Der Schimmer des Goldes

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Der Schimmer des Goldes
Foto: picture-alliance
REISE
USA Täglich ein Abenteuer
ERFURT Was der Papst bei
am Lake Superior – Seite R 3
seinem Besuch verpasst – Seite R 4
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SONNTAG, 28. AUGUST 2011 / NR. 21 079
SEITE R 1
Der Schimmer des Goldes
Peru überrascht:
Tolle Galerien in Lima,
Kolonialpracht in Cusco,
3000 Kartoffelsorten –
und die Schätze der Inka
Von Hella Kaiser
Lima hat es schwer. Jeder Peru-Reisende
kommt hier an, doch die meisten Urlauber bleiben nur eine Nacht. Sie träumen
von den Anden und den Kulturschätzen
der Inka, was sollte sie halten in einem
Acht-Millionen-Einwohner-Moloch? Dabei war „die Stadt der Könige“ , 1535 von
dem spanischen Eroberer Francisco Pizarro gegründet, fast 300 Jahre lang das
wichtigste Zentrum des kolonialen Südamerika. Ist aller Glanz verblasst?
Die Straße vom Flughafen in die City
ist verstopft. Langsam müht sich der Bus
vorwärts. „Immer das Gleiche“, sagt Busfahrer Victor, „es gibt zu viele Autos in
Lima.“ Bleiern wölbt sich der Himmel
über Lima. „Vielleicht kommt später
noch die Sonne raus“, hofft einer aus der
Reisegruppe. „Nein“, sagt Victor und
winkt ab, „ausgeschlossen“. Hier sei es
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mel gebe es im Grunde nur in den Sommermonaten, zwischen Januar und März.
„Durch den Einfluss des sogenannten
Humboldtstroms wird das Wasser an der
Pazifikküste sehr kalt“, erklärt Victor. La
Garua, der typische Nebel entsteht. Zudem bleiben die grauen Wolken an den
hohen Bergen hängen, die sich bereits wenige Kilometer hinter der Küste erheben.
Immer wieder hat der Nebel Limas Literaten inspiriert. Der peruanische Schriftsteller Bondybeschriebihn„als schwebenden Puder“, sein Kollege Alarcón als
„schmutzige Decke aus Baumwolle“. Die
Bewohner „der traurigsten und seltsamsten Stadt, die man sich vorstellen kann“
(Herman Melville), indes beklagen sich
nicht. Oberhalb der Steilküste im feinen
Stadtteil Milaflores wird gejoggt und geradelt, Liebespaare halten Händchen,
Hunde werden ausgeführt. Die Hinterlassenschaften von Pinschern, Doggen oder
Schnauzern werden von Herrchen und
Frauchen sofort inmitgeführten Plastiktüten entsorgt, kein Schnipsel Papier stört
auf den Wegen inmitten gepflegter Grünanlagen.
Ein grauer Himmel hat auch sein Gutes. Das perfekte Wetter für einen Museumsbesuch. Und aus dem Museo Raffael
Larco Herrera, einem ehrwürdigen Herrenhaus mit prächtigem Garten, will man
gar nicht mehr raus. Tausende Schätze altperuanischer Kunst, Figuren und Gesichter aus Keramik, Ton, Gold und Silber.
Neben dem Haupteingang wartet eine besondere Überraschung: das öffentlich zugängliche Depot. Nirgends sonst auf der
Welt gibt es das. 45 000 (!) Objekte lagern an diesem Ort, Tonkopf an Tonkopf
in Regalen zum Beispiel, jedes Gesicht
mit einer anderen Mimik.
Im kolonialen Zentrum, von der
Unesco zum Weltkulturerbe erklärt,
schwingen an diesem Montagvormittag
Warten auf Käufer. Doch selten hält ein Touristenbus an den luftigen Ständen im Hochland bei Cusco. Die Reisenden wollen zum Markt in Chinchero – oder ins „Heilige Tal der Inka“.
Dutzende Arbeiter die Besen. In dieser
Stadt, so scheint’s, wird ständig sauber
gemacht. Auf den Straßen regeln Polizistinnen den Verkehr – und alle tragen die
gleichen Perlenohrringe. „Die gehören
zu ihrer Uniform“, erklärt Stadtführerin
Sandra. Erst seit kurzem übrigens seien
Frauen als Ordnungshüter eingesetzt.
Der Grund: „Sie sind weniger korrupt als
Männer“, sagt Sandra.
Rund um die palmenbestandene
Plaza de Armas stehen die Sehenswürdigkeiten dicht an dicht. Doch das Konvent San Francisco El Grande wirkt ein
wenig heruntergekommen, die wertvollen Bücher in der Bibliothek, auf die sie
so stolz sind in Lima, sind in traurig-staubigem Zustand. In der Kathedrale musste aller Barock im späten 18.
Jahrhundert dem Neoklassizismus weichen. „Folgen Sie mir gleich in die Seitenkapelle“, dirigiert Sandra und führt
zum Grab von Pizarro. 1541 wurde er
von seinem spanischen Gegenspieler in
seinem Palast ermordet.
Lima könnte eine Menge machen aus
seinem kolonialen Zentrum. Vielleicht erwacht es abends zu quirligem Leben? Sandra schüttelt den Kopf. „Die Gegend ist
ein bisschen unsicher“, sagt sie, „ein Ort
zum Ausgehen ist es nicht.“ Vielleicht
sind die Zimmer im Gran Hotel Bolivár,
einem Prunkbau aus den 1920er Jahren,
deshalb so günstig zu haben.
Wer Nachtleben will, findet es im Viertel Barranco, wo sich Bars, Clubs und
kleine Restaurants auf engem Raum ballen. Künstler haben hier ihre Ateliers, es
gibt spannendeGalerien. AlleKöstlichkeiten der peruanischen
Küche werden hier mit
Blick auf den Ozean
aufgetischt. Lima wird
seinem Ruf als Gourmetmetropole mehr
als gerecht. „Wie viele
Kartoffelsorten haben
wir?“, fragt Sandra.
„50 vielleicht“, raten
die Besucher. Sie prustetlos:„Rund3000verschiedene bauen wir
an in Peru.“ Dinieren, am Pisco Sour nippen undspäter vielleicht zu Cumbia-Klängen tanzen – langsam könnte man mit dieser Metropole warm werden.
Sarah lässt es nicht zu. „Bitte, steigen
Sie in den Bus, wir müssen zum Flughafen.“ Adios, Lima.
Wenige Stunden später: Azurblauer
Himmel, strahlender Sonnenschein,
klare Luft. Aber sie ist dünn in Cusco, auf
3300 Meter Höhe. Kaum hat man ein
paar Treppenstufen genommen, gerät
Foto: Kaiser
DRESDEN
STILVOLL
man schon ins Keuchen. Manche lassen
sichinder Halle, gegen Entgelt,eineSauerstoffmaske aufsetzen. Drinnen wird Mate
de Coca serviert, draußen verkaufen Indigenas Cocablätter zum Kauen und
Coca-Bonbons zum Lutschen. Alles gegen Höhenkrankheit. Vor allem Kopfschmerzen, so wird gewarnt, könnten auftreten.
Dass einem bald schwindlig wird, liegt
an etwas anderem: Cusco ist traumhaft
schön. Der Hauptplatz, die Plaza de Armas, gleicht einem Freiluftmuseum. Eine
mächtige Kathedrale erhebt sich, mehrere
Kirchen, Herrenhäuser, Arkaden. „Durch
besonderen Prunk wollten die Spanier
wohl zeigen, dass ihre Religion die bessere sei“, vermutet Stadtführerin Lucia.
Die koloniale Pracht fußt auf den kunstvoll ohne Fugen errichteten Mauern der
Inka. Auch bei der Kirche Santo Domingo
kann man das sehen, die auf dem Sonnentempel des Stadtgründers, dem Inka Pachacutéc, errichtet wurde. Qorikancha
tauften die Inka den Palast, Gelände aus
Gold. Kaum ein Saal, eine Wand, eine
Ecke, in denen das gelbe Metall nicht
schimmerte. Mit dicken Goldplatten hatte
man die Steinquader verblendet. Die Spanier haben alles geplündert.
Auch die mächtige Kathedrale wurde
über einem Inka-Palast errichtet. Die 1659
gegosseneGlockeistdiegrößteinganzSüdamerika, über 40 Kilometer weit soll ihr
Klang zu hören sein. 1250 Kilo Silber glänzen allein am Hauptaltar. Besonders verblüffend aber ist das 1753 entstandene Gemälde vom „Letzten Abendmahl“. Jesus
und seine Jünger sitzen um einen Tisch herum, Judas sieht aus
wie Pizarro auf zeitgenössischen Stichen.
Marleni
In der Mitte des Tibietet
sches liegt, auf einem
Tablett, ein
geschnitzte silbernen
gegrilltes
MeerKürbisse an, schweinchen, nach
vor eine Delikawie so viele wie
tesse in Peru.
Indigenas
Bestellen
kann
man es auch im Gourmetrestaurant vom
Hotel Monasterio. Das Gebäude steckt
voller Geschichte. 1595 wurde es als
Kloster über den Resten eines Inka-Palastes gebaut. Über 300 Jahre blieb es Priesterseminar und wurde 1965 in ein staatliches Hotel umgewandelt. 1999 kaufte es
die englische Orient-Express-Gruppe, bekannt für ihre besonderen Herbergen in
historischen Mauern. 126 Zimmer und
Suiten stehen im Monasterio zur Verfügung. In 87 von ihnen lässt sich über die
Klimaanlage Sauerstoff einleiten, für
48 Dollar Aufpreis pro Nacht. „Die Zimmer sind sehr begehrt“, erzählt der deutsche Direktor Stephan M. Post. Vier stille
Höfe gehören zum Klosterensemble, in einem steht eine 300 Jahre alte Zeder, „die
einzige in Cusco“. Wer morgens zum
Frühstückssaal hinuntergeht, hört auf
dem Weg leise gregorianische Klänge aus
versteckt angebrachten Lautsprechern.
In diesem Hotel kann man sich bestens
wappnen für den Trubel auf der Plaza de
Armas. Dabei gibt es rundherum noch
zahlreiche hübsche, kleinere Plätze. Einer
ist die Plazoleta Santa Teresa. Bequeme
Bänke stehen dort,
wie geschaffen, um
kurz
auszuruhen.
Über die
Eine Indigena nähert
Klimaanlage sich und bietet, so
wie zahlreiche anwird
dere in der Stadt,
Sauerstoff
kleine, ausgehöhlte
Kürbisse feil. Die
ins Zimmer
Schnitzereien
daeingeleitet
rauf erzählen vom
Alltag in den Anden.
Kühe und Lamas
sind zu entdecken, Männer ernten,
Frauen weben und immer sind auch
Sonne und Mond dargestellt.
Ich möchte keinen Kürbis. „Na gut“,
sagt die Verkäuferin und setzt sich zu mir
auf die Bank. Auf dem Rücken, in einem
Tuch, trägt sie ihr Baby. Marleni heißt sie,
hoch oben in den Bergen ist sie zu Hause.
Der Weg hinunter nach Cusco sei beschwerlich, erzählt sie und schaut auf ihre
löchrigen Schuhe, nur ein-, zweimal in der
Woche könne sie kommen. Vier Kinder
habe sie noch. Vielleicht sollte ich doch einen Kürbis kaufen. 40 Dollar verlangt sie
dafür. „Marleni, das ist viel zu viel.“ –
„Mein Vater hat ihn geschnitzt, es war viel
Arbeit“, sagt sie. Wir handeln. Ein Polizist
kommt, will Marleni weiterschicken. „Ich
unterhalte mich mit der Seqora“, sagt sie.
Ich nicke, der Uniformierte zieht ab. „Es
ist gut, dass die Polizei aufpasst“, sagt sie.
Es gebe viele Diebe in der Stadt.
Junge Touristen aus aller Herren Länder schlendern vorbei, Coladosen in der
Hand, einige haben Kopfhörer im Ohr.
Was Marleni über sie denkt? „Manchmal
hat man Glück und sie kaufen etwas“, sagt
sie. Ich nehme den Kürbis.
Vor vielen Boutiquen und Shops stehen heute Polizisten mit Helmen und
Plastikschilden. Eine Demonstration ist
angekündigt. Landarbeiter sind dem Aufruf ihrer Gewerkschaft gefolgt und ziehen jetzt langsam und friedlich durch die
Stadt. Einige halten Regenbogenflaggen
hoch, die Fahnen von Cusco. Sie geben ein
pittoreskes Bild ab vor der Kathedrale.
Touristen eilen herbei und fotografieren.
„Warum demonstrieren Sie?“, frage ich einen Mann. „Dafür, dass wir von unserem
Lohn leben können, Seqora.“
220 Dollar kostet ein Doppelzimmer
im Monasterio. Und sie sind gut gebucht.
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„Tourismus hat hier noch viel Potenzial“,
sagt Stephan Post. Die Orient-ExpressGruppe hat auch den nebenstehenden Palacio Las Nazarenas erworben. Im kommenden Juni soll dort ein luxuriöses Suitenhotel eröffnen. „Bei den Restaurierungsarbeiten haben wir einen alten
Inka-Brunnen gefunden“, erzählt Post begeistert. Da komme jetzt ein beheizter
Pool hin, ein Novum in Cusco.
Werdie Stadtverlässt,fährtmeistzu Machu Picchu. Eine Alternative ist das nahe
„Heilige Tal der Inka“. Längst nicht so
überlaufen und dennoch voller Wunder.
Da sind die kunstvollen Inka-Terrassen
bei Pisac, die noch immer landwirtschaftlich genutzt werden. Da ist die mächtige
Inka-Festung von Ollantaytambo. Wie
nur haben sie das alles bauen können? Darüber kann man in Ruhe nachdenken im
Hotel Rio Sagrado. Es gibt keine Fernseher in diesem Hotel, aber von jedem der
21 schön gelegenen Appartements kann
man auf den Urubamba-Fluss sehen. Morgens trinkt, manchmal, ein Lama daraus.
Über den Wiesen liegt tau.
Cusco. An der Plaza de Armas steht die Kirche La Compania, Häuser mit schmalen Balkons flankieren den Platz – und Inka-König
Pachacutéc hat alles im Blick. Fotos: Kaiser
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