Ein Stern am Heimathimmel - Joachim Stern

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Ein Stern am Heimathimmel - Joachim Stern
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e s s e n
&
t r i n k e n
Ein Stern am
Heimathimmel
Die Gourmetführer haben die Besten unter Hannovers
Köchen gekürt. Aber was ist das Geheimnis einer guten
Küche? Wir blicken für Sie hinter die Kulissen.
Heute: die deutsche Küche.
Von T horsten F uchs
mer meist allein. Und wer so einzelkämpferisch auch mal 30 oder 40 Gäste auf
er Raum reicht gerade, um sich
höchstem Kochniveau erfreuen will, der
umzudrehen. Es ist ein enges
hat keine Chance, wenn er sich auf einen
Reich, das sich Joachim Stern in
Wettlauf einlässt, wenn er also auf Schneldem alten Laves-Bau in der Seelhorst einligkeit setzt. Dessen Erfolg kann nur in
gerichtet hat, und doch hat er zwischen
der Langsamkeit liegen.
Töpfen, Pfannen und Kellen, zwischen all
So verzichtet Stern auf alles Kurzgebradem Notwendigen einem Gerät einen betene und setzt lieber auf die alte Schule des
sonderen Platz gewährt. Einem stählerSchmorens. Darin sieht er „die hohe Kunst
nen Schrank, etwa vier Postpakete groß,
des Kochens“, in diesem gern mal 18 Stunmit zwei Klappen. Ein Warmhalteden währenden Prozess, der ebenso viel
schrank, den Stern auf besondere Weise
Planung wie Erfahrung voraussetzt und in
einsetzt, ein schlichter Gegenstand also,
dem jener Warmhalteschrank eine wichtider doch viel erzählt über seine Arbeitsge Rolle spielt, weil er über lange Zeit sehr
weise, seine Philosophie.
exakt auch recht niedrige Temperaturen
Joachim Stern, der wohl konsequenteszu halten vermag. „Erst denken, dann kote jener Köche, die sich in Hannover der
chen“, zitiert der 49-jährige Stern Vincent
heimischen Küche
Klink, der ebenso
verschrieben haben,
wie Franz Keller,
ist ein Perfektionist.
Hubert Freund in
Dazu gehört, dass er
Freiburg und, bei
nicht nur verzehallem
Abgrenrend hohe Ansprüzungswunsch, nache an sich selbst
türlich auch sein
stellt, sondern auch
Vater
Heinrich
den Menschen um
Stern, zu seinen
sich herum Hohes
Lehrmeistern geabverlangt.
Was
hört. Menschen, die
dazu führte, dass er,
Joachim Stern häuals er vor vier Jahren
figer beim Kochen
das „Alte Jagdhaus“
zusehen, versichern
übernahm,
schon
jedenfalls, dass es
die
Renovierung
in seiner kleinen
selbst
erledigte. Restaurant „Altes Jagdhaus“
Küche sehr unaufStern beizte alte Tü- Eröffnet 2005
geregt
zugehe,
ren, er riss Hei- Vor der Seelhorst 111
selbst wenn alle Tizungsverkleidungen 30519 Hannover
sche im „Alten
heraus und legte
Jagdhaus“
mal
Telefon (05 11) 2 28 45 23
Balken frei, und als
wieder ausgebucht
dann die Gäste ka- Täglich ab 18 Uhr, Montag geschlossen
sind.
men, da brachte er Plätze: 30
Im Grunde steht
auch das Essen an Küchenchef: Joachim Stern
Stern durchaus der
die Tische, kam mit Restaurantchefin: Annette Reuter
Genießerbeweseinem Wein-Wägelgung
Slowfood
Stil des Hauses: Klassisch mit individuelchen, erklärte und
nahe – nicht nur
plauderte. Dass er len Noten, familiär
wegen der langsadadurch Personal Preisbeispiele: Terrine vom Maschsee- men Art der Zubesparte, war nicht der Hecht und Forellenkaviar, Salate 13 Euro reitung, sondern
einzige Grund. „Ich Deister-Hirschkalbsrücken mit Schwar- auch wegen der
bin nicht so der
konsequent befolgzer Johannisbeersauce 28 Euro
Teamplayer“, sagt
ten Maxime, alle
Stern über sich. Das Küchentipp von Joachim Stern: Für Kar- Zutaten möglichst
gilt im Grunde nicht toffelpüree vorwiegend festkochende aus der Region,
mehr, denn beim Kartoffeln verwenden, dazu Sahne mindestens aber
Service verlässt er („keine Milch“, betont Stern), Salz, Mus- aus Deutschland
sich inzwischen auf kat – „und Butter, viel Butter“. Margari- zu beziehen. Geseine Lebensgefährmüse kauft er bei
tin Annette Reuter. ne ist in Sterns Küche verboten: „Der Bauer von Loeben
In der Küche jedoch Geschmack von Butter ist durch nichts auf dem Markt in
ist Stern noch im- zu ersetzen.“
Döhren,
Fleisch
D
„Jagdhaus“-Fakten
Ein Mann mit Prinzipien: Joachim Stern pflegt eine bedächtige Küche – ohne Chichi, aber mit persönlichen Akzenten.
bezieht er vom Deister, aus Mecklenburg
und dem Oldenburgischen, und wenn er
beim Fisch mangels Alternativen auf
nachhaltigen Fang vor Norwegen oder
Kanada ausweicht, dann wird dies auf der
Karte ausdrücklich vermerkt.
Er liegt damit, wie mit seiner Vorliebe
für „vergessene Gemüse“ wie Pastinaken
oder Steckrüben, im Trend – wenn auch
eher widerwillig. Kochmoden sind Stern
suspekt: „Wer heute im Trend ist, kann
morgen schon wieder veraltet sein.“ Wenn
er lieber heimisches Raps- statt Olivenöl
verwendet, wenn er auf Grappa verzichtet
und sich von Erdbeeren im Dezember mit
Befremden abwendet, dann geht es ihm
um Überzeugungen, um Protest gegen
den Lebensmittel-Langstrecken-Tourismus – und um Qualität. Gemüse aus der
Region sei einfach aromatischer als weitgereistes, erklärt er. Außerdem ist es ihm
lieber, Bauer von Loeben zu unterstützen
als einen Lebensmittelkonzern: „Mir ist
einfach nicht egal, wer mein Geld bekommt.“
Joachim Stern war nicht immer ein Verfechter des Heimischen. Er hat diese Wertschätzung erst in der Fremde gelernt, zum
Beispiel, als er während der Expo mit
griechischen Köchen zusammenarbeitete,
oder als er ein Restaurant auf Ibiza führte. Spanische Wirte etwa, erzählt er, kämen nicht auf die Idee, etwas anderes anzubieten als spanischen Wein. „Die sind
einfach überzeugt davon, dass ihre Weine
Kaisers Neuer: Zurab Mikava führt jetzt das Küchenregime.
Wallenwein
Gaststätte Kaiser
Schaufelder Straße 27, 30167 Hannover, Telefon 16 49 00
Geöffnet montags bis freitags von 11 bis 15 Uhr sowie von 17 bis 1 Uhr,
am Wochenende nur abends.
Zum Gastraum führt eine Stufe, drinnen gibt es wegen der verwinkelten Räume mehrere.
Preiskategorie: Günstig
D
Auch hier wird deutsch gekocht:
Gastwirtschaft Wichmann
Hildesheimer Straße 230, Telefon 83 16 71
Diese Gastwirtschaft hat ungefähr so viele
Zimmer und Kammern, wie die aufgehübschte deutschen Küche Varianten aufweist. Ambition und Tradition im Einklang.
Woltemaths Restaurant (Burgwedel)
Wallstraße 13, Telefon (0 51 39) 17 45
Melanie Woltemath-Kühn zeigt ausdauernd und überzeugend, wie phantasievoll
man mit Aromen spielen kann. Mehr Frauen an den Herd!
Gasthaus Lege (Burgwedel)
Engenser Straße 2, Telefon (0 51 39) 82 33
Dass regionale Küche nicht provinziell sein
muss, wird hier erfolgreich vorgeführt.
Berggasthaus Niedersachsen (Gehrden)
Köthnerberg 4, Telefon (0 51 08) 31 01
Hoch über Gehrden kreiert Dorothee
Petersen-Jurke aus regionalen Erzeugnissen frische, moderne und dennoch bodenständige Gerichte.
Röhrbein
Joachimstraße 6, Telefon 93 66 17 12 00
Ekkehard Reimanns Adresse für Stadtbummler und Feierabendgenießer, die für
kleines Geld urbane deutsche Küche erwarten dürfen.
mer mit dem Namen von Wirt Wolfgang
Franke verbunden, doch vor eineinhalb
Jahren hat er aufgehört. Hat sich dadurch etwas verändert? Sehr wenig, was
wohl auch daran liegt, dass Franke sich
aushilfsweise noch immer wieder einmal sehen lässt.
Zurab Mikava heißt der neue Küchenchef, gearbeitet hat er vorher in der
Buchholzer Mühle. Da die Gaststätte
Kaiser praktisch als Markenzeichen
eingeführt ist, sind mit Absicht keine
großen Neuerungen vorgenommen worden. Nur gibt es jetzt auf der Speisekarte mehr Schnitzel, die Franke nach eigenem Bekunden nie gern hat braten
wollen. Der Erfolg scheint dem Konzept
der Kontinuität recht zu geben, denn bei
unseren beiden Besuchen war das Lokal
gut besucht.
Beim ersten Mal probierte meine Mittesterin eine Kürbissuppe (2,90 Euro),
eine reichliche Portion mit etwas viel
Sahne darin, doch konnte der Kürbisgeschmack sich trotzdem durchsetzen.
Danach nahm sie eine Entenkeule (9,50
Euro), die in Ordnung war. Auch der
Rotkohl dazu war nicht so lappig, wie er
sonst oft serviert wird. Ich bestellte
Grünkohl mit Kasseler und Bregenwurst (9,90 Euro), schließlich ist ja gerade die Zeit dafür. Der Grünkohl war gut
gewürzt, das Kasseler musste einem
eingebrannten Gittermuster zufolge Bekanntschaft mit einem Grill gemacht
haben. Das war zwar seltsam, aber
trotzdem war das Fleisch nicht zu salzig, wohl aber die Bregenwurst (in der
schon längst kein Bregen mehr ist).
Bei unserem zweiten Besuch bestellte
ich dann die „Neuerung“ Schweineschnitzel mit Pfifferlingen, Spiegelei
und Bratkartoffeln (9,90 Euro) – und
war sehr zufrieden. Besser kann man es
kaum hinbekommen: das Fleisch zart,
die Panade sehr gut und die Bratkartoffeln ebenfalls. Meine Begleiterin entschied sich für ein Gericht, das aus Anlass einer deutsch-afrikanischen Hochzeit kreiert worden ist: Grünkohl afrikanisch mit Chili, Ingwer und zwei
Spiegeleiern (7,60 Euro). Das hört sich
allerdings exotischer an, als es schmeckte (und mir war im Grünkohl auch ein
Tick Salz zu viel darin).
Getrunken haben wir jedes Mal einen
trockenen Trollinger (0,2 Liter zu 3,20
Euro), aber ansonsten ist hier Bier das
bevorzugte Getränk.
Mein Fazit
Kaiser ist geblieben, was
es war – gut so!
Preiskategorien: günstig – Hauptgerichte um 10 Euro l moderat – um 15 Euro l gehoben – um 20 Euro l Alle Kostproben auf
Biologisch speisen wie bei Freunden
Neues Leben im alten „Weinloch“: Die
Traditionskneipe in der Burgstraße (Altstadt), in der in den vergangenen Jahren
immer wieder die Betreiber wechselten,
ist seit einer Woche unter dem Namen
„Kostbar“ wieder geöffnet. Zuvor hatte
die neue Besitzerin Miruna Nistor,
gleichzeitig Inhaberin des benachbarten
Geschenkgeschäfts „Hingabe“, den rund
300 Jahre alten Gewölbekeller mit Rücksicht auf dessen Geschichte renovieren
lassen. „Ich wollte einen Ort schaffen,
wo man wie bei Freunden speist“, sagt
die 38-Jährige, die bislang noch keine
Gastronomieerfahrung hat. Nachdem
die Vorbesitzer quasi über Nacht verschwunden seien, habe ihr der Hausbesitzer den Keller als Erweiterung für ihr
Geschäft angeboten, erzählt Nistor. Da
sah sie die Chance, ein Gastronomieangebot nach ihrem Geschmack zu entwickeln. „Wir legen vor allem Wert auf die
Qualität unserer Speisen und Getränke,
die zumeist aus biologischem Anbau
Herzog
Kaiserliche Schnitzeljagd
ie Gaststätte Kaiser ist seit Jahrzehnten eine Institution in der
Nordstadt. Im Universitätsviertel gelegen, zieht sie mit bürgerlichdeutscher Küche Professoren, Studenten und Anwohner an; sie ist eine Mischung aus Kneipe und Restaurant. Für
uns verbinden sich mit dem Ort nostalgische Erinnerungen: Hier fanden einst
vorweihnachtliche Skatrunden statt,
und hier haben wir vor 27 Jahren unser
Hochzeitsessen gegeben (die Ehe hält
noch immer – liegt es auch an der Solidität von Kaiser?). Die Gaststätte war im-
stellen würden, ist es für ihn ein besonderer Reiz, ihn – fast – wegzulassen. Joachim
Stern kocht Traditionelles und setzt dazu
eigene, überraschende Akzente. Eine
Wildfasanenbrust im Speckmantel mit einer Holunder-Traubensauce zu kombinieren, das ist ein typisches Stern-Gericht.
Die Reflexe des Geschmacks aufzubrechen, das ist eines seiner Ziele – und dafür
ist die Einmannküche in seinem Alten
Jagdhaus in der Seelhorst zweifellos ein
guter Ort.
a u f g e g a b e lt
KostProbe
Von E kk eh a rd B öhm
und ihre Waren die besten sind. Dieses
Selbstbewusstsein hat mir enorm imponiert.“
Zu missionieren liegt Stern jedoch fern,
und er taugt auch nicht als Galionsfigur
einer heimattümelnden Bio-Bewegung.
Viel zu skeptisch ist er gegenüber allen
ausgetretenen Pfaden. Wenn alle Welt bei
Lammfleisch an Rosmarin und Knoblauch denkt, ist die Kombination für ihn
schon tabu. Und wenn die allermeisten
Köche das Würzen mit Pfeffer nie infrage
Thomas (2)
stammen“, sagt die gelernte Ingenieurin.
Neben bayerischem Biobier und einer
Auswahl an Weinen stehen vor allem
Spezialitäten aus dem mediterranen
Raum auf der Karte.
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