Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Bill Gates, exakt 13 Jahre
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Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Bill Gates, exakt 13 Jahre
Verleihung AmCham Transatlantic Partnership Award an Bill Gates 6. April 2011, Berlin Laudatio Dr. Michael Otto – die Rede wird auf Englisch gehalten - es gilt das gesprochene Wort Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Bill Gates, exakt 13 Jahre lang waren Sie der reichste Mann auf Erden. Und Sie hätten es noch lange bleiben können wenn Sie nicht so ein Wohltäter geworden wären. Als vor kurzem das Wirtschaftsmagazin Forbes die Liste der reichsten Menschen der Welt veröffentlicht hat, waren Sie zum ersten Mal nicht mehr auf Platz eins, sondern auf Platz Zwei. Nun weiß ich auch aus eigener Erfahrung, dass die Vermögensschätzungen der Forbes-Redaktion mit Vorsicht zu genießen sind. Ich habe die Journalisten sogar einmal gebeten, mich bitte nicht mehr zu nennen. Aber wenn man das Kapital, dass Sie vor einiger Zeit schon an Ihre Bill & Melinda Gates Foundation gegeben haben, addiert, wären Sie auch heute immer noch mit sehr großem Abstand der reichste Mann der Welt. Doch das scheint Sie nicht groß zu interessieren. Sie haben sich anders entschieden. Sie haben die Philanthropie für sich entdeckt. Carlos Slim Helú, die neue Nummer Eins auf der Forbes-Liste kommt aus Mexiko. Er behauptet, dass die Wohltätigkeit eines Geschäftsmannes sich darin erschöpft, Jobs zu schaffen und nicht „den Weihnachtsmann zu spielen“. Damit spricht Slim das philosophische Grundproblem der „Guten Tat“ an. Ist ein erfolgreicher Geschäftsmann auch eine Privatperson, die der Gesellschaft gegenüber Verantwortung zu tragen hat? Kann man in unserem Wirtschaftssystem, dass immer noch Ungerechtigkeit und mangelhafte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums produziert, gleichzeitig erfolgreiche Geschäfte betreiben und ein guter Mensch sein? Der deutsche Dramatiker Bertold Brecht hat das in seinem Theaterstück „Der gute Mensch von Sezuan“ auf den Punkt gebracht: Das Stück ist eine Parabel und zeigt am Einzelfall des Mädchens Shen Te das allgemeine Gesetz dieser Welt auf, dass es unmöglich ist, »gut zu sein und doch zu leben«. Drei Götter durchwandern die Welt auf der Suche nach einem guten Menschen. Sie wollen das Gerücht Lügen strafen, wonach die wirtschaftlichen Bedingungen auf Erden zu unerträglich seien, als dass die Menschen die Gebote der Götter zu befolgen vermöchten. Der eine der drei Götter bringt in dem Theaterstück die Frage, die uns alle Weltreligionen vom Judentum über das Christentum bis zum Islam stellen, auf den Punkt indem er sagt: „Haben wir nicht gesagt, dass alles noch gut werden kann, wenn nur einer sich findet, der diese Welt aushält?!“ Bertolt Brecht lässt diese Frage offen. Sein Stück endet mit dem berühmten Satz: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ Sie, lieber Bill, haben diese Frage für sich beantwortet. Mehr noch: Sie sind ein Mann, der diese Welt aushält. Sie haben es geschafft, auf der einen Seite ein außerordentlicher Geschäftsmann zu sein, der mit seinen Produkten die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Industriegesellschaft diesseits und jenseits des Atlantiks nachhaltig beeinflusst und verbessert hat, aber gleichzeitig sind Sie auch als Privatperson ein Menschenfreund geworden. Lieber Bill, dass Sie ein genialer Geschäftsmann sind, muss ich nicht weiter ausführen. Aber Ihnen wird der AmCham Transatlantic Partnership Award auch aufgrund ihres wirtschaftlichen Lebenswerks verliehen. Deshalb nur ein paar kurze Worte zu Ihrer Biographie, die schon längst zu einer Ikonografie unserer modern times geworden sind. Historisch betrachtet kommt Ihnen heutzutage der gleiche Rank zu, wie der Familie Medici, die die Renaissance begründet hat. Die Medicis waren nicht nur unermesslich reich, sondern auch ungewöhnlich offen für das Neue. Sie förderten mit ihrem Geld soziale und kulturelle Projekte, wie lange Zeit keiner nach ihr. Das verbindet das Lebenswerk von Bill Gates mit den Medicis: diese ungewöhnliche Offenheit gegenüber dem Neuen, diese gesunde Neugier verbunden mit Ihrem Genie. Lieber Bill, ich habe Sie schon vor einigen Jahren auf meinen Reisen durch das Silicon Valley kennen gelernt. Wer sich heutzutage mit der entscheidenden Frage beschäftigt: „Wie kommt das Neue in die Welt“, kommt an Bill Gates nicht vorbei. Kaum jemand sonst hat wie Sie den Überblick über die technologische Zukunft. Mit 13 Jahren entwickelten Sie ein Computerprogramm zur Stundenplanung an Ihrer Schule. Dabei stürzte das Computersystem der Schule ab. So etwas passierte also auch schon vor der Einführung von Windows! Nach diesem Ereignis gingen Sie nicht mehr in den Computerclub, sondern wurden wenig später Präsident der Firma Traf-O-Data. Mit einer Software für Verkehrszählungen nahm diese im ersten Jahr 20000 Dollar ein. Mit 17 brachen Sie endgültig die Schule ab, um eine Stelle als Programmierer anzutreten. Sie holten Ihren Schulabschluss nach, brachen aber auch das Studium an der Elite-Uni Harvard ab, um Mitte der siebziger Jahre Microsoft mitzugründen. Erst drei Jahrzehnte später bekamen Sie endlich das Ehren-Diplom ihrer Alma Mater verliehen. Ehe Sie den Chefposten bei Microsoft im Jahr 2000 an Steve Ballmer abgaben, hatten Sie Microsoft zu einem der wertvollsten Technologiekonzerne der Welt gemacht. Zuletzt lag der jährliche Umsatz bei 62,5 Milliarden Dollar. Lieber Bill, die "Bill and Melinda Gates-Foundation" verteilt jährlich rund vier Milliarden Dollar - mehr als das Internationale Komitee des Roten Kreuzes oder die Weltgesundheitsorganisation. Die Stiftung lässt rund 30 Milliarden Dollar Kapitalstock für sich arbeiten und gibt jährlich rund vier Milliarden Dollar aus, vor allem für die Bekämpfung von Krankheiten, die Entwicklungsländer ins Elend gestürzt haben: Allein 1,8 Milliarden Dollar verteilt das "Weltgesundheitsprogramm" der Gates-Stiftung jedes Jahr. Dazu kommen Programme für die Bildung in den Vereinigten Staaten, etwa für digitales Lernen. Aber kann, sehr verehrte Damen und Herren, ein Unternehmer, der mit Computersoftware erfolgreich war, Krankheiten besser bekämpfen, als die Weltgesundheitsorganisation? Geld haben Sie dafür genug. Mehr als eine Milliarde Dollar hat Ihre Stiftung allein für ein Programm ausgegeben, das den Impfschutz in Entwicklungsländern verbessern soll. Sie und Ihre Gattin bekämpfen Malaria, lassen nach neuen Medikamenten gegen Aids forschen und finanzieren Aids-Kliniken in Afrika. Dabei gehen Sie anders vor als andere Hilfsorganisationen. Sie sind der Unternehmer geblieben und machen sich die Kräfte des Marktes zunutze und setzen auf Forschung und Entwicklung. Für Ihre Stiftung haben Sie das Credo Ihres Partner Warren Buffett übernommen: "Wenn wir nicht gelegentlich Geld verlieren, sind wir zu wenige Risiken eingegangen." Auf diese Weise entstehen tatsächlich sinnvolle Programme, die andernfalls nie ins Leben gerufen worden wären. Natürlich gibt es auch immer Kritik an der Macht Ihrer Stiftung, die das Gesundheitssystem von ganzen Nationen durcheinander wirbeln kann. Aber der Erfolg gibt Ihnen recht. Die Immunschwäche Aids hat die Forschung mittlerweile einigermaßen im Griff. Ohne die Gates-Stiftung hätte das nicht funktioniert, bestätigen Gesundheitsorganisationen auf der ganzen Welt und Regierungen in den betroffenen Ländern. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass für den, der mehr tut, als er muss, es legitim ist, selbst zu bestimmen, wie und wo seine Gabe Wirkung entfalten soll. Ob sie immer die bestmögliche soziale Investition darstellt, darüber können Staat, Gesellschaft und Medien mit einem angemessenen Maß an Anerkennung, Lob und Aufmerksamkeit dann selber urteilen. Ich kann die Tätigkeit der Gates-Stiftung sehr gut beurteilen, da wir mit unserer Aid by Trade Foundation ja seit längerem eng mit ihr zusammenarbeite. Wir sind sehr stolz, dass die Bill & Melinda Gates Foundation künftig neben verschiedenen anderen Projekten in Afrika auch das Projekt "Cotton made in Africa" mit einer Fördersumme von insgesamt 24 Millionen US-Dollar unterstützt. "Cotton made in Africa" schafft eine Allianz von Textilunternehmern, die diese nachhaltig erzeugte Baumwolle gezielt für den Weltmarkt einkaufen und weiterverarbeiten. In Schulungen vor Ort lernen die afrikanischen Bauern neue Anbaumethoden, die ihnen helfen, bessere Erträge zu erzielen und sich somit aus eigener Kraft aus der Armutsspirale zu befreien. Durch die Unterstützung Ihrer Stiftung wird die Schlagkraft von 'Cotton made in Africa' gestärkt. Lieber Bill, Ihre und unsere Stiftungen teilen dabei die gleichen Überzeugungen und Zielsetzungen: Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe und mobilisieren die Kräfte des Marktes, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen zu verbessern. Was unterscheidet also Bill Gates von den anderen Milliardären, die glauben, mit ihrem wirtschaftlichen Erfolg allein genug für die Menschheit getan zu haben? Was fehlt diesen mächtigen und reichen Frauen und Männern? Immanuel Kant sagt, dass die „Unmündigkeit“ des Menschen nicht durch einen grundsätzlichen „Mangel des Verstandes“ verursacht wird, sondern allein durch einen behebbaren „Mangel an Mut“, sich seines Verstandes angemessen zu bedienen. Sie, lieber Bill, verfügen nicht nur über einen brillanten Verstand, son- dern auch über den Mut, ihn zu benutzen. Damit sind Sie auch ein großes Vorbild geworden. Über 40 USamerikanische Milliardäre haben sich bereits Ihrer Initiative „The Giving Pledge“ angeschlossen und sich verpflichtet, einen Teil ihres Vermögens an wohltätige Zwecke zu spenden. Deren Gesamtspendensumme wird auf 140 bis 180 Milliarden Euro geschätzt. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt für Arbeit und Soziales für 2010 lag bei 143 Milliarden Euro. Das sind rund 40 Prozent des gesamten Bundeshaushalts. An „The Giving Pledge“ beteiligt sich auch der Medienunternehmer Michael Bloomberg, im Hauptberuf Bürgermeister von New York, der die amerikanische Kultur des Gebens mit dem Satz zusammenfasst: "Die größte Auszeichnung für einen Philanthropen ist es, wenn der Scheck vom Beerdigungsinstitut zurückkommt, weil er nicht gedeckt ist." An dieser Stelle möchte ich persönlich anmerken – und dass habe ich Ihnen ja schon gesagt – dass die amerikanische Kultur des Gebens sich von der in Europa aufgrund eines anderen Rechtssystems stark un- terscheidet. Wir gehen mit unseren privaten Stiftungen andere Wege als „The Giving Pledge“. Aber gleichzeitig möchte ich Ihnen sagen, dass wir in Europa ungeheuer inspiriert sind, von Ihrer visionären Kraft. Und ihr großer Erfolg als Vorbild für die wenigen „happy few“ zeigt, dass im Sinne Bertold Brechts „alles noch gut werden kann, wenn nur einer sich findet, der diese Welt aushält!“ Insofern haben Sie wirklich das erreicht, was man ein „gelungenes Leben“ nennen kann. Wer das von sich behaupten kann, benötigt keine Ehrendoktorwürden oder Preise, wie diesen hier. Trotzdem verleihe ich Ihnen gerne im Namen der American Chamber of Commerce in Germany den Transatlantic Partnership Award in Anerkennung Ihrer außergewöhnlichen Verdienste um die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen Ihres großartigen weltumspannenden schaftlichen Engagements und gesell- Ihres wirtschaftlichen Lebenswerks. Congratulations!