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Grafik REVIEW Sonderdruck aus Ausgabe 11/10 x MAGAZIN FÜR PROFESSIONELLE INFORMATIONSTECHNIK © by Heise Zeitschriften Verlag GmbH & Co KG, Hannover alleinige Berechtigung von Bare-Metal-Virtualisierern einzureden. Grafikansprüche für Gastsysteme Parallels’ Workstation 4.0 Extreme für Windows und Linux Durchreiche Fred Hantelmann Das Handicap fast aller virtuellen Systeme ist bis dato die Grafikleistung, denn die Software vermittelt in der Regel nur simple Pseudo-Karten, die allenfalls für normale Desktops reichen. Parallels will mit seiner neuen Workstation 4.0 Extreme Abhilfe schaffen. irtuelles bildet heute in vielen Rechenzentren die strategische Hardwarebasis, und Hersteller von Produkten zum Thema propagieren Schlagwörter, mit denen sie ihre Überlegenheit gegenüber der Konkurrenz manifestieren wollen. Eine erste Abgrenzung bildet die Architektur des Hypervisor, wobei Typ-1, genannt Bare Metal, dank der Nähe zur Hardware eine höhere Effizienz als das auf ein Betriebssystem aufsetzende Typ-2-Pendant bietet. V Bezogen auf die CPU-Leistung hat iX schon vor vier Jahren [1] diese Behauptung untermauern können. In einer Testreihe erreichten die Typ-1Virtualisierer eine reine Rechenleistung im Gast von bis zu 99 % des Wirts. Mit 93 bis 97 % fielen die damals verfügbaren Typ-2-Varianten nicht dramatisch schlechter aus. Ergänzend greift das Marketing seither zu weiteren Kriterien wie bessere Ressourcenaufteilung und strengere Isolation der Gäste, um dem geneigten Kunden die Trotz zahlreicher Optimierungen im Detail wussten die Hersteller mehrheitlich auf einen Wunsch bisher scheinbar keine brauchbare Antwort: zeitgemäße Grafikleistung im Gast. Deren hat sich NVIDIA angenommen. Im März 2009 präsentierte der Hersteller sein „Scalable Link Interface“ (SLI) in „Multi-OS“-Technik: Workstations, die mit zwei Grafikkarten der Quadro-Serie ausgestattet sind, nutzen den einen Grafikprozessor selbst und können den anderen einem virtuellen Gast bereitstellen. Parallels nutzt das Verfahren in seinem Produkt „Workstation 4.0 Extreme“. Es ist für 64-Bit-Desktops von Microsoft (Windows XP, Vista und 7) sowie Red Hat (Enterprise Linux 5.3-5.5) lieferbar. Erforderliche Hardwarevoraussetzungen knüpft Parallels an ein Mainboard mit CPUs aus Intels 5500eroder 5600er-Serie, x58- oder 5520Chipset mit „Virtualization Technology for Devices“ (VT-d) und mindestens einer Grafikkarte von NVIDIA ab Quadro FX 1800 und aufwärts oder ATI/ AMD Fine Pro RG 220. Wer von der beschleunigten Grafikleistung profitieren will, muss VT-x (Intels VT in x86/64-Prozessoren [2]) und VT-d im BIOS des Mainboard aktivieren. Das skalierbare Link-Interface (SLI) kennt außerdem noch den Rendering-Modus, in dem eine Anwendung die gekoppelten Grafik-Engines allein nutzen kann. iX hat die Version 4.0.6698 auf einer Celsius M470 von Fujitsu mit Windows 7 Professional als Gastgeber getestet. Die M470 war mit zwei W3520CPUs von Intel (Bloomfield, http:// ark.intel.com/Search.aspx?q=W3520), 6 GByte RAM und zwei unterschiedlichen Grafikkarten, einer Quadro FX 580 und einer 3800, ausgestattet. Den Massenspeicher stellte eine Velocity Raptor WD1500hlfs von Western Digital. Von der 150 GByte Bruttokapazität standen 60 GByte dem Betriebssystem nebst Anwendungen zur Verfügung, 80 GByte waren für virtuelle Festplatten der Gäste vorgesehen. In erster Linie geht es um die Grafikleistung, die der Anwender im Gast erhält. Dazu mussten sich Parallels’ Gäste unter Windows XP, Vista, Windows 7 und einem RHEL-5.3-Clone der SPEC- Grafik REVIEW viewperf-11-Suite stellen. Abgesehen von kleineren Hakeleien beim Untertest maya – einem Animations-Benchmark mit Geometriemodellen aus bis zu 66 Millionen Ecken – liefen die Tests in jeder Variante komplett durch. Warum es bei Windows 7 trotz der mit Vista identischen Treiber von NVIDIA zu Aussetzern kam, war nicht zu erklären. Fastlane liefert schnelle Grafik Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Parallels erreicht mit seiner „Fastlane“ genannten Technik bisher unerreichte grafische Leistung in virtuellen Gästen. Die Bildraten im Viewperf lagen je nach Test bei 72 bis 99 % der auf nativer Hardware gemessenen Werte. Dabei fanden bewusst keine Optimierungen statt, um eine typische Endkundensituation zu simulieren. Umgekehrt zeigte sich erneut [1], dass der Test neben der Hardware eigentlich die Qualität der Grafiktreiber untersucht. Das dürfte der Grund sein, warum ein Linux-Gast in fünf von acht Benchmarks höhere „Drehzahlen“ erreicht als das Wirts-OS (siehe Seite 70). In der Praxis spielt es vor allem eine Rolle, im Gast mit einer vollwertigen Grafikkarte arbeiten zu können mit Geometrie-Engine, Texturing, Lightning, Anti-Aliasing und so weiter. Wer transparente Fenster wünscht – ein Merkmal von Windows Aero –, erhält sie per se mit Fastlane. Statt auf einen emulierten Framebuffer greift der Gast auf den vollen Funktionsumfang moderner Grafikhardware zu. Architekturintern nutzt Parallels’ Workstation Extreme die heute auf praktisch jedem modernen Mainboard vorhandene VT-d und reicht dabei PCIe-Geräte wie Netzwerk- und/oder Grafikkarten direkt an den Gast durch. Ein mit je drei Adaptern ausgestattetes System kann der Anwender quasi hart partitionieren, sodass dem Host und zwei Gästen exklusiv eigene I/O-Komponenten für Netz und Grafik im Zu- x-TRACT ● Parallels Workstation Extreme ist ein Typ-2-Hypervisor für Systeme unter Windows oder Red Hat. ● Grafikkarten von NVIDIA, die per SLI-Multi-OS gekoppelt sind, kann der Hypervisor nativ den virtuellen Maschinen zur Verfügung stellen. ● Anwender können damit in virtuellen Gästen eine vollwertige Grafikkarte nutzen. griff stehen. Die Zuordnung der Komponenten zu Wirts- und Gast-OS konfiguriert der Anwender über die Rubrik „VT-d“ des Menüs „Datei->Eigenschaften“ im grafischen Bedienungszentrum zum Produkt. Welcher Gast eine konkrete Grafik- oder Netzwerkschnittstelle nutzen darf, ist in den Gasteinstellungen festzulegen. Wenn aber beispielsweise eine Grafikkarte mehreren Gästen zugeordnet ist, die ein aktiver Gast reserviert hat, verwehrt Parallels’ Workstation Extreme den Start der anderen. Hinzufügen und Entfernen der Grafikkarte ist nur bei runtergefahrenen Gastbetriebssystemen möglich. Ein Seiteneffekt der fest zugeordneten Grafikkarten an Gäste trifft den Anwender beim Hochfahren des Wirts: Er kann die Hardware nicht initialisieren, was die Komponente mit voller Lüfteraktivität quittiert. Erst nach dem Starten eines Gasts, dem das Gerät gehört, startet dessen Konfiguration, und der Geräuschpegel sinkt. Im Test ließ sich das umgehen, indem der Administrator den Gast mit der gebundenen NVIDIA FX3800 auf „Start mit Applikation“ umstellte und eine passende Verknüpfung im Autostart-Ordner von Parallels’ Workstation Extreme vornahm. XP SP2, RHEL 5.3 und RHEL 4.7, neuerdings auch 5.4. Das Installieren von anderer Betriebssysteme wie FreeBSD, OS/2, MS-DOS und Solaris erlaubt der VM-Konfigurations-Wizard ebenfalls. Passende Werkzeuge liefert der Hersteller aber nur für Windows, Linux und eComStation 1.2 (dem OS/2Nachfolger von Serenity Systems). Der VM-Konfigurations-Wizard suggeriert, dass Parallels’ Workstation Extreme Windows ab 3.11 fahren kann. Im Test hing die Installationsprozedur bei der Prüfung der Festplatte. Das Aufspielen von Windows 95 gelang, der Systemstart scheiterte mit einem Schutzfehler. NT-4-Workstation zeigte nach dem Kopieren seiner Systemdateien einen Blue Screen. Bei SLES 10 blieb der Bildschirm selbst beim Installieren im Safe-Mode nach dem Laden des Linux-Kernels schwarz. RHEL 5.4 und FreeBSD 3.1 ließen sich hingegen ohne Weiteres einrichten. Es bleibt der Eindruck, dass Parallels einfach die GUI seines Desktop-Virtualisierers in das Produkt installiert hat, die Wahlmöglichkeiten aber nicht Gegenstand einer Qualitätskontrolle waren. Andere Gäste mit Stolpern Irritierend war noch der Umgang mit USB-Geräten. Nach dem Anschließen einer USB-Festplatte fragt das System, ob es sie dem Wirt oder einem Gast zuordnen soll. Das geschieht ebenso, wenn man Tastatur und Maus anschließt. Im Test trat der Fall auf, dass jemand USB- Offiziell unterstützt Parallels’ Software laut Handbuch lediglich 32-BitGäste mit Windows XP SP3 sowie 64Bit-Gäste mit Windows 7, Windows Schwierigkeiten beim Erkennen von USB Ergebnisse des SPECviewperf 11 Catia-03 Windows 7 (nativ) Windows XP Windows 7 Windows Vista Linux RHEL 21,85 18,75 19,26 19,07 13,39 Ensight-04 14,56 13,19 14,14 14,68 15,18 Lightwave-01 38,74 40,25 35,82 36,12 33,90 Maya-03 Proe-05 9,38 26,45 6,79 NVIDIAs Quadro FX3800 1 GByte VRAM; Artikel im Heft auf Seite 113; www.spec.org/gwpg/gpc.static/vp11info.html 23,40 32,42 6,75 7,40 5,18 5,17 7,63 Sw-02 32,06 29,81 27,72 27,94 29,84 Grafik REVIEW Kandidat: Zu den zertifizierten Systemen für Parallels Workstation Extreme 4.0 gehört Fujitsus Celsius M470, die als Testplattform diente (Abb. 1). Direkt: Dank Intels VT-d-Technik kann der Hypervisor die am PCI-Bus angeschlossenen Geräte an die virtuelle Maschine weiterreichen (Abb. 2). Tastatur nebst -Maus entfernt hatte, die das System nach erneutem Wiederanschließen nicht mehr fand: Parallels’ Workstation Extreme wartete vergebens auf eine Antwort. Während beim Einrichten für Windows-Gäste einfach ein Treibersatz aufzuspielen ist, erfordern Linux-Gäste das Erstellen von Kernel-Modulen. Dazu sind die Kernel-Quellen und ein C-Compiler nötig. Parallels’ Werkzeuge bieten Treiber an, mit denen er Zugriff auch auf per VT-d durchgereichte Geräte gelingt. Zudem besitzen die Tools Connectoren mit Parallels’ APIs, sodass ordnungsgemäßes Herunterfahren oder Stilllegen auf Knopfdruck Tcvis-02 17,07 15,47 15,49 14,99 17,24 Snx-01 15,74 15,21 15,56 16,96 17,47 besser > funktionieren. Über einen Shared Folder können die Anwender, die auf virtuellen oder physischen Maschinen arbeiten, Daten untereinander austauschen. Die Migration vorhandener Installationen soll Parallels’ Transporter erleichtern. Physische Windows-Instanzen ab Windows 2000 und Linux (Red Hat 5, Ubuntu 8.04) kann er in Parallels’ Workstation importieren, solange keine dynamischen oder logischen Partitionen dort genutzt sind. Für Virtuelles, das aus VMwares Workstation, Microsofts Virtual PC oder Oracles VirtualBox 2.x stammt, fühlt er sich ebenfalls zuständig. Zum Konvertieren muss der Administrator auf dem Ursprungssystem vorher einen Agenten installieren, den er nach erfolgreichem Migrieren wieder entfernen kann. Parallels liefert mit Workstation Extreme sein Image Tool aus. Damit kann der Anwender die Kapazität virtueller Festplatten vergrößern, das Format ändern – feste versus dynamische Größe, einfache oder unterteilte Disks – und Snapshots zusammenführen. Ein Ex- Grafik REVIEW x-Wertung * ˇvollwertige Grafikkarte im Gast verfügbar * ˇhohe Effizienz der PassthroughAnbindung _ ˇgeringe Anzahl unterstützter GastBetriebssysteme _ ˇInitialisierung der an Gäste vergebenen Grafikkarten erst nach Gast-Start plorer zur Navigation in virtuellen Festplatten der Gäste, bekannt aus Parallels’ Desktop, gibt es zur Workstation Extreme bisher nicht. Fazit Grafikleistung der Workstation-Klasse gelingt mit Parallels’ Workstation 4.0 Extreme erstmals auch in virtuellen Maschinen. Mögliche Einsatzorte wären der gleichzeitige Betrieb von hochperformanten grafischen Anwendungen unter Windows und Linux auf ein und Lieferumfang und Preise Parallels’ Workstation 4.0 Extreme A nf ord er un ge n: Intels Xeon 5500-Serie mit 5520 Chipsatz, 8ˇGByte RAM, 10 GByte Plattenplatz pro VM; 64-Bit-Betriebssystem (Window Vista SP1 oder 7, Red Hat 5.3) Hard ware : Fujitsu Celsius M470; Xeon W3520 (Quad-Core, 2,66 GHz); 6ˇGByte DDR3 ECC (3ˇxˇ2 GByte); NVIDIAs Quadro FX 580, 512 MByte VRAM (Host) und NVIDIAs Quadro FX 3800, 1ˇGByte VRAM (für Parallels' Workstation 4 Extreme); 150 GByte HDD (SATA II 10k U/Min); DVD-ROM/Brenner; Tastatur und Maus A nb ie t er /Pre is: Fujitsu (de.fujitsu.com), Celsius M470, 1399 Euro plus Grafikkarte Quadro FX 580 für 194 Euro und Quadro FX 3800 für 919 Euro (netto, UVP) Parallels (www.parallels.com/de), Workstation Extreme 4.0 für 285,71 Euro (netto) derselben Hardware sowie das Weiterverwenden von grafiklastigen XP-Anwendungen neben Windows 7. Voraussetzungen für den vollen Funktions- und Leistungsumfang sind Workstations mit Xeon-CPUs und mindestens ein Quadro FX von NVIDIA oder ATI Fire Pro RG 220. Damit kann der Anwender auf die Alterna- tiven Dual-Boot-System oder ZweitWorkstation verzichten. Platz spart Parallels’ Workstations Extreme nur unter dem Tisch; ohne zweiten Monitor geht (rh) es nicht. FRED HANTELMANN ist bei der Silpion IT-Solutions GmbH als Senior IT-Architekt tätig. Literatur [1] Fred Hantelmann; Core-Technik; Herzstück; Intels „Woodcrest“ mit Xen untersucht; iX 11/2006, S. 86 [2] Fred Hantelmann; Virtualisierung; Halböffentlich; Die quelloffene VirtualBox OSE; iX 4/2007, S. 92 [3] Fred Hantelmann; Xen-Tutorial II; Phänomenologie; Konfiguration virtueller Maschinen; iX Special 2/2010 „Cloud, Grid, Virtualisierung“, S. 142 [4] Fred Hantelmann; Xen-Tutorial I; Xenologie; Aufbau virtueller Maschinen; iX Special 2/2010 „Cloud, Grid, Virtualisierung“, S. 137 www.ix.de/ix1011068 x