„Maulfäule“ bei Chamäleons

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„Maulfäule“ bei Chamäleons
„Maulfäule“ bei Chamäleons
Einleitung:
Stomatitis und Gingivitis, umgangssprachlich auch Maulfäule genannt, tritt nicht selten in der
Chamäleonhaltung auf. Die Veränderungen werden oft frühzeitig erkannt, jedoch dann
erstmals vom Besitzer “beobachtet“. Stellt das Tier die Futteraufnahme ein und sind die
Veränderungen massiv geworden, wird schließlich ein Tierarzt kontaktiert. Dieser kann in
solchen Fällen meist eine massive, eitrige Veränderung der Maulschleimhaut und der
Kieferknochen (Osteomyelitis) feststellen. Diese ist in vielen Fällen mit einfachen Mitteln
nicht mehr in den Griff zu bekommen. Eine intensive Behandlung ist nötig, um ein Tier im
fortgeschrittenen Stadium erfolgreich zu therapieren. Werden die Chamäleons sofort nach
Erkennen von Veränderungen vorgestellt, ist die Prognose wesentlich günstiger. Im
fortgeschrittenen Stadium ist bei Chamäleons fast immer zusätzlich der Kieferknochen
betroffen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass sie keine Zähne im eigentlichen Sinne,
sondern freiliegende, zahnartige Auswüchse des Kieferknochens (wie z.B. auch Agamen)
besitzen. Durch diese natürlicherweise freiliegenden Knochenstrukturen ist der Kiefer
anfälliger für Infektionen als bei Reptilien mit „echten“ Zähnen.
Ursachen:
„Maulfäule“ kann ihren Ursprung in verschiedenen Ursachen haben. Als so genannte
Faktorenkrankheit kann sie ihren Ursprung im Zusammenspiel verschiedener Ursachen
haben. Diese können zum einen eine Schwächung des Immunsystems durch nicht optimale
Haltung, Stress, Mangelernährung, Vitamindefizite aber auch organische Probleme sein. Zum
anderen kann es aber auch durch eine bakterielle oder pilzbedingte Infektion von
Verletzungen oder Brüchen im Maulbereich zu entzündlichen Veränderungen kommen.
Symptome:
Reptilien zeigen bei krankhaften Veränderungen noch
erstaunlich lange ein unauffälliges Verhalten. Erste
entzündliche Veränderungen der Maulschleimhaut werden
oft nur zufällig, z.B. beim Drohen oder Kauen eines
Futtertieres,
entdeckt.
Eine
Veränderung
der
Maulschleimhaut im Kieferbereich ist meist in Form kleiner
Wunden mit gelblichen Belägen oft auch im Bereich der
Zahnleisten
zu
erkennen.
Vergrößert
sich
der
Entzündungsherd, fallen äußerlich bald kleine lokale
Schwellungen im Kieferbereich auf. Diese können sich zu einer
enormen Größe entwickeln, sodass ein Kieferschluss sowie die
Aufnahme von Futtertieren nicht mehr möglich sind. Aufgrund zu
geringer Nahrungs- und Wasseraufnahme sowie Schwächung des
Tieres fallen die Augen immer mehr ein. Unbehandelt kommt es
schließlich zum Tod.
Diagnose:
Eine erste Verdachtsdiagnose liegt bereits nach Betrachtung der veränderten Bereiche im
Maul vor. Zur Abklärung einer Knochenentzündung (Osteomyelitis) sowie deren Ausmaße
sollte ein Röntgenbild angefertigt werden. Um die Erkrankung sinnvoll behandeln zu können
nimmt man einen mikrobiologischen Abstrich der veränderten Bereiche. Bei Vorliegen einer
bakteriellen Infektion sollte immer ein Resistenztest durchgeführt werden, da häufig
Resistenzen gegen verschiedene Antibiotika auftreten.
Therapie:
Die veränderten Bereiche werden je nach Schweregrad chirurgisch versorgt und mit einem
schleimhautverträglichen Desinfektionsmittel wenn möglich täglich gespült. Bei Vorliegen
einer bakteriell bedingten Infektion muss eine antibiotische Behandlung durchgeführt werden.
Generell ist bei Reptilien eine Infusionstherapie parallel zur Antibiose wichtig, da es sonst oft
zu einem irreversiblen Nierenschaden kommen kann. Die Behandlung muss solange
durchgeführt werden, bis die entzündlichen Bereiche abgeheilt sind. Ansonsten kann sich der
verbliebene Entzündungsherd erneut ausbreiten.
Nachsorge:
Eine Nachkontrolle der veränderten Bereiche 1-2 Wochen nach Therapieende ist sinnvoll, um
eventuell vorkommende Rückfälle schon von Beginn an behandeln zu können.
Prognose:
In leichten Fällen ist die Prognose meist gut. Sind die Veränderungen bereits weit
fortgeschritten und die Knochen stark entzündlich verändert, ist die Prognose schwierig und
dem Behandlungsverlauf entsprechend zu deuten. Haben sich die Bakterien bereits über den
Blutkreislauf im Körper des Tieres verteilt (Sepsis), die Augen stark eingefallen und das Tier
abgemagert, ist eine Therapie schwierig aber möglich.
Fallbeispiel eines Calumma parsonii parsonii
Vorbericht:
Im Fallbeispiel handelt es sich um ein 4-jähriges, weibliches Calumma
parsonii parsonii. Laut Besitzer liegt ein Abszess in der Maulschleimhaut
vor, der bereits antibiotisch behandelt wurde. Ansonsten sei das Tier in
gutem Zustand.
Symptome:
Das Tier war in einem normalen Ernährungszustand, wobei die Augen leicht eingefallen
waren. Auffallend war eine massive Schwellung der kompletten linken Unterkieferseite. Die
Schwellung war so massiv, dass die Lippen nicht mehr aufeinander schließen konnten. Die
linke Unterkieferseite war abnorm beweglich. Am rechten Unterkiefer lag eine Schwellung
im vorderen Bereich vor.
Diagnostik:
Bei der Untersuchung des Maules konnten eitrige
Veränderungen der Maulschleimhaut beidseits an
Ober- und Unterkiefer festgestellt werden. Auf
der linken Seite waren die Knochen von Oberund Unterkiefer bereits so stark betroffen, dass ca.
0,5 cm der Zahnleisten fehlten. Auf der rechten
Seite war nur der Knochen des Unterkiefers
entzündlich verändert. Ein Röntgenbild bestätigte
eine hochgradige Veränderung der Knochen in
den entzündlichen Bereichen sowie einen Bruch
des Unterkiefers auf der linken Seite.
Behandlung:
Nach Untersuchung des Tieres wurden die Wundbereiche in Narkose chirurgisch von den
auflagernden Eitermassen befreit. Nachdem die entzündlich veränderten Knochenteile
entfernt wurden, erfolgte eine Wundspülung mit einer
desinfizierenden Jodlösung. Eine antibiotische Behandlung
nach Resistenztest, unterstützende Infusionen sowie eine
Wundspülung und –reinigung wurden anschließend über 3
½ Wochen täglich durchgeführt. Nach wenigen Tagen
bereits konnten keine neuen Eitermassen gefunden werden.
Die Wundbereiche der Maulschleimhaut verkleinerten sich
und vernarbten schließlich. Die Knochen des Unterkiefers
wurden wieder stabiler und wuchsen zusammen.
Nachsorge:
In den ersten Monaten nach der Behandlung wurde das Maul etwa wöchentlich auf
Veränderungen überprüft. Ein erneutes Auftreten der Problematik konnte nicht mehr
beobachtet werden. Die folgenden Bilder zeigen das Tier nach der Genesung. Obwohl die
Knochen des Unterkiefers während der massiven Infektion stark verändert wurden, ist deren
Form nun fast wieder mit der Ursprünglichen zu vergleichen.
Daniel Neumann
www.chamaeleon-terraristik.de
Erschienen 2009 in:
CHAMAELEO
Mitteilungsblatt Nr. 39 der Arbeitsgemeinschaft Chamäleons der
Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT)

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