dar (vgl. ebd.: 57). Nach dieser allgemeinen Darstellung des Umgangs mit der Kinderwunschthematik soll beleuchtet werden, mit welchen besonderen Herausforderungen ein Kinderwunsch bipolar erkrankter Frauen aufgrund reproduktiver Risiken einhergehen kann. 25 3.5 Reproduktive Risiken im Kontext der bipolaren Erkrankung Betrachtet man den Kinderwusch bipolar erkrankter Frauen so zeigt sich, dass dessen Umsetzung nicht nur von der Schaffung geeigneter Voraussetzungen abhängt, sondern betroffene Frauen auch vor die schwierige Frage gestellt werden, wie ihre eigenen krankheitsbezogenen Bedürfnisse mit den zu erwartenden Bedürfnissen des (ungeborenen) Kindes zu vereinbaren sind. Dieses Dilemma kann zu Zweifeln führen, ob ein Kinderwunsch vor dem Hintergrund der psychischen Erkrankung überhaupt zu realisieren ist. Für einige Frauen scheint ein Kinderwunsch entsprechend nur unter der Bedingung einer psychischen Stabilität umsetzbar. In anderen Fällen kann eine unbeständige psychische Verfassung mit einem schwankenden Kinderwunsch einhergehen (vgl. Krumm et al. 2010: 137). Da Verläufe psychischer Erkrankungen nicht eindeutig vorhersehbar sind und langfristige Prognosen lediglich durch Berufung auf Wahrscheinlichkeiten getroffen werden können, „ist es leicht nachvollziehbar, dass die Ungewissheit, ob und wann sich eine psychische Erkrankung wieder äußert, eine langfristige […] familiäre Planung erschweren kann“ (Krumm 2010: 49). Ohnehin schon bestehende Unsicherheiten in Bezug auf den eigenen Krankheitsverlauf können daher bei einem Kinderwunsch noch durch reproduktive Risiken erweitert werden, welche mit Schwangerschaft bzw. Mutterschaft, Geburt und Postpartalzeit (Zeit nach der Geburt) einhergehen können. „Wenn es sich um eine bewusste Entscheidung zur Gründung einer Familie handelt, denken psychisch erkrankte Frauen […] oft intensiv über mögliche Auswirkungen der Medikation und der Erkrankung auf die Entwicklung des Kindes nach. In diese Überlegung mischt sich bei Betroffenen und Angehörigen häufig die nicht immer unberechtigte Befürchtung, dass sich durch Schwangerschaft und Entbindung die psychische Störung verschlechtern könnte“ (Rohde/Schaefer 2010: 6). Prinzipiell verändert sich durch eine Schwangerschaft und Entbindung zwar nicht die Prognose einer Erkrankung. Welchen Einfluss eine Schwangerschaft auf die Vulnerabilität bzw. den Krankheitsverlauf bipolar erkrankter Frauen nimmt kann jedoch nicht eindeutig beantwortet werden (vgl. Kapfhammer/Meller 2001: 183; Rohde/Dorn 2007: 151, Rohde/Schaefer 2010: 7). Neben den erfreulichen Lebensveränderungen kann eine Schwangerschaft mit multiplen negativen Lebensereignissen einhergehen, wie z.B. Arbeitsplatzverlust, Übersiedlung, Konflikte mit 26 der Herkunftsfamilie, sowie Erkrankung der Schwangeren oder des Kindes (vgl. Klier/Uranitsch 2011: 142, Klier et al. 2008: 718ff.). Cohen et al. verweisen darauf, dass das Rückfallrisiko in der Schwangerschaft selbst hingegen eher gering ist. Ob von einem positiven Einfluss auf die psychische Erkrankung oder gar von einer schützenden Wirkung einer Schwangerschaft gesprochen werden kann ist jedoch umstritten (vgl. Cohen et al. 2006 zit. n. Rohde/Schaefer 2010: 7). Krumm weist darauf hin, dass es sich bei der Annahme, eine Schwangerschaft wirke generell positiv auf den psychischen Gesundheitszustand erkrankter Frauen, lediglich um einen weit verbreiteten „Mythos“ handle (vgl. Krumm/Becker 2011:1). In jedem Fall ist eine Entbindung ein relevantes Lebensereignis, ein so genanntes „life event“, welches das Rezidivrisiko steigen lässt. Dies wird vor allem auf die vielfältigen somatischen und psychischen Veränderungen in Verbindung mit einer Geburt zurückgeführt. Die Zeit des Wochenbetts scheint für Frauen mit bipolarer Erkrankung ein besonders hohes Rückfallrisiko in sich zu bergen: Krüger gibt an, dass bis zu 40% der Frauen mit einer bipolaren Störung in den ersten drei Monaten nach der Geburt eine manische oder depressive Episode erleiden. Durch eine Medikation in Form einer Phasenprophylaxe könne das Risiko aber auf unter 10% gesenkt werden (vgl. Krüger 2003: 27). Es „besteht wissenschaftlich Einigkeit darüber, dass Frauen mit bipolar affektiver Disposition zu den Hochrisikopatientinnen gehören, im Wochenbett ein psychotisches Rezidiv zu erleiden“ (Kapfhammer/Klier 2009: 33). Während in der Allgemeinbevölkerung ca. 1-2 Frauen je 1000 Entbindungen an einer postpartalen Psychose erkranken erhöht sich das Risiko bei bipolar erkrankten Frauen auf 25-30%. Postpartumpsychosen, die auch als Wochenbettpsychosen bekannt sind, treten bei über 70 % der Frauen in den ersten drei Tagen nach der Entbindung auf. Jedoch können Symptome auch noch wenige Wochen nach der Entbindung einsetzen. In Einzelfällen konnte eine Manifestation der Symptomatik auch bereits wenige Tage vor der Entbindung beobachtet werden. Das Suizidrisiko für Frauen mit Postpartumpsychosen ist im ersten Jahr nach der Geburt, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, ca. 70-mal so hoch (vgl. ebd.: 33f.). In den Industrieländern stellen psychische Erkrankungen die Hauptursache für die Müttersterblichkeit in der Perinatalphase, die die Schwangerschaft und das erste Jahr nach der Geburt umfasst, dar (vgl. Howard/Underdown 2011: 9f.). 27 Zudem betreffen reproduktive Risiken nicht nur die Mutter, da einige Psychopharmaka sich in Form von teratogenen Risiken auch auf das (ungeborene) Kind auswirken (zu den Auswirkungen auf die Kinder siehe Kapitel 4). Gleichzeitig steigt bei einem abrupten Absetzen von Medikamenten das Rückfallrisiko für die Frau enorm an. „Meist wird eine Schwangerschaft etwa zwei Wochen nach dem ersten ausgebliebenen Menstruationszyklus entdeckt, d.h. ungefähr 6 Wochen nach der Empfängnis und damit zeitlich nach der sensiblen Phase für teratogene Effekte. Chronisch psychisch kranke Frauen, die ihre Erkrankung mit antipsychotischen Medikamenten stabilisieren setzen ihre Medikation aus Angst vor fötalen Fehlbildungen dann möglicherweise ab, was jedoch zu einem massiven Anstieg der Symptome führen kann“ (Howard/Underdown 2011: 9). Wird die medikamentöse Behandlung eines Krankheitsrezidivs notwendig, kann dies unter Umständen zu einer höheren Medikamentenexposition des Fötus im Rahmen der Behandlung führen (vgl. ebd.: 9). Daher wäre es besonders wichtig, Frauen frühzeitig zu erreichen, sodass eine Schwangerschaft im Idealfall geplant und Aspekte der Medikation mit dem / der behandelnden PsychiaterIn abgesprochen werden können. Jedoch kann eine Beratung lediglich bei weniger als der Hälfte aller betroffenen Frauen erfolgen, da mehr Frauen ungeplant schwanger werden als geplant. Klier und Uranitsch verweisen daher auf die Möglichkeit behandelnder ÄrztInnen schon vor dem Eintritt einer Schwangerschaft dieses Thema in der Gesamtbehandlung aller Frauen im gebärfähigen Alter einzubauen (vgl. Klier/Uranitsch 2011: 141). Zusätzlich zur Problematik der Medikamenteneinnahme während der Schwangerschaft erleben viele Mütter auch ihre Erziehungsfähigkeit, als Folge der Medikamenteneinnahme, als eingeschränkt. Das Abwägen zwischen der Gesundheit des (ungeborenen) Kindes bzw. dessen psychosozialer Entwicklung und der eigenen psychischen Stabilität empfinden die betroffenen Frauen als belastend (vgl. Krumm/Becker 2011: 1; Grube/Dorn 2007: 66). „Es ist durchaus vorstellbar, dass sich die möglicherweise ergebenden Dilemmasituationen als eine weitere Belastung darstellen und in eine Überforderung der Betroffenen münden können, die dann mit zusätzlichen Gesundheitsrisiken für die betroffenen Frau assoziiert ist“ (Krumm 2010: 50). 28 Auch über die Medikamenteneinnahme hinausgehend konnten Krumm, Kilian und Becker in ihrer Studie zum Kinderwunsch aus der subjektiven Sicht psychisch erkrankter Frauen beobachten, dass erkrankte Frauen befürchteten den Anforderungen als Mutter durch die psychische Erkrankung nicht gerecht werden zu können. Zum einen stellten die Frauen notwendige Fähigkeiten und Kenntnisse der Kindererziehung ihren eigenen, durch die Krankheit als mangelhaft erlebten Fähigkeiten, gegenüber. Zudem äußerten die interviewten Frauen Zweifel, ob bzw. inwieweit sie in der Lage seien, das Alltagsleben mit einem Kind zu bewältigen: „Da merk ich erst mal, dass ich da jetzt in einem Dilemma stecke irgendwie. Ein Kind aufzuziehen, dass das ja auch ´ne ganz schöne Aufgabe ist und dass ich gar nicht weiß, ob ich die tatsächlich bewältigen kann, wenn ich nicht mal in der Lage bin, hier den Abwasch zu machen oder die Wohnung sauberzumachen (Int. 10)“ (Krumm et al. 2010: 137). Werden kindliche Bedürfnisse im Rahmen der Alltagsbewältigung durch die Frauen als konträr zu den eigenen krankheitsbezogenen Bedürfnissen eingeschätzt ergibt sich daraus ein Dilemma: Die Berücksichtigung der kindlichen Bedürfnisse geht mit dem Risiko der Verschlechterung des eigenen Gesundheitszustandes einher. Hierbei kommt vor allem den individuellen Copingstrategien der Frauen eine besondere Relevanz zu. Befürchten die Frauen, dass eigene Copingstrategien aufgrund der kindlichen Bedürfnisse nicht mehr wirksam sind, dann stellt die Befriedigung der kindlichen Bedürfnisse auch eine Bedrohung für die eigene psychische Stabilität der Frauen dar. Eine Interviewpartnerin der Studie zum Kinderwunsch schilderte dies sehr anschaulich: „Es kann ja auch mal noch mal sein, dass man Nächte einfach nicht gut schlafen kann, ja? Entweder überlegt man, nimmt man jetzt eine Schlaftablette oder erhöhe ich die Neuroleptika oder sonst irgendwas, ja? Mittlerweile denk ich halt einfach, gut, der Schlaf kommt dann irgendwann und ich nehme halt nix, ja? Aber das geht dann nicht, wenn ich weiß, ich muss aufstehen oder ich muss dann morgen wieder. Die Nacht ist einfach wichtig, dass ich runter komm, dass ich schlafen kann, ja? Und wenn jemand weint oder so, stell ich mir das sehr anstrengend vor (Int. 17)“ (ebd.: 137). Frauen unterliegen zudem besonderen (reproduktiven) Risiken, da sich das Familiensystem bei einer psychischen Erkrankung der Mutter häufiger auflöst als bei einer psychischen Erkrankung des Vaters. Dies wird darauf zurückgeführt, dass die Erkrankung des Vaters scheinbar wesentlich häufiger durch die Familien bzw. von den Müttern aufgefangen wird. „Kinder psychisch kranker Mütter leben demnach häufiger in sogenannten ‚Broken-Home-Familien‘ als Kinder psychisch kran29 ker Väter. Dennoch bleiben die Kinder häufiger bei ihrer Mutter, selbst wenn sie erkrankt ist“ (Kaschta 2008:12). Daraus ergibt sich, dass psychisch erkrankte Frauen deutlich häufiger als erkrankte Männer zu AlleinerzieherInnen werden und einen besonderen Unterstützungsbedarf aufweisen. Tatsächlich erfahren sie jedoch weniger Entlastung durch ihr soziales Umfeld. Dieser Mangel an Unterstützung geht einher mit hohen Belastungsanforderungen durch die eigene psychische Erkrankung, sowie der Verantwortung, die Kinder alleine zu versorgen und den Alltag zu strukturieren. Ferner entstehen reproduktive Risiken für bipolar erkrankte Frauen auch durch den Mangel an spezifischen Unterstützungsangeboten, sodass Frauen oftmals stationäre Behandlungen ablehnen, wenn die Unterbringung der Kinder nicht geklärt ist bzw. diese nicht fremduntergebracht werden sollen. Letztendlich resultiert daraus häufig eine Krisenzuspitzung, da die Betroffenen alles ihnen mögliche versuchen, um die Dekompensation6 so lange wie möglich abzuwenden. Dies gelingt allerdings nur selten (vgl. Kaschta 2008: 12f.; Schone/Wagenblass 2002: 67ff.). 3.6 Stigmatisierung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch und bipolar erkrankter Mütter Neben den individuellen reproduktiven Risiken einer Schwangerschaft / Elternschaft erleben viele psychisch erkrankte Frauen zudem Stigmatisierung, in Bezug auf eine Mutterschaft bei vorliegender psychischer Erkrankung. Zwar sollten reformpsychiatrische Veränderungen, die mit der Förderung gemeindenaher Versorgungsformen einhergingen, die soziale Distanz zwischen psychisch erkrankten und psychisch nicht erkrankten Menschen verringern, jedoch sind bestimmte Stigma bis heute in gesellschaftlichen Repräsentationen verankert (vgl. Krumm 2010: 60): „Ein weitverbreitetes Stereotyp umfasst die Unfähigkeit psychisch kranker Menschen, ein Kind angemessen zu betreuen und zu erziehen. Elternschaft scheint mit herrschenden Bildern zu psychischen Erkrankungen nur schwer vereinbar“ (Krumm/Becker 2011: 1f.). 6 Die Dekompensation bezeichnet den Zustand, bei dem der Ausgleich der Krankheitssymptome nicht mehr möglich ist, sodass Symptome des Krankheitsbildes offen zu Tage treten (vgl. Psychrembel Klinisches Wörterbuch) 30 Denn soziale Repräsentationen von guter Mutterschaft entstanden im Kontext qualitativer Veränderungen der Mutter-Kind-Beziehung seit dem 18. Jahrhundert und zeichnen ein hoch normatives Bild von Mütterlichkeit, welches Selbstlosigkeit und die Bereitschaft sich aufzuopfern fordert. Diese bis heute wirksamen Bilder von guter Mutterschaft, scheinen mit den Vorstellungen von psychischer Erkrankung nur schwer vereinbar (vgl. Krumm 2010: 60f.). Entsprechend konnte eine kanadische Studie zum Diskurs von Mutterschaft und psychischer Erkrankung zeigen, dass Medien ein spezifisches Bild psychisch kranker Mütter zeichnen, wonach sie unsympathisch, unberechenbar, zur Erziehung unfähig und für das Kind gefährlich sind. Berichte über die Herausforderungen und Risiken der Elternschaft bei psychischer Erkrankung oder über Modelle guter Praxis sind hingegen eher selten7 (vgl. Krumm/Becker 2011:2; Krumm 2010: 60f.; Greaves et al. 2002). Diese gesellschaftlichen Repräsentationen spiegeln sich in den Stigmatisierungserfahrungen vieler psychisch erkrankter Frauen wieder. Entsprechend sind psychisch erkrankte Mütter häufig mit dem Vorurteil konfrontiert, ihre Kinder zu misshandeln. Daneben entsteht bei psychisch erkrankten Müttern oftmals das Gefühl ständig unter Beobachtung zu stehen. Dies hat zur Folge, dass Frauen davon ausgehen, ihre Erziehungsfähigkeit immer wieder aufs Neue unter Beweis stellen zu müssen (vgl. Krumm 2010: 6; Krumm/Becker 2011: 2). Nicholson et al. verweisen darauf, dass die Erfahrung psychisch erkrankter Frauen stigmatisiert zu werden, zur Vernachlässigung von Schwangerschaftsvorsorge oder zum eigenmächtigen Absetzen von Medikamenten führen kann (vgl. Nicholson et al. 1998). Auch Howard und Underdown folgern, dass schwangere Frauen und Mütter mit schweren psychischen Erkrankungen möglicherweise aufgrund der Befürchtung, die Kinder zu verlieren und aus Angst vor Stigmatisierung und sozialer Isolation der Familie, seltener Probleme offen ansprechen und zögerlicher vorhandene Unterstützungs- und Hilfsangebote in Anspruch nehmen (vgl. Howard/Underdown 2011: 11). 7 Für weitere Informationen zur Studie siehe Greaves, L. et al. (2002): A motherhood issue: Discourses on mothering under duress. Abrufbar unter: http://publications.gc.ca/collections/Collection/SW21-99-2002E.pdf (14.09.2014). 31 Besonders gravierend ist dabei der Befund, dass betroffene Frauen nicht nur im privaten Umfeld Stigmatisierungserfahrungen machen, sondern auch im professionellen Kontext mit Stigma konfrontiert sind: „Es finden sich Hinweise darauf, dass betreuende Ärzte zwar nicht direkt von einer Schwangerschaft abraten, allerdings durch entsprechende Äußerungen indirekte Sterilisationsempfehlungen geben und einen geäußerten Kinderwunsch eher ignorieren und damit auch keine Unterstützung anbieten“ (Krumm/Becker 2011: 2). Entsprechend konnte in einer qualitativen Interviewstudie mit 28 Frauen, die aufgrund einer psychotischen Störung behandelt wurden, gezeigt werden, dass behandelnde Ärzte meist nicht direkt von einer Schwangerschaft abrieten, jedoch durch die eigene Einstellung zur Thematik den Frauen indirekte Sterilisationsempfehlungen gaben und bei bestehendem Kinderwunsch keine Hilfsangebote machten (vgl. Sachse 2000 zit. n. Krumm 2010: 61). Viguera et al. wiesen in einer USamerikanischen Studie nach, dass 45% der Frauen, die an einer bipolaren Störung erkrankt waren und aufgrund ihres Kinderwunsches professionelle Hilfe aufsuchten, bereits zuvor von ihren behandelnden HausärztInnen und PsychiaterInnen die Empfehlungen erhalten hatten, den Kinderwunsch nicht umzusetzen (vgl. Viguera et al. 2002: 2103). Die dargestellten Ergebnisse zur Stigmatisierung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankter Mütter machen deutlich, welch negative Konsequenzen die vorurteilsvolle Einstellung den Betroffenen gegenüber haben kann. Da den Betroffenen die Reaktion der anderen Gesellschaftsmitglieder nicht verborgen bleibt, kann Stigmatisierung durchaus als Teil des VulnerabilitätsStress-Modells verstanden werden, da Stigmatisierung einen Risikofaktor darstellt, der zur Erhöhung der Vulnerabilität beiträgt. Mittels des von Link und Kollegen formulierten modifizierten Labeling-Ansatzes kann erklärt werden, dass Stigmatisierung und die Anheftung des Labels „psychisch krank“ weitreichende Folgen für Frauen mit bipolarer Erkrankung haben und als verursachende Größen für Risikofaktoren anzusehen sind, die sich wiederum negativ auf den psychischen Gesundheitszustand Betroffener auswirken (vgl. Wolkenstein 2009: 30; Link 1989: 400ff.). „Wird ein Mensch mit dem Label des psychisch Kranken versehen, so kann dieses Label direkt aufgrund der eigenen Annahmen über die gesellschaftliche Ein32 stellung gegenüber psychisch erkrankten Menschen negative Auswirkungen auf das Leben der betreffenden Person haben“ (Wolkenstein 2009: 30). Die untenstehende Graphik veranschaulicht den Prozess, wie gesellschaftlich Konventionen dessen, was es bedeutet psychisch erkrankt zu sein, wirken, wenn Menschen mit dem Label „psychisch krank“ versehen werden. Abb. 3: Schematische Darstellung des modifizierten Labeling-Ansatzes nach Link et al. (1989) Quelle: In Anlehnung an Link et al. (1989): A modified labeling theory approach to mental disorders: An empirical assessment. In: American Sociological Review (54), S. 402. Zum Ende dieses Kapitels kann festgehalten werden, dass eine Beratung und Begleitung, welche die individuelle Situation der Frauen (und ihrer Partner) berücksichtigt, Informationen bereitstellt um Kosten-Nutzen-Abwägungen treffen zu können, und gleichzeitig unterstützt ohne zu stigmatisieren, immens wichtig ist, um der Forderung nach Gleichberechtigung und Entstigmatisierung psychisch erkrankter Menschen nachzukommen. Nicht zuletzt könnte ein Unterstützungsangebot, bei dem Frauen keine Stigmatisierung ihrer Elternrolle fürchten müssen, den Zugang zur Zielgruppe erleichtert und die Bereitschaft zur Hilfeannahme steigern und somit auch in Hinblick auf Prävention und Gesundheitsförderung von hoher Relevanz sein. Bevor jedoch Ableitungen für entsprechende Unterstützungsmöglichkeiten getroffen werden, soll differenziert gezeigt werden, welche Auswirkungen die bipolare Erkrankung eines Elternteils auf die Lebenssituation der Kinder 33 hat. Diese Ergebnisse müssen ebenso wie die Erkenntnisse zur Lebenssituation der Frauen mitberücksichtigt werden, wenn untersucht werden soll, durch welche Unterstützungsangebote eine gelingende Elternschaft bipolar erkrankter Frauen gefördert werden kann. 34 4. Mögliche Auswirkungen einer bipolaren Erkrankung eines Elternteils auf die Lebenssituation der Kinder In der High-Risk-Forschung wird davon ausgegangen, dass Kinder psychisch erkrankter Eltern ein erhöhtes Risiko tragen, selbst einmal an einer psychischen Störung zu erkranken. Sie stellen folglich eine besondere Risikogruppe dar (vgl. Schone/Wagenblass 2001: 11). Die Einschätzung der High-Risk-Forschung begründet sich unter anderem dadurch, dass jedes dritte Kind (Knuf spricht von jedem vierten Kind), das sich in psychiatrischer Behandlung befindet, Eltern hat, die selbst in der Vergangenheit von psychischer Erkrankung betroffen waren oder noch immer sind (vgl. Remschmidt/Mattejat 1994: 15; Knuf 2000). Eine Metaanalyse von 17 Studien, welche ihren Fokus auf die Auswirkungen einer bipolaren Erkrankung eines Elternteils auf die psychische Gesundheit von Kindern richtete, kommt zu dem Schluss, dass 52% Prozent der Kinder bipolar erkrankter Eltern irgendeine psychische Störung entwickeln. Zudem ist das Risiko affektiv zu erkranken für die Kinder nochmals erhöht. „Affektive Erkrankungen wurden bei 26,5% der Kinder bipolarer Eltern […] beobachtet“ (Wiegand-Grefe et al. 2010: 33). Fragt man nach den möglichen Auswirkungen einer bipolaren Erkrankung eines Elternteils (hier der Mutter) auf die Kinder, bleibt festzuhalten, dass die Faktoren, welche bestimmen, ob ein Kind psychische Auffälligkeiten entwickelt, sehr vielfältig sind. Nicht alle Kinder psychisch erkrankter Eltern sind gleich belastet und damit auch nicht zwangsläufig gefährdet. „Es gibt weder DIE Situation noch DAS Risiko. Die konkreten Belastungen eines Kindes mit psychisch krankem Elternteil und damit immer sein konkretes Risiko, Schaden zu nehmen, wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst“ (Beeck 2008: 9). Ob Belastungen und Stress, die mit einer mütterlichen bipolaren Erkrankung einhergehen können, beim Kind zu Beeinträchtigungen führen, hängt immer davon ab, über welche Stressbewältigungskompetenzen und Ressourcen das Kind verfügt. Bei der Bewältigung schwieriger Lebenssituationen ist somit ausschlaggebend, ob Kinder über ausreichende Schutzfaktoren verfügen, welche sie bei der Bewältigung von Belastungen 35 stärken. Die nachfolgende Graphik stellt die Wechselwirkung entwicklungsbeeinflussender Faktoren bei Kindern bipolar erkrankter Mütter dar, die in diesem Kapital noch ausführlicher erläutert werden. Den genetischen und psychosozialen Belastungsfaktoren werden dabei Schutzfaktoren im Kind selbst, welche die Widerstandsfähigkeit erhöhen, sowie psychosoziale Schutzfaktoren in der Familie und Umwelt des Kindes, gegenübergestellt (vgl. Bräunig et al. 2005: 116ff.). Abb. 4: Wechselwirkungen entwicklungsbeeinflussender Faktoren bei Kindern bipolar erkrankter Mütter Quelle: In Anlehnung an Bräunig et al. (2005): Kinder bipolar erkrankter Eltern, S.123. 4.1 Bio-psycho-soziale Auswirkungen Im Sinne des bio-psycho-sozialen Gesundheits-/Krankheitsmodells ist davon auszugehen, dass sowohl die biologische, als auch die soziale, sowie die psychologische Ebene Einfluss darauf nehmen, ob es Kindern gelingt, mit Belastungsanforderungen durch die mütterliche Erkrankung zurechtzukommen oder ob es zur Ausbildung von Krankheitssymptomen bei den Kindern kommt. Die Entwicklung eines Kindes ist somit abhängig von den drei Ebenen (bio-psycho-sozial), welche miteinander interagieren. Beispielsweise werden genetische Prädispositionen mit höherer Wahrscheinlichkeit dann aktiv, wenn die psychologischen und sozialen Ressourcen des Individuums erschöpft sind, etwa weil das Individuum mit besonderen psychosozialen Belastungsfaktoren konfrontiert ist. Folglich können mögliche negative Kognitionen, Verhaltensweisen und Gefühle der Eltern, sowie ein stressreicher Kontext eine genetische Prädisposition verstärken (vgl. Pretis/Dimova 2010: 41ff.; Goodman/Gotlib 1999: 458ff.; Pauls 2011: 32ff.). 36 Abb. 5: Bio-psycho-soziale Auswirkungen einer elterlichen bipolaren Erkrankung auf Kinder Quelle: In Anlehnung an Pretis/Dimova (2010): Frühförderung mit Kindern psychisch kranker Eltern, S. 41. Nachfolgend wird näher auf die biologische, die psychologische und die soziale Ebene eingegangen, die sich trotz getrennter Darstellung wechselseitig beeinflussen. 4.1.1 Die biologische Ebene Kasper verweist darauf, dass beim Krankheitsbild der bipolaren Störung, verglichen mit dem Krankheitsbild der Depression, die genetische Komponente stärker sei. Als Beleg hierfür werden häufig Zwillingsstudien angeführt, welche darauf verweisen, dass bei der Erkrankung eines monozygoten Zwillings an einer bipolaren Störung das Erkrankungsrisiko des Geschwisterkindes mit 65% gegenüber dem durchschnittlichen Erkrankungsrisiko der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht ist (vgl. Pretis/Dimova 2010: 110; Kasper 2000). Weitere Familienuntersuchungen, sowie Untersuchungen zum Erbgang, belegen ebenfalls ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für Angehörige ersten Grades, zu denen auch die Kinder zu zählen sind: 37 Während das Risiko an einer Bipolar-I-Störung zu erkranken in der Allgemeinbevölkerung bei 1,6% liegt, entwickeln hingegen 7% der Angehörigen ersten Grades eine bipolare Störung Zudem ist das Erkrankungsrisiko zusätzlich erhöht, wenn mehr als eine Person in der Familie an einer bipolaren Störung leidet bzw. ein Familienmitglied bereits in jungen Jahren erstmals erkrankt ist. Bei Familienangehörigen zweiten Grades ist das Erkrankungsrisiko hingegen weitaus geringer und nähert sich dem der Allgemeinbevölkerung an (vgl. Bräunig et al. 2005: 124). Auch neurobiologische Untersuchungen untermauern die These der genetischen Komponente bei einer bipolaren Erkrankung, indem sie im Zentralnervensystem eine gestörte Funktion des Botenstoffes Serotonin nachwiesen (vgl. Pretis/Dimova 2010: 110; Kasper 2000). Bräunig et al. betonen jedoch, dass es sich bei der bipolaren Erkrankung um keine klassische Erbkrankheit handelt (vgl. Bräunig et al 2005: 124). Vielmehr bestehen „genetisch bedingte Komponenten bzw. eine Prädisposition, jedoch ist keine genetische Determination für eine Erkrankung gegeben“ (Kaschta 2008: 10). Somit gilt es an dieser Stelle zu betonen, dass die erwähnten statistischen Aussagen lediglich Einschätzungen sind, die es ermöglichen Wahrscheinlichkeitsaussagen zu treffen. Anhand dieser Wahrscheinlichkeitsaussagen lässt sich jedoch nicht auf den Einzelfall schließen, da unbekannt bleibt welche Personen welcher Gruppe zuzuordnen sind. Eine genetische Belastung führt jedoch nicht zwangsläufig zur Ausbildung einer bipolaren Erkrankung. Stattdessen handelt es sich um eine multifaktoriell bedingte Erkrankung, bei deren Entstehung sowohl Umweltfaktoren als auch genetische Dispositionen zum Tragen kommen. Inwieweit Umwelt und Gene sich dabei wechselseitig beeinflussen, ist weitestgehend ungeklärt (vgl. Bräunig et al. 2005: 124f.). Eine angeborene Neigung bedeutet folglich nicht, dass sich eine Erkrankung auch manifestiert. Auf die Entwicklung von Gesundheit und Krankheit nehmen folgende Faktoren Einfluss: 38 Umso jünger das Kind zum Zeitpunkt des Krankheitsausbruches der Mutter ist, desto stärker ist dessen gesunde Entwicklung gefährdet. Je schwerer bzw. lang andauernder die Erkrankung der Mutter ist, desto größer ist das Risiko für die Kinder. Leiden beide Elternteile an einer psychischen Erkrankung, steigt das Erkrankungsrisiko der Kinder an und beträgt zwischen 45 und 50%. Erkrankt die Mutter sind die Kinder meist stärker beeinträchtigt als bei einer Erkrankung des Vaters. Dies zeigt sich in häufigeren dissozialen Verhaltensweisen der Kinder bzw. in Rückzugstendenzen. Zudem erhöht sich durch eine mangelnde Krankheitseinsicht der Eltern das Risiko für die Kinder, da damit oftmals eine Tabuisierung oder Verleugnung der Erkrankung verbunden sind, welche wiederum zu sozialer Isolation führen können. Nicht zuletzt bestimmt die Tatsache, ob der Vater eine kompensatorische Funktion übernehmen kann, darüber welche Auswirkungen die Erkrankung der Mutter auf die Entwicklung des Kindes hat (vgl. Pretis/Dimova 2010: 44f.). 4.1.2 Die psychologische Ebene Welche Auswirkungen eine mütterliche psychische Erkrankung auf Säuglinge und Kleinkinder hat ist altersabhängig. Laut Pretis und Dimova sind bei kleinen Kindern, deren Mütter psychisch stark belastet sind, eher internalisierende Störungen zu beobachten. Diese treten in Form von Rückzugsverhalten, unsicherer Bindung und einem geringeren aktiven Explorationsverhalten, sowie Sprachentwicklungsverzögerungen zu Tage. Kinder, die bereits das Kindergartenalter erreicht haben, reagieren hingegen eher mit externalisierenden Störungen, welche beispielsweise durch hyperaktive und aggressive Verhaltensweisen gekennzeichnet sind (vgl. Pretis/Dimova 2010:45f.). Laucht et al. verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass psychosoziale Risiken mit zunehmendem Lebensalter der Kinder immer mehr an Bedeutung gewinnen. Während im frühen Säuglingsalter noch der Einfluss biologischer Risiken dominiert, so überwiegt bei 24 Monate alten Kindern 39 bereits der von psychosozialen Risiken ausgehende entwicklungsbeeinträchtigende Effekt (vgl. Laucht et al. 1992: 275ff.). Kommt es im Rahmen einer mütterlichen bipolaren Erkrankung zu einer Wochenbettdepression, hat dies häufig Störungen der Mutter-Kind-Beziehung zur Folge. Zudem lassen sich Beeinträchtigungen der kognitiven Entwicklung des Kindes beobachten. „Die Bindung (das Attachment) der Säuglinge darf, da die primäre Bezugsperson, im Regelfall die Mutter, unterschiedlich ‚ansprechbar‘ ist, als ‚unsicher‘ angesehen werden“ (Pretis/Dimova 2010: 46). Insbesondere der Zeitraum zwischen dem 12. und 18. Lebensmonat des Kindes stellt eine Phase erhöhter Sensibilität für die Entwicklung der Bindungsqualität dar, da sich in dieser Spanne die Bindungsunsicherheit massiv verstärkt (vgl. ebd.: 46). Unabhängig von der Wochenbettdepression geht mit dem Erleben depressiver Episoden bipolar erkrankter Mütter meist eine verringerte Sensitivität für die Bedürfnisse des Kindes einher. Studienergebnisse verweisen darauf, dass Mütter in depressiven Episoden negativer auf ihre Kinder reagieren und es ihnen schwer fällt nachzuvollziehen, was in den Kindern vorgeht. Depressive Betreuungspersonen scheinen somit allgemein weniger sensitiv auf die Signale des Kindes (vgl. ebd.: 46). In manischen Phasen besteht teilweise die Gefahr, dass Kinder sich schwer von den Wahnsymptomen der Eltern abgrenzen können (siehe 2.1.2. Symptome einer manischen Episode). Während ältere Kinder bereits über adäquatere Realitätseinschätzungen verfügen, sind kleineren Kindern noch nicht die Informationen darüber zugänglich, was möglich, wahrscheinlich oder gänzlich absurd ist (vgl. ebd.: 109). „Je jünger sie [die Kinder] sind, desto schwerer fällt es den Kindern zu begreifen, dass die Eltern in einer anderen inneren Realität leben als sie selbst, desto größer ist die Gefahr, dass sie sich in das krankhafte Erleben mit einbeziehen lassen“ (Deneke 1998: 89). Gehen mit einer mütterlichen bipolaren Erkrankung abrupte Stimmungswechsel und unberechenbare Schwankungen zwischen Nähe und Distanz, Interesse und Desinteresse, Zuneigung und Ablehnung, Versorgung und Verwahrlosung einher 40 kann das Kind die Verhaltenswesen der Mutter nicht mehr richtig einschätzen. In Folge wird die Mutter nicht als verlässliche Bezugsperson erlebt, da die Reaktionsweisen der Mutter für das Kind nicht einzuordnen sind (vgl. Beeck 2005: 8f. zit. n. Kaschta 2008: 23). „Die Interaktion postpartal bipolar erkrankter Mütter wurde als desorganisiert, unsensitiv und/oder unberechenbar beobachtet“ (Pretis/Dimova 2010: 47). Die Ergebnisse der Mannheimer Risikokinder-Studie weisen zudem darauf hin, dass Kindern psychisch erkrankter Eltern eine ungünstigere Entwicklungsprognose ausgesprochen werden muss, als gleichaltrigen Kindern gesunder Eltern. Beispielsweise konnte in der Alterskohorte der Zweijähren eine deutliche sprachliche Entwicklungsverzögerung und ein auffälligeres Sozialverhalten bei den Kindern beobachtet werden, deren Eltern psychisch erkrankt waren. Dabei kristallisierte sich eine gestörte Eltern-Kind-Beziehung als vermittelnder Faktor zwischen der elterlichen psychischen Erkrankung und der kindlichen Entwicklungsverzögerung heraus (vgl. Laucht et al. 1992: 22). 4.1.2.1 Auswirkungen unter dem Blickwinkel der Bindungstheorie An dieser Stelle soll auf die Bindungstheorie von John Bowlby verwiesen werden, die ein zentrales theoretisches Konzept zur Erklärung psychischer Entwicklungsabläufe darstellt. Fragt man also nach möglichen Auswirkungen einer bipolaren Erkrankung eines Elternteils auf die psychische Entwicklung von Säuglingen und Kleinkindern, scheint es fast unumgänglich, auch die Entwicklung der Bindungsbeziehung zu beachten, wie bereits die skizzierten Erkenntnisse der Mannheimer Risikokinder-Studie bzw. von Pretis und Dimova zeigen. Die im Jahr 1958 von Bowlby veröffentliche Bindungstheorie wurde durch die Verhaltensforschung von Konrad Lorenz und die Psychoanalyse Freuds beeinflusst und soll im Folgenden kurz zusammengefasst werden: In der Bindungstheorie ging Bowlby davon aus, dass der Säugling eine angeborene Neigung hat den überlebensnotwendigen Schutz durch die Nähe zu einer Bezugsperson, meist der Mutter oder dem Vater, zu suchen. Dabei macht der Säugling seine Erwartungen durch Signale, wie schreien, lächeln, anklammern und 41 nachfolgen deutlich, damit sein Bindungsbedürfnis befriedigt und die notwendige Nähe hergestellt wird. Kommt es dabei zu frühen Trennungs- und Verlusterfahrungen - wie dies z.B. durch abrupte Trennungen von Mutter und Kind aufgrund eines Psychiatrieaufenthaltes der Fall sein kann - dann hat dies nachhaltige Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes. Das Bindungsverhalten wird im ersten Lebensjahr des Säuglings aktiviert wenn dieser ängstlich, müde, krank oder unsicher ist bzw. sich alleine fühlt. Dann wird er versuchen Nähe zur Bezugsperson herzustellen, um sich wieder sicher und geborgen zu fühlen. Wird das Bedürfnis des Säuglings nach Nähe befriedigt, wird sich der Säugling als selbstwirksam erleben und lernt, sich darauf zu verlassen, selbst das Gefühl von Sicherheit herstellen zu können. Kommt es hingegen wiederholt zu keiner adäquaten Reaktion der Bezugsperson auf die Signale des Säuglings, weil die Bezugsperson z.B. in einer depressiven Episode nicht dazu in der Lage ist, dann führt dies zu einer tiefgreifenden Verunsicherung des Säuglings. Ob der Säugling sich als selbstwirksam erlebt und lernt, das Gefühl von Sicherheit selbst durch seine Signale erzeugen zu können, nimmt auch Einfluss auf seinen Erkundungsdrang und damit auch auf seinen Lernerfolg und seine gesunde Entwicklung (vgl. Kaschta 2008: 31; Arens/Görgen 2006: 18f.; Hédervári-Heller 2011: 57f.). „Wenn ein Kind sich sicher ist, dass es jederzeit zu der ihn umsorgenden Bezugsperson zurückkehren kann, wird es reichlich Interesse an seiner Umwelt haben. Hat es keinen ‚sicher Hafen‘, wird es sich weniger für seine Umwelt interessieren“ (Arens/Görgen 2006: 18). Dadurch wird ersichtlich, wie wichtig eine Bezugsperson für ein Kind ist, deren Nähe es suchen kann, wenn es das Bedürfnis nach Nähe verspürt, welche dem Kind aber auch genügend Freiraum gibt, seinem Erkundungsdrang nachzugehen und sich zeitweise von ihr wegzubewegen. Die achtsame Fürsorge einer Bezugsperson stellt somit die Basis für die Entwicklung einer sicheren Bindung des Kindes dar. Diese sichere Bindung ist wiederum eine wichtige Voraussetzung für die gesunde Entwicklung von Kindern. Ob die Bezugsperson dem Kind emotionale Sicherheit und Verlässlichkeit bietet, nimmt Einfluss darauf, „in welchem Ausmaß sich eine kindliche Widerstandsfähigkeit (Resilienz) oder aber Anfälligkeit (Vulnerabilität) gegenüber belastenden Erfahrungen entwickeln“ (Laucht et al. 2000: 42 104f.). Einer sicheren Bindung kommt also insofern eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung von Kindern zu, da sie „als Vorläufer späterer flexibler und kompetenter Bewältigungsstrategien und positiver Selbstentwicklung“ gilt (Ziegenhain et al. 1999: 142). Die Bindungsqualität von Kindern untersucht man in der Bindungsforschung mittels der „fremden Situation“, einem standardisierten Beobachtungsverfahren nach Ainsworth, die Schülerin und spätere Mitarbeiterin von Bowlby war. Dabei wird zwischen sicher gebundenen, unsicher vermeidenden, unsicher ambivalenten und desorganisierten/desorientierten Bindungsmustern von Kindern unterschieden. Kann die Bezugsperson das frühe Bedürfnis des Kindes nach Nähe und Schutz nicht befriedigen, können Bindungsstörungen entstehen. Macht der Säugling somit die Erfahrung, dass Bindungspersonen nur unzureichend auf seine Signale reagieren, lernt er, dass auf die Menschen in seiner Umwelt kein Verlass ist. Daraus kann sich eine Bindungsstörung entwickeln, die sich negativ auf die psychische Verfasstheit des Kindes und seine Entwicklung auswirkt (vgl. Kaschta 2008: 31). 4.1.3 Die soziale Ebene Nachdem nun die möglichen Auswirkungen einer mütterlichen bipolaren Erkrankung auf die biologische und (entwicklungs-)psychologische Entwicklung von Kindern erläutert wurden, soll zuletzt auf Auswirkungen auf der sozialen Ebene eingegangen werden, welche immer Einfluss auf die gesamte Situation der Familie nehmen. Die bipolare Erkrankung eines Familienmitglieds betrifft somit nicht nur die soziale Situation des Kindes, sondern auch anderer nahestehender Familienmitglieder. Meist beginnen diese bereits vor der Diagnosestellung unter der Erkrankung des Betroffenen zu leiden. Für Kinder führt die mütterliche Erkrankung häufig zu starken Verunsicherungen, da sie die ungewohnten Verhaltensweisen der Mutter nicht einordnen können. Es fällt ihnen schwer zu verstehen, warum die Mutter sich nicht mehr wie gewohnt um die Bedürfnisse des Kindes sorgen kann oder möglicherweise mehrere Nächte nicht mehr nach Hause kommt. Je deutlicher die Krankheitssymptome zu Tage treten, desto stärker spüren die Kinder die Beeinträchti43 gung ihres Alltags, welche sie oftmals als bedrohlich erleben: „Die familiäre Alltagsroutine wird gestört wenn eine Mutter oder ein Vater zum Beispiel nicht mehr kochen […] oder die Wohnung plötzlich nicht mehr gereinigt wird“ (Bräunig et al. 2005: 125). In einigen Fällen kommt es durch einen gestörten Tag-/Nachtrhythmus zu einer für die Kinder ungewohnten Passivität des erkrankten Elternteils oder umgekehrt zu einer gesteigerten Aktivität, sodass ein geordneter Tagesablauf nur noch schwer möglich ist (vgl. Pretis/Dimova 2010: 52; Bräunig et al. 2005: 125; Kaschta 2008: 22f.). Welche Auswirkungen dies auf die Kinder hat macht folgendes Zitat deutlich: „Bekannte, gewohnte und erprobte Alltagsstrukturen beginnen zu leiden. Das anfangs lustige Chaos dauert zu lange. Die Versuche des Kindes, sich anzupassen, zeigen wenig Wirkung. Das, was jetzt gilt und woran sich das Kind anzupassen versuchte, hat in kurzer Zeit keine Bedeutung mehr, verkehrt sich ins Gegenteil. Das ist nicht nur für Kinder […] sondern auch für den gesunden Elternteil schwer auszuhalten. Bestehende soziale Normen existieren, um gebrochen zu werden‘“ (Pretis/Dimova 2010: 109). Eine weitere Auswirkung auf der sozialen Ebene stellt die Trennung des Kindes vom erkrankten Elternteil durch stationäre Aufenthalte dar, die insbesondere für Säuglinge und Kleinkinder zu Beziehungsabbrüchen führen kann und sich somit wiederum negativ auf die Bindungsqualität auswirkt (vgl. Pretis/Dimova 2010: 51). „Viele kleine Kinder leiden unter der Trennung von wesentlichen Bindungspersonen sehr. Deswegen wäre es wünschenswert, wenn Kinder bipolar erkrankter Mütter, bei denen ein Krankenhausaufenthalt notwendig wird, zumindest mit in der Klinik untergebracht werden könnten. Leider sind solche Arrangements nach wie vor die Ausnahme“ (Bräunig et al. 2005: 126). Im Voraus erstellte Krisenpläne können zwar von großer Bedeutung sein, um festzuhalten welche Personen in einer Krisensituation zu verständigen sind, wer welche Aufgaben übernimmt und wer in einer akuten Krankheitsphase die Obsorge für die Kinder übernimmt. Nichtsdestotrotz ist für die Kinder auch die soziale Abwertung belastend, mit der sie oftmals (verdeckt) im Kindergarten oder durch Bekannte und Nachbarn konfrontiert werden, wenn bekannt wird, dass sich die Mutter im „Krankenhaus für Verrückte“ befindet. Zudem geht mit einer elterlichen psychischen Erkrankung oftmals eine soziale Isolation einher. Heute erwachsene Kinder, deren Eltern psychisch erkrankt waren oder noch immer erkrankt sind, gaben in einer Befragung an, dass sie sich häufig 44 alleine gelassen fühlten. Dies wird auf zwei Ursachen zurückgeführt: Zum einen verkleinerte sich das soziale Netzwerk, da sich viele Freunde und Verwandte der Familie zurückzogen. Zum anderen waren die Kinder von der sozialen Ausgrenzung von Gleichaltrigen direkt betroffen, indem sie beispielsweise keine Freunde mit nach Hause bringen durften und selbst auch nicht zu Geburtstagsfeiern eingeladen wurden. Zusätzlich zur sozialen Isolation sind Kinder psychisch kranker Eltern insgesamt häufiger als andere Kinder von Trennung und Scheidung betroffen, wodurch sie einer zusätzlichen emotionalen Belastung ausgesetzt sind. Auffällig ist dabei, dass betroffene Erwachsene in einer Untersuchung angaben, sich retrospektiv als Kind eine Vertrauensperson gewünscht zu haben, mit der sie über die Situation und Probleme hätten sprechen können. Die Befragten beklagen, nur mangelnde soziale Unterstützung erfahren zu haben. Diese Aussagen untermauern die vielfach in der Theorie anzutreffende These, dass sich Kinder oftmals scheuen über ihre Situation zu sprechen bzw. die Erkrankung in der Familie tabuisiert wird (vgl. Pretis/Dimova 2010: 52). „Mein Vater hatte Freundschaften und Bekanntschaften von meiner Mutter oder von uns Kindern immer unterbinden wollen. Es gab viele Tabus. […] Damals hatte ich keinen Menschen um mich herum, dem ich mein Herz hätte ausschütten können. Wenn ich meine Familie malen sollte, ich würde sie mit einer Mauer malen“ (Sielfaff-Toth in Franz 2005: 83 zit. nach Kaschta 2008: 26). Zudem kann angenommen werden, dass sich die soziale Situation erkrankter Elternteile verschlechtert, wenn diese einen chronischen Krankheitsverlauf aufweisen. Dieser sogenannte soziale Drift ist meist mit einem Arbeitsplatzverlust und damit einhergehenden finanziellen Schwierigkeiten verbunden. Die Frage nach kausalen Wirkweisen muss an dieser Stelle offen bleiben, d.h. ob es zu einem sozialen Drift kommt, weil bei betroffenen Personen eine Disposition für eine psychische Erkrankung vorliegt oder aber ob soziale Risikofaktoren wie Armut selbst das Erkrankungsrisiko steigern. Ohne Zweifel bleibt jedoch, dass der soziale Drift selbst wieder das ganze Familiensystem betrifft und somit auch die Kinder Betroffener unter deren finanziellen Notlagen und sozialer Isolation leiden (vgl. Pretis/Dimova 2010: 52). 45 Abschließend soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass die schematische getrennte Darstellung von Risiken für Mütter und Kinder keineswegs zum Ausdruck bringen soll, dass mögliche Gefährdungen für beide Gruppen isoliert zu betrachten sind: Während etwa eine eingeschränkte Mutter-Kind-Aktion die Entstehungsgefahr einer psychischen Störung des Kindes erhöht, so können wiederum Überforderungserfahrungen in der Erziehung und dem Beziehungsaufbau zum Kind, bei erkrankten Müttern Schuldgefühle verursachen. Möglicherweise führt dies erneut zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Frau und somit zu einer Beeinträchtigung der Erziehungsfähigkeit (vgl. Nicholson et al. 1998). 4.2 Faktoren zur Einschätzung des Belastungspotentials der Kinder bipolar erkrankter Eltern In diesem Abschnitt soll ein Instrument vorgestellt werden, welches zur Einschätzung der Belastungen und Beanspruchungen von Kindern bipolar erkrankter Eltern entwickelt wurde. Diesem Fragebogen kommt in der Arbeit mit Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil besondere Bedeutung zu, da er nicht nur direkte krankheitsbezogene Auswirkungen zur Einschätzung des Belastungspotentials der Kinder berücksichtigt, sondern die Familie in ihrem Zusammenleben als von der Krankheit betroffenes System erfasst. Somit kann die Nutzung des Fragebogens helfen, die umfassenden Auswirkungen einer psychischen Erkrankung eines Elternteils, die immer die gesamte Familie als System betrifft, im Blick zu behalten. Denn „um das Belastungspotential der kindlichen Entwicklung zu bestimmen, ist es nicht ausreichend, sich die psychiatrische Diagnose des erkrankten Elternteils zu vergegenwärtigen“ (Bräunig et al. 2005: 131). 46 47 Abb. 6: Fragebogen zur Einschätzung des Belastungspotentials der Kinder bipolar erkrankter Eltern Quelle: In Anlehnung an Bräunig et al. (2005): Kinder bipolar erkrankter Eltern, S. 131ff. Der Fragebogen, der gemeinsam mit der Familie / den Bezugspersonen des Kindes ausgefüllt werden kann, soll den Betroffenen und professionellen Helfern das Ausmaß möglicher Belastungen des Kindes vor Augen führen. Entsprechend markiert insbesondere die letzte Frage ein mögliches Warnsystem, sodass die Autoren empfehlen, dass sich Eltern, insofern sie die letzte Frage mit „ja“ beantwortet haben, umgehend an einen Kinder- und Jugendpsychiater bzw. Kinder- und Jugendpsychologen wenden sollten. Werden im Fragebogen andere Fragen (unter Ausschluss von Frage 21) bejaht, so bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass das Kind gefährdet ist, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Kindern erhöht. Infolgedessen kann der Fragebogen wichtige Hinweise bezüglich der Notwendigkeit vorbeugender und stabilisierender Maßnahmen geben. Ziel ist es folglich, anhand der Anamnese Belastungs- und Schutzfaktoren zu identifizieren und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten, um einer Überlastung der Kinder entgegenzuwirken (vgl. Bräunig et al. 2005: 131ff.).8 4.3 Fünf Kriterien zur Einschätzung der mütterlichen Kompetenz nach Matakas Ein weiteres etwas spezifischeres Instrument stellen die fünf Kriterien zur Einschätzung der mütterlichen Kompetenz dar, die nachfolgend überblicksartig wie- 8 Der Vollständigkeit halber soll darauf hingewiesen werden, dass sich in der Literatur weitere Screeninginstrumente zur Gefährdungseinschätzung finden (siehe dazu etwa Beeck 2008: 9ff oder Lenz 2012: 47ff.). Zur Bearbeitung des Forschungsgegenstandes fiel die Auswahl auf den von Bräunig et al. entwickelten Fragebogen, da er speziell für Kinder bipolar erkrankter Eltern entwickelt wurde, die meisten anderen Instrumente zur Gefährdungseinschätzung sich hingegen generell auf kindliche Belastungen durch eine elterliche psychische Erkrankung beziehen. 48 dergegeben werden. Anders als beim Fragebogen zur Einschätzung des Belastungspotentials der Kinder bipolar erkrankter Eltern, beleuchten die fünf Kriterien nicht die gesamte Lebenssituation des Kindes, sondern fokussieren die mütterliche Kompetenz. Ziel der fünf Kriterien, welche das auf die Eltern-Kind-Behandlung in der Psychiatrie spezialisierte Team um Prof. Matakas entwickelte, ist es somit, die Versorgungsfähigkeit psychisch erkrankter Mütter einschätzen zu können. Dazu werden fünf Aspekte genannt, über welche die Mütter für die Erziehung ihres Kindes verfügen müssen. Als erstes Kriterium ist die physische Versorgung des Kindes zu nennen. Dieses Kriterium erfasst, dass die Mutter elementaren Bedürfnissen des Kindes nachkommen kann und in der Lage ist das Kind z.B. zu füttern, die Windeln zu wechseln und für ein sauberes Umfeld zu sorgen. Zudem muss gewährleistet sein, dass die Mutter das Schlaf- und Ruhebedürfnis des Säuglings/Kindes respektieren kann. Des Weiteren wird die emotionale Resonanz bzw. Responsivität zur Einschätzung der mütterlichen Kompetenz herangezogen. Diese meint, dass auf Gefühlsäußerungen des Kindes angemessen regiert wird. Beispielsweise, dass auf ein Lächeln des Kindes mit einem eigenen Lächeln geantwortet wird oder die Mutter in der Lage ist, dass Kind zu beruhigen (insbesondere durch körperliche Nähe), wenn es ängstlich oder unruhig ist. Zudem ist das Diskriminationsvermögen der Mutter ein weiterer wichtiger Faktor zur Einschätzung der mütterlichen Kompetenz. Danach muss die Mutter in der Lage sein zwischen ihren eigenen Bedürfnissen und denen ihres Kindes zu unterscheiden. „Beispiel: Die Mutter hat Hunger und will ihr Kind füttern, obwohl es gerade vor einer Stunde die Flasche bekommen hat. Aus ihrem eigenen Bedürfnis heraus glaubt sie fest daran, dass ihr Kind ebenfalls hungrig sein muss“ (Arens/Görgen 2006: 29). Als viertes Kriterium wird die Wachsamkeit gegenüber Unfallgefahren angeführt. Diese setzt voraus, dass die Mutter die Bewegungsfähigkeit ihres Kindes und dessen Bewegungsdrang einschätzen kann und das Kind etwa nicht unbeaufsichtigt auf der Wickelkommode liegen lässt. Zudem sollte ein Bewusstsein über mögliche Gefahrenquellen vorhanden sein, wie sie etwa Steckdosen oder Treppen darstellen können. 49 Nicht zuletzt ist die Triangulierung ein wichtiger Bestandteil der mütterlichen Kompetenz, d.h. die Mutter ist zeitweise in der Lage sich von der Mutter-Kind-Dyade zu lösen und die Zweierbeziehung für den Vater oder andere Bezugspersonen zu öffnen. Zwar spielt die Triangulierung in den ersten Lebenswochen nach der Geburt noch eine untergeordnete Rolle, gewinnt aber mit zunehmendem Alter des Kindes an Bedeutung (vgl. ebd.: 29). Die fünf Kriterien zur Einschätzung der mütterlichen Kompetenz, messen somit nicht direkt, wie belastet ein Kind ist, geben aber Auskunft darüber, ob die Versorgungsfähigkeit von Müttern, die durch eine Krankheitsepisode belastet sind, eingeschränkt ist. Somit kann dieses Instrument einen wichtigen Anhaltspunkt bieten, wenn sichergestellt werden muss, ob Mütter aufgrund ihrer Erkrankung in der Lage sind, das Kind so zu versorgen, dass für dieses keine Gefahr besteht. Damit ist die Einschätzung der mütterlichen Kompetenz auch im Sinne der Prävention von Bedeutung. 4.4 Das Konzept von Resilienz und Vulnerabilität Anhand der Erläuterung der bio-psycho-sozialen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung eines Elternteils sollte deutlich geworden sein, dass die Kinder zahlreichen und sehr vielschichtigen Problemen und Entwicklungsrisiken ausgesetzt sind. Jedoch gelingt es vielen Kindern dennoch sich zu gesunden Heranwachsenden zu entwickeln. Im nächsten Kapitel soll daher analysiert werden, was resiliente Kinder kennzeichnet. Die Kenntnis kindzentrierter, familienzentrierter und umweltabhängiger Resilienzfaktoren ist auch insofern relevant, dass diese im Rahmen von Unterstützung- und Förderangeboten gezielt gefördert und aktiviert werden können, um wieder ein Gleichgewicht zu bestehenden Risikofaktoren (Vulnerabililtät) herzustellen. Zudem kann die Identifizierung von Resilienzfaktoren auf Ressourcen der Familien verweisen „und eröffnet damit einen Einblick in einen bedeutsamen Abschnitt der Lebenswelt des Kindes und der Familie, der durch eine vorwiegend problemorientierte Sichtweise weitgehend verborgen bleiben würde“ (Lenz 2012: 52). Die Wahrnehmung von Stärken und Ressourcen, die wiederum Einfluss auf die Resilienz der Kinder und ihrer Familien nehmen, erweitert somit die Bewertung 50 von Problemen und Defiziten, indem sie Ansatzpunkte für eine gezielte Resilienzförderung markiert. Die Abwendung von einer rein defizitorientierten Betrachtung der Lebenssituation psychisch kranker Eltern und ihrer Kinder zielt auch auf eine Erhöhung ihres Selbstwertgefühls und die Förderung sozialer Beziehungen ab. Denn die Würdigung von Ressourcen kann die Familien entlasten, indem sie dadurch die Möglichkeit bekommen ihre Fähigkeiten und Kompetenzen darzustellen und als ExpertInnen der eigenen Möglichkeiten aufzutreten. „Dadurch verändert sich die Atmosphäre im Gespräch. Sie wird zunehmend entspannter und wirkt sich auch positiv auf die Problemdiagnostik und -bearbeitung aus“ (ebd.: 53). 4.4.1 Definitionen Wustmann versteht Resilienz als psychische Widerstandsfähigkeit von Kindern, die ihre Vulnerabilität gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken herabsetzt (vgl. Wustmann 2004: 18). Laut Petermann und Schmidt kann Resilienz als Ergebnis des Erwerbs bereichsspezifischer Ressourcen definiert werden, die sich Personen durch ihre Interaktion mit der Umwelt angeeignet haben. Resilienz beschreibt somit die Fähigkeit, erlernte Mechanismen trotz erschwerter Umstände aktivieren zu können. Dadurch ist eine weitestgehend gesunde Entwicklung, auch unter belastenden Lebensbedingungen, möglich (vgl. Petermann/Schmidt 2006: 118ff.). „Als resilient können somit Kinder angesehen werden, die sich trotz massiver Beeinträchtigung erstaunlich positiv – im Vergleich zu denjenigen Kindern, die unter gleichen Bedingungen psychische Belastungen aufweisen – entwickeln. Diesen Kindern gelingt es, Entwicklungsrisiken weitestgehend zu vermindern oder zu kompensieren, negative Einflüsse auszugleichen und sich gleichzeitig gesundheitsförderliche Kompetenzen anzueignen“ (Kaschta 2008: 38).9 Das Gegenstück zur Resilienz stellt die Vulnerabilität dar, welche medizinisch als Erkrankungsbereitschaft definiert wird. Sie bestimmt folglich wie verwundbar, verletzlich oder empfindlich eine Person auf ungünstige äußere Belastungsfaktoren reagiert (vgl. Kaschta 2008: 39; Pretis/Dimova 2010: 63ff.). 9 Das Resilienzkonzept weist somit eindeutige Parallelen zu Antonovskys Konzept der Salutogenese auf. Anstatt ausschließlich pathogenetische Faktoren zu fokussieren, also danach zu fragen, was Menschen krank macht, untersucht es, was Menschen gesund erhält bzw. was sie trotz belastender Einflüsse nicht krank werden lässt (vgl. Kaschta 2008: 38). 51 Innerhalb des Konzepts der Resilienz wird zwischen drei großen miteinander verbundenen Faktorengruppen unterschieden: Den kindzentrierten Resilienzfaktoren, den familienbezogenen Resilienzfaktoren und den umweltzentrierten Resilienzfaktoren. Diese steuern als protektive Faktoren die Widerstandsfähigkeit des Kindes und werden nachfolgend erklärt. Abb. 7: Die drei Faktorengruppen der Resilienz Quelle: In Anlehnung an Pretis/Dimova (2010): Frühförderung mit Kindern psychisch kranker Eltern, S. 63. 4.4.2 Kindzentrierte Resilienzfaktoren Zunächst soll die Faktorengruppe der kindbezogenen Resilienzfaktoren erläutert werden. Auf der Ebene des Kindes können folgende Faktoren dessen Resilienz begünstigen: Ein guter gesundheitlicher Status ermöglicht es Kleinkindern externe Anforderungen besser zu bewältigen, als Kindern, deren gesundheitlicher Zustand angeschlagen ist. Der Förderung des gesundheitsbezogenen Verhaltens der Eltern kommt daher eine besondere Bedeutung zu (Ernährung, Einhalten kinderärztlicher Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen usw.). 52 Zudem gilt es als erwiesen, dass ausgeglichene Kinder mit einem robusten, aktiven und kontaktfreudigen Temperament leichter mit Belastungen umgehen, als Kinder mit „schwierigem“ Temperament. Bezüglich der Aktivierung dieses Resilienzfaktors muss jedoch angemerkt werden, dass Interventionen auf der Ebene der Persönlichkeitseigenschaften, zu denen auch die Temperamentsfaktoren zählen, kaum möglich sind. Nicht zuletzt werden Temperamentseigenschaften auch auf genetische Prädispositionen zurückgeführt und sind daher nur indirekt, über Veränderungen der Umwelt zu Gunsten des Kindes, beeinflussbar. Da ein Zusammenhang zwischen der Intelligenz und psychischen Widerstandfähigkeit von Kinder zu beobachten ist stellt die (intellektuelle) Leistungsfähigkeit einen weiteren Resilienzfaktor dar. Da Kinder psychisch erkrankter Eltern besonders gefährdet sind eine Entwicklungsverzögerung zu entwickeln, kommt der kindgerechten Frühförderung eine besondere Relevanz zu. Des Weiteren stellt ein hoher Selbstwert bzw. ein positives Selbstkonzept einen weiteren Schutzfaktor bei Kindern dar, da dieser etwa mit einem besseren Gesundheitsstatus korreliert „Vor allem retrospektive Befragungen lassen häufig eine Bedrohung des Selbstwertes im Rahmen psychischer Erkrankungen der Eltern erkennen“ (Pretis/Dimova 2010: 67). Zur Förderung des Selbstwertes sollten sich Kleinkinder daher als „Handelnde“ erleben können, d.h. ihnen sollte die Möglichkeit gegeben werden Situationen aktiv auszuwählen, zu planen, durchzuführen und auch zu bewerten. Der Resilienzfakotor des Selbstwertes steht in engem Zusammenhang mit der Selbstwirksamkeit, die auch einen kindzentrierten Resilienzfaktor darstellt. „Hohe Selbstwirksamkeit bedeutet, dass das Kind die Erwartung entwickeln kann, dass seine Handlungen zu erwünschten Effekten führen“ (ebd.: 68). Aufgrund der oftmals schwierigen Vorhersagbarkeit von Reaktionen und Krankheitsverläufen psychisch kranker Mütter ist die Selbstwirksamkeit bei Kleinkindern von Eltern, die psychisch erkrankt sind, überdurchschnittlich oft vermindert. Die Selbstwirksamkeit eines Kindes sollte daher durch positive Rückmeldungen durch das Umfeld auf positive Verhaltensweisen des Kindes bestärkt werden. Gelingt es Kleinkindern durch generalisierte Lernerfahrungen zu verstehen, dass Veränderungen der Umwelt teilweise durch eigenes Verhalten bewirkt werden können, entstehen interne Kontrollüberzeugungen. Reaktionen der Umwelt 53 werden somit verstehbar, vorhersehbar und kontrollierbar. Somit fördern vorhandene Kontrollüberzeugungen eines Kindes dessen Widerstandsfähigkeit. Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz stellen zudem weitere Resilienzfaktoren dar, die mit der Selbstwirksamkeit in Verbindung stehen. Dabei gilt es, Belohnungen aufschieben und Spannungen zeitweise aushalten zu können. Aufgrund der bereits erwähnten schwierigen Vorhersagbarkeit elterlichen Verhaltens bei einer psychischen Erkrankung, ist diese Fähigkeit bei Kindern psychisch kranker Eltern meist beeinträchtigt. „Belohnungen werden meist sofort eingefordert, da keineswegs sicher ist, dass sie auch später noch verfügbar sind“ (ebd.: 69). Zur Förderung dieses Resilienzfaktors sollten Kleinkindern daher Möglichkeiten geboten werden, in denen sie sich als selbstwirksame und erfolgreiche Kinder erleben können. Zuletzt ist auf der Ebene des Kindes die Hilfsbereitschaft als Schutzfaktor zu nennen: Wenn Kleinkinder frühzeitig in einen sozialen Austauschprozess des „Gebens und Nehmens“ treten und in einem altersangemessenen Ausmaß Verantwortung übernehmen können, dann können Sie auch die Erfahrung machen, dass sie sich einerseits selbst helfen können und sich andererseits auch auf die Hilfsprozesse anderer verlassen können (vgl. Hédevári-Heller 2011: 23; Pretis/Dimova 2010: 66ff.; Bräunig 2005: 133f.). 4.4.3 Familienzentrierte Resilienzfaktoren Inwieweit ein Kind auf potentiell belastende Anforderungen resilient reagieren kann hängt auch vom jeweiligen Familiensystem, in dem es aufwächst, ab. Daher sollte in die Förderung des Kindes idealerweise das gesamte Familiensystem mit einbezogen werden. Auf der Ebene der Familie können folgende Aspekte als Resilienzfaktoren fungieren: Eine sichere und stabile Bindung zu mindestens einer Person, die dem Kind in belastenden Lebenssituationen kontinuierlich, zuverlässig und belastbar zur Seite steht, stellt einen immens wichtigen Faktor zur Ausbildung von Resilienz dar. Gibt es in der Familie eine Person, die feinfühlig auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen kann, so kann das Kind Vertrauen entwickeln. Zur Unterstützung psychisch kranker Eltern bei der Wahrnehmung kindlicher Bedürfnisse kommen videounter54 stützende Verfahren zum Einsatz. Diese bieten eine gute Möglichkeit, „um den erkrankten Eltern positive Rückmeldung zu geben, was sie mit ihren Kindern gut machen“ (Pretis/Dimova 2010: 71). Zudem stellt die Einbindung des Vaters/des Partners der erkrankten Mutter in die Versorgung des Kindes einen weiteren Resilienzfaktor dar. Die Väter/Partner können als weitere Bezugsperson für das Kind von großer Relevanz sein und eine kompensatorische Funktion übernehmen, falls die Mutter in akuten Krankheitsphasen in ihrer Erziehungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Dies kann somit zur Entlastung des Kindes, als auch der Mutter beitragen. In diesem Zusammenhang stellt außerdem eine positive Partnerschaftsbeziehung zwischen den Eltern bzw. primären Bezugspersonen des Kindes einen Schutzfaktor dar, damit alle für das Kind relevanten Bezugspersonen in die Arbeit mit der Familie mit einbezogen werden können. Daneben wird in der Literatur auf für das Kind klar erkennbare Strukturen und Regeln verwiesen, die einen weiteren Schutzfaktor darstellen können. Daraus kann abgeleitet werden, das Regeln und Strukturen im Haushalt und Erziehungsverhalten der Eltern für die Kinder nachvollziehbar und erkennbar sein sollten. In der Familienarbeit ist daher die Wichtigkeit klarer Struktursignale hervorzuheben. Zudem konnte eine kleine Familiengröße als familienbezogener Resilienzfaktor identifiziert werden. Es ist anzunehmen, dass in Familien von bis zu fünf Personen mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, um auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder einzugehen und Konflikte zu verringern. Eine Trennung vom „kranken Hintergrund“, d.h. das Aufsuchen von Lebensräumen außerhalb der erkrankten Familie (z.B. Spielplatz), kann Kinder zusätzlich durch eine Stressreduktion entlasten (vgl. Pretis/Diova 2010: 70ff.; Bräunig et al. 2005: 135f.). Zudem konnten auf der Ebene der Mütter, insofern diese die primäre Bezugsperson für das Kind darstellen, drei weitere Faktoren offen gelegt werden, welche Einfluss auf die Widerstandfähigkeit des Kindes nehmen können: Dabei scheint die Ausbildungssituation der Mütter Einfluss auf die Resilienz der Kinder zu nehmen. „Je höher die Ausbildungssituation der Mütter, desto eher scheinen die Kinder ‚geschützt‘“ (Pretis/Dimova 2010: 72). 55 Ähnlich verhält es sich mit der Berufstätigkeit der Mütter, da Berufstätigkeit als aktives Coping anzusehen ist und Berufstätigkeit bei Entwicklungsrisiken des Kindes „puffernd“ wirkt. Zuletzt ist auf die positive (Selbst-)Wahrnehmung der Mütter zu verweisen: Gelingt es Müttern ein positives Selbstbild zu entwickeln, können hoffnungslose Einschätzungen bezüglich der eigenen Person, der Umwelt und der Zukunft durchbrochen werden und somit auch Lernprozesse des Kinder positiv bestärkt werden. Die positive Wahrnehmung der Mütter ist insbesondere in depressiven Episoden gefährdet, sodass gerade hier Interaktionssequenzen, in denen Mütter auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen positiv zu verstärken sind (vgl. ebd.: 72f.). 4.4.4 Umweltzentrierte Resilienzfaktoren Die dritte Faktorengruppe der Resilienz stellen umweltzentrierte Resilienzfaktoren dar: Die außerfamiliäre Unterstützung der Mutter, etwa durch den Einsatz von FamilienhelferInnen, sozialen Diensten oder in Form von Frühförderung kann die Familie unterstützen und dazu beitragen, dass Ressourcen für das Kind frei werden, die sonst beispielsweise für das Management des Haushaltes aufgewendet werden müssen. Umweltzentrierte Resilienzfaktoren können außerdem durch das Eröffnen von Möglichkeiten aktiviert werden. Psychische Erkrankungen der Eltern (insbesondere bei depressiven Krankheitsepisoden) gehen oftmals mit einer fortschreitenden Einengung der eigenen Möglichkeiten, sozialem Rückzug, Scham und Scheu, an die Öffentlichkeit zu treten einher. Gelingt es dennoch Kleinkindern Alternativen aufzuzeigen und Bedingungen zu schaffen, in denen sie dennoch mitentscheiden können, z.B. bei der Auswahl von Aktivitäten, kann dies ihre Resilienz fördern. „Allein die Perspektive zu haben, selbstbestimmt zwischen Alternativen auswählen zu können, verringert das Gefühl des ‚Ausgeliefertseins‘ und der Fremdbestimmung durch die Krankheit‘“ (Pretis/Dimova 2010: 74). Zuletzt soll auf die Einbindung des Kindes in die „Community“ verwiesen werden. Sind gemeindenahe (Unterstützungs-)angebote vorhanden, die dezentral organisiert sind und Eltern einen niederschwelligen Zugang ermöglichen, so kann 56 eine Enttabuisierung psychischer Erkrankungen gefördert werden und somit auch die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten erleichtert werden. Die Resilienz von Kleinkindern hängt somit auch von der Einbindung des Kindes in die Gemeinde ab (vgl. ebd.: 73ff.). 4.5 Krankheitserfahrung als Erziehungsressource & Entwicklung von Potentialen Nachdem nun dargestellt wurde, durch welche Resilienzfaktoren die Widerstandsfähigkeit von Kindern bipolar erkrankter Eltern gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken verbessert werden kann soll abschließend ebenso auf den Aspekt verwiesen werden, dass „Kinder psychisch kranker Eltern auch Potenziale durch die Erkrankung der Eltern entwickeln [können]“ (Beeck: 2008: 21). Beeck betont demzufolge, dass Kinder, insofern sie in der Lage waren die Herausforderungen durch die elterliche psychische Erkrankung zu bewältigen, durchaus über besondere Potenziale verfügen können. In einer Befragung von mittlerweile erwachsenen Kindern, die bei psychotisch erkrankten Eltern aufwuchsen, äußerten die Kinder zum Beispiel, dass sie durch die Erkrankung des Elternteils ein überdurchschnittlich gutes „Krisenmanagement“ entwickelt hätten, sodass sie in der Lage seien „normale Krisen“ gut zu bewältigen. Überdies teilten die Kinder mit, eine überdurchschnittliche Selbstständigkeit und ein gut ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein entwickelt zu haben, da sie früh lernten für sich und andere zu sorgen. Ebenso betonten die Befragten, dass Zuverlässigkeit für sie von besonderer Relevanz sei und sie in Folge versuchten, diese auch anderen Menschen zu bieten. Zuletzt ist das hohe Einfühlungsvermögen als Potential zu nennen, welches viele Kinder durch die elterliche Erkrankung entwickelten: „Meist waren es die Kinder, die gemerkt haben, dass wieder etwas mit ihren Eltern nicht stimmt. Sie haben ‚Antennen‘ für das Wohlbefinden ihrer Eltern entwickelt“ (ebd.: 21).10 10 Durch die Darstellung der Ressourcen und Potentiale soll nicht in Frage gestellt werden, dass eine elterliche psychische Erkrankung zweifelsfrei oftmals eine Überforderung der Kinder darstellt. Wie gezeigt werden konnte, entscheidet somit das Gleichgewicht an Schutz- und Belastungsfaktoren darüber, ob es Kindern gelingt, sich zu gesunden Erwachsenen (mit besonderen Potentialen) zu entwickeln. Die ausdrückliche Beto- 57 Des Weiteren verweist Krumm darauf, dass die Krankheitserfahrungen bipolar erkrankter Mütter auch eine Erziehungsressource darstellen können. So äußerten psychisch erkrankte Frauen mit Kinderwunsch, dass sie, gesetzt den Fall, dass das eigene Kind eine psychische Erkrankung entwickeln sollte, dann aufgrund ihrer eigenen Aufgeklärtheit in angemessener, nicht stigmatisierender Weise darauf reagieren könnten: „Es ist zwar natürlich nicht toll, wenn das eigene Kind psychisch krank werden würde, aber gesetzt dem Fall, das wäre so, hätte es aufgeklärte Eltern, also es würde auf keine Vorurteile treffen und man würde rechtzeitig schon versuchen, was dagegen zu tun (Int. 8.)“ (Krumm et al. 2010: 138f.). Zudem könnte die eigene Krankheitserfahrung zur Erziehungsressource werden, wenn daraus eine frühzeitige Inanspruchnahme von Unterstützungsmöglichkeiten resultiert: „Das würde ich ja nicht gerade einem Kind wünschen von mir, dass es auch diese Krankheit hat, obwohl es vielleicht besser dann zu erkennen wäre, weil man wüsste, ich hab das ja schon. In meiner Familie gibt’s das nicht, da hat keiner so was und deswegen ist es vielleicht auch nie erkannt worden (Int. 16.)“ (ebd.: 139). nung von möglichen Potentialen zielt daher auf die Komplettierung der Darstellung und ist ebenso unumgänglich wie die Betonung möglicher Gefährdungen. 58 5. Soziale Arbeit als Lebenskunst- und Menschenrechts- profession: Die Förderung der gelingenden Elternschaft als Aufgabe Klinischer Sozialer Arbeit? Die bisherigen Erläuterungen zum Thema Kinderwunsch und Elternschaft bipolar erkrankter Frauen lassen erkennen, dass die Reproduktion psychisch erkrankter Frauen durch die Fokussierung auf Risikofaktoren lange Zeit einer einseitigen Betrachtungsweise unterlag bzw. teilweise noch immer unterliegt. Zweifelsfrei wäre es somit wünschenswert, die Thematik in umfassenderer Weise zu beleuchten und mögliche problematische Aspekte der Elternschaft psychisch kranker Menschen auch mit mangelnden Unterstützungsangeboten in Verbindung zu bringen. Wirft man in diesem Kontext die Frage auf, warum die Beratung und Begleitung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankter Mütter Gegenstand der Profession Klinischer Sozialer Arbeit sein soll und muss, ist diese Frage klar durch den Verweis auf die Menschenrechte, welchen Soziale Arbeit verpflichtet ist, zu beantworten. Laut Definition der IFSW (International Federation of Social Workers) ist Soziale Arbeit ein Beruf, der „den sozialen Wandel und die Lösung von Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen [fördert], und […] [die] Menschen [befähigt], in freier Entscheidung ihr Leben besser zu gestalten. Gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse über menschliches Verhalten und soziale Systeme greift Soziale Arbeit dort ein, wo Menschen mit ihrer Umwelt in Interaktion treten. Grundlagen der Sozialen Arbeit sind die Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit“ (IFSW 2012). Der Gegenstand Sozialer Arbeit wird somit gleich mit mehreren Zielbegriffen wie dem „sozialen Wandel“, der „Problemlösung in zwischenmenschlichen Beziehungen“, der „Befähigung zu freier Entscheidung (Empowerment)“ und der „guten Lebensgestaltung“ umschrieben. Diese Zielbegriffe sollen den Prinzipien der „sozialen Gerechtigkeit“ und der „Menschenrechte“ folgen. Röh resümiert entsprechend, dass Soziale Arbeit „sowohl mit der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe des sozialen Wandels als auch der in den Gemeinschaften, Gruppen und Sozialbeziehungen auftretenden Problemlösung sowie Empowerment und Befreiung von Gruppen, Einzelnen sowie der Erhöhung deren Wohlbefindens verbunden [ist]“ (Röh 2013: 55). 59 In Hinblick auf die Menschenrechte als Grundlage Sozialer Arbeit kommt insbesondere dem Menschenrecht auf Familienplanung, welches erstmals bei der internationalen Menschenrechtskonferenz in Teheran 1968 formuliert wurde, besondere Bedeutung innerhalb dieser Arbeit zu. Es besagt, dass es ein grundlegendes Recht von Frauen und Männern ist, über die Zahl ihrer Kinder und den Zeitpunkt ihrer Geburt frei und verantwortlich zu entscheiden (vgl. ÖGF 2007). Dieses Recht auf Familienplanung wurde bei der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo im Jahr 1994 folgendermaßen bestätigt: „Das Ziel von Familienplanungsprogrammen muss es sein, Paaren und Einzelpersonen zu ermöglichen, sich frei und eigenverantwortlich über die Zahl ihrer Kinder und den Zeitpunkt ihrer Geburt entscheiden zu können sowie über die hierzu erforderlichen Mittel und Informationen zu verfügen“ (Deutsche Stiftung Weltbevölkerung 2012: VI). Auch im Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau aus dem Jahr 1979 wird das Menschenrecht auf Familienplanung unter Artikel 16 e) schriftlich festgehalten: „(1) Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau in Ehe- und Familienfragen und gewährleisten auf der Grundlage der Gleichberechtigung von Mann und Frau insbesondere folgende Rechte: […] e) gleiches Recht auf freie und verantwortungsbewusste Entscheidung über Anzahl und Altersunterschied ihrer Kinder sowie auf Zugang zu den zur Ausübung dieser Rechte erforderlichen Informationen, Bildungseinrichtungen und Mitteln“ (Bundesgesetzblatt II 1985: 657). Folglich besteht ein klar definierter ethischer Referenzrahmen für das Handeln Klinischer SozialarbeiterInnen. Die Gewährleistung reproduktiver Rechte, inklusive der Unterstützung bei der Familienplanung und dem Zurverfügungstellen von Informationen verkörpern somit aufgrund ihrer Verankerung in den Menschenrechten sozialarbeiterische Aufträge. Die tatsächliche Umsetzung gestaltet sich jedoch angesichts zunehmender Einsparungen im Gesundheitssystem immer schwieriger. Auch Staub-Bernasconi verweist darauf, dass Soziale Arbeit, wenn sie sich als Disziplin und Profession auf die Menschenrechte beruft, aufgefordert ist, diese zu verteidigen und zu sichern (vgl. Staub-Bernasconi 2006: 267ff; StaubBernasconi 2008: 9ff.). Umgekehrt ist Soziale Arbeit allerdings auch - will sie ihrer Bestimmung als „agency for social change“ (IFSW) nachkommen - fundamental auf die Menschenrechte angewiesen, um Menschen bei der Wahrung und Durchsetzung ihrer Rechte (der Menschenrechte) helfen zu können (vgl. Mührel/Röh 60 2007: 298). Insbesondere weil die Profession der Sozialen Arbeit in ihren Aufträgen auch von gesellschaftlichen, sozialpolitischen und administrativen Vorgaben mitbestimmt wird ist ein ethischer Bezugsrahmen zur Reflexion des eigenen Handelns unerlässlich. Schließlich können dadurch an die Soziale Arbeit herangetragene Aufträge kritisch reflektiert werden. Röh hält entsprechend fest, dass „eine ethische Reflexion dieser Einflüsse, will man eine emanzipatorische und humanistische Soziale Arbeit vertreten, von Nöten [ist]“ (Röh 2013: 64). An dieser Stelle sei auch auf den Entwurf Sozialer Arbeit als Lebenskunstprofession verwiesen, wie ihn Frauke Mayer durch ihre Überlegungen zur ethischen Dimension Sozialer Arbeit geprägt hat. In ihrer Abhandlung zur Klärung des Auftrags, der Aufgaben und Herausforderungen Sozialer Arbeit, wirft sie die „ethische Frage nach der besten, sowohl unserer Lebenswirklichkeit als auch unseren Werten angemessenen Haltung gegenüber uns selbst, den Mitmenschen und der Erde […]“ auf (Meyer 2002: 1). Dabei nimmt sie ebenfalls Bezug auf die Verortung Sozialer Arbeit als Profession, „die alltäglich mit der mangelnden Befriedigung grundlegender, menschlicher Bedürfnisse konfrontiert ist und die daraus resultierende Not ermessen kann […]“ (ebd.: 18). Daraus folgt die Argumentation Meyers, dass Soziale Arbeit die Durchsetzung der Menschenrechte zum wesentlichen Prinzip ihres beruflichen Handelns machen muss (vgl. ebd.: 18). Begründet durch ihre Annahme, dass Menschen ihr Leben in aller Regel als gutes, glückliches und gelingendes Leben erfahren und begreifen möchten, schlägt sie vor, Soziale Arbeit als Lebenskunstarbeit zu definieren. Unter Berufung auf Aristoteles, der bereits konstatierte, dass jeder Mensch sein Leben so führen und wählen können sollte, dass am Ende die eudaimonia (Glückseligkeit) steht, fordert Meyer, dass auch die Soziale Arbeit sich am guten, gelingenden Leben orientieren solle. „Berücksichtigt und respektiert man diese Sehnsucht jedes Menschen nach einem guten, gelingenden und glücklichen Leben läßt [sic!] sich zu Recht fragen, ob sich Soziale Arbeit überhaupt denken ließe, ohne eine Vorstellung von und eine Orientierung an einem guten Leben“ (Meyer 2002: 3). Folglich zielt Soziale Arbeit als Lebenskunstprofession, die sich am gelingenden Leben orientiert, darauf ab, die Handlungsmöglichkeiten des/der Einzelnen, sowie die Fähigkeiten den eigenen Lebensweg zu kontrollieren, wiederherzustellen, 61 wenn Lebensentwürfe gescheitert sind oder zu scheitern drohen (vgl. Meyer 2002: 14; Schörghofer 2010: 36f.). „Bei psychisch Kranken ist hierbei sicher der Umgang mit Brüchen, die individuelle Emanzipation von der eigenen ‚Krankengeschichte‘, bzw. Unterscheidung von ‚Krankengeschichte‘ und ‚Lebenserzählung‘ wichtig“ (Schörghofer 2010: 37). Soziale Arbeit als Lebenskunstprofession hat somit das Ziel, Menschen schrittweise zu einer weltoffenen, selbstbestimmten Lebensführung zu befähigen. Dazu eignet sich als Methode die Klugheitserziehung, wie sie bereits Wilhelm Schmid in seinem Buch „Philosophie der Lebenskunst“ vorstellt. „Klugheitserziehung [geht] von den Fähigkeiten und Ressourcen des Einzelnen aus um in angemessenen Schritten diesen persönlichen Handlungshorizont im Hinblick auf das Ziel kluger und umsichtiger Lebensführung zu erweitern“ (Schmidt 1998: 312ff. zit. n. Meyer 2002: 14f.). Soziale Arbeit als Lebenskunstprofession orientiert sich demzufolge an Fähigkeiten und gelungenen Lebenssituationen des Menschen, anstatt Defizite zu fokussieren (vgl. Meyer 2002: 15). Die gelingende Elternschaft bzw. die Förderung dieser durch Unterstützungsmöglichkeiten soll im Rahmen dieser Arbeit anhand der bisher erfolgten Erläuterungen in den größeren Kontext des gelingenden Lebens eingeordnet werden. Denn Soziale Arbeit hat als Lebenskunstprofession die Förderung selbstbestimmter und durch Informationsvermittlung fundierter reproduktiver Entscheidungen zum Ziel. Da auch der Kinderwunsch und die Elternschaft im Lebensentwurf vieler Menschen von großer Relevanz sind, besteht für die Soziale Arbeit folglich auch dann ein Auftrag, wenn der selbstbestimmte Umgang mit reproduktiven Aspekten eingeschränkt bzw. gefährdet ist. Schließlich ist die Selbstbestimmung eines jeden Menschen an sich bereits zu fördern, da sie wiederum selbst unweigerlich mit gelingendem Leben verbunden ist. Zum anderen stellen die Menschenrechte einen klar definierten ethischen Bezugsrahmen für das Handeln Klinischer SozialarbeiterInnen dar. Somit ist festzuhalten, dass ProfessionistInnen durch den Auftrag, die Menschenrechte zu verteidigen und zu sichern, auch der Umsetzung des Menschenrechts auf Familienplanung und der damit einhergehenden Förderung einer gelingenden Elternschaft ver- 62 pflichtet sind, wenn die Frauen sich für eine Umsetzung ihres Kinderwunsches entscheiden.11 Nichtsdestotrotz findet die Thematik des Kinderwunsches bisher kaum Berücksichtigung durch die Klinische Soziale Arbeit. „Leider ist die Elternschaftsthematik bei vielen Behandelnden unterschiedlicher Berufsgruppen nur unzureichend repräsentiert“ (Grube/Dorn 2007: 67). Klinische Soziale Arbeit könnte sich daher in diesem bisher unzureichend berücksichtigten Feld etablieren und eine Lücke schließen. 5.1 Ethische Herausforderungen Die unzureichende Beachtung reproduktiver Aspekte ist vermutlich auch mit ethischen Herausforderungen in Verbindung zu bringen, mit denen professionelle HelferInnen im psychiatrischen Kontext konfrontiert sind, wenn Patientinnen einen Kinderwunsch äußern. In einer Untersuchung zur Einstellung von professionellen HelferInnen bezüglich des Kinderwunsches von Patientinnen eines psychiatrischen Krankenhauses, zeigte sich, dass die Befragten versuchten eine neutrale Haltung einzunehmen und den Kinderwunsch der Patientinnen in deren eigene Entscheidungsmacht zu legen. Dabei betonten sie das Recht auf eigene reproduktive Entscheidungen und verwiesen auf historische Aspekte der Eugenik. „Ein Teilnehmer der Untersuchung äußerte sich folgendermaßen: „But of course, it´s more or less the same with all kinds of decision: in the end it´s the patient who makes the decision (Psychologist_1, 336)” (Krumm et al. 2014: 5). Auch eine andere Studienteilnehmerin verwies auf die reproduktiven Rechte psychisch erkrankter Menschen, die es zu schützen gilt: “Thank god those times are gone. But I did experience such times, when I first arrived here. There were many patients who 11 Jedoch muss natürlich bei Thematik der Elternschaft beachtet werden, dass Konflikte entstehen können, wenn der Lebensentwurf von Frauen (z.B. aufgrund ihrer Erkrankung) schwer mit den Bedürfnissen eines Kindes vereinbar scheint. Die Selbstbestimmung einer Person stößt somit dann an ihre Grenzen, wenn damit das Wohl einer anderen Person (etwa des Kindes) gefährdet ist. „Es [gibt] schwerwiegende durch elterliche Erkrankungen begründete Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit. In diesen Fällen muss zum Schutz des Kindes eingegriffen werden „ (Grube/Dorn 2007: 67). 63 underwent forced sterilization (Nurses_1)” (ebd.: 5). Somit wurde unterstrichen, dass jede/r PatientIn das Recht hat ein Kind zu bekommen. Dennoch wurde ersichtlich, dass die Frage, inwieweit die Frauen aufgrund ihrer psychischen Erkrankung darin beeinträchtigt sind eine autonome Entscheidung für oder gegen ein Kind zu treffen, durchaus einen Unsicherheitsfaktor darstellt. „Sometimes during an in-patient treatment one might think it is not a good idea for a female patient to become pregnant (…) how far does our responsibility go here (.). is it possible at all for a patient to make her own decisions in such a case? (Psychiatrist_1)” (ebd.: 5). Eine Unfähigkeit reproduktive Entscheidungen autonom zu treffen wurde dabei von den ExpertInnen des Handlungsfeldes aber eher als Ausnahme denn als Regel beschrieben. Im Zusammenhang mit ethischen Aspekten fällt auch auf, dass professionelle HelferInnen versuchten eine neutrale Haltung bezüglich reproduktiver Entscheidungen einzunehmen, sich dazu aber manchmal über ihre persönlichen Überzeugungen hinwegsetzen mussten. Dies wird durch eine Interviewpassage der Studie deutlich, in der ein professioneller Helfer berichtet, explizit Abstand davon zu nehmen, sich negativ zu äußern. Dazu ordnet er seine fachliche Einschätzung dem Konzept der eigenen Entscheidung von Patientinnen unter: „Of course, none of us are really non-judgmental. That´s a fact. Yes, you can´t – can´t really be. But nevertheless you have to free yourself from that way of thinking. I have to say it´s not about valuations but about patients being able to decide for themselves (Psychiatrist_1)” (ebd.: 5). Zudem konnte die Studie zur Einstellung professioneller HelferInnen offen legen, dass diese häufig bezüglich einer Schwangerschaft psychisch erkrankter Klientinnen bzw. PatientInnen hin und her gerissen sind, wenn sie vermuten dass eine Schwangerschaft zu einer Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes der Frauen führen wird. Auf der einen Seite steht dabei die Verpflichtung der professionellen HelferInnen sich um das Wohl der Frauen zu sorgen. Auf der anderen Seite erleben die ProfessionistInnen eine Beeinflussung der Frauen, indem etwa die eigene Meinung geäußert wird, als unvereinbar mit der professionellen Neutralität (vgl. Krumm et al 2014: 6). 64 Des Weiteren betonten die professionellen HelferInnen auch die möglichen negativen Auswirkungen von einer psychischen Erkrankung der Mutter auf die Entwicklung des Kindes. Dieser Aspekt wurde kontrovers diskutiert: „Some participants stressed the fact that they have a treatment mandate for the adult patient rather than for the patient´s child. From this perspective, patients´offspring are subordinated to patient well-being. Of course, subordination of child- well being does not imply that child welfare issues are ignored in the treatment process. Rather, the issues of patients´children is accepted as one among other important components within the treatment process” (ebd.: 7). Die Darstellung der ethischen Aspekte verdeutlicht, dass die Reproduktion psychisch erkrankter Menschen sowohl die Betroffenen selbst als auch professionelle HerlferInnen vor besondere Herausforderungen stellt. Dies führt unter anderem dazu, dass die Reproduktion psychisch erkrankter Menschen aufgrund der ethischen Herausforderungen „ent-professionalisiert“ wird und somit kein bzw. ein vermindertes Zuständigkeitsempfinden bei professionellen HelferInnen vorhanden ist (vgl. ebd.: 7). Anstatt die Thematik jedoch als (ausschließlich) privaten Bereich abzutun, der somit nicht mehr in den Verantwortungsbereich professioneller Helfer fällt, wäre eine Qualifizierung der Fachkräfte und Thematisierung ethischer Konflikte wünschenswert. Nur dann kann die Klinische Soziale Arbeit ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der Menschenrechte nachkommen. Zusammenfassend soll betont werden, dass Unterstützung somit auf professioneller Basis nicht in Form von Beeinflussung oder durch die Äußerung der eigenen Meinung stattfinden kann. Stattdessen können aber Informationen bereit gestellt werden, sodass Frauen mit Kinderwunsch eine fundierte Entscheidung treffen können. Ebenso gilt es Frauen, die sich für die Umsetzung ihres Kinderwunsches entschieden haben, bestmöglich zu unterstützen und ihre eigene Gesundheit und die des Kindes zu fördern. Welche Interventionsformen zur Unterstützung einer gelingenden Elternschaft beitragen können, soll im nächsten Kapitel untersucht werden. 65 6. Unterstützungsmöglichkeiten Klinischer Sozialer Arbeit Nachdem gezeigt wurde, dass die Beratung und Begleitung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch und bipolar erkrankter Mütter ein Aufgabenfeld Klinischer Sozialer Arbeit darstellen, soll geklärt werden in welcher Form Unterstützungsmöglichkeiten für bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch und bipolar erkrankte Mütter geleistet werden können. Das folgende Kapitel soll daher genutzt werden, um Interventionsformen und Konzepte vorzustellen, anhand derer eine verstärkte Unterstützung bipolar erkrankter Frauen hinsichtlich reproduktiver Aspekte umgesetzt werden kann. Zunächst wird auf die Klassifizierung der vier Typen der psychosozialen Versorgung nach Ludewig eingegangen, um zu veranschaulichen wodurch Beratung und Begleitung als Hilfsformen gekennzeichnet sind bzw. worin sie sich unterscheiden. Darauf folgend wird die psychosoziale Beratung als Interventionsform Klinischer Sozialer Arbeit erläutert und aufgeschlüsselt, welche Expertise und Kernkompetenz Klinische Soziale Arbeit im Handlungsfeld der psychosozialen Beratung und Behandlung aufweist. Damit soll veranschaulicht werden, dass Klinische Soziale Arbeit als Fachdisziplin über Potentiale zur Gesundheitsförderung verfügt, die insbesondere im psychiatrischen Arbeitsfeld besonders bedeutsam sind. 6.1 Formen der psychosozialen Versorgung nach Ludewig Zur Verortung von Beratung und Begleitung als Formen der psychosozialen Versorgung (von bipolar erkrankten Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankten Müttern) soll in diesem Kapitel auf die Typisierung Ludewigs verwiesen werden. Danach kann die Vielfalt an Hilfssystemen in vier Grundarten professionellen Helfens eingeteilt werden. Klinische Hilfestellung kann somit in Form von Anleitung, Beratung, Begleitung und Therapie erfolgen, wie in Abbildung 8 veranschaulicht wird. Ziel ist dabei immer die Linderung oder Beseitigung von Leiden, so Ludewig (vgl. Ludewig 1992: 121ff; Ludewig 2002: 171). 66 Abb. 8: Formen professioneller psychosozialer Versorgung Quelle: In Anlehnung an Ludewig (2002): Leitmotive systemischer Therapie, S. 171. Am Hilfe- bzw. Fürsorgeprozess sind stets zwei Parteien beteiligt, nämlichen zum einen die hilfesuchende Person (bzw. die Person, der Hilfe verordnet wurde) und zum anderen die Person, die Hilfestellung bietet. Die Hilfesuche kann durch verschiedene Motive initiiert werden: Entweder kann der Wunsch nach Erweiterung, d.h. die Zunahme an Fähigkeiten, Entscheidungskriterien und Optionen im Vordergrund stehen, um mit Leiden besser umzugehen. Oder aber die Hilfesuche (Verordnung dieser durch den Auftraggeber) ist direkt mit dem Wunsch verbunden, dass das Leiden nachlässt (Verringerung). Das Muster der Versorgung, welches in der Graphik durch die Waagrechte dargestellt wird, „bedingt die Art und Weise, wie der Helfer seine Mittel – seine strukturellen Möglichkeiten – einsetzt“ (Ludewig 1992: 122). Auf der einen Seite steht hier Konvergenz als Muster der Versorgung, d.h. es wird eine Bildung einer dauerhaften Beziehung angestrebt, der Helfer stellt seine Struktur zur Verfügung und es kommt im Verlauf der Hilfestellung zu einer Angleichung der Struktur von Helfer und Hilfesuchendem. Auf der anderen Seite kann die Differenz das Ziel der Hilfestellung sein. Dann fungiert der Helfer als Katalysator, der bei der hilfesuchenden Person eigene Prozesse anregt. Die Entstehung einer überdauernden Beziehung wird dabei nicht angestrebt und vermieden (vgl. Ludewig 2002: 170ff.). 67 In Abhängigkeit vom Auftraggeber des Hilfsprozesses unterscheidet Ludewig zwischen zwei Grundformen der psychosozialen Versorgung: Während Hilfe prinzipiell die Hilfesuche voraussetzt und es sich somit um einen frei ausgehandelten Vertrag handelt, kommt Fürsorge in Form einer Anordnung durch einen Auftraggeber, wie etwa dem Jugendamt, zustande. Unter Fürsorge versteht Ludewig somit jene Form der Versorgung, die durch Dritte zum Wohle anderer veranlasst wird (vgl. Ludewig 2002: 171f.). „Die Art und Weise, wie eine Maßnahme der psychosozialen Versorgung veranlasst wird, zeigt zwei unterscheidbare Grundformen: Hilfe und Fürsorge. Beide Konzepte sind zwar in der Vergangenheit mehr oder weniger anrüchig geworden – man denke zum Beispiel an die unliebsame Fürsorgerin früherer Epochen bzw. an das bedrückende ‚Helfersyndrom‘ der siebziger Jahre –, sie bezeichnen jedoch derart elementare und spezifische Formen des menschlichen Miteinanders, daß [sic!] sie es verdienen, ernst genommen und rehabilitiert zu werden“ (ebd.: 172). Helfen kann daher nur dann stattfinden wenn eine Bitte um Hilfe geäußert wurde. Fürsorge stellt hingegen eine Maßnahme dar, die von befugten und verantwortlichen Dritten veranlasst wird. Auftraggeber, Ausführende und Empfänger sind drei verschiedene Instanzen. Dabei stellen beide Formen, Hilfe und Fürsorge, legitime und notwendige Formen der sozialen Versorgung dar. Mittels der Trennung von Hilfe und Fürsorge soll laut Ludewig kein Unterschied in der Wertigkeit beider Formen herausgearbeitet werden. Vielmehr geht es darum, das Handeln und die Hilfestellung am Auftrag ausrichten zu können (vgl. ebd.: 172; Ludewig 1999: 53ff.). Abb. 9: Hilfe und Fürsorge Quelle: In Anlehnung an Ludewig (1999): Leitmotive systemischer Therapie, S. 53ff. 68 Die Formen der psychosozialen Versorgung, Anleitung, Beratung, Begleitung und Therapie sind daher je nachdem, ob die Bitte um Hilfe oder die Verordnung von Fürsorge das Anliegen darstellen, zu unterscheiden. Anlass, Maßnahme und Dauer sind hingegen bei Anleitung, Beratung, Begleitung und Therapie jeweils vom Grund der Hilfe unabhängig (vgl. Ludewig 1999. 53ff.). Die Einteilung in Hilfe und Fürsorge veranschaulicht auch das Spannungsfeld in dem sich Soziale Arbeit bewegt, schließlich muss zwischen dem Wohl der Mutter und dem Wohl des Kindes differenziert werden. Daraus können sich Interessenskonflikte zwischen dem Auftraggeber, der ausführenden Person und den Empfängern ergeben. ( 1. Anlass, 2. Maßnahme, 3. Dauer) Abb. 10: Grundarten des Helfens und der Fürsorge Quelle: In Anlehnung an Ludewig (2002): Leitmotive systemischer Therapie, S. 171. 69 Angewendet auf die Thematik der Beratung und Begleitung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankter Mütter bedeutet diese, dass es Ziel von Beratung sein muss, Frauen zur selbstbestimmten Nutzung ihrer Möglichkeiten zu befähigen. Dazu müssen vorhandene Strukturen gefördert werden. Die Beratung zielt somit auf eine Erweiterung, z.B. von Kompetenzen. Während „Anleitung impliziert, dass die Strukturen der Klienten, ob es sich um Fertigkeiten oder Wissen handelt, über die Zeit mit denen der Helfer ähnlicher werden“ geht es in der Beratung hingegen darum, „die vorhandenen Strukturen der Klienten zu fördern und zu aktivieren, ohne eine Angleichung anzustreben“ (Ludewig 1999: 53ff.). Die Erteilung eines konkreten Rates kann in diesem Sinne keine Beratung, sondern viel eher Anleitung sein. Ziel von Begleitung ist es hingegen, Leid in unabänderlichen Problemlagen zu verringern, indem eine Stabilisierung durch fremde Strukturen geboten wird. „Begleitung strebt die Stabilisierung des Bedürftigen durch Einsatz einer fremden Struktur, etwa der des Helfers, an. Hierzu gehören Trost, Beistand, Stützung“ (Ludewig 1999: 53ff.). Zur Trennung der vier Formen psychosozialer Versorgung ist anzumerken, dass die schematische Darstellung von Anleitung, Beratung, Begleitung und Therapie der besseren Übersichtlichkeit geschuldet ist. Tatsächlich ist die Darstellung aber zu trennscharf, da Anleitung, Beratung, Begleitung und Therapie in der Praxis ineinander übergehen und sich gegenseitig ablösen können (vgl. Ludewig 2002: 175f.). Klinische Soziale Arbeit kann somit in der psychosozialen Versorgung in allen vier Quadranten agieren. Wenngleich Klinische Soziale Arbeit nicht auf Änderung innerpsychischer Probleme abzielt, wie dies in der Psychotherapie der Fall ist, kommen jedoch auch in der Klinischen Sozialen Arbeit sozialtherapeutische Elemente zum Einsatz. 6.2 Klinisch-sozialarbeiterische Beratung und Behandlung Nachfolgend soll definiert werden durch welche Alleinstellungsmerkmale die klinisch-sozialarbeiterische Beratung und Behandlung charakterisiert sind. Dazu wird 70 erläutert welcher Mittel sich Klinische Soziale Arbeit bedient und welche Veränderungen sie anstrebt und bewirken kann. Dadurch soll verdeutlicht werden, dass Klinische Soziale Arbeit durch ihre Gesundheitsorientierung über besondere Potentiale im Handlungsfeld der Psychiatrie verfügt, die auch zur Unterstützung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankter Mütter mit Kind gewinnbringend eingesetzt werden können. 6.2.1 Definition klinisch-sozialarbeiterischer Beratung und Behandlung Laut Pauls bestehen die klinisch-sozialarbeiterische Beratung und Behandlung „aus zielgerichteten (a) beratenden, (b) unterstützenden und (c) sozialtherapeutischen Maßnahmen und Interventionen im Rahmen eines geplanten interaktionellen Prozesses zwischen Betroffenen, sozialem Umfeld und Fachkraft, getragen durch eine professionelle helfende Beziehung“ (Pauls 2011: 182). Klinisch sozialarbeiterische Behandlung kann dabei auf drei Ebenen stattfinden: 1. Als erstes sind personen- und individuenbezogene Interventionen zu nennen, bei denen von der Fachkraft Gesprächsführungstechniken und beratend-therapeutische Methoden als Antwort auf die vom Klienten präsentierten Probleme angeboten und durchgeführt werden. 2. Zudem kann klinisch-sozialarbeiterische Behandlung auf der beziehungsbezogenen Ebene, z.B. durch die Arbeit mit Familien, stattfinden. Dabei kommen Methoden zum Einsatz, die auf interpersonale Zusammenhänge ausgerichtet sind und sich besonders für die Arbeit mit Familien eignen. „Die spezifische Interventionsaufgabe liegt hier in der Veränderung von Beziehungen und Interaktions- und Kommunikationsmustern, d.h. es geht um interpersonale (distale) Maßnahmen in Bezug auf Familie, Angehörigem Nachbarschaft […]“ (ebd.: 181). 3. Zuletzt sind Interventionen auf der umgebungsbezogenen Ebene (Gemeinwesen) zu nennen, die auf eine Veränderung der Umgebung bzw. der Situation zielen. Angestrebt wird dabei eine Beeinflussung der Lebenslage und der Lebenssituation „durch intersystemische und netzwerkbezogene funktionale und strukturale Maßnahmen“. Somit fallen auch die Arbeit mit dem 71 sozialen Netzwerk und das Case-Management unter die umgebungsbezogenen Arbeitsformen (vgl. ebd.: 181). Daraus wird ersichtlich, dass in der klinischen sozialen Arbeit die bio-psychosoziale Perspektive die Grundlage der praktischen Arbeit bildet, sodass Personen nicht isoliert in ihrer Problemlage betrachtet werden, sondern die Arbeit dem Ansatz „Person-in-environment“ folgt. Eine konstruktive Förderung einer gelingenden Elternschaft kann daher weder die Mutter noch das Kind isoliert betrachten, sondern muss stets die drei Ebenen sozialarbeiterischer Behandlung in einem Gesamtkonzept integrieren (vgl. ebd.: 64). Klinisch-sozialarbeiterische Beratung und Behandlung ist auf schwer belastete, beeinträchtigte, gefährdete und/oder psychisch und somatisch – meist chronisch – kranke und leidende Menschen als AdressatInnen abgestimmt. Somit fällt auch die Gruppe bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankter Mütter in den Handlungsbereich der klinisch-sozialarbeiterischen Beratung. Das grundsätzliche Ziel der Klinischen Sozialen Arbeit durch entlastende, klärende, anregende und fördernde Maßnahmen eine größere Unabhängigkeit von Individuen zu fördern scheint auch für die Gruppe der bipolar erkrankten Frauen gewinnbringend zu sein. Ebenso gilt es durch Ressourcenaktivierung, Hilfe bei der Problem- und Belastungsbewältigung, sowie der Konfliktbearbeitung die oftmals mehrfach belasteten Frauen (psychische Erkrankung, Stigmatisierung, sozialer Drift etc.) zu entlasten. Durch verbale und nonverbale Kommunikation (Beratung, Anleitung), Übung, lebenspraktische Hilfen, soziale Unterstützung und soziale Netzwerkarbeit soll zudem eine Veränderung der Lebenslage und der Lebensweise erreicht werden. Denn Pauls betont, dass der konstruktive Verlauf psycho-sozialer Behandlung durch Veränderungen der Lebenslage und der Lebensweise gekennzeichnet sind (vgl. ebd. 182f.). Veränderungen der Lebenslage zeigen sich durch die Verbesserung der sozialen Integration in ein soziales Netz und einen verbesserten Gesundheitsstatus aus. Darüber hinausgehend sind Veränderungen der Lebenslage auch durch eine Milderung objektiver Belastungsmerkmale der Lebenssituation zu erkennen, sowie an 72 der Verbesserung bzw. Aktivierung von Ressourcen. Auch eine Verbesserung der sozial-emotionalen Beziehungen in der Partnerschaft und Familie sind Ziele der Veränderung der Lebenslage, die für die Zielgruppe dieser Arbeit besonders relevant sind (soziale Unterstützung, kompensatorische Wirkung eines gesunden Partners für das Kind etc.). Ziele der Veränderung der Lebensweise sind etwa „die Entwicklung eines positiven und mit den eigenen Erfahrungen kongruenten Selbstbildes der Handlungsund Selbststeuerungsfähigkeit“ (ebd.: 183), welches durch psychische Erkrankungen oftmals ins Wanken gerät. Zudem sind Veränderungen der Lebenslage daran zu erkennen, dass es Betroffenen durch den Abbau dysfunktionaler und den Aufbau funktionaler Problemlösungsstrategien besser gelingt externe und interne Belastungen zu bewältigen. Daneben ist die „Förderung des Bestrebens, dem eigenen Leben einen Sinn zu geben und die eigenen Lebensbedingungen mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen in Einklang zu bringen“ (ebd.:183) ein bedeutendes Ziel der Veränderung der Lebensweise, das in Verbindung mit dem Kohärenzgefühl Antonovskys steht (vgl. Antonovsky 1979). Führt man sich vor Augen, dass reproduktive Aspekte für viele Menschen von hoher subjektiver Bedeutung sind und der Kinderwunsch bei psychisch erkrankten Frauen häufig mit der Hoffnung auf eine Selbstheilung bzw. „Normalbiografie“ verbunden ist, wird ersichtlich, dass die Frage, wie die Lebensbedingungen mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen in Einklang zu bringen sind, von besonderer Relevanz ist. Im Rahmen der psycho-sozialen Behandlung könnte somit mit den betroffenen Frauen thematisiert werden, wie ein geäußerter Kinderwunsch mit den Lebensbedingungen vereinbart werden könnte. Zudem zielt die psycho-soziale Behandlung auf die Übernahme von Verantwortung für die eigene Lebensgestaltung. Auch in dieser Hinsicht scheint die Thematisierung reproduktiver Aspekte in diesem Rahmen angebracht, wenn diese für KlientInnen relevant sind (vgl. Pauls 2011: 183). 6.2.2 Bestimmung psychosozialer Beratung als Interventionsform der Klinischen Sozialen Arbeit Nachfolgend soll überblicksartig auf die psycho-soziale Beratung als konstituierendes Element Klinischer Sozialer Arbeit eingegangen werden. Die psychosozia73 le Beratung ist als dialogischer Interaktionsprozess zu verstehen und stellt neben der psychosozialen Diagnostik, der Sozialtherapie, der Sozialen Unterstützung, der Krisenintervention und der psychosozialen Rehabilitation eine Interventionsform Klinischer Sozialarbeit dar (Pauls 2011: 255; Pauls 2013: 192). Im Rahmen der klinisch sozialarbeiterischen Behandlung umfasst die psychosoziale Beratung „verschiedene Strategien und Methoden zur Förderung heilsamer Veränderung der Lebensweise und der Lebenslage von Subjekten“ (Pauls 2013: 192). Durch Orientierungs-, Planungs-, Entscheidungs- und Handlungshilfen sollen Menschen in sozialen und psychischen Krisen, sowie bei Orientierungs- und Handlungsdefiziten bzw. Belastungen und Konflikten, die oftmals mit schweren gesundheitlichen Problemen im Zusammenhang stehen, unterstützt werden (vgl. Pauls 2011: 255). Folglich ist die klinisch sozialarbeiterische Beratung auf die Unterstützung von Menschen in psychosozialen Notlagen bzw. in Multiproblemsituationen, den sogenannten „hard-to-reach Clients“ abgestimmt. „Gegenstand der Beratung sind Probleme im Alltag und in der konkreten Lebenswelt des Klienten. […] Ziel der Beratung ist die Teilhabe des Klienten am Leben durch einen gelingenden Alltag“ (Ningel 2011: 212). 6.2.3 Die Gesundheitsorientierung Klinischer Sozialer Arbeit als Potential zur Förderung einer gelingenden Elternschaft Aus den bisherigen Erläuterungen geht hervor, dass Klinische Soziale Arbeit Gesundheitsarbeit ist, die die Förderung von bio-psycho-sozialer Gesundheit zum Ziel hat. Klinische Soziale Arbeit nimmt Gesundheit als Ressource wahr „und geht von einer stetigen Möglichkeit zu recovery, Gesundung, aus“ (Ziegler 2010: 52). Somit fungiert sie neben der medizinischen, pflegerischen und psychologischen Versorgung als vierte Säule der Behandlung (vgl. HahnPauls 2008: 35f.). Dabei weist die Klinische Soziale Arbeit folgende Kompetenzen in der Gesundheitsförderung auf, die sie für die Arbeit mit mehrfach belasteten und schwer zu erreichenden KlientInnen, wie der Zielgruppe dieser Untersuchung, qualifiziert: 1. Ganzheitskompetenz: Klinische Soziale Arbeit (KSA) ist durch die biopsycho-soziale Perspektive in der Lage die Anliegen von Klientinnen in ganzheitlicher Weise zu betrachten und somit auch lebensweltliche Umstände zu berücksichtigen. 74 2. Gesundheitsperspektive: KSA nimmt eine Gesundheitsperspektive ein, in deren Rahmen sie salutogene Faktoren und Ressourcen zu identifizieren versucht. Dadurch ist sie in der Lage das Gesundheitsmanagement der Klientinnen durch die Steigerung von Wohlbefinden und Lebensqualität zu unterstützen. 3. Klinische Kompetenz: Auf die klinische Kompetenz der KSA soll an dieser Stelle besonders nachdrücklich verwiesen werden. Denn die psychosoziale Kernkompetenz und klinische Fachkompetenz ermöglicht es Klinischen SozialarbeiterInnen an der Beratung und Begleitung schwer belasteter KlientInnen mitzuwirken und Behandlungssequenzen im multiprofessionellen Team zu koordinieren. Bedenkt man, dass meist sehr viele Professionen an der Beratung und Behandlung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankter Mütter beteiligt sind (PsychiaterInnen, PsychotherapeutInnen, GynäkologInnen, Frühförderung, Familienhilfe etc.) wird die Relevanz der Koordination der Hilfsangebote deutlich. 4. Organisationskompetenz: Durch fallübergreifende und organisationsbezogene Arbeit fördert KSA die Organisationsentwicklung und Kooperationsbereitschaft in sozialen Systemen und verbessert die Zufriedenheit. Dadurch trägt sie zur Erreichung von Organisationszielen bei. 5. Querschnittskompetenz: Die KSA übernimmt durch die lebensweltorientierte Unterstützung von KlientInnen eine Brückenfunktion. Damit schafft sie Querverbindungen im Sinne des Case-Management, fördert nachhaltig Ressourcen und kann zur sozialen Re-Intergration von (psychisch erkrankten) Personen beitragen (Mühlum 2008: 72; Ziegler 2010: 53). Nachdem nun eine ausführliche theoretische Auseinandersetzung mit dem Kinderwunsch und der Elternschaft bipolar erkrankter Frauen stattgefunden hat und die Kernkompetenzen Klinischer Sozialer Arbeit zur Förderung einer gelingenden Elternschaft aufgezeigt wurden, sollen die bisherigen theoretischen Erkenntnisse in einer graphischen Zwischendarstellung zusammengefasst werden. Darauf aufbauend ist der nächste Abschnitt dieser Arbeit dann der empirischen Bearbeitung der Fragestellung gewidmet. 75 7. Zwischenbetrachtung An dieser Stelle werden bis bisher dargestellten theoretischen Erkenntnisse in einem graphischen Modell skizziert und dadurch ihre Zusammenhänge veranschaulicht. Im Rahmen dieses Forschungsfeldes soll dann die Fragestellung, inwiefern Klinische Soziale Arbeit durch Unterstützungsmöglichkeiten zur Förderung einer gelingenden Elternschaft beitragen kann, bearbeitet werden. 7.1 Forschungsfeld Die folgenden drei Annahmen können aus den erfolgten Darstellungen abgeleitet werden und kennzeichnen das Forschungsfeld dieser Arbeit: 1. Der Kinderwunsch ist nicht isoliert zu sehen sondern steht vielmehr synonym für das „Großprojekt Familie“. Es sind somit zum einen die subjektiven Bedeutungen, die Frauen dem Kinderwunsch im Rahmen ihres Lebensentwurfes beimessen, zu berücksichtigen, aber auch gesellschaftliche Normen, die auf die Kinderwunschgenese Einfluss nehmen (siehe auch Krumm 2010: 86). 2. Der Kinderwunsch / die Elternschaft bipolar erkrankter Frauen stellt für betroffene Frauen ein Spannungsfeld dar, indem sie zwischen eigenen krankheitsbezogenen Bedürfnissen und Bedürfnissen des (ungeborenen) Kindes abwägen müssen. Mit dem Kinderwunsch gehen reproduktive Risiken einher, die sowohl die Gesundheit der Mutter, als auch die Gesundheit des Kindes betreffen können. Diese reproduktiven Risiken müssen in der Beratung und Begleitung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankter Mütter berücksichtigt werden. 76 3. Unterstützungsmöglichkeiten stellen eine moderierende Variable dar, durch welche Resilienzfaktoren gefördert werden können, sodass die Vulnerabilität gegenüber Belastungen herabgesetzt wird. Professionen wie die Klinische Soziale Arbeit können somit durch ihr Potential zur Gesundheitsförderung zur Förderung einer gelingenden Elternschaft betragen. Das untenstehende Modell zeigt die Zusammenhänge des Forschungsfeldes auf und bildet die theoretische Fundierung dieser Untersuchung: Abb. 11: Theoretisches Modell zu Kinderwunsch / Elternschaft bipolar erkrankter Frauen Quelle: In Anlehnung an Krumm (2010): Biografie und Kinderwunsch bei Frauen mit schweren psychischen Erkrankungen S. 87. 7.2 Formulierung der Forschungsfrage Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit ergibt sich aus der bisher mangelnden Berücksichtigung des Aspekts der Unterstützung und ist somit auf folgende Frage gerichtet: 77 „Inwiefern kann Klinische Soziale Arbeit durch Unterstützungsmöglichkeiten zur Förderung einer gelingenden Elternschaft bipolar erkrankter Frauen beitragen?“ Der Fokus der Untersuchung wird somit auf Möglichkeiten gerichtet, anhand derer bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsches bzw. bipolar erkrankte Mütter und ihre Kinder unterstützt werden können. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Förderung der bio-psycho-sozialen Gesundheit der Frauen und ihrer Kinder gelegt, da diese ein bedeutender Bestandteil gelingender Elternschaft ist. Die Untersuchung beschränkt sich auf Unterstützungsmöglichkeiten, die im Zeitraum vom Kinderwunsch bis zum dritten Lebensjahr des Kindes stattfinden können. Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden Leitfragen entwickelt. Diese lauten: 1. „Mit welchen besonderen Herausforderungen sind bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankte Mütter im Zeitraum von der Entstehung des Kinderwunsches bis zum dritten Lebensjahr des Kindes konfrontiert?“ 2. „Welche Faktoren erleben / erlebten bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch / bipolar erkrankte Mütter als besonders unterstützend und / oder hinderlich (a) während des Zeit des Kinderwunsches? (b) während der Zeit der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr des Kindes?“ 3. „Welche Faktoren sind aus ExpertInnensicht für bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch / bipolar erkrankte Mütter besonders unterstützend und / oder hinderlich (a) während des Zeit des Kinderwunsches? (b) während der Zeit der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr des Kindes?“ Die anhand dieser Leitfragen gewonnen Erkenntnisse sollen zur Beantwortung der Forschungsfrage herangezogen werden, um sicherzustellen, dass die Vorschläge 78 zu Unterstützungsmöglichkeiten auch auf die Lebenssituation(en) der betroffenen Frauen ausgerichtet sind. Aufgrund der bisher eingeschränkten Datenlage wird keine quantitative Auseinandersetzung mit der Thematik angestrebt, durch welche bestehende Hypothesen falsifiziert oder verifiziert werden könnten. Die Untersuchung ist somit durch einen explorativen Zugang gekennzeichnet. Ziel ist es neue Erkenntnisse zu generieren und Zusammenhänge sichtbar zu machen (vgl. Flick 2011: 27). 79 8. Der qualitativ empirische Zugang Der empirische Forschungsteil dieser Arbeit folgt den Kriterien der qualitativ empirischen Sozialforschung, um die Forschungsfragen zu beantworten. Die Wahl des qualitativen Forschungsdesigns ist dadurch begründet, dass der Kinderwunsch und die Elternschaft bipolar erkrankter Frauen bislang kaum untersucht wurden. Trotz der hohen subjektiven Bedeutung reproduktiver Themen standen in früheren Untersuchungen häufig Möglichkeiten einer adäquaten Schwangerschaftsverhütung bei psychischer Erkrankung im Fokus. Von welch hoher subjektiver Bedeutung ein Kinderwunsch im Leben junger Menschen mit psychischer Erkrankung sein kann wurde hingegen in früheren Untersuchungen nur unzureichend berücksichtigt. Insbesondere aus einer klinisch sozialarbeiterischen Perspektive wird dabei ersichtlich, dass die bisherige Fokussierung der Risikofaktoren für Kinder psychisch kranker Eltern - im Sinne der Kindeswohlgefährdung - eine einseitige Betrachtungsweise darstellt und einer (auch) ressourcenorientierten Betrachtung von Elternschaft und Mutterschaft trotz bipolarer Erkrankung nicht gerecht wird (vgl. Krumm et al. 2010: 134). Ziel dieser Arbeit ist es daher, zu untersuchen mit welchen besonderen Herausforderungen bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankte Mütter konfrontiert sind und welche Bedürfnisse Betroffene durch diese Herausforderungen entwickeln. Somit kommt der Arbeit ein Innovationswert zu, da sie bereits die Phase des Kinderwunsches und mögliche Entscheidungsdilemmata berücksichtigt, welche bislang vernachlässigt wurden. Zudem gilt es, Erkenntnisse zu gewinnen, inwiefern Klinische Soziale Arbeit durch Unterstützungsmöglichkeiten zur Förderung einer gelingenden Elternschaft betragen kann. Da sich die Klinische Soziale Arbeit bisher nicht mit der Thematik auseinandergesetzt hat, ist die Wahl eines qualitativen Ansatzes zur Bearbeitung der Thematik naheliegend. Denn „Ziel der Forschung ist dabei weniger, Bekanntes […] zu überprüfen, als Neues zu entdecken und empirisch begründete Theorien zu entwickeln“ (Flick 2011: 27). 80 Zudem widmet sich qualitative Sozialforschung einer fallbasierten Erklärungsstrategie. Somit können Kausalmechanismen, die sozialen Prozessen innewohnen, durch die möglichst vollständige Untersuchung von wenigen Fällen direkt aufgedeckt und Sinn oder subjektive Sichtweisen rekonstruiert werden (vgl. Sax 2010: 50). Bedenkt man, dass die Thematik des Kinderwunsches ein sehr privater Lebensbereich ist und der Zugang zu betroffenen Frauen zum einen durch die Anzahl bipolar erkrankter Frauen/Mütter in Wien an sich beschränkt ist und es sich zugleich um eine schwer zu erreichende Personengruppe (hard-to-reach) handelt, muss folglich ein Zugang gewählt werden, der anhand geringer Fallzahlen zu Erkenntnissen gelangt. Lamnek hält fest, dass die Annahme, soziales Handeln sei sinnhaft, grundlegend in der qualitativen Sozialforschung verankert ist (vgl. Lamnek 2002: 168). Will man daher verstehen, warum Menschen im sozialen Kontext in einer bestimmten Art und Weise handeln, und welche Dynamik dieses Handeln im sozialen Umfeld auslöst, bietet sich die Zuhilfenahme qualitativer Methoden an (vgl. Froschauer/Lueger 2003: 17). Auch Flick hält fest: „Qualitative Forschung hat den Anspruch, Lebenswelten ‚von innen heraus‘ aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben. Damit will sie zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) beitragen und auf Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmale aufmerksam machen“ (Flick et al. 2007: 14). Der Gebrauch der qualitativen Methodik ist auch dadurch begründet, dass anhand qualitativer Methoden Theorien aus den Verhältnissen, in denen die Untersuchungsgegenstände verankert sind, gebildet werden können (vgl. Sax 2010: 50). Gerade bei einem hoch normativ besetzten Untersuchungsgegenstand wie der Mutterschaft/Elternschaft bipolar erkrankter Frauen, scheint es immer wichtig den Untersuchungsgegenstand im Kontext, in den er eingebettet ist, zu betrachten. Schließlich nimmt dieser wiederum Einfluss auf den Untersuchungsgegenstand selbst. Die Wahl einer qualitativen Methodik bietet sich zudem auch deshalb an, weil die Kommunikation der Forschenden mit dem Feld und den Beteiligten in der qualitativen Forschung, wie sie in den Interviews zu Stande kam, zum expliziten Be- 81 standteil der Erkenntnis wird und nicht als Störvariable so weit wie möglich auszuschließen ist (vgl. Flick 1995: 15). 8.1 Zielgruppe Im Rahmen der empirischen Untersuchung dieser Masterarbeit wurden sowohl bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch, als auch bipolar erkrankte Mütter als Expertinnen aus eigener Erfahrung befragt. Ziel war es, dadurch die subjektive Sicht der Betroffenen zu erforschen und zu erfahren, mit welchen besonderen Herausforderungen bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch / mit Kind konfrontiert sind und welche Faktoren die befragten Frauen als besonders unterstützend und / oder hinderlich für die Umsetzung einer gelingenden Elternschaft erlebten. Neben den Erzählungen von Frauen mit Kinderwunsch sollten zudem retrospektive Erzählungen von Frauen, die bereits Mutter sind, zur Bearbeitung des Forschungsgegenstandes hinzugezogen werden. Durch die Schilderungen der Bedürfnisse und Hilfebedarfe, welche die Frauen in der Zeitspanne vom Eintritt des Kinderwunsches bis zum dritten Lebensjahr des Kindes erlebten, wurde ein weiterer wichtiger Informationsgewinn für die Ableitung von Implikationen für die Praxis erwartet. Als Einschlusskriterium für die Studie wurde das Vorliegen einer bipolaren Erkrankung (nach Selbstauskunft) festgelegt. Da oftmals ein sehr langer Zeitraum zwischen Erkrankungsbeginn und Diagnosestellung liegt (durchschnittlich vergehen dazwischen 5 Jahre) (vgl. Simhandl 2013: 27) wurde als Einschlusskriterium für die Stichprobe lediglich festgelegt, dass die Frauen sich vor Eintritt der Schwangerschaft bereits subjektiv krank fühlten. Eine diagnostizierte bipolare Erkrankung vor Eintritt der Schwangerschaft war daher nicht formal notwendig, da diese häufig erst zu einem späteren Zeitpunkt gestellt wurde. Da die Arbeit auf Möglichkeiten zur Förderung einer gelingenden Elternschaft abzielt, sollten Frauen befragt werden, die einen Kinderwunsch haben bzw. denen es gelungen ist, die Anforderungen, die mit einer Mutterschaft einhergehen, zu bewältigen. Da durch die Selbstauskunft der befragten Frauen nur schwer valide Rückschlüsse auf die tatsächliche „Erziehungsfähigkeit“ getroffen werden können, wurde als Kriterium formuliert, dass die Kinder bei der Mutter bzw. in der Familie aufgewachsen sein mussten. 82 Um unterschiedliche Blickwinkel zur Bearbeitung der Thematik einzunehmen, wurden neben den bipolar erkrankten Frauen auch ExpertInnen, die im untersuchten Handlungsfeld tätig sind, interviewt. Anhand der ExpertInneninterviews sollte die fachliche Expertise der Befragten genutzt werden. Es stellte sich dabei die Frage, welche Unterstützungsmöglichkeiten die ExpertInnen, aus ihrer fachlichen Einschätzung heraus für bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankte Mütter als sinnvoll erachten, um eine gelingende Elternschaft zu fördern. Außerdem ist die Betrachtung spezifischer Risiken und Potentiale aus ExpertInnensicht, die mit der Elternschaft bipolar erkrankter Frauen einhergehen können, für die Bearbeitung des Forschungsgegenstandes zentral. Interessant ist zudem, inwiefern sich die Einschätzungen verschiedener ExpertInnen bezüglich relevanter Unterstützungsmöglichkeiten affektiv erkrankter Frauen decken und ob deren Einschätzungen den Äußerungen der befragten Frauen ähneln. Daher wurde eine Kombination aus Interviews mit bipolar erkrankten Frauen als ExpertInnen aus eigener Erfahrung und Interviews mit professionellen HelferInnen, die im Handlungsfeld tätig sind, gewählt. Als Einschlusskriterium wurde festgelegt, dass die professionellen HelferInnen in ihrem Berufsalltag mit der Thematik der Elternschaft psychisch erkrankter Eltern in Kontakt kommen. Da das untersuchte Handlungsfeld durch interdisziplinäre Zusammenarbeit geprägt ist, wurde die Auswahl der InterviewpartnerInnen nicht auf SozialarbeiterInnen begrenzt. Jedoch sollte zumindest eine Klinische Sozialarbeiterin interviewt werden, um den Bezug zur Klinischen Sozialen Arbeit herstellen zu können. 8.1.1 Zugang zum Untersuchungsfeld Die Rekrutierung von Frauen mit bipolarer Erkrankung als InterviewpartnerInnen erfolgte zu Beginn der Untersuchung über den Zugang einer in Wien ansässigen Selbsthilfegruppe. Durch die telefonische Kontaktaufnahme mit dem/der Leiter/in der Selbsthilfegruppe konnte diese/r als Schlüsselperson (Gatekeeper), die Umweltbeziehungen im untersuchten Feld kontrolliert, gewonnen werden. Nachdem der Schlüsselperson das Forschungsvorhaben erläutert wurde, erklärte diese sich bereit, Kandidatinnen - anhand der von der Forscherin formulierten Kriterien – für die Untersuchung anzusprechen. Dazu wurde der Schlüsselperson eine kurze 83 schriftliche Beschreibung des Forschungsvorhabens und der Einschlusskriterien der Interviewpartnerinnen per Mail übermittelt. Die Schlüsselperson sprach die potentiellen Interviewpartnerinnen daraufhin an, ob Sie interessiert seien ein Interview als Expertin aus eigener Erfahrung zu geben und übermittelte die schriftliche Beschreibung des Forschungsvorhabens an die Frauen. Dadurch ergab sich der Vorteil der leichteren Kontaktaufnahme, da die Schlüsselperson eine Vertrauensbasis bei den potentiellen Interviewpartnerinnen schuf (vgl. Sax 2010: 61). Insgesamt konnten durch diese Zugangsweise vier Frauen als Interviewpartnerinnen gewonnen werden, von denen drei Mitglied der Selbsthilfegruppe sind. Nachdem die Frauen sich zur Interviewteilnahme einverstanden erklärt hatten, erfolgte eine persönliche Kontaktaufnahme per Telefon oder Mail über die von der Schlüsselperson übermittelten Kontaktdaten. Die Zielgruppe wurde dabei auch ermuntert offene Fragen zu stellen und Anregungen zu äußern. Durch den Kontakt zu professionellen HelferInnen im Rahmen der ExpertInneninterviews ergab sich zudem der Kontakt zu einer weiteren erkrankten Frau, die sich ebenfalls bereit erklärte für ein Interview zur Verfügung zu stehen. Dadurch konnte sichergestellt werden, dass die einbezogenen Fälle eine größere Varianz aufweisen. Dies war wichtig, da die Rekrutierung der anderen Interviewpartnerinnen zunächst durch die Schlüsselperson erfolgte und für die forschende Person schwer zu überprüfen ist, ob die Auswahlkriterien des Gatekeepers selektiv waren. Die Rekrutierung der professionellen HelferInnen erfolge direkt über die Kontaktaufnahme per E-Mail. In diesem Rahmen wurde neben der Interviewanfrage auch die Forschungsthematik erläutert und ihre Relevanz aufgezeigt. Grundlage für die Auswahl der professionellen HelferInnen als InterviewpartnerInnen stellte dabei das Tätigkeitsprofil der ExpertInnen dar, welches per Internetrecherche oder durch den Austausch mit anderen professionellen Helfern (im Rahmen vorausgegangener Interviews) ermittelt wurde. Da sich erfreulicherweise alle per E-Mail angefragten InterviewpartnerInnen zur Interviewteilnahme bereit erklärten ergaben sich keine Schwierigkeiten im Zugang. 84 8.1.2 Beschreibung der einbezogenen Fälle Zur Untersuchung des Forschungsgegenstandes wurden insgesamt acht Interviews geführt. Drei davon mit ExpertInnen, die im beschriebenen Handlungsfeld tätig sind. Entsprechend wurden eine in einer Wiener Akutpsychiatrie tätige Klinische Sozialarbeiterin, eine Sozialarbeiterin einer perinatalen Psychiatrie in Wien, sowie der Präsident der österreichischen Gesellschaft für bipolare Störungen, der zugleich Psychiater in einem Bipolar-Zentrum ist, interviewt. Des Weiteren wurden fünf Interviews mit bipolar erkrankten Frauen geführt. Das Alter der Interviewpartnerinnen bewegte sich zwischen Anfang 30 und Mitte 60. Der Erkrankungsbeginn hat zwischen ihrem 16 und 23 Lebensjahr stattgefunden. Im Sampling sind alle „üblichen“ Beziehungskonstellationen vertreten (in Partnerschaft lebend, verheiratet, geschieden und verwitwet). Vier der Frauen haben bereits ein bis drei Kinder im Alter zwischen drei und 33 Jahren. Eine Frau äußerte einen Kinderwunsch. Durch diese Große Altersspanne konnten zum einen Erfahrungen von Frauen mit kleinen Kindern bezüglich der Versorgungsituation erfragt werden. Zum anderen flossen auch retrospektive Erzählungen von Frauen mit heute bereits jugendlichen bzw. erwachsenen Kindern in die Auswertung mit ein. Auffällig ist, dass nur bei drei der Interviewpartnerinnen die Diagnose der bipolaren Erkrankung im Jahr des erstmaligen Auftretens der bipolaren Erkrankung gestellt wurde. Bei zwei der InterviewpartnerInnen wurde die Diagnose der bipolaren Störung erst lange Zeit nach Erkrankungsbeginn gestellt (20 bzw. 25 Jahre später).12 Die unten stehende Tabelle veranschaulicht die demographischen Daten der Interviewpartnerinnen. Zur Gewährleistung der Anonymität erfolgte die Nummerierung der Interviewpartnerinnen nach aufsteigendem Alter. Die Nummerierung der Interviewpartnerinnen in der Tabelle entspricht somit nicht der Nummerierung der Interviewpartnerinnen bei zitierten Interviewpassagen der Ergebnisdarstellung. 12 Dies ist (laut Auskunft der betroffenen Frauen) darauf zurückzuführen, dass entweder lange Zeit gar keine Diagnose gestellt wurde oder es sich um eine „Fehldiagnose“ (Depression) handelte. 85 Abb. 12: Soziodemographische Daten der Interviewpartnerinnen Zur Qualität der Daten Bezüglich der Aussagekraft der Daten muss kritisch reflektiert werden, dass es sich um Frauen handelt, die bereits Mitglied einer Selbsthilfegruppe sind bzw. langjährige Psychotherapieerfahrung haben. Die befragten Frauen haben sich mit ihrer Biografie und Krankheitsgeschichte bereits meist ausführlich auseinandergesetzt und weisen in diesem Sinne „Compliance“ auf. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die Daten möglicherweise anders ausgefallen wären, wären Frauen befragt worden, die bisher keinen Zugang zum Helfersystem hatten. Im Zusammenhang mit psychischer Erkrankung fällt häufig das Schlagwort „hard-toreach“. Es ist somit anzunehmen, dass durch die Interviews somit nur eine bestimmte Zielgruppe erreicht wurde. Frauen die weniger gut an ein Helfersystem angebunden sind, konnten somit nicht erreicht werden. Hier scheint sich der Zugang äußerst schwierig zu gestalten, da auch keine Kontaktaufnahme über bestehende Einrichtungen möglich ist, wenn die Frauen nicht an diese angebunden sind. Zudem stellt sich die Frage, ob Frauen, die sich selbst in ihrer (prospektiven) Erziehungsfähigkeit als erheblich beeinträchtigt wahrnehmen, überhaupt bereit wären, über ihre Erfahrungen zu sprechen, da mit der Thematik häufig die Angst verbunden ist, dass die Inanspruchnahme von Hilfen zu einer möglichen Kindesabnahme führen könnte. Da jedoch die Arbeit auf Möglichkeiten zur Förderung einer gelingenden Elternschaft abzielt, sollten Frauen befragt werden, denen es gelungen ist, die Anforderungen, die mit einer Mutterschaft einhergehen, zu bewältigen. Diese konnten auch problemlos erreicht werden. Da keine Rückschlüsse auf die tatsächliche „Er- 86 ziehungsfähigkeit“ getroffen werden können, wurde als Kriterium vorausgesetzt, dass die Kinder bei den Mütter aufgewachsen sind. 8.2 Datenerhebung Die Daten zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden in Form qualitativer Befragungen erhoben. Dabei wurden in den durchgeführten Interviews Daten in einer hochkomplexen und die Subjektivität der Beteiligten einbeziehenden Kommunikationssituation erzeugt. Die interviewten Personen wurden dabei aufgefordert Erfahrungen, Ereignisse, Handlungen und Wissen aktiv zu rekonstruieren (vgl. Sax 2010: 70; Helfferich 2005: 7). Da sowohl Frauen mit einer bipolaren Erkrankung interviewt wurden, als auch im psychiatrischen Handlungsfeld tätige ProfessionistInnen, wurden zwei verschiedene Interviewformen zur Datenerhebung genutzt. Für die Erhebung der Daten mit bipolar erkrankten Frauen als ExpertInnen aus eigener Erfahrung wurden episodische Interviews gewählt. Der Erhebungsprozess war dabei durch Prozesshaftigkeit gekennzeichnet: Zunächst wurden Frauen, die über die Schlüsselperson der Selbsthilfegruppe als Interviewpartnerinnen gewonnen wurden, befragt. Da durch das Beziehungsnetz der InterviewpartnerInnen als Mitglieder der Selbsthilfegruppe möglicherweise ein gemeinsamer „common sense“ zum Thema geprägt wurde, wurden zwei weitere Frauen befragt, die keinen Kontakt zur Selbsthilfegruppe haben. Dadurch sollte eine größere Varianz erreicht werden. Die Interviews mit professionellen HelferInnen, die im untersuchten Bereich tätig sind, wurden mittels leitfadengestützter ExpertInneninterviews durchgeführt. Auch hier fand eine prozesshafte Erhebung statt: Nachdem ExpertInnen befragt wurden, wurden die Daten geprüft und die Interviewleitfäden angepasst. Die beiden Interwieformen des episodischen Interviews und des leitfadengestützten ExpertInneninterviews werden nachfolgend erklärt und damit einhergehend 87 begründet, warum die jeweilige Interviewform zur Befragung der Zielgruppe und Bearbeitung des Forschungsgegenstandes geeignet erscheint. 8.2.1 Das episodische Interview Das episodische Interview beruht auf der Annahme, dass Menschen ihre Erfahrungen zu einer bestimmten Thematik sowohl in Form narrativ-episodischen Wissens, als auch in Form semantischen Wissens abspeichern. Während narrativepisodisches Wissen erfahrungsnah ist und auf bestimmte Situationen und Umstände bezogen abgespeichert wird, enthält semantisches Wissen abstrahierte, verallgemeinerte Annahmen. „Im ersten Fall stellt der Ablauf der Situation in ihrem Kontext die zentrale Einheit dar, um die herum Wissen organisiert ist. Im zweiten Fall sind Begriffe und ihre Beziehungen untereinander die zentralen Einheiten“ (Flick 2009: 239). Das episodische Interview wurde daher als Verfahren konzipiert, um narrativ-episodisches Wissen über Erzählungen zu erheben und semantisches Wissen durch konkret-zielgerichtete Fragen zu erforschen. Für die Bearbeitung des Forschungsgegenstandes scheinen episodische Interviews geeignet, da sie es den InterviewpartnerInnen ermöglichen ihre Erfahrungen in allgemeiner Form darzustellen und gleichzeitig dazugehörige Situationen und Episoden zu schildern. Das episodische Interview soll die in der Grafik skizzierten Bestandteile des Alltagswissens berücksichtigen und erfassen (vgl. Flick 2011: 273 ff.; Flick 2009: 239). Abb. 13: Wissensformen im episodischen Interview Quelle: In Anlehnung an Flick (2009): Qualitative Sozialforschung, S. 240. 88 Bestandteile des episodischen Interviews Das episodische Interview basiert auf regelmäßigen Erzählaufforderungen der interviewenden Person. Zur besseren Orientierung während des Interviewverlaufs wurde im Voraus ein Interviewleitfaden erstellt. Somit sollte vermieden werden, dass wichtige Themenbereiche während der Interviewdurchführung keine Beachtung finden. Zu Beginn des Interviews wurden die befragten Frauen über das Grundprinzip des episodischen Interviews informiert und erläutert, dass während des Interviews immer wieder Erzählaufforderungen formuliert werden (vgl. Flick 2009: 240f.). Zum einen beinhaltet das episodische Interview Fragen, die mehr oder minder klar umrissene Antworten generieren sollen. Zum anderen zielt es auf die Schilderung von Situationen ab, in denen die InterviewpartnerInnen bestimmte Erfahrungen gemacht haben (vgl. Flick 2011: 274). Probleme der Interviewführung Bei episodischen Interviews können, wie bei anderen erzählgenerierenden Interviewformen, Probleme auftreten, wenn die InterviewpartnerInnen Schwierigkeiten haben zu erzählen. Im Unterschied zu narrativen Interviews wird jedoch nicht eine umfassende Erzählung erbeten, sondern mehrere umgrenzte Erzählungen. Dadurch wird die Problematik der Generierung einer Erzählung relativiert. Ferner ist unbedingt darauf zu achten, den InterviewpartnerInnen das Prinzip der Erzählung von bestimmten Situationen verständlich zu vermitteln. Dadurch soll vermieden werden, dass die InterviewpartnerInnen Erlebnisse nur benennen, nicht aber die Situation erzählen (vgl. Flick 2009: 244). Da die befragten Interviewpartnerinnen alle über gute Erzählfähigkeiten verfügten und der Großteil der Frauen bereits im Rahmen einer Selbsthilfegruppe bzw. im Rahmen von Psychotherapie über die eigene Krankheits- und Lebensgeschichte gesprochen und reflektiert hatte, konnten alle Frauen auf die gestellten Fragen eine Antwort/Erzählung generieren. Beitrag zur allgemeinen Methodendiskussion Ziel episodischer Interviews ist es, sowohl die Vorteile narrativer Interviews als auch leitfadengestützter Interviews zu nutzen. Indem die interviewte Person Epi89 soden als Gegenstand ihrer Erzählung hervorbringt, liefert sie Zugang zu relevanten Erfahrungen des untersuchten Gegenstandes. Durch einen vorab erstellten Leitfaden zu Situationen, die erzählt, und Begriffen, die definiert werden sollen, kann die interviewende Person zudem steuernd in das Interview eingreifen. Episodische Interviews haben gegenüber narrativen Interviews den Vorteil, die künstliche Situation der durchgängigen Erzählung einer Person durch einen offeneren Dialog abzulösen. Zudem entsprechen episodische Interviews durch ihre Verbindung von Erzählungen und Frage-Antwort-Sequenzen den Kriterien einer triangulativen Datenerhebung (vgl. ebd.: 244f.). Grenzen der Methode Der Einsatzbereich episodischer Interviews bleibt auf die Analyse von alltäglichem Wissen über bestimmte Gegenstände und Themen, sowie die eigenen Erfahrungen zur jeweiligen Thematik begrenzt. Episodische Interviews ermöglichen, wie andere Interviewverfahren, keinen Zugang zu Interaktionen in konkreten Situationen. Jedoch können diese Interaktionen zumindest aus Sicht der interviewten Personen rekonstruiert werden (vgl. ebd.: 245). 8.2.2 Das leitfadengestützte ExpertInneninterview Für die Befragung der professionellen Helferinnen, die im psychiatrischen Bereich tätig sind, wurde die Form des leitfadengestützten ExpertInneninterviews gewählt. Der Begriff des Experten wird in der Sozialforschung allerdings sehr unterschiedlich definiert. Bogner und Menz bestimmen ExpertInnen als Personen, „die sich – ausgehend von spezifischem Praxis und Erfahrungswissen, das sich auf einen klar begrenzbaren Problemkreis bezieht – die Möglichkeit geschaffen haben, mit ihren Deutungen das konkrete Handlungsfeld sinnhaft und handlungsleitend zu strukturieren“ (Bogner/Menzel 2005: 45). Gläser und Laudel verstehen ExpertInnen als Menschen, „ die ein besonderes Wissen über soziale Sachverhalte besitzen. Sie haben eine besondere, mitunter sogar exklusive Stellung in dem sozialen Kontext, der untersucht wird“ (Gläser/Laudel 2006: 10). Das leitfadengestützte Interview zeichnet sich folglich dadurch aus, dass es zur Befragung einen bestimmten Personenkreis heranzieht, der im Hinblick auf das jeweilige Forschungsfeld über spezifisches Wissen verfügt. „Eine leitfadengestütz90 te Gesprächsführung mit Experten hat den Vorteil, dass sie dem thematischen Fokus des Forschungsinteresses gerecht wird“ (Liebold/Trinczek 2009: 39). Beim Leitfadeninterview kommt ein vorbereiteter, aber flexibel nutzbarer Katalog mit Fragen zum Einsatz. Jedoch sind weder die Frageformulierungen noch die Reihenfolge der Fragen verbindlich (Sax 2010: 72; Gläser/Laudel 2006: 39). Der Fragebogen stellt das Resultat theoretisch-wissenschaftlicher Vorüberlegungen dar, anhand derer die Forschenden die Feldphase vorbereiten. Nichtsdestotrotz stellen „Offenheit“ und „Flexibilität“ wichtige Voraussetzungen für ein gelingendes leitfadengestütztes Interview dar. Das leitfadengestützte ExpertInneninterview wird daher trotz der konzeptionellen Vorüberlegungen durch eine offene Gesprächstechnik in der Erhebungssituation charakterisiert. Der interviewenden Person kommt dabei die Funktion zu einerseits ein thematisch-kompetentes Gespräch zu initiieren und zu leiten und zum anderen durch eine zurückhaltend-interessierte Haltung Gesprächssequenzen der ExpertInnen zu fördern. Die Leitfäden wurden den Befragten um eine Beeinflussung des Antwortverhaltens zu vermeiden, nicht im Voraus übermittelt, waren aber für die Befragten insofern sichtbar, dass sich die Interviewerin an der Vorlage orientierte (vgl. Sax 2010: 72). Die Datengewinnung erfolgte dabei im Rahmen des leitfadengestützten ExpertInneninterviews als kommunikativer Akt. Der Forschungsablauf wurde prozesshaft gestaltet. Indem die Daten schrittweise erhoben und geprüft wurden konnte die Erhebungssituation jeweils in den darauffolgenden Interviews entsprechend adaptiert wurde. Durch die leitfadengestützten ExpertInneninterviews wurden somit die Postulate interpretativer Sozialforschung „Offenheit“, „Kommunikation“ und „Prozesshaftigkeit im Forschungsprozess“ berücksichtigt. Folglich begründet sich die Wahl des leitfadengestützten ExpertInneninterviews zur Bearbeitung des noch wenig untersuchten Forschungsgegenstandes auch dadurch, dass es zur Exploration von Unbekanntem eignet (vgl. Liebold/Trinczek 2009: 36). 8.3 Interviewdurchführung Die Datenerhebung fand im Zeitraum von Februar bis April 2014 statt. Die Dauer aller geführten Interviews schwankte zwischen 30 Minuten und 2,5 Stunden. Daraus ergab sich Tonmaterial von mehr als 8,5 Stunden. 91 Die Interviews mit den professionellen HelferInnen fanden jeweils an deren Arbeitsplatz im Büro statt. Somit war eine ruhige und ungestörte Atmosphäre gegeben und die Interviewerin bekam zugleich einen Einblick in das Arbeitsumfeld der ExpertInnen. Im Rahmen der Interviews mit den betroffenen Frauen richtete sich die Interviewerin hinsichtlich des Erhebungsortes nach den Wünschen der Interviewpartnerinnen. Zwei der interviewten Frauen entschieden sich für ein Interview in den Räumlichkeiten der Selbsthilfegruppe, wo für die Zeit des Interviews ein gesonderter Raum zur Verfügung stand. Zudem fand ein Interview mit einer betroffenen Frau bei ihr zuhause im Wohnzimmer statt. Da zu diesem Zeitpunkt niemand anderes in der Wohnung war, konnte das Interview ungestört geführt werden. Zwei weitere Interviews wurden auf Wunsch der Frauen im Café-Haus durchgeführt. Zwar herrschte dort ein relativ hoher Geräuschpegel, die Interviewtranskription war jedoch gut möglich. Der Beginn der Interviews folgte einer einheitlichen Vorgehensweise: Nach einer kurzen Erklärung des Forschungsvorhabens verwies die Forscherin auf die vertrauliche und anonymisierte Behandlung der Daten bzw. klärte diese ab. Des Weiteren wurde bei allen Interviews auf die auditive Aufnahme hingewiesen. Es folgte die Interviewdurchführung. Nach dem Ende der Interviews und dem Dank für die Interviewteilnahme schloss sich bei allen durchgeführten Interviews ein Abschlussgespräch an, welches nicht mehr aufgezeichnet wurde. Viele InterviewpartnerInnen nutzen dieses Gespräch, um weitere Fragen zum Forschungsvorhaben zu stellen. 8.4 Transkription Die Interviews wurden auf Tonband aufgenommen. Dazu wurde von allen InterviewpartnerInnen das Einverständnis eingeholt und Fragen zur Anonymisierung geklärt, sowie auf die Freiwilligkeit der Teilnahme verwiesen. Den InterviewpartnerInnen wurde der Beginn der Interviewaufzeichnung durch das Aufnahmegerät angekündigt. Um mögliche Verunsicherungen oder Irritationen durch das Aufnahmegerät so gering wie möglich zu halten wurde darauf geachtet, dass die Inter92 viewerin nach dem Start der Tonbandaufnahme selbst noch eine Gesprächssequenz übernahm, etwa in Form der Erläuterung des Interviewablaufs. Somit sollten Verunsicherungen bei den InterviewpartnerInnen durch die Tonbandaufnahme vermieden werden, wie sie entstehen können wenn der Start der Tonbandaufnahme zeitlich mit dem Beginn der ersten Antwortsequenz der InterviewpartnerInnen einhergeht. Alle elektronisch aufgezeichneten Interviews wurden zeitnah zu deren Durchführung vollständig transkribiert und anonymisiert. Dabei wurden die Interviews mit Frauen als ExpertInnen aus eigener Erfahrung nach den Richtlinien der Gesprächstranskription von Froschauer und Lueger (2003) transkribiert. Diese Form der exakten Transkription des Textes ermöglicht es, den Text bzw. einzelne Passagen auch mittels der Feinstrukturanalyse auszuwerten. Da zum Zeitpunkt der Interviewtranskription noch nicht absehbar war, ob die Interviews lediglich mittels der Themenanalyse oder auch zusätzlich durch die Feinstrukturanalyse ausgewertet werden sollten, wurde diese etwas aufwendigere Transkriptionsform gewählt, um die Möglichkeit, einzelne Interviewpassagen auch feinstrukturanalytisch auswerten zu können, nicht von vornherein auszuschließen. Die Transkription geschah nach folgenden Regeln: Zeilennummerierung Kodierung der GesprächsteilnehmerInnen (Interviewerin etwa mit I, die befragte Person etwa mit B) Pausen (pro Sekunde ein Punkt) Nichtverbale Äußerungen wie Lachen oder Husten in runder Klammer angeben, z.B. (B lacht) Situationsspezifische Geräusche in spitzer Klammer angeben, z.B. >Telefon läutet> Hörersignale bzw. gesprächsgenerierende Beiträge als normalen Text anführen, z.B. mhm, äh Auffällige Betonung unterstreichen, z.B. etwa so Unverständliches (Punkte in Klammer, jeder Punkt markiert eine Sekunde), z.B. (…) 93 Vermuteten Wortlaut bei schlechtverständlichen Stellen in Klammer schreiben, z.B. (etwa so) Sehr gedehnte Sprechweise mit Leerzeichen zwischen den Buchstaben, z.B. e t w a s o Da bei den Interviews mit den ExpertInnen aus dem psychiatrischen Bereich bereits zu Zeitpunkt der Interviewtranskription feststand, dass diese mittels der Themenanalyse auf manifeste Inhalte hin untersucht werden sollen, wurde der Text in Standardsprache transkribiert und auf die möglichst exakte Transkription verzichtet (vgl. Froschauer/Lueger 2003: 223f.). 8.5 Auswertungsmethode Die Auswertung des erhobenen Interviewmaterials erfolgt in Anlehnung an die Themenanalyse nach Froschauer und Lueger (2003). Diese Form der Auswertung von Gesprächen ermöglicht es, sich „einen Überblick über Themen zu verschaffen, diese in ihren Kernaussagen zusammenzufassen und den Kontext ihres Auftretens zu erkunden“ (Froschauer/Lueger 2003: 158). Das themenanalytische Verfahren setzt einige Prämissen und Anwendungsbedingungen voraus, die bei der Wahl der Auswertungsmethode beachtet werden müssen. Folglich scheint die Themenanalyse zur Auswertung von Interviewdaten besonders dann geeignet: wenn ein Überblick über eine große Textmenge gefragt ist; wenn der manifeste Gehalt von Aussagen das Hauptaugenmerk der Untersuchung darstellt (etwa wenn Meinungen oder Einschätzungen erkundet werden); wenn Inhalte zusammenfassend aufbereitet werden sollen bzw. die interne Differenziertheit eines Themas in den Blick genommen wird; sowie wenn die Argumentationsstruktur in einem Gespräch beschrieben werden soll (vgl. ebd.: 158). Da das erhobene Interviewmaterial aller Interviews insgesamt mehr als 8,5 Stunden umfasst, scheint die Themenanalyse angebracht um einen Überblick über die große Textmenge zu erhalten. Ferner ist die Wahl der Themenanalyse als Aus94 wertungsmethode für die durchgeführten Interviews mit erkrankten Frauen und ExpertInnen naheliegend, da sie es ermöglicht die interne Differenziertheit eines so vielschichtigen Themas, wie dem Kinderwunsch/der Elternschaft, herauszuarbeiten und die Thematik zusammenfassend darzustellen. Innerhalb der Themenanalyse lassen sich zwei verschiedene Varianten unterscheiden. Zum einen ist hier das Textreduktionsverfahren zu nennen, welches den Text weniger analysiert als vielmehr zentrale Themen zusammenfasst. Die andere Variante stellt das aufwendigere Codierverfahren dar, das sich eignet, um tiefer in die Besonderheiten einer Argumentation einzudringen und begriffliche Strukturen von Themen und deren Zusammenhänge zu analysieren. Zur Auswertung des erhobenen Interviewmaterials wird in dieser Arbeit das Codierverfahren herangezogen. „Ausgangspunkt ist der Gesprächstext, aus dem zentrale, für die Analyse relevante Kategorien abgeleitet werden (keine vorherige Festlegung eines Kategoriensystems)“ (ebd.: 163). Das Codierverfahren ist somit sehr gut mit dem qualitativen exploratorischen Ansatz dieser Arbeit verknüpfbar, da vorab keine expliziten Hypothesen formuliert werden müssen, die es dann zu verifizieren oder gegebenenfalls zu falsifizieren gilt. Durch die Erstellung von Begriffshierarchien im Rahmen des Codierverfahrens wird der Text nicht nur zusammengefasst sondern auch analytisch erweitert. Die praktische Durchführung des Codierverfahrens läuft in folgenden Schritten ab: 1) Themencodierung: Die einzelnen Textpassagen der Interviews werden anhand zentraler Aussagen codiert, dadurch werden Themenkategorien gebildet. 2) Die Themenkategorien werden auf Subkategorien untersucht, dadurch entstehen hierarchische Netzwerke, die auch latente Sinnstrukturen enthalten. 3) Strukturierung der Themenkategorien: Die Themenkategorien werden nach ihrer relativen Bedeutung im Text bzw. für die Forschungsfrage miteinander verbunden. Für besonders wichtige Themen werden Zentralkategorien gebildet. 4) Verknüpfung der Themenkategorien mit den Subkategorien. 95 5) Interpretation des hierarchischen Kategoriensystems, indem daraus Thesen in Hinblick auf die Forschungsfrage abgeleitet werden. Die zugrunde liegenden Textpassagen können einer eingehenden Interpretation unterzogen werden. 6) Vergleichende Analyse verschiedener Texte mit dem Ziel der Theoriebildung. Dafür stehen verschiedene Analysemöglichkeiten zur Verfügung, wie etwa: der Vergleich verschiedener Texte auf Ähnlichkeiten und Unterschiede ihrer Themen und ihrer Struktur; die Entwicklung einer textübergreifenden Kategorisierung, wie etwa die Suche nach Schlüsselkategorien, die in vielen verschiedenen Texten zentral sind; die Untersuchung von Schlüssel- und Subkategorien über die verschiedenen Texte hinweg mit dem Fokus auf ihre Substruktur und die Vernetzung mit anderen Kategorien; sowie die Analyse der inhaltlichen Dimension der Kategorien. Dazu werden die konkreten Inhalte einer Kategorie aus verschiedenen Texten einer vergleichenden Analyse unterzogen (vgl. ebd.: 163f.). Die Bildung der Kategorien und Subkategorien, sowie deren Verknüpfung fand in einer dreiköpfigen ForscherInnengruppe, die aus der Autorin dieser Arbeit und zwei weiteren Klinischen Sozialarbeiterinnen bestand, statt. Da es im Rahmen dieser Masterarbeit nicht möglich war, die Erhebung und Interpretation personell voneinander zu trennen, sollte durch die Diskussion und Bildung der Kategorien im Team sichergestellt werden, dass die Kenntnisse der Interviewerin bezüglich der Interviewverläufe nicht zu unbegründeten Vorannahmen hinsichtlich der „richtigen“ Interpretation der Interviews führen. Dies stünde im Gegensatz zur exploratorischen Kategorienbildung aus dem Text. Wenngleich die Themenanalyse weitestgehend auf die Untersuchung manifester Inhalte ausgerichtet ist und die Interpretation somit nicht so sehr von der eigenen Sichtweise abhängt, wirken zusätzliche InterpretInnen dennoch als Korrektiv für individuelle Wahrnehmungsfilter und Vorurteile, die aus der Interpretation ausgeschlossen bleiben sollten (vgl. ebd.: 104, 158ff.). 96 9. Darstellung der Ergebnisse und Interpretation Im Folgenden werden nun die Ergebnisse dargestellt, die mittels der Themenanalyse gewonnen wurden. Dazu werden die gebildeten Themen- und Subkategorien vorgestellt und erläutert, die in Bezug auf die Fragestellung relevant sind. Anhand des bereits oben erläuterten Codierverfahrens nach Froschauer und Lueger wurden sieben Themenkategorien gebildet, die wiederum durch zwei bis fünf Subkategorien unterteilt sind. Die Themenkategorien lauten: 1. Bipolare Erkrankung 2. Kinderwunsch 3. Gesundheit bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankter Mütter 4. Gesundheit des Kindes 5. Elternschaft mit bipolarer Erkrankung 6. Unterstützungsmöglichkeiten 7. Versorgungssituation und gesellschaftlicher Umgang mit der Erkrankung Die Themenkategorien und Subkategorien, die sich aus den Interviews herauskristallisiert haben, geben die begriffliche Struktur der Themen und ihrer Zusammenhänge wieder (vgl. Froschauer/Lueger 2003: 163). 9.1 Bipolare Erkrankung Die erste Themenkategorie „Bipolare Erkrankung“ gliedert sich in die drei Subkategorien „Verlauf und Erleben der Erkrankung“, „ Diagnose / Kenntnis der Erkrankung“ sowie „krankheitsbedingte Einschränkungen“. Die Aussagen der InterwiepartnerInnen zur bipolaren Erkrankung sind für die Forschungsfrage relevant, da sie veranschaulichen, wie vielgestaltig eine bipolare Erkrankung ist und welche Auswirkungen sie auf die Lebenssituation der Betroffenen haben kann. Da sich die bipolare Erkrankung einer Mutter auf das ganze Familiensystem auswirkt, beeinflussen die Erkrankung und krankheitsbedingten Einschränkungen auch die Elternschaft. „Also sobald es mir gut geht, sobald ich stabil 97 bin kann ich genauso Mutter sein und Mutterpflichten erfüllen wie jede gesunde Frau, nicht psychisch beeinträchtigte“ (IP 1, 251-252). 9.1.1 Verlauf und Erleben der Erkrankung Die Auswertung der Interviews ergab, dass das erstmalige Auftreten der bipolaren Erkrankung einen massiven Einschnitt in der Biografie der Frauen darstellte. Zwar seien mit manischen Phasen auch positive Aspekte verbunden, die etwa durch das Gefühl des „gottähnlich-seins“ zum Ausdruck kommen. „Es gab es eine akut manische Phase in der ich einfach, wie soll ich mich ausdrücken, gottähnlich war. Mit verschiedensten Fähigkeiten zu denen ich mich fähig gefühlt habe. Meine Eltern damals dachten ich bin schwerst unter DROGEN […]“ (IP 2, 24-26). Nichtsdestotrotz wird die destruktive Komponente der Erkrankung deutlich, wenn die Frauen schildern, dass sie sich in depressiven Episoden antriebslos und gehemmt fühlten bzw. ihre Stimmungslagen (noch) nicht einordnen konnten. „Die Manie habe ich genossen, die Depression war furchtbar. […] Ich habe nicht gewusst was mit mir los ist und war verzweifelt“ (IP 5, 5-7). Des Weiteren wird ersichtlich, dass insbesondere die manischen Phasen oftmals erheblichen zerstörerischen Einfluss auf das soziale Umfeld und die berufliche Situation der Betroffenen nahmen, sodass manische Episoden im Vergleich zu depressiven Episoden von den erkrankten Frauen retrospektiv als viel zerstörerischer wahrgenommen werden. Dies ist dadurch zu erklären, dass stark ausgeprägte manische Episoden die „Funktionsfähigkeit“ der Betroffene erheblich vermindern können, sodass es ihnen nicht mehr möglich ist familiären Aufgaben nachzukommen bzw. berufliche Anforderungen zu erfüllen (siehe Kapitel 2). Zudem geht aus den Interviews hervor, dass die bipolare Erkrankung für die meisten Betroffenen eine „Erschütterung“ der bisherigen Überzeugungen und des Vertrauens in die Bewältigbarkeit von Aufgaben darstellt, welche die Frauen in ihrem Selbsterleben verunsichert. In Folge dessen schildert eine Interviewpartnerin sich durch die Erkrankung nicht mehr als handelndes Subjekt erlebt zu haben, sondern als Objekt in der Geschichte mit dem umgegangen wurde (vgl. IP 2, 36-39). Wenngleich die manischen Phasen zunächst als positiv erlebt wurden, folgte darauf oftmals eine Ernüchterung, die Betroffene durch das Gefühl der Hilflosigkeit beschreiben. 98 „ […] Also die Manie, die ja immer für den Patienten was Positives ist, die hat alles betroffen. Also man weiß alles, man hat keine Hindernisse etc. Das Herunterholen mit Klinikaufenthalt war un-, also auch im Rückblick, UNFASSBAR ernüchternd. Also nicht, was fallen mir für Wörter dazu ein, nicht wertschätzend, nicht aufklärend, nicht auf irgendetwas Rücksicht nehmend. Auch meinen Eltern damals, also ich mein die waren von den Socken. Eine normale, was immer normal bedeutet, ein normales Kind hat plötzlich einen [Psychiatrie]-Aufenthalt. Ich mein das ist in Wien durchaus etwas sehr einschlägiges. Und sie wussten nichts, ich wusste nichts und das war […] das Gefühl ein völliges Neutrum zu sein. Also auch seitens der Ärzteschaft, seitens der Pflegerschaft keiner sprach, keiner hat irgendwie gesagt es geht vorüber, man kann man kann dies oder das tun.“ (IP 2, 48-57) Durch den Vergleich des Erlebens der Erkrankung zwischen älteren und jüngeren Interviewpartnerinnen wurde augenscheinlich, dass die psychiatrische Versorgung einen Wandel durchlaufen hat. Zwar äußerten sich auch die jüngeren Interviewpartnerinnen dahingehend, die Erkrankung als sehr belastend empfunden zu haben. Jedoch fanden sich vor allem bei den älteren Interviewpartnerinnen Schilderungen von traumatischen Erinnerungen an die Erkrankung und die damit verbundenen verstörenden Klinikaufenthalte. Die älteren Patientinnen beschreiben, dass sie nicht das Gefühl hatten, als zu respektierende menschliche Wesen in die Behandlung mit einbezogen worden zu sein. „ […] also es war ein an der Patientin-Vorbeiarbeiten ja. Ich mein mich aktiv in ein Positives einzubinden und auch zu erklären usw. das hatten wir überhaupt nicht. […] Ich kann Ihnen durchaus sagen, dass ich Sachen auch noch miterlebt [habe] in der Mitte der 80er Jahre wo ich mir gedacht habe das ist NICHT meine Abteilung, also von Gitterbetten her, also nicht für mich. Und dieses Anbinden von Patienten, die sich die Zigaretten auf den Armen und Händen ausgedrückt haben und es war alles zusammengewürfelt ja. […] Kein Arzt hat dich also als vollständig zu respektierendes menschliches Wesen angesehen. Das war es vielleicht. Natürlich, man muss vorsichtig sein das ist natürlich eine sehr individuelle Empfindung. Es kann vielleicht schon der Versuch stattgefunden haben, aber aufgrund der Masse auch an PatientInnen […] (IP 2, 110-123). Diese Ausführungen lassen die Schlussfolgerung zu, dass die KrankheitsIdentitäts-Arbeit, sowie die Unterstützung im Umgang mit Brüchen wichtige Aufgabenfelder der Klinischen Sozialen Arbeit im psychiatrischen Handlungsfeld darstellen. Zudem verweisen die Erzählungen der Frauen darauf, von welch großer Bedeutung die Erfahrungen mit dem Helfersystem sind, wenn Personen erstmals erkranken. Ziel muss es somit sein, die Versorgung psychisch erkrankter Menschen bestmöglich in einen wertschätzenden, respektierenden Rahmen einzubetten, damit die Bereitschaft erkrankter Personen, sich auch weiterhin in Krankheitsphasen in Behandlung zu begeben, besser erhalten werden kann. 99 9.1.2 Diagnose / Kenntnis der Erkrankung Die Analyse der Interviews bestätigt zudem, die bereits in der Theorie getroffene Äußerung, dass zwischen dem Erkrankungsbeginn von Personen und der (korrekten) Diagnosestellung sehr oft ein langer Zeitraum liegt. „20 Jahre auf und ab mit Diagnosen, nur waren die alle falsch und kurios. Dann war‘s halt wetterfühlig oder ja Belastungsstörung mit Dreifachbelastung. ALLES MÖGLICHE HABEN SIE MIR DA EINREDEN WOLLEN. Diverse Medikamente bekommen, Kreislauftropfen oder sie haben zu niedrigen Eisenspiegel, das ist typisch, da kriechen Sie nur herum. So Sachen bekam ich zu hören“ (IP 1, 5155). Auch eine andere Interviewpartnerin schildert ihre Krankheitsgeschichte ähnlich: „Meine Therapeutin […] hat dann festgestellt, dass ich bipolar bin, nicht depressiv alleine, sondern bipolar. Die war die erste die das festgestellt hat obwohl ich schon vorher viermal im Krankenhaus war wegen Depression. Die haben nie nachgefragt oder nachgeschaut, sodass dir entweder eine Fehldiagnose gemacht wird im Schizophrenie-Bereich oder eben nur die Depression gesehen wird“ (IP 5, 11-17). Dies zeigt, dass eine fehlende oder fehlerhafte Diagnose für die Betroffenen sehr belastend sein kann, wenn diese ihre sehr schwankenden Stimmungslagen und ihr Verhalten nicht einordnen können. Zum anderen ist das Vorhandensein einer Diagnose auch für den Aspekt des Kinderwunsches / der Elternschaft von Bedeutung. Schließlich können krankheitsspezifische Unterstützungsmöglichkeiten für bipolar erkrankte Frauen (und ihre Kinder) nur dann stattfinden, wenn die bipolare Erkrankung auch als solche erkannt und diagnostiziert wird. Außerdem steht die Diagnostik der bipolaren Erkrankung häufig auch im Zusammenhang mit der Krankheitseinsicht der Betroffenen und der damit verbundenen Inanspruchnahme von Behandlung und Unterstützung. Entsprechend erzählt eine Interviewpartnerin von einer Situation, in der sie Hilfe abgelehnte weil bei ihr keine Krankheitseinsicht ohne Diagnose vorhanden war. „Eine Kollegin dürft es [die Erkrankung] bemerkt haben. […] Die hat mir einen Zettel in die Hand gedrückt, da ist drauf gestanden psychosozialer Dienst der Stadt Wien. Da hab ich gedacht was will die und hab das weggeschmissen, leider. Das wäre wahrscheinlich die richtige Anlaufstelle gewesen.“ (IP 1, 102-107). An anderer Stelle wird das Vorhandensein einer Diagnose auch mit Compliance in Verbindung gebracht, welcher auch im Kontext von gelingender Elternschaft besondere Bedeutung zukommt. 100 „Ähm, vor allem das man es weiß. Dann kann man mit der Krankheit umgehen, kann die Medikamente regelmäßig nehmen. Regelmäßig zum Arzt gehen also auf sich selber schauen und dann klappt das auch mit den Kindern“ (IP 1, 244246). Es bleibt somit festzuhalten, dass eine fehlende Diagnose bipolar erkrankte Frauen vor besondere Herausforderungen stellt, wenn einerseits Symptome der Erkrankung wahrgenommen werden, jedoch keine krankheitsspezifische Unterstützung zu Stande kommt. Zudem zeigt die Analyse der Interviews, dass eine Diagnose wichtig für die Krankheitseinsicht betroffener Frauen ist. Daraus ergibt sich die Ableitung, dass eine rasche Diagnosestellung bei Erkrankungsbeginn zentral ist. Führt man sich vor Augen, dass bipolare Erkrankungen häufig im jungen Erwachsenenalter auftreten, ist das rasche Erkennen und Diagnostizieren der Erkrankung von Bedeutung, um den Frauen noch vor Eintritt der Schwangerschaft Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten Seite stellen zu können. 9.1.3 Krankheitsbedingte Einschränkungen Die folgende Subkategorie bezieht sich auf krankheitsbedingte Einschränkungen, welche die Interviewpartnerinnen aufgrund ihrer bipolaren Störung wahrnehmen bzw. wahrnahmen. Die Kenntnis dieser Einschränkungen stellt eine Voraussetzung für die bedarfsgerechte Formulierung von Unterstützungsangeboten dar. Anhand der Schilderungen der Interviewpartnerinnen wird deutlich, dass die bipolare Erkrankung bei allen Frauen Einfluss auf die gesamte Lebenssituation nimmt. Die betroffenen Frauen fühlen sich während der Krankheitsepisoden im Alltag stark eingeschränkt, sodass die Bewältigung alltäglicher Aufgaben, wie etwa das morgendliche Aufstehen, in depressiven Phasen bereits mit großer Anstrengung verbunden ist. Eine Interviewpartnerin beschreibt die Einschränkungen folgendermaßen: „Ja, schon allein das Aufstehen. Job muss man irgendwie funktionieren, so gut als möglich. Aber zu Hause dann, also Weggehen oder sowas das kam nicht in Frage, dazu war ich zu KO“ (IP 1, 38-40). Die Äußerungen einer weiteren Betroffenen sind ähnlich: „[In der Depression Anmerkung] da war es schon eine Leistung wenn ich in der Früh duschen gegangen bin, also das war dann das quasi das Highlight des Tages und ja man wird einfach teilnahmslos, einfach eine leere Hülle“ (IP 3, 60-63). 101 Die Manie hingegen verleiht den Betroffenen zunächst unbändige Energie und das Gefühl von Allmacht, wie aus den Schilderungen hervorgeht. Auch hier gleichen sich die Beschreibungen der Frauen, die erzählen viele Dinge gleichzeitig angefangen zu haben und diese dann aber nicht zu Ende führen konnten, weil sie bereits wieder in die Depression „kippten“ (vgl. IP 5, 38-44). Die krankheitsbedingten Auswirkungen sind für die Bearbeitung der Forschungsfrage zentral, da sie nicht nur Einfluss auf den Alltag der erkrankten Frauen selbst nehmen, sondern auch das Zusammenleben mit den Kindern betreffen. Eine Interviewpartnerin schildert offen, dass ihr aufgrund ihrer Erkrankung oftmals die Energie für Unternehmungen mit ihren Kindern gefehlt habe. Dadurch habe sie mit Schuldgefühlen zu kämpfen gehabt, welche sich wiederum negativ auf den Krankheitsverlauf auswirken können. Die Interviewpartnerin relativiert jedoch ihre Erzählung indem sie die Aussage, dass die Bedürfnisse ihrer Kinder immer oberste Priorität hatten, hinzufügt. Somit sei sie stets bemüht gewesen, die Kinder nicht durch ihre Erkrankung zu belasten. Die Sorge um die Kinder wird als ein Faktor dargestellt, der trotz der Erkrankung gelungen sei. „Depression war dann so schlimm, dass ich manches Mal mit meinen Kindern nichts unternehmen konnte. Ich hab es nicht geschafft. […] Die Kinder sind in die Schule und wurden von einem Schulbus abgeholt von zu Hause und auch nach Hause gebracht. Also für mich war es nicht notwendig raus zu gehen. Somit hab ich den ganzen Tag auf der Couch verbracht ohne viel anderes zu machen, geschweige denn mich anzuziehen oder herzurichten. Wie ich dann gesehen habe die Uhr wie spät es ist habe ich angefangen damit. Und dann habe ich Stress gehabt, ich habe mir selber Stress gemacht und Vorwürfe gemacht. Das einzige was funktioniert hat war die Sorge um meine Kinder. Das hat funktioniert. Da gab es was zu essen, die hatten immer saubere Wäsche, die wurden jeden Tag gebadet. Nur um mich selber konnte ich mich nicht kümmern. Dann war es so, die Kinder kamen nach Hause, dann habe ich gewartet und dann bin ich schnell mit denen zum Spar ein paar Sachen einkaufen weil ich es alleine nicht geschafft habe“ (IP 5, 44-56). Die Bedürfnisse der Kinder stellen somit einen nicht zu unterschätzenden Anreiz dar, der die Interviewpartnerin (teilweise) befähigt sich über krankheitsbedingte Einschränkungen hinwegzusetzen um die basalen Bedürfnisse der Kinder zu befriedigen. Leider findet der Zeitraum, in denen die Kinder im Kleinkindalter waren, keine Berücksichtigung in der Erzählung der Interviewpartnerin, obwohl diese bereits zu diesem Zeitpunkt bereits erkrankt war. Ebenso kann aus der Erzählung 102 von Interviewpartnerin 5 nicht geschlussfolgert werden, wie die Kinder die Situation erlebten. Spannenderweise bringt nur eine Frau die Einschränkungen der Erkrankung von sich aus mit den Auswirkungen auf die Kinder in Verbindung (siehe dazu auch Kapitel 4). Die anderen Interviewpartnerinnen erwähnen diesen Faktor erst, als die Interviewerin direkt nach Herausforderungen fragt, die sich aufgrund der bipolaren Erkrankung in der Elternschaft ergeben haben. Auf übergreifender Ebene zeigen sich krankheitsbedingte Einschränkungen zudem dadurch, dass Betroffene ihr Vertrauen in sich selbst verlieren. Die Sinnhaftigkeit, Handhabbarkeit und Verstehbarkeit der eigenen Biografie ist durch die bipolare Erkrankung beeinträchtigt, woraus das Gefühl der Machtlosigkeit und ein vermindertes Kohärenzgefühl resultieren. Die Frauen sind der Überzeugung Anforderungen nicht mehr bewältigen zu können. „Ich hab mich eher ein bisschen selbst stigmatisiert vielleicht. Das ich mir gedacht habe, ich kann das nicht schaffen ich bin hab solche Krisen durchlebt und jetzt schaffe ich das einfach nicht“ (IP 4, 483-489). In Unterstützungsangeboten zur Förderung einer gelingenden Elternschaft bipolar erkrankter Frauen sollten somit Konzepte von Empowerment und Recovery Berücksichtigung finden. Dadurch könnte daran gearbeitet werden, dass sich die Frauen wieder als selbstwirksame Personen erleben und die Hoffnung auf Genesung nicht verloren geht. 9.2 Kinderwunsch Die Themenkategorie „Kinderwunsch“ gibt Aufschluss über die Beweggründe bipolar erkrankter Frauen einen Kinderwunsch umzusetzen. Zudem wird ersichtlich welche Ängste und Bedenken einige Interviewpartnerinnen im Hinblick auf die Erfüllung ihres Kinderwunsches hegen. Die Subkategorie „Prozess der Kinderwunscherfüllung“ veranschaulicht dann, dass die Erfüllung des Kinderwunsches oftmals ein langwieriger Prozess ist, der mit vielen Hürden verbunden ist. Des Weiteren wurde die Subkategorie „Thematisierung im medizinischen / psychiatrischen Kontext“ gebildet, die zeigt, dass Klinische SozialarbeiterInnen in ihrem Ar- 103 beitsalltag zwar mit der Elternschaft bipolar erkrankter Menschen konfrontiert sind, der Kinderwunsch jedoch nicht im sozialarbeiterischen Kontext thematisiert wird. 9.2.1 Entstehung Aus dem Interviewmaterial geht hervor, dass die Frauen in Abhängigkeit von ihren individuellen biografischen Besonderheiten unterschiedlich mit der Kinderwunschthematik umgehen. Wie bereits im Theorieteil in Kapitel 4 beschrieben wurde, zeigen sich verschiedene Muster im Umgang mit reproduktiven Aspekten. Diese decken sich mit den Ergebnissen der Empirie, wobei die Muster in den Interviews häufig ineinander übergehen und daher nur schwer isoliert zu betrachten sind. Als ein Muster des Umgangs mit dem Kinderwunsch kann der stabile Kinderwunsch als biografische Konstante genannt werden. Dabei bringen die Frauen zum Ausdruck, dass der Kinderwunsch schon immer bestand. „Also ich mach das eigentlich weil ich IMMER schon Kinder wollte, ich bin mit drei Geschwistern aufgewachsen und es war immer der Plan, dass ich Kinder krieg oder irgendwann mal eine Familie gründen kann wenn der richtige Mann kommt und das wollt ich jetzt einfach probieren. Weil wenn ich es jetzt nicht mach dann brauch ich es gar nicht mehr machen. Weil auch sozusagen meine biologische Uhr […] läuft“ (IP 3, 435-440). Interessanter Weise reagierten einige Frauen, bei denen der Kinderwunsch als biografische Konstante besteht / bestand, sichtlich irritiert auf die Frage, ob sie sich noch erinnern könnten, wie es damals zum Kinderwunsch kam. Es ist naheliegend, dass explizite Erläuterungen der Beweggründe für die Frauen nicht relevant bzw. abrufbar sind, weil das Motiv „schon immer“ bereits die Selbstverständlichkeit des Kinderwunsches erläutert. Im Zusammenhang mit der Erkrankung der Frauen wird jedoch ersichtlich, dass der Kinderwunsch durch die Erkrankung in einigen Fällen nicht zeitnah zu realisieren war und verschoben werden musste. Da die bipolare Erkrankung häufig im jungen Erwachsenenalter auftritt wird oftmals die Familienplanung auch durch die Erkrankung beeinflusst. „[…] entweder ist es weil die über 30, also ich hab nie so diesen Kinderstress gehabt, ich wollt immer Kinder haben, nur dann hat irgendwie mein Leben eine andere Wendung genommen wie ich mir das vorgestellt hab. Weil dieser Ausbruch dieser Erkrankung hat irgendwie alle Pläne auf den Kopf gestellt die man sich man sich halt so vorstellt […]“ (IP 3, 191-195). 104 Die Erkrankung kann somit zur Folge haben dass der Kinderwunsch verschoben wird. Zwei Interviewpartnerinnen betonen, dass ihr Kinderwunsch dann aufgrund ihres Alters und der Begrenztheit der reproduktiven Phase wieder an Aktualität gewann. „[…] das ist auch so ich bin zwei Jahre älter als mein Mann und ich denke das hat eine gewisse Rolle gespielt, dass ich äh bisschen wegen des Alters schon überlegt habe“ (IP 4, 147-149). Eine andere Interviewpartnerin äußert hingegen einen situationsabhängigen Kinderwunsch. Für sie stellt die gesundheitliche Stabilität eine Voraussetzung dar damit der Kinderwunsch überhaupt entsteht. „Ja [die gesundheitliche Situation] davor [war] sehr gut, ausgeglichen. Sonst wär wahrscheinlich auch der Kinderwunsch gar nicht gekommen“ (IP 1, 73-74). Auch durch eine weitere Interviewpartnerin wird betont, dass ihre gesundheitliche Stabilität eine wichtige Voraussetzung war, um ihren Kinderwunsch umzusetzen. In ihrer Argumentation wird zudem ersichtlich, dass der Kinderwunsch für sie eng mit dem Konzept der „Normalbiografie“ verbunden ist. „Wie es zu dem Kinderwunsch kam? Ähm ganz ganz unkompliziert, wir haben geheiratet […] und es war eigentlich kein Thema Kinder zu bekommen oder nicht. Also sagen wir Kinder zu bekommen in Hinblick auf diese bipolare Erkrankung, wobei ich mich im Jahr der Schwangerschaft und auch zwei, drei Jahre davor durchaus als GESUND, einfach als Herrin meiner Sinne und meines Erlebens, gefühlt habe“ (IP 2, 129-133). Dass Mutterschaft bei vielen Frauen in das Konzept der „Normalbiografie“ eingebettet ist, wird auch durch das unten stehende Zitat offenkundig. Ob der Kinderwunsch auch vor allem deshalb für bipolar erkrankte Frauen relevant ist, weil er einen nach außen hin sichtbaren Beleg der „Normalität“ darstellt, ist an dieser Stelle fragwürdig. Schließlich äußert Interviewpartnerin 3 an anderer Stelle, dass ihr Kinderwunsch schon immer bestand. „[…]also wir wollen heiraten und alles. Also das das es ist es ist ein klassisches kompaktes Familienmodell geplant wenn man das so sagen kann“ (IP 3, 252253). Darüber hinausgehend wird deutlich, dass der Kinderwunsch auch Ausdrucksmittel der Gemeinsamkeit mit dem Partner sein kann. „Ich habe dann mit meinem zweiten Mann einige Zeit gelebt, dann haben wir geheiratet und dann ich war schon am Anfang dieser zweiten Beziehung entschieden, oder wir waren beide entschieden, dass wir ein Kind haben wollen“ (IP 2, 90-92). 105 Die Äußerungen der Frauen lassen erkennen, dass der Kinderwunsch als Teil eines biografischen Gesamtkonzepts zu verstehen ist und daher von hoher subjektiver Bedeutung ist. Die Motive die bipolar erkrankte Frauen mit dem Kinderwunsch verbinden unterscheiden sich nicht signifikant von den in der Theorie angeführten Motiven, die sich nicht explizit auf den Kinderwunsch psychisch erkrankter Frauen beziehen. Unterstützungsmöglichkeiten für bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch sind somit aufgrund der hohen subjektiven Bedeutung der Thematik, im Sinne einer subjektorientierten psychiatrischen Versorgung von Relevanz. 9.2.2 Ängste und Bedenken Aus dieser Subkategorie geht hervor, dass der Kinderwunsch bipolar erkrankter Frauen auch mit vielfältigen Ängsten und Bedenken verbunden ist. Diese sollen nachfolgend kurz erläutert werden, da sie einen Teil der krankheitsspezifischen Herausforderungen ausmachen, mit denen sich bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch auseinander setzen (müssen). Eine Interviewpartnerin bringt zu Ausdruck, dass sie sich der Vererbung der genetischen Prädisposition für die Erkrankung durchaus bewusst ist und somit lange darüber nachgedacht habe, ob sie überhaupt Kinder bekommen soll. „[…] U n d das Nachdenken über Kinder, ich mein natürlich, für jede Frau sind Kinder immer irgendwann Thema aber ich habe sehr lange eigentlich mit mir g e r u n g e n aufgrund dieser Erkrankung, ob ich mich überhaupt weitervermehren soll. Weil ich das der nächsten Generation auf keinen Fall antun will“ (IP 3, 175178). An anderer Stelle wird zudem erwähnt, dass der Medikamenteneinsatz und die Auswirkungen auf das Kind mit Sorgen verbunden sind (vgl. IP 3, 451-452). Umgekehrt stellt die Reduzierung der Medikamente, vor und während der Schwangerschaft, ein Risiko für die psychische Stabilität der erkrankten Frauen dar (vgl. IP 3, 461-462). Somit wird das Dilemma der Frauen ersichtlich, dass sie oftmals zwischen der eigenen gesundheitlichen Stabilität und der Gesundheit des Kindes abwägen müssen, da die Medikamenteneinnahme für die eigene gesundheitliche Stabilität wichtig ist, einige Medikamente aber ein Risiko für die Gesundheit des Kindes darstellen. Die in den Interviews genannten Ängste und Bedenken im Kontext des Kinderwunsches beziehen sich auch auf den Zeitpunkt nach der Entbindung. Da die 106 Schwangerschaft eine vollkommen neue Erfahrung ist, bleibt zunächst ungewiss ob bisherige Krankheitsbewältigungsstrategien weiterhin wirksam sein werden. Ängste bestehen also auch hinsichtlich der Frage, ob es gelingen wird, die Anforderungen der Elternschaft zu bewältigen. Außerdem beschreibt eine Interviewpartnerin ihre Sorge aufgrund depressiver Episoden in ihrer Erziehungsfähigkeit eingeschränkt zu sein. „Ich hab Angst gehabt wie ich das mit dem Kind schaffen werde weil ich bin schon ziemlich müde und ich war vor der Schwangerschaft schon müde. Ich hab schon Angst gehabt dass die Gefühle, dass die Depression sehr negativ wirken könnte und ja die Angst, ich hab schon ziemlich viel Angst gehabt (B lacht). Es war etwas ganz Neues. Das war wirklich dass man Angst vor der neuen Situation hatte und dass man sich das nicht vorstellen konnte“ (IP 4, 155-160). An anderer Stelle wird erkennbar, dass häufig auch die Partner der Frauen Bedenken in Bezug auf die Umsetzung des Kinderwunsches äußern. „Also wenn es nach meinem Mann ginge wäre [unser Sohn] heute noch nicht auf der Welt, weil es gab so ein großes Sicherheitsdenken. […] Und ich hab gesagt du, also entweder man tut das wenn man halbwegs jung ist, halbwegs jung ist. Also es war ein wirklich von Herzen willkommenes Kind […] Also gesundheitlich hatte mein Mann wahrscheinlich mehr Bedenken als ich. Ja weil Frauen sind dabei einfach stärker, ich sag es ganz grauslich“ (IP 2, 178-184). 9.2.3 Prozess der Kinderwunscherfüllung Die Aussagen zum Prozess der Kinderwunscherfüllung stellen dar, dass es sich bei der Erfüllung des Kinderwunsches häufig um einen langwierigen Prozess handelt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Umsetzung des Kinderwunsches immer wieder weiter verschoben werden muss, wenn es aufgrund der Medikamentenreduzierung zu einer psychischen Destabilisierung und Krisen kommt. „Äh aber es war überhaupt nicht leicht die Medikamente zu reduzieren weil ich weil ich Lithium genommen habe, also Neurolepsin und dann äh wie hieß das das Medikament Rivotril, das musste ich absetzten. Und das mit den Medikamenten das war das schwierigste wirklich. Weil in Folge des Versuchs mit den Medikamenten war ich dann zweimal stationär […] im Krankenhaus weil es mir einfach schlecht gegangen ist. Zuerst war ich manisch oder ich war ich war irgendwie äh ich hab ein bisschen außerhalb der Realität gelebt, für ein paar Tage aber nur. Und dann hat sich mein Mann entschieden mit mir ins Krankenhaus zu gehen und sie haben gemeint ich sollte dort bleiben.“ (IP 2, 92-101). „Nach den zwei Aufenthalten hab ich wieder die ursprüngliche Dosis gehabt“ (IP 2, 247). Es zeigt sich, dass die Medikamenteneinnahme sowohl für die Gesundheit der Frau, als auch für die Gesundheit des (gewünschten) Kindes von besonderer Relevanz ist. Da weite Teile der Organentwicklung des Kindes bereits im frühen Stadium der Schwangerschaft stattfinden, in denen eine Schwangerschaft meist noch 107 nicht erkannt wird, kommt dem Aspekt der Schwangerschaftsplanung eine besondere Wertigkeit zu. Diese Schwangerschaftsplanung setzt voraus, dass die Frauen in das Versorgungssystem eingebunden sind. Ist dies gegeben können Aspekte der Medikamenteneinnahme bereits vor Eintritt der Schwangerschaft besprochen werden, sodass Panikreaktionen der Frauen bei Eintritt einer Schwangerschaft vermieden werden können, wenn zuvor keine Medikamentenanpassung stattgefunden hat. Die Beratung zur Medikamenteneinnahme liegt klar im medizinischen Kompetenzbereich. Diese medizinische Beratung könnte durch ein Beratungsund Beziehungsangebot der Klinischen Sozialen Arbeit sinnvoll ergänzt werden, indem den Frauen zum Beispiel Raum geboten wird ihren Kinderwunsch auch über medizinische Aspekte hinausgehend zu thematisieren (siehe dazu Themenkategorie „Unterstützungsmöglichkeiten“). 9.2.4 Thematisierung im medizinischen / psychiatrischen Kontext Die Thematisierung des Kinderwunsches im psychiatrischen Kontext ist für vier der fünf befragten Frauen wichtig. Sie wünschen sich, dass eine frühzeitigere Thematisierung der Kinderwunschthematik routinehaft angeboten wird. „Aber wenn Sie die Frage gestellt haben, was würde ich mir für andere bipolare Frauen wünschen, dann sage ich es ist sehr sinnvoll früher damit anzufangen. […] Ich musste warten bis es sich mit den Medikamenten klärt und mit diesen zwei Spitalaufenthalten das hat einfach gedauert. Aber wenn man früher anfängt, wenn das geht, ist das natürlich besser“ (IP 4, 535-441). Interviewpartnerin 4 schildert in diesem Zusammenhang, dass sie ihren Kinderwunsch aufgrund der Erkrankung immer weiter nach hinten verschoben habe. Aufgrund ihres Alters sei es somit nicht mehr möglich gewesen ein weiteres Kind zu bekommen, obwohl sie sich dies manchmal wünsche. Daher sein eine frühere Thematisierung der Kinderwunschthematik wichtig. Eine andere Interviewpartnerin, die selbst keine Beratung zum Kinderwunsch durch professionelle HelferInnen erhalten hat, äußert rückblickend, froh darüber zu sein. Sie geht davon aus, dass ihr in einer Beratung bzw. Thematisierung vom Kinderwunsch abgeraten worden wäre. Da die Interviewpartnerin an mehreren Stellen berichtet, dass innerhalb der psychiatrischen Versorgung nie nach ihrer persönlichen Situation gefragt worden sei, ist für sie vermutlich schwer vorstellbar, dass eine Beratung für sie auch eine Unterstützung hätte darstellen können. 108 „NIE. Bezüglich Partnerschaft wie es mir da geht, bezüglich ob ich einen Kinderwunsch habe kam NICHTS. Aber ich bin dankbar, weil vielleicht hätten sie mich damals abgeschreckt. So dankbar, ich hab so tolle Kinder“ (IP 5, 241-243). Anhand der Äußerung geht auch hervor, dass die psychosoziale Ebene in der Versorgung aus Sicht der Frau vernachlässigt wurde. Klinische Soziale Arbeit weißt jedoch gerade in der sozialen Diagnostik und Netzwerkarbeit Potentiale auf, welche neben der medizinischen, psychologischen und pflegerischen Versorgung in die praktische Arbeit mit einbezogen werden sollten. Interessanterweise spielt der Kinderwunsch in der Sozialen Arbeit jedoch bislang keine Rolle. Zwar ist die Elternschaft psychisch erkrankter Frauen im Arbeitsalltag (Klinischer) SozialerbeiterInnen Thema, der Kinderwunsch hingegen nicht. „Also mit Kinderwunsch habe ich keinerlei Erfahrungen muss ich sagen. Ich kann mich nicht an eine Patientin erinnern, die eine bipolare Störung gehabt hätte und einen noch nicht erfüllten Kinderwunsch […]. Aber es gibt sehr viele Frauen oder auch Männer mit bipolarer Störung die Kinder haben. Also keine Seltenheit“ (Exp. 2, 25-29). Dass der Beratung und Begleitung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch auch eine präventive Funktion zukommt wird bisher unterschätzt. Da offenkundig ist, dass bipolar erkrankte Menschen Eltern werden, wäre es wünschenswert, dass die Versorgung der erkrankten Frauen (durch die Klinische Soziale Arbeit) bereits zum Zeitpunkt des Kinderwunsches einsetzt. Dies hätte den Vorteil, dass zum einen bereits eine Beziehung aufgebaut werden könnte, die später den Zugang zu den Frauen erleichtert. Zudem käme einer frühzeitigen Beratung und Begleitung auch eine präventive Funktion der Gesundheitsförderung vom Mutter und (potentiellem) Kind zu, wenn etwa Ressourcen erkannt und gefördert und Unterstützung angeboten wird. Drei Interviewpartnerinnen erzählen, dass sie sich vor ihrer Schwangerschaft lediglich bei ihren PsychiaterInnen (und GynäkologInnen) hinsichtlich der Medikamenteneinnahme informiert haben (vgl. IP 3; IP 4; IP 2). Auch durch die Aussage einer Sozialarbeiterin wird ersichtlich, dass die Thematisierung bislang eher dem Aufgabenfeld der Medizin zugeordnet ist. Diese Aussage deckt sich mit den Erzählungen der Interviewpartnerinnen. 109 „Es wird schon glaub ich auch von ärztlicher Seite, also zumindest von manchen Ärzten, stärker thematisiert, eben auch weil die Einstellung auf Valproinsäure, das sag ich jetzt mal, doch eigentlich bedeutet, dass man verhüten sollte. Also dass eine Schwangerschaft nicht günstig wäre. Dann wird das durchaus angesprochen ja. Oder bei Patientinnen aber das sind eher psychotische Patientinnen ja wo man weiß, die sind sexuell aktiv, vor allem in der Psychose. Die kümmern sich eigentlich um nichts. Viel wechselnde Partner. Dass man da versucht das Thema Empfängnisverhütung naja nicht nur stärker ins Bewusstsein zu bringen, sondern wirklich auch versucht den Weg in Richtung Dreimonatsspritze oder Spirale anzubahnen. Aber wie gesagt bei bipolaren Störungen eher weniger“ (Exp. 2, 71-83). Die Thematisierung einer sicheren Verhütung stellt einen wichtigen Faktor innerhalb der Klärung reproduktiver Aspekte dar. Vor dem Hintergrund der hohen subjektiven Bedeutung des Kinderwunsches kann die Besprechung sicherer Verhütungsmethoden jedoch nicht als ausreichend angesehen werden. Da der Kinderwunsch der Frauen einen sehr privaten Lebensbereich darstellt, der oftmals mit Stigmatisierung verbunden ist, ist für die Frauen von großer Bedeutung, dass die Thematisierung im professionellen Kontext stigmatisierungsfrei erfolgt. In diesem Zusammenhang beschreibt eine Interviewpartnerin ihre positiven Erfahrungen in der Beratung durch zwei Ärzte. Diese informierten die Frau über Risiken einer Schwangerschaft und gestalteten die Beratung ergebnisoffen. „Ich hab ungefähr mitbekommen, dass es möglich ist [ein Kind zu bekommen]. Dass mir der Arzt oder beide Ärzte, sowohl Gynäkologin oder Psychiaterin nicht davon abraten. Ich mein gut, dass dürfen sie ja auch nicht, aber sie haben jetzt nicht irgendwie so viel Negatives aufgezählt, dass ich mir gedacht habe, dass lassen wir lieber. Und ja ich glaub so funktioniert das dann ganz gut“ (IP 3, 376381). 9.3 Gesundheit bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch / bipolar erkrankter Mütter Die folgende Themenkategorie gliedert sich in die beiden Subkategorien „reproduktive Risiken“ sowie „salutogene und pathogene Faktoren“. Die Darstellung reproduktiver Risiken wird zur Beantwortung der Frage, mit welchen besonderen Herausforderungen bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankte Mütter konfrontiert sind, herangezogen. Zudem ermöglicht die Erläuterung salutogener und pathogener Einflüsse es, Faktoren zu identifizieren, die bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch / bipolar erkrankte Mütter als unterstützend und / oder hinderlich erlebten. 110 9.3.1 Reproduktive Risiken Ein reproduktives Risiko, das sowohl in den ExpertInneninterviews als auch in den Interviews mit den betroffenen Frauen häufig zur Sprache kommt, bezieht sich auf die Medikamentenreduzierung. Da einige Medikamente zur Behandlung der bipolaren Erkrankung nicht oder nur in verringerter Dosis während der Schwangerschaft eingenommen werden sollten kann daraus eine Destabilisierung der psychischen Gesundheit der Frau resultieren. „Ja, das ist alleine die Reduktion die man macht wenn jemand schwanger werden will ist eigentlich eine Destabilisierung. Das versucht man wirklich in monatlichen Schritten zu machen“ (Exp. 3, 498-500). Auch eine Interviewpartnerin mit Kinderwunsch bringt zum Ausdruck, dass die Reduzierung der Medikamente für sie mit der Angst verbunden ist ein Rezidiv zu erleiden. „Obwohl ich es auch schon mal jetzt probieren WOLLTE ohne Antidepressiva aber es ist einfach diese ANGST noch zu groß und man merkt halt wie unruhig ich werde und so also und ich merk ich hab zwar keine starken Phasen mehr aber man kriegt sehr wohl mit dass irgendwas anders ist wie sonst“ (IP 3, 238241). Eine andere Interviewpartnerin, die bereits Mutter ist, berichtet, dass sich ihre gesundheitliche Situation durch die Medikamentenreduzierung vor der Schwangerschaft erheblich verschlechtert habe. „Äh und ich denke dass es mir eigentlich gut gegangen ist aber durch das Reduzieren der Medikamente hat es sich [die gesundheitliche Situation] sehr verschlechtert und äh ich hab das einfach nicht geschafft“ (IP 4, 221-223). Reproduktive Risiken entstehen aber für bipolar erkrankte Frauen auch dadurch, dass Schwangerschaft und Geburt als „life events“ das Rezidivrisiko erhöhen. Dies ist zum einen auf die vielfältigen somatischen/hormonellem Umstellungen zurückzuführen. Zum anderen stellt die neue Lebenssituation Frauen auch vor psychologische Herausforderungen. Hinzu kommt, dass die Erkrankungswahrscheinlichkeit nochmals erhöht ist, wenn bereits Frauen früherer Generationen im perinatalen Zeitraum erkrankten. „Das Gerücht, dass die Schwangerschaft selbst vor Episoden schützt, das stimmt nicht. Auch ich hab das noch gelernt, stimmt einfach nicht. Es gibt eine Menge von depressiven Erkrankungen während der Schwangerschaft. Wir wissen und das ist hinlänglich bekannt, dass also die Entbindungszeit oder danach das Jahr danach für die Mutter ein hohes Risiko darstellt“ (Exp. 3, 27-31). 111 Das Risiko einer (Wieder)Erkrankung wird im ersten Jahr nach der Geburt als besonders hoch eingestuft. Einer engmaschigen Betreuung kommt daher auch nach der Entbindung große Bedeutung zu. Ebenso wie die Identifizierung unterstützender Faktoren zur Entlastung der Frau (siehe 9.3.2). „ […] Das erste Lebensjahr ist da sicherlich das heikelste, weil von Seiten der Frau da ein erhöhtes Risiko ist. Äh von der hormonellen Umstellung her, von Seiten der bipolaren Erkrankung. Vor allem wenn man weiß, dass die Mutter oder Großmutter das schon einmal gehabt hat oder diese Frau das schon einmal gehabt hat ja. Dann ist die Wahrscheinlichkeit höher. Kann sein, muss nicht sein. Wie gesagt wir arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten. Und der dritte Faktor ist der einfache psychologische Faktor, dass das eine völlige Umstellung ist für die betroffene Person, für die Mutter, wie auch für die Familie. Das zweite und dritte Lebensjahr ist das Risiko nicht ganz so hoch aber trotzdem geht‘s natürlich um Umänderungen, um Umstellungen, die Rolle der Frau in der Familie“ (Exp. 3, 205-214). Drei der Interviewpartnerinnen schildern auch ihre Krankheitserfahrungen nach der Geburt. Es wird ersichtlich, dass sowohl die postpartale Psychose als auch die postpartale Depression ernstzunehmende Erkrankungen darstellen, die nicht mit dem „Baby Blues“ verwechselt werden dürfen. „Nur wurde [meine Tochter] dann eine halbe Stunde nach der Entbindung in wegen Zyanose, das heißt, sie ist blau angelaufen, in ein Kinderspital gebracht. Dann hab ich, ja ich hab keine Info bekommen na. Dann hab ich gesagt, das ist nicht mein Kind, also mein Kind ist tot, so hat es angefangen. Dann hat mir mein Mann ein Foto gebracht und ich hab gesagt, dass ist das ist nicht mein Kind, das ist ein fremdes Kind, das hat nicht meine Fingernägel. Also da hab ich schon eindeutig äh bin so leicht in eine Psychose gekippt. […] Das hat sich aber schnell gegeben als ich meine Tochter dann nach sieben Tagen in den Armen hielt“ (IP 1, 140-147). „[Nach der Geburt] waren ein paar ordentliche, also [mein Psychiater] würde sagen depressive Zeit. Aber es waren einfach so GANZ große Hänger dabei. Wobei die nichts mit diesem Baby-Blues oder so zu tun haben also die wirklich also schon viel tiefer gereicht haben. Die, ganz interessant wie der Mensch gebaut ist, aber auch schon wieder vergessen sind. Ja also ich meine nicht vergessen im Sinne von äh ausgeblendet gar nicht, sondern so sehr vergessen, dass man sich auch traut auch ein zweites Kind zu bekommen, das eigentlich“ (IP 2, 333339). Ebenso wird die Laktationspsychose im Kontext reproduktiver Risiken erwähnt. Interviewpartnerinnen verzichteten aufgrund der Empfehlung ihrer ÄrztInnen darauf zu stillen. Dies wird zum einen durch die Gefahr einer Laktationsypsychose begründet, zum anderen durch eine mögliche Gefährdung des Kindes, wenn dieses durch die Muttermilch Medikamente aufnimmt. 112 Auch an anderer Stelle wird noch gezeigt werden, dass der Verzicht aufs Stillen eine Bewältigungsstrategie darstellt, um mit den Anforderungen der Elternschaft zu Recht zu kommen (Kapitel 9.5.2). „Aber ich hab nicht gestillt oder ich hab nicht stillen können oder mir wurde empfohlen nicht zu stillen weil meine Ärztin gemeint hat, dass es besser für mich ist wieder die Medikamente zu nehmen und das eigentlich in der Stillzeit die Medikamente […] von der Mutter zu dem Kind noch anders übertragen werden und das eigentlich besser wäre nicht zu stillen. Und auch wegen der, wie heißt das, Laktationspsychose. Das wäre auch ein bisschen gefährlich in meinem Fall“ (IP 4, 290-296). 9.3.2 Salutogene und pathogene Faktoren Im Folgenden werden in die den Interviews genannte Faktoren vorgestellt, die für die Gesundheit der Frauen förderlich – oder im umgekehrten Sinn auch hinderlich – sein können. Die Identifizierung dieser salutogenen und pathogenen Faktoren bildet die Grundlage der Formulierung von Unterstützungsmöglichkeiten durch die Klinische Soziale Arbeit, die darauf abzielt Ressourcen zu identifizieren und zu stärken. Da die von den Frauen und ExpertInnen erwähnten Faktoren, je nach Ausprägung, förderlich oder hinderlich für die gesundheitliche Situation der Frauen sein können, wird auf eine getrennte Darstellung verzichtet. Als erstes soll auf das soziales Netz verwiesen werden, welches durch alle Befragten als immens wichtig eingestuft wurde. Stehen den Frauen Familienmitglieder und Freunde unterstützend zur Seite, kommt ihnen eine wichtige Funktion zu. Eine Interviewpartnerin erwähnt zudem, dass einige Freunde und Familie bereits ein Feingefühl für ihre gesundheitliche Situation entwickelt haben, sodass ihnen bei der Erkennung erster Krankheitsanzeichen eine wichtige Funktion zukommt. „Auch hier ist es einfach mein Umfeld […] Mein Mann, der ein ziemliches Sensorium entwickelt hat, ah wenige die ein Sensorium dafür entwickelt haben zum Beispiel in e-Mails wenn man plötzlich unfassbar blumig und sehr ausgeprägt erzählt, da gab es schon manchmal so Hallo-Schreie, ist irgendetwas im Busch?“ (IP 2, 379-383). Auch durch die ExpertInnen wird betont, dass die Einbindung in ein soziales Netz, welches die Frauen wertschätzt und nicht aufgrund ihrer Erkrankung verurteilt eine stützende Funktion hat. 113 „Was ich am Wichtigsten halte, ein gut funktionierendes soziales Netz, Familie, Freunde. Also ein wertschätzendes und vor allem auch eines das kein verurteilendes ist. Weil ich meine krank ist krank, ob Grippe oder bipolar spielt keine Rolle und einer Mutter die mit 40 Grad im Fieber im Bett liegt macht auch keiner Vorwürfe“ (Exp. 1, 140-143). Im sozialen Netz sind vor allem Familienmitglieder und Freunde wichtig. Anhand des untenstehenden Zitats wird erkennbar, dass freundschaftliche Beziehungen auch eine kompensatorische Funktion übernehmen können wenn Frauen keine Unterstützung durch die Familie erhalten. „Ich bin so dankbar, dass ich so tolle Freunde habe, die mich da auch unterstützen irgendwie und das ist das allerwichtigste was es gibt. Die Familie kann man sich nicht aussuchen aber die Freunde schon. Die Freunde können wie eine Familie sein und das ist das Wichtigste“ (IP 5, 130-133). Anhand der Aussagen einiger Interviewpartnerinnen ist jedoch ebenso zu erkennen, dass das soziale Netz auch pathogen wirken kann, wenn sowohl familiäre Konflikte bestehen als auch der Verlust von Freundschaften zur Belastung wird. „Familie blockt bei mir noch heute ab“ (IP 1, 46). „Der Freundeskreis ist in der schweren Depression nach der Geburt meines Sohnes weggebrochen, ja. Musste mir dann erst mühsam wieder einen neuen aufbauen“ (IP1, 190-191). „[…] es ist schwierig weil meine Mutter hat eine schizoaffektive Störung seit fünf Jahren und davor war sie immer ziemlich stark depressiv. Und es scheint, dass sie nie wirklich Raum oder Kapazität hatte über meine Probleme zu sprechen“ (IP 4, 129-131). Den Partnern der Frauen kommt innerhalb des sozialen Netzes eine zentrale Rolle zu. Vor allem in Hinblick auf die Elternschaft betont eine Interviewpartnerin, dass ihr Partner für sie eine wichtige Stütze darstellt, die es ihr ermöglicht Hürden zu überwinden. „Wenn die Partnerschaft stimmt, wenn die Väter und die Mütter dabei bleiben, dann gibt es fast nichts wo man nicht drüber kann“ (IP 2, 358-359). Eine salutogene Wirkung kann nicht nur von Freunden und Familienmitgliedern ausgehen. Die Einbindung in ein soziales Netz kann ebenfalls im institutionellen Rahmen erfolgen, wie etwa durch Vereine oder Selbsthilfegruppen. Für bipolar erkrankte Frauen kann somit die Einbindung in eine Peergroup mit ähnlichem Erfahrungshintergrund eine Möglichkeit darstellen, um sich über verbindende Erlebnisse und Belastungen auszutauschen. „[…] ich hab am Anfang schon ziemlich oft Angst gehabt, dass ich Fehler machen könnte oder dass ich irgendwie nicht perfekte Mutter war (B lacht). Das geht wahrscheinlich sowieso nicht (I und B lachen). Das hat mir eben [eine Frau aus der Selbsthilfegruppe] gesagt, du willst die perfekte Mutter sein und das das 114 wirst du nie (B lacht), damit musst du dich versöhnen, dass du nicht die perfekte Mutter bist“ (IP 4, 300-304). Es ist naheliegend, dass die Frauen beim Austausch in der Selbsthilfegruppe weniger mit stigmatisierenden Einstellungen konfrontiert sind und somit auch problematische Aspekte der Elternschaft thematisieren können. Da die Frauen keine negativen Konsequenzen fürchten müssen, wenn sie über schwierige Aspekte der Elternschaft sprechen, kann diese Möglichkeit des Austauschs entlastend wirken und somit von salutogener Wirkung sein. Auch an anderer Stelle wird erkennbar, dass die Wertschätzung von gelingenden Aspekten von Elternschaft wichtig für die Gesundheit der Frauen ist. „[…] meine Schwiegermutter, die mich total abgelehnt hat, hat dann gesagt, aber das mit den Kindern hat sie gut gemacht. Und das heißt was“ (IP 1, 198200). Ebenso betonen mehrere Frauen in den Interviews die Bedeutung bestimmter Hobbies. Besonders häufig wird dabei genannt, dass Literatur und Schreiben für die Frauen wichtig ist und im Umgang mit ihrer Erkrankung unterstützt. „Also[…] unterstützt hat mich […] immer lesen. […] Also Lesen war immer ein Thema. Lesen, selber Schreiben […]“ (IP 2, 400-405). Überdies finden sich in den Erzählungen der Frauen Hinweise darauf, dass die eigenen Kinder auch als sinnstiftendes Element im Rahmen generativen Verhaltens fungieren. Somit kommt ihnen Bedeutung für die Gesundheit der Mutter zu. „Es ist mit dem Kind zwar manchmal nicht leicht aber ohne das Kind wäre das mindestens viel viel schlimmer. Und irgendwie würde das so bestimmte Leere bedeuten und ich denke, dass ich gesundheitlich viel schlimmer dran wäre“ (IP 4, 467-469). „[Kinder sind] eine ungeahnte Verantwortung ja, die ich aber jedem nur empfehle sie zu haben und auch auszuloten, weil sonst existiert die Welt irgendwie nicht“ (IP 2, 351-353). In einigen Erzählungen kommt zudem zum Ausdruck, dass die Kinder gewissermaßen auch ein Mittel zur Selbstheilung darstellen können. Im unten stehenden Zitat erläutert die Interviewpartnerin, die sinnstiftende Funktion die ihre Tochter für sie hat. „Für mich war auch wichtig, dass ich jemanden hatte auf den ich mich konzentrieren musste ständig. Dass ich nicht über meine eigenen Probleme nachdenken konnte. Dass ich dass ich wirklich eine Beschäftigung hatte, die Sinn hatte, die einen unmittelbaren Sinn hatte. Äh weil ich hab früher immer Probleme äh mit der Arbeit gehabt, dass ich nicht genug Sinn empfunden habe, davon was ich machte. Und jetzt war das plötzlich so, dass ich nicht daran zweifeln musste, 115 dass das so unmittelbar war, dass der Sinn da war und dass es gut war, dass ich mich mit meiner Tochter beschäftigt habe und ja (B lacht leise)“ (IP 4, 314321). An anderer Stelle geht noch deutlicher hervor, dass eigene Kinder auch Mittel zu Selbstheilung bzw. ein zentraler Motivator sind, um Anforderungen zu bewältigen. Dies veranschaulicht das folgende Zitat sehr eindrücklich. „Das war wirklich ein Ansporn für die Kinder da zu sein. Das ist so wie bei Drogenabhängigen denke ich mir, die Hunde die sie versorgen. Wenn sie für sich schon nicht sorgen dann schaffen sie es und das hält sie am Leben. Und das, ich muss ehrlich gestehen, ich glaube wenn ich meine Kinder nicht gehabt hätte, ich würde heute nicht mehr da sitzen. Also wirklich nicht. Ich hab es wirklich nur für meine Kinder, ich hab mir oft gedacht wenn meine Kinder nicht mehr ich will nicht leben. Also das hat mir eigentlich das Leben gerettet im Grunde genommen“ (IP 5, 632-638). Die Ergebnisse zeigen, dass Unterstützungsmöglichkeiten und Wege der Gesundheitsförderung bipolar erkrankter Frauen sich dem bio-psycho-sozialen Gesundheitsverständnis nach nicht nur auf medizinische Aspekte beschränken können. Es wurde deutlich, dass ebenso vom sozialen Netz der Betroffenen erhebliche gesundheitsförderliche Wirkungen ausgehen können. Insbesondere die unterstützende Wirkung der Partner wurde augenscheinlich. Daher kann die Ableitung getroffen werden, dass nahe Angehörige und wichtige Bezugspersonen der Frauen ebenfalls in die Unterstützung mit einbezogen, informiert und entlastet werden müssen. Somit kann dazu beigetragen werden, dass das soziale Netz vor einer Überforderung geschützt wird und als Ressource erhalten bleibt. Die Einbindung der Partner in Unterstützungsangebote ist zudem wichtig, um diese zu entlasten. Steht der Partner den Frauen nicht mehr als Stütze zur Seite bedeutet dies eine Mehrbelastung der Frauen. „[Mein Partner] ist eine, also er ist mit Sicherheit eine GANZ große Stütze auch im Normalleben in einem Ablauf, in einem halbwegs geregelten Ablauf, der wahrscheinlich für bipolare Menschen ganz besonders wichtig ist. Auch wenn man das in gewissen jugendlichen Revoluzzerphasen durchaus ablehnen würde aber es hat etwas und es hilft wahnsinnig. Unterstützend auch, ich sag einmal so, wie sich vielleicht jede Frau einen Mann wünscht, der, wenn sie sagt, dass sie schwanger ist, dass er zur Decke springt vor Freude und nicht sagt wua irgendwas. Sondern einfach dabei ist. Ja ich mein er war dann auch in den folgenden äh Phasen, weil es ging natürlich nicht reibungslos durch verschiedene Verkettungen. Er war einfach immer dabei ja. Das macht auch einen großen Teil von Partnerschaft aus“ (IP 2, 191-199). Zudem ist die Unterstützung der Partner auch wichtig, da diese für die Kinder eine kompensatorische Wirkung übernehmen können. Frauen, die nicht in ein soziales 116 Netz eingebunden sind könnten durch die Klinische Soziale Arbeit bei der Reintegration unterstützt werden. In Bezug auf die Elternschaftsthematik könnten Frauen z.B. über Angebote von Selbsthilfegruppen informiert werden. Ebenso könnte auf Freizeitangebote in Vereinen verwiesen werden. Spezifischer könnten z.B. Babymassage-Kurse oder ähnliches angeboten werden, die sich auch positiv auf die Mutter-Kind-Interaktion auswirken können und der Vernetzung der Frauen dienen. 9.4 Gesundheit des Kindes Die Themenkategorie „Gesundheit des Kindes“ ist eng mit der vorausgegangenen Themenkategorie, die sich auf die Gesundheit bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch bzw. Mütter bezieht, verbunden. Daher wirken viele reproduktive Risiken der Mütter sich auch direkt bzw. indirekt auf die Gesundheit der Kinder aus. Nachfolgend werden daher nur jene reproduktiven Risiken, sowie salutogene und pathogene Faktoren vorgestellt, die bisher unerwähnt blieben. 9.4.1 Reproduktive Risiken Ein zentrales reproduktives Risiko, das bei vielen bipolar erkrankten Frauen in die Überlegungen zum Kinderwunsch einfließt, stellt die Weitergabe der genetischen Prädisposition dar. Diese erhöht das Erkrankungsrisiko des Kindes, später einmal selbst eine bipolare Störung zu erleiden. Zudem kann die Einnahme gewisser Psychopharmaka in der Schwangerschaft die physische Entwicklung des Kindes gefährden. Dieser Faktor steht den reproduktiven Risiken der Mutter oftmals konträr gegenüber. Schließlich kann aus einer Medikamentenreduzierung, die darauf abzielt die teratogenen Risiken für das ungeborene Kind möglichst gering zu halten, eine Destabilisierung der psychischen Gesundheit der Mutter resultieren. Die Gesundheit des Kindes stellt zum Zeitpunkt des Kinderwunsches einen Unsicherheitsfaktor dar, da lediglich von Erkrankungswahrscheinlichkeiten gesprochen werden kann. „[…] scheinbar, oder sagen wir allem Anschein nach [sind meine Kinder] nicht betroffen. Weil das äh zum Teil genetisch bedingt ist. Es ist auch so, dass meine Großmutter väterlicherseits eindeutig bipolar war. […] Mein Vater dürfte es weitergeleitet haben“ (IP 1, 121-125). 117 Im Rahmen einer medizinischen Beratung können zwar Erkrankungswahrscheinlichkeiten besprochen und die Auswirkungen der Psychopharmaka durch bisherige Erfahrungen (teilweise) eingeschätzt werden. Jedoch ist zum Zeitraum der Familienplanung weitestgehend unklar, inwieweit die mütterliche Erkrankung die psychosoziale Entwicklung des Kindes beeinflussen wird – zumal diese multifaktoriell bedingt wird. „Sie [die Psychiaterin] hat gemeint, sie hat halt schon einige Lithiumbabies zur Welt gebracht, das hat super funktioniert und die haben nichts also zumindest jetzt physisch. Was da psychisch ist, das wird man ja erst später merken“ (IP 3, 467-470). Nach der Entbindung kann die elterliche bipolare Erkrankung Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Interaktion haben. Dies kann sich negativ auf den Aufbau einer sicheren Bindung von Mutter und Kind auswirken (siehe Kapitel 4.1.2.1). „Kind von einem psychisch kranken Elternteil zu sein ist immer schwierig. […] Wenn ich mir vorstelle nach der Geburt wird eine Mutter schwer depressiv und kann überhaupt keinen Kontakt zu dem Kind aufbauen und das Kind lernt dadurch in den ersten Wochen einfach diese Interaktion nicht, dass es geliebt wird, dass es angeschaut wird, so eine Art Selbstwirksamkeit. Es liegt da und keiner schaut es an. Irgendwann einmal sind Kinder soweit, dass sie wenn die Mutter sie wickelt zum Beispiel automatisch wegschauen weil sie den Augenkontakt gar nicht mehr suchen. Die sind dann einfach nicht mehr in Beziehung zu irgendjemand oder lernen nicht zur richtigen Zeit zu lächeln oder zu reagieren. Und wenn das am Anfang ist ja, das zieht sich ja weiter […] es entsteht keine Bindung zwischen Mutter und Kind oder sehr schwer. Oder es kann zu einer Form von Vernachlässigung kommen ja. […] Manche Mütter haben ja auch Schuldgefühle dann, weil sie merken sie sollten das Kind jetzt lieben und sind nicht in der Lage dazu. […] Die psychische Erkrankung bietet keine Sicherheit ja. Und das ist für ein Kind immer fatal“ (Exp. 1, 90-110). 9.4.2 Salutogene und pathogene Faktoren Besteht ein Gleichgewicht salutogener und pathogener Faktoren, kann es Kindern gelingen auch schwierige Lebenssituationen zu bewältigen. In den Interviews wird vor allem betont, dass das Vorhandensein einer stabilen emotionalen Bezugsperson förderlich für die Gesundheit von Kindern ist. Dadurch können sie eine sichere Bindung zu einer Person aufbauen und die Erfahrung machen, dass ihre Bedürfnisse erkannt und befriedigt werden. Stehen die Partner der Frauen oder andere Personen den Kindern als Bindungsperson zur Verfügung, können diese eine kompensatorische Wirkung haben. Ebenso ist wichtig, dass den Kindern Erfahrungsräume außerhalb des „kranken“ Kontextes geboten werden. 118 „Ich denke, dass es für die Mutter-Kind-Beziehung immer ein Problem ist wenn die Mutter ausfällt. […] Das wesentliche ist, dass es eine Bezugsperson gibt. Und das kann der Partner sein und das [muss] dem Partner auch klar sein, dass er dann versuchen soll das auch durchzuhalten (B lacht). Ah natürlich sagen alle am Anfang ja. Ich versuch das schon näherzubringen, dass das durchaus realistisch ist, dass [eine Krise] eintreten kann“ (Exp. 3, 265-272). Auch in einem weiteren ExpertInneninterview wird hervorgehoben, dass das soziale Netzwerk, genau wie für die Mütter, auch für die Kinder von zentraler Bedeutung ist. „Netzwerk, absolut Netzwerk. Ich hab auch eine Patientin […] die war über Freundin und Nachbarin sehr sehr gut versorgt. Die hatte drei Kinder und das war immer eine klare Anlaufstelle ja wenn die halt komplett jenseitig war, dass die Kinder rauf gehen konnten, dass die auch ganze Wochen dort verbringen konnten. Da war eine stabile andere Bezugsperson da“ (Exp. 2, 154-159). Ähnlich wie in der ExpertInnenaussage beschreibt auch eine Mutter, dass Mitglieder der Familie wichtige Bezugspersonen ihres Kindes sind. „[…] Der Vater und mein Schwiegervater, also der Opa von der Kleinen, die sind beide sehr wichtig“ (IP 4, 400-401). Daneben kommt zu Ausdruck, wie wichtig es ist, dass die Personen, welche Kinder im Kleinkindalter betreuen, die Bedürfnisse des Kindes erkennen und angemessen befriedigen können. Nur dann wirkt das soziale Netz tatsächlich salutogen auf die Kinder. „[Helfen] kann ich nur wenn ich Bescheid weiß, wie helf ich einem Kind. Ja das hat einen Hunger und will was zu essen haben oder es ist nass und will trocken werden oder es hat Schmerzen und will schmerzfrei werden. Das sind so die wenigen Bedürfnisse eines Kindes (B lacht), eh sehr bescheiden aber wenn man verunsichert ist wird das extrem schwierig“ (Exp. 3, 389-393). Es bleibt festzuhalten, dass das Vorhandensein stabiler Bezugspersonen für Kinder im Kleinkindalter von großer Bedeutung ist. Klinische Soziale Arbeit kann folglich zur Förderung einer gelingenden Elternschaft beitragen, wenn sie Mütter und andere Bezugspersonen des Kindes darin unterstützt Bedürfnisse des Kindes zu erkennen und zu befriedigen. Ebenso wird erneut deutlich, wie wichtig es ist, das Familiensystem in die Arbeit mit einzubeziehen, sodass etwa der Partner des Kindes mögliche krankheitsbedingte Ausfälle der Mutter kompensieren kann. 119 9.5 Elternschaft mit bipolarer Erkrankung Die Themenkategorie „Elternschaft mit bipolarer Erkrankung“ untergliedert sich in drei Subkategorien. Die erste Subkategorie repräsentiert Herausforderungen, die mit der Elternschaft bipolar erkrankter Frauen einhergehen. In der zweiten Subkategorie wird auf Bewältigungsstrategien eingegangen, die es den Frauen ermöglichen die Herausforderungen zu bewältigen. Themenkategorie drei zeigt auf, dass die Krankheitserfahrung einiger Frauen auch von diesen als Erziehungsressource wahrgenommen wird. 9.5.1 Herausforderungen Durch die Darstellung krankheitsbedingter Einschränkungen wurde bereits gezeigt, dass die Auswirkungen der bipolaren Erkrankung alle Lebensbereiche der erkrankten Personen betreffen. Somit stellt die bipolare Erkrankung Frauen, die bereits Mütter sind, vor spezifische Herausforderungen. Zum einen beschreiben die Frauen, dass die Elternschaft per se eine Herausforderung darstellt, da sie mit vielen neuen Erfahrungen verbunden ist. „Ja man muss schon bereit sein, dass die Situation wirklich neu ist und dass Dinge passieren können die man nicht erwartet oder dass man die dann in dem Moment lösen muss und dass man vielleicht auch damit rechnen soll, dass man etwas lernt daran. Dass die Situation äh an einen Ansprüche stellt und dass man dadurch lernen kann“ (IP 4, 463-467). Aufgrund der Erkrankung wird die Elternschaft jedoch teilweise nicht nur als herausfordernd, sondern auch als überfordernd erlebt. „Ich hab in meiner Verwandtschaft keine Kinder gehabt muss ich dazu sagen ja. Ich war dadurch schon wahrscheinlich überfordert. Das erste Mal so ein so ein Winzling da liegen gehabt und dann die Depression noch dazu, das war nicht sehr leicht“ (IP 1, 66-69). Die Schilderung einer konkreten Alltagssituation lässt erahnen, dass die Bewältigung des Alltags mit dem Kind durch die Erkrankung erheblich erschwert wurde. „Also das erste Jahr nach der Geburt meines Sohnes war furchtbar. Ich war schwerst depressiv, ich erinner mich an eine Begebenheit noch dazu war das ein Reihenhaus mit 100 Stufen davor und vier Etagen. An sich für eine gesunde Frau ein Horror. Dieses ewige hin und her rennen, wirklich, das oben, das unten und so weiter. Und einmal hab ich mit geschlossenen Augen das Kind an mich gepresst, die Treppe, also an der Wand entlang geschoben, um irgendwie herauf zu kommen zum Wickeltisch. Na, ich war fix und fertig. Das war schwer zu ertragen“ (IP 1, 131-136). 120 Die krankheitsbedingten Einschränkungen der Frauen gehen oftmals mit hohen Anforderungen an die eigene Erziehungskompetenz einher. Folglich setzen sich Frauen erheblich unter Druck, wenn sie die Anforderungen, eine perfekte Mutter sein zu müssen, an sich selbst stellen. Da Elternschaft immer mit einer neuen unbekannten Rolle verbunden ist äußern viele Frauen ihre Verunsicherung und hinterfragen, ob sie den Erziehungsaufgaben gerecht werden können. Möglicherweise stehen die hohen Anforderungen der Interviewpartnerinnen auch im Zusammenhang mit dem Versuch, mögliche negative Auswirkungen ihrer Erkrankung auf die Kinder zu kompensieren. In diesem Kontext sind zudem gesellschaftliche Repräsentationen „guter Mutterschaft“ zu bedenken, welche psychisch erkrankte Frauen möglicherweise zusätzlich unter Druck setzen. „[…] vor der Schwangerschaft hab ich das mehr als Aufgabe empfunden […] die ich entweder schaffen werde oder in der ich scheitern werde. Ob ich gut genug bin, das ist immer eine Frage, die für Bipolare ziemlich wichtig ist. Ob ich gut genug bin, ob ich das schaffe? Und wenn nicht werde ich depressiv. Wenn ja dann ist es toll und so weiter. Also die Situation dann mit dem Kind hat noch […] weitere Dimensionen. Einerseits natürlich geht es darum, dass man das möglichst gut macht. Aber es ist mit dem Kind noch anders, da es eine andere Persönlichkeit ist, dass man sich mit jemandem so nahe ist der da gekommen ist und der sich entwickelt. Der zum ersten Mal das macht, sich zum ersten Mal die Zähne putzt oder zum ersten Mal läuft, das ist so spannend. Und also diese Dimension sollte man nicht verlieren. […] Ich hab das Gefühl, dass die Bipolaren, dass sie sich ständig daran orientieren, ob sie das schaffen. Das ist natürlich auch wichtig aber man muss viele andere Dinge auch sehen, damit man nicht das Ganze verliert. […] Ja genau die Anforderungen die sind riesengroß. [...] Ja es ist einem sehr wichtig gut zu sein und manchmal stört das einfach (B lacht)“ (IP 4, 568584). Eine weitere Interviewpartnerin erzählt zudem, dass ihr Entscheidungen, die ihre Kinder betrafen, sehr schwer fielen. Sie habe stets befürchtet möglicherweise zum Nachteil ihrer Kinder zu handeln. „Hm, Entscheidungen sind irrsinnig schwer, die die Kinder betreffen. Also Entscheidungen fallen Bipolaren meiner Meinung nach überhaupt einmal nicht gerade leicht. Ich hab Monate gerungen, ob ich meinen Sohn früher in die Schule geb oder nicht. […] Es waren für mich, das klingt jetzt harmlos aber es waren furchtbare Monate. Und als ich mich dann entschieden hab, ich geb ihn in die Schule und jetzt sagt er ich will noch spielen, bin ich fast in eine Depression gekippt und hab gedacht was hab ich dem armen Kind angetan. Ja, dünnhäutiger. Man nimmt alles viel vielmehr ernst nehm ich an“ (IP 1, 161-170). Es wird erkennbar, dass die Klinische Soziale Arbeit bei der Fällung von Entscheidungen und der Klärung von Erziehungsfragen beratend zur Seite stehen sollte. Somit könnte die Gesundheit von Mutter und Kind auch präventiv gefördert wer121 den, wenn Sozialarbeiterinnen zum einen die Befriedigung kindlicher Bedürfnisse berücksichtigen und zum anderen die Mütter beratend unterstützen. Der Unterstützung kommt auch dahingehend Relevanz zu, wenn es gelingt die Frauen dadurch zu entlasten und von Schuldgefühlen zu befreien. Schließlich wirken sich Schuldgefühle der Frauen wieder negativ auf deren Gesundheit und somit auch auf ihre Erziehungsfähigkeit aus. Anhand der Interviews wird erkennbar, dass aus den hohen Anforderungen teilweise auch überfürsorgliches Erziehungsverhalten resultiert. Dies wird durch die Frauen selbst als solches wahrgenommen und reflektiert. „Vielleicht war ich ü b e r vorsichtig sogar. Mein Sohn war auch einer, der zwar sehr gescheit war, aber ähm wie soll ich sagen, sich überhaupt nicht gewehrt hat. Ich bin da rein wie der Zerrorus immer, hab die anderen fast angeschrien. Wenn ihn wer nicht zur Schaukel gelassen hat na dann Zack war ich dort. Also vielleicht hab ich da übertrieben, ja. Wahrscheinlich auch ein Zeichen DIESES PROBLEMS“ (IP 1, 216-221). In einer anderen Erzählung betont eine Interviewpartnerin die Belastung, welche sie aufgrund von Zwangsgedanken erlebt. „Ich hab zu bestimmter Zeit wirklich Probleme mit Zwangsgedanken gehabt. Dass ich mir vorgestellt habe ich könnte meiner Tochter etwas antun oder ich könnte ihr weh tun irgendwie oder mhm also ein bisschen unangenehm darüber zu sprechen, aber es ist ähm ich weiß, dass das vorkommen kann“ (IP 4, 337340). Zudem äußern fast alle Mütter, dass sie aufgrund ihrer Elternschaft nur noch wenig Zeit für sich selbst finden. Dadurch wird auch die Befriedigung eigener krankheitsbezogener Bedürfnisse erschwert (vgl. IP 1, IP 2, IP 4). 9.5.2 Bewältigungsstrategien Um die Herausforderungen der Elternschaft trotz der Erkrankung bewältigen zu können, haben die meisten Frauen Bewältigungsstrategien entwickelt. Diese beziehen sich zum einen auf die Gestaltung des Alltags, der einer Tagesstruktur folgt, sodass die Frauen ihren Tag-Nacht-Rhythmus einhalten können. Zum anderen wird auch erläutert, dass die aktive Inanspruchnahme von Hilfen, das Einholen von fachlichem Rat und Einüben von Strategien Komponenten der Bewältigung darstellen. 122 „Ja es ist immer das Selbe, Fragen stellen oder sich nicht scheuen, Fragen zu stellen“ (IP 2, 548-549). Zudem berichtet eine Interviewpartnerin, die nach der Entbindung mit Zwangsgedanken zu kämpfen hatte, dass sie sich aktiv informiert hat und durch Literatur und Gespräche mit ihrer Ärztin fachlichen Rat einholte. Somit sei es ihr gelungen Strategien einzuüben, die sie in den Situationen, in denen Zwangsgedanken auftreten, anwenden kann. „Ich hab das auch gelesen, mit meiner Ärztin besprochen und so aber da muss man lernen irgendwie damit umzugehen. Zum Beispiel wenn einem so etwas einfällt, dann muss man sich auf etwas anderes schnell konzentrieren und auf etwas anderes denken und ähm einfach nicht dem Kopf die Freiheit lassen irgendwelche unangenehmen Gedanken zu produzieren oder so. […] man muss wirklich lernen, wie man damit umgehen kann. Und dass das vorkommen kann, das ist klar, das kommt ab und zu vor und. Aber äh das ist immer so, dass man bestimmte Strategien entwickelt für Probleme die es gibt“ (IP 4, 340-349). Damit Frauen vom Expertenwissen professioneller HelferInnen profitieren können, ist es folglich wichtig, dass Frauen Anlaufstellen kennen, an die sie sich wenden können, wenn Unterstützungsbedarf besteht. Klinische Soziale Arbeit könnt hierbei durch ihre Schnittstellenkompetenz über verschiedene Angebote informieren und diese – falls erforderlich - auch für die betroffenen Frauen koordinieren. Zum anderen stellt die „krankheitsgerechte“ Gestaltung des Alltags eine wichtige Bewältigungsstrategie dar. In Bezug auf die Elternschaft kommt dabei der Strategie „sich entbehrlich machen“ besondere Bedeutung zu. Indem die Frauen ihre Kinder beispielsweise nicht stillen, können die Partner der Frauen vermehrt Aufgaben in der Versorgung der Kinder übernehmen. Den Frauen gelingt es dadurch, ihren Tag-Nacht-Rhythmus besser einzuhalten. Dies ist wichtig, da gerade für bipolar erkrankte Menschen ein regelmäßiger Tagesablauf von Relevanz ist. „Beide Kinder sind […] aus einem einzigen Grund nicht gestillt worden, weil es geheißen hat Schlafunterbrechung ist für bipolare Menschen extrem, also VIEL schlimmer von der Wertigkeit als ein Kind das nicht gestillt wird. Und das hab ich auch/ [der Psychiater] war eine Respektsperson, das ist er bis heute in seiner wissenschaftlichen Arbeit. Und das war eine Aussage, die war einfach klar zu akzeptieren und dann gab es überhaupt nichts darüber zu diskutieren“ (IP 2, 205-211). „Aber wir haben wir haben großes Glück, dass unsere Tochter eigentlich sehr gut geschlafen hat und auch dadurch, dass ich sie nicht gestillt habe war das für mich ein bisschen leichter. […] Ja ja jaja, das [mein Mann] sie auch füttern konn- 123 te. Ja das war einiges leichter als ich das erwartet habe oder als ich gefürchtet habe“ (IP 4, 424-429). 9.5.3 Ressourcen Sowohl im Rahmen der ExpertInneninterviews als auch in den Erzählungen der betroffenen Frauen wurde wiederholt erwähnt, dass die Einbindung von Müttern und Kindern in ein soziales Netz, aufgrund ihres salutogenen Potentials, auch eine zentrale Ressource der Elternschaft bipolar erkrankter Menschen darstellt. Stehen Partner und andere nahe Angehörige Mutter und Kind in Krisenzeiten zur Verfügung können sie die Versorgung des Kindes zeitweise übernehmen. Ist somit eine strukturierte Vorgehensweise und Versorgung des Kindes im Sinne eines Notfallplans gegeben stellt dies eine wichtige Ressource dar. Aufenthalte in Krisenzentren und die damit abrupte Trennung von Bezugspersonen, die speziell für Säuglinge und Kleinkinder sehr schwierig ist, können dadurch vermieden werden. „Also ich glaube wichtig ist gerade in der ersten Zeit wenn es sehr akut ist, dass die Frauen […] wissen, dass Alles versorgt ist. Dass die Kinder versorgt werden und dass sie nicht so isoliert sind, dass sie nicht alleine sind den ganzen Tag. Angenommen in ihrer Depression alleine in der Wohnung hocken und ein Kind versorgen sollen, das sie nicht versorgen können. Das wäre das Um und Auf glaube ich als erstes“ (Exp. 1, 143-148). „[Es] hängt halt auch viel vom sozialen Umfeld ab. Welche Unterstützung habe ich? Eh wie bei allen Leuten. Elternschaft alleine ist immer schwieriger als wenn ich, als wenn es da Großeltern gibt, wenn es vor allem einen Partner gibt oder eine Partnerin, die das mitträgt, auch Freunde. Also ich denke mal das ist für jeden wichtig. Und wenn ich eine psychische Erkrankung habe und einfach auch weiß ich habe ein gewisses Maß an Ausfällen wo ich vielleicht ins Spital muss, ist es natürlich viel besser, wenn das familiär strukturiert aufgefangen wird und das Kind nicht in ein Krisenzentrum muss, während ich im Spital bin“ (Exp. 2, 114-121). „Wenn das Umfeld stimmt, also wenn der Kreis größer wird ist es natürlich noch leichter, denk ich“ (IP 2, 534-536). Klinische Soziale Arbeit sollte daher im Rahmen sozialer Diagnostik einen besonderen Fokus auf die Einbindung erkrankter Frauen in ein soziales Netz legen. Ebenso kommt der Erstellung eines Notfallplans (Wer ist in einer Krise zu informieren? Wer übernimmt welche Funktion?) besondere Bedeutung zu. Des Weiteren bringt eine Expertin zum Ausdruck, dass die Krankheitseinsicht und die damit verbundene Compliance wichtige Ressourcen bipolar erkrankter Mütter sind, die es durch Psychoedukation und Krankheits-Identitäts-Arbeit zu fördern 124 gilt. Die Bereitschaft der Frauen zur Medikamenteneinnahme wird als zentrale Voraussetzung für den Erfolg weiterer Unterstützungsangebote angeführt. „Es [gibt] auch Möglichkeiten je nach Reflexionsgrad, die Erkrankung gut in den Griff zu bekommen. Vielleicht ist das auch ein täuschender Eindruck, aber ich habe immer den Eindruck, dass die Leute, die unter einer bipolaren Störung leiden, sofern sie medikamentöser Einstellung zugänglich sind, eigentlich die Erkrankung recht gut in den Griff kriegen können. Das ist vielleicht, was es auch leichter macht im Gegensatz zu Menschen mit Psychosen oder Persönlichkeitsstörung. Das ist einfach, auch das Erleben der Extreme und sag ich jetzt vor allem einmal die Phase nach der Manie wenn einiges zu Bruch gegangen ist dann auch ein verstärktes Interesse entsteht, die Erkrankung in den Griff zu bekommen. Also vielleicht überhaupt ein höherer Reflexionsgrad, ein höheres Potential diesbezüglich“ (Exp. 2, 105-114). Im Sinne einer ressourcenorientierten Sichtweise wird durch zwei Frauen zudem betont, dass ihre Krankheitserfahrung auch eine Erziehungsressource darstellt. Eine Interviewpartnerin, die selbst bereits lange Zeit vor der Diagnosestellung erkrankt war, schildert ihre Annahme, dass es ihr durch ihre eigene Krankheitserfahrung möglich wäre sensibel auf erste Krankheitsanzeichen ihres Kindes zu reagieren und dem Kind somit zu schnellerer Behandlung zu verhelfen. Während sie selbst erst 25 Jahre nach der Erkrankung eine Diagnose erhielt, könne sie zumindest im Falle einer psychischen Erkrankung eines ihrer Kinder die Leiden vermindern, indem durch das Erkennen der Erkrankung Hilfe in Anspruch genommen werden kann. Eine andere Interviewpartnerin führt ebenfalls die Möglichkeit der Früherkennung einer Erkrankung des Kindes als Ressource an, die es ihr ermöglichen würde angemessen auf erste Krankheitsanzeichen zu reagieren. Die Kenntnis der Erkrankung wird somit als Ressource der Elternschaft erlebt. Jedoch soll auch erwähnt werden, dass die Theorie der vollständigen Beherrschung der Erkrankung und die Möglichkeit diese „stoppen“ zu können auch eine Umdeutung darstellt, in der das Erkrankungsrisiko reframed wird. „Und meine Tante […] hat auch gemeint, naja weil ich gesagt habe Adoption würde ja auch im Raum stehen und sie hat gesagt, naja wenn du selbst ein Kind bekommst dann wissen wir zumindest was es ist wenn es auftaucht, wenn die Zeichen kommen. Aber wenn du eins adoptierst, keine Ahnung was dann sein kann, ob man dann die Zeichen von irgendetwas anderem nicht erkennt“ (IP 3, 221-225). „Aber ääh mein Vorteil ist, dass ich wenn‘s eines meiner Kinder betreffen würde oder betroffen hätte sicher helfen könnte ähhh wesentlich besser helfen hätte können als sogar ein Arzt. Weil ich´s erkenne und weil ich es zeitgerecht stoppen kann. Ja ich glaub, das ist das Wichtigste. Ich glaube nicht, dass eines meiner Kinder SO rein gerasselt wär und sowas mitgemacht hätte wie ich“ (IP 1, 271-276). 125 9.6 Unterstützungsmöglichkeiten Die folgende Themenkategorie steht in direktem Bezug zur Forschungsfrage, inwieweit Klinische Soziale Arbeit durch Unterstützungsangebote zur Förderung einer gelingenden Elternschaft bipolar erkrankter Frauen beitragen kann. Sie gliedert sich in fünf Subkategorien, die nachstehend erläutert werden. Die Subkategorien geben Aufschluss über Voraussetzungen und Hürden gelingender Hilfen. Zudem wird gezeigt, dass die Beratung und Begleitung bipolar erkrankter Frauen für Klinische SozialarbeiterInnen ein Spannungsfeld darstellt, indem zwischen Hilfe und Fürsorge bzw. Autonomie und potentieller Überforderung der Frauen abgewogen werden muss. 9.6.1 Wichtige Voraussetzungen In dieser Subkategorie werden Formulierungen der ExpertInnen angeführt, die beschreiben, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, dass Unterstützungsangebote überhaupt möglich und wirksam sind. Zum einen nennen die ExpertInnen hier das Fachwissen über die bipolare Erkrankung über das die HelferInnen verfügen müssen. „[Es wird] viel zu wenig berücksichtigt, dass da für die Sozialbetreuung sehr wohl sehr viel mehr Wissen über die Erkrankungen sein sollte. […] Die einfache Frage, wie viele Stunden schlafen Sie, an eine Mutter ist ja nicht schwierig, ist auch nicht kompliziert, verletzt nicht die Intimsphäre. Ja aber wenn mir jemand erzählt, ich schlafe gut, frage ich wie viele Stunden? Und wenn eine junge Mutter sagt drei Stunden, dann weiß ich dass das zu wenig ist. Das ist eine Reizüberflutung für das Kind wenn die Mutter dauernd unterwegs ist und in der Manie dann ist“ (Exp. 3, 415-423). HelferInnen können demnach nur dann professionell unterstützen, wenn sie über ausreichendes Fachwissen der bipolaren Erkrankung verfügen und darüber hinausgehend auch die Relevanz der Medikamenteneinnahme richtig einschätzen. Mangelnde Kompetenzen und fehlendes Fachwissen können ein großes Problem in der Versorgung darstellen, da die Helferinnen sowohl als positive als auch als negative Verstärker der KlientInnen agieren können. Deshalb dürfen Aussagen zur Medikamenteneinnahme nicht unüberlegt getroffen werden, da dies die KlientInnen verunsichern kann. 126 Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass eine kontinuierliche Betreuung eine wichtige Voraussetzung gelingender Unterstützung darstellt. Dies wird dadurch begründet, dass Kontinuität besonders für bipolar erkrankte Menschen ein stabilisierender Faktor ist. „Es gibt prinzipiell bei bipolaren Menschen oder bipolar erkrankten zwei wesentliche Dinge: Wissen um die Erkrankung und Kontinuität. Weil Kontinuität und Struktur sind ein wesentlicher stabilisierender Faktor. Das heißt, wenn dann sollte es eine Person durchgehend geben die betreut. Der Wechsel von Personen ist da kontraproduktiv, wie in den meisten Betreuungen. Da ganz im Besonderen. Und das zweite ist auch die Klarheit, das Wissen um die Medikamente, den Stellenwert der Medikamente. Es gibt nichts destabilisierenderes wie wenn eine Person aus dem Betreuungs-, Freundes-, Familienkreis sagt, was du nimmt Medikamente. Das ist das destabilisierendste überhaupt. Oder was so viel? Ja gerade in der Schwangerschaft versucht man die Medikamente niedrig dossiert aber über den Tag verteilt, das schaut natürlich viel mehr aus. Ja aber in der Gesamtdosis ist es nicht viel. Wenn dann jemand kommt, na muss das sein? Das ist die Katastrophe schlechthin. Darin sehe ich eigentlich das Hauptproblem, dass der Großteil der Menschen keine Ahnung hat wie wichtig Medikamente sind. Und Medikamente quasi die halbe Miete sind. Medikamente ersetzen nicht das Gespräch, ersetzen nicht die Wärme, ersetzen nicht das Da-sein für einen Menschen, überhaupt nicht. Nur sie sind die halbe Miete. Wenn jemand manisch wird und einen Rückfall bekommt ja dann können Sie stundenlang reden, Sie werden diesen Menschen nicht erreichen. Und wenn Sie ihn erreichen, Sie drehen sich um und gehen sind schon wieder die anderen Ideen wichtiger wie das was Sie gerade drei Stunden lang geredet haben. Und das muss man wissen. Mit Manikern diskutiere ich zum Beispiel nicht. Ja da muss man klare Richtlinien vertreten und anbieten (B lacht) und nicht glauben, dass man einen Maniker überzeugen kann von etwas. Das hält genau die Zeit bis Sie sich umgedreht haben. Und in der Depression, auch wenn Sie das wohlwollend erklären, die Depression ist stärker, der Zweifel ist stärker. Als Betreuungsperson können Sie nicht 24 Stunden dabei sein. Können Sie nicht. Sie können als Betreuungsperson aber sehr wohl bestärken also positiver Verstärker können Sie sehr wohl sein. Und leider genauso negativer Verstärker von etwas (B lacht). […] Und wenn […] eine Person sagt aha wirklich? Die Sprachmelodie alleine und es kracht. Und das ist das Problem, dass das Unverständnis über bipolare Erkrankung, das Unverständnis über welche Medikamente sind sinnvoll, welche sind weniger sinnvoll, das ist das Problem, also darin sehe ich das Problem. Weil ich denk mir immer um jemandem zu helfen muss ich wissen worum geht es. Nur viel Liebe und Enthusiasmus ist zu wenig. Bipolare wollen und das erlebe ich hier grade speziell durch die Beratungen, da sind Menschen dabei, die sagen ich hab das alles noch nie gehört was Sie mir erzählt haben. Da sag ich hören Sie, das gibt es nicht, denn seit zehn Jahren haben Sie die Diagnose. Zehn Jahre futtern Sie Medikamente (B lacht)“ (Exp. 3, 312-347). Die Kontinuität der Betreuung sollte in der Begleitung möglichst vom Zeitpunkt des Kinderwunsches bis zum dritten Lebensjahr des Kindes gegeben sein. Dabei betonen die InterviewpartnerInnen die Relevanz der Nachbetreuung. Eine Begleitung sollte nicht nur in akuten Krisen, sondern regelmäßig stattfinden. 127 „ […]Wenn die erste Krise vorbei ist und alles gut, das heißt noch nicht dass nicht zwei Monate später die Depression oder die Manie kommt und das wird immer wieder vergessen. Das ist ein wiederkehrendes Geschehen und vor allem wenn keine Medikamente genommen werden, wenn Medikamente unregelmäßig genommen werden. Nach der Entbindung, das ist eine riesen Umstellung von Hormonen und Flüssigkeitshaushalt von der Frau, da muss man besonders sensibel sein und das nachbetreuen. […] Dieses Nachbetreuen denk ich, das wird auch sehr oft völlig vergessen“ (Exp. 3, 423-438). „Das was ich auch erlebe, viele [HelferInnen] sagen kommen Sie wenn Sie etwas brauchen. Das ist keine gute Behandlung für mich. Also wenn ich weiß, dass eine hohe Rückfallrate ist, ja dann hab ich regelmäßig Termine. Das wissen wir auch aus der Literatur, dass die, die regelmäßig Termine haben, dass da das Outcome besser ist, wie bei denen, die sagen kommen Sie wenn Sie was brauchen“ (Exp. 3, 442-446). Des Weiteren wird durch die Analyse der Interviews deutlich, dass Unterstützungsangebote an den Rhythmus der Mütter angepasst werden müssen, da die Einhaltung eines regelmäßigen Tagesablaufes für bipolar erkrankte Menschen besonders wichtig ist (vgl. Exp. 3, 393-402). 9.6.2 Anlässe der Unterstützung Wie bereits in der zweiten Themenkategorie zum Kinderwunsch gezeigt wurde, findet eine Thematisierung des Kinderwunsches eher im medizinischen Kontext durch PsychiaterInnen (und Gynäkologinnen) statt. SozialarbeiterInnen kommen hingegen seltener mit der Kinderwunschthematik in Kontakt. Die tiefergehende Analyse der Anlässe, in denen Unterstützung stattfindet, unterstreicht diese Annahme. Während in Rahmen der Beratung durch Psychiater über Risiken, Erkrankungswahrscheinlichkeiten und die Medikamenteneinnahme gesprochen wird (vgl. Exp. 3, 18-57), findet die Zeitspanne vor Eintritt einer Schwangerschaft durch SozialarbeiterInnen kaum Berücksichtigung. Stattdessen steht vielmehr Unterstützung bei akuten Problemstellungen im Vordergrund bzw. eine Thematisierung von Schuldgefühlen der Mütter, die oftmals retrospektiv nach den Krankheitsphasen entstehen. „Ja insofern minderjährige Kinder im Haushalt sind und aufgrund der Erkrankung sag ich jetzt wirklich grobe Problemstellungen auftreten sehr wohl. Wo es auch Kontakte mit dem Jugendamt gibt. Teils weil die Leute schon in Betreuung sind, teils neu“ (Exp. 2, 34-36). „[Thema ist] also vor allem auch rückwirkend, dass dann auch oft Schuldgefühle da sind. Dass halt aufgrund der Erkrankung und vielleicht bis zu einem gewissen 128 Grad auch aufgrund des Lebenswandels die Kinder sehr haben leiden müssen (Exp. 2, 56-58). 9.6.3 Klinische Soziale Arbeit im Spannungsfeld zwischen dem Wohl des Kindes und dem Wohl der Mutter Wenngleich sich die Klinische Soziale Arbeit bislang kaum mit der Kinderwunschthematik psychisch erkrankter Frauen auseinandergesetzt hat, so weist sie dennoch vielfältige Potentiale auf, die in der Beratung und Begleitung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch und bipolar erkrankter Mütter gewinnbringend eingesetzt werden könnten. Eine Interviewpartnerin hebt hervor, dass Klinische Soziale Arbeit aufgrund ihrer Expertise in Bezug auf psychische Erkrankungen, sowie ihr bio-psycho-soziales Krankheits-/Gesundheitsverständnis über besondere Wirkungsfähigkeiten verfügt. „Ja also ich meine die Grundausbildung vermittelt ja so durchaus grobe Inhalte, aber was das Thema psychische Gesundheit betrifft hat die Klinische Sozialarbeit schon eine spezielle Expertise und die wäre auch gewinnbringend einzubringen“ (Exp. 2, 245-249). Nichtsdestotrotz bewegen sich ProfessionistInnen in einem äußerst herausfordernden Spannungsfeld, da sie sowohl das Wohl der Mutter, als auch das Wohl des (potentiellen) Kindes im Blick behalten müssen. Innerhalb der Beratung zum Kinderwunsch wird auf die Relevanz einer professionellen Haltung verwiesen, die ethisch korrektes Verhalten voraussetzt. In einem ExpertInneninterview wird zum Ausdruck gebracht, dass Professionalität bedeutet, mit den Frauen einen Dialog zu führen und Informationen bereitzustellen, sodass die Frauen selbstbestimmt eine fundierte Entscheidung für oder gegen ein Kind treffen können. Von einer Verantwortungsübernahme distanzieren sich die GesprächspartnerInnen. „Ich sag immer, ich bin nur der Berater, ich kann nur sagen, was wissen wir anhand der Forschung, was wissen wir aus der Literatur, was weiß ich aus meiner Erfahrung aus meiner persönlichen. Äh wie sich eine Familie entscheidet, das ist deren Verantwortung, da will ich auch nicht Verantwortung für jemanden übernehmen, geht ja bekannter Weise auch nicht wirklich.“ (Exp. 3, 57-61). In der Beratung und Begleitung von Frauen, die bereits Mütter sind, scheint das Spannungsfeld noch größer zu sein. Die beiden InterviewpartnerInnen mit sozialarbeiterischer Ausbildung akzentuieren die ethische Herausforderung, die sie aufgrund der Abwägung zwischen dem Wohl des Kindes und dem Wohl der 129 Mutter erleben. Diese Herausforderung ist eng mit der in Kapitel 6.1 erläuterten Differenzierung zwischen Hilfe und Fürsorge verbunden. Während Hilfe auf Freiwilligkeit beruht, wird Fürsorge angeordnet. Da die Profession der Sozialen Arbeit auch einen Kontrollauftrag hat und somit sicherstellen muss, dass es zu keiner Kindeswohlgefährdung kommt, muss sie sowohl im Kontext von Hilfe, als auch im Kontext von Fürsorge, beraten und begleiten. Sind die Bedürfnisse des Kindes nicht mit denen der Mutter vereinbar, wird dies als Problem wahrgenommen. Eine Interviewpartnerin betont daher, wie wichtig es für sie ist, ihren Auftrag den KlientInnen gegenüber transparent zu machen. „Ich mein es ist ein Problem [der Sozialen Arbeit] bis zu einem gewissen Grad, für mich zumindest. Weil […] je mehr ich weiß, desto eher bin ich dazu geneigt, mich mit der MAG11 in Verbindung zu setzen. Ich mein, ich sag das den PatientInnen natürlich vorher, dass ich das tun werde und warum ich das machen werde und nicht hinterrücks“ (Exp. 2, 334-337). Durch die Aussage einer bipolar erkrankten Mutter kann die beschriebene Problematik teilweise aufgelöst werden. Im Sinne einer advokatorischen Ethik weist die Gesprächspartnerin darauf hin, dass das Wohl des Kindes im Wohl der Frau liege. Sei eine bipolar erkrankte Mutter „handlungsunfähig“, so würde im Sinn der Betroffenen gehandelt werden, wenn auf das Wohl des Kindes achtgegeben wird. „Ja aber das Wohl des Kindes liegt im Wohl der Frau, also die Antwort kann man schon geben, oder? Also ich mein wenn die Frau unfähig wird zu agieren, und also ich mein es können ja furchtbare Sachen passieren. Außerdem darf man sich, also wir sind politisch und überhaupt so korrekt geworden man muss wirklich jetzt aufpassen, dass man diesen gewissen Menschenverstand nicht außer Acht lässt, der einem einfach sagt dort brennt es und dann muss man einschreiten“ (IP 2, 593-598). Für die Forschungsfrage relevant ist auch die Einschätzung, dass die Angst vor negativen Konsequenzen oftmals die Inanspruchnahme von Hilfen bzw. die Thematisierung schwieriger bzw. überfordernder Aspekte von Elternschaft verhindert. Ein niedrigschwelliger Zugang, in dessen Rahmen zwischen den HelferInnen und Frauen Vertrauen aufgebaut werden kann, ist demnach sehr bedeutsam. „Generell glaube ich, die Leute, die bereits Kinder haben, haben eine sehr große Scheu, davon zu sprechen, was alles nicht geht. Also da ist, sag ich jetzt einmal, die ersten Takte es geht eh alles. Es ist eh alles OK. Und erst später und es ist dann aber glaub ich egal mit welcher Berufsgruppe, wenn dann mehr Vertrauen gefasst ist, ja dann kommen eigentlich erst langsam diese "ma total überfordert" oder "dieses oder jenes geht nicht" ja. Also der erste Impuls ist sowieso eine Fassade aufrecht zu erhalten und Dinge auch zu beschönigen“ (Exp. 2, 337343). 130 Gelingt es nicht, die Ängste der Frauen abzubauen, kann keine - oder nur sehr schwer - Unterstützung stattfinden. Zudem ist zu bedenken, dass die vordergründige Wahrnehmung des Jugendamtes in seiner Kontroll- und weniger in seiner Unterstützungsfunktion die Inanspruchnahme von präventiven Hilfen verhindert. Diese kann wiederum zu einer Krisenzuspitzung führen, die eine Kindesabnahme zur Folge haben kann (siehe auch Kaschta 2008: 57). „Nein hab gar nichts gesagt. Weil ich nicht wusste, welcher Person ich gegenüber stehe, äh wie die darauf reagieren würde und welche Konsequenzen sie setzen würde“ (IP 5, 300-302). „[…] zum Jugendamt bin ich nicht gegangen weil ich Angst hatte davor. Meine Therapeutin hatte das auch gemeint und ich hab gesagt, nein auf keinen Fall“ (IP 5, 525-527). „Ich denke mal gerade im Hinblick auf die Depression […] ist sicher die Wahrscheinlichkeit an einer postnatalen Depression zu erkranken bei den Frauen auch erhöht. Und da wäre es natürlich günstig wenn man jetzt von vornherein […] die Möglichkeit hätte zu unterstützen. Wobei es auch immer eine heikle Sache ist, ich denke mal wenn ich da jetzt als Frau davon betroffen bin, dann hätte ich vielleicht auch die Angst, dass da […] tausend Augen darüber wachen ob ich denn jetzt endlich quasi eine Depression entwickle. Und ich denke mir, […] sich in der Mutterrolle neu zu finden und in der Situation das ist eh eine Anspannung an und für sich. Und wenn ich dann auch noch die Angst im Nacken habe, alle warten darauf, dass ich da jetzt was sage oder dass die Depression kommt, das ist vielleicht auch keine schöne Situation. Also ich denke mir, das bedarf schon einer entsprechenden Betreuung und Begleitung. Und wenn [die Frauen] es den Hebammen und Ärzten nicht sagen ja. Wünschenswert wäre es, aber ich verstehe auch wenn das eben jetzt nicht das entsprechende Vertrauensverhältnis ist ja, das man sich dann damit vielleicht auch gar keinen Gefallen täte wenn man das offenbart“ (Exp. 2, 191-206). 9.6.4 Weitere Schwierigkeiten im Zugang / der Versorgung Schwierigkeiten im Zugang zum Helfersystem und in der Versorgung entstehen zudem durch unzureichend definierte Zuständigkeitsbereiche verschiedener Hilfsdisziplinen. Die Klinische Soziale Arbeit etwa klammert den Kinderwunsch aus ihrem Handlungsfeld aus, obwohl sie im Arbeitsalltag mit der Elternschaft psychisch erkrankter Menschen konfrontiert ist. Die Thematisierung des Kinderwunsches verorten die befragten SozialarbeiterInnen im Zuständigkeitsbereich der Medizin. Möglicherweise ist dies auch darauf zurückzuführen, dass durch die Sozialarbeit keine harten Fakten produziert werden können, während ÄrztInnen aber zumindest verbindliche Aussagen in Hinblick auf Erkrankungswahrscheinlichkeiten und die Psychopharmaka-Einnahme treffen können. Die Aussparung der Kinder131 wunschthematik ist sicher auch Ausdruck der Schwierigkeit, zwischen der Autonomie der Frau und einer potentiellen Überforderung, abzuwägen. „Ich weiß von meiner Kollegin, von der Ärztin, dass es immer wieder Frauen gibt, die sagen sie haben einen Kinderwunsch. Aber in welchem Rahmen und wie viele Frauen tatsächlich kommen um das vor zu besprechen weiß ich nicht, das wäre wahrscheinlich eine ärztliche Frage. Ich hab das kaum erlebt, dass jemand zu mir kommt um das zu besprechen. Ich würde mich da auch nicht zuständig fühlen weil ich weiß nicht was für Medikamente der nimmt und wie das dann geht. Ich kann mir von meinem Dings her denken, so wie ich diesen Menschen erlebe, ob ich glaube, dass es eine Chance hätte. Aber nicht wirklich mit fundierter fachlicher Aussage. Das geht wirklich eher über den Arzt. Also bei uns jetzt hier und ich arbeite halt auch im Krankenhaus. Es wird Institutionen geben wo die Frauen vielleicht anders arbeiten aber bei mir, wir sind hier ein Krankenhaus und die erste Anlaufstelle ist die Ärztin und erst dann zu mir“ (Exp. 1, 236-249). Die Potentiale Klinischer Sozialer Arbeit werden bislang nicht erschöpfend genutzt. Dass ebenso Fragestellungen zu Bedürfnissen eines Kindes und der Vereinbarkeit mit der bipolaren Erkrankung durch die Soziale Arbeit besprochen werden könnten bleibt unerwähnt. Ebenso wäre es wünschenswert, dass Frauen über Anlaufstellen informiert werden, bei denen sie Unterstützung erhalten, wenn sie sich für die Umsetzung des Kinderwunsches entscheiden. „[…] mit Kinderwunsch kommt man nicht zu mir. Also mit Kinderwunsch und bipolar, da müssten Sie sich eher an die Ärztin wenden. Ich weiß, dass oft schizophrene Patienten oder Borderline-Patienten kommen mit Kinderwunsch oder schon Leute die in Betreuung sind, in Behandlung sind und Medikamente nehmen. Wegen bipolar wüsste ich jetzt nicht und da bin ich auch nicht die Anlaufstelle also das kann ich schwer beantworten“ [Exp. 1, 29-34). Ebenso belegen die Aussagen der InterviewpartnerInnen die Bedeutung des interprofessionellen Austausches. Bislang scheinen fallbezogene und fallübergreifende Vernetzungen jedoch unzureichend durch verbindliche Richtlinien festgelegt zu sein, sodass diese stark personenabhängig sind. Zur Qualitätssicherung der Versorgung wären daher einheitliche Standards und Richtlinien wünschenswert, in denen Aufgabenbereiche klar zugeordnet sind. Die Qualität der Vernetzung wird von den InterviewpartnerInnen unterschiedlich beurteilt. „Ohja, [Vernetzung gibt es] immer wieder. Das gibt es schon aber das hängt halt sehr von den betreuenden Personen ab. Also immer wieder kommt es vor, dass die Ärztin wo anruft oder ich wo anrufe. Wir haben ja auch […] so ein Netzwerktreffen für die Perinatalpsychiatrie, wo wir uns immer wieder zusammensetzen und schauen, was gibt es neues, was ist gelaufen oder auch Fallbesprechungen machen. Aber jetzt so rein, das sind dann mehr so organisatorische Sachen. Rein vom Arbeitsalltag kommt es immer wieder vor, dass ich beim Jungendamt anrufe oder die Ärztin im AKH anruft und sagt, du hast mir die geschickt, was ist mit der los? Oder eine/ ein Facharzt hier anruft und sagt er hat jetzt jemanden 132 überwiesen weil er glaubt, dass da irgendetwas nicht stimmt, also das funktioniert schon“ (Exp. 1, 256-265). „Äh derzeit ist die Vernetzung ganz ganz schlecht. […] Ich könnte Ihnen jetzt nur eine Idealvorstellung sagen. (I: Ja) Dass also sofort der Arzt Sozialarbeit, so das notwendig ist, Sozialpädagogen, informiert“ (Exp. 3, 451-459). Ersichtlich wird jedenfalls, dass viele verschiedene HelferInnen in die Versorgung bipolar erkrankter Frauen und Mütter involviert sind. Da verschiedene Versorgungssysteme für Kinder, Jugendliche und Erwachsene meist unabhängig voneinander arbeiten, können erhebliche Lücken im Versorgungsnetz entstehen (siehe auch Albermann et al. 2012: 1523). Klinischer Soziale Arbeit könnte dabei eine Schnittstellenfunktion der Koordination und Vernetzung zukommen. Auch die befragten Frauen erleben unklare Zuständigkeiten in der fächerübergreifenden Versorgung als Hürde. „Überhaupt nicht […] es ist glaube ich die Schwierigkeit der fächerübergreifenden Geschichte, die in allen Fächern, wenn man den Stempel hat ich bin jetzt Mutter, die gerade entbunden hat, dann hab ich den Stempel 1 und dass sich das überlagert mit einer zweiten Geschichte ist ja fast schon wieder unheimlich und sehr arbeitsintensiv und sehr schwierig, ja“ (IP 2, 301-304). Zudem können Stigmatisierungserfahrungen der Frauen die Inanspruchnahme von Hilfen verhindern. Zwar wird durch die Interviewpartnerin kein kausaler Zusammenhang hergestellt, jedoch schildert sie ihre Wahrnehmung, dass psychisch erkrankte Menschen noch immer eine Sonderstellung inne haben. Daher wäre denkbar, dass die Verinnerlichung dieser Überzeugung einer Inanspruchnahme von Hilfe konträr gegenüber steht. „Es gab doch oder gibt immer noch eine Plakatwerbung. […] Da steht drauf, eine psychische Erkrankung ist wie ein Gipsfuß. […] Das ist interessant, weil die Wirklichkeit ist komplett anders, ist IMMER noch komplett anders“ (IP 2, 450455). 9.6.5 Formen der Unterstützung In der folgenden Subkategorie wird der Fokus auf verschiedene Formen der Unterstützung der Frauen und ihrer Kinder gelegt, die durch die InterviewpartnerInnen genannt wurden. Dabei wurde die Bedeutung von Beratung vor Eintritt einer Schwangerschaft / während der Schwangerschaft hervorgehoben. Ziel einer solchen Beratung sollte es sein, die Frauen (möglichst unter Einbezug ihres Partners) über Risiken und 133 Schwierigkeiten aufzuklären, sowie Möglichkeiten des Krisenmanagements zu besprechen. Ebenso sollte erklärt werden, wo Hilfsmöglichkeiten in Anspruch genommen werden können. Der Begleitung kommt somit eine präventive Funktion zu, die bislang aber noch wenig Berücksichtigung findet. „Wenn man eine Familie gründet oder da am Anfang steht wird das oft nicht bedacht […] oder die Partner wissen das oft nicht, was heißt das, wenn da jetzt sechs Wochen Depression ist, ja. Können sie das alles wirklich übernehmen? Meistens nein wenn sie im Arbeitsprozess stehen ja. Wäre auch eine völlige Überlastung und ist auch nicht Sinn und Zweck. Es geht darum, dass sie dazu stehen, und dass sie auch mithelfen zu organisieren und eben das Netzwerk mit organisieren und mit betreuen. Und da ist es ganz wichtig, welche Stationen gibt es da. Ah von Caritas, Volkshilfe gibt‘s eine Menge Sachen, von Sozialarbeit gibt‘s eine Menge von Sachen. Ahm die Ansprüche, die man auch hat, finanzieller Art, dass man da eine Hilfestellung hat. Und natürlich die Familienangehörigen. Wer steht wirklich zur Verfügung nämlich auch tagsüber und so ein Tag kann ja sehr lange werden. Bis hin zu dem Punkt, kann jemand in der Familie das Kind übernehmen, wer will das Kind übernehmen. Das sind Dinge, wo ich denke das ist wichtig, die im Vorfeld abzuklären und nicht in der Akutsituation ah, wo der Stress sowieso hoch ist“ (Exp. 3, 244-257). Ebenso stellen Mutter-Kind-Gruppen bzw. Eltern-Kind-Gruppen eine Unterstützungsform dar, die in den Interviews Erwähnung fand. Ziel dieses Gruppenangebotes ist es, die Mutter-Kind-Interaktion zu trainieren, sowie Beziehung zu den Frauen aufzubauen. Daneben können Erziehungsfragen geklärt werden. Zusätzlich fördern die Mutter-Kind-Gruppen die Vernetzung der Frauen untereinander. „Ich mach noch die Mutter-Kind-Gruppe oder Eltern-Kind-Gruppe, wo die Leute eben, die Mütter mit den Kindern oder eben auch die Eltern, ich hab auch gerne Väter dabei, wenn Sie kommen wollen, wo wir einfach mehr so auf die Interaktion schauen. Oder wenn wir besonders schwierige Patientinnen haben, wo wir das Gefühl haben, da muss man Beziehung aufbauen damit die in Behandlung bleiben. Oder es kann auch ein Punkt sein, dass man Frauen, die sich zum Beispiel nicht alleine auf die Straße trauen, dass man einfach mit ihnen zu arbeiten beginnt. Kommen Sie da rein mit dem Baby, dann sind Sie hier, hier kennen Sie sich aus. Aber eben die Betreuung dieser Mutter-Kind oder Eltern-Kind-Gruppe eben, teils aus Beziehungsgründen, teils auch um die Mütter zu vernetzen beziehungsweise um so eine Art Gruppenberatung zu machen. Und eben der dritte Punkt wäre also die Interaktion zwischen Mutter und Kind zu beobachten oder auch nur das Kind zu beobachten wenn eine Mutter gerade sehr depressiv ist, also wie geht es diesem Baby“ (Exp. 1, 13-25). Die Erziehungsberatung stellt auch aus Sicht der Frauen ein sehr wichtiges Unterstützungsangebot dar. Da die Frauen häufig sehr hohe Anforderungen an ihre eigene Erziehungskompetenz stellen, wünschen sie sich mehr fachliche Anleitung in Erziehungsfragen. Diese Bereitschaft, Hilfe in Anspruch zu nehmen stellt eine wichtige Ressource dar, deren Nutzung auch den Kindern zugutekommt wenn es 134 gelingt die elterliche Erziehungskompetenz durch fachliche Anleitung zu stärken. Eine Expertin schlägt vor, dass hierfür das Institut für Erziehungshilfe als Anlaufstelle genutzt werden könnte. Aus den Interviews geht auch hervor, dass alle befragten Frauen über die Bedeutung einer kindgerechten Aufklärung informiert sind. Allerdings bestehen Untersicherheiten, wie die Aufklärung dem Entwicklungsalter des Kindes entsprechend umgesetzt werden kann. Die Unterstützung bei der kindgerechten Aufklärung sollte daher im professionellen Kontext stärker thematisiert werden, um Kindern den Umgang mit Auswirkungen einer elterlichen bipolaren Erkrankung zu erleichtern und Resilienzprozesse zu aktivieren. Die Erläuterungen in Kapitel vier machen deutlich, dass eine kindgerechte Aufklärung auch schon spielerisch im Kleinkindalter möglich ist. „Ja, wie man dann mit Kindern umgeht und ihnen eben beibringt, dass man die Krankheit hat. Das wäre meiner Meinung nach das wichtigste“ (IP 1, 269-270). „[…] wir haben noch nicht gesprochen, das ist ein heikles Thema, das ist wissen meine Kinder über mich Bescheid? […] Ich ertappe mich selber dabei, dieses Thema immer wieder auszublenden bei meinen EIGENEN Kindern, was mich ärgert“ (IP 2, 625-632). Befinden sich Mütter in schwerwiegenderen gesundheitlichen Krisen wird oftmals eine Unterstützung in Form eines stationären Aufenthaltes notwendig. Dabei bieten sogenannte „Rooming-in-Kliniken“ die gemeinsame stationäre Aufnahme von Mutter und Kind an. „Bei manchen Menschen ist das sinnvoll, [wenn das Kind zur Behandlung mitgenommen wird ins Spital] weil sich die Mütter sonst nicht behandeln lassen. Weil sie sagen ich lass mein Kind nicht alleine, was ungeschickt ist. Das ist dann das schlechte Gewissen und ich bin keine gute Mutter und so weiter, […] die ganzen Mechanismen, die da auch eine Rolle spielen natürlich. Aber ich meinte es ist nicht ganz so leicht ein Spital zu finden (B lacht), viele bieten das schon an. Aber das dann auch das Bett frei ist, also der Platz frei ist, das Zimmer frei ist, das ist nicht immer gegeben“ (Exp. 3, 231-237). Des Weiteren wird von Frauen der Wunsch nach einer aufsuchenden Unterstützung geäußert, die z.B. in Form von Hausbesuchen durch die Sozialpädagogische Familienhilfe erfolgen könnte. Dadurch erhoffen sich die Frauen, „in dunkleren Phasen“ auch noch an das Helfersystem angebunden zu sein. Beispielsweise wenn nach der Entbindung eine gravierende Belastung besteht. Dieser niedrigschwellige Zugang würde sich auch anbieten, um Frauen nach einer stationären Behandlung nach zu betreuen. 135 „ […] wenn ich mich jetzt erinnere also nach gewissen dunkleren Phasen nach der Entbindung hätte es mir sicher gut getan wenn mich wer besucht hätte. […] mein Mann war zu gewissen Zeiten durchaus überlastet mit mir (B lacht). Keine Frage. Ja er hat es trotzdem durchgehalten ja. Also jemand der ein bissel was von der Sache versteht und irgendwie vielleicht auch ein bissel dieses Sensorium hat, was ist da jetzt wirklich los muss man da vielleicht in irgendeine Richtung agieren? Wäre also wäre sicherlich nett gewesen ja, so als Begleitprogramm, wäre toll. Ja und ist ich mein es ist auch diese ähm diese Begleitung hätte auch den Sinn, dass man sich zum Beispiel also in gröberen Phasen und wenn man auch in eine Psychiatrie eingeliefert wird denke ich ist es kostenintensiver als wenn man hier prophylaktisch mit Leuten arbeiten kann. Eben Fragen stellen kann, Besuch bekommt“ (IP 4, 575-585). Ferner wird der Peerberatung in Form von Müttergruppen großes Unterstützungspotential beigemessen. Dadurch könnten Hürden abgebaut werden, welche verhindern, dass die Frauen gewisse krankheitsbezogene Problemstellungen ansprechen. „Weil ich sag jetzt mal in der Elternberatung sitzen auch verschiedene Leute, aber wenn mein Thema bipolare Störung und Kind ist, dann komme ich mir vielleicht auch komisch vor zwischen den anderen Eltern und mach das vielleicht auch nicht unbedingt zum Thema. Und gerade der Erfahrungsaustausch mit anderen Müttern, ja, wie haben die das gemacht, welche Erfahrungen haben sie diesbezüglich, was ist hilfreich, was ist schwierig? Ich denke mal das wäre ein günstiger Weg. Also Peerberatung“ (Exp. 2, 213-222). Da eine professionelle Haltung zudem stets durch Neutralität gekennzeichnet sein sollte, betont eine professionelle HelferIn, die Grenzen professioneller Beratung. Anders als bei der Beratung durch eine Peergroup muss Beratung im professionellen Kontext ergebnisoffen sein. Dies verhindere eine positive Bestärkung der Frauen in ihrer Elternrolle. Daher wäre es anzustreben, dass Beratung im professionellen Kontext aber auch in der Peergroup stattfindet. Eine der Mütter schildert: „Das war nämlich auch ein Grund warum ich in meiner Umgebung andere Frauen gesucht habe, die das entweder geschafft haben oder auch schaffen wollten. […] Das hat mir eigentlich sehr geholfen. […]Ich habe gewusst, dass sie das irgendwie schaffen, das war mir wichtig, das war mir sehr wichtig. Und wenn man eine Geschichte liest, über einen Menschen der etwas oder eine Frau die etwas geschafft hat da wirkt das als eine Inspiration oder eine Art Unterstützung, für Frauen die sich nicht trauen oder die sehr unsicher sind“ (IP 4, 160-175). Dies deckt sich mit der Einschätzung einer professionellen Helferin: „Ich glaube das Wesentlichste wäre wirklich entsprechende Peerberatung und es hat ja dieses Psychosenetz gegeben, diese Plattform, […] wo auch von den Frauen verschiedenste Erfahrungen diesbezüglich geschildert worden sind und da hat man wirklich alle möglichen Einstellungen und aber auch alle möglichen Erfahrungen und auch Ratschläge gesehen. In Richtung Unterstützung der MAG11 wahrnehmen, und es kann gelingen und wirklich […] diese positive Resonanz, diese Ermutigung, wie sie glaube ich in der Fach136 welt nie stattfinden wird. Also ich kann mir nicht vorstellen, bei allem Wohlwollen, dass wär auch meiner Meinung nach nicht ganz professionell, ob Sozialarbeiter, Therapeut oder sonst irgendwer ja zu raten, na machen Sie, Sie werden sehen Mutterschaft ist ein tolles Ding ja, es kann gelingen. Da ist man immer eher zurückhaltend und versucht halt zu schauen in welche Richtung tendiert die Person und halt alles durch zu besprechen. […] Wie gesagt, Ratschläge oder tendenziöse Ratschlag gibt man ja ohnedies nicht. Einfach das Positive und das Negative durch besprechen und dann ist es eh die Entscheidung der betreffenden Person. Aber ich sage wirklich so diese Ermutigung und dieses Positive, dass hat man wenn dann, nur von einem nicht professionellen Umfeld. Und ich glaube, das wäre auch ganz wichtig“ (Exp. 2, 404-427). 9.7 Versorgungssituation und gesellschaftlicher Umgang mit der Erkrankung Die siebte Themenkategorie bildet den Abschluss der Ergebnisdarstellung. Durch die Unterteilung in zwei Subkategorien wird der Ist-Zustand der Versorgung erläutert und sich daraus ergebende erforderliche Veränderungen abgeleitet. 9.7.1 Ist-Zustand der Versorgung Durch die Erzählungen der Interviewpartnerinnen kommt wiederholt zum Ausdruck, dass die derzeitige Versorgung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch und bipolar erkrankter Mütter lückenhaft und unzureichend ist. Eine positive Bestärkung der Frauen in ihrer Elternrolle findet kaum statt. Stattdessen wird noch immer der Fokus auf eine sichere Verhütung der Frauen gelegt. Alle interviewten ExpertInnen verweisen auf Mängel im Versorgungssystem. „Ich glaube, dass das Thema Kinderwunsch und psychiatrische Versorgung überhaupt bis jetzt nicht gut unter einen Hut zu bringen ist. Also sicher am allerwenigsten im Sinne einer Unterstützung. Außer das Angebot des OWS, die perinatale Psychiatrie, das ist schon ein sehr spezifisches Angebot. Aber ich meine man sieht es auch an der Versorgungslandschaft in Österreich. Und ich denke mir, wenn in einem ganzen Land Versorgungseinrichtungen fehlen, dann sagt das auch was aus ja. Das ist kein Zufall und entweder wird es wenig wahrgenommen, dass psychisch erkrankte auch Eltern sind. Sofern es nicht ein grobes Problem ist steht der erkrankte Mensch im Vordergrund. Und ein Kinderwunsch mit sag ich jetzt einmal wird wenig thematisiert. Von beiden Seiten aus, weil wie gesagt, es geht jetzt um gesundheitliche Aspekte und weswegen Empfängnisverhütung günstig wäre. Und sicher nichts, was so, also wozu die Leute ermutigt werden oder unterstützt werden im Sinne, Sie haben zwar eine psychische Erkrankung, aber Sie können, es steht Ihnen natürlich trotzdem frei Kinder zu bekommen. So in die Richtung, ja. Also es wird auch immer misstrauisch beäugt ja, so quasi zuerst werden Sie einmal gesund und dann ja“ (Exp. 2. 266-281). 137 Dass ein spezifisches Angebot, das die Anliegen der Frauen ernst nimmt und auf Augenhöhe berät, selten ist, wird auch im unten stehenden Zitat deutlich. „Das ist interessant, dass die Betroffenen oft zwei oder zweieinhalb Stunden Autofahrt für eine Beratung in Kauf nehmen. Wenn sie das Gefühl haben, dass sie ernst genommen werden und wenn man all diese wenn und aber versucht zu berücksichtigen. […] Es ist natürlich die Zeit nicht nur der Schwangerschaft sondern dann so rund um die Entbindung. Was ist zu tun, worauf ist zu achten? Welche Information sollte der Gynäkologe haben? Welche Information sollte die Hebamme haben? Äh welche Information sollte die erweiterte Familie haben? Äh ein Problem ist, dass natürlich viele Gynäkologen viel zu wenig darüber wissen, auch Hebammen viel zu wenig wissen, teilweise nur Bücherwissen haben, da laufen ganz falsche Beratungen betreffend der Medikamente zum Beispiel. Äh also das ist wirklich also oft, also dass die Patienten dann völlig verunsichert sind, welche Medikamente man geben darf oder nicht geben darf. Das da veraltete Empfehlungen noch immer gegeben werden.“ (Exp. 3, 105-117) Eklatante Mängel entstehen vor allem durch die sehr beschränkten Kapazitäten, sodass Frauen in akuten Phasen bisher nicht ausreichend unterstützt werden können. „Es gibt jetzt für bipolar nicht mehr oder weniger als für andere. Und wir, die hier arbeiten mit den Müttern mit kleinen Kindern wissen dass es zu wenig ist. […] Es gibt die eine Tagesklinik auf Pavillon 5 im Wilhelminenspital aber sonst, es gibt ja nichts. Und diese Frauen sind dann auf sich allein gestellt. Es gibt kaum was und das ist, ob bipolar oder was anderes, das ist egal. Also es gibt nicht viel Angebot, um diese Frauen in einer akuten Phase aufzufangen. Nur zum Arzt gehen alle zwei Wochen [reicht oft nicht aus]. Wenn ich merke es geht nicht und wir brauchen eine Familienhelferin und es geht aber dann erst in vier Wochen oder länger das ist schwierig für uns. Wenn du sagst, die braucht eine Aufnahme, die braucht ein Bett, die tut mit Kind und das AKH ist zu auf Monate hin, das ist wirklich schwierig, es gibt wirklich nicht genug“ (Exp. 1, 221-231). Die Möglichkeiten erkrankte Frauen gemeinsam mit ihren Kindern aufzunehmen sind in Wien sehr begrenzt. Ist es allerdings nicht möglich, dass Frauen gemeinsam mit ihren Kindern aufgenommen werden, stellt dies für viele Frauen eine nicht zu unterschätzende Hürde dar, um sich in Behandlung zu begeben. „Und [wenn Frauen] kleine Kinder zuhause haben und sich plötzlich nicht mehr kümmern können weil sie einen akuten Schub haben wurscht in welche Richtung ist das schon problematisch ja. […] Auf der Akutstation können Kinder nicht mit aufgenommen werden, aber in der Spezialambulanz genauso wenig, wir haben keine Plätze für Mütter mit Kindern. Und oft ist es ja nicht nur ein Kind sondern zwei oder drei. Also jemand der zum Beispiel bipolar ist und merkt er fühlt sich wieder nicht so wohl und könnte natürlich […] in die normale Ambulanz dann kommen wenn die Kinder schon über ein Jahr alt sind. Wenn sie bis zum ersten Lebensjahr sozusagen irgendwann einmal in der Spezialambulanz angedockt haben, dann können sie auch wenn die Kinder vier oder fünf sind noch kommen“ (Exp. 1, 66-81). 138 Die Schilderungen der interviewten Frauen unterstreichen ebenfalls die unzureichenden Versorgungskapazitäten, sowie die ungenügende Vernetzung des Helfersystems. Beispielsweise nennen sie den Mangel an Psychotherapieplätzen und sehr langen Wartezeiten bei ihren PsychiaterInnen. Die Frauen sind dadurch verunsichert, ob in akuten Krisen eine schnelle Unterstützung und Behandlung möglich wäre (vgl. IP 2; IP 3). 9.7.2 Erforderliche Veränderungen Im Rahmen der geführten Interviews wurden durch die GesprächspartnerInnen Aussagen zu erforderlichen Veränderungen in der Versorgung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch und bipolar erkrankter Mütter getroffen. Ebenso wurden wünschenswerte Veränderungen im gesellschaftlichen Umgang mit psychischen Erkrankungen zur Sprache gebracht. Als Erstes ist zu nennen, dass eine Bewusstseinsbildung stattfinden muss, in der die Tragweite perinataler Erkrankungen angemessen berücksichtigt wird. Nur dann kann entsprechende Unterstützung und Hilfe stattfinden. „Und was auch noch wichtig ist, gerade die Perinatalzeit muss endlich mal als Erkrankung akzeptiert werden. Und nicht als etwas, das geht schon wieder vorbei, jetzt reiß dich ein bisschen zusammen. Also es wird ja immer so abgetan mit Babyblues, aber Babyblues ist was anderes. […] Es wird als harmlos abgetan, aber es kann eine sehr schwere Erkrankung sein, die bis zum Suizid führt und wenn man Pech hat bis zum erweiterten Suizid. Also ich glaube da fehlt es immer noch an Bewusstseinswerdung in der Gesellschaft und dadurch auch in der Politik“ (Exp. 1, 326-332). Zudem wird aufgrund der mangelnden Versorgungskapazitäten der Ausbau kontinuierlicher Betreuungsmöglichkeiten gefordert. Es wird deutlich, dass professionelle HelferInnen im Arbeitsalltag mit mangelnden Ressourcen zu kämpfen haben. Daher erscheint die Erweiterung bestehender Angebote und die Implementierung innovativer Versorgungsmöglichkeiten dringend notwendig. „[…] Es braucht sicher viel mehr, es braucht Tagesklinikplätze, es braucht stationäre Plätze und das ist eine Frage die sich sehr schwer und doch sehr leicht beantworten lässt. […] Es wird ja gerade das Sozialsystem gekürzt. Das Jugendamt hat Fallzahlen, das ist erschreckend. Die kommen nicht nach. Was soll ich sagen, außer dass die Sozialpolitik einfach ausgeweitet werden müsste und dass mehr dafür zur Verfügung gestellt werden müsste. Und dann glaube ich wenn wir mehr Ressourcen zur Verfügung hätten, im Sinne, dass man mehr zur Verfügung stellen kann. Ich mein, wenn es die Situation ist, es ist Freitagnachmittag und die Frau sagt, Sie geht mit dem Kind nicht mehr Heim, weil Sie bringt es sicher um. Was machen? Weil ich kann die nicht aufnehmen, ich hab nie139 manden dann, wem soll ich das Kind geben? Alles was ich genannt habe gehört einfach ausgeweitet und noch viel mehr was ich wahrscheinlich nicht genannt habe, weil es mir jetzt nicht einfällt. Aber so schlicht ist es und so schwierig“ (Exp. 1, 321-339). Zuletzt deckt sich die Einschätzung der InterviewpartnerInnen mit der in Kapitel 3.6 vorgenommenen Darstellung negativer gesellschaftlicher Repräsentationen psychisch erkrankter Mütter. Damit eine Destigmatisierung umgesetzt werden kann, ist auch ein Wandel der medialen Darstellung der Elternschaft psychisch erkrankter Mütter notwendig. Diese wird bislang sehr einseitig, zum Nachteil der Betroffenen, gestaltet. „Es ist natürlich, psychische Erkrankung und Mutterschaft ist weder medial noch sonst wie positiv besetzt. Ganz im Gegenteil, man hört immer nur die Horrormeldungen wenn sag ich jetzt mal Kinder sehr darunter leiden ja, dass die Mutter psychisch erkrankt war. Aber auch wenig Beiträge von, wenig gelingende Beiträge ja. Trotz psychischer Erkrankung hat Mutter zwei Kinder großartig großgezogen, könnte mich nicht erinnern, wann ich das gehört habe“ (Exp. 2, 287-297). Für die Betroffenen stellt die Konfrontation mit Stigmatisierung und Labeling einen zusätzlichen belastenden Faktor dar, der Frauen unter Rechtfertigungsdruck setzen kann. „[…] also wenn man wenn man Medien hört und ich lese das Wort [„psychisch krank“] weil also irgendeine schreckliche Geschichte passiert, weil die Mutter war depressiv und ist in psychiatrischer Behandlung. Da bekomme ich schon 97 Pünktchen im Gesicht vor Zorn weil es nichts aussagt und immer negativ konnotiert wird ja. Oder was immer an Untaten passiert, war wenn jemand in psychischer Behandlung, psychiatrischer Behandlung war. Ist immer mit negativem Zusammenhang. Was unerhört ist […]“ (IP 2, 393-398). Der Aufklärung und Bewusstseinsbildung auf gesellschaftlicher Ebene, sowie der Enttabuisierung psychischer Erkrankungen kommt daher besondere Bedeutung zu, um Frauen den Zugang zum Helfersystem zu erleichtern. „Wo ich Probleme sehe? ÄH ich denke, dass davon eigentlich nicht viel gesprochen wird in der Öffentlichkeit oder etwas. Bei mir hat das ziemlich lange gedauert bis ich mir meinen Weg gefunden habe. Und ich denke, dass schon einiges erleichtert werden könnte, grade dadurch, dass man darüber mehr spricht und dass man Möglichkeiten hat, sich zu beraten“ (IP 4, 475-479). 140 10. Der Kinderwunsch / die Elternschaft bipolar erkrankter Frauen – ein Resümee Den Ausgangspunkt dieser Arbeit stellte die Beobachtung dar, dass die Thematik des Kinderwunsches / der Elternschaft bipolar erkrankter Frauen in der psychiatrischen Versorgung bislang nur unzureichend berücksichtigt wird. Da die Fokussierung von Risikofaktoren der Kinder psychisch erkrankter Eltern eine einseitige Betrachtungsweise darstellt, war es Ziel der Arbeit, problematische Aspekte der Mutterschaft bipolar erkrankter Frauen auch im Kontext mangelnder Unterstützungsangebote zu betrachten und nach Unterstützungsmöglichkeiten zu fragen. Die Forschungsfrage „Inwiefern kann Klinische Soziale Arbeit zur Förderung einer gelingenden Elternschaft beitragen?“ wird durch die Verknüpfung theoretischer Erkenntnisse und empirisch gewonnener Ergebnisse beantwortet. Die theoretische Auseinandersetzung zu Beginn dieser Arbeit konnte veranschaulichen, dass bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankte Mütter mit zahlreichen spezifischen Herausforderungen konfrontiert sind. Diese ergeben sich zum einen aus reproduktiven Risiken für Mutter und Kind und zum anderen aus Stigmatisierungserfahrungen. Zudem wurde in Kapitel vier aufgezeigt, dass die bipolare Erkrankung einer Mutter, neben den rein reproduktiven Risiken, auch weitergehende Auswirkungen auf die bio-psycho-soziale Entwicklung von Kindern haben kann. Um Ableitungen hinsichtlich potentieller Unterstützungsmöglichkeiten zu treffen, wurden in diesem Kontext kind-, familien- und umweltzentrierte Resilienzfaktoren identifiziert. Daran anschließend konnte in Kapitel fünf gezeigt werden, dass Klinische Soziale Arbeit als Menschenrechts- und Lebenskunstprofession dem Auftrag der Förderung von selbstbestimmter Familienplanung nachkommen muss. Anhand der Darstellung der vier Hilfsformen Anleitung, Beratung, Begleitung und Therapie in Kapitel sechs wurde aufgeschlüsselt, dass Klinische Soziale Arbeit sich im Spannungsfeld zwischen Hilfe und Fürsorge bewegt. Daraus können sich für professionelle HelferInnen ethische Herausforderungen ergeben, wenn sie zwischen dem Wohl der Mutter und dem Kindeswohl abwägen müssen. Nichtsdestotrotz geht hervor, dass Klinische Soziale Arbeit 141 durch ihre Ganzheits-, Querschnitts- und klinische Kompetenz, sowie ihre Gesundheitsperspektive über Potentiale verfügt, welche in der Unterstützung gewinnbringend einsetzbar sind. Diese theoretischen Annahmen bildeten den Ausgangspunkt der empirischen Untersuchung und werden nachfolgend im Rahmen der Hypothesenbildung mit den empirischen Erkenntnissen zusammengeführt. 10.1 Hypothesenbildung Die Analyse und Interpretation des erhobenen Interviewmaterials fand im Rahmen eines qualitativ-explorativen Forschungszugangs statt. In Hinblick auf die Beantwortung der Forschungsfrage wurden die folgenden fünf Hypothesen generiert: 1) Die hohe ethische Komplexität, die sich aus dem Spannungsfeld zwischen Autonomie und potentieller Überforderung der Mutter bzw. Wohl der Mutter und Kindeswohl ergibt, begünstigt, dass professionelle HelferInnen die Elternschaftsthematik aus ihrem Handlungsbereich ausklammern. Da Klinische SozialarbeiterInnen sowohl im Kontext der Hilfe als auch im Kontext der Fürsorge Interventionen setzen, werden sie mit ethischen Herausforderungen konfrontiert. Diese ergeben sich aus dem Abwägen zwischen der Autonomie einer Frau mit Kinderwunsch und einer möglichen Überforderung bzw. aus dem Abwägen zwischen dem Wohl der Mutter und dem Wohl des Kindes. Dabei kann angenommen werden, dass durch die hohe ethische Komplexität die Ausklammerung der Kinderwunsch- und Elternschaftsthematik aus dem Handlungsfeld begünstigt wird. Daraus resultiert die Verlagerung der Thematik in den privaten Bereich der Frauen. Dadurch wird das Potential frühzeitiger präventiver Gesundheitsförderung für Mutter und Kind bislang nur unzureichend ausgeschöpft. Wichtig wäre daher, dass professionelle HelferInnen persönliche und organisationsgebundene Einstellungen zur Reproduktion psychisch erkrankter Menschen kritisch hinterfragen. Zudem sollten professionelle HelferInnen, die im Handlungsfeld tätig sind, spezifisch geschult werden, um einer Überforderung entgegenzuwirken. Darüberhinausgehend wäre die Formulierung verbindlicher Richtlinien wünschenswert, welche die Zuständigkeits-, und Handlungsbereiche der verschiedenen Disziplinen klar definieren. 142 2) Niedrigschwellige Unterstützungsangebote und eine kontinuierliche Betreuung können die Bereitschaft bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankter Mütter erhöhen, Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen. Der Kinderwunsch und die Elternschaft bipolar erkrankter Frauen scheinen oftmals schwer mit gesellschaftlichen Repräsentationen von „guter Mutterschaft“ vereinbar. Zudem erfahren bipolar erkrankte Frauen teilweise auch im professionellen Kontext Stigmatisierung. Um die Frauen dennoch erreichen zu können, sind niedrigschwellige stigmatisierungsfreie Unterstützungsangebote von zentraler Bedeutung. Ebenso kommt der kontinuierlichen Betreuung durch eine Person besondere Relevanz zu. Dadurch kann es gelingen, dass Frauen Vertrauen zum Helfersystem aufbauen und in Folge dessen auch Ängste vor negativen Konsequenzen, wie beispielsweise einer Kindesabnahme verringert werden. Der Abbau von Hürden im Zugang zum Helfersystem und der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung bilden die Basis gelingender Hilfe, in der Frauen auch weniger gut gelingende Aspekte der Elternschaft thematisieren können. Die transparente Erläuterung des Auftrags professioneller HelferInnen, ist dabei wichtig, damit die KlientInnen mögliche Konsequenzen richtig einschätzen können. 3) Um eine wirkungsvolle Destigmatisierung der bipolaren Erkrankung im professionellen Betreuungsumfeld zu ermöglichen, ist auch eine gesamtgesellschaftliche Bewusstseinsbildung notwendig. Zwar sollten reformpsychiatrische Veränderungen die soziale Distanz zwischen psychisch erkrankten und nicht erkrankten Menschen verringern, jedoch bestehen bis heute gesellschaftlich verankerte Stigma. Diese beinhalten die Repräsentation der Erziehungsunfähigkeit psychisch erkrankter Mütter. Auch die mediale Darstellung der Elternschaft psychisch erkrankter Frauen ist durch eine einseitige Darstellung der Defizite geprägt. Da den Frauen diese gesellschaftlichen Repräsentationen nicht verborgen bleiben, ist davon auszugehen, dass durch Stigmatisierung zum einen die Vulnerabilität der Frauen erhöht wird und zum anderen ihre Bereitschaft, Hilfe anzunehmen herabgesetzt wird. Hinzu kommt, dass auch Professionelle HelferInnen durch bestehende gesellschaftliche Repräsentationen in ihrem 143 Verhalten beeinflusst werden. Daher erfordert gelingende Unterstützung zwingend die Anregung gesellschaftlicher Bewusstseinsbildungsprozesse, die auf die Destigmatisierung und Enttabuisierung psychischer Erkrankungen abzielen. 4) Klinische Soziale Arbeit kann bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch und bipolar erkrankte Mütter, sowie ihre Kinder bei der Exploration und Stärkung von personalen und umweltbezogenen Ressourcen unterstützen. Klinische Soziale Arbeit nimmt eine bio-psycho-soziale Gesundheitsperspektive ein, in der sie salutogene Faktoren und Ressourcen zu identifizieren versucht. Dadurch kann sie bipolar erkrankte Frauen bei der Exploration von Ressourcen unterstützen und diese stärken (z.B. durch soziale Diagnostik). Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass vom sozialen Netz - insbesondere den Partnern der Frauen - ein erhebliches salutogenes Potential ausgehen kann. In der Unterstützung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankter Mütter und ihrer Kinder sollten daher nahe Angehörige und die Partner der Frauen in die professionelle Zusammenarbeit mit einbezogen werden. Zum einen kann so das Unterstützungspotenzial für die Frauen verstärkt werden. Zum anderen können dadurch auch die Partner selbst und andere wichtige Bezugspersonen unterstützt und entlastet werden. Die Arbeit mit dem Familiensystem ist folglich auch von Relevanz, um das soziale Netz als Ressource erhalten zu können. Vor dem Hintergrund der Bedeutung stabiler emotionaler Bezugspersonen für Kinder im Alter von null bis drei Jahren, veranschaulicht dies nochmals die Notwendigkeit Unterstützungsangebote nicht ausschließlich auf die erkrankten Frauen auszurichten. 5) Durch eine verbesserte interprofessionelle Zusammenarbeit könnte die Effektivität bestehender Angebote verbessert werden. Der Klinischen Sozialen Arbeit kommt dabei aufgrund ihrer klinischen Kompetenz besondere Bedeutung zu. Da die bisherige interprofessionelle Vernetzung und Koordination von Unterstützungsangeboten für bipolar erkrankte Frauen mit Kinderwunsch bzw. bipolar erkrankte Mütter und ihre Kinder lückenhaft ist, werden die wenigen vorhandenen Ressourcen im Versorgungssystem nicht optimal genutzt. Insbesondere wenn die Erziehungsverantwortung bipolar erkrankter Frauen im Betreuungs- und Bera144 tungskontext keine Berücksichtigung finden, können keine spezifischen unterstützenden Leistungen bereitgestellt werden. Ebenso ist eine interprofessionelle Zusammenarbeit wichtig, damit auch die Kinder der erkrankten Frauen ausreichend Unterstützung erhalten und nicht unberücksichtigt bleiben. Die institutionelle Kooperation von Erwachsenenpsychiatrie sowie Kinder- und Jugendhilfe und anderen Institutionen, welche die Mutter-Kind-Interaktion fördern, muss daher gestärkt werden. Klinischer Sozialer Arbeit kommt in der Verbesserung der Zusammenarbeit aufgrund ihrer psychosozialen Kernkompetenz und ihrer klinischen Fachkompetenz besondere Bedeutung zu. Diese Kompetenzen ermöglichen es SozialarbeiterInnen an der Beratung und Begleitung mehrfach belasteter KlientInnen mitzuwirken und Unterstützungsangebote verschiedener Professionen zu koordinieren. Dadurch kann Klinische Soziale Arbeit die Effektivität bestehender Angebote erhöhen. Resümierend kann festgehalten werden, dass Klinische Soziale Arbeit durch Unterstützungsmöglichkeiten auf der Mikro-, Meso- und Makroebene zur Förderung einer gelingenden Elternschaft beitragen kann. Besondere Bedeutung kommt dabei präventiven Angeboten zu. Unterstützung könnte in verschiedenen Formen angeboten werden: Durch die frühzeitige, niedrigschwellige Beratung und Begleitung bipolar erkrankter Frauen mit Kinderwunsch und bipolar erkrankter Schwangerer. Durch eine fest verankerte Einbeziehung der Kinder bei Krankenhausaufenthalten oder bei ambulanter Behandlung der Mütter. Durch den Ausbau stationärer und teilstationärer Behandlungsmöglichkeiten für bipolar erkrankte Frauen und ihre Kinder. Diese Angebote sollten auch die Stärkung der Mutter-Kind-Beziehung zum Ziel haben und entwicklungsfördernde Unterstützungsangebote für Kinder bereitstellen. Durch eine kontinuierliche Begleitung von Familien. Somit ist es möglich, die Entwicklung der Kinder zu beobachten und bei Bedarf rasch und gezielt zu unterstützen. Eine kontinuierliche Begleitung kann auch im Gruppenkontext erfolgen, z.B. in einer Mutter-Kind-Gruppe. Dadurch kann zugleich die soziale Vernetzung der Frauen gefördert werden. 145 Zuletzt kann Unterstützung durch eine gesellschaftliche Bewusstseinsbildung für psychische Erkrankungen und eine damit einhergehende Enttabuisierung und Destigmatisierung erfolgen (vgl. Deneke et al. 2008: 68). Da die derzeitige Versorgungssituation noch sehr fragmentarisch ist, könnte sich Klinische Soziale Arbeit aufgrund ihres Kompetenzprofils gut in der bestehenden Versorgungslücke etablieren. 10.2 Limitationen der Untersuchung Da diese Arbeit durch einen qualitativ-explorativen Zugang zum Forschungsfeld gekennzeichnet ist, konnten keine „harten Daten“ produziert werden, sodass eine numerische Verallgemeinerung der Ergebnisse unzulässig ist. Die Hypothesen, welche durch die Analyse von drei ExpertInneninterviews und fünf BetroffenenInterviews abgeleitet wurden, stellen daher eine erste vorläufige Annahme hinsichtlich der Unterstützungsmöglichkeiten zur Förderung einer gelingenden Elternschaft dar. Limitationen der Untersuchung bestehen vor allem darin, dass die für ein Interview gewonnenen Gesprächspartnerinnen größtenteils über eine in Wien ansässige Selbsthilfegruppe akquiriert wurden. Dadurch waren die Frauen bereits gut an das Helfersystem angebunden und konnten reflektiert über ihre Biografien berichten. Folglich kann kritisiert werden, dass nur Frauen befragt wurden, die gesundheitlich relativ stabil sind und bereits Zugang zum Helfersystem gefunden haben. Probleme in der Elternschaft sind jedoch eher bei jenen Frauen zu erwarten, die keine Krankheitseinsicht haben und daher auch nur schwer zu erreichen sind. Des Weiteren ist anzumerken, dass mittels der Themenanalyse nach Froschauer und Lueger lediglich manifeste Inhalte der Interviews deskriptiv dargestellt wurden. Da jedoch der Kinderwunsch und die Elternschaft psychisch erkrankter Frauen durch zahlreiche gesellschaftliche Normen „guter Mutterschaft“ beeinflusst werden, könnte eine Beachtung latenter Inhalte bei der Interviewauswertung sicherlich noch tiefer gehende Ergebnisse hervorbringen. Die Interviews wurden so transkribiert, dass eine feinstrukturanalytische Auswertung möglich gewesen wäre. Diese 146 konnte jedoch im Rahmen dieser Masterarbeit nicht umgesetzt werden. Die feinstrukturanalytische Auswertung der Interviews mit einer Fokussierung latenter Inhalte stellt somit einen fruchtbaren nächsten Schritt dar. 10.3 Ausblick Anhand der durchgeführten Untersuchung wurde deutlich, dass bipolar erkrankte Frauen reproduktionsbiografische Entscheidungen heutzutage – zumindest theoretisch – selbstbestimmt treffen können. Das Recht auf Familienplanung beinhaltet auch, dass Frauen hinsichtlich reproduktiver Aspekte angemessen informiert und unterstützt werden. Die derzeitige Versorgungssituation bipolar erkrankter Frauen in Wien weist allerdings noch vielfältige Lücken und Verbesserungsbedarfe auf. Daher ist es wünschenswert, dass die unzureichenden spezifischen Unterstützungsmöglichkeiten für bipolar erkrankte Mütter und ihre Kinder ausgebaut werden und bestehende Angebote verschiedener Disziplinen besser koordiniert werden. Dazu braucht es Schulungen der HelferInnen, die mit der Thematik befasst sind und klare Richtlinien, die Zuständigkeitsbereiche definieren. Vor dem Hintergrund der hohen ethischen Anforderungen, mit denen professionelle HelferInnen konfrontiert werden, erweist sich die Etablierung von Supervision als Möglichkeit, mit diesen Anforderungen professionell umzugehen. Damit die Beratung und Begleitung bipolar erkrankter Frauen nachhaltig gelingen kann, sind zudem gesellschaftliche Bewusstseinsbildungsprozesse erforderlich, die einer Stigmatisierung psychisch erkrankter Menschen entgegenwirken. Ebenso verhindert die fehlende Finanzierung innovativer Unterstützungsformen den Ausbau des Versorgungssystems. Bewusstseinsbildung ist daher auch speziell auf sozialpolitischer Ebene erforderlich. Somit bleibt festzuhalten, dass die Realisierung von spezifischen Hilfen „trotz des klar erkennbaren Unterstützungsbedarfs von psychiatrisch erkrankten Eltern und deren Kindern […] an ihre Grenzen [stößt], wenn es an geeigneten Angeboten fehlt oder wenn Eltern befürchten, das Sorgerecht für ihre Kinder zu verlieren“ (Grube/Dorn 2007: 67). 147 Literaturverzeichnis Bücher Amering, Michaela; Schmolke, Margit (2012): Recovery. Das Ende der Unheilbarkeit. 5. Auflage. Psychiatrie Verlag, Bonn. Antonovsky, Aaron (1979): Heath, stress and coping. Jossey-Brass, San Francisco. Assion, Hans-Jörg (2006): Diagnostik, Klassifikation und Differentialdiagnose. In: Assion, Hans-Jörg; Vollmoeller, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch bipolare Störung. Grundlagen – Diagnostik – Therapie. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart. Beeck, Katja (2008): Netz und Boden. Unterstützung für Kinder psychisch kranker Eltern. Netz und Boden, Initiative für Kinder psychisch kranker Eltern, Berlin. 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(1989) ... 33 Abb. 4: Wechselwirkungen entwicklungsbeeinflussender Faktoren bei Kindern bipolar erkrankter Mütter....................................................................................................................................... 36 Abb. 5: Bio-psycho-soziale Auswirkungen einer elterlichen bipolaren Erkrankung auf Kinder ...... 37 Abb. 6: Fragebogen zur Einschätzung des Belastungspotentials der Kinder .................................. 48 Abb. 7: Die drei Faktorengruppen der Resilienz .............................................................................. 52 Abb. 8: Formen professioneller psychosozialer Versorgung ........................................................... 67 Abb. 9: Hilfe und Fürsorge ............................................................................................................... 68 Abb. 10: Grundarten des Helfens und der Fürsorge ........................................................................ 69 Abb. 11: Theoretisches Modell zu Kinderwunsch / Elternschaft bipolar erkrankter Frauen ............ 77 Abb. 12: Soziodemographische Daten der Interviewpartnerinnen .................................................. 86 Abb. 13: Wissensformen im episodischen Interview ........................................................................ 88 157