Pressespiegel Frankenberger Zeitung ( PDF , 4,9 MB)

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Pressespiegel Frankenberger Zeitung ( PDF , 4,9 MB)
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Frankenberg
Donnerstag, 12. April 2012
Soldaten dienen als „Staatsbürger in Uniform“
Aus der Geschichte der Frankenberger Garnison – erster Teil: Streit um die Wiederbewaffnung und Aufbau der Bundeswehr
„Innere Führung“ statt
Kommiss: Mit der Bundeswehr sollte eine demokratische Armee entstehen.
hintergrund
FZ-Serie
Vor 50 Jahren wurde Frankenberg Garnisonsstadt, seit zwei
Jahrzehnten besteht die Patenschaft zwischen der Stadt
und dem Bataillon. Diese beiden Ereignisse nimmt die FZ
zum Anlass, in einer mehrteiligen Serie die Geschichte der
Bundeswehr, der BurgwaldKaserne sowie des Bataillons
für Elektronische Kampfführung 932 zu beleuchten.
(r)
von dr. karl schilling
Frankenberg. „Nie wieder!“ So
lautete der Schwur, nachdem die
deutsche Wehrmacht am 8. Mai
1945 bedingungslos kapituliert
hatte. Europa lag in Trümmern,
Millionen Tote waren zu beklagen – das Ergebnis des Zweiten
Weltkrieges, den Adolf Hitler
1939 angezettelt hatte. Nie wieder wollten viele Deutsche eine
Uniform anziehen und ein Gewehr in die Hand nehmen. Doch
der Schwur hielt nicht lange:
Nur zehn Jahre nach dem Ende des Krieges, am 5. Mai 1955,
gründete die noch junge Bundesrepublik die Bundeswehr.
Und vor 50 Jahren wurde auch
Frankenberg Garnisonstadt.
Es waren scharfe Diskussionen
damals, die SPD griff die CDUgeführte Bundesregierung von
Kanzler Konrad Adenauer frontal an, der Bundestag lehnte im
November 1949 eine Wiederbewaffnung mehrheitlich ab, auch
friedensbewegte Demonstranten verurteilten sie bei großen
Kundgebungen: Sollte der gerade erst blutig niedergeschlagene
Geist des Militarismus wieder
entfesselt werden? Und drohte mit ihm auch die Wiederauferstehung des Faschismus,
wie die Propaganda der DDRMachthaber um Walter Ulbricht
unablässig unterstellte?
Im „Kalten Krieg“
Der deutsche Verteidigungsbeitrag müsse sein, befanden
die Westalliierten, die eben noch
die Entmilitarisierung Deutschlands betrieben hatten. Denn
nur Monate nach der Kapitulation der Wehrmacht brach der
Streit zwischen ihnen und der
Sowjetunion des skrupellosen
Diktators Josef Stalin offen aus.
In diesem „Kalten Krieg“ um
Ideologien und die Vormacht in
der Welt standen die westlichen
Demokratien dem Warschauer
Pakt gegenüber, den Stalin im
Namen des Kommunismus zusammengepresst hatte – er hatte einen Kordon von SatellitenStaaten um sein rotes Reich gelegt und Europa geteilt durch
einen „eisernen Vorhang“, wie
es der britische Kriegspremierminister Winston Churchill
nannte – er hatte dieser Teilung
übrigens zugestimmt.
Und der Koreakrieg 1950 bis
1953 zeigte, wie offensiv die angeblich kommunistischen Diktaturen in Moskau und Peking
vorzugehen bereit waren. Der
Einmarsch der von beiden unterstützten nordkoreanischen
Kommunisten im Süden war für
den Westen ein Schock – drohte auch Westeuropa von „roten Horden“ überrannt zu werden? Ein dritter Weltkrieg schien
Der Anfang ist gemacht: Bundeskanzler Konrad Adenauer besucht 1956 in Andernach am Rhein die ersten aufgestellten Truppen
der Bundeswehr.
Fotos: Bundesarchiv
denkbar. Und längs durch das
geteilte Deutschland würde die
Front verlaufen.
Um den Sowjets mit ihrer relativ großen Truppenstärke und
den offensiv einsetzbaren Panzerarmeen etwas entgegenstellen zu können, drängten die
Alliierten auf einen westdeutschen
Verteidigungsbeitrag.
Schon 1950 führten die Amerikaner deshalb Geheimverhandlungen mit Adenauer.
Sie stießen auf offene Ohren.
Auch Adenauer war nicht eben
ein Freund „Sowjetrusslands“ –
und schon gar nicht „des Ulbricht-Regimes in Pankow“,
das sich mit Moskaus Hilfe die
Macht in der „Sowjetzone“ gesichert hatte – die Bezeichnung
DDR war in jener Zeit ebenso
unerwünscht wie ihre Anerkennung als eigenständiger Staat.
Souveränität angestrebt
Vor allem sah der strategisch
denkende Kanzler in der Bundeswehr ein Mittel, um über den
Verteidigungsbeitrag mehr Souveränitätsrechte für seine Bundesrepublik zu erhalten. Mit Erfolg: Am 5. Mai 1955 traten die
Pariser Verträge in Kraft, die das
Besatzungsstatut von 1949 aufhoben, die Bonner Republik war
damit nahezu souverän.
Zweiter Aspekt war die Sicherheit der Bundesrepublik.
Adenauer war daran gelegen,
sie unter den Schutz eines starkes Bündnisses zu stellen. Und
er forderte energisch die „Vorneverteidigung“ ein: Ein Angriff
aus dem Osten sollte möglichst
nah an der innerdeutschen
Grenze gestoppt und zurückgeschlagen werden. Nur: Wenn
Amerikaner, Briten, Belgier oder
Franzosen bereit sein sollten,
Westdeutschland zu verteidigen, musste das Land auch ei-
Verteidigungsminister Theodor Blank (rechts) vereidigt die ersten
Generäle der Bundeswehr: Hans Speidel und Adolf Heusinger.
nen eigenen militärischen Anteil übernehmen.
Und Adenauer wollte zumindest den westlichen Teil der
durch Krieg und Verbrechen
weltweit moralisch diskreditierten Deutschen wieder in die
Völkergemeinschaft zurückführen – und zugleich fest einbinden in den Westen und dessen
demokratischen Wertekanon.
Bei den westlichen Nachbarn
gab es durchaus Vorbehalte gegen ein neues, militärisch starkes Deutschland, deshalb sollten seine Truppen fest eingegliedert sein in ein Bündnis. Als
1954 an Frankreich die schon
beschlossene Europäische Verteidigungsgemeinschaft als eine
Lösung für den Kontinent scheiterte, kam nur die 1949 gegründete nordatlantische Verteidigungsorganisation Nato infrage.
Der Beitritt war auch das erklärte Ziel Adenauers.
Amt Blank gegründet
Schon im Oktober 1950 richtete er im Kanzleramt das Amt
Blank ein, den Vorläufer des
Verteidigungsministeriums.
1951 entstand als Vorstufe einer neuen Armee der Bundesgrenzschutz mit 10 000 Mann.
Die DDR antwortete 1952 mit
der Bildung einer „Kasernierten
Volkspolizei, die 70 000 Mann
umfassen sollte. Sie griff auf
„Bereitschaften“ der Polizei zurück, deren Aufstellung die sowjetische Militäradministration
bereits 1948 verfügt hatte.
Adenauer und sein Parteifreund Theodor Blank beriefen
ehemalige Offiziere der Wehrmacht, die eine andere Armee
schaffen sollten als die des Kaisers oder gar Hitlers. Um eine Legitimation zu haben, sollte sie eine breite Akzeptanz finden, fest in die demokratische
Gesellschaft der Bundesrepublik eingebunden sein und der
strikten Kontrolle des Bundestages unterliegen.
Diese Armee sollte nicht mehr
einen „Staat im Staate“ bilden
wie die Reichswehr in der Weimarer Republik. In ihr sollte
nicht mehr der „Kadavergehorsam“ der Nazis herrschen: Die
demokratische Republik wollte an die alten preußischen Tugenden und an die freiheitsliebenden Reformer im frühen 19.
Jahrhundert anknüpfen – frei
nach dem Feldmarschall Moltke zugeschriebenen Ausspruch:
„Gehorsam ist Prinzip, aber der
Mann steht über dem Prinzip.“
Der Soldat der Bundeswehr
sollte zum Mitdenken verpflichtet sein und sich mitverantwortlich fühlen – was auch der modernen Auftragstaktik entgegenkommt. Diese neue Armee sollte
„Teil und Spiegelbild der staatlichen und sozialen Ordnung“
sein, hält Blank 1955 fest. Der
„Primat der Politik“ müsse unbedingt gesichert sein.
So entstand das Konzept der
„Inneren Führung“. Zu den Vordenkern gehörten die ehemaligen Offiziere Hans Speidel und
Adolf Heusinger, Johann Adolf
Graf von Kielmansegg, der Vater des heutigen Verteidigungsministers Thomas de Maizière, Ulrich de Maizière – und vor
allem Wolf Graf von Baudissin,
der Blanks Referent für die „Innere Führung“ war.
Er prägte 1953 den Begriff des
„Staatsbürgers in Uniform“. Danach sollte der moderne Soldat
ein „vollwertiger Kämpfer“ sein,
aber als freier Mann auch hinter der Kasernenmauer seine
Grund- und Bürgerrechte behalten. Er sollte sich „bewusst
und willig“ für den neuen demokratischen Staat einsetzen
und sich in der Bundeswehr als
Teil einer ans Gesetz gebundenen und politischen wie moralischen Idealen verpflichteten
Armee sehen – kurz: Der Soldat
sollte wissen, was er verteidigt,
daraus Motivation schöpfen für
seinen Dienst an der Waffe.
tet. Gegen die Stimmen der
SPD wurde am 26. Februar 1954
per Grundgesetzänderung die
Wehrhoheit verankert. Am 12.
November 1955 erhielten die
ersten Soldaten ihre Ernennungsurkunden, zum 1. Januar 1956 wurden die ersten 1000
Freiwilligen einberufen.
Am 18. Januar 1956 verabschiedete die DDR-Volkskammer das
Gesetz „über die Schaffung der
Nationalen Volksarmee und des
Ministeriums für Nationale Verteidigung“. Schon zehn Tage
später war sie Mitglied des Warschauer Paktes.
Wehrpflicht eingeführt
in Nato-Strukturen eingebunden war, diente die Wiederbewaffnung strategischen Zielen
der USA. Sie versuchten in den
1950er-Jahren weltweit, Pakte gegen die Sowjetunion zu
schließen. Ziel dieser „Eindämmungspolitik“ war, die Sowjets
von einem Krieg abzuhalten.
Die Nato-Staaten verfolgten
die Strategie der Abschreckung:
Der Warschauer Pakt sollte gar
nicht erst versuchen, einen
Bündnispartner
anzugreifen.
Um das zu untermauern, sollten die Mitgliedsländer schon
in Friedenszeiten militärische
Stärke und Präsenz zeigen –
was aber an politische wie wirtschaftliche Grenzen stieß.
Da die Sowjets mit ihren Landstreitkräften überlegen waren,
drohten die USA auch mit ihren Atomwaffen. Nach dem
1952 beschlossenen Konzept
der „massiven Vergeltung“ hatte
ein Angreifer letztlich mit einem
nuklearen Gegenschlag zu rechnen, die Nato setzte darauf, dass
dieses Risiko niemand eingehen
würde. Als die Sowjetunion 1954
ihre erste Atombombe zündete, relativierte sich zwar die USÜberlegenheit, aber das Drohpotenzial blieb: mit ihrer Doktrin „Schild und Schwert“ sollten taktische Atomwaffen auch
auf dem Schlachtfeld eingesetzt
werden. Neue Diskussionen
setzten ein, ob auch die Bundesrepublik Atomwaffen haben
sollte.
Fortsetzung folgt.
„Innere Führung“ verankern
Der Bundestag beschloss am
6. Februar 1956 eine weitere Änderung des Grundgesetzes, ein
Teil der SPD stimmte zu. Kurz
darauf wurden auch das Wehrpflichtgesetz und das Soldatengesetz verabschiedet. Rechtlich
war damit der Weg zur neuen
Wehrpflicht-Armee geebnet. Sie
musste aber erst aufgebaut werden, ebenso die Wehrverwaltung. Die Erstausstattung der
Truppe übernahmen die Alliierten, erst allmählich durfte die
deutsche Industrie wieder in die
Waffenproduktion einsteigen.
– So wie die Bundeswehr fest
Problem war, dieses Menschenbild in der Truppenpraxis
umzusetzen. Zum einen musste der Soldat durch Erziehung
und Schulung an dieses Ideal
herangeführt werden, und es erforderte von den Offizieren ein
drastisches Umdenken bei der
Menschenführung.
Und das Konzept musste in
den Institutionen verankert werden, es musste in die „Grundsätze der Führung, Behandlung
und Betreuung“ der Soldaten
einfließen und in Truppenschulen und in der täglichen Ausbildung zum Tragen kommen.
Doch Theorie und Praxis klafften zuweilen auseinander. Die
Bundesrepublik hatte sich verpflichtet, bis 1958 rund 100 000
und bis 1962 gar 250 000 Mann
aufzustellen, was große organisatorische Herausforderungen
mit sich brachte. Kasernen fehlten, Material und eben Ausbilder, die konsequent nach den
neuen Vorgaben vorgingen.
So entsprach die Ausbildung
nicht immer den Vorgaben,
wie 1963/63 das Beispiel des
„Schleifers von Nagold“ zeigte –
das Paradebeispiel für Kommiss
statt „Innerer Führung“. Mitte
der 1960er-Jahre kamen neue
Diskussionen über die Verinnerlichung des Konzepts auf.
Der Weg zur Bundeswehr war
aber auch von heftigen politischen Diskussionen beglei-
Dieses Plakat wirbt für eine Bundeswehr, die fest eingebunden
ist in die Nato-Allianz.
Literatur:
Militärgeschichtliches
Forschungsamt (Herausgeber), Verteidigung im Bündnis. Planung,
Aufbau und Bewährung der
Bundeswehr 1950 – 1972, München 1975.
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Frankenberg
Mittwoch, 18. April 2012
Ausbilden und arbeiten in einer Großbaustelle
Aus der Geschichte der Frankenberger Garnison – zweiter Teil: von der Planung bis zu den ersten Monaten in der Kaserne
Arbeiten in einer Baustelle, fehlende Ausrüstung –
die Anfänge 1962 erforderten viel Improvisation.
von dr. karl schilling
Frankenberg. Eine handfeste Überraschung präsentierte
Bürgermeister Wilhelm Falkenstein den Stadträten und Stadtverordneten, die er am 25. März
1957 zu einer „internen Besprechung“ ins Gasthaus „Zur Krone“ gebeten hatte. Er informierte sie über ein Gespräch mit
zwei Offizieren des Wehrkreisbezirks 4 und der Gießener Liegenschaftsstelle – sie hatten bei
ihm den Bau einer Kaserne in
der Stadt angeregt.
Die Offiziere seien auf Besichtigungsfahrt gewesen, berichtete Falkenstein. Sie hätten in der
militärischen Linie von Butzbach über Marburg und Fritzlar bis Kassel eine Lücke ausgemacht, deshalb komme für
sie Frankenberg als Standort eines Infanterie-Bataillons mit
900 bis 1000 Mann in Frage.
Die Stadtverordneten erklären
sich zu Verhandlungen mit dem
Bonner Verteidigungsministerium bereit.
Aber sie wollten – anders
als viele andere Kommunen
– keinen Antrag
stellen,
um Garnisonstadt zu werden. Schon am
nächsten Morgen berichtete die FZ über
die Sitzung –
das Projekt war
das Stadtgespräch. Am 27. Mai
erhielten die Stadtverordneten
bei einer öffentlichen Sitzung
weitere Informationen über die
Planungen. Nach kontroversen
Diskussionen sprachen sie sich
mit zwölf Stimmen grundsätzlich für eine Kaserne aus, nur
die fünf Sozialdemokraten waren dagegen. Fraktionssprecher
Larisch warnte, eine Garnison
gefährde den Ausbau von Tourismus und Industrie, die Preise
zögen an. CDU, BHE und Freie
Bürgerliste sahen eher wirt-
schaftliche Vorteile für die Stadt.
Am 30. August besuchte eine 15-köpfige Regierungskommission wegen der Standortfrage Frankenberg. Am 9. Dezember informierte Bürgermeister
Falkenstein die Parlamentarier,
dass drei Flächen im Gespräch
seien, fürs Gelände im Süden
nahe des Industriehofes habe
es bereits Gespräche über einen
Grunderwerb gegeben.
Am 17. Mai 1958 entschieden
sich zwölf Stadtverordnete für
den Bau einer Kaserne am Vogelhaus – „wenn der Stadt dadurch keine Kosten entstehen“.
Wieder sagte die SPD Nein, einer enthielt sich. Nach damaliger Planung sollte ein Bataillon
Feldartillerie stationiert werden,
eventuell auch ein Regimentsstab. 110 Familien der Soldaten
sollten in Frankenberg wohnen.
Am 1. September stimmte
auch die Landesregierung dem
Bau der Kaserne zu – nun sollte neben einer Artillerie-Batterie ein „Nahaufklärungs-Bataillon“ einziehen. Gesamtstärke
der Garnison: 1024 Mann.
Am 11. November 1959 gab es
den ersten Spatenstich, Baukosten von 20 Millionen Mark
waren
veranschlagt. Im
Hochsommer
1960
liefen
die Bauarbeiten voll an,
die Ringstraße und die
Kanalisation
wurden angelegt, ab dem
6. Juni ging es
an die Hochbauten, und
im August begann der Bau
der Wasserleitung von der Bahnhofstraße
zur Kaserne.
Am 22. Juni 1961 war Richtfest
für die Wirtschafts- und die Verwaltungsgebäude, am 17. November folgte das Richtfest für
die Truppenunterkünfte, das Sanitätshaus, Waschhaus und das
Heizzentrum.
Am 25. Mai 1962 reiste der
damalige Major Günter Miosga erstmals nach Frankenberg.
Er war als Leiter des Vorauspersonals und als stellvertretender Kommandeur des Fernmel-
Hintergrund
Was 1962 noch geschah...
D
er Kalte Krieg zwischen
den in der NATO zusammengeschlossen Demokratien
und dem von der Sowjetunion
geführten Warschauer Pakt erreichte einen Höhepunkt: Im
Oktober entdeckten amerikanische Aufklärer, dass die Sowjets Atomraketen auf Kuba stationieren wollten, die USA verhängten eine Seeblockade.
Fast wäre es zum Krieg gekommen, doch Präsident Kennedy
und Parteichef Chruschtschow
einigten sich, die Sowjets packten ihre Raketen wieder ein.
Indessen weitete sich derVietnamkrieg immer mehr aus,
die Amerikaner erhöhten ihre
Truppenkontingente. Stellvertreterkriege führten die Machtblöcke in Kolonien, die nach
Unabhängigkeit strebten.
Am 15. Juli wurde das ehemalige Departement Algerien von
Frankreich unabhängig – ein
langer Krieg endete.
Deutschland war seit 1945
geteilt. Im Westen näherte sich
die Kanzlerschaft des 86-jährigen Konrad Adenauer langsam dem Ende zu, im Osten saß SED-Parteichef Walter
Ulbricht noch fest im Sattel.
Am 16. und 17. Februar brach
über die deutsche Nordseeküste die schwerste Sturmflut
seit über 100 Jahren herein,
Teile Hamburgs standen unter
Wasser. Innensenator Helmut
Schmidt handelte entschlossen und setzte jenseits aller
Rechtsschranken die Bundeswehr und Alliierte ein. Die Soldaten erhielten viel Sympathie
für ihr Engagement.
Am 22. Oktober geriet die
Bundeswehr wieder in die
Schlagzeilen: Nachdem der
„Spiegel“ unter dem Titel „Bedingt abwehrbereit“ Mängel
im Verteidigungskonzept ausgemacht hatte, wurden auf
Betreiben von Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß
Herausgeber Rudolf Augstein
und Redakteure verhaftet und
die Hamburger Redaktion besetzt. Ein Sturm der Entrüstung brach los, Hunderttausende traten für die Pressefreiheit ein. Und die Vorwürfe
hielten der rechtlichen Überprüfung nicht stand: Der angebliche Landesverrat war keiner. Die „Spiegel“-Affäre führte
zu Strauß’ Rücktritt und dem
Ausscheiden Adenauers 1963.
In Rom machten sich Reformer ans Werk: Am 11. Oktober begann das zweite Vatikanische Konzil, das die katholische Kirche an die Moderne
heranführen wollte.
(-sg-)
Als am 1. Juni 1962 die ersten Soldaten des Fernmeldebataillons 320 in die Burgwald-Kaserne einrückten, liefen die Bauarbeiten
vielerorts noch. In den ersten Monaten war viel Improvisation erforderlich, um den Fachdienst aufzunehmen.
Fotos: archiv
debataillons 320 vorgesehen.
Er geriet „in eine Großbaustelle ohne Zaun, in der Planierraupen und andere Baufahrzeuge
herumfuhren“. Kein Kompanieblock sei fertig gewesen, Küche
und Speisesäle seien noch mit
Möbelstücken vollgestellt gewesen, notiert er 20 Jahre später.
Am 28. Mai rückten die ersten
Soldaten des Artillerie-Bataillons 22 in die Burgwald-Kaserne ein, laut FZ ein „Arbeitskommando von 50 bis 60 Mann“ unter dem Kommando von Hauptmann Beckher.
Miosga trat am 31. Mai seinen
Dienst in der Kaserne an. Er erfuhr, dass bereits zwei Waggons
mit Gerät am Bahnhof stünden.
Problem: Die Kfz-Hallen waren noch im Bau, so fehlten Unterstellmöglichkeiten. Zum Teil
wurden abschließbare Bunker
der Luftmunitionsanstalt aus
dem „Dritten Reich“ auf dem
Standortübungsplatz genutzt,
um das ständig weiter eintreffende Gerät zu lagern.
Stadt unterstützt kräftig
Auch die Stadt half, wo sie nur
konnte. Bei ihr sei die Truppe
„auf große Aufgeschlossenheit,
Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Unterstützung gestoßen“, betont Miosga, der es später bis zum Oberst gebracht hat.
Und die Frankenberger hätten
die Soldaten „sehr freundlich
aufgenommen“.
Zum 1. Juni wurde das Bataillon offiziell aufgestellt. Die ersten 187 Soldaten trafen in diesen Tagen ein – sie hatten bei
den Fernmelde-Bataillonen 51
und 220 in Bergisch Gladbach
und Ansbach bereits eine Spezialausbildung erhalten. Hinzu kamen 95 Rekruten. Bis Anfang Juli hatte das Bataillon 423
Soldaten. Insgesamt wurden sie
aus etwa 27 Einheiten zusam-
rer Aufklärungsarbeit – mit ihrem stationären Antennenfeld
in der Kaserne erfassten sie die
Funknetze sowjetischer Truppen im Süden der DDR.
Am 17. September 1962 berichtete die FZ über den Stand
des Wohnungsbaus für die Soldatenfamilien: 174 Wohnungen
sollten entstehen, 60 waren bereits bezogen, 34 im Rohbau,
mit dem Bau der restlichen sollte schnell begonnen werden.
Die Standortverwaltung bezog im Februar zunächst Räume bei Balzers in der Röddenauer Straße. Am 20. November war
der erste Spatenstich für einen
2,4 Millionen Mark teuren Neubau neben der Berufsschule. Im
Winter 1962/63 war der Baubeginn, am 15. Dezember 1964
das Richtfest fürs Lager – heute die Regenbogenschule. Am 7.
Februar 1966 war die feierliche
Übergabe der Gebäude, die zum
1. Januar 1994 geschlossen wurden.
Fortsetzung folgt.
Kommandeur trifft ein
daten des Fernmeldebataillons
ein. Am 2. Juli begannen die ersten Rekruten ihre Grundausbildung. Auch da war Improvisation gefragt, noch gab es kaum
Vorschriften. Die folgende Fachausbildung dauerte für die Fernmelder vier bis sechs Monate.
Im September waren Soldaten
zudem im Ernteeinsatz.
Die offizielle Eröffnung der
Kaserne am 18. Juli wurde zum
Volksfest. Es begann mit einem Festakt vorm Rathaus. Generalmajor Otmar Hansen vom
Wehrbereich IV erklärte, die Kaserne sei „notwendig, um einen
Damm aufzurichten gegen die
rote Flut aus dem Osten“.
Am 6. September gab es für
94 Soldaten des Fernmeldebataillons die erste Vereidigung in
der Kaserne. Am 28. November
folgte mit 265 Rekruten die erste
Vereidigung auf dem Obermarkt
– seitdem ein gewohntes Bild.
Zur Kuba-Krise im Oktober begannen die Fernmelder mit ih-
Am 16. Juli übernahm Oberstleutnant Erich Mahl das Bataillon, das er bis zum 22. Mai 1966
geführt hat. Auch er berichtet
von Improvisationen. Im Eigenbau hätten Soldaten eine Empfangsstelle und Antennen installiert, sogar Rüstsätze für Fahrzeuge hätten sie selbst gebaut,
„da es eine industrielle Fertigung dafür noch nicht gab.“
Der erste tödliche Unfall ereignete sich am 7. Juni: Ein Lastwagen kam bei Dainrode von der
Bundesstraße 253 ab und überschlug sich, ein Soldat starb,
zwei wurden schwer verletzt.
Am 15. Juni kam der Rest der
Artilleristen, mehr als 600 Mann
standen unter dem Kommando von Major Barkhoff. Nach ihrem feierlichen Einmarsch gab
es laut FZ um 17 Uhr ein Platzkonzert vor dem Rathaus. Am
30. Juni trafen weitere 150 Sol-
Am Abend des 28. November 1962 gab es das erste feierliche Gelöbnis auf dem Frankenberger Obermarkt. Foto: Martin rothermund
mengewürfelt. Das Stabsgebäude musste sich Miosgas Trupp in
den ersten Monaten mit den Artilleristen teilen. Am ersten Tag
habe er sich buchstäblich Papierbögen erbetteln müssen,
um die eintreffenden Soldaten
zu registrieren, schreibt er.
Weiteres Problem: Planierraupen hatten an mehreren Stellen
das Kabelnetz zerrissen, das die
Kasernengebäude miteinander
verband. Ein Jahr lang habe sich
das Bataillon mit geliehenem
Gerät der Marburger Fernmelder provisorisch behelfen müssen, hält Miosga fest. Auch Melder wurden eingesetzt.
Die Küche war aber inzwischen
einsatzbereit, auch ein Mannschaftsblock für eine Kompanie
war bezugsfertig. Das war wichtig: „Das Kaderpersonal des Bataillons betrug 111 Soldaten, für
die Ausbildungskompanie waren es 33“, beschreibt Miosga.
Sieben Jahre vor Ort
Artillerie-Bataillon 22 in Frankenberg
N
Mit der US-Rakete „Honest John“ war das Artillerie-Bataillon 22
in seiner Frankenberger Zeit ausgerüstet.
Foto: archiv
eben den Fernmeldern zogen vor 50 Jahren auch Artilleristen in die neue BurgwaldKaserne ein. Es waren die größten Teile des Artillerie-Bataillons 22, das seinen Aufstellungsbefehl am 15. September 1959
erhalten hatte. Unterstellt war
es dem 1958 gebildeten Feldartillerieregiment 2 in Kassel.
Am 16. Januar 1960 begann
die Aufstellung der 2. Batterie in
Eschweiler bei Aachen. Sie wurde am 4. April 1960 nach Wolfhagen verlegt.
Zum 15. Februar 1962 erhielten die 1., 2. und 3. Batterie einen neuen Standort: Frankenberg. Eine vierte Batterie wurde
in Treysa neu aufgestellt. Ausgerüstet waren sie mit der USRakete „Honest John“. Am 29.
April 1965 bekam das Bataillon
seine Truppenfahne. Schon am
2. Februar 1969 endete das Artillerie-Kapitel in Frankenberg:
Auch die 1., 2. und 3. Batterie
wurden nach Treysa verlegt und
der Verband in Raketen-Artillerie-Bataillon 22 umbenannt.
Am 7. Februar verabschieden
die Frankenberger das Bataillon unter dem Kommando von
Oberstleutnant Stein offiziell.
Durch die Verkleinerung der
Bundeswehr nach der deutschen Einheit wurde das Bataillon Ende 1992 aufgelöst. (-sg-)
11
Frankenberg
Montag, 30. April 2012
Leutnant als Prinz, der Landrat als Kommandeur
Aus der Geschichte der Frankenberger Garnison – dritter Teil: Wachsende Verbundenheit von Soldaten und Einwohnern
Die beiden Bataillone richteten sich in der Kaserne
ein und vertieften die Bindungen an Frankenberg.
von dr. karl schilling
Frankenberg. „Die Kreisstadt
Frankenberg begrüßt ihre Soldaten“ titelte die FZ – eine Sonderseite widmete sie am 19. Juli 1962 der feierlichen Übergabe der Burgwald-Kaserne an
die Truppe. Tausende Besucher
hatten am Vortag den Festakt
vorm Rathaus miterlebt. Tausende standen in den Straßen,
als die beiden Bataillone mit
ihren Fahrzeugen durch die
Stadt zur Kaserne zogen. Keiner
der Honoratioren mochte fehlen, als der Standortälteste und
Kommandeur des Fernmeldebataillons 320, Oberstleutnant
Erich Mahl, zum Empfang in
die Truppenunterkunft geladen
hatte. Und Hunderte feierten am Abend in drei Gastwirtschaften – was laut FZ „der Verbundenheit von Bundeswehr
und Bevölkerung von Stadt und
Kreis Ausdruck verlieh“. Redakteur Otto Schwieder hatte die
Formulierung „ihre Soldaten“
insofern wohl mit Bedacht gewählt: Von Anfang an stand der
überwiegende Teil der Bevölkerung „ihrer“ Garnison positiv gegenüber. Die einen freuten sich über die zukunftsträchtigen Investitionen in der Stadt,
Folgeaufträge und den Zuzug
von Neubürgern, andere begrüßten den Verteidigungsauftrag der Bundeswehr.
Es war wie dargestellt die Blütezeit des Kalten Krieges zwischen
den
Bündnissen
NATO
und
Warschauer
Pakt. Viele im
eher konservativ strukturierten Kreis
Frankenberg
fühlten
die
Bedrohung
aus dem Osten. Viele hatten Verwandte in der DDR
oder
kannten
Flüchtlinge, die dem Zwangssystem
über die bis 1961 „grüne Grenze“ entkommen waren. Und
die Berichte über Enteignungen, „Kollektivierungen“ in der
Landwirtschaft, über politische
Schauprozesse und die Unterdrückung der freien Meinung
trugen nicht eben dazu bei, den
angeblichen Sozialismus im Osten als Alternative zur „Sozialen Marktwirtschaft“ Ludwig Erhards erscheinen zu lassen.
Und da auch die SPD mit dem
„Godesberger Programm“ 1959
ihr Bekenntnis zur Landesverteidigung abgegeben hatte, erfreute sich die Bundeswehr der
angestrebten breiten Akzeptanz
in der Gesellschaft. – Der Bau
der Kaserne und die Aufstellung
des Fernmeldebataillons fällt in
die „Konsolidierungsphase“ der
Bundeswehr, die von 1959 bis
1968 dauerte und auch als Umsetzung der „Heeresstruktur 2“
bezeichnet wird. Damals wurden drei Fernmeldestäbe und
drei Fernmeldebataillone für
die Korps und fünf weitere Fernmeldebataillone für die Divisionen gebildet. Außerdem wurde
die Basis für die Elektronische
Kampfführung ausgebaut – von
Anfang an der Schwerpunkt der
Frankenberger. Außerdem wurden Fernmeldetruppen für die
Territorialverteidigung gebildet.
Das Frankenberger Bataillon
war dem III. Korps unterstellt.
Wie berichtet, wurden bereits
ausgebildete
Soldaten aus
27 Einheiten
zusammengezogen. Hinzu
kamen 95 Rekruten in der
Fernmeldeausbildungskompanie 427.
Insofern „galt
es, dem Bataillon ein einheitliches Gepräge zu geben“,
beschreibt der
erste
Kommandeur, Mahl. „Wir alle sind
damals mit sehr viel Schwung,
Passion und Engagement an die
Arbeit herangegangen, sodass
vieles weitaus besser gelaufen
ist, als erwartet werden konnte“,
notiert sein damaliger Stellvertreter und Nachfolger als Kommandeur, Oberst Günter Miosga – ehemalige Soldaten relativieren übrigens seine Darstellung des „Arbeitens in einer
Großbaustelle“.
Immer weitere Teile der Kaserne wurden fertiggestellt. Im Oktober räumten die Kameraden
des Artillerie-Bataillons 22 das
Stabsgebäude und bezogen eigene Räume, im selben Monat
wurden die Kfz-Hallen überge-
Närrische Freuden 1963: Bruno
Hörl und Karnevalsprinz Oberleutnant Szemkus.
Mit diesem Gerät begann im
August 1962 die Aufklärung
auf dem Hohen Meißner.
Am 30. April 1965 traten die beiden Bataillone mit ihren kurz zuvor feierlich überreichten Truppenfahnen in der Burgwald-Kaserne an.
ben, im Dezember nahm auch
die Werkstatt ihre Arbeit auf.
Die Fernmelder begannen, ihren Auftrag auszuführen: die
militärische Aufklärung. Sie
sollten den Funkverkehr sowjetischer Verbände in der DDR
überwachen. Daraus wollten
die Führungsstäbe der Bundeswehr Erkenntnisse über deren
Absichten und Pläne gewinnen.
Genau ein Jahr nach dem Bau
der Berliner Mauer, am 13. August 1962, bezog ein Zug der
dritten Kompanie eine Außenstelle auf dem Hohen Meißner,
die später ausgebaut wurde.
Die zweite Kompanie besetzte im September 1963 „Peilplätze“ in Außenstellen in Diepholz
Mertingen. Eine weitere Peilstelle lag bei Geismar, sie wurde
1965 auf den Jungfernhügel bei
Viermünden verlegt.
Neben weiteren mobilen
Trupps an der innerdeutschen
Grenze gab es seit dem 31. Oktober 1962 auch eine stationäre Fernaufklärung: Die Frankenberger überwachten von der Kaserne aus Funknetze der „Gruppe der sowjetischen Truppen
in Deutschland“, Schwerpunkt
war der Süden der DDR. Zunächst richteten sie provisorisch
Arbeitsplätze im Kompanie-Leseraum des Blocks 2 ein.
Einsatz in der Kuba-Krise
Nur zwei Monate nach der
Aufstellung wurde die Lage
ernst fürs Bataillon: Während
der Kuba-Krise war das gesamte verfügbare Aufklärungspersonal von September bis November 1962 im Dauereinsatz –
um Haaresbreite schrappten die
beiden Militärblöcke damals am
Dritten Weltkrieg vorbei.
Unterdessen lief die Ausbildung des Nachwuchses weiter.
Zur Sprachausbildung fuhren
die Soldaten zunächst nach Oiskirchen, später nach Hürth. Außerdem besuchten die Frankenberger die Fernmeldeschule im
oberbayerischen Feldafing, wo
es um Tast- und Sprechfunk und
um Radartechnik ging. Die Entzifferung verschlüsselter Nachrichten wurde in Ahrweiler und
Bad Ems gelehrt.
Im Frühjahr 1963 fand die erste Bataillons-Übung statt. Weitere Übungen folgen. Zum Abschluss des Manövers „Panthersprung“ gab es im Januar 1967
eine Parade in der Marburger
Straße mit 2500 Soldaten.
Erst am 24. April 1965 erhielt
das Bataillon im Münsteraner
Preußen-Stadion seine Truppenfahne, die Artilleristen bekamen ihre fünf Tage später in der
Burgwald-Kaserne.
Die Artilleristen unter dem
Kommando des zum Oberstleutnant beförderten Alfred
Barkhoff nutzten den Truppenübungsplatz in Bergen-Hohne, um ihre Raketen abzufeuern. Die nach einem Indianer
benannte „Honest John“ war eine in den USA entwickelte militärische Kurzstreckenrakete
mit einer Reichweite von bis zu
48 Kilometern. Die Bundeswehr
hatte elf Batterien mit ihr ausgestattet, jede hatte sechs, später vier Raketenwerfer.
Die Rakete konnte auch Atomsprengköpfe verschießen –
nachdem die Sowjets ihre erste
Atombombe gezündet hatten,
erweiterte die NATO ihre Abschreckungs-Strategie um den
Einsatz taktischer Atomwaffen.
Sie sollten auf dem „Gefechtsfeld“ niedergehen und Truppen
des Ostblocks aufhalten.
Ihr Einsatz war in der westdeutschen Bevölkerung umstritten: Verteidigungsminister
Franz-Josef Strauß war ein energischer Befürworter einer atomaren Aufrüstung der Bundeswehr, die Friedensbewegung
strikt dagegen. Die Kontrolle der
in Westdeutschland lagernden
Atomwaffen blieb bei den USA.
Eines dieser Lager befand sich
in Treysa – möglicherweise ein
Grund, weshalb die drei Frankenberger Batterien 1969 dorthin verlegt worden sind.
Die Artilleristen übten in Bergen-Hohne, die Aufklärungsarbeit der Fernmelder war in der
Regel der Geheimhaltung unterworfen – ansich hatten Soldaten und Frankenberger wenig
Berührungspunkte. Dennoch
suchten die beiden Bataillone
die enge Bindung an ihre Garnisonsstadt. Von ihrem Selbstverständnis her wollte die Bundeswehr in der Gesellschaft fest
verankert sein. Dazu trug nicht
nur die Wehrpflicht bei, sondern
auch Öffentlichkeitsarbeit.
Bereits 1960 – also zwei Jahre
vor der Eröffnung der BurgwaldKaserne – hatte die Bundeswehr
auf dem Obermarkt mit einer
großen Schau für „unser Heer“
geworben. Auch der Ernteeinsatz Frankenberger Soldaten
im September 1962 sollte Sympathien sichern.
Weihnachten 1962 beschenken Soldaten arme Familien und
bedürftige Senioren. 1963 beteiligten sich Uniformierte an der
Renovierung der Liebfrauenkirche und am Bau des AlbertSchweitzer-Lagers am Edersee, 1965 halfen sie in Nordwaldeck, wo Diemel und Orpe Dörfer überflutet hatten. Unzählige
weitere Aktionen folgten.
Auch bei Festen sind die Soldaten bis heute selbstverständlich dabei: kein Zug in den Frankenberger Listenbach, keine
Gedenkfeier zum Volkstrauertag
ohne Abordnungen der Bundeswehr. Im Gegenzug sind Landrat
und Bürgermeister regelmäßig
Ehrengäste in der Kaserne. Seit
Mai 1970 sind Mitarbeiter von
Ämtern und Schulen zu „Behördenschießen“ geladen.
Glanzvolle Standortbälle
Im Frankenberger Land war
von Anfang an die Bereitschaft
groß, die Soldaten als Bürger
aufzunehmen. Auch deshalb
wurde der erste Standortball am
9. März 1963 ein gesellschaftliches Ereignis, seitdem ist er
stets ein Glanzpunkt im Jahreskalender der Stadt.
Und es dürfte auch ein Symbol des Willkommens gewesen sein, dass die Karnevalisten
den Stabsoffizier Oberleutnant
Szemkus im Februar 1963 zu ihrem Prinzen proklamiert haben,
Kommandeur Mahl erhielt den
Orden der „Burgwaldnarren“.
Landrat Heinrich Kohl wurde
1968 im Gegenzug „Ehrenkommandeur“ des Bataillons.
Auch jedes öffentliche Gelöbnis zieht nicht nur die Familien
der Rekruten an, sondern viele Einheimische. Schon bei der
ersten Zeremonie am Abend des
28. Novembers 1962 war der mit
Fackeln beleuchtete Obermarkt
Fotos: Burgwald-kaserne
prall gefüllt. 5000 Besucher zog
es 1964 zum Gelöbnis nach Allendorf, es war mit dem „großen
Zapfenstreich“ verbunden.
„Volles Haus“ gab es auch bei
jedem „Tag der offenen Tür“ in
der Kaserne: Zum zehnjährigen
Bestehen 1972 kamen schätzungsweise 8000 Besucher.
Seit 1964 tragen die Fernmelder das „Frankenberger F“ als
Bataillonswappen. So war es nur
folgerichtig, dass vor 20 Jahren
die Patenschaft zwischen Stadt
und Bataillon besiegelt wurde.
Gerade die Soldaten im Fachdienst sind Zeit- oder Berufssoldaten. Sie leben mit ihren Familien in der Umgebung, engagieren sich in ihren Kommunen
in Vereinen oder in der Politik.
Viele sind nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst in der neuen Heimat geblieben. Und viele
Rekruten aus Waldeck-Frankenberg leisteten ihren Dienst „heimatnah“ in der Burgwald-Kaserne ab. So sind Kaserne und
Garnisonsstadt fest miteinander verwoben – was Politiker
auch ins Feld geführt haben, als
sie voriges Jahr um den Erhalt
des Standorts geworben haben,
bekanntlich mit Erfolg.
Hoher Besuch
Aber auch Politiker und hohe Offiziere wussten das Bataillon schon früh zu schätzen.
Schon vor der offiziellen Übergabe der Kaserne inspizierten
vorgesetzte Generäle die Fernmeldetruppen. Verteidigungsminister Hassel zog es im April
und Juli 1965 gleich zweimal in
die Kaserne, auch seine Nachfolger Manfred Wörner und Volker Rühe waren zu Gast. Am 12.
Oktober 1969 kam sogar Bundeskanzler Georg Kiesinger auf
Kurzbesuch. Auch ihm dürften
die Erfolge der Fernmelder im
Jahr zuvor bekannt geworden
sein...
Fortsetzung folgt.
Der Standortball 1964 ging als „Ball des Jahres“ in die Annalen Frankenbergs ein. Erster am Buffet
war der Gastgeber, der erste Kommandeur und Standortälteste, Oberstleutnant Erich Mahl.
12
Frankenberg
Freitag, 4. Mai 2012
Fernmelder verfolgen den Vormarsch auf Prag
Aus der Geschichte der Frankenberger Garnison – Vierter Teil: Das Bataillon für Elektronische Kampfführung im Kalten Krieg
Die Fachleute des Fernmeldebataillons 320 machen sich mit ihrer Aufklärungsarbeit einen Namen.
gungsministers Thomas de Maizière. Und Kanzler Georg Kiesinger besuchte am 12. Oktober
1969 die Burgwald-Kaserne.
Auch Dank der Aufklärungsarbeit der Frankenberger wussten Militärs und Politiker, dass
der Westen nicht gefährdet
war. Insofern hat das Bataillon
auch einen Beitrag dazu geleistet, dass sich der Konflikt nicht
noch weiter verschärft hat.
Die NATO respektierte den „Eisernen Vorhang“ und kam den
Reformern nicht zu Hilfe.
In dieser Phase, zum Jahreswechsel 1968/69, wurde Oberstleutnant Günter Miosga ins Bonner Verteidigungsministerium
versetzt – 1966 war er der zweite
Kommandeur des Bataillons geworden. Seine Nachfolge trat für
nur rund neun Monate Oberstleutnant Heinrich Müller an.
von dr. karl schilling
Frankenberg. Erst Urlaubssperre und der Befehl „erhöhte Gefechtsbereitschaft“, dann
zunehmende
Truppenbewegungen, hektische Funksprüche in den Stäben der Nationalen Volksarmee und der sowjetischen Eliteeinheiten, schließlich
die „volle Gefechtsbereitschaft“
wie im Krieg mit der Ausgabe
scharfer Munition – was war da
los im Süden der DDR?
Hochsommer 1968: Die Tschechoslowaken diskutierten im
Kaffeehaus freudig über einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ oder inszenierten in den Theatern systemkritische Stücke, im Westen jubilierten Linke, der Kommunismus lasse sich über den „dritten Weg“ der Prager Genossen
erreichen – doch in den Führungsstäben der NATO herrschte helle Aufregung: Da bahnte sich doch etwas an in diesem
kleinen Land jenseits des „Eisernen Vorhangs“, gleich hinter der
Grenze zu Bayern und dem neutralen Österreich. Aber was?
Panzer gegen Reformer
Auch Soldaten im fernen Frankenberg lieferten den rätselnden Generälen die so dringend
gesuchten Fakten. Sie bestätigten: Truppen des Warschauer
Paktes würden in das „sozialistische Bruderland“ Tschechoslowakei einmarschieren. Panzer
sollten den „Prager Frühling“
niederwalzen und die Vorherrschaft der Betonköpfe wieder
herstellen, die auf der rigiden
Linie Moskaus lagen. Den „Reformkommunisten“ sollte der
Garaus gemacht werden.
Am 21. August 1968 überquerten die „Verbündeten“ die Gren-
Hintergrund
Was ist EloKa?
D
ie Elektronische Kampfführung, kurz EloKa,
dient zum einen der militärischen Aufklärung. Sie nutzt
dabei das drahtlos übermittelte
„elektromagnetische
Spektrum“. Dazu gehören
klassische Funkausstrahlungen ebenso wie die Strahlungen von Radargeräten oder
von Feuerleitsystemen.
Eine Aufgabe ist, die Strahlungsquellen zu suchen, zu
erfassen und zu identifizieren. Beispiel: Wo befinden
sich Radarstellungen welcher
Einheit? Wo hält sich der Verband X gerade auf?
In einem weiteren Schritt
geht es darum, per Funk gesendete Botschaften zu „belauschen“ und auszuwerten.
Etwa: Was teilt eine gegnerische Einheit über ihre Pläne mit? Zu diesem Zweck hat
die Truppe Auswerter, die die
Sprache der potentiellen Gegner kennen. Die gewonnenen
Informationen nutzen vorgesetzte Führungsstäbe zum
Schutz der Truppe oder für
die Planung von Offensiven.
Zum zweiten verfügt die
Truppe über die Technik, um
einem Gegner durch Störaktionen die elektromagnetischen Ausstrahlungen zu verwehren oder ihn zu täuschen.
Außerdem versucht die Truppe, gegnerische Störungen
der eigenen Ausstrahlungen
zu unterbinden.
Im Kalten Krieg gab es EloKa-Verbände in den drei Teilstreitkräften der Bundeswehr.
In ihrer Sprachausbildung in der Burgwald-Kaserne lernten die Fernmelder auch Russisch, um den
Funkverkehr sowjetischer Verbände in der DDR auswerten zu können.
Fotos: Burgwald-kaserne
Die Fernmeldeaufklärungsstelle auf dem Hohen Meißner.
truppen und die 3. Armee der
Nationalen Volksarmee hinzu,
die Divisionen in Erfurt, Halle
und Dresden stationiert hatte.
An der Kreisstraße 117 am
Rande der Kaserne steht noch
das Antennenfeld, von dem aus
die Funknetze im Osten stationär überwacht wurden. Hinzu
kam 1962 der stationäre Außenposten auf dem Hohen Meißner,
ab 1977 „grenznahe Fernmeldeaufklärungsstelle“ genannt. Sie
wurde immer weiter ausgebaut.
Und im September 1967 übernahmen Soldaten der dritten
Kompanie den Dienstbetrieb
im 1967 fertiggestellten und
später ebenfalls erweiterten Fernmeldeturm C auf
dem Stöberhai
im Harz. Außerdem waren
mobile Trupps
in Lastwagen
und Unimogs
unterwegs,
die an der innerdeutschen
Grenze Nahaufklärung betrieben. Das Bataillon wertete den Sprechfunk aus und versuchte, Verbände durch Peilung
zu lokalisieren, zu identifizieren und ihre Bewegungen nachzuvollziehen.
Diese Fähigkeiten waren gefragt, als es mit dem „Prager
Frühling“ zu Ende gehen sollte
– offiziell riefen tschechoslowakische „Persönlichkeiten“ von
Staat und Partei ihre „sozialistischen Brüder“ um Hilfe, um
„konterrevolutionäre Kräfte“ zu
bezwingen. Am 21. August 1968
marschierten Truppen des Warschauer Paktes ein. Auch die
DDR war Aufmarschgebiet –
auch wenn deren NVA nur am
Rande beteiligt war. Insgesamt
war eine halbe Million Soldaten
der Sowjetunion, Polens, Ungarns und Bulgariens mobilisiert – es war die größte Militäroperation in Europa seit dem
Kriegsende 1945, und das in einem Grenzstaat zur NATO.
Auch die Bundeswehr wurde in
erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, Teile des II. Korps brachten sich in Süddeutschland in
ihrem „Verfügungsraum“ in
Stellung, zweimal täglich rief
Verteidigungsminister Gerhard
Schröder seine Generäle zum
Lagevortrag zusammen.
zen und marschierten auf Prag
zu. Und die hoch spezialisierten Fachleute des Fernmeldebataillons 320 verfolgten aufmerksam, was sie unternahmen. Mit
den Mitteln der Elektronischen
Kampfführung lieferten sie
hochwertige Aufklärungsergebnisse, die auch in Bonn auf Anerkennung stießen. Es waren
Sternstunden des Verbands, der
vor 50 Jahren aufgestellt wurde. 1968 bewies er die gesamte
Bandbreite seiner Fähigkeiten.
Gegenseitiges Misstrauen
Der Auftrag des Bataillons ist
vor dem Hintergrund des 1945
entstandenen Kalten Krieges zu
sehen. An der innerdeutschen
Grenze standen sich mit NATO
und Warschauer Pakt zwei
hochgerüstete Militärbündnisse gegenüber, die sich gegenseitig misstrauten und belauerten.
Wie inzwischen teilweise geöffnete Archive belegen, bestand in den kommunistischen
Parteizentralen und in den Generalstäben des Warschauer
Pakts durchaus die Furcht vor
einem westlichen Angriff. Die
„Eindämmungsstrategie“ der
USA, die Drohung, Atomwaffen
einzusetzen, der Krieg in Vietnam, provokante Spionageflüge und Manöver – all das werteten die Sowjets als Beweis für
die Aggressivität des Westens. In
seiner Propaganda ließ sich der
Ostblock hingegen als Bewahrer
des Friedens feiern.
Auf der anderen Seite hatte
die diktatorisch regierte Sowjetunion schon mehrfach bewiesen, dass sie sich ihre Macht
auch militärisch sichern würde: Sie griff etwa in Kolonialkriege mehr oder weniger direkt ein, um strategische Vorteile und neue Verbündete zu gewinnen. Und sie hatte die Aufstände im Juni 1953 in der DDR
und 1956 in Ungarn und Polen
niedergeschlagen. War deshalb
auch ein Angriff auf westliche
Staaten denkbar? NATO-Strategen beunruhigten besonders
die großen Panzerarmeen des
Ostens, die einen schnellen Vorstoß ermöglichten.
Für Militärs wie Politiker hatte
die Aufklärung deshalb eine große Bedeutung:
Was besagten
Truppenbewegungen im Osten? Drohte etwa ein Angriff?
Was bezweckte ein Manöver? War es nur
eine Übung?
Oder ein getarnter
Aufmarsch? Spione im Osten lebten gefährlich, deshalb versuchten die westlichen Verbündeten,
auch mit den technischen Möglichkeiten der Elektronischen
Kampfführung von der Bundesrepublik aus militärische Erkenntnisse zu gewinnen.
In dieser Anfangszeit überwachten die Frankenberger
Fernmelder zwei sowjetische
Verbände in der DDR: die 8.
Gardearmee in Weimar und die
1. Gardepanzerarmee in Dresden. 1971 kamen auch Grenz-
Das mobile Gerät des Bataillons wurde auf Lkw transportiert.
Top-Berichte des Bataillons
Was sie auf der Bonner Hardthöhe berichteten, hatten auch
Frankenberger Fernmelder zusammengetragen. Fast alle
Horchzüge des Bataillons waren im Einsatz, im ZweischichtSystem lieferten sie rund um die
Uhr immer neue Meldungen,
die ihre Vorgesetzten als hervorragend einstuften.
Der Kommandierende General
des III. Korps, Generalleutnant
Gerd Niepold, ließ sich sogar
per Hubschrauber von Koblenz
nach Frankenberg fliegen, um
sich vor Ort zu informieren. Einer Außenstelle des Bataillons
stattete der Generalinspekteur
der Bundeswehr einen Besuch
ab, General Ulrich de Maizière –
der Vater des heutigen Verteidi-
Ein Soldat des Bataillons im Fachdienst an einem Erfassungsplatz.
Bataillon verstärkt
Die Bundeswehr verstärkte
nach der Prager Krise ihre Aufklärung. Am 1. April 1969 bekamen die Frankenberger 70 Soldaten mehr für den Schichtdienst. Zum 1. Januar 1970 wurden sie um weitere 150 Soldaten „Einsatzverstärkung“ aufgestockt. Im April wurde die
Ausbildungskompanie 427 um
87 auf 269 Soldaten erweitert.
Platz in der Burgwald-Kaserne war ja frei geworden: Von
Frühjahr bis Juni 1969 wurden
die Artilleristen, wie berichtet,
komplett nach Treysa verlegt.
Auch die Aufklärungsstellen
wurden erweitert, die Besatzungen bekamen feste Quartiere, nachdem sie zunächst in
Zelten untergebracht waren. In
der Burgwald-Kaserne wurde
zum Jahreswechsel 1972/73 das
„Sondergebäude“ am neuen Antennenfeld bezogen. Technisch
gab es einige Neuerungen.
Und auch wenn es noch weitere kritische Phasen gab: So
ernst wie 1968 wurde es erst 1989
wieder...
Fortsetzung folgt.
Hintergrund
Prager Frühling
P
lanwirtschaft, hohle Propagandaparolen, strikte
Partei-Vorgaben, Denkverbote, Zensur, Bestrafung von
Abweichlern – mit den Vorstellungen von Karl Marx hatte der „real existierende Sozialismus“ im Ostblock nichts
zu tun. In der Partei müsse
„Debatte und Krakeel“ herrschen, hatte der Vater des
Kommunismus gefordert – in
den angeblich kommunistischen Parteien herrschte die
Diktatur der Apparatschiks.
Doch der neue Chef der
tschechoslowakischen
KP,
Alexander Dubcek, durchbrach im Frühjahr 1968 die Linie der Betonköpfe von Moskau bis Ost-Berlin: Während
in den westlichen Ländern
die 68er-Bewegung gesellschaftliche Reformen durchsetzte, startete er ein Liberalisierungs- und Demokratisierungsprogramm – er wollte einen „Sozialismus mit
menschlichem Antlitz“.
Er stieß auf ein begeistertes Volk – und auf entgeisterte
Ober-Genossen in den anderen Staaten. Sie fürchteten um
ihre Macht – und der als Hardliner gefürchtete sowjetische
Parteichef Leonid Breschnew
zog die Reißleine: Am 21. August 1968 marschierten Truppen des Warschauer Paktes
in das „Bruderland“ ein und
zerschlugen die Freiheitsbewegung, Dubcek musste abtreten, das Land wurde
wieder auf Linie gebracht.
Bis 1989 herrschte wieder
Ruhe.
12
Frankenberg
Sonnabend, 12. Mai 2012
Vom Bataillon zum Regiment zum Bataillon...
Aus der Geschichte der Frankenberger Garnison – fünfter Teil: Das Bataillon als Teil einer neuen, gesamtdeutschen Bundeswehr
Die deutsche Einheit 1990
beschert den Fernmeldern
neue Leute, neue Strukturen und neue Aufgaben.
von dr. karl schilling
Frankenberg. Russische Töne
und
sächsische
Mundart?
Durchaus nichts ungewöhnliches in der Burgwald-Kaserne. Aber die drangen in der Regel via Funk durch den Äther in
die hochtechnisierten „Ohren“
des Bataillons. Doch nach dem
3. Oktober 1990 war die Sprachfärbung der Thüringer, Anhaltiner, Vorpommern oder Brandenburger auch in den Speisesälen, Sporthallen
und
Truppenunterkünften zu hören: Die jungen
Ostdeutschen
traten
ihren
Wehrdienst
nicht mehr in
der Nationalen Volksarmee
an,
sondern
in der gesamtdeutschen
Bundeswehr –
die DDR war
glanzlos
untergegangen. Die deutsche Einheit bescherte den Frankenberger Fernmeldern gravierende
Umbrüche und neue Aufgaben.
Und auch sie hießen neue Kameraden willkommen. Sie kamen aus den Landstrichen, denen bislang das Aufklärungsinteresse des Bataillons gegolten hatte: Knapp 41 Jahre hatten sich auch Deutsche in Ost
und West belauert und zuweilen
angefeindet, nun sollte „zusammenwachsen, was zusammengehört“, wie es Altkanzler Willy Brandt in dieser „Wendezeit“
genannt hat. Und das eben auch
in der Burgwald-Kaserne.
Es war ein langsamer Prozess,
der 1989/90 zum gewaltigen
Wandel führte – siehe den Kasten rechts. Die Entspannungspolitik ab den 1970er Jahren hatte der ideologischen Konfrontation der beiden Militärblöcke
bereits Schärfe genommen, die
Oberhäupter der USA und der
Sowjetunion, Ronald Reagan
und Michail Gorbatschow, leiteten 1989 umfassende Abrüstungsverhandlungen ein.
Und bei aller Konzentration
auf den Auftrag leisteten sich
die Aufklärer beider Seiten ihre
Späßchen. So wussten die Fran-
sticHwort
Staatsvertrag
A
uf dem Weg zur deutschen Einheit mussten
DDR und Bundesrepublik einen Staatsvertrag mit den vier
Siegermächten des Zweiten
Weltkrieges abschließen, mit
Frankreich, den USA, Großbritannien und der Sowjetunion. Dieser „Zwei-plusVier-Vertrag“ wurde am 12.
September 1990 in Moskau unterzeichnet. Er betrifft
auch die Bundeswehr:
l Die Stärke der gesamtdeutschen Streitkräfte wird auf
370 000 Mann begrenzt – bis
dahin hatte die Bundeswehr
an die 500 000 Mann, die NVA
zuletzt 155 000 Mann.
l Deutschland
verzichtet
auf atomare, biologische und
chemische Waffen.
l Die sowjetischen Truppen
ziehen bis spätestens 1994
vom Gebiet der DDR ab.
l Kernwaffen und ausländische Truppen dürfen nicht
auf ostdeutschem Gebiet stationiert werden.
l Die Bundesrepublik erhält
die volle Souveränität.
kenberger genau, dass der Warschauer Pakt Einheiten für die
Elektronische Kampfführung
auf ihre Arbeit angesetzt hatte.
Bis heute erzählen sich Ehemalige des Bataillons vom Brauch,
sich über den „Eisernen Vorhang“ hinweg gegenseitig zum
Geburtstag zu gratulieren – was
voraussetzte, dass die Gegenseite die Namen der Diensthabenden und ihre Geburtsdaten aufgeklärt haben musste.
Doch 1989 wurde es wieder
ernst: Überall im Warschauer
Pakt rumorte es – wie würden
die roten Diktatoren reagieren?
Wie in Ungarn, Ost-Berlin oder
Prag? Oder wie die chinesischen
Machthaber, die am 4. Juni 1989
auf dem Platz
des
himmlischen Friedens in Peking
ein Massaker
angerichtetet
hatten? Sie haben ihre Demokratiebewegung brutal
zerschlagen.
Auch manch
DDR-Ideologe liebäugelte mit dieser
Lösung. Aber
Gorbatschow
hielt seine Panzer in den Kasernen zurück – reihenweise stürzten die Diktatoren.
In Berlin lagen sich am 9. November 1989 Feiernde in den
Armen, die Grenzen waren wieder offen. Doch in Frankenberg
fragte sich bereits manch ein
Soldat: Wie soll es weitergehen
mit dem Bataillon?
Seit 1962 hatten die Fernmelder einen Gegner belauscht, der
sich in den folgenden Monaten
in Luft auflöste. Die DDR? Kollabiert. Der Warschauer Pakt? Aufgelöst. Die Sowjetunion? Zerfallen. Und Russland machte sich
auf den Weg, erstmals eine freiheitliche Demokratie zu werden
– was jedoch am ungezügelt wütenden Kapitalismus scheiterte.
Was hatte das für Folgen für
die Bundeswehr? Und für die
NATO, die ebenfalls ihren Gegenpart verloren hatte.
Verkleinerte Bundeswehr
Der „Zwei-plus-Vier-Vertrag“
schrieb 1990 eine deutliche Verkleinerung der Bundeswehr vor
– siehe den Kasten links. Damit waren neue Strukturen verbunden. Und die Streitkräfte erhielten von der Politik neue Aufgaben – die Landesverteidigung
trat in den Hintergrund: Auch
Polen und baltische Staaten traten in die NATO ein, der einstige Frontstaat Deutschland ist
heute von Freunden umgeben.
Stattdessen wurden die Krisen-
Beim Appell am 27. März 1996: Der erste Kommandeur des Fernmelderegiments 320, Oberstleutnant Hartmut Pauland, übergibt
die Truppenfahne an seinen Nachfolger, Oberstleutnant Heinrich-Wilhelm Steiner.
Fotos: Burgwald-kaserne
bewältigung und Konfliktverhütung im Ausland stärker betont, was Folgen für die Ausbildung und die Ausrüstung hat.
Das Verteidigungsministerium
reagierte mit der„Heeresstruktur
5“. In einer ersten Reformphase von 1990 bis 1996 wurde die
drastisch geschrumpfte Truppe
neu strukturiert. Dabei wurden
rund 20 000 Berufs- und Zeitsoldaten der NVA übernommen,
häufig mit einem niedrigeren
Dienstgrad. Fast das gesamte
Offizierkorps wurde entlassen.
NVA wird abgewickelt
Zum 3. Oktober 1990 hatte
sich die NVA aufgelöst, die Bundeswehr übernahm Standorte
und Ausrüstung. Bei der Abwicklung unter dem Kommando des Generalleutnants Jörg
Schönbohm halfen Kameraden
aus dem Westen. Am 4. Oktober
1990 gingen erste Abordnungen aus Frankenberg gen Osten,
unter ihnen Karl-Heinz Bastet
und Peter Moryson. Ostdeutsche Wehrpflichtige wurden zur
Bundeswehr einberufen, viele
haben ihren Dienst seitdem in
Frankenberg abgeleistet.
Mit der Reform gab das Heer
die Praxis auf, dass die Fernmeldetruppenteile direkt größeren
Verbänden zugeordnet waren.
Stattdessen wurden Brigaden
und Regimenter zur „Führungsunterstützung“ gebildet. Am
Ende des Prozesses bestand die
Fernmeldetruppe der Bundeswehr aus 22 Regimentern und
Bataillonen.
Zum 1. April 1992 wurde aus
dem Frankenberger Fernmel-
debataillon 320 das Fernmelderegiment 320. Wegen der Truppenreduzierung wurde das III.
Korps in Koblenz 1994 aufgelöst,
dem das Bataillon seit 1962 angehörte. Das Regiment wurde
dem IV. Korps in Potsdam unterstellt, das wiederum dem
Heeresführungskommando in
Koblenz untergeordnet war. Der
Verband wurde aufgestockt:
l Die 1977 in Frankenberg aufgestellten und dem Fernmeldestab der Bundeswehr in Daun
unterstellten
selbstständigen
Fernmeldekompanien 2 und 5
für die grenznahe Elektronische
Kampfführung wurden als 4.
und 5. Kompanie ins neue Regiment eingegliedert.
l Nach der Auflösung des Fernmelderegiments 120 in Rotenburg/Wümme 1994 wurden 350
dortige Soldaten als 5. und 6.
Kompanie dem Frankenberger
Verband unterstellt.
l Aus der Fernnmeldeausbildungskompanie 427 – seit Juli
1980 mit der Bezeichnung 5/III
– wurde die 7. Kompanie.
l Eine 8. Kompanie diente der
„Aufwuchsfähigkeit“ des Regiments – sie konnte im Krisenfall
mit Personal „belebt“ werden.
l Seit dem 1. Oktober 1994 gehört der Verband in Teilen zu
den neuen, weltweit einsetzbaren Krisenreaktionskräften.
Mit 1500 Soldaten und Zivilangestellten war das Regiment
eines der größten in der Bundeswehr. 1150 von ihnen waren
in Frankenberg stationiert.
Mit der deutschen Einheit entfiel der Auftrag, Verbände im Osten zu überwachen. Der etwa 80
Meter hohe „Eloka-Turm“ auf
Bei einem Lehrgang im November 1998 fuhren die Frankenberger Fachleute für Elektronische
Kampfführung ihr modernes Gerät auf. Der Verband genießt international einen guten Ruf.
dem Hohen Meißner wurde am
11. November 2002 gesprengt,
der moderne Turm auf dem Stöberhai folgte 2005. Auch das Antennenfeld an der Kaserne hat
inzwischen ausgedient.
Auch die Gleichberechtigung
zeigte ihre Folgen: Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs musste die
Bundeswehr Frauen auch in die
„kämpfende Truppe“ aufnehmen, nicht nur in den Sanitätsund Musikdienst, was seit 1975
möglich war. Am 2. Januar 2001
traten die ersten weiblichen Rekruten in die Aufklärungskompanie in Frankenberg ein.
Wieder Bataillon
Die Umgliederung zum Regiment hielt nur wenige Jahre,
schon 2000 begann die nächste Reform: Die Bundeswehr bildete im Oktober die Streitkräftebasis, in der Soldaten aus Heer,
Marine und Luftwaffe zusammenarbeiten. Sie dient der Führungsunterstützung und der
Nachschub-Sicherung. Ihr unterstehen auch die Verbände der
Elektronischen Kampfführung,
die komplett von den Fernmeldetruppen getrennt wurden.
Zum 1. Juli 2001 wurde das
Frankenberger Regiment dem
„Fernmeldebereich“ 93 in Daun
in der Eifel unterstellt. Der wiederum gehört zum neuen Kommando Strategische Aufklärung
in Gelsdorf, in dem auch die
Eloka-Fachleute der Bundeswehr zusammengefasst sind.
Das Fernmelderegiment 320
des Heeres wurde 2003 zum Bataillon für Elektronische Kampfführung 932 umgebaut, in der
auch Soldaten der Marine und
der Luftwaffe arbeiten. Im Juli
traten in Frankenberg zwei neue
Einsatzkompanien in Dienst,
die 5. und 6. Kompanie.
Die 5. und 6. Kompanie des
Regiments in Rotenburg wurden im September 2003 aufgelöst – sie bildeten die Basis für
das Bataillon für Elektronische
Kampfführung 912, das in Nienburg neu aufgestellt wurde.
Gemäß der Neuausrichtung
der Truppe bekamen die Frankenberger neue Aufträge: im
Ausland...
Fortsetzung folgt.
Hintergrund
Weg zur deutschen Einheit
U
nerhörtes ereignete sich
1989 in der DDR: Immer
mehr Einwohner verloren ihre Angst vor den roten Diktatoren und ihrer Staatssicherheit: „Wir sind das Volk“ riefen
sie selbstbewusst bei Massendemonstrationen.
Ungewollt hatte der sowjetische Generalsekretär Michail
Gorbatschow eine Freiheitsbewegung ausgelöst. Er sah
die marode Wirtschaft und die
verkrusteten Strukturen und
verordnete seinem Reich 1986
Glasnost und Perestrojka – offene Debatte und Umbau. Seine Reformpolitik erfasste auch
andere Länder des Ostblocks.
Doch immer weniger Leute
wollten es mit Reformen des
diktatorischen Systems und
der Planwirtschaft bewenden
lassen: Sie forderten Freiheit.
In Polen war die Gewerkschaftsbewegung
„Solidarnosc“ stark geworden, in der
DDR brachten die Wahlfälschungen im Mai 1989 das Fass
zum Überlaufen: Die Proteste
nahmen zu. Zugleich setzten
sich immer mehr Unzufriedene ab. Im Sommer kam es zur
Massenflucht über Ungarn
und die Tschechoslowakei in
den Westen, dem SED-Regime
entglitt die Kontrolle.
Bei der 40-Jahr-Feier der
DDR Anfang Oktober versuch-
te SED-Parteichef Erich Honecker zwar noch, Normalität vorzugaukeln, doch die Demonstranten in Ost-Berlin riefen lautstark nach „Gorbi“. Der
soll Honecker gesagt haben:
„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“.
Keine zwei Wochen später
war „Honni“ abgetreten, doch
für seinen blassen Nachfolger
Egon Krenz war es ebenfalls
zu spät: Die Montagsdemos
in Leipzig machten landesweit
Schule, und am 9. November
fiel die Berliner Mauer – die
SED hatte ausgespielt.
Reihenweise wurden damals
die diktatorischen Potentaten
des Ostblocks weggefegt, meist
unblutig. Im August 1991 traf
es auch Gorbatschow, die Sowjetunion zerfiel.
Manche Linke in der DDR
hofften noch auf eine reformierte DDR, doch die Mehrheit des Volkes hatte von jeder Spielart des „Sozialismus“
die Nase voll: Sie wollte leben
wie die reichen Brüder im Westen. Die ersten freien Volkskammer-Wahlen am 18. März
1990 gewann die CDU, zum 1.
Juli kam die D-Mark, und am
3. Oktober folgte der „Beitritt“
des DDR-Gebiets zur Bundesrepublik. Die deutsche Teilung
war beendet, der „Eiserne Vorhang“ verschwunden. (-sg-)
14
Frankenberg
Mittwoch, 16. Mai 2012
Den Frieden sichern in Ländern mit Bürgerkrieg
Aus der Geschichte der Frankenberger Garnison – sechster Teil: Der Verband für Elektronische Kampfführung im Auslandseinsatz
Die Frankenberger Aufklärungsfachleute machen
sich mit ihrer Arbeit international einen Namen.
von dr. karl schilling
Frankenberg. Der „Eiserne Vorhang“ ist gefallen, Grenzbäume
verschwinden, Europa wächst
zusammen – doch auf dem Balkan giften sich Nachbarn an, die
lange friedlich zusammengelebt
haben: Es brodelt im Vielvölkerstaat Jugoslawien, seit der Kommunistenführer Josip Broz Tito
1982 gestorben ist. Während die
Welt 1989/90 auf den dramatischen Wandel im Osten blickt
und die deutsche Einheit erlebt, hetzen und zündeln serbische Nationalisten, die von einem „großserbischen Reich“
träumen. Sie entfachen heftigen Widerstand bei den drangsalierten Völkern: Slowenen,
Kroaten und Bosnier erklären
sich für unabhängig von Jugoslawien – was in einen blutigen
Bürgerkrieg mit Vertreibungen,
Plünderungen und Massenvergewaltigungen mündet.
Es dauert, bis sich die Staatengemeinschaft zum Eingreifen entscheidet und die
Nato im Auftrag der Uno Truppen schickt, die den vereinbarten Frieden mit einem „robusten Mandat“ sichern sollen. Für
die Frankenberger Garnison beginnt damit ein neues Kapitel:
Seit 1996 ist das Fernmelderegiment 320 – oder seit 2003 das Bataillon für Elektronische Kampfführung 932 – permanent im
Auslandseinsatz. Es ist ein
grundlegender
Wandel,
den sich auch
viele erfahrene Berufssoldaten
nicht
hätten vorstellen
können.
40 Jahre lang
hatte sich die
Bundeswehr
an Einsätzen
außerhalb der
Nato nicht beteiligt – abgesehen von der Katastrophenhilfe oder von der Entsendung des
Hospitalschiffs
„Helgoland“,
das 1966 bis 1972 vor der Küste Vietnams dümpelte. Die Bundesrepublik sei nicht voll souverän und dürfe keine Kampftruppen entsenden, betonten Politiker quer durch alle Parteien.
Aber mit der deutschen Einheit 1990 erhielt das Land alle
Souveränitätsrechte, und USPräsident George Bush erwartete, dass die Deutschen ihre Rolle
als „Partner in Leadership“ annahmen: Sie sollten bei internationalen Krisen an der Seite der
USA Verantwortung übernehmen. Auch militärisch. Doch
Ein Fuchs-Panzer peilt im Gelände nahe der Stadt Mostar.
Die Stellung der Frankenberger Fernmelder auf dem Berg Udric oberhalb der südbosnischen Stadt Mostar. Dort war das Haupt des
Kontingents samt seiner Technik stationiert. Auch Wohncontainer und Küchenzelte gehörten zu dem Posten.
Fotos: schilling
innenpolitisch gab es heftigen
Streit – nicht vergessen war, dass
deutsche Truppen 1939 bis 1945
weite Teile Europas verwüstet
hatten. Krieg als Mittel deutscher Außenpolitik? Für viele
undenkbar. Es wäre ein Bruch
mit den Grundsätzen der friedfertigen „Bonner Republik“.
Doch die „geordnete“ Welt des
Kalten Krieges gab es nach dem
Wegfall des Warschauer Paktes
nicht mehr. Und wirtschaftlich
nahm die 500 Jahre zuvor begonnene Globalisierung enorm
an Fahrt auf,
von der die
deutsche Exportwirtschaft
bis heute profitiert. Angesichts der neuen Lage definierte
die
schwarz-gelbe
Bundesregierung
von
Kanzler Helmut Kohl neue
Sicherheitsinteressen,
die auch Auslandseinsätze unter einem UnoMandat vorsahen – siehe das Zitat aus dem „Weißbuch der Bundeswehr“ unten.
Verteidigungsminister Volker
Rühe achtete beim ohnehin anstehenden Umbau zu einer kleineren Bundeswehr auf die Fähigkeit der Verbände, Einsätze
im Ausland zu bewältigen – was
neue Strukturen, eine neue Ausrüstung und eine andere Ausbildung erforderte. Und er führte
Politik und Gesellschaft schrittweise an sein Ziel heran:
War es nicht Bündnispflicht,
deutsche Kampfjets im Osten
des Nato-Partners Türkei zu stationieren, als eine Militärallianz
1990/91 das von Saddam Husseins Irak völkerrechtswidrig
besetzte Kuweit befreite?
Wer konnte 1991 schon etwas
gegen deutsche Sanitäter im
Bürgerkriegsland Kambodscha
haben? Damals kam der erste Bundeswehr-Soldat im Auslandseinsatz ums Leben – bei
einem Verkehrsunfall.
Und was sprach gegen das
„Brunnenbohren“ und die
Truppenversorgung im regierungslosen Somalia, wo Uno
Blauhelm-Soldaten ab 1993 Milizen bekämpfen und das Bürgerkriegs-Chaos beseitigen sollten? Auch zwei Frankenberger
Unteroffiziere meldeten sich im
Mai 1993 als Freiwillige für diesen Einsatz – der 1995 kläglich
gescheitert ist.
Urteil aus Karlsruhe
Aber wo liegen die Grenzen?
Das Bundesverfassungsgericht
erklärt am 12. Juli 1994 Auslandseinsätze mit Uno- oder
Nato-Mandat für zulässig – formuliert aber einen Parlamentsvorbehalt: Der Bundestag muss
zustimmen. Das regelt seit 2005
ein Gesetz, das auch den Grundsatz aus der Gründungszeit der
Bundeswehr widerspiegelt: Sie
unterliegt der parlamentarischen Kontrolle.
So ist auch der Weg frei für den
ersten Auslandseinsatz des Regiments – am 15. Dezember
1996 starten zwei Offiziere als
Vorauskommando in die südbosnische Stadt Mostar. Sie sollen die Stationierung eines Kontingents in Kompaniestärke vorbereiten, das Teil der „Stabilisation Force in Bosnia and Herzegovina“ werden soll, kurz SFOR.
Zwischen 1992 bis 1995 haben
sich orthodoxe Serben, katho-
lische Kroaten und überwiegend
gemäßigt-muslimische Bosniaken einen blutigen Krieg geliefert. Auf internationalen Druck
kommt der Vertrag von Dayton
zustande, der einen neuen Staat
vorsieht, in dem die Serben eine
Autonomie erhalten. Die internationale Friedenstruppe soll
die Einhaltung der Regeln überwachen, die Sicherheit stärken
und bei Konflikten wenn nötig
energisch eingreifen.
Vor Weihnachten werden 17
Fahrzeuge aus der BurgwaldKaserne verlegt, am 12. Januar 1997 startet das erste Kontingent mit Hauptmann Thomas
Hirschhäuser – zuvor haben die
Soldaten eine besondere Ausbildung an der Infanterieschule in
Hammelburg durchlaufen, die
sie auf die Bedingungen im Einsatzland vorbereiten soll. Dies
ist bis heute gängige Praxis.
Schutz der Truppe
Die Kompanie soll mit ihrer
Aufklärungsarbeit zum Schutz
der multinationalen Division
Süd-Ost „Salamandre“ in Mostar beitragen und eventuell geplante Störungen des brüchigen
Friedens ausmachen. Der Stab
ist in einem Feldlager am Flughafen Ortijes untergebracht, auf
dem Berg Udric oberhalb der
Stadt beziehen die Fachleute für
Elektronische Kampfführung
mit ihrer Technik Stellung. Außerdem sind mobile Trupps mit
Fuchs-Panzern unterwegs.
Die Soldaten müssen vieles erproben und Erfahrungen sammeln. Und sie improvisieren.
Dauert es ihnen zu lange, bis Ersatzteile für Fahrzeuge aus dem
deutschen Feldlager Rajlovac
bei Sarajevo eintreffen, greifen
sie auf die Hilfe anderer Kontingente zurück. Dabei erweist sich
mitunter bayerisches Dosen-
bier als internationale „Währung“. Die neuen Wohncontainer sind teilweise undicht,
Material und Uniformen müssen erst dem Klima vor Ort angepasst werden. So ist die aufs
mitteleuropäische Wetter ausgelegte Klimaanlage in den Metallaufbauten der Lastwagen mit
der glühenden bosnischen Sonne überfordert – die Soldaten
im Fachdienst schwitzen vor ihren Geräten. Es dauert, bis Sommeruniformen eintreffen. Und
im Winter herrscht gerade auf
Udric klirrender Frost.
Respekt in der Division
Doch die „Kinderkrankheiten“ werden in den ersten Monaten auskuriert. Fachlich stehen die Frankenberger gleich
ihren Mann, auch wenn die Aufklärer jetzt Serbokroatisch statt
Russisch beherrschen müssen.
Die Fernmelder erarbeiten sich
schnell Respekt in der Division.
Die bislang nur bei Manövern geübte Zusammenarbeit
mit den ausländischen Kameraden bekommt eine neue Tiefe.
Die Division steht unter französischer Führung – wie gut, dass
die Frankenberger seit 1989 mit
dem 54. Régiment de Transmission im elsässischen Haguenau
zusammenarbeiten, 1999 besiegeln sie eine Patenschaft.
Die Versorgung der Kompanie
übernehmen Franzosen. Im
Feldlager gehen die deutschen
Soldaten in deren Kantine, sie
beliefert auch Udric. Die Bewachung der Stellung auf dem
Berg obliegt 25 Marokkanern.
Nach dem zwölf- bis 14-stündigen Fachdienst gibt es zahlreiche weitere Aufgaben zu erledigen, die Lager wollen auch
eingerichtet und saubergehalten werden. Wichtig ist den Soldaten die Verbindung nach Hau-
se, ob per Feldpost oder über Telefon – Handys kommen gerade
erst auf.
Am 27. November 2002 stellt
das Regiment eine weitere EloKaKompanie für das Außenlager
Filipovici auf.
Am 16. Dezember 2004 treten
die Fernmelder in der Kaserne
zum Abschlussappell an: Rund
1300 Soldaten sind bis dahin im
Süden Bosniens gewesen, die 28
Kontingente kommen auf insgesamt 3102 Einsatztage.
Doch der serbische Präsident
Slobodan Miloševic zündelte
weiter. 1989/90 ließ er die Autonomierechte für das mehrheitlich albanisch besiedelte Kosovo aufheben, die heftigen Proteste führten 1998/1999 zu Gefechten zwischen albanischen
Kämpfern der UCK und der jugoslawischen Armee, Hunderttausende Zivilisten flohen – im
März 1999 griff die Nato auch
ohne Zustimmung der Uno mit
Luftschlägen ein. Auch die deutsche Luftwaffe beteiligte sich.
Einsatz im Kosovo
Im Sommer 1999 rückt die
Nato-geführte
Friedenstruppe KFOR ins Kosovo ein – diesmal mit einem Uno-Mandat.
Erstmals ist die Bundeswehr im
Süden für einen eigenen Sektor verantwortlich. Und wieder
sollen Frankenberger Fernmelder aufklären: Am 29. Juni werden die ersten 64 Soldaten aus
der Burgwald-Kaserne in die
Stadt Prisren verlegt, dem Sitz
des deutschen Kontingents. Sie
bleiben, bis ein wichtigerer Auftrag ihren Abzug erfordert:
Im September 2001 richtet sich
der Blick auf ein anderes Land
im Chaos – Afghanistan, das seit
30 Jahren nicht mehr zur Ruhe kommt. Es wird ein schwerer
Auftrag.
Fortsetzung folgt.
weissbuch 1994
Global denken
A
Zweistöckig aufgebaute Container in der „Volker-Rühe-Straße“ des Feldlagers Ortijes. Dort wohnten die Frankenberger Stabssoldaten. Neben ihnen: eine Drohnen-Aufklärungseinheit aus Bayern.
us dem 1994 von der
CDU/FDP-Bundesregierung vorgelegten „Weißbuch
der Bundeswehr“:
„Die Risikoanalysen über
künftige Entwicklungen müssen von einem weiten Sicherheitsbegriff ausgehen. Sie dürfen sich nicht auf Europa beschränken, sondern müssen
die Interdependenz von regionalen und globalen Entwicklungen berücksichtigen. Sie
müssen
gesellschaftliche,
ökonomische und ökologische Tendenzen einbeziehen
und in Beziehung setzen zur
Sicherheit Deutschlands und
seiner Verbündeten. “
Ausspannen auf dem Berg Udric. Den Freisitz haben sich Soldaten der ersten beiden Frankenberger Kontingente gebaut.
14
Frankenberg
Sonnabend, 26. Mai 2012
Im blutigen Kampf, um den Frieden zu sichern
Aus der Geschichte der Frankenberger Garnison – siebter Teil: der Verband für Elektronische Kampfführung in Afghanistan
Seit 2002 sichern die Frankenberger die Bemühungen um den Wiederaufbau
des Bürgerkriegslandes.
von dr. karl schilling
Frankenberg. Den Ruf des
Muezzins von den Minaretten
der Moscheen kennen die Soldaten aus der Burgwald-Kaserne schon von ihren Einsätzen
in Bosnien-Herzegowina. Doch
mit den Zuständen in dem reizvollen Balkanländchen ist Afghanistan nicht vergleichbar:
Die internationale Friedenstruppe ISAF steht dort in einem
blutigen Kampf gegen fanatische Islamisten. Das hat das Regiment bitter erfahren.
Nur vordergründig geht es den
„Wissen Suchenden“, arabisch
Taliban, um „die ausländischen
Besatzer“. Im Grunde wollen sie
dem Volk nicht die im Westen
selbstverständlichen Freiheiten
zubilligen. Sie wollen ihren engstirnigen,
rückwärtsgewandten Glauben brutal durchsetzen
– einen rigiden Islam, der den
durchaus religiösen Afghanen
eigentlich fremd ist.
Viele Afghanen hatten gehofft,
die ungebildeten und mit Hass
auf Frauen und auf alle Andersgläubigen erfüllten Taliban endlich los zu sein. Viele freuten
sich über deren Sturz 2001/02
– siehe den Kasten. Sie hofften
nach 30 Jahren Bürgerkrieg auf
eine friedliche Zukunft und auf
bescheidenen Wohlstand...
Der internationale Kampf gegen die Taliban beginnt nach
den Terroranschlägen vom 11.
September 2001 in den USA.
Schon im Dezember befreien Krieger der afghanischen
Nordallianz
mit amerikanischen Spezialeinheiten
die Hauptstadt
Kabul,
erstmals seit Jahren trauen sich
Frauen
wieder ohne den
stickigen Vollschleier Burka auf die Straße. Die UNO
beschließt am
20. Dezember
die Aufstellung
der ISAF – die Truppe soll die Sicherheit in der Hauptstadt garantieren, bis wieder genügend
afghanische Polizisten und Soldaten ausgebildet sind.
Der Westen ist euphorisch und
will einen modernen demokratischen Staat aufbauen. Gerade die rot-grüne Bundesregierung von Gerhard Schröder engagiert sich – nachdem sie USPräsident Bush im umstrittenen
Irak-Krieg die Gefolgschaft verweigert hat. Und die Deutschen
sind beliebt, zu Zeiten der Monarchie haben sie Afghanistan
vorangebracht.
Insofern bestehen gute Ausgangsbedingungen, als beim
Fernmelder des ersten Kontingents im afghanischen Bergland: Hauptfeldwebel Uwe Brehme,
Hauptmann Meik Kotthoff, Hauptfeldwebel Holger Blumenauer und Oberleutnant Deiß.
Frankenberger Fernmelderegiment der Marschbefehl eintrifft.
Schon Mitte November 2001
zeichnet sich der Einsatz für die
Fachleute ab. Aus dem schon
aufgestellten SFOR-Kontingent
für Bosnien werden 28 Soldaten
ausgewählt, die der ISAF unterstellt werden sollen. Schnell
muss die Technik für eine Aufklärungszentrale zusammengebaut werden. Die Soldaten
sammeln Informationen über
ihr neues Einsatzland.
Am 17. Januar 2002 starten
die ersten drei Fernmelder von
Köln-Wahn aus mit einem Aufklärungsgerät, am 7. Februar
folgt ein starkes Vorauskommando unter dem Kommando von Hauptmann Meik Kotthoff – heute als Oberstleutnant der
stellvertretende Kommandeur. Das Kontingent ist am
Ostrand Kabuls im ehemaligen Betriebshof der
Stadt untergebracht, „Camp
Warehouse“
genannt.
Es
befindet sich
noch im Ausbau, zunächst fehlen Zelte, die
Wege verwandeln sich im regnerischen afghanischen Winter
in Schlammpfade.
Die Soldaten dürfen in Schutzweste in die Stadt gehen. Sie
sind überrascht vom Ausmaß
der Kriegsschäden, ganze Viertel liegen seit Jahren in Trümmern, die Infrastruktur ist weitgehend zerstört. Und dann die
Armut, die bosnische oder kosovoarische Verhältnisse übertrifft: Menschen ohne Schuhe,
in Lumpen gehüllt. Bauern mit
Eselskarren. Die elenden Auslagen in den Geschäften. Die
einfachen Lehmhütten ohne
Strom und fließend Wasser. Die
Nach dem Anschlag gab es eine große Trauerfeier in der Liebfrauenkirche, rund 400 Soldaten nahmen teil.
archivfoto: raatz
Taliban haben das Volk in einem
mittelalterlich
anmutenden
Elend vegetieren lassen.
Die Bevölkerung zeigt sich erfreut über die Helfer aus dem
Ausland: „Freundlich und neugierig wurde man überall begrüßt“, erinnert sich Kotthoff.
„Durch den Übersetzer kam
man sogar ins Gespräch mit Passanten.“ Und der Aufbau geht
zaghaft, aber sichtbar voran:
Schnell öffnen Geschäfte mit
Unterhaltungselektronik, Musik-CDs und westlichen Videofilmen – sie zu verkaufen, hatte
unter den gnadenlosen Taliban
tödliche Konsequenzen.
Und die Extremisten sind nicht
alle geflohen, manche sind nur
untergetaucht. Nach dem ersten Schrecken über die Überlegenheit der internationalen
Truppen formieren sie sich neu.
Schon im April schlagen die ersten Raketen im „Camp Warehous“ ein. Die Bedrohungslage
spitzt sich seitdem kontinuierlich zu. Die ISAF-Soldaten befestigen ihr Lager mit Sandsäcken und Stacheldraht.
Schutz der ISAF-Truppen
Wieder ist es die Aufgabe der
Frankenberger, zum Schutz der
internationalen Truppe beizutragen und der Führung Fakten für die Lagebeurteilung zu
liefern: Sie stellen die ISAF-Aufklärungskompanie, zu der aber
noch andere Einheiten unter
Kotthoffs Kommando gehören.
Ein Peil-Trupp ist fast täglich
im Umland der Stadt unterwegs, um Standorte der Extremisten ausfindig zu machen. An
den Geräten arbeiten die Soldaten wieder im Schichtdienst.
Da das von Siemens in den
1970er-Jahren aufgebaute Telefonnetz weitgehend zerrissen
ist, benutzen auch die Taliban
Funktelefone – leichte Beute für
die Fachleute für Elektronische
Kampfführung. Problematisch
im Vielvölkerstaat Afghanistan
ist jedoch die Übersetzung. Gerade für das im Süden bis nach
Kabul verbreitete Paschtu muss
die Einheit Dolmetscher finden.
Für die Verwandten der Soldaten wird am 1. Mai 2002 ein
Familienbetreuungszentrum in
der Kaserne eingerichtet. Es leistet wertvolle Hilfe, als am 7. Juni
2003 der schwärzeste Tag in der
damals 41-jährigen Geschichte
des Verbandes anbricht.
Die Frankenberger haben im
Festzelt auf der Wehrweide gerade den Pfingstgottesdienst gefeiert, als sich die Nachricht verbreitet: „Ein Anschlag in Kabul!
Auf unsere Fernmelder aus der
Burgwald-Kaserne! Es gibt Tote.“
Manchem Zivilisten wird erst da
klar, welch hohes Risiko die Soldaten tagtäglich eingehen im
Dienst für ihr Vaterland.
Auf dem Weg nach Hause
Die 33 Soldaten des dritten
Kontingents sind im Bus auf
dem Weg von „Camp Warehouse“ zum internationalen Flughafen. Es soll nach Hause gehen. Auf der staubigen Straße
drängt sich ein Taxi am Konvoi
der Bundeswehr vorbei. Auf Höhe des Busses zündet der Fahrer seine Bombe. Vier Soldaten
sterben, die anderen werden
verletzt. Zum Teil schwer. Viele
der Überlebenden sind traumatisiert. Sie leiden bis heute unter
den Folgen des Anschlags.
Die Anteilnahme der Bevölkerung ist riesig, einige Soldaten
stammen aus dem Kreis. Beim
ökumenischen
Trauergottesdienst für die vier getöteten Kameraden ist die Liebfrauenkirche mit 500 Besuchern gefüllt.
Dekan Rudolf Jockel erinnert
in seiner Predigt an den Sinn des
Einsatzes: Es gehe um die Sicherung des Friedens und um ein
Leben in größtmöglicher Freiheit und Menschenwürde.
Und der Einsatz geht weiter.
Er wird aufs ganze Land ausgedehnt...
Fortsetzung folgt.
Der Bus der Frankenberger Fernmelder wurde bei dem Anschlag
am 7. Juni 2003 in Kabul völlig zerstört.
Fuchs-Panzer der Frankenberger Aufklärungs-Kompanie im
„Camp Warehouse“ am Rande Kabuls.
Ein Blick über das „Camp Warehouse“.
Fotos: Burgwald-kaserne
Hintergrund
Kriegerisches Afghanistan
F
remde hatten es nie leicht,
sich in Afghanistan zu behaupten. In der Antike war
der griechisch-makedonische
Feldherr Alexander „der Große“ bis nach Baktrien vorgedrungen und hatte die heutigen Städte Herat und Kandahar gegründet. Er zog weiter.
Mitte des 19. Jahrhunderts
scheiterten die Briten spektakulär mit ihrem Versuch, ihr
Weltreich über Indien hinaus
auszudehnen: 1842 vernichteten die Afghanen ein komplettes Heer, es gab 15 000 Tote.
Auch die Militärs der russischen Zaren bissen sich an den
stolzen und kriegerischen Völkern des Landes die Zähne aus
– im „großen Spiel“ der beiden
Großmächte widersetzten sie
sich erfolgreich beiden Seiten.
Erst in einem zweiten Krieg
Ende des 19. Jahrhunderts sicherten sich die Briten Einflussrechte. Doch schon nach
einem dritten Krieg 1919 mussten sie die Unabhängigkeit Afghanistans anerkennen.
Zwar regierte ein „Khan“ das
Land, doch die Gesellschaft
prägten Stammesgefolgschaften. Erst als der Paschtune Mohammed Sahir Schah 1933 die
Nachfolge seines ermordeten
Vaters antrat, bildete sich eine konstitutionelle Monarchie
heraus, die bis 1977 bestand.
Nachdem sich die Briten in
den 1940ern aus Indien zurückziehen mussten und sich
das muslimische Pakistan abgespalten hatte, gelang es der
Sowjetunion, ihren Einfluss in
Afghanistan auszubauen.
Konservative Stammesführer
reagierten mit wachsendem
Widerstand auf die Modernisierungspolitik der pro-sowjetischen Regierung – 1979 marschierte die Rote Armee ein, islamische Milizen gingen mithilfe der USA gegen sie vor.
Doch kaum hatten sie 1992
den Sieg über Moskaus Statthalter errungen, bekämpften sie sich gegenseitig, Kabul
fiel in Schutt und Asche, die
staatliche Ordnung löste sich
auf. Bis 1994 eroberten in Pakistan geschulte Taliban weite Teile des Landes und errichteten ein islamistisches Schreckensregime, unter dem gerade Frauen zu leiden hatten.
Die Taliban verbündeten
sich mit arabischen „Gotteskriegern“ um Osama bin Laden, die gegen die Sowjets gekämpft hatten und nun das
Terror-Netzwerk al-Qaida aufbauten und Ausbildungslager
im Land unterhielten.
Anhänger bin Ladens steuerten am 11. September 2001
drei Passagierflugzeuge ins
New Yorker World Trade Center und ins Washingtoner Verteidigungsministerium Pentagon. Knapp 3000 Menschen
starben. Erstmals in ihrer Geschichte rief die Nato den
Bündnisfall aus.
Die USA betrieben den Sturz
der Taliban und machten sich
mit der Operation „Enduring
Freedom“ – „Dauerhafte Freiheit“ – an die Verfolgung der alQaida-Terroristen. Doch dann
verzettelte sich die Regierung
von US-Präsident George W.
Bush mit ihrem umstrittenen
Angriffskrieg gegen den Irak.
Seit Ende 2001 versucht die
Staatengemeinschaft, in Afghanistan staatliche Strukturen zu schaffen, gesichert von
der „International Security Assistance Force“, kurz ISAF.
Am 22. Dezember 2001 billigte der Bundestag die deutsche ISAF-Beteiligung – nach
Diskussionen, denn dies ist ein
„friedenserzwingender“ Einsatz. Im Gedächtnis bleibt ein
Zitat des Verteidigungsministers Peter Struck: „Die Sicherheit Deutschlands wird auch
am Hindukusch verteidigt.“
12
Frankenberg
Freitag, 1. Juni 2012
Aufklärer „auf Augenhöhe mit Kampftruppen“
Aus der Geschichte der Frankenberger Garnison – achter Teil: das Bataillon für Elektronische Kampfführung in Nordafghanistan
Das Frankenberger Kontingent wird für den
Schutz der Friedenstruppe
immer unverzichtbarer.
von dr. karl schilling
Frankenberg. Frieden mit den
„Kreuzzüglern“ aus dem christlichen Westen? Undenkbar!
Frauenrechte und Bildung für
alle? Verrat an der „reinen Lehre“, die sich die islamistischen
Extremisten zum Schrecken
vieler Islam-Gelehrter zusammengebastelt haben: Die Taliban kehren nach ihrer Vertreibung 2001/02 mit Unterstützung aus Pakistan schleichend
nach Afghanistan zurück. Sie
bekämpfen die Pläne der Weltgemeinschaft, aus dem Bürgerkriegsland wieder einen funktionierenden Staat zu machen –
der im Idealfall nach demokratischen und rechtsstaatlichen
Prinzipien arbeitet. Was das Volk
will, zumal die Frauen, interessiert die fanatischen Krieger schon gar
nicht. Ihnen
geht es um Unterwerfung unter das, was sie
für „den“ Islam
halten. – Der
Anschlag auf
die Frankenberger Fernmelder am 7.
Juni 2003 ist
als Fanal des
Schreckens
ganz nach dem
Geschmack der Taliban: Sie wollen die Friedenstruppe ISAF mit
möglichst spektakulären Attentaten aus Afghanistan herausbomben – so wie die Rote Armee der Sowjets, die 1989 abziehen musste.
Die ISAF-Kommandeure denken schnell um: Sie versuchen,
ihre Soldaten trotz des Kampfauftrags besser zu schützen. Damit ändert sich auch der Auftrag
der Frankenberger AufklärungsKompanie in Kabul: „Das Bild
der Mission änderte sich zunehmend“, beschreibt der Chef des
ersten Kontingents und heutige
Bataillons-Vize, Oberstleutnant
Meik Kotthoff: „Der Stellenwert
des Force-Protection-Gedankens wurde zum Schwerpunkt
unserer Arbeit.“
Ein Abzug erscheint undenkbar, die Staatengemeinschaft
will die Afghanen nicht schon
wieder im Stich lassen. Das Land
soll kein „verlorener Staat“ werden wie Somalia, wo abrückende UNO-Blauhelmtruppen 1995
ein Chaos hinterlassen haben.
Stattdessen beschließt der
UN-Sicherheitsrat im Oktober
2003, den ISAF-Einsatz schrittweise auf weitere Teile des Landes auszuweiten. Überall in den
Provinzen sollen „Provincial Reconstruction Teams“ aufgebaut
werden, kurz PRT. Sie sollen
ähnlich wie in Bosnien und im
Kosovo den Wiederaufbau wirtschaftlicher, politischer und sozialer Strukturen unterstützen
und militärisch schützen. Mädchenschulen gewinnen dabei
eine besondere Symbolkraft.
Noch im selben Monat billigt
der Bundestag den Einsatz von
450 Soldaten in der Provinzhauptstadt Kunduz im Norden.
Sie übernehmen das dortige
„Wiederaufbauteam“ von den
USA. Ihr Lager liegt mitten in
der Stadt. Die Bundeswehr wird
freudig begrüßt, Patrouillen gehen über Marktplätze, Soldaten
verschenken Spielzeug an Kinder, helfen beim Aufbau von
Schulen und Krankenhäusern,
Brücken und Straßen.
Doch die Gefahr in der ehemaligen Taliban-Hochburg ist
nicht gebannt. Deshalb werden
schon Ende November die ersten vier Frankenberger Soldaten
mit mobilem Aufklärungsgerät
in die Stadt verlegt – ihr Auftrag: der Schutz der ISAF-Truppen. Am 17.
März 2004 beginnt für sieben Soldaten
des
Kabuler
Kontingents
der
dauerhafte Einsatz
in
Kundus,
2005
erhalten sie zusätzliches hochmodernes Gerät. Wegen der
sich verschärfenden Sicherheitslage wird
das Feldlager auf eine Hochebene am Flughafen verlegt.
Im Juli 2004 treffen erste deutsche Soldaten in der Stadt Feyzabad im Nordosten ein, um
auch in der Provinz Badakhstan
ein „Wiederaufbauteam“ zu bilden. Für sie wird Ende 2005 ein
weiterer Zug Frankenberger
Aufklärer aus der Kabuler Kompanie dauerhaft abgestellt.
Mit dem achten Kontingent
geht im Juni 2005 erstmals eine
Eloka-Frau in den ISAF-Einsatz:
Feldwebel Kathrin Fliessbach.
Wenige Monate später wird die
ISAF erneut umgebaut: Zum 1.
Juni 2006 übernimmt Deutschland die Führung des neu geschaffenen Regionalkommandos Nord, das für die Sicherheit
in neun Provinzen zuständig ist.
Ist das Frankenberger Bataillon
für Elektronische Kampfführung bislang federführend beim
Stellen von Personal und Gerät, wird nun auch das Schwester-Bataillon in Nienburg eingebunden. Im Juni 2006 übernehmen die Kameraden die Aufklärung für das PRT in Kundus.
Und am 19. Juni beginnt das
elfte Kontingent aus Frankenberg mit der Verlegung der Aufklärungs-Kompanie von Kabul
nach Mazar-e Sharif, dem Sitz
des Regionalkommandos Nord.
Am Flughafen der Stadt wird ab
Das „Camp Marmal“ der Bundeswehr nahe der nordafghanischen Stadt Mazar-e Sharif ist der Sitz des deutschen Regionalkommandeurs und der „Kompanie für Elektronische Kampfführung in Afghanistan“, in der die Frankenberger ihren Dienst verrichten.
August das „Camp Marmal“ für
rund 1000 Soldaten aufgebaut
– das größte Feldlager der Bundeswehr im Ausland.
Trotz aller Anstrengungen: Die
Sicherheitslage spitzt sich weiter
zu, immer mehr Taliban sickern
aus Pakistan ein, sie verbrennen Schulen und terrorisieren
Stämme. Im offenen Kampf haben sie keine Chance gegen die
ISAF, deshalb verlegen sie sich
auf Anschläge. Eine Spezialität:
Sprengfallen an Straßen, die per
Funk ferngezündet werden.
Das macht die Frankenberger
zu noch gefragteren Fachleuten:
Eine Komponente ihrer Elektronischen Kampfführung ist die
Störung feindlicher Funkverkehre – sie können verhindern, dass
Sprengungen ausgelöst werden. Seit 2008 verfügen sie vor
Ort über Fuchs-Panzer mit entsprechendem Spezialgerät. „Ab
sofort waren in Mazar-e Sharif und Kundus diese Fahrzeuge
zum Schutz der Patrouillen unterwegs“, berichtet Kotthoff.
Zweiter Anschlag
Doch gegen Fanatismus hilft
auch Technik nicht: Am 16. November 2008 sprengt sich ein Islamist nahe der Stadt Baghlan
mit einem Auto in die Luft, als
ein Konvoi der Bundeswehr vorbeirollt. Auch ein Fuchs-Panzer
des Frankenberger Kontingents
wird beschädigt, ein Soldat des
Bataillons wird schwer verletzt,
ein weiterer leicht. Auch mehrere Zivilisten müssen ins Krankenhaus, darunter Kinder.
Gerade die Straße von Kundus
nach Kabul liegt im Visier der
Aufständischen. Umso wichtiger wird die Aufklärungsarbeit,
die die Frankenberger für den
deutschen Regionalkommandeur leisten: Sie lieferten „Beiträge zur Lageverdichtung und
Operationsführung“, erläutert
Am 16. November 2008 sprengt sich ein Islamist in die Luft, auch dieser Fuchs-Panzer des Frankenberger Kontingents wird beschädigt. Zwei Soldaten sind verletzt.
Foto: Burgwald-kaserne
ein Offizier. „Die Ergebnisse
der EloKa waren ein besonders
wichtiger Faktor, um die teilweise prekäre Lage richtig einzuschätzen“, erklärt Kotthoff.
So ziehen sich zermürbende
Kämpfe über Monate hin, die
Zahl der Toten steigt. Mehrere Staaten wie die USA und
Deutschland erhöhen ihre Kontingente, die Bundeswehr richtet Außenposten ein und bringt
immer mehr Gebiete unter ihre Kontrolle, und sie hat offenbar lokale Verbündete gewonnen. Doch einen entscheidenden Durchbruch gibt es nicht.
ISAF und Islamisten starten immer neue Offensiven.
Mitte 2010 werden die Aufklärer in Kunduz und Feyzabad mit
der Kompanie in Mazar-e Sharif zur „Kompanie für Elektronische Kampfführung in Afghanistan“ zusammengefasst, abgekürzt „EloKaKp Afghanistan“.
Sie verfügt über rund 100 Soldaten, die mit ihren inzwischen
25 gepanzerten Fahrzeugen in
enger Abstimmung mit den beiden ISAF-Kampfbataillonen der
Bundeswehr über das gesamte Einsatzgebiet im Norden verstreut agieren.
Insofern stehe die Kompanie
seit vielen Jahren auf Augenhöhe mit der kämpfenden Truppe, berichtet ein Hauptmann
aus Frankenberg. Mittlerweile hätten ihre Soldaten 14 Gefechtsmedaillen verliehen bekommen. Wegen ihres Einsatzwillens, ihres Mutes, ihrer Professionalität und Kreativität genieße die Kompanie ein hohes
Ansehen bei allen Verbänden im
Einsatzland, betont Kotthoff.
Partnering-Konzept
Große Hoffnungen setzt die
ISAF auf ihr Partnering-Konzept, das die amerikanischen
Generäle David H. Petraeus und
James F. Amos schon im Dezember 2006 entwickelt haben. Sie
fordern eine verstärkte Ausbildung afghanischer Soldaten, die
im Verbund mit ISAF-Truppen
Kampferfahrung sammeln und
dann Zug um Zug die alleinige
Verantwortung für die Sicherheit im gesamten Land übernehmen sollen. „Übergabe in
Verantwortung lautet das Leitmotiv der deutschen Afghanistanpolitik“, erklärt auch die
Bundesregierung. „Besondere
Bedeutung hat dabei der Aufbau
einsatzbereiter
afghanischer
Sicherheitskräfte. Auch die Bundeswehr engagiert sich dabei.“
Bis Ende 2014 sollen die internationalen Kampftruppen
abgezogen werden, dann sollen nur noch Ausbilder die Afghanen unterstützen. Auch die
Bundeswehr bereitet bereits ihren Rückzug vor. Erste Außenposten sind an die afghanische
Armee übergeben, im Juni 2011
hat sie das Kommando über Mazar-e Sharif übernommen.
Fraglich ist, ob die Strategie
aufgeht, ob Afghanistan eine
neue Perspektive erhält. Zwar
berichten heimgekehrte Frankenberger Soldaten von sehenswerten Fortschritten beim Aufbau im Norden. Dennoch erscheint die Lage im Land unklar.
Die Stimmung ist offenbar teilweise umgeschlagen.
Dem Volk Arbeit und Bildung
zu geben, waren die zentralen
Aufgaben, denen gesellschaftliche Reformen hätten folgen
können. Doch getan hat sich
seit 2002 zu wenig. Manch Amerikaner hat die „Brunnen bohrende“ Bundeswehr für ihr Engagement belächelt. Doch heute rächt sich bitter, dass ihr Präsident George W. Bush das „Nation Building“ viel zu lange vernachlässigt hat, den Aufbau von
Staat und Wirtschaft, die spürbare Verbesserung der Lebensbedingungen in Afghanistan.
Enttäuschte Hoffnungen
Nachdem sich ihre Hoffnungen
auf ein besseres Leben nicht erfüllt haben, wenden sich einige
enttäuscht ab vom Westen, die
Feindseligkeiten von Afghanen
gegen Ausländer mehren sich.
Auch die Luftangriffe auf Zivilisten zeigen da ihre Wirkung.
Und die Patriarchen gewinnen
wieder die Oberhand, die jede
„westliche“ Reform ablehnen.
Erst vor wenigen Tagen hat Präsident Hamid Karzai für sie ein
Gesetz angekündigt, das eine
Ehefrau faktisch zur Sexsklavin
ihres Mannes degradiert.
Die Regierung Karzai versinkt
in Korruption und Vetternwirtschaft und versucht krampfhaft,
durch Kungeleien mit Stammesführern zu überleben. Außerdem laufen Verhandlungen
über die Beteiligung „gemäßigter Taliban“ an der Macht – offen bleibt, ob sich die Islamisten damit begnügen würden. –
Auch der Aufbau von Polizei
und Nationalarmee erleidet
Rückschläge, der Bildungsgrad
der Uniformierten bleibt niedrig, ihr Sold ist gering und fließt
unregelmäßig, immer wieder
desertieren ganze Einheiten
mitsamt ihren Waffen. Und seit
sich die USA auf einen Truppenabzug bis Ende 2014 festgelegt
haben, sehen sich die Taliban
erst recht im Aufwind.
Die Verantwortung an Einheimische zu übergeben – diese
Strategie haben die Amerikaner
schon in Vietnam und im Irak
praktiziert. Sonderlich erfolgreich waren sie nicht. Aber sie
hatten ihre Truppen nach Hause gebracht. Offenbar hat sich
auch die Berliner Politik vom
Credo Peter Strucks verabschiedet, Deutschlands Freiheit werde am Hindukusch verteidigt.
Chancen für Afghanistan
Scheitert Afghanistan erneut?
Auch das ist nicht ausgemacht.
Es gibt auch genügend Afghanen, die ihre von der ISAF gesicherten Freiheiten zu schätzen
wissen, die sich nicht erneut
von den Taliban drangsalieren
lassen wollen. Und mit jedem
Jungen, mit jedem Mädchen
mit abgeschlossener Schulausbildung wächst die Chance,
dass die Islamisten scheitern.
Dass doch noch ein neuer afghanischer Staat heranwächst.
Nur: Auch dieser Konflikt wird
letztlich politisch entschieden,
nicht militärisch. Und im Idealfall entscheiden allein die Afghanen über ihre Zukunft.
Die Frankenberger Soldaten
mögen manchen Anschlag vereitelt und manch Leben gerettet haben, sie mögen Lob und
Auszeichnungen wie 2004 den
„NATO Annual Unit Award“ für
ihre Arbeit erhalten haben – ob
ISAF zum Erfolg wird, liegt trotz
ihrer Leistungen nur bedingt in
ihrer Hand. Aber klar ist auch: Es
wird nicht der letzte Auslandseinsatz für die Aufklärungsfachleute aus der Burgwald-Kaserne
gewesen ein. Fortsetzung folgt.
Mit gepanzerten „Dingos“ begleiten die Frankenberger Aufklärer heute die ISAF-Truppen bei Patrouillen.
Fotos: archiv
13
Frankenberg
Sonnabend, 9. Juni 2012
Zivilisten stellen Betrieb in der Kaserne sicher
Aus der Geschichte der Frankenberger Garnison – Neunter Teil: das Aufgabenspektrum der Bundeswehrverwaltung
Für 31 Jahre versorgte die
Frankenberger Standortverwaltung die Truppe in
der Burgwald-Kaserne.
von Dr. karl schilling
Frankenberg. „Ohne Mampf
keinen Kampf“, pflegten Rekruten über Generationen zu sagen, wenn sie im Mannschaftsspeisesaal zur Essensausgabe oder im Manöver zur Gulaschkanone im Gelände zogen.
Doch mit der Truppenküche
ist es nicht getan: Die Versorgung der Soldaten muss an 365
Tagen im Jahr umfassend gesichert sein, und dazu zählen
nicht nur genügend Kartoffeln
und Karotten in der Küche – die
Bandbreite reicht von der Munition fürs Standardgewehr „G 36“
über den Schreibtischstuhl für
Auswerter oder Kommandeur,
frische Bettwäsche in der Stube und die Uniformen bis zum
Heizöl für die zahlreichen Gebäude der Burgwald-Kaserne.
Griechen oder Italiener könnten ein Liedchen davon singen:
Ohne funktionierende Verwaltung läuft
in einem Staat
nichts rund.
Und so benötigt auch die
Truppe
ihre
Fachleute im
Hintergrund,
die dafür sorgen, dass im
Winter genügend warme
Socken
vorhanden sind,
das Dach der
Mannschaftsunterkünfte dicht
ist und mittags ein abwechslungsreiches Essen auf dem
Tisch steht: Bis 2007 waren das
die zivilen Beamten und Angestellten der Standortverwaltungen, eine von ihnen hatte von
Anfang 1962 bis Ende 1993 ihren Sitz in Frankenberg.
Auch wegen der Erfahrungen
aus der Weimarer Republik mit
der Reichswehr als „Staat im
Staate“ sollte die Bundeswehr –
wie in Teil 1 dargestellt – der demokratischen Kontrolle unterliegen. Aus diesem Leitgedanken heraus wurde im März 1956
im neu eingefügten Artikel 87b
des Grundgesetzes eine eigenständige Wehrverwaltung festgeschrieben, die von den Kommandostrukturen der Streitkräfte getrennt arbeiten sollte:
„Die
Bundeswehrverwaltung wird in bundeseigener
Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt. Sie
dient den Aufgaben des Personalwesens und der unmittelbaren
Deckung
des
Sachbedarfs der Streitkräfte.“
Im Bonner Verteidigungsministerium als oberer Ebene
wurde für die Versorgung der
Truppe bis 1956 ein Bundeswehr-Ersatzamt aufgebaut, das
1962 zum Bundeswehr-Verwaltungsamt umgegliedert wurde.
Für große Rüstungsprojekte trat
1958 das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung hinzu.
Als mittlere Ebene entstanden
sechs regionale Wehrbereichsverwaltungen, denen vor Ort
flächendeckend die Standortverwaltungen und 109 Kreiswehrersatzämter untergeordnet
waren. Die Zahl der Standortverwaltungen wuchs von 145 im
Jahr 1959 auf 207 im Jahr 1966.
Dann ging die Zahl leicht zurück: 1971 waren es noch 195,
aber 1989 nur noch 184.
Auch für die mehr als 1000
Soldaten der Burgwald-Kaserne war eine eigene Standortverwaltung vorgesehen. Nach
dem Erlass des damaligen Ministers Franz Josef Strauß wurde sie zum 1. Februar 1962 eingerichtet. Zunächst standen nur
gemietete Räume bei Balzers in
der Röddenauer Straße zur Verfügung – „eine Lösung, die nicht
sehr befriedigend war und wegen der räumlichen Enge kein
Dauerzustand sein konnte“,
schreibt der spätere Leiter Werner Stück 25
Jahre danach.
Am 20. November 1962 war
der erste Spatenstich für einen 2,4 Millionen Mark teuren
Neubau
oberhalb der
Berufsschule. Im Winter
1962/63 folgte
der Baubeginn,
am 15. Dezember 1964 das
Richtfest fürs
Lager. Im Dezember 1965 zogen
die Mitarbeiter in die neuen Büros ein und nahmen das Lager in
Betrieb, und am 7. Februar 1966
wurden die neuen Gebäude feierlich übergeben.
Jeder Wehrpflichtige der Garnison hat sie kennengelernt: In
der Kleiderkammer erhielt er
zu Dienstbeginn seine Ausrüstung: 120 Einzelteile vom Barett bis zum Kampfstiefel, vom
Sport-Shirt bis zum Handtuch,
vom Stahlhelm bis zum ABCSchutzanzug, vom Klappspaten
bis zum Essbesteck. Wert pro
Rekrut: rund 2300 Mark.
Für Ausbesserungen und Änderungen standen Schneider
und Schuhmacher mit eigenen
Werkstätten bereit. Die Reparaturen an Stiefeln und Halbschuhen übernahmen 1962 für mehr
als zwei Jahrzehnte drei waldeckische Schuhmacher in einer
Arbeitsgemeinschaft.
Auch die Versorgung der Großküche stellte die Standortverwaltung sicher. Allein 1988 hat
sie für rund 1,2 Millionen Mark
Lebensmittel beschafft – siehe
den Kasten. Den Bedarf habe
die Standortverwaltung halbjährlich ausgeschrieben oder
„in freihändiger Vergabe“ auf
dem regionalen Markt gedeckt,
Im Lager der Standortverwaltung traf die Verpflegung für die
Soldaten ein, mit Lastwagen wurde sie in die Kaserne gebracht.
An der Königsberger Straße oberhalb der Berufsschule entstand zwischen 1962 und 1965 die neue Standortverwaltung für die
Burgwald-Kaserne – links liegt das Verwaltungsgebäude, rechts das Lager, heute die Regenbogenschule.
Fotos: Burgwald-kaserne
hält Stück fest. Die „StoV“ stellte
zudem ziviles Personal, das an
der Seite der Feldköche stand.
Auch fürs Inventar zeichnete die Standortverwaltung verantwortlich. Ob Schreibtisch,
Spind oder ein Regal fürs Aufklärungsgerät – der Bezug und
falls erforderlich die Reparatur
lief über die zivilen Mitarbeiter. Sie gaben Reinigungsmittel,
Toilettenpapier und Bettzeug
aus, sie kümmerten sich darum,
dass die Technik funktionierte,
dass Wasser und Strom beständig flossen, Benzintanks gut gefüllt und Kühlgeräte und Notstromaggregate liefen. Auch für
die Hygiene gerade in der Küche
waren sie verantwortlich.
Gebäude unterhalten
Eine weitere wichtige Aufgabe
war der Unterhalt der Gebäude und die Pflege des immerhin knapp 200 Hektar großen
Geländes. Vermögenswert 1989:
rund 57 Millionen Mark – also
etwa 26 Millionen Euro. So gehörten auch Schlosser, Schreiner, Elektriker und verschiedene Bauhandwerker zum Team.
Hinzu kamen Gärtner, Kanalarbeiter und andere Fachleute.
Für sie waren besondere Werkstätten eingerichtet. So manch
Auftrag ging aber an heimische
Unternehmer und Handwerker.
Immer größeren Raum nahmen im Laufe der Zeit der Umweltschutz und die effiziente Energienutzung ein. Wie berichtet, besteht aber noch erheblicher Investitionsbedarf in
der Kaserne. Auch die Heizzentralen wurden modernisiert –
sie liefen bis 1985 zum Teil noch
mit Koks, seitdem werden nur
noch Öl und Gas verfeuert.
Die Verwaltung beglich nicht
nur die Rechnungen heimischer
Unternehmer, die Aufträge erhalten hatten: Sie war auch zuständig für die Auszahlung der
Löhne und Gehälter aller Bun-
deswehrangehöriger. Und sie
gewährte Zuschüsse für den
Wohnungsbau oder auch für
den Bau von Straßen und kommunalen Einrichtungen. Auch
das mache den bedeutenden
Wirtschaftsfaktor Bundeswehr
gerade in strukturschwachen
Gebieten aus, betont Stück.
Zum 25-jährigen Bestehen
1987 verzeichnet Stück um die
100 Beschäftigte: 14 Beamte, 16 Angestellte und 66 Arbeiter, Frauenanteil: 29 Prozent.
Hinzu kamen zwölf Lehrlinge –
zehn angehende Verwaltungsfachangestellte und zwei künftige Elektroinstallateure. 23 Angestellte waren als Küchenpersonal beschäftigt. Die Standortverwaltung war damals in vier
Sachgebiete aufgeteilt:
l Verwaltung,
l Lagerbetrieb,
l technischer Betriebsdienst
und Betriebsschutz,
l Küchenbetrieb.
Der Zuschnitt änderte sich
später etwas. Das gute Betriebsklima zeigte sich auch durch die
Gründung einer eigenen Bläsergruppe, die etwa bei Feldgottesdiensten spielte.
Kreisvolkshochschule ein. –
Die Versorgung und Betreuung
der Kaserne übernahmen zunächst die knapp 450 Beschäftigen in Stadtallendorf, als auch
ihre Standortverwaltung um
2002 geschlossen wurde, wurde
bis Ende 2008 die in Mengeringhausen zuständig.
Die Umstrukturierungen liefen indessen weiter. Zum 31.
Dezember 1999 schlossen das
Depot in Oberasphe und die
Standortvermittlung in der Kaserne. Im Januar 2004 trafen die
ersten silbern lackierten Fahrzeuge des neuen BundeswehrFuhrpark-Services ein.
Anfang 2007 folgte die nächste Reform: Die verbliebenen
Standortverwaltungen
wurden in 59 Bundeswehr-Dienstleistungszentren zusammenge-
fasst. In sie wurde auch die bisher getrennt arbeitende Truppenverwaltung eingegliedert.
Heute gibt es in der oberen
Ebene des Verteidigungsministeriums die beiden Sparten Territoriale Wehrverwaltung und
Rüstung, die mittlere Ebene bilden die nur noch vier Wehrbereichsverwaltungen – Hessen
gehört zur Region West mit Sitz
in Düsseldorf. Ihnen unterstellt
sind die Dienstleistungszentren – für Frankenberg ist das in
Homberg/Efze zuständig.
Die Wege mögen somit länger geworden sein als früher,
aber die zivilen Mitarbeiter halten den Fachleuten für Elektronische Kampfführung auch weiter den Rücken frei für ihre eigentlichen Aufgaben: die militärischen.
Fortsetzung folgt.
Das Ende der „StoV“
Doch die Tage der Einrichtung waren gezählt: Nach der
deutschen Einheit 1990 wurde
die Truppe wie berichtet deutlich verkleinert, damit war auch
weniger Verwaltung erforderlich. Zwar entging die Kaserne den seitdem in Wellen laufenden Standortschließungen,
doch ihre Verwaltung überlebte
nicht: Zum 1. Januar 1994 wurde
sie geschlossen. Werner Stück
schraubte als letzte symbolische Handlung das Schild mit
dem Bundesadler von seinem
ehemaligen Bürogebäude ab.
Das Lager baute der Kreis 1995
für rund 8,2 Millionen Mark zur
Regenbogenschule aus, ins alte Verwaltungsgebäude zog die
In großen Bottichen wurde Mitte der 1960er-Jahre das Essen für
die mehr als 1100 Soldaten der Kaserne zubereitet.
Uniformausgabe an die neuen Rekruten: in den 1980er-Jahren in
der Kleiderkammer der Standortverwaltung.
Hintergrund
Truppe als Wirtschaftsfaktor
F
ür Standortbroschüren listete der Leiter der Standortverwaltung Werner Stück
auf, welche Rolle die Garnison auch für die Wirtschaft des
Frankenberger Landes hatte:
l Lebensmittel: 1988 hat die
Standortverwaltung rund 1,2
Millionen Mark für die Versorgung der etwa 1000 Mann starken Truppe aufgewendet:
l 28 .000 Mark für Fleisch und
Wurst,
l 82 000 Mark für Backwaren,
l 835 000 Mark für andere Lebensmittel von Gemüse und
Obst bis zu Eiern.
Aufstellung der Mengen:
rund 20 000 Kilo Brot, 273 000
Brötchen, 40 000 Stücke Kuchen und Gebäck, 90 000 Eier,
44 000 Kilo Wurst und Fleisch,
3700 Kilo Fisch, 2800 Kilo Geflügel, 45 000 Liter Milch,
38 000 Kilo Gemüse und Obst,
31 000 Kilo Kartoffeln, 4200 Kilo Reis und Nudeln, 3900 Kilo
Marmelade, Honig und Nougatcreme. Vieles wurde aus der
Region bezogen.
l Bauten: 1986 haben die
Standortverwaltung und das
Arolser Staatsbauamt Aufträge in Höhe von 1,3 Millionen
Mark an Handwerker aus der
Region vergeben.
Die Heizzentralen mit ihrer
Leistung von rund fünf Megawatt wurden für 3,5 Millionen
Mark modernisiert.
Die Stadtwerke haben 1,2
Millionen Mark für Strom,
Wasser, Abwasserbeseitigung
und Müllabfuhr erhalten.
146 000 Mark erhielten Firmen für die Gebäudereinigung, 100 000 Mark für die
Reinigung von Bekleidung.
Den Wert der fünf Frankenberger Liegenschaften der
Bundeswehr – von der Kaserne
bis zum Übungsplatz und dem
Schießstand – gibt Stück 1986
mit 53 Millionen Mark an.
12
Frankenberg
Sonnabend, 16. Juni 2012
Schattenbataillone, Fahrlehrer und Wallmeister
Aus der Geschichte der Frankenberger Garnison – Zehnter Teil: aufgelöste und verlegte Einheiten in der Burgwald-Kaserne
In der Kaserne haben früher mehrere Einheiten neben den Fernmeldern ihren Dienst verrichtet.
von dr. karl schilling
Frankenberg. Knapp eine halbe Million Uniformierte der
Bundeswehr standen bis Ende der 1980er-Jahre als Berufsund Zeitsoldaten und als Rekruten ständig unter Waffen. Im
Ernstfall wären durch die Einberufung von Reservisten bis
zu 1,3 Millionen Mann mobilisiert worden. Für ihren Einsatz
mussten bereits in Friedenszeiten Strukturen geschaffen und
Gerät eingelagert werden. Auch
in der Burgwald-Kaserne waren deshalb Einheiten stationiert, die erst bei einem Krieg zu
voller Mannschaftsstärke aufgestockt worden wären:
Das Sicherungsbataillon 28
H
at der Gegner Sabotagetrupps ins Hinterland der
Bundeswehr
eingeschleust?
Drohen Anschläge auf lebenswichtige Einrichtungen, auf die
Kaserne oder auf den Edersee?
Das sollte das Sicherungsbataillon verhindern. Sein Auftrag:
die eigene Truppe schützen und
wichtige Objekte bewachen.
Unterstellt war es der 2. Panzergrenadierdivision in Kassel, die
1994 aufgelöst wurde.
In Friedenszeiten war nur ein
Hauptfeldwebel im Dienst, dem
einige zivile Mitarbeiter unterstanden. Erst im Verteidigungsfall wären bis zu 600 Reservisten aus ganz Nordhessen mobilisiert worden, ihre Geräte und
ein Teil ihrer Fahrzeuge standen
in der Burgwald-Kaserne. Alle
zwei Jahre wurden Reservisten
zu Übungen einberufen.
Auch in der Kaserne hätten
sie von den Fernmeldern den
Wachdienst übernehmen können – die zu großen Teilen spezialisierten Fachleute für die
militärische Aufklärung sind im
Fachdienst besser eingesetzt als
im Formaldienst. Das gilt übrigens auch heute: Fürs Wacheschieben gibt es heute wieder
einen zivilen Dienst – wie zuvor
schon bis Juli 1980.
Das Lazarett 7441
A
uch die Ausstattung für ein
komplettes Lazarett lagerte
von Februar 1984 bis 1996 in der
Kaserne. Die „Geräteeinheit“
war dem Sanitätsregiment 74
in Mainz unterstellt. In Frie-
Ausbildung am technischen Gerät der Fernmelder: Rekruten der Instandsetzungsausbildungskompanie 11/III erlernen Aufbau und Funktion.
Foto: Burgwald-kaserne
denszeiten gab es nur eine kleine Gruppe Soldaten und ziviler
Mitarbeiter für die Verwaltung
und die Wartung. Das Kommando hatte ein Oberfeldwebel.
Im Verteidigungsfall wäre die
Einheit auf bis zu 180 Reservisten aufgestockt worden – Fachleute, von Ärzten bis zu Krankenpflegern. Dann hätten 200
Betten bereitgestanden, die in
Kasernen oder Schulen aufgestellt worden wären. Ein
Oberstabsarzt der Reserve hätte
die Leitung übernommen.
Auch Operationsräume wären
eingerichtet worden. Schwerpunkt der Arbeit sollte die chirurgische Erstbehandlung Verwundeter sein. Außerdem sollten Verletzte so lange gepflegt
werden, bis sie wieder einsatzfähig waren. Bei Bedarf wäre eine „Schleuse“ aufgebaut worden, in der Patienten nach Angriffen mit atomaren, biologischen oder chemischen Waffen
dekontaminiert worden wären.
Alle drei Jahre gab es Mobilmachungsübungen, außerdem
besuchten die Reservisten zur
Fortbildung regelmäßig Fachlehrgänge, die als Wehrübungen gewertet wurden. Nach der
deutschen Einheit und der Verkleinerung der Truppe durch die
Reform der „Heeresstruktur 5“
wurde die Geräteeinheit 1996
aufgelöst.
E
in ähnliches System der Aufstockung praktizierten auch
die Amerikaner. Sie lagerten in
Depots in der Bundesrepublik
schweres Gerät wie Panzer und
Aus der Arbeit des Wallmeistertrupps in Mengeringhausen:
Amerikanische Offiziersanwärter üben an einer Straße in Waldeck-Frankenberg das Laden eines Sprengschachtes mit ZwölfKilo-Übungssprengkörpern.
Foto: heiner Fobbe
Der Wallmeistertrupp
Neun Sperrarten unterschieden die den Pionieren zugeordneten Fachleute. Die Bandbreite reichte von Sprengschächten
in Straßen und Brücken bis zu
Fallsperren aus dickem Beton,
die auf die Fahrbahn kippten. Es
gab aber auch Straßenschächte,
in die Eisenträger gesteckt worden wären.
Die Vorrichtungen wurden
beim Bau gleich mit berücksichtigt, deshalb waren die Wallmeister in die Planungen und
in Wartungsarbeiten eingebunden. Zum Zweiten sollten sie
durch ihre Kenntnisse des heimischen Geländes den verbündeten Truppen
den Vormarsch
erleichtern
und Tipps geben. Sie kannten
Furten
durch Flüsse
oder geeignete
Lagerplätze
für
Einheiten und führten stets aktualisierte Karten. In Frankenberg waren zwei Pionierfeldwebel
und ein ziviler Kraftfahrer stationiert, die dem Verteidigungsbezirkskommando 44 in Kassel
unterstellt waren.
Im „Außendienst“ wurden sie
mit ihrem zivilen Transportfahrzeug oft mit der Straßenmeisterei verwechselt – was den
Soldaten nicht ungelegen kam.
Auch in der Mengeringhäuser
Prinz-Eugen-Kaserne war ein
Trupp stationiert.
Nach der deutschen Einheit
und dem Zerfall des Warschauer Paktes 1990/91 wurden die
Züge aufgelöst. Die 85 Sprengschächte in Waldeck-Frankenberger Straßen wurden mit Beton aufgefüllt.
S
Instandsetzungsausbildungskompanie
Lastwagen sowie Munition und
andere Ausrüstung, die Truppen wären aber erst im Spannungsfall aus den USA eingeflogen worden. Dies wurde regelmäßig geübt, diese Großmanöver ab 1969 trugen den Namen
„Return of Forces to Germany“,
kurz „Reforger“.
Die Sanitätsgruppe
F
ür die medizinische Versorgung der Soldaten in der Kaserne gab es eine Sanitätsgruppe unter der Leitung eines Truppenarztes. Sie war dem Bataillon
unterstellt und verfügte über eine Krankenstation mit 17
Betten
und
mehrere eigene
Sanitätsfahrzeuge, sodass auch die
mobile Versorgung des Bataillons
bei
Übungen gesichert war.
Außerdem
war die dreiköpfige Zahnarztgruppe
413/2 in Frankenberg stationiert. Sie wurde
bei der Umgliederung des Bataillons zum Regiment zum Jahresende 1998 aufgelöst, seitdem
war das neue Standort-Sanitätszentrum in Fritzlar für die Kaserne zuständig.
2001 wurde der Sanitätsdienst
des Heeres in den Zentralen Sanitätsdienst als eigenständiger
Organisation der Bundeswehr
überführt. Er hat heute eine Sanitätsstaffel in der Kaserne stationiert, die dem Standortsanitätszentrum in Stadtallendorf
unterstellt ist. Sie umfasst auch
eine Zahnarztgruppe .
o, wie sich die Fernmelder
bei ihrer Aufklärungsarbeit
ungern über die Schulter blicken ließen, so arbeitete auch
der Wallmeistertrupp 441/9 in
der Burgwald-Kaserne am liebsten geheim.
Der Name geht zurück auf die
Zeiten des großen Festungsbaus
im 16. und 17. Jahrhundert, als
gewaltige Bollwerke vor dem
Beschuss durch Kanonen schützen sollten. Im Kalten Krieg sollten die Wallmeister im Ernstfall den Vormarsch feindlicher
Truppen behindern – indem sie
ihm die Verkehrswege sperrten.
Auch in wichtigen Straßen
durch
Waldeck-Frankenberg
waren
Sprengvorrichtungen
eingelassen, die Abdeckungen
sahen aus wie Gully-Deckel. Bei
einem Vormarsch feindlicher
Truppen hätten die bautechnisch versierten Wallmeister die
Straßen in die Luft gesprengt.
Der Standortmusikzug in der Burgwald-Kaserne bestand von
1987 bis Anfang der 1990er-Jahre.
Heeres aus. Hinzu kamen Offiziersanwärter für die technische
Truppe der Instandsetzung in
der Fachrichtung Elektronik.
Die Gesamtstärke lag bei etwa
220 Mann.
Bereits 1975 wurde die Kompanie dem Instandsetzungsbataillon 310 in Koblenz unterstellt, entsprechend änderte sich
ihre Bezeichnung in Instandsetzungsausbildungskompanie
6/III. 1981 folgte die nächste
Namensänderung zu Instandsetzungsausbildungskompanie
11/III. Bis Ende 1993 wurde sie
nach Montabaur verlegt.
Fahrschule in der Kaserne
O
b Auto, Lastwagen oder
Panzer – wer ein Fahrzeug
der Bundeswehr bewegen wollte, benötigte eine besondere
„Dienstfahrerlaubnis“ – auch
wenn er schon einen „zivilen“
Führerschein besaß. Deshalb
bestand eine eigene Fahrschule
in der Kaserne, zahlreiche Soldaten haben sie durchlaufen. Im
November 1988 hat sie den 7000.
Führerschein ausgehändigt. Die
„Dienstfahrerlaubnis“ konnte
zu einem „zivilen“ Führerschein
umgeschrieben werden. Davon
profitierten übrigens auch die
heimischen Feuerwehren: Für
größere Fahrzeuge ist der LkwFührerschein erforderlich, den
Reservisten oft genug nach ihrer Dienstzeit mitbrachten. Anfang der 1990er-Jahre wurde die
Fahrschule im Zuge der Verkleinerung und Umstrukturierung
der Truppe aufgelöst, seitdem
läuft die Schulung an zentralisierten Standorten. Die Frankenberger Soldaten besuchen
bundesweit Fahrlehrgänge, die
Kraftfahrgrundausbildung gehört fest zum Ausbildungsplan
für Unteroffiziere und Offiziere,
weitere Spezialkurse folgen.
Der Standortmusikzug
K
eine offizielle Einheit, aber
durchaus ein Werbeträger für die Bundeswehr war der
Standortmusikzug, den zwei
musikbegeisterte Soldaten 1987
zum 25-jährigen Bestehen der
Garnison gegründet hatten.
Die Leitung hatte der spätere
stellvertretende Kommandeur
Oberstleutnant Schäfer.
Im Bataillon fanden sich weitere Soldaten, die Instrumente beherrschten, sodass schnell
eine 20-köpfige Big Band heranwuchs. Im Mai 1988 gab sie ein
großes Wohltätigkeitskonzert in
Hallenberg. 1989 hatte sie Auftritte beim Hessentag in Frankenberg. Doch schon Anfang
der 1990er-Jahre wurde der Musikzug wieder aufgelöst. Auch
einen Soldatenchor gab es.
K
eine Aufklärung ohne gutes
Gerät – und das will gewartet und bei Bedarf repariert werden. Damit es immer genügend
Techniker für diese wichtige Aufgabe gab, wirkte über zwei Jahrzehnte eine Instandhaltungsausbildungskompanie in der
Burgwald-Kaserne. Sie lieferte
den „Nachwuchs“ an „Fernmeldebetriebs- und Fernmeldeinstandsetzungssoldaten“.
Aufgestellt wurde sie 1963 in
Koblenz als siebte Kompanie
des Fernmeldebataillons 310.
1966 wurde sie in Fernmeldeausbildungskompanie 6/III umbenannt, 1974 nach Frankenberg verlegt und dem Bataillon
320 unterstellt.
Sie bildete pro Quartal bis zu
165 Rekruten in der Instandsetzung von Fernmeldegerät des
Die Fahrlehrer der Burgwald-Kaserne Mitte der 1980er-Jahre –
oben: Jörg Richter, davor von links der bereits verstorbene
Heinz-Otto Huneck neben Peter Steuber. Davor: Martin Isken
und Martin Dobbers. Links außen: Burkhard Müller, rechts außen Helmut Drath. Vorne: Wolfgang Klein und Otto Kniefeld.
Fahrschulleiter war Oberleutnant Ernst Schmidt.
Foto: pr