Anspruchsvolle Kundinnen – anspruchsvolle Haut

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Anspruchsvolle Kundinnen – anspruchsvolle Haut
verKAuFSKunde
Kosmetik für Silver Ager
Anspruchsvolle Kundinnen –
anspruchsvolle Haut
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Sie haben Geld, Ansprüche und sind – einmal begeistert – treue Kunden. Doch was erwarten Frauen über 55
von Naturkosmetika? Und wer bietet die passenden Produkte? Informationen über eine wertvolle Zielgruppe. // Leo Frühschütz
Seniorinnen sagt man nicht mehr. Das klingt nach Seniorenheim und damit nach Ü80. Die Marketingfachleute benutzen
Begriffe wie Best Ager, Silver Ager oder 50plus, wenn sie die Zielgruppe der älteren Menschen ansprechen. Das tun sie verstärkt,
denn die Generation über 50 vertritt fast die Hälfte der Kaufkraft
in Deutschland und wird zunehmend konsumfreudiger.
Das Problem bei der Ansprache: In Deutschland sind 32 Millionen Menschen über 50 Jahre alt, gut 20 Millionen von ihnen
haben die 60 überschritten. Diese vielen Menschen lassen sich
nicht einfach über einen Kamm scheren. Bei der Beratung steht
wie immer die einzelne Kundin im Vordergrund. Dennoch gibt es
Gemeinsamkeiten: Sie betreffen sowohl die Haut in diesem Alter
als auch besonders häufig vorkommende Einstellungen.
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Die Silver Ager:
wohlhabend und konsumfreudig
Eine genaue Definition für Silver Ager gibt es nicht. Manche Experten zählen alle über 55 zu dieser Gruppe, für andere beginnt sie
erst mit 60. Die einschlägigen Verbraucherstudien wie die Brigitte
Kommunikationsanalyse oder der Bauer Beauty Guide fassen alle
Frauen zwischen 50 und 70 zu einer Altersgruppe zusammen. Auch
nach anderen demographischen Daten wie Haushaltseinkommen,
Schulabschluss oder sozialem Status wird beim Begriff Silver Ager
nicht differenziert. Doch stehen natürlich die wohlhabenderen und
konsumfreudigeren unter ihnen im Vordergrund.
Den großen Verbraucherstudien zufolge ist die Frau über 50 ihren
Marken treu, kauft gerne auf ihr Alter abgestimmte Produkte und
Potenzial für Silver Ager
legt größeren Wert auf gute Beratung. Sie hat weniger Lust als
junge Frauen, ständig Neues auszuprobieren oder ihre Haare zu
stylen. Trotzdem ist die Silver Agerin neuen Produkten gegenüber
aufgeschlossen. Dabei achtet sie stärker auf natürliche Zutaten, auf
fairen Handel und Bio-Produkte. Die meisten dieser Attribute sind
in den mittleren und oberen sozialen Schichten und bei höherem
Haushaltseinkommen besonders ausgeprägt.
Ältere Frauen greifen weitaus stärker zu dekorativer Kosmetik
als noch vor zehn Jahren. Selbst von den über 70-jährigen verwenden noch 57 Prozent Make Up und Lippenstift, hat der Bauer
Verlag erfragt. Auch bei den Pflegeprodukten meldet der Verlag
in seinem Beauty Guide Best Age von 2008 überproportionales
Wachstum: „Besonders die Best Ager und die älteren Frauen ab
70 Jahre legen zunehmend mehr Wert auf ein gepflegtes Äußeres.“ Zusammen sind es rund zehn Millionen Frauen, die täglich
zu Pflegeprodukten greifen. Häufiger als Jüngere nutzen sie dabei
Kosmetika mit speziellen Funktionen: Antifaltenwirkung, Augenpflege oder spezielle Nachtcremes.
Die Haut ab 60 braucht
viel und intensive Pflege
Das ist logisch, weil die Haut mit dem Alter pflegebedürftiger wird.
Zellen und Bindegewebe erneuern sich langsamer. Die Haut verliert
an Dichte sowie Elastizität und neigt zu Knitterfältchen. Talgund Schweißdrüsen arbeiten langsamer und die Haut produziert
weniger wasserbindende Feuchthaltefaktoren. Insgesamt wird sie
trockener, dünner, schlaffer und empfindlicher. Das ist ein kontinuierlicher Prozess, der weit vor dem 50. Geburtstag einsetzt. Richtig
in Fahrt kommt er allerdings, wenn mit den Wechseljahren der
Östrogenspiegel sinkt. Denn die weiblichen Geschlechtshormone
sind auch an der Kollagenbildung in der Haut beteiligt. Ab Mitte
50 kommen noch Pigmentflecken und andere Alterserscheinungen
hinzu. Dass diese Haut viel und anspruchsvolle Pflege braucht, ist
klar. Aber welche?
Die ersten konventionellen Hersteller haben die Haut ab 60
entdeckt und spezielle Produkte dafür auf den Markt gebracht.
Marktführer Nivea nennt seine Serie Visage Vital, ANEW Platinum
heißt sie bei Avon, Sérénage bei Avène. Bei L’Oreal hat man die
Produkte Age Re-Perfect getauft. Gemeinsam ist ihnen, dass sie
offensiv mit Begriffen wie „ab 60“ oder „60+“ werben. Als erste
Naturkosmetik-Marke ist die dm-Handelsmarke Alverde auf diesen
Trend aufgesprungen und bietet mit Vital Puls eine Intensivpflegelinie für die Haut ab 60. Ob das Herausstellen der Jahreszahl
marketingtechnisch sinnvoll ist, muss sich noch zeigen.
Die heutigen Alten fühlen sich zehn bis 15 Jahre jünger als
in ihrem Ausweis steht. „Die Bedeutung des subjektiv empfundenen Alters ist insbesondere für die Ansprache der älteren Generation relevant“, heißt es in der Studie Generation 55+ des
Beratungsunternehmens PWC. Welche Frau kauft eine Creme für
über 60-jährige, wenn sie sich noch wie 50 fühlt? „Für die Haut
regenerations-Serien gibt es von allen wichtigen Herstellern. Sie sind
unterschiedlich breit gefächert. die meisten bieten Tages- und nachtcreme,
Augenpflege, ein Fluid oder Serum als Wirkstoffkonzentrat und ein
reinigungsprodukt.
Aquabio
Gold
dr Hauschka
regenerationspflege
i+m
Age Protect
für die Haut ab 50
*Serie Thalasso für die Haut ab 40
www.aquabio.de
für anspruchsvolle, reife Haut
*Ohne Reinigungsprodukt
www.tschuess-oberflaechlichkeit.de
für anspruchsvolle Haut
*Special Care Serie für ergänzende
Gesichtspflege
www.iumn.de
Lavera
My Age
für reife und beanspruchte Haut
*Anti-Falten-Linie der Faces-Systempflege
www.lavera.de
Logona
Age Protection
für die besonderen Bedürfnisse
anspruchsvoller Haut
*Umfangreiches Sortiment mit Reinigung,
Körperpflege und Make-up
www.logona.de
Martina Gebhardt
Happy Aging
Primavera
revitalpflege
rose Granatapfel
für die Schönheit der reife entfalten
*Demeter-zertifiziert
www.martina-gebhardt-naturkosmetik.de
für zeitlos schöne Haut
*Mit Ölen zum Einmassieren
www.primavera.de
für jedes Alter
Santa verde
Spezialpflege und * Einzelprodukte, keine in sich geschlossene Serie
Xingu-Anti-Aging- www.santaverde.de
Kosmetik
Tautropfen
elixier
Weleda
Granatapfel straffende Gesichtspflege
für jedes Alter
*Spezialprodukte als Ergänzung zu den Pflege-/
Wellness-Serien
www.tautropfen.de
Aktive Regeneration der Haut (ab 40)
www.weleda.de
*Anmerkungen
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die Kaufmotive der Silver Ager
Bei den Silver Agern steht der Wohlfühl-Aspekt bei den Kaufmotiven an
erster Stelle. Sich sicher zu fühlen und zu belohnen sind weitere wichtige Gründe
für den Kosmetik-Kauf. dagegen rangiert das Argument „Makellosigkeit“
bei ihnen im Mittelfeld und „erotisch wirken“ gar am ende der Skala.
Trifft voll und ganz zu
Trifft zu
Mich wohl fühlen
93%
Mich sicher fühlen
79%
Mich belohnen
67%
die vorfreude auf etwas genießen
64%
Begehrenswert sein
61%
immer wieder erkennbar sein
59%
individualität zeigen
57%
Makellosigkeit
57%
raus aus dem Alltag
56%
Mich dazugehörig fühlen
48%
Mich integrieren
41%
ewige Jugend
40%
erwachsen sein
39%
erotisch wirken
Mehr sein als ich bin
in eine andere rolle schlüpfen
37%
29%
27%
Quelle: Beauty Guide 2007, Bauer Media KG
ab 50“ lobt Hersteller Logocos seine Aquabio Gold - Serie aus. Die
Mitbewerber machen entweder keine Altersangaben, sprechen
von der Haut ab 40 – manche schon ab 30 – oder schlicht von reifer
oder anspruchsvoller Haut. „Alle namhaften Hersteller haben
im Regenerationsbereich der Gesichtspflege passende Angebote
für Silver Ager", heißt es beim Großhändler Biogarten. Anders
gesagt: Die bekannten Anti-Aging-Serien decken prinzipiell
auch den Bereich der Silver Ager mit ab. Ob sie diese Zielgruppe
auch ansprechen und erreichen, hängt von mehreren Faktoren
ab: Sie sind für die Sortimentsauswahl ebenso wichtig wie für
die Präsentation und das Verkaufsgespräch.
Anti macht alt
Kosmetik für Silver Ager muss sich an der Lebensrealität der Kundinnen und ihren Bedürfnissen orientieren. Diese Frauen stehen
zu ihrem Leben und ihren Falten. „Ich träume nicht, für immer
jung zu bleiben. Ich träume davon, elegant und kultiviert zu sein“,
hat das die Schauspielerin Isabella Rossellini (58) ausgedrückt.“
Solche Kundinnen brauchen kein Anti-Aging, keine Age Protection. Mich wohl fühlen, mich sicher fühlen, mich belohnen: Das
sind laut Bauer Beauty Guide die drei wichtigsten Kaufmotive der
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Silver Ager. „Die Außenwirkung, mit Hilfe von Kosmetikprodukten
begehrenswert zu sein, folgt erst an fünfter und der Wunsch nach
Makellosigkeit sogar erst an achter Stelle.“ In der Naturkosmetik war es zuerst Martina Gebhardt, die sich mit ihrer Serie Happy
Aging bewusst gegen Anti-Aging als Begriff wandte. Inzwischen
stehen bei den meisten Serien Regeneration, Vitalisierung und
wirkungsvolle Pflege im Vordergrund. Der Kampf gegen Falten ist
etwas für 30-Jährige.
Reife Kunden erwarten
eine reife Leistung
Die Generation 55plus hat mindestens 40 Jahre Konsumerfahrung
hinter sich und weiß, was sie will. Ältere Kunden haben daher besonders hohe Ansprüche in Bezug auf Produktqualität, Beratung
und Service. Bei der Produktqualität haben Naturkosmetika viel
zu bieten. Eine gute Beratung dazu setzt voraus, dass man die
Inhaltsstoffe und ihre Wirkungen genau kennt. Dabei akzeptiert
die Kundin ehrlich zugegebene Wissenslücken eher als mangelnde
Wertschätzung ihr gegenüber. Beachten muss man, dass ältere
Haut zwar andere Eigenschaften hat als junge. Doch darf man
sich in der Beratung nicht aufs Glätten und Straffen beschränken.
Auch über 55 gibt es die unterschiedlichen Hauttypen noch und
damit verschiedene Pflegebedürfnisse, die es dezent zu erfragen
gilt. So kann bei einer sehr irritationsanfälligen Haut die duftfreie Creme einer Sensitiv-Linie sinnvoller sein als eine Creme für
die reife Haut. Tauchen bei der Kundin aufgrund des Hormonungleichgewichts in den Wechseljahren plötzlich Aknepickel auf,
sollte man ruhig auch an Produkte denken, die man ansonsten
40 Jahre jüngeren Kundinnen empfehlen würde.
Bei Biogarten sieht man in der älteren Generation zwei große
Gruppen von Kundinnen. Die eine besteht aus Frauen, die von
der konventionellen Kosmetik kommen. Deren Motive sind verschieden, oft führen Hautprobleme in den Wechseljahren dazu,
dass sie etwas Neues ausprobieren. Bei solchen Kundinnen ist
der Beratungsbedarf meist weit höher als bei denen der zweiten
Gruppe. „Das sind die Frauen, die schon lange mit Naturkostläden und Naturkosmetik leben und sich damit alles in allem
gut fühlen.“ Solche Kundinnen müsse ein Laden gezielt an neue
Produkte ihrer Lieblingsmarken heranführen.
Ein besonderer Service für Silver Ager sind Lesebrillen am
Regal. Denn die INCI-Deklaration und manches andere Kleingedruckte auf der Verpackung sind in diesem Alter ohne Lesehilfe
nicht mehr zu entziffern. Für eine größere Schrift müsste der
Hersteller sorgen.
Die Marktexperten von PWC weißen darauf hin, dass neben der
Lesbarkeit auch die Verständlichkeit der Sprache ein relevantes
Kriterium der Kaufentscheidung darstellt: „Studien weisen sowohl bei jüngeren als auch insbesondere bei Verbrauchern aus
der Zielgruppe der 60- bis 80-Jährigen ein überraschend niedriges Kenntnisniveau der englischen Sprache nach. Verbraucher
werden also zunehmend mit Produktbegriffen konfrontiert, die
über ihr Basiswissen hinausgehen. Diese Sprachfremdheit sorgt
wiederum für zunehmende Kaufzurückhaltung vor allem bei den
älteren Zielgruppen.“ Es macht also einen großen Unterschied,
ob man Regenerationscreme anbietet, oder Hydro Solutions und
Repair Fluids.
Ehrlich verkauft am besten
„Ältere Kundengruppen honorieren eine glaubwürdige Kommunikation besonders stark“, heißt es in der PWC-Studie noch. Deshalb
sollte man in der Werbung und im Kundengespräch auf übertriebene
Versprechen verzichten. Die Kundinnen haben 40 Jahre Kosmetikerfahrung. Die lassen sich nichts mehr erzählen.
Zur Glaubwürdigkeit gehören Models, die dem Alter der Kundinnen entsprechen und dabei lebendig (nicht makellos) aussehen. Schauspielerin Esther Seibt, Jahrgang 81, ist so gesehen als
Gesicht der Lavera Faces My Age-Kampagne eine Fehlbesetzung –
oder aber die Produkte sollen Frauen mit 30 ansprechen und keine
Silver Ager. Da passt die Naturkosmetikerin Gabriela Missun mit
ihren 48 Jahren als Gesicht der Dr.Hauschka Regenerations Pflege
schon besser zur Zielgruppe. Altersgemäße Models sollten nicht
nur bei der Regenerationspflege auftreten. Wer bei der Präsentation durchgehend auf 20 bis 30-Jährige setzt, schafft damit kein
Wohlfühlklima für ältere Kundinnen. Und wie viele Frauen unter
30 kaufen Naturkosmetik im Fachgeschäft?
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