Der Diversionstag – „Termin Gelbe Karte“

Transcrição

Der Diversionstag – „Termin Gelbe Karte“
Der Diversionstag – „Termin Gelbe Karte“
Erfahrungsbericht zum Diversionsprojekt in Remscheid
Im April 2000 fand in Remscheid der erste Diversionstag statt. Bis heute gab es 70
Diversionstermine, dabei wurde 1700 Verfahren abgewickelt.
Hintergrund
Die Jugendkriminalität nahm Ende der 1990er Jahre sprunghaft zu. 1998 bearbeitete die
Jugendgerichtshilfe Remscheid 782 Fälle, im Jahr darauf bereits 943 und 2001 sogar 1124 Fälle.
Darunter waren auffallend viele Ersttäter die Bagatellstraftaten begangen hatten.
Die Idee
Was konnte getan werden um diesem Phänomen zu begegnen? Verschiedene Ideen wurden
diskutiert. Ein Gedanke drängte sich schnell in den Vordergrund: Auf die Straftat des
Jugendliche muss eine schnelle Reaktion folgen.
In Remscheid gibt es seit Jahren eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen
Jugendgerichtshilfe, Polizei und Justiz. Besonders eng ist der Kontakt zur Arbeitsgruppe
Jugendkriminalität der Polizei (AG Ju) und dem Jugendstaatsanwalt Bernd Hogrebe. Bei einem
Gespräch mit der AG Ju nahm die Idee schnell Formen an: Rechtliche Grundlage sollte die
Diversion (§ 45 und § 47 JGG) sein. Das Verfahren sollte schnell und vereinfacht durchgeführt
werden - am besten an einem Tag und an einem Ort.
Jugendstaatsanwalt Hogrebe unterstützte die Pläne und stellte sie in seiner Behörde vor. Mehrere
Gespräche waren notwendig, dann bekam Hogrebe von seinen Vorgesetzten grünes Licht.
Anschließend wurde Kriterien festgelegt, die Täter und Straftat als diversionsgeeignet
ausweisen: Der Jugendliche soll Ersttäter sein und bei seiner Straftat soll es sich um ein so
genanntes Bagatelldelikt handeln. Etwa Diebstahl geringwertiger Sachen, Fahren ohne
Fahrerlaubnis, Ritzelstraftaten, Erschleichung von Leistungen, Sachbeschädigung, Beleidigung
oder auch leichtere Formen von Körperverletzungen.
Vorbereitung zum Diversionstag
Über einen Zeitraum von anfangs drei Monaten, mittlerweile vier Wochen, sammelt die Polizei
diversionsgeeignete Vorgänge und verschickt vor dem Termin eine Liste mit Personalien und
Straftaten der Jugendlichen an den Staatsanwalt und die Jugendgerichtshilfe.
Die Jugendlichen und deren Erziehungsberechtigte wurden schriftlich zum Diversionstermin
geladen. Nicht selten versuchen Jugendliche die Straftat den Eltern zu verheimlichen. Einige
Eltern zeigen wenig Interesse für die Belange ihrer Kindern und erklären sie hätten keine Zeit,
müssen arbeiten oder auf jüngere Geschwister aufpassen. Deshalb wird ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass mindestens ein Elternteil mitkommen muss.
Der Ablauf
Der Diversionstag findet im Polizeigebäude statt. Dort gibt es ausreichend freie Räume für die
Jugendgerichtshilfe und den Staatsanwalt. Der Staatsanwalt bringt Akten und Aktenzeichen mit.
Die Jugendlichen werden zunächst von der Polizei vernommen, die Vernehmung protokolliert
und vom Jugendlichen und den Eltern unterschrieben.
Die Polizei gibt anschließend den Vorgang mit einer kurzen mündlichen Stellungnahme an die
Jugendgerichtshilfe ab. Zusätzlich findet sich eine schriftliche Einschätzung im
Vernehmungsprotokoll.
Nun führt die Jugendgerichtshilfe ein Gespräch mit dem Jugendlichen und dessen Eltern. Dabei
werden die Tatumstände besprochen, seine Situation zu Hause, in Schule und Freizeit sowie sein
Zukunftspläne.
Die Jugendgerichtshilfe schildert anschließend dem Staatsanwalt den gewonnenen Eindruck und
schlägt eine Maßnahme vor.
Der Staatsanwalt entscheidet daraufhin über eine Einstellung des Verfahrens sowie Auflagen und
Weisungen. Etwa: Betreuungs- und Beratungsgespräch, Sozialstunden, Entschuldigung beim
Geschädigten, Geldbuße, TÜV-Vorführung, Verkehrskurs oder Erste-Hilfe-Kurs.
Die Jugendgerichtshilfe teilt dem Jugendlichen und dessen Eltern die Entscheidung des
Staatsanwaltes mit und vermittelt die Auflage. Sollen Sozialstunden abgeleistet werden, wird die
Einsatzstelle benannt, der Ablauf erklärt und immer auch Adresse und Telefonnummer der
Jugendgerichtshilfe mitgegeben.
Die Auflage ist in der Regel so bemessen, dass sie innerhalb von vier Wochen abgeleistet
werden kann.
Die Jugendgerichtshilfe überwacht das Ableisten der Auflage und teilt das Ergebnis der
Staatsanwaltschaft mit. 92 Prozent der jungen Leute erfüllen ihre Auflage. Das Verfahren wird
dann eingestellt. Nur acht Prozent der Ersttäter sind anschließend erneut straffällig geworden.
Erfahrungen
Der Diversionstag war für alle Beteiligten Neuland. Zu Beginn wurden nach jedem
Diversionstermin Verbesserungen vorgenommen. So waren beispielsweise anfangs zwei
Polizisten aber nur ein Jugendgerichtshelfer anwesend. Dadurch mussten die Jugendlichen und
deren Eltern manchmal längere Wartezeiten in Kauf nehmen. Heute sind drei
Jugendgerichtshelfer, drei Polizisten und der Staatsanwalt zugegen.
Nach Ansicht aller Beteiligten erwies sich der Diversionstag als sehr erfolgreich und wurde
deshalb nach kurzer Zeit erweitert. Zunächst gab es alle drei Monate einen Diversionstermin mit
30 bis 40 Jugendlichen, heute findet der Termin „Gelbe Karte“ einmal monatlich mit 20
Jugendlichen und auch Heranwachsenden statt. Die über 18-jährigen wurden später
hinzugenommen. Die Begründung ergibt sich aus dem Jugendstrafrecht.
Nach acht Jahren Diversionstag in Remscheid lässt sich sagen: Der „Termin Gelbe Karte“ wirkt.
Die Jugendlichen erleben sehr schnell, in der Regel innerhalb von vier Wochen, eine Reaktion
auf ihre Straftat. Auflagen werden von allen Beteiligten erarbeitet und sind für die Jugendlichen
maßgeschneidert und nachvollziehbar. Und besonders erfreulich: Die Rückfallquote ist sehr
gering.
0
38
13
21
20 männl.
27
20 weibl.
50
es
am
t
ns
tig
es
G
so
ts
ch
ul
di
gu
ng
3000
19 männl.
191
19 weibl.
84
18 männl.
100
18 weibl.
En
184
17 männl.
139
17 weibl.
ge
kl
ag
e
fla
1500
16 männl.
150
16 weibl.
300
Be
ra
tu
ng
sg
es
pr
.
An
au
500
15 männl.
250
15 weibl.
be
its
1000
14 männl.
200
14 weibl.
Ar
Maßna hmen
2751
2500
2000
1409
712
97
349
0
Altersstruktur / Geschlecht
283
231
255
Ges. 1688
165
122
75
40
Geschlechtervergleich
1685
1800
1600
1400
1113
1200
1000
816
800
600
572
459
297
400
113
200
0
w eibl. dt.
w eibl. ausl.
w eibl.
Gesamt
männl. dt
männl. ausl.
männl.
Gesamt
Gesamt
männl. - weibl.
1685
1800
1600
1400
1113
1200
1000
800
572
600
400
200
0
w eiblich
männlich
Gesamt
Delikte
1800
1688
1600
1400
1200
1000
709
800
600
400
200
203
125
69
254
136
120
38
34
0
E
l . v.
rsch
st.
Lei
ig
eid
Bel
ung
Bet
rug
bs
Die
t.
hbe
Sa c
Nicht abgeleistet
8%
Gesamt
92%
.
he
sc h
s ac
hrs
e
k
Ve r
Btm
G
s
son
t.
t
sam
Ge
Wiederholungstäter
8%
92%
Kontakt:
Stadt Remscheid
Fachbereich Jugend, Soziales und Wohnen
Abteilung Kinder- und Jugendförderung
Marko Plešnik
Jugendgerichtshilfe
Haddenbacher Str. 38 – 42
42855 Remscheid
Tel.: 02191 / 16 22 54