Der Bote - Das Rauhe Haus

Transcrição

Der Bote - Das Rauhe Haus
Ich dein baum
Du hast mich geträumt gott/wie ich den aufrechten gang übe/
und niederknien lerne/schöner als ich jetzt bin/
glücklicher als ich mich traue/freier als bei uns erlaubt/
Hör nicht auf mich zu träumen gott/ich will nicht aufhören mich zu erinnern/
dass ich dein baum bin/gepflanzt an den wasserbächen /des lebens/
Der Bote
Berichte aus der Brüder- und Schwesternschaft
des Rauhen Hauses
Dorothee Sölle
Dienende Gemeinschaft
Lampedusa in Hamburg Seite 19
Einsegnungen und Aufnahmen Seite 55
Nr. 2 | Dezember 2013 | 102. Jahrgang
au f e i n wo rt
Der Bote 2/2013
titelbi ld
Festessen zur Einsegnung September 2013
Es ist schon zur lieben Tradition geworden:
Schwestern und Brüder in blauer Schürze servieren unter fachkundiger Anleitung das Festessen für die neuen Geschwister und ihre
Gäste. Stellvertretend hier zu sehen sind die
Schwestern Birgit Dethlefs, Katharina Seiler
und Helen Joachim. Darum an dieser Stelle an
alle helfende Hände ein dickes Dankeschön!
licht
Mache dich auf,
werde licht,
denn dein Licht kommt
und der Glanz Gottes
strahlt über dir auf.
Jesaja 60,1
Liebe Schwestern, liebe Brüder!
„Mach dich auf und werde licht ...“ Ein
großer Auftrag. Er muss erfüllt werden,
muss in den Terminkalender eingeplant
werden. Es muss überprüft werden, wer
an der Erfüllung mit beteiligt werden
kann. Das ist nicht nur mir vertraut: losrennen, an allen Schaltern regeln, die
Lichter grell und strahlend aufblenden.
Da ist es kein Wunder, dass ein kleines Wort beinahe verloren geht. Fast unscheinbar, ein altes Wort: licht. Mit einem
kleinen „l“. Es trägt einen hellen, leichten Klang. Der lichte Schein, transparent,
zart. Wohltuend.
Der große Auftrag verliert seine Aufforderung, die sagen lässt: „Hilfe, wie soll
ich das auch noch schaffen“? Das kleine
Wort wird zur Ermutigung, licht-durchlässig und hell-hörig zu sein: „... denn
dein Licht kommt und der Glanz Gottes
strahlt über dir auf“.
Das kleine „l“ führt uns zum großen „L“
dem Geschenk Gottes, zu seinem strahlenden Glanz, der uns umgibt. Werde
licht! Ganz einfach und wunderbar!
Ein Bruder im Herzen ist
mir dabei Matthias Claudius
(1740–1815):
Und so leuchtet die Welt
langsam der Weihnacht
entgegen.
Und der in Händen sie hält,
weiß um den Segen!
Der Bote steckt voller lichter Ein- und
Ausblicke: zum Beispiel im Bericht über
eine persönliche Glaubensgeschichte
(Seite 38), den Erfahrungen in der Gemeinschaft auf Reisen und bei Konvikttrefffen und im Engagement für die
Flüchtlinge in Hamburg (von Seite 19).
Mit zwei Artikeln zum Themenbereich
diakonischer Identität (ab S. 6) setzen
wir den im letzten Boten begonnen Diskurs fort. Besonders froh sehen wir auf
zwanzig Schwestern und einen Bruder
(S. 55), die wir im September in unsere
Gemeinschaft aufgenommen haben.
Für die langen Abende seid ihr also gut
mit Lektüre versorgt.
Ich wünsche euch lichte Weihnachten
und ein gesegnetes, frohes, neues Jahr.
Eure
Claudia Rackwitz-Busse
3
i n ha lt
Der Bote 2/2013
Der Bote 2/2013
i n h a lt
Das bringt der neue Bote:
DAS THEM A
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6 Gemeinsam macht Sinn, sichert Qualität
Dienstgemeinschaft und diakonische Identität
von Bernd Seguin
13 Kultur gestalten
Zum Führungsverständnis diakonischer Einrichtungen
von Volker Krolzik
aus deM ÄLTESTENRAT
34 365 Tage neuer Ältestenrat
Persönlicher Zwischenbericht von Tabea Fiebig
aus dem R au h en Haus
36 180 Jahre Das Rauhe Haus
aus deR HOCHSCHULE
aus der gemei nsc haft
19 Ihr sollt die Fremden lieben … (5. Mose 10,19)
von Niclas Rabe
21 „Lampedusa in Hamburg“
Dietrich Gerstner
24 Gemeinschaftlich auf Weltreise
Konvikt Schleswig Holstein Süd/Altona
von Gesa Borek
26 Die visionäre Kraft der Psalmen
Konviktwochenende Niedersachsen
von Doris Paland
28 Irgendwann laufen die Beine von alleine
Lauf zwischen den Meeren Mai 2013
von Annette Spiegel
29 Solidarisch leben
Oktobertreffen des Konvikts Rheinland-Westfalen 2013
von Renate und Hans-Joachim Kirchhefer
30 Von der Hallig bis nach Haithabu
Unsere Senioren auf „Nordreise“
von Ulf Porrmann
32 Herrnhut, Görlitz und viel Geschichte
Klassentreffen des Jahrgangs 1961/62
von Bruder Gunter Hell
37 Neuer Studiengang an der Evangelischen Hochschule
AnstöSSe
38 Sich nähern und berührt werden – Ein- und Ausblicke zum Diakonischen
Blockseminar „Glaubensbekenntnis“ im November 2012
von Henriette Liebmann
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44
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67
persön lic h es
Ein Nachruf für Erika Peters – Unterwegs sein im Leben von Reinhard Förtsch
Ein Nachruf für Rudi Müller von Norbert Mieck
Ein Nachruf für Gerd Rölleke von Walter Hamann
Ein Nachruf für Dr. Dieter Dreisbach von Gert Müssig
„Die Nordkirche braucht Sie!“ – Grußwort zur Aufnahme und Einsegnung 2013
von Wolfgang von Rechenberg
Unser Einsegnungs- und Aufnahme-Jahrgang 2013 mit Assistentinnen und
Assistenten sowie Theologinnen der Evangelischen Hochschule
Jubiläen
Geburtstage
Persönliches
Te r mi n e
Em pfe h lu n ge n
I mpr e ssum
5
DAS THE M A
Der Bote 2/2013
Dienstgemeinschaft und diakonische Identität
geben Auskunft über Wirklichkeit, Einstellungen und Veränderungsnotwendigkeiten.
Pastor Prof. Dr. Gerhard Wegner, Direktor des Sozialwissenschaftlichen
Instituts der EKD, hat die vier Untersuchungen ausgewertet, analysiert und interpretiert4. Eines seiner Fazits, in meinen
Worten: Kirche muss sich für die Gesellschaft öffnen, Profil(e) entwickeln und
leben, Identität vermitteln, Offenheit
fördern und keinesfalls Menschen durch
formale Kriterien ausgrenzen. Ein solches
Kriterium ist die formale Kirchenzugehörigkeit.
Für die Kirchentheoretikerin Uta PohlPatalong steht fest, „Kirche muss akzeptieren, dass Menschen selber definieren,
welches Verhältnis sie zur Kirche haben.“ 5
„Glaube ist zur Option geworden“, so
der ehemalige Ratsvorsitzende der EKD,
Altbischof Prof. Dr. Wolfgang Huber, zum
Auftakt des ersten Nordkirchen-Kongresses Ende des diesjährigen Septembers in
Schwerin.
Wie wahr diese Feststellung ist, beweist die Mitgliederentwicklung in den
evangelischen Landeskirchen. Waren
1950 noch 60 % der Deutschen, Mitglied
einer evangelischen Landeskirche, so sind
es nach der aktuellen EKD-Statistik 2010
noch 30 % gewesen. Schaumburg-Lippe
ist mit 61,4 %1 die absolute Ausnahme.
Angesichts dieser Zahlen wiesen Eicken
und Schmitz-Veltin2 bereits 2010 darauf
hin, dass diese Entwicklung gepaart mit
Glaube ist zur Option geworden.
Kirche muss sich inhaltlich profilieren,
für die gesamte Gesellschaft öffnen, inklusiv werden und arbeiten, Gemeinden
müssen aktive Mitglieder und Player im
jeweiligen Sozialraum sein, neue Formen
und Strukturen schaffen, die binnenkirchliche Konzentration aufgeben.
Dies gilt selbstverständlich ebenso für
die Diakonie.
Ohne Profil, Identität und Werte kann
ein diakonisches Unternehmen nicht arbeiten und sich am Markt behaupten.
Es geht darum, einen USP (Unique Selling Proposition = Alleinstellungsmerkmal) zu entwickeln und zu positionieren,
um die Erkennbarkeit der Identität also.
Diakonische Identität und Dienstgemeinschaft
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Der Bote 2/2013
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
diakonische Identität und Dienstgemeinschaft – zwei unterschiedliche
Perspektiven habt ihr im letzten Boten dazu gelesen. Wir als Redaktion hatten
euch eingeladen, darüber zu diskutieren, Fragen zu stellen, Position zu beziehen.
Zwei Beiträge haben uns erreicht. Zwei Brüder aus unterschiedlichen beruflichen Zusammenhängen beschreiben ihr Verständnis von diakonischem Eigensinn und Dienstgemeinschaft.
Wir wünschen eine anregende Lektüre!
Eure Redaktion
Gemeinsam macht Sinn, sichert Qualität
dem demografischen Wandel wesentliche Auswirkungen auf die Kirche und deren soziale (meint diakonische) Angebote
haben wird.
Neben dem Schwund von Mitgliedern
leidet die evangelische Kirche ebenfalls
unter einem rapiden Vertrauensverlust.
In der vierten Erhebung der EKD über Kirchenmitgliedschaft3 wird berichtet, das
Vertrauen in die Kirchen ist vergleichbar
mit dem in die Politik und den Banken.
Diakonie und Caritas gelten dagegen als
höchst vertrauenswürdig, vergleichbar
mit Polizei, Militär und Feuerwehr.
Die
Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen waren und sind seit 1974 so etwas wie ein strategischer Kompass, sie
DAS THE M A
Dies wäre für mich z. B., den christlichen
Sinnzusammenhang durch die fachlich
hoch qualifizierte Arbeit des Unternehmens darzustellen. Das setzt normative
Führung und eine gute Diskurskultur voraus.
Offenheit durch Profil ist das Ziel für
Kirche (und Diakonie), wie es Martin Abraham begründet und beschreibt.6
Soweit einführend einige Rahmenbedingungen und Ziele.
Ganz bewusst habe ich mich dafür entschieden, in diesem Beitrag sehr viel zu
zitieren. Damit möchte ich deutlich machen und dokumentieren, wie intensiv
über diese Thematik diskutiert wird.
Zur Dienstgemeinschaft
„Der Begriff der Dienstgemeinschaft wird
für eine theologische oder rechtliche Begründung oder Grundlegung der besonderen arbeitsrechtlichen Formen kirchlich-diakonischer Arbeit (Dritter Weg)
gern angeführt. Er ist dafür aber ganz ungeeignet. Er hat nämlich keine besondere
kirchlich-diakonische Herkunft, sondern
stammt aus der allgemeinen deutschen
Verwaltungssprache, wahrscheinlich im
Nationalsozialismus.“7 Wie Pfarrer Prof.
Dr. Dierk Starnitzke, Vorstandsvorsitzender des Wittekindshof, sehe ich ebenfalls
keinerlei tragfähige theologische Begründung für eine solche arbeitsrechtlich
definierte Dienstgemeinschaft.
Der
Begriff
Dienstgemeinschaft
kommt tatsächlich aus der Nazi-Zeit,
genau aus dem „Gesetz zur Ordnung
7
DAS THE M A
8
der Arbeit in öffentlichen Betrieben und
Verwaltungen“ aus dem Jahr 1934. In der
Nachkriegszeit diente der Begriff primär
dem Schutz der Landeskirchen in der DDR
gegenüber ihrer Regierung und Verwaltung, auch keine theologische Begründung.
Dabei ist unbestritten, dass es durchaus inhaltlich fundierte, aus christlicher
Überzeugung geprägte Dienstgemeinschaften gab und gibt. Ich habe von 1978
bis 1984 in einer solchen gearbeitet. Im
Diakonischen Werk Hamburg waren zu
jener Zeit die meisten Schlüsselpositionen mit Diakoninnen und Diakonen
besetzt, damit war Profilbildung und die
Festlegung gemeinsamer Ziele von der
Altenhilfe über die Obdachlosen- und
Beratungsarbeit, Suchthilfe, Schwangerschaftskonfliktberatung, Mutter-KindHeime bis hin zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit möglich. Diskursiv aber meist
konsensual, einem Ziel verpflichtet – Diakonie ist Kommunikation des Evangeliums. Dabei hatten wir jede Menge unterschiedliche Auffassungen über das Wie
– und das war gut so. Basis war damals
die gemeinsame christliche Glaubensüberzeugung.
Kirchenmitgliedschaft
war nicht lästige Pflicht, sie war selbstverständlich. Das hat sich grundlegend
geändert.
Heute haben wir eine bunte Koalition
der Verschiedenen, wie Matthias Nauerth schreibt.8 Das war Ende der Siebziger
des vorigen Jahrtausends ganz anders,
damals galten andere Selbstverständ-
Der Bote 2/2013
lichkeiten und Rahmenbedingungen.
Unstrittig ist die Konfessionsbindung
eine historische Wurzel caritativer und
diakonischer Unternehmen. Kein Wunder, sind doch diese Unternehmen, Werke, Stiftungen oft auf Initiative einzelner
oder mehrerer Menschen (z. B. Wichern,
Sengelmann) entstanden, die durch ihre
Konfession geprägt waren. Konfession
ist in diesem Zusammenhang aber als
Bekenntnis, als Glaubensüberzeugung,
zu verstehen – und nicht als formale Kirchenzugehörigkeit.9 Entscheidend sind
für mich die normativen Werte und vereinbarten Ziele (ein gemeinsam entwickeltes Leitbild z. B.). Diese müssen sich
an den Grundaussagen des christlichen
Glaubens orientieren. Gerhard Wegner:
„Das kirchliche Arbeitsrecht muss sich
mithin im Vergleich zum Arbeitsrecht
unmittelbar an einem christlichen Verständnis der Arbeitswelt, wie es sich aus
Bibel und Tradition gewinnen lässt, normativ orientieren.“10
Dierk Starnitzke empfiehlt bei der Diskussion um die Gestaltung des kirchlichen Arbeitsrechts die konsequente
Konzentration auf biblische Quellen und
kommt zu dem Schluss: „Trotz des erheblichen zeitlichen Abstandes von fast
2.000 Jahren ist gerade im evangelischen
Kontext aufgrund des in der Reformation
geprägten Selbstverständnisses für alle
wesentlichen Überlegungen zum Spezifikum kirchlich-diakonischen Handelns ein
Bezug auf biblische Quellen anzuraten.
Das erfordert eine permanente Aktuali-
Der Bote 2/2013
sierung der Texte. Welche rechtliche und
organisatorische Form die einzelnen diakonischen Institutionen dabei für ihre Arbeit auch immer wählen, sie sollten diese
als Konkretisierung des oben beschriebenen inneren Beweggrundes des christlichen Glaubens verstehen und auch erläutern können – etwa gegenüber Gerichten
und Kirchenleitungen. Deshalb haben
ja fast alle diakonischen Träger und Verbände zu Recht in ihren grundlegenden
Dokumenten (z. B. Satzungen) dies als ihr
Selbstverständnis formuliert. Sich daran
zu orientieren und die eigenen Aktivitäten bewusst als Konsequenz eines solchen Selbstverständnisses im Sinne eines
normativen Managements zu gestalten,
wäre wesentlich überzeugender als die
eher diffuse Verwendung des nebulösen
Begriffes Dienstgemeinschaft.“11
So reizvoll es an dieser Stelle wäre, die
Frage von Inklusion und Exklusion, auch
von inklusiven und exklusiven Strukturen
von Kirche, Diakonie, diakonischem Handeln, Mitarbeitenden-Auswahl oder die
Bedingungen einer interreligiösen und
interkulturellen Öffnung etc. zu diskutieren, es ist nicht der Ort dazu. Auch wenn
es eigentlich dazugehört.
Diakonische Unternehmen und Stiftungen haben Verantwortung für Klient_innen, Patient_innen, Bewohner_innen, Schüler_innen, Studierende, etc. und
gleichermaßen Verantwortung für ihre
Mitarbeitenden. Betrachten möchte ich
hier aus der Perspektive des Arbeitgebers
– als stellvertretender Vorsitzender des
DAS THE M A
Stiftungsrats und Hauptausschusses der
Evangelischen Stiftung Alsterdorf (ESA)
– die Verantwortung für die Mitarbeitenden.
Selbstverständlich haben diese einen
Anspruch auf ein auskömmliches Einkommen und gute Arbeitsbedingungen.
Eine Messlatte hierfür sind Tarifverträge.
Fast jedes größere diakonische Unternehmen hat mehrere geltende Tarifverträge, je nach Aufgabenbereich z. B. den
KTD, für Mitarbeitende im Reinigungswesen den für diesen Arbeitsbereich gültigen, gleiches gilt für Mitarbeitende in
der Gastronomie, in einer Gärtnerei oder
der Landwirtschaft, im Facility-Management usw. Die Begründung hierfür liegt
in den unterschiedlichen Anforderungen,
verschiedenen Branchen und Geschäftsfeldern, den Erstattungsmöglichkeiten
und der wirtschaftlichen Konkurrenzsituation.
In der ESA arbeiten rund 6.200 Mitarbeitende – knapp 1.300 sind Menschen
mit Handicaps. Alle Mitarbeitenden
werden nach dem jeweils zutreffenden
Tarif bezahlt. Bei aller Konkurrenz auf
dem Sozialmarkt – was nicht sein darf
ist, der Ausstieg diakonischer Unternehmen aus der Tarifbindung. Dies würde
den Grundsätzen einer christlichen Ethik
widersprechen und vermindert keinesfalls die Konkurrenzsituation. Die tariflich vereinbarten Entgelte sind im diakonischen, sozialen, pflegerischen und
therapeutischen Bereich (z. B. Logopädie,
Ergo- oder Physiotherapie) ohnehin sehr
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knapp bemessen. Deswegen ist es eine
Verpflichtung der Arbeitgeber, die jeweiligen Tariferhöhungen konsequent mit
den Kostenträgern zu verhandeln.
Dabei können Koalitionen mit Gewerkschaften sehr sinnvoll sein, deswegen
bedauere ich, dass es in der ESA einen so
geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrad gibt. Das schwächt gewerkschaftliches Handeln. Grundsätzlich bin
ich für eine Tarifpartnerschaft und Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, sie
sind verlässliche und kompetente Partner.
Ein gemeinsamer Tarifvertrag der
Wohlfahrtsverbände würde uns alle stärken. Dies setzt allerdings voraus, dass
Diakonie und Caritas als konfessionelle
Verbände auf die ACK-Klausel verzichten.
Als ausgesprochen sinnvoll und hilfreich erlebe ich in der ESA, dass vier von
den Mitarbeitenden gewählte Vertreter_innen stimmberechtigte Mitglieder
in dem 18köpfigen obersten Aufsichtsgremium, dem Stiftungsrat, sind. Eine
Vertreterin der Mitarbeitenden wurde
ebenfalls in den fünfköpfigen Hauptausschuss gewählt. So ist sichergestellt, dass
Mitarbeitende bei sämtlichen Grundsatz-, Strategie-, Konzept- und Finanzentscheidungen sowie als Partner_innen
in einem normativen Führungsprozess
beteiligt sind. Das schafft Transparenz
und Vertrauen und die Voraussetzungen
für die Bildung einer Wertegemeinschaft,
die zusammen das Diakonische entdecken und gestalten wollen. Was immer
das dann ist.
Der Bote 2/2013
In diakonischen Unternehmen und
Stiftungen müssen Normen, gemeinsame Werte, Identität und Profile11 entwickelt werden. Das Proprium der Diakonie
ist die Qualität und Professionalität ihrer
Arbeit, geleistet von fachlich fundiert arbeitenden Mitarbeitenden in einer Wertegemeinschaft. Es geht um Qualität
und Sinn.13 Dies ist auch die Chance, den
christlichen Sinnzusammenhang diakonischer Arbeit deutlich zu machen.
Abschließend zu dem Punkt Dienstgemeinschaft: Für mich ist das überhaupt
kein zeitgerechter, geschweige denn
zukunftsfähiger Weg, sondern lediglich
ein tradierter und inhaltsleerer Begriff.
Sämtliche Definitionsversuche treffen
weder die Wirklichkeit noch die Anforderungen diakonischer Arbeit, es wird ignoriert, dass die Mitarbeitenden schon lange keine Glaubensgemeinschaft mehr
sind (wenn es denn jemals so umfassend
war, wie heute vermutet).
Qualifizierte und fachlich fundierte
professionelle Arbeit in der Diakonie ist
nur durch die von Nauerth beschriebene
Koalition der Verschiedenen mit gemeinsam definierten Werten und Zielen zu erreichen.
Dabei kann angesichts der Säkularisierung und unserer gesellschaftlichen Realität die formale Kirchenzugehörigkeit
als Einstellungsvoraussetzung keine Rolle mehr spielen. „Evangelisches Kirchenverständnis weiß um die Grenzen einer
Verkirchlichung des Glaubens; es bezieht
sich ausdrücklich auch auf die Dimensio-
Der Bote 2/2013
nen eines öffentlichen und eines individualisierten Christentums.“14
Das Verbindende und Gemeinsame
der Mitarbeitenden in der Diakonie ist
ihre Fachlichkeit und die professionelle
Kompetenz. Matthias Nauerth hat das
ausführlich und treffend dargestellt.15
Zur Bildung einer Wertegemeinschaft,
der gemeinsamen Entwicklung von Werten, Normen, Zielen und einer (Unternehmens-) Identität, bedarf es einer normativen Führung, bzw. eines normativen
Managements.16 Es gibt verschiedene
Ansätze und Theorien zum normativen
Management. Die von mir präferierte
stammt aus St. Gallen.17
Mit Pastor Prof. Dr. Hanns-Stephan
Haas, Vorstandvorsitzender der ESA, teile ich die Einschätzung, in der Diakonie
wird zu häufig mit der Fiktion (vielleicht
ist es ja auch ein Axiom) gearbeitet, die
geleistete Arbeit würde von Christ_innen
unter einem gemeinsamen institutionellem Dach erbracht; mit folgender Konsequenz: das Besondere (= diakonische)
dieser Leistung würde dabei durch die
individuelle Identität konstituiert. Eine
unzulässige Engführung. Die Identität eines diakonischen Unternehmens, die gemeinsame Erarbeitung eines Profils, der
Aufbau einer Wertegemeinschaft, also
das Erreichen einer gemeinsamen Sichtweise, das Erlangen von Handlungsfähigkeit – kann nur durch eine Diskurskultur
erstritten und vereinbart und keinesfalls
verordnet werden. Um Identität zu erreichen und zu leben ist die Unternehmens-
DAS THE M A
kultur eine entscheidende Bedingung.
Ein weiterer Faktor sind z. B. Rituale, aber
auch Gebäude und Räume.18
Funktioniert diakonische Identitätsbildung angesichts von Betriebswirtschaft, Sparzwang und Konkurrenz auf
dem Sozialmarkt?
Eindeutig ja – und sie ist unverzichtbar.
Matthias Nauerth und Michael Lindenberg, befürchten, dass die Bemühungen
um eine diakonische Profilentwicklung
oberflächlich bleiben, zu MarketingStrategien mutieren, der Inszenierung
dienen und zur Deprofilisierung führen.19
Wenn die Entwicklung der diakonischen
Identität und des Profils eines Unternehmens tatsächlich nur leere Reklame und
schnöde Inszenierung sowie nicht mehr
gemeinwohlbezogen wäre, dann stünde auf dem Etikett zwar Diakonie, in der
Arbeit würde aber normative und identitätslose Beliebigkeit herrschen, also eine
völlige Missachtung des USP und der proklamierten Corporate Identity (CI). Diese
Unternehmen würden am Markt scheitern. Denn so funktionieren die MarktMechanismen auch. Das ist ja versucht
worden, nicht nur in der Diakonie, und
meistens sehr kläglich geendet. Ich verstehe die Ausführungen der beiden Professoren der Evangelischen Hochschule
des Rauhen Hauses allerdings so, dass
sie davor warnen, entweder neuen Wein
in alten Schläuchen anzubieten (Markus
2,22) – oder den christlichen Sinnzusammenhang einer im Kontext diakonischer
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DAS THE M A
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Unternehmen falsch (oder gar nicht) verstandenen Ökonomisierung zu opfern.
Selbstverständlich müssen sich diakonische Unternehmen auf dem Markt
behaupten, gegen Konkurrenten durchsetzen – mit fachlicher Kompetenz,
professionellem Handeln, in einer Wertegemeinschaft, die mit Identität und
profiliert dem Nächsten und der Fernsten
die gewünschte und notwendige Begleitung, Hilfe oder Assistenz anbietet.
Anders gesagt: „In unüberbotener Formulierung hat die biblische Tradition den
Der Bote 2/2013
Zusammenhang von ethischen Anspruch
und ökonomischer Rationalität auf den
Punkt gebracht. Er steht für eine Perspektive, die sich in keinen Kontextveränderungen erledigen wird und gedeckt
ist durch eine mehr als 3000-jährige Geschichte: ‚Gerechtigkeit erhöht ein Volk’
(Sprüche 14,34).“20
Bernd Seguin
Stellvertretender Vorsitzender des
Stiftungsrats und Hauptausschusses der
Evangelischen Stiftung Alsterdorf
An mer ku ngen
EKD Kirchenmitgliederzahlen am 31.12.2010, EKD Nov. 2011
Joachin Eicken, Ansgar Schmitz-Veltin, Die Entwicklung der Kirchenmitglieder in Deutschland,
Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 6/2010
3
KIRCHE UND HORIZONT DES LEBENS, 2003, S. 12
4
Gerhard Wegner, 50 Jahre dasselbe gesagt?, Text aus dem SI, 2011
5
Uta Pohl-Patalong, Interview im Kirchentags-Magazin 4/11, S. 14
6
Martin Abraham, Evangelium und Kirchengestalt – Reformatorisches Kirchenverständnis heute, 2007
7
Dierk Starnitzke, Horizonte, März 2012
8
Matthias Nauerth, Der Bote, Juni 2013, S. 12
(Auf die Formulierung von Matthias Nauerth bin ich echt neidisch, nun muss ich ihn immer zitieren.)
9
Hanns-Stephan Haas, Konfessionsbildung als Identitätsmerkmal, unveröffentlichtes Manuskript 2013
10
G. Wegner, Zur Zukunft glaubwürdiger Arbeitsbeziehungen in Kirche und Diakonie, Hannover 2010, S.6
11
Dierk Starnitzke, Horizonte, März 2012
12
Lesenswert zum Thema diakonisches Profil ist das Blog diakonisch.wordpress.com/2013/02/05/
diakonisches-profil-neues-dossier-und-einige-notizen von Martin Horstmann.
13
Dazu auch Matthias Nauerth, www.ev-hochschule-hh.de/fileadmin/user_upload/downloads/Personen/
Bunte_Koalition_statt_Glaubensgemeinschaft.pdf
14
Rat der EKD: Kirche der Freiheit. Perspektiven für die evangelische Kirche im 21. Jahrhundert,
Hannover 2006, S.34
15
Matthias Nauerth, Der Bote 1/2013, S 12 ff
16
Matthias Benad in: H.-S. Haas/U. Krolzik (Hrsg.), Diakonie unternehmen, Stuttgart 2007, S. 35 f
17
de.wikipedia.org/wiki/St._Galler_Management-Modell
18
Hanns-Stephan Haas, Konfessionsbindung als Identitätsmerkmal, unveröffentlichtes Manuskript,2013
19
Matthias Nauerth, Michael Lindenberg, Diakonische Identität auf dem Markt, These 5
www.ev-hochschulehh.de/fileadmin/user_upload/downloads/Personen/Diakonie_und_Markt.pdf
20
Hanns-Stephan Haas, Unternehmen für Menschen – Diakonische Grundlegung und
Praxisherausforderungen, Stuttgart 2012, S. 19
1
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Kultur gestalten
Zum Führungsverständnis diakonischer Einrichtungen
Vorbemerkung
Die Diakonie des 21. Jahrhunderts hat vielfältige Gestaltungsformen. Drei lassen
sich – trotz vorhandener Schnittmengen
und fließender Übergänge – beschreiben:
Gemeindediakonie, Verbandsdiakonie
und Unternehmensdiakonie.
Unter der Gemeindediakonie sind wohl
auch die zahlreichen diakonischen Initiativen in Quartieren oder einzelnen Regionen zu subsummieren. Mit der Unternehmensdiakonie sind häufig diakonische
Gemeinschaften verbunden, die ich in die
nachfolgenden Überlegungen ausdrücklich einbeziehe, da sie m. E. wesentliche
Kulturträger sind oder sein können. Meine Führungserfahrung bezieht sich auf
diakonische Unternehmen und Gemeinschaften, weshalb auch dieser Beitrag
auf diese fokussiert ist.
Diakonische Unternehmungen befinden sich in einem dynamischen Wandel,
der im Wesentlichen in sich rasch verändernden Rahmenbedingungen der folgenden vier Dimensionen begründet ist:
Demografie, Technologie, Globalisierung
und Säkularisierung. Das stellt Führungskräfte vor neue Herausforderungen und
erfordert ein verändertes Führungsverständnis.
Demografie
Wir wissen, dass die Nachfrage nach
sozialen Dienstleistungen in den kommenden Jahren erheblich steigen wird.
Gleichzeitig werden in den diakonischen
Unternehmen viele Mitarbeitende, die
in den 1970er Jahren begonnen haben,
ausscheiden. Diese Zahl erhöht sich noch
einmal durch frühzeitiges Ausscheiden
in besonders belastenden Berufen, zum
Beispiel der Pflege. Diese demografische
Entwicklung fordert von Führungskräften in der Diakonie, die diakonischen
Berufe attraktiv auszugestalten, die sinngebende Dimension dieser Berufe zu vermitteln und so für den dringend erforderlichen Nachwuchs zu sorgen. Gleichzeitig
müssen sie in der Lage sein, eine stark
altersgemischte Mitarbeiterschaft adäquat zu führen und gemeinsam mit den
Mitarbeitenden innovative Angebote zu
entwickeln, um auf die steigende Nachfrage zu reagieren.
Technologie
Der technologische Fortschritt verheißt
uns die Eröffnung neuer Lebenswelten
und die Erleichterung des Lebens. Durch
seine Schnelligkeit und hohe Präzision
verspricht er, menschliche Begrenzungen
auszugleichen. Auch in den Arbeitsfeldern der Diakonie spielt der technologi-
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sche Fortschritt mit seiner besonderen
Verheißungsstruktur eine große Rolle.
So wird die technische Entwicklung immer mehr eingesetzt werden, um einerseits die Versorgungsqualität zu sichern
(Dokumentation, Transparenzkriterien ...)
und andererseits die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Das gilt insbesondere
auch bei zunehmendem Personalmangel.
In der Novemberausgabe der Zeitschrift
„Zeitzeichen“ (11/2013) erklärt eine renommierte Wissenschaftlerin die steigende
Notwendigkeit von technischen Assistenzsystemen und Servicerobotern in der
Pflege. Bereits jetzt setzen wir Notrufdienste mit Bildgebungsverfahren oder
Systeme zur Sicherheit in Haushalten wie
Sturzmelder, Messfühler für die Vitalfunktionen sowie Ortungssysteme für Personen mit Orientierungsproblemen ein.
Gleichzeitig nutzen die Menschen, denen diakonische Angebote gelten, die
ihnen vertrauten technologischen Möglichkeiten der Kommunikation, um ihre
Freiheit und Unabhängigkeit zu erhalten.
Der technologische Fortschritt fordert
von Führungskräften in der Diakonie
die Kompetenz, sowohl die Angebotsentwicklung als auch den Einsatz neuer
Technologien ethisch und strategisch zu
reflektieren.
Globalisierung
Diakonische Unternehmen stehen zunehmend nicht nur mit privaten und öffentlichen Anbietern sozialer Dienstleistungen im Wettbewerb, sondern auch
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mit hochspezialisierten, häufig kostengünstigeren Trägern anderer Staaten im
geeinten Europa. Das spüren wir besonders im Krankenhauswesen und in der
ambulanten Pflege.
Einrichtungen für demenziell erkrankte
Menschen in EU-Ländern Ost- und Südosteuropas bieten ihre Dienste bereits
jetzt deutschen Nutzern kostengünstiger
an, als das hiesigen diakonischen Einrichtungen möglich ist. Ähnliches gilt für
qualitativ hochwertige Pflegeeinrichtungen in Ostasien. Es werden also auch im
Sozialbereich Arbeitsplätze in das deutlich billigere Ausland verlagert.
Auch die Gewinnung von Mitarbeitenden, vor allem von Fachkräften, hat inzwischen eine europäische bzw. globale
Dimension. Eine zunehmende Zahl gut
ausgebildeter Fachkräfte aus süd- oder
osteuropäischen Ländern ist bereits jetzt
in diakonischen Einrichtungen hierzulande tätig. Neue Fachkräfte kommen aus
Süd- und Ostasien. Beispielsweise wirbt
das zur Alsterdorf-Gruppe gehörende
Unternehmen „CareFlex“ im Internet mit
der Vermittlung von Pflegefachkräften
aus China in deutsche Pflegeheime.
Die Globalisierung fordert von diakonischen Führungskräften, dass sie diese
Entwicklungen strategisch mit bedenken, ethisch bewerten und im eigenen
Unternehmen eine kulturell, ethnisch
und religiös vielfältige Mitarbeiterschaft
führen und dieser vermitteln können,
was ein diakonisches Unternehmen
prägt und trägt.
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Säkularisierung
Traditionelle Formen der Lebensorientierung verlieren zunehmend ihre Verbindlichkeit. Die individuelle Person kann und
muss zwischen verschiedenen Lebensformen wählen und wird so zum Planer
und Gestalter der eigenen Biographie.
Das fördert einerseits Freiheit, Kreativität
und Flexibilität, ist aber auch mit einer
Abnahme sozialer Verantwortung verbunden. Die gesellschaftliche Anerkennung sozialen Helfens und diakonischer
Berufe nimmt ab. In dem Bundesland, in
dem ich derzeit lebe, wird der Ministerpräsident nicht müde zu betonen, dass
„jeder Sachse ein Ingenieursgen“ in sich
trage. Folglich werden die Förderung
von pflegerischen oder sozialen Ausbildungen vernachlässigt und soziale
Dienstleistungen im bundesdeutschen
Vergleich am schlechtesten ausgestattet
und honoriert.
Aufgrund der Säkularisierung können sich diakonische Unternehmen in
Ost- wie Westdeutschland nicht mehr
darauf verlassen, dass ihre christliche
Ausrichtung durch die Überzeugungen
der Mitarbeitenden getragen wird. Vielmehr stehen sie in der Pflicht, diese ihren
Mitarbeitenden einladend und werbend
zu vermitteln, um als Diakonie glaubwürdig zu bleiben. Hier zeigt sich meines
Erachtens eine wichtige Aufgabe diakonischer Gemeinschaften in ihren Unternehmen.
Die Vielfalt individueller Lebensstile
wollen Menschen auch dann, wenn sie
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auf Unterstützungsleistungen angewiesen sind, leben können. Insofern benötigen wir eine größere Vielfalt von Wohnund Unterstützungsangeboten.
Angesichts der Säkularisierung und
Individualisierung kommt diakonischen
Führungskräften die Aufgabe zu, soziale
Verantwortung zu stärken und vorbildhaft zu praktizieren. Sie müssen außerdem eine Mitarbeiterschaft führen, die
nicht traditionell christlich sozialisiert ist,
und die diakonische Sinnmitte des Unternehmens unabhängig von der Überzeugung der Mitarbeitenden gestalten,
vermitteln und verankern. Die Vielfalt der
Lebensstile muss in der Diakonie strategisch bedacht werden.
Kultur gestalten
Führungskräfte in der Diakonie sind deshalb in erster Linie Gestalter einer diakonischen Unternehmens- und Führungskultur. Das zeigt sich in ihren Haltungen
und Grundsätzen (stimmen diese mit
den Normen und dem Leitbild des Unternehmens überein?), vor allem aber in
ihrem Führungshandeln.
Von Führungskräften in der Diakonie
muss erwartet werden, dass sie:
– präsent sind. Führung setzt Anwesenheit, Ansprechbarkeit und Aufmerksamkeit voraus. Führungskräfte, die
sich hinter geschlossenen Bürotüren,
in Verwaltungsgebäuden verstecken
oder die Mitarbeiterkantine bzw. das
Bewohnerfest meiden, werden nicht
erfahren, was die Menschen in ihren
15
DAS THE M A
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Einrichtungen beschäftigt und wie diese über das Unternehmen denken.
– die Menschen ansehen. Jede heilvolle Beziehung beginnt mit dem Ansehen. Einem Menschen Ansehen geben,
heißt ihn als Person wahrzunehmen –
auch in dem, was er vielleicht nicht in
Worte fassen kann.
– den Menschen zuhören. Wirklich zuhören bedeutet, die eigenen Erwartungen, Vorstellungen und Übertragungen zurückzustellen und alles zu hören,
was die Person sagt – nicht nur das, was
ich gerne hören möchte. Zuhören setzt
Präsenz und Ansehen voraus.
– sich auf die Dienstgemeinschaft und
die Menschen im Unternehmen einlassen. Mitarbeitenden ist es wichtig,
dass die Führungskraft ihre Arbeitsund Lebensbedingungen kennt und
in wesentlichen Aspekten teilt. Wenn
der Chef oder die Chefin nur stundenoder tageweise von außen „einfliegt“,
wird er oder sie wohl kaum von den
Mitarbeitenden Identifikation mit der
Einrichtung und ihren Besonderheiten
erwarten dürfen. Vielmehr wird eine
solche Führungskraft den Eindruck von
Vorläufigkeit vermitteln.
– die tragenden Normen sowie Entwicklungen und Strategien, operative Ziele
und Entscheidungen kommunizieren.
Kommunikation ist die Voraussetzung
für Identifikation, Engagement und Arbeitsfreude.
– die Unternehmenskultur leben. Hier
kommen die das Unternehmen prä-
Der Bote 2/2013
genden Gottes- und Menschenbilder
sowie das Unternehmensleitbild ins
Spiel. Aus dem Leitbild abgeleitete
Führungsgrundsätze sind für alle Führungsebenen verbindlich. Es ist ein gutes Zeichen, wenn Mitarbeitende ihre
Vorgesetzten daran messen und deren
Verhalten darauf befragen.
Christliche Kultur
In vielen westdeutschen diakonischen
Unternehmen können bis heute nur
Menschen dauerhaft mitarbeiten, wenn
sie einer Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) angehören. In Ostdeutschland, wo nur noch
ein knappes Viertel der Bevölkerung Mitglied in einer Kirche ist, könnten wir eine
solche „ACK-Klausel“ gar nicht aufrecht
erhalten. Ist unsere Arbeit deshalb weniger diakonisch?
Das glaube ich nicht. Vielmehr können diakonische Unternehmen im Osten
nicht davon ausgehen, dass ihre Mitarbeitenden (ob Kirchenmitglieder oder
nicht) christlich sozialisiert und geprägt
sind. Sie müssen also ihre normativen
Grundlagen und ihre diakonische Ausrichtung deutlich beschreiben und den
Mitarbeitenden werbend und ermutigend vermitteln. Aus drei theologischen
Gründen halte ich das für den richtigen
und erfolgversprechenden Weg:
1. Der uns von Jesus als positives Beispiel
dargestellte „barmherzige Samariter“
(Lk. 10) hätte nach damaligen jüdischen
Regeln bei einer angewandten „ACK-
Der Bote 2/2013
Klausel“ keine Chance gehabt, sich an
dem Rettungsprozess für den unter
die Räuber Gefallenen zu beteiligen.
Aufgrund arbeitsrechtlicher Vorgaben
wäre er von diesem heilvollen Handeln
ausgeschlossen geblieben. Der Verletzte hätte angesichts der Gleichgültigkeit der Kirchenfunktionäre keine
Chance gehabt.
2.Im Gleichnis vom Weltgericht (Mt. 25)
fällt auf, dass diejenigen diakonisch
handeln, die das nicht aufgrund einer
theologischen Erkenntnis, sondern einfach das Notwendige und Menschengerechte tun. Die aber, die durchaus
traditionell christlich denken, denn der
Herr der Welt kann doch nicht bedürftig sein, versagen im Alltag.
3.Der Theologe Paul Tillich hat den Begriff der „Geistgemeinschaft“ geprägt.
Dieser scheint mir für die Diakonie
besonders hilfreich zu sein, weil er
verdeutlicht, dass Gottes Geist in der
Gemeinschaft von Menschen wirken
kann, unabhängig davon, ob das den
Mitgliedern dieser Gemeinschaft bewusst und von ihnen gewollt ist. David
Lohmann („Das Bielefelder DiakonieManagement-Modell“) hat die Theologie Tillichs für die heutige diakonische
Praxis erschlossen. Seine Erkenntnisse
decken sich mit meinen Erfahrungen in
diakonischen Unternehmen als „Geistgemeinschaften“ sehr unterschiedlicher Individuen.
In der Herrnhuter Diakonie bemühen wir
uns darum, allen Mitarbeitenden auf viel-
DAS THE M A
fältige Weise zu vermitteln, was Diakonie
bedeutet und was sie trägt und prägt:
zum Beispiel durch monatliche „Diakonische Vespern“ (Mitarbeiterversammlungen mit ausführlichem geistlichem
Bezug), durch verbindliche Einführungsveranstaltungen für neue Mitarbeitende
und verbindliche Seminare zur diakonischen Orientierung, durch regelmäßige
Andachten und gemeinsam gestaltete
Gottesdienste, durch Qualitätszirkel und
ethische Arbeitsgruppen. Diese Verständigungsprozesse über die diakonische Identität sind nach unserer Erfahrung deutlich
effektiver als arbeitsrechtliche Erwartungen. Und sie sind vor allem nachhaltig
wirksam. Diese zu organisieren und zu gestalten ist eine wichtige Führungsaufgabe
aller Ebenen. Dabei kann eine diakonische
Gemeinschaft helfen, wenn eine solche
im Unternehmen beheimatet ist.
Grenzen realistisch wahrnehmen
Auch in der Diakonie ist leider immer wieder zu beobachten, wie Selbstüberschätzung und Omnipotenz-Vorstellungen
nicht nur Führungskräfte in die Überforderung, sondern auch Unternehmen in
den Ruin treiben. Von Mose (2. Mose/Ex.)
können wir lernen, die eigenen Grenzen
zu erkennen und zu akzeptieren, eigene
Stärken und Schwächen richtig einzuschätzen. Beim Exodus, dem größten und
schwierigsten Unternehmen des Alten
Testaments, hat er deshalb seinen Bruder
Aaron und die Ältesten des Volkes in die
Führung eingebunden.
17
DAS THE M A
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Wer diesen selbstkritischen Blick und
den Mut zur kollegialen Zusammenarbeit auf Augenhöhe hat, wird sich auf
dem Höhepunkt seiner Karriere nicht
überschätzen und an ihrem Tiefpunkt
nicht verzagen.
Um den Spiegel der Selbsteinschätzung nicht blind werden zu lassen, wird
eine reife Führungspersönlichkeit auf
Rechthaberei verzichten, eine kritischkonstruktive Fremdeinschätzung in ihrem Umfeld fördern und jede Form von
Angstkultur vermeiden. Wohl dem Vorstand, der Leitungskollegen hat, die ihm
in Liebe die Wahrheit sagen! Auch eine
diakonische Gemeinschaft kann diese
Funktion gelegentlich in einem Unternehmen wahrnehmen.
In den vergangenen Jahren ließ sich
in zahlreichen diakonischen Unternehmen beobachten, dass es besonders
theologischen Vorständen schwerfiel,
mit anderen Disziplinen kollegial und
partnerschaftlich auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Der relativ häufige
Wechsel in diesen Funktionen findet
hierin zumindest eine Ursache. Wahrscheinlich lässt sich dieses Phänomen
dadurch erklären, dass theologische Vorstände häufig aus der verfassten Kirche
in die Führungsverantwortung eines diakonischen Unternehmens wechseln. In
der Kirche werden Pfarrerinnen und Pfarrer leider immer noch zu „solitären Leitfiguren“ sozialisiert. Wenn sie nicht über
andere berufliche Erfahrungen verfügen
und sich nicht durch entsprechende Ma-
Der Bote 2/2013
nagementstudien auf die neue Aufgabe
in der Diakonie vorbereiten, ist die Gefahr
eines Scheiterns relativ groß. D. h. nicht
jede/r, der/die in der verfassten Kirche
erfolgreich Leitungsverantwortung getragen hat, ist auch als Führungskraft
in einem diakonischen Unternehmen
geeignet. Hier ist eine besondere Verbindungskompetenz erforderlich, die
das Teilen von Verantwortung und die
vertrauensvolle Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen zum Wohle des
Ganzen befördert.
Diakonische Führungskultur
Führungskräfte in der Diakonie sind heute in erster Linie Kulturgestalter. Indem
sie Vertrauen geben und Vertrauen schaffen, Verantwortung ehrlich und umfassend delegieren und durch zuverlässige
Strukturen den Mitarbeitenden Sicherheit geben, schaffen sie eine Unternehmenskultur, in der Wertschätzung und
Respekt, Flexibilität und Kreativität, Teilhabe und Zuversicht wachsen können.
Unter diesen Bedingungen können sich
die Kompetenzen und Charismen (Geistesgaben!) möglichst vieler Mitarbeitender (unabhängig von deren Kirchenzugehörigkeit) entfalten und zur Wirkung
kommen, damit sie allen dienen (vgl.
1. Kor. 12, 4–7).
Diakon Volker Krolzik, M. A.
Theologischer Vorstand der
Stiftung Herrnhuter Diakonie und
Geschäftsführer des Christlichen Hospizes
Ostsachsen, lebt in Herrnhut
Der Bote 2/2013
au s d e r g e m e i n s c h a f t
Ihr sollt die Fremden lieben … (5. Mose 10,19)
„Die Not ist unglaublich, die Situation unfassbar,“ stellt Schwester Constanze Funck
(25) sachlich fest, sie ist die Koordinatorin der Nordkirche für das Projekt „Lampedusa in Hamburg“. Diakonin Constanze Funck begleitet und betreut die rund 300 Lampedusa-Flüchtlinge in Hamburg. Dazu gehören auch die 80 Männer, die als Gruppe in
der St.-Pauli-Kirche Obdach sowie humanitäre Hilfe gefunden haben und seit Wochen
bundesweit Schlagzeilen machen.
Für die 25-Jährige ist Not weit mehr als
wirtschaftliche Armut. „Die wirkliche Not
der Flüchtlinge ist die Aussichtslosigkeit.
Unter lebensgefährlichen Bedingungen
sind sie dem Krieg und Terror in Libyen
entflohen. In der Hoffnung, irgendwo in
Europa ein neues Leben leben zu können.
Hier aber erfahren sie Abweisung, sind
nicht willkommen und einer formalen
Rechtsstaatlichkeit ausgeliefert.“ Mit
ihren Worten formuliert die Diakonin
vergleichbar wie Papst Franziskus in Lampedusa: „Das Gefühl der brüderlichen
Verantwortlichkeit ist verloren gegangen“.
Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus
Schneider und der stellvertretende Vorsitzende der katholischen Deutschen
Bischofskonferenz, Hildesheims Bischof
Norbert Trelle, sagten Anfang November
bei einem Besuch in Jordanien: Angesichts der Tatsache, dass in Jordanien eine
halbe Millionen Syrer aufgenommen
worden sind, sei die Debatte in Deutschland „nahezu peinlich“.
Für Schwester Constanze Funck ist es
unfassbar, wie restriktiv in Hamburg mit
den Flüchtlingen umgegangen wird. „Paragraphen statt Menschlichkeit erleben
die Fremden, die für uns Christen und
Christinnen unsere Nächsten sind und
hier eine neue Heimat suchen.“ Besonders in St. Pauli erfahren die Flüchtlinge
sowie die haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden sehr viel Akzeptanz, Hilfe
und eine breite Unterstützung durch Vereine, Kirchengemeinden, die Nachbarschaft und die gesamte Nordkirche.
Aus Angst vor einem Präzedenzfall –
und gegen die Voten der Kirchen, von
Wohlfahrtsverbänden und Flüchtlingsorganisationen – handelt der SPD-Senat
jedoch rein formal, nicht politisch. Damit
vergibt er die Chance eines Kurswechsels
in der Flüchtlingspolitik. Denn die Stadt
hätte, da sie auch Bundesland ist, durchaus rechtliche Möglichkeiten, das Asylverfahren an sich zu ziehen, Bleiberecht
zu gewähren. Dafür hat sich z. B. Markus
Löning (FDP), der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, ausgesprochen. Selbst das Bundesinnenministerium hat mehrfach auf Hamburgs
Souveränität in diesem Fall verwiesen.
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aus der gemei nsc h aft
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Sehr viel Erfahrung mit Flüchtlingen
hat auch die Hamburger Bahnhofsmission. „Flüchtlinge und Migration, das
bewegt die Bahnhofsmission Hamburg
seit fast 120 Jahren“, sagt Diakon Axel
Mangat (38). Menschen die europa- und
weltweit unterwegs sind, um das Leben
neu zu beginnen, sind seit jeher Gäste
der Bahnhofsmission. Sie hat allerdings
eine ganz andere Rolle und Funktion als
die Mitarbeitenden im Lampedusa-Projekt der Nordkirche. Die Bahnhofsmission ist grundsätzlich für alle Menschen in
Not da.
In der Flüchtlingsarbeit wird eng mit
den Fachleuten des Flüchtlingszentrums
oder der EU-Anlaufstelle kooperiert.
„Wenn sich Gäste entscheiden, Hamburg
zu verlassen, weil sich ihre Hoffnungen
hier nicht erfüllt haben, dann organisieren wir ihre Heimreise. Wenn nötig begleiten wir sie auch“, erklärt Bruder Axel
Magnat. „Wichtig ist, die Entscheidung
mit den Betroffenen sowohl in Ham-
Der Bote 2/2013
burg gut vorzubereiten als auch die Anschlusshilfen an den Zielorten.“ Eine solche „transnationale Sozialarbeit“ gehört
längst zum Alltag der Bahnhofsmission.
„Ich finde wichtig, dass die LampedusaGruppe von Aktivisten unterstützt wird,
die ihre besonderen Möglichkeiten darin
haben, dass sie sich ausschließlich mit
dem Thema Flüchtlinge befassen können,“ konstatiert Bruder Axel Mangat.
Er beschreibt die Bahnhofsmission als
Seismograph und Ratgeber, als diakonische Institution, die mit Haupt- und
Ehrenamtlichen für viele Zielgruppen diakonische Arbeit leistet. Im LampedusaProjekt ist ständig Soforthilfe gefordert,
die Flüchtlinge brauchen gezielte Beratung, Hilfen bei der Organisation des
Alltags, Unterstützung zum Erreichen
des Bleiberechts und beim Umgang mit
Behörden – bis hin zur Beschaffung von
rot-karierter Bettwäsche für 80 Personen
in der St.-Pauli-Kirche.
Lampedusa-Projekt und Bahnhofsmis-
Angesichts der Faktenlage bedarf es zwingend einer Änderung der Flüchtlingspolitik
· Seit Mitte der 90er Jahre sind mehr als 20.000 Menschen auf der Flucht von Afrika nach Europa
ums Leben gekommen.
· 2012 haben rund 330.000 Personen in den Mitgliedstaaten der EU um Asyl gebeten, davon
64.539 in Deutschland.
· In Relation zur Einwohnerzahl liegt Deutschland damit im europäischen Vergleich im
unteren Mittelfeld.
· Hamburg hat 2012 insgesamt 2.091 Flüchtlinge aufgenommen, 513 von ihnen wurden
in ihre Heimatländer abgeschoben.
· Zum 31. Dezember 2012 befanden sich insgesamt 1.963 Menschen in Hamburg in einem
laufenden Asylverfahren.
au s d e r g e m e i n s c h a f t
Der Bote 2/2013
21
Nächste Hilfe: Bahnhofsmission
sion – das sind zwei unverzichtbare Angebote für Flüchtlinge. Sehr unterschiedlich, aber beide mit den gleichen Zielen:
Fremde willkommen heißen, qualifiziert
helfen, diakonisch begleiten, Perspektiven ermöglichen. Und es ist konsequent
evangelisch, dass die Mitarbeitenden des
Lampedusa-Projekts und der Bahnhofs-
mission sich strikt an dem Reformator
Martin Luther orientieren und sagen:
„Hier arbeite ich, ich kann nicht anders,
Gott helfe mir.“ So sei es.
Das ist es – christlich, diakonisch und
richtig.
Niclas Rabe
Stadtteildiakon Sülldorf-Iserbrook
„Lampedusa in Hamburg“
Vor einem guten halben Jahr wurde ihr
Protest sichtbar: Zur Begrüßung des
„Flüchtlingsschiffs“ MS Anton, welches
das Zentrum für Mission und Ökumene
zum Kirchentag gebracht hatte, standen
am 1. Mai 2013 sechzig afrikanische Männer auf dem Landungssteg und hielten
Banner hoch mit Inhalten wie „Wir sind
Opfer des Libyenkrieges! Wir sind anerkannte Flüchtlinge und fordern Schutz!
Wir sind hier, um hier zu bleiben!“
Als Bischöfin Kirsten Fehrs zwei Tage
später das „Flüchtlingsschiff“ besuchte,
baten die Männer, die sich nun „Lampedusa in Hamburg“ nannten, ihnen mit
einer Unterkunft zu helfen, da sie alle auf
aus der gemei nsc h aft
22
der Straße um ihr Überleben kämpften.
Doch über Wochen war es nicht möglich, geeignete kirchliche Räumlichkeiten
oder ein Gelände für ein Zeltlager zu finden, obwohl es im Mai nach dem Kirchentag sehr regnerisch und kühl wurde. Erst
als die St.-Pauli-Kirche Anfang Juni ihre
Türen öffnete, fanden immerhin 80 der
insgesamt ungefähr 300 Menschen eine
notdürftige Bleibe. Die übrigen Flüchtlinge verteilten sich währenddessen auf
weitere kirchliche Räumlichkeiten, Moscheen, das Karawane-Café, eine Kantine an der Universität, Wohnprojekte der
links-alternativen Szene und Privatwohnungen.
Seit über sechs Monaten nun fordern
die Flüchtlinge in einem politischen
Kampf vom Hamburger Senat ein Bleiberecht, die Möglichkeit hier zu leben und
zu arbeiten, da sie ihre Existenzgrundlage durch den auch von der NATO und
den europäischen Ländern mit geführten
Krieg gegen Libyen in 2011 verloren haben. Mit zahlreichen Demonstrationen
und Veranstaltungen machen sie auf ihre
Situation aufmerksam und fordern ein
Bleiberecht als Gruppe. Der Hamburger
Senat machte von Anfang an allerdings
klar, dass er keine Perspektive für die
Flüchtlinge in Hamburg sehe, sondern
die Rückkehr nach Italien die einzige Lösung sei.
Während dessen bot die Kirche umfassende humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge, nicht nur an der St. Pauli-Kirche,
sondern u. a. in Borgfelde am Afrikani-
Der Bote 2/2013
schen Zentrum, durch Vermittlung medizinischer Dienste oder psychotherapeutischer Beratung. Zahllose Freiwillige
engagieren sich in St. Pauli und Borgfelde, bereiten Frühstück zu, unterrichten
Deutsch, halten Nachtwache an der Kirche, kochen Essen, malen Transparente etc. Und die Nordkirche war immer
wieder aktiv im direkten Kontakt zum
Hamburger Senat und zur Innenbehörde,
um eine Lösung für die „Lampedusa in
Hamburg“-Flüchtlinge zu ermöglichen.
Als ab dem 10. Oktober die Polizei vermehrt afrikanische Männer in St. Georg
und St. Pauli kontrollierte sowie die St.Pauli-Kirche regelrecht mit Polizist_innen in Uniform und in Zivil umstellte,
drohte der Konflikt ein weiteres Mal zu
eskalieren, da nun auch militante Unterstützer_innen der Flüchtlinge gegen die
rassistischen Kontrollen aktiv wurden.
Nach einem Konfliktgespräch zwischen
Innensenator Neumann und Bischöfin
Fehrs unterbreitete der Hamburger Senat daraufhin der Flüchtlingsgruppe ein
Angebot, das im Kern auf eine Einzelfallprüfung auf humanitären Aufenthalt mit
Abschiebeschutz während des kompletten Verfahrens hinausläuft. Die Flüchtlinge würden nach Antragstellung zunächst
eine Duldung erhalten. Die Bischöfin erklärte gegenüber der Öffentlichkeit, dass
sie „keine Alternative“ zu diesem Angebot des Senats sehe und ermutigte die
Flüchtlinge, darauf einzugehen.
Mittlerweile haben sich einige Flüchtlinge bei der Behörde gemeldet, während
Der Bote 2/2013
au s d e r g e m e i n s c h a f t
23
Ein Teil der Lampedusa-Flüchtlinge hat in der St-Pauli-Kirche in Hamburg Asyl gefunden.
die Sprecher der Gruppe „Lampedusa in
Hamburg“ das Angebot in dieser Form
ablehnen. Hauptgrund dafür ist das mit
der „Duldung“ im ersten Jahr nach Erteilung verbundene Arbeitsverbot, die
Ungewissheit des Ausgangs der individuellen Verfahren und die dann drohende Abschiebung ins Herkunftsland sowie
das über Monate gewachsene Misstrauen gegenüber dem Senat, der sich bisher
so ablehnend gegenüber ihrem Anliegen
gezeigt hat.
Ich kann es schwer abschätzen, wie die
nächsten Wochen aussehen werden, wie
sich der Protest der Flüchtlinge für ein
weitergehendes Bleiberecht entwickeln
wird. Denn eines ist schon jetzt klar: Die
Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ hat
diese Stadt aufgerüttelt – für ihr eigenes
Schicksal und insgesamt für die Situation
der Flüchtlinge. Die Unterstützung für sie
war und ist nach wie vor am Wachsen,
zuletzt auch verstärkt durch die Bootskatastrophe vor Lampedusa mit alleine
364 Toten an einem Tag. Am 2. November
fand eine Demonstration für „Lampedusa in Hamburg“ und für Flüchtlingsrechte
mit über 9.000 (Angaben der Polizei) und
vielleicht sogar 15.000 Teilnehmer_innen
(Angaben der Veranstalter_innen) statt –
die größte Demo in Hamburg überhaupt
seit mehreren Jahren. Ein Zeichen dafür,
dass viele Menschen genug haben von
der Hartherzigkeit unserer Flüchtlingspolitik und stattdessen Solidarität und
Menschlichkeit zeigen.
aus der gemei nsc h aft
Für mich sind diese Flüchtlinge, die hier
so selbstbewusst ihre Rechte einfordern,
auch Botschafter_innen einer ungerechten Weltunordnung, von der wir hier im
Norden und Westen seit Jahrhunderten
profitieren. Sie stehen vor uns einerseits
als Opfer und bitten um Hilfe. Anderer-
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Der Bote 2/2013
Der Bote 2/2013
au s d e r g e m e i n s c h a f t
seits stehen sie auch vor uns und fordern
laut und deutlich: „Schafft uns Recht!“
Wir sollten beides ernst nehmen.
Dietrich Gerstner
Gründungsmitglied von Brot & Rosen
Diakonische Basisgemeinschaft Hamburg
25
Gemeinschaftlich auf Weltreise
Konvikt Schleswig Holstein Süd/Altona
Man sagt: Narren rennen, Kluge warten,
Weise gehen in den Garten. Es muss ja
nicht immer der eigene sein. Am 17. August trafen sich bei strahlendem Sommerwetter 15 Brüder und Schwestern des
Konviktes Schleswig-Holstein Süd/Altona vor dem Tor der igs auf Wilhelmsburg,
um sich gemeinsam auf eine Reise in 80
Gärten um die Welt zu begeben.
Wie es sich für eine richtige Reise gehört, gab es zum Auftakt einen Segen. So
ein Reisesegen gibt nicht nur Kraft, er ist
auch ein Symbol dafür, dass es an der Zeit
ist, den Alltag loszulassen.
So vielfältig wie die Gärten der igs sind
auch die Geschwister, die im Konvikt zusammentreffen. Jeder kommt aus seinem Alltag, bringt mit was ihn gerade beschäftigt und hätte oft auch ganz andere,
eigentlich unaufschiebbare Dinge zu tun.
Aber wer es schafft, sich für den Moment
davon zu lösen und sich mit wachen Sinnen und offenen Herzen auf den Anderen
einzulassen, hat die Chance, neue Blickwinkel zu entdecken.
Eine neue Blickrichtung brauchten
auch die meisten Besucher auf der igs.
Was hatte man nicht alles vorab an Negativem über die Gartenschau lesen
können: zu teuer, zu abgehoben, zu wenig Blumen, sie leiste der Gentrifizierung
des Stadtteils Vorschub und, und, und …
Es kommt immer darauf an, mit welchen
Augen man auf einen Garten schaut. Sind
es die Augen eines Liebhabers, wächst
das Unkraut zwar trotzdem, aber es weitet sich der Blick des Betrachters für seine
Fülle und Schönheit. Die Mängel werden
nicht weniger, aber sie bestimmen nicht
mehr das Bild.
Unsere Reiseteilnehmer im Alter von
3 bis 93 Jahren machten sich in kleinen
Gruppen im eigenen Tempo auf die Entdeckungstour. Das erwies sich als sehr
vorteilhaft, nicht jeder hatte die Energie,
mit den 93jährigen Schwestern Schritt zu
Reisende im Alter von 3 bis 93 Jahren!
halten. Die von den umsichtigen Organisatorinnen vorab reservierten Rollstühle
wurden an diesem Tag überwiegend für
den Transport des reichhaltigen Proviants benötigt. Für die gemeinsame Mittagspause wurden die Terrassen am romantischen Kuckucksteich gewählt. Die
Gartenplaner haben dort für flexibel gestaltbare Sitzmöbel, geeignet für unterschiedliche Sitzweisen, gesorgt. Sie sagen
über diesen Platz, er solle dazu dienen,
sich auf einer langen Reise zu vergewissern, wie wichtig es im Leben ist, sesshaft
zu werden. Es ist auch von Bedeutung,
sich dieses Heimatgefühls unterwegs
immer wieder zu vergegenwärtigen, um
zu wissen, wo man hingehört. Welch passender Ort für ein Konvikttreffen.
Keiner hat alle 80 Gärten (und den geheimen 81. im Schlagloch) an einem Tag
entdecken können. Das war auch nicht
Ziel der Reise. Alle haben spüren können,
was die Gemeinschaft in diesem Konvikt
ausmacht. Vielleicht hat der eine oder andere auch wieder abseits vom Alltag ein
bisschen mehr zu sich selbst als Bruder
oder Schwester gefunden.
Die gemeinsame Reise fand ihr Ende
mit einer Andacht auf einer Wiese mitten im Garten der Religionen. Gebet und
Gesang waren offensichtlich einladend,
es blieben Passanten interessiert stehen
und blätterten auf der Suche nach dem
Angebot im Veranstaltungsprogramm.
Das war für alle so erheiternd, dass der
gute Eindruck kurzzeitig ernsthaft in Gefahr geriet. Aber heißt es nicht auch: Der
beste Beweis für Weisheit ist gute Laune?
Gesa Borek
aus der gemei nsc h aft
Der Bote 2/2013
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Das Konvikt zu Gast im spirituellen Zentrum Woltersburger Mühle
Die visionäre Kraft der Psalmen
Konviktwochenende Niedersachsen
Konviktwochenenden sind die Höhepunkte in unserem Konviktleben, und so
haben wir uns an einem Freitagnachmittag Ende August erwartungsvoll auf den
Weg gemacht. Eine weite Anfahrt hatten wir Lüneburger Geschwister diesmal
nicht, denn unser Treffen fand in der Woltersburger Mühle bei Uelzen statt, wo wir
mit der Theologin Klara Butting am Buch
der Psalmen arbeiten wollten.
Bei der Ankunft werden wir von den
bereits eingetroffenen Schwestern und
Brüdern freudig begrüßt. Uns erwartet
ein weitläufiges, idyllisches Gelände mit
Mühlen-Café, einer Produktionsschule
als Qualifizierungszentrum für arbeitslose Jugendliche und mehreren Holz-Ferienhäusern, in denen wir untergebracht
sind. Die Wassermühle und die Gebäude
wurden in den Jahren 2008–2012 im Rahmen des Qualifizierungsprojektes renoviert bzw. gebaut.
Zu Beginn unseres Treffens führt Frau
Butting uns entlang dem „Lernpfad Arbeitslosigkeit“ über das Gelände. Mit seinen Stationen: Würde, Krise, Begegnung,
Der Bote 2/2013
Vision, Dank, Verantwortung und Feierabend ermöglicht der Lernpfad die Auseinandersetzung mit dem sozialen Problem Arbeitslosigkeit und verbindet es mit
einer spirituellen Dimension. Es ist interessant und berührend, zu erfahren, wie
hier ein spirituelles Zentrum entstanden
ist, in dem gesellschaftliche Verantwortung im Rahmen der Qualifizierung von
arbeitslosen Menschen praktisch umgesetzt wird. Uns beeindrucken die große
Kräuterspirale, zahlreiche Kunstwerke
aus Naturmaterialien und der Raum der
Stille in der Mühle.
Am Abend sitzen wir zusammen, hören
voneinander und von den Geschwistern,
die nicht kommen konnten. Auch zum
Thema „Mitgliedsbeiträge“ tauschen wir
uns aus.
Nach Morgenandacht und leckerem
Frühstück arbeiten wir am Samstag mit
Klara Butting zu dem Thema: „Der Weg
zu Gott – ein Weg zu den Menschen“ am
Buch der Psalmen.
Den Psalter zu sehen als ein Buch, das
in fünf einzelne Bücher unterteilt werden
kann und auch einen Lebensweg darstellt; ihn als eine Antwort der jüdischen
Gemeinde auf die Überlieferung der Prophetischen Bücher zu betrachten, ist für
uns ein neuer Zugang. Wir beschäftigen
uns besonders mit der „Ouvertüre“, den
Psalmen 1 und 2. Dabei gehen wir mit
dem Text um, wie ich es lange nicht mehr
au s d e r g e m e i n s c h a f t
getan habe: Mit unterschiedlichen Übersetzungen arbeiten wir an einzelnen
Worten und Sätzen, suchen Zusammenhänge, hinterfragen, „kauen“ die Verse
und bringen sie in Verbindung zu uns und
zu gesellschaftlichen Situationen, damals und heute.
Frau Butting versteht es, uns in ihre
Gedanken mit hineinzunehmen und uns
die visionäre Kraft der Psalmen zu vermitteln. Vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Woltersburger
Mühle wird spürbar, mit welcher inspirierenden Kraft die biblischen Texte auch
heute Menschen bewegen, eine AlltagsSpiritualität solidarisch und gemeinwesenprägend zu leben.
Nach der Denkarbeit tagsüber tut uns
abends das gemeinsame Spielen draußen und drinnen gut.
Am sonnigen Sonntagmorgen besuchen wir den Freiluft-Gottesdienst, den
die örtliche Gemeinde auf dem Mühlenhof feiert, und beschließen damit unser
Wochenende.
Schön, wenn wir uns spätestens im
nächsten Jahr, vielleicht auch mit denen,
die diesmal nicht dabei sein konnten,
wiedersehen!
Und allen Schwestern und Brüdern, denen der Weg nach Uelzen nicht zu weit
ist, legen wir einen Besuch der Woltersburger Mühle wärmstens ans Herz!
Doris Paland
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aus der gemei nsc h aft
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Der Bote 2/2013
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Irgendwann laufen die Beine von alleine
Solidarisch leben
Lauf zwischen den Meeren Mai 2013
Oktobertreffen des Konvikts Rheinland-Westfalen 2013
Der Start erfolgte um
9 Uhr in Husum am Hafen, dann ging es 96,3
Kilometer quer durch
Schleswig-Holstein mit
Ziel am Strand von Damp.
Außer uns waren noch
659 Staffeln mit dabei,
die schnellste Staffel
brauchte genau 5 Stunden 25 Minuten. Unsere
Zeit von 9 Stunden und
28 Minuten ist dennoch
beachtlich …
Und so sehen wir der
vierten Teilnahme mit
Spannung entgegen! Bewerbungen für MitläuferInnen und solche, die es
werden wollen, nimmt
Günter Grosse entgegen:
[email protected]
Im Vordergrund steht
Wir freuen uns auf neue MitläuferInnen im Mai 2014!
das gemeinsame Erleben
am 24.und 25. Mai 2014.
Wir waren zum dritten Mal dabei! Wir, Getreu dem Motto: Irgendwann laufen
das waren: Ingeborg und Günter Grosse, die Beine von alleine!
Ursula und Klaus-Rainer Martin, Karin
Annette Spiegel
und Klaus Brock, Wolfgang Reuß, VolEin erlebnisorientierter Bericht sowie eine
ker Henn, Frank Schirmer, Niko Borchert, PowerPointPräsentation von 2012 können
Hartmut Bischoff, Annette Spiegel und bei der Autorin per E-Mail angefordert werden:
Tessa Hundedame.
[email protected]
Solidarisch leben? Geht das überhaupt?
Was ist Solidarität? An unserem gemeinsamen Wochenende haben wir versucht,
das zu definieren. Das war gar nicht so
einfach.
Zu Hilfe kamen uns Heike Hilgendiek,
Sozialpfarrerin der EKvW, und Bruder
Klaus-Rainer Martin vom Konvent „Diakonischer Arbeitskreis Gerechtigkeit und
Solidarität“.
Schön war es, dass wir wieder im vertrauten Matthias-Claudius-Haus sein
konnten, dass so viele Kinder dabei waren und dass Bruder Martin gekommen
war, der in abendlicher Runde aus seinem
Leben in der DDR und seinem BergmanDasein im Ruhrgebiet erzählte – ganz
spannend – noch einmal danke dafür,
Bruder Martin.
Der Freitagabend wurde eingeläutet
mit einem „Nach-der-Hochzeit-Empfang“ von Annette und Erhard Schübel. Es
wurde dann ein sehr lockerer und heiterer Abend mit persönlichen Informationen und Grüßen.
Am Samstag wurde dann am Thema
gearbeitet. Pfarrerin Hilgendiek berichtete aus ihrem Arbeitsbereich und kam
dann zu unserem Thema „Solidarität“, an
dem wir in Kleingruppen gearbeitet haben. Wir können hier nicht die einzelnen
Schritte erklären, sondern nur das eine –
zum Schluss stand ein neuer Begriff im
Raum: Weltgemeinschaftstreue. Ein tolles Wort, aber nicht alle waren damit
einverstanden. Solidarität wird sehr oft
spontan gefordert und ist dann zeitlich
begrenzt, z. B. für bestimmte Projekte.
Wir hatten beschlossen, einige Gläser
unserer selbstgemachten Marmelade zu
verkaufen, deren Erlös unserem Bruder
Obadiah in Tanzania zukommt; und der
Eine-Welt-Laden gehörte wie immer in
unseren Kreis – gelebte Solidarität.
Auf Anregung von Jan-Peter war um 11
Uhr Zeit für ein stilles Gedenken an unsere Brüder Gerd Rölleke und Dieter Dreisbach und andere liebe Verstorbene.
Nach einem produktiven Arbeitstag
gönnten wir uns einen sehr lustigen Bunten-Abend. Viel Freude machte uns wie
immer mit Alis hervorragender Klavierbegleitung das Singen. Singen verbindet
und ist somit auch ein Stück Solidarität.
Der Höhepunkt unseres Konviktes war
das Agapemahl am Sonntagmorgen.
Selten haben wir eine so schöne, würdige Feier erlebt, von Karin und Erhard gut
vorbereitet und geleitet. Wolfram und Silas hielten die Tischrede. Vater und Sohn
machten im Dialog die Apg. 16, 11–40 lebendig. Super – Silas; du hast so gut gelesen, dass sogar deine Altersgenossen
gespannt zugehört haben.
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aus der gemei nsc h aft
Zum Abschluss des Konviktes kam noch
der Bericht aus dem Rauhen Haus und
Konviktales. Leider mussten wir uns vorzeitig verabschieden, weil noch eine Familienfeier auf uns wartete.
30
Der Bote 2/2013
Der Bote 2/2013
au s d e r g e m e i n s c h a f t
Nun freuen wir uns auf ein Wiedersehen im Konvikt vom 2.–4. 5. 14 in der Jugendbildungsstätte Berchum.
Renate und Hans-Joachim Kirchhefer
Von der Hallig bis nach Haithabu
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Unsere Senioren auf „Nordreise“
19 Schwestern, Brüder und Freunde reisten vom 1. bis 9. September 2013 in den
Norden unserer Republik, nach Schleswig-Holstein. Jeder Tag hatte seine Ziele
und Höhepunkte. Am Abreisetag holte
uns ein sehr moderner Fernreisebus am
Hauptbahnhof ab, und über Wesselburen (Besuch der Krautwerkstatt und einer Andacht in der Kirche) erreichten wir
unser Quartier, das Hotel „Schimmelreiter“ in Silberstedt, einem Dorf zwischen
Schleswig und Husum.
Die Ziele der folgenden Tage wurden
zum Teil mit örtlichen Reiseführern angesteuert. Da waren Husum, Friedrichstadt,
die Halbinsel Eiderstedt mit Tönning,
dem Eidersperrwerk, St. Peter-Ording
(Besuch am Grab von Propst Prehn und
seiner Frau), dem Deich bei Westerhever (mit dem berühmtesten Leuchtturm
unseres Landes) und Garding. Spannend
war die Schiffsreise zur Hallig Hooge mit
Besuch einer Warft und einer Andacht
in der kleinen ehrwürdigen Halligkirche.
An anderen Tagen ging es Richtung Ost-
see, so nach Schleswig, wo der Dom mit
seinem bekannten Brüggemann-Altar
unsere Aufmerksamkeit forderte. Eine
Bootsfahrt brachte uns von Kappeln
nach Schleimünde und wieder zurück.
Spannend waren auch der Besuch der
alten Wikinger-Siedlung Haithabu und
Eckernförde mit einer Stadtrundfahrt im
„Sprottenexpress“ sowie den Besuchen
der Kirche und einer Bonbon-Kocherei.
Wir waren dann in Flensburg, wo uns der
Stadtführer per Bus auch kurz das dänische Grenzland zeigte. Die anschließende Schifffahrt brachte uns nach Glücksburg, wo wir nach einer Schloßführung
Kaffee und Kuchen im Schloßcafé genossen. Abends hörten wir einen Vortrag
über Land und Leute und sahen den alten
Film „Schimmelreiter“ von 1933. Der Film
über den Maler Emil Nolde lenkte auf unseren letzten Reisetag hin, an dem wir zunächst tief beeindruckt wurden durch einen Besuch des KZ Ladelund, der kleinen,
gepflegten, der Obhut der Landeskirche
unterstehenden Gedenk- und Begeg-
Zu Besuch bei Emil Nolde (von links): Elisabeth Stocks, Wolfgang Kluge, Elisabeth Strathmeier, Werner Huppe, Ingeborg Wendt, Christa Junior, Gerd Junior, Irmhild Bossow, Anneliese Ehrich, Horst
Weber, Christel Krause, Volkmar Lange, Peter Gronwaldt, Helga Gronwaldt, Ulf Porrmann, Wiebke
Wendt, Heike Schuhmacher, Gerhard Krause
nungsstätte. Das Lager bestand nur etwa
sechs Wochen, forderte aber über 300 Todesopfer, die alle vom Orts-Pastor Johannes Meyer auf dem Gemeindefriedhof
würdig bestattet wurden. Nach einem
Abstecher über Tondern (Dänemark) erreichten wir in Seebüll das Noldemuseum, das eine Vielzahl von beeindruckenden Bildern (auch den „Ungemalten“)
beherbergt.
Vor dem Rückreisetag nach Hamburg
bereitete uns der Hotelkoch am letzten
Abend noch ein leckeres Abschiedsme-
nü. Hatte man zunächst gemeint, dass
es in Schleswig-Holstein doch eigentlich nicht viel zu erleben gäbe, so zeigte
sich, dass die Geschichte, die Kultur und
die Landschaft ein beeindruckendes Bild
von dem Land und den Leuten zwischen
den Meeren vermittelten. Die gute Stimmung, die Gemeinschaft und das herrliche Wetter hinterließen ein Wohlfühlen
und dankbares Erinnern, verbunden mit
der Neugier auf das nächste Reiseziel, das
bestimmt wieder spannend sein wird.
Ulf Porrmann
aus der gemei nsc h aft
Der Bote 2/2013
32
Von links: Richard Zimmer, Gunter Hell, Silke Hentschel, Barbara Zimmer, Christa Grupe,
Elisabeth Siebrecht, Ruth Eilers, Eberhard Eilers, Doris Noak, Rolf Siebrecht, Dieter Noak, Wilfried
Grupe und Klaus Hentschel
Herrnhut, Görlitz und viel Geschichte
Klassentreffen des Jahrgangs 1961/62
Seit 10 Jahren machen die 1968 eingesegneten Brüder, die alle 1961/62 in Das
Rauhe Haus eingetreten sind, mit ihren
Ehepartnerinnen eine Klassenreise in
eine schöne deutsche Gegend.
Nach Berlin, Thüringen, Trier, Freiburg
und Usedom sind sie in diesem Jahr in
der ehrwürdigen Stadt Herrnhut in der
Oberlausitz, dem östlichsten Teil unseres
Landes im Dreiländereck Polen, Tsche-
chien und Deutschland, angekommen.
Sie lassen sich vom dem Weißenseer Diakon Buder Clemens, der in Herrnhut für
die Öffentlichkeitsarbeit zuständig war,
in die Geschichte der Brüdergemeine
einführen und die Besonderheiten des
Ortes zeigen. Natürlich wollten sie auch
Bruder Krolzik treffen, der aber wegen
eines Trauerfalles in der Familie absagen
musste.
Der Bote 2/2013
Die Führung durch die Herrnhuter Diakonie nahm dann eine sehr sachkundige
Mitarbeiterin wahr, die allen einen guten
Eindruck von gelebter Diakonie vermittelte.
Die Ausflüge führten die Gruppe auf
die Festung Königstein bei Bad Schandau
mit dem grandiosen Ausblick auf das Elbsandsteingebirge und die tief unten fließende Elbe. Die Stadt Görlitz erlebten sie
mit dem „Stadtschleicher“-Bus und einer
informativen Führung. In Zittau sahen sie
sich das Fastentuch an und fuhren mit
der dampfenden Kleinbahn nach Oybin
in das Zittauer Gebirge und besuchten
die dortige Kirche mit ihren dem Felsen
angepassten steil abfallenden Kirchenbänken und Fußboden.
Wenn westdeutsche Geschwister im
Osten zu Gast sind, werden viele Ge-
au s d e r g e m e i n s c h a f t
schichten aus der DDR-Zeit mit ihren
Erschwernissen für die Christen erzählt.
Ebenso Erinnerungen aus dem Rauhen
Haus. Da alle schon über 70 Jahre alt sind,
natürlich auch die Lebenswege mit allen
Erfolgen und Enttäuschungen. Da sie zu
Beginn des Treffens vom Tod von Bruder
Rölleke hörten, waren ihre Gedanken
auch beim Thema Krankheit und Tod.
Die reihum gehaltenen Andachten zum
Tagesbeginn und die beinahe familiäre
Unterkunft und Betreuung in der Pension „Alt-Herrnhuter Haus“ der Familie
Clemens bescherten allen unvergessliche
Tage.
Sofern wir in zwei Jahren noch leben
und reisefähig sind, soll es dann in Richtung Bremen gehen. Einen lieben Gruß
an alle Geschwister, die uns kennen!
Bruder Gunter Hell
33
aus deM Ä LTESTENRAT
Der Bote 2/2013
Der Bote 2/2013
au s d e M Ä LTE STENRAT
365 Tage neuer Ältestenrat
Persönlicher Zwischenbericht
34
Seit gut einem Jahr besteht der Ältestenrat in der Zusammensetzung, wie er zum
Brüder- und Schwesterntag 2012 gewählt
wurde. Zeit für einen Rückblick, den ich
aus der Perspektive einer „Neuen“ im Ältestenrat schreibe: Was ist im vergangenen Jahr geschehen, worüber hat sich das
Gremium ausgetauscht und womit hat
es sich befasst?
Stattgefunden haben drei eintägige Ältestenratssitzungen und eine dreitägige
Klausurtagung.
Unsere Arbeit begann damit, uns mit
den Themen und Arbeitsabläufen vertraut zu machen, aber auch dem gegenseitigen Kennenlernen in dem neu formierten Gremium.
Wir beschäftigten uns in den Sitzungen
mit den aktuellen und ausführlichen Berichten des Vorstehers und der Konviktmeisterin sowie den Berichten aus dem
VEDD und der Nordkirche.
Bei letzterem lag ein besonderes Augenmerk auf den vier Gemeinschaften innerhalb der Nordkirche, immer
eng verbunden mit den Fragen: Was
geschieht mit dem Diakonat und dem
Diakon(innen)engesetz? Was ist uns
wichtig und was wollen wir erreichen?
Ein weiteres wichtiges Thema, waren
die 27 Aufnahmen in unsere Brüder- und
Schwesternschaft in diesem Jahr. Das
Zusammentreffen der Studierenden aus
den verschiedenen Studiengängen – berufsbegleitend, berufsintegrierend und
grundständig – erforderte eine neue Auseinandersetzung mit den Wünschen und
Bedürfnissen.
Umso erfreulicher war es für mich zu
erleben, wie aufgeschlossen die Studierenden die Einsegnungsfreizeit im Juni
antraten und sich aus dieser heterogenen Gruppe schnell eine „Gemeinschaft“
bildete. Dazu hat nicht zuletzt das wunderschöne Ambiente des Ratzeburger
Domklosters und das große, in diesem
Jahr aus fünf Personen bestehende Leitungsteam beigetragen.
Im August fand dann die Ältestenratsklausurtagung statt. Bei bestem Wetter
tagten wir in der katholischen Akademie
Stapelfeld nahe Cloppenburg. Wir nutzen die Zeit, um uns über unsere diakonischen Identitäten und unser diakonisches Verständnis auszutauschen.
Sehr intensiv befassten wir uns darüber hinaus mit der Standortbestimmung
der Hochschule, des Rauhen Hauses
und der Brüder- und Schwesternschaft
– dabei wurde an manch einem Punkt
kontrovers diskutiert. „Was macht das
Konviktleben für Brüder und Schwestern
attraktiv?“; „Welche Erwartungen werden an die Brüder- und Schwesternschaft
35
Ältestenrat von links oben: Friedemann Green, Christian Heine, Helen Joachim, Claudia RackwitzBusse, Doris Hamer, Johanna Kutzke, Tabea Fiebig, Elke Ukena-Seguin, Margot Döring
gestellt?“; „Wie zufriedenstellend sind
die Kommunikationswege innerhalb der
Gemeinschaft?“; „Wie eng verzahnt arbeiten die verschiedenen Studiengänge
mit der Brüder- und Schwesternschaft
zusammen?“; „Welche Charakteristika
hat die Stiftung in Bezug auf ihr diakonisches Profil?“ Das sind nur einige der Fragen, denen sich der Ältestenrat gestellt
hat.
Für einen ausgewogenen Freizeitausgleich sorgte Bruder Dieter Walf, der
uns die nähere Umgebung zeigte. Eine
abendliche Partie Swinggolf war ein angenehmer, aktiver Ausgleich zu den dich-
ten und sehr konzentrierten Arbeitsgruppen der Tage und Stunden zuvor.
Nach der Klausurtagung ist es nun an
der Zeit, die diskutierten Themen zu verdichten und in den Austausch mit der Gemeinschaft zu gehen.
Für mich ist es eine bedeutsame Aufgabe des Ältestenrates, die Meinungen und
Wünsche der Brüder und Schwestern unserer Gemeinschaft zu vertreten. Daher
laden wir euch ein, aktuelle Themen, Sorgen, Wünsche und Visionen in eure Konvikte einzubringen, dort zu diskutieren
und an uns heranzutragen.
Herzliche Grüße, Tabea Fiebig
au s dem R au h en Haus
Der Bote 2/2013
180 Jahre Das Rauhe Haus
Der Bote 2/2013
Neuer Studiengang
an der Evangelischen Hochschule
Ab Wintersemester 2014/15 wird das
Angebot der Ev. Hochschule um den berufsintegrierenden
Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit & Diakonie mit dem
Schwerpunkt Pflege erweitert. Der Studiengang bietet Berufstätigen aus pflegerischen Arbeitsfeldern die Möglichkeit,
die Grundlagen Sozialer Arbeit mit ihrer
pflegerischen Praxis zu verbinden – interdisziplinär, lebensweltorientiert und
quartiersbezogen.
Am Ende des Studiums werden die
Absolvent_innen für die vielfältigen Tätigkeiten in allen Bereichen der Sozialen
Arbeit qualifiziert sein und mit einer spe-
36
Wichtig waren alle rund 550 Gäste
beim Festakt und bunten Fest im Park
am 13. September.
Prominent waren diese
(von links): Dr. Walter
Weber, Vorsitzender des
Verwaltungsrats, Detlef
Scheele, Sozialsenator,
Annegrethe Stoltenberg,
Landespastorin Diakonie, Sabine Korb-Chrosch,
kaufmännischer
Vorstand, Dr. Friedemann
Green, Vorsteher, Kirsten
Fehrs, Bischöfin für Ham-
burg und Lübeck, Sabine Rückert, stellv.
Chefredakteurin der Zeit und Prof. Dr. Michael Göring, Vorsitzender der Zeit-Stiftung. Leider nicht mit im Bild: Olaf Scholz,
Erster Bürgermeister der
Freien und Hansestadt
Hamburg, der schon zum
nächsten Termin unterwegs war.
Die Grußworte und der
Vortrag von Prof. Göring
sind in einer Festschrift
abgedruckt, die in der
Stabsstelle Kommunikation zu erhalten und im
Internet zu finden ist.
au s d e R HOCH S CHULE
zifischen Qualifikation zur Schnittstelle
von Sozialer Arbeit und Pflege ausgestattet, in der die Teilhabe- und Selbstbestimmungsrechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen das zentrale Anliegen des
sozialarbeiterischen Handelns darstellen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, diakonische Kompetenzen zu
erwerben und das kirchliche Examen zu
absolvieren.
Das Studium dauert 6 Semester,
schließt mit dem staatlich anerkannten
Bachelor-Grad „Soziale Arbeit“ ab und
eröffnet die Möglichkeit, den Diakon_innenabschluss zu machen.
Eine Infobroschüre und detaillierte Informationen finden Sie hier:
www.ev-hochschule-hh.de/studienangebot/bachelor-soziale-arbeit-diakonie-pflege-berufsintegrierend
37
A nstöSSe
Der Bote 2/2013
Sich nähern und berührt werden
Ein- und Ausblicke zum Diakonischen Blockseminar
„Glaubensbekenntnis“ im November 2012
38
Der folgende Bericht basiert auf meiner
Reflexion des Diakon_innenblockseminars im Rahmen des Studiums Soziale
Arbeit & Diakonie, in meinem Fall als
berufsbegleitend Studierende, und soll
einen Einblick in die „Ausbildung“ zur
Diakon_in und das Studierendenleben
geben.
Erinnern und erwarten
Eine Woche diakonisches Blockseminar
zum Thema Glaubensbekenntnis auf
dem Koppelsberg. Erst einmal lassen
mich Bilder der Erinnerung gute 30 Jahre
zurückblicken: Als ehrenamtliche Kindergottesdiensthelferin bin ich hier diverse
Male mit einer bunten Kinderschar der
Kirchengemeinde zur Sommerfreizeit
gewesen. Sowohl die Kinder als auch wir
Betreuer_innen waren mehr im Wasser
als an Land, es gab Lagerfeuer, Stockbrot,
roten Tee aus Blechkannen und viele neue
Kirchenlieder, Gospels und Popsongs, die
wir mit Leidenschaft mehr grölten als
sangen. Wir Teenies – heute wohl „Teamer_innen“ – waren ein bisschen in den
gitarrespielenden Diakon verknallt, wir
schliefen in Sechs-Bettzimmern und unsere Mütter wären angesichts des Chaos
„not amused“ gewesen. Aber wir waren
glücklich, der Koppelsberg war in all sei-
ner Schlichtheit ein Ort von Freiheit und
lustvoller Begegnung. Die ersten wirklich
nachhaltigen spirituellen Erfahrungen
habe ich hier machen dürfen: Schöpfungsgottesdienste im Freien, Taizeandachten für die „Großen“ am Lagerfeuer, das Teilen von Brot und Saft als tiefe,
prägende Erfahrung eines Liebesmahles
... für mich war der Koppelsberg ein Stück
vom Himmel auf Erden.
Später besuchte ich hier Fortbildungen
und fühlte mich jedes Mal beglückt und
beschenkt von der Atmosphäre, obwohl
ich um keinen Preis mein Einzelzimmer
gegen eine 6-Personen-Schlafstatt eingetauscht hätte.
Meine Erwartungen an den Ort unseres
diakonischen Blockseminares sind also
durchweg positiv, und bei der Ankunft
am Montagmittag staune ich über den
Aus- und Umbau, wärme mich am lebendigen Feuer an der Rezeption und bin mit
meinem Einzelzimmer mit Bad ziemlich
glücklich. Aber was erwartet mich hier in
den nächsten fünf Tagen?
Natürlich sind da ganz viele grundständig Studierende, fast alle im Alter meiner
Kinder. Ich fühle mich unsicher und alt,
möchte nicht als „bemühte StudentenMutti“ disqualifiziert werden. Wie gut,
dass drei weitere Kommiliton_innen aus
Der Bote 2/2013
meiner berufsbegleitenden Studiengruppe dabei sind, aber die Älteste werde
ich wohl sein.
Das
Thema
Glaubensbekenntnis
spricht mich sehr an: Glauben – was ist
das? Und dann diesen für mich oft nicht
greifbaren Glauben auch noch bekennen? Ist das eine, ist das meine Christenpflicht?
Ich packe die mitgebrachten Bücher
aus. Dabei fällt mir ein Gedicht von Kurt
Marti in die Hände, das mir für diesen
Moment Gelassenheit schenkt.
Glauben – was ist das?
ein gesang in der nacht
worte die wärmen im winter
das heilkraut des lachens
ein weinen das versteinerte löst
beherztheit die über mutlose kommt
erwartung selbst noch im sterben
Kurt Marti, Werksauswahl in fünf Bänden.
München, 1996
Wahrnehmen und Kennenlernen
Am ersten Nachmittag treffen wir uns
in großer Runde und beginnen mit einer Andacht. „Du stellst meine Füße auf
weiten Raum.“ Wir beten den 31. Psalm
gemeinsam und versuchen, ihn auch als
Kanon zu singen. Die Stimmen sind vielfältig, manche kräftig und sicher, andere
leise und verhalten, aber jede und jeder
hat „Raum“ in diesem Raum.
Danach teilt sich die Gruppe thematisch auf, wir stellen uns anhand von mitgebrachten Gegenständen und dem von
A n stö S S e
uns damit verbundenen Bezug zum Glauben vor. Mir gefällt die Leichtigkeit und
die Heiterkeit in der Gruppe. Ich höre den
unterschiedlichen
Glaubensgeschichten gerne zu und bin von der Offenheit
der Erzähler_innen beeindruckt. Meine
Angst, als Älteste negativ aufzufallen
oder gar bewertet zu werden, schwindet
langsam ...
Der erste Abend wird fröhlich und laut,
es wird gesungen, gern und viel getrunken, die lockeren Gespräche und persönlichen Standortbestimmungen stimmen
mich froh und gelassen – sehr müde sinke ich viel zu spät in mein Bett und hoffe,
dass auch die letzten Feierfreudigen vor
meiner Zimmertür irgendwann schlafen
gehen werden.
Gemeinsames Arbeiten und Lernen
braucht innere und äußere Struktur
Nach dem Frühstück und nach dem
Abendbrot wird es in den nächsten Tagen immer eine Andacht in der Kapelle
geben, die von Studierenden vorbereitet
und durchgeführt wird. Thematisch gibt
es von den beiden begleitenden Dozentinnen, Frau Suhr und Frau Borger, keine
Vorgaben, so dass ich mich darauf freue,
eine Vielfalt von Andachtsthemen und
Andachtsformen erleben zu dürfen.
Das Vorbereiten und Halten einer Andacht speist sich m. E. auch immer aus
persönlichen „Glaubensschätzen“ der
Verantwortlichen, die ihrerseits damit
ein Stück ganz eigener Glaubensidentität preisgeben.
39
A nstöSSe
40
Am Dienstagmorgen haben meine
Kommilitonin Christiane Schmidt und ich
eine Andacht zum 23. Psalm vorbereitet.
Zum Zeitpunkt der Vorbereitung kennen
wir die Gruppe nicht und bleiben aus „Sicherheitsgründen“ in der tradierten Andachtsform, die uns vertraut ist und mit
der wir bereits gute Erfahrung gemacht
haben. Als langjährige Chorsängerin und
Gottesdienstbesucherin sind mir die „alten“ Lieder im Evangelischen Gesangbuch lieb und vertraut. Beim gemeinsamen Singen merke ich, dass diese Lieder
von vielen Studierenden gar nicht mehr
gekannt werden. Darüber hinaus lerne
ich in dieser Woche, dass diese wiederum
ganz neue Lieder im Repertoire haben,
die mir nicht geläufig sind. Ich stelle fest:
Im musikalischen Gottesdienstleben hat
sich offensichtlich etwas geändert.
Dann steigen wir in das apostolische
Glaubensbekenntnis ein; im wahrsten
Sinne des Wortes stehen wir auf den von
uns gewählten auf dem Boden liegenden
Textsegmenten, an die wir die meisten
Anfragen haben.
Meine Anfragen richten sich an den folgenden Teil des Apostolicums:„Er sitzt zur
Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen, zu richten die
Lebenden und die Toten.“ In dieser Passage des Glaubensbekenntnisses verbirgt
sich immer noch eine Spur meines „Kinderglaubens“ im Zusammenhang mit einem möglicherweise naiven Gottesbild:
Als Kind stellte ich mir vor, dass Gott auf
einem sehr großen Stuhl sitzt, rechts ne-
Der Bote 2/2013
ben ihm der auferstandene Christus, der
– wenn er denn kommt – direkt aus dem
Himmel auf die Erde stößt, zunächst die
„bösen“ Menschen zurechtweist (richtet), dann die Toten aufrichtetet, lebendig werden lässt und zum Schluss auch
die traurigen Menschen aufrichtet und
froh macht.
Dieses Gottes- bzw. Christusbild habe
ich lange in mir getragen und es hat mich
oft mit der Vorstellung einer zukünftigen,
göttlichen Gerechtigkeit getröstet. Ich
frage mich heute: Hat sich etwas von diesem Bild, dieser Metapher, geändert?
Vielleicht wird dieses Gottes-/Christusbild im Laufe der Woche noch eine Rolle
spielen, aber zunächst nähere ich mich
dem Glaubensbekenntnis in wissenschaftlicher Weise. Seine lange Geschichte beginnt 120 n. Chr. in der kirchlichen
Frühzeit als „regula fidei“ (Glaubensregel
oder Kurzform des Glaubens). Um 250
entstand das „Symbolum Romanum“,
das im katechetischen Unterricht ebenfalls zum Taufbekenntnis gebraucht wurde. Auf dem ersten ökumenischen Konzil
von Nicäa im Jahre 325 entstand das nicäische Bekenntnis, das Nicänum, das auch
von den orthodoxen Kirchen im Osten
anerkannt wurde. In ihm wurde bekannt,
dass Jesus Christus „eines Wesens mit
dem Vater ist“.
Auf dem Konzil von Ephesus im Jahre
431 wird das Nicänum in seinem Wortlaut bestätigt. Vor allem setzt sich Kyrill,
der Patriarch von Alexandrien gegen den
Patriarchen von Konstantinopel, Nestori-
Der Bote 2/2013
us, durch und erkennt Maria den Titel der
„Gottgebärerin“ an. Im Jahre 500 wurde
das Apostolicum als Taufbekenntnis der
südgallischen Kirche in die römische Liturgie aufgenommen und 1564 in den Catechismus Romanum.
Das Apostolicum spielt in den orthodoxen Ostkirchen bis heute keine Rolle,
ihr Bekenntnis ist das Nicäum. Während
der Reformation wird das Apostolicum,
das altkirchliche Credo, als fundamentales Bekenntnis von den reformatorischen
Theologen (z. B. Martin Luther) neben
den zehn Geboten und dem Vaterunser als weiteres zentrales Kernstück des
Glaubens anerkannt.
Es ist eine Vielzahl von theologisch/historischen Fakten, die ich in dieser Woche
immer wieder zu sortieren versuche, die
mich in ihrer inhaltlichen Fülle zwar bereichern, aber manchmal auch „erschlagen“. Ich bin dankbar für den sehr guten
Reader zum Glaubensbekenntnis, der mir
die Chance auf ein behutsames Nacharbeiten eröffnet.
Sich nähern und berührt werden
Am Donnerstagabend ist ein Gottesdienst geplant, der im Wesentlichen von
den Studierenden vorbereitet werden
soll. Es stellt sich heraus, dass niemand
von den grundständig Studierenden Interesse an der Vorbereitung hat.
So treffen sich Christiane Schmidt,
Frank Jonas, Frau Borger, Frau Suhr und
ich am Mittwochabend, um uns dem
Thema und der Gestaltung des Gottes-
A n stö S S e
dienstes zu nähern. Wir blättern in den
Psalmen und bleiben am 139. Psalm „hängen“, mit dem wir alle unsere ganz persönliche Geschichte oder Beziehung zu
haben scheinen ...
Wir reden über die besondere Psalmensprache, die uns in ihrer Altertümlichkeit nicht langweilt, sondern wärmt.
Wir zitieren unsere Lieblingsstellen oder
Worte und fangen an zu schwärmen ...
„und hältst deine Hand über mir“ ... „und
siehst alle meine Wege“ ... „zu wunderbar und zu hoch“ ... „nähme ich Flügel der
Morgenröte“ ... „am äußersten Meer“ ...
„dass ich wunderbar gemacht bin“ ... „am
Ende bin ich noch immer bei dir “ ...
Wir sind uns einig: dieser Psalm ist uns
zu kostbar für eine Erklärung oder eine
Interpretation. Wir wollen ihn „ganz“
lassen und damit allen Gottesdienstteilnehmer_innen die Chance geben, sich
diesem Psalm persönlich anzunähern.
Es entsteht die Idee, aus verschiedenen
Positionen in der Kapelle die einzelnen
Verse mit unseren unterschiedlichen
Stimmen zu sprechen. Nur über unseren Ton, unsere Stimmung sollen sich
die Psalmworte in der Kapelle ausbreiten und die Zuhörer berühren. Es ist wie
ein Tanz, dessen Choreographie spontan
entsteht, wir sind im Sprechen ganz nah
beieinander, sind achtsam und alles fügt
sich zu einem ganz besonderen Moment,
der uns tief bewegt, uns berührt und
nach dem „Amen“ schweigen lässt.
Im Nachhinein empfinde ich dieses gemeinsame Psalm-Sprechen als ein ganz
41
A nstöSSe
wunderbares Geschenk und bekenne:
„Ich glaube an den heiligen Geist ...“
42
Bekennen und aufbrechen
Mit Beginn der Studienwoche regt uns
Frau Suhr an, ein eigenes Glaubensbekenntnis zu schreiben. Die Fülle der
wissenschaftlich-theologischen Fakten
verstellt mir zunächst den Blick auf mein
persönliches Glaubensleben, ich brauche
Zeit, um meine eigenen Gedanken mit
den neu erworbenen Kenntnissen zu verbinden.
Die alte, gesetzte Sprache des Apostolicums löst in mir sowohl Vertrautheit
als auch Respekt aus. Auf der einen Seite
fühle ich mich in der Sprache beheimatet
– ich kenne sie doch schon so lange. Auf
der anderen Seite spüre ich eine Grenze,
die mir deutlich zeigt: Alles, was ich dieser Sprache an eigenen Kreationen anbiete, kann nur stümperhaft sein.
Fulbert Steffensky schreibt in einem
Aufsatz über das Glaubensbekenntnis:
„In unsere Aussagen über die Schöpfung,
über die Erlösung und über Christus sind
unsere Leiden, unsere Wünsche und unsere Ängste eingewickelt. Das macht die
Verschiedenartigkeit und die Lebendigkeit eines Bekenntnisses aus. Die Glaubensaussagen verlieren immer da ihre
Kraft, wo sie als objektive verstanden
werden, zu allen Zeiten und von jedem
zu machen, unüberholbar und unberührt
von den Zeitläuften und den Schicksalen
ihrer Bekenner. Religiöse Sprache ist, wo
sie den Namen verdient, eine poetische
Der Bote 2/2013
Sprache, das heißt, dass sie nicht zu hören abgelöst ist von den Sprechenden,
von ihren Tränen und von ihrem Jubel.“
(F. Steffensky, Gewagter Glaube, Stuttgart 2012)
Plötzlich werde ich an unser gemeinsames Psalmenlesen erinnert und erkenne, dass wir, die wir mit ganzer Seele den
Psalm lasen, unserer Stimme Stimmung
gaben, wir legten unsere „Tränen und unseren Jubel“ in all das hinein und wurden
auf sehr besondere Weise angerührt.
Ganz vorsichtig, immer der eigenen
Stimme und Stimmung lauschend wage
ich ein eigenes Bekenntnis:
Ich vertraue Gott, Mutter und Vater,
ich vertraue dem starken Grund, der mich
trägt.
Ich staune über Gottes geheimnisvolle
Schöpferkraft
oben im Himmel, unten auf der Erde.
Ich vertraue Jesus Christus, Sohn Gottes,
als heller Stern geboren von Maria,
gelebt bei den Menschen,
verurteilt, gekreuzigt, gestorben und
begraben.
Als Licht hinabgestiegen zu den Toten.
Am dritten Tag gesehen worden von den
Frauen.
Er lebt.
Im Himmel sitzt er an der Seite Gottes,
Mutter und Vater.
Seine Liebe ist gegenwärtig und stärkt
Lebende und Tote.
Ich vertraue dem Heiligen Geist, der Gemeinschaft schenkt.
Der Bote 2/2013
Ich vertraue Gottes Barmherzigkeit
und Gnade.
Ich vertraue, dass die Toten in Gottes
Hand geborgen sind und hoffe auf ein
Heimkommen in Ewigkeit.
Amen.
Rückblick und Rückmeldung
In dieser einen Woche habe ich sehr besondere junge Menschen kennengelernt,
die mir Mut gemacht haben, meinen
eigenen, niemals vollkommenen Glaubensweg zu gehen und genau dieses
Fragment zu bekennen.
A n stö S S e
Danke für eure Offenheit. Ihr habt frei
über eure Hoffnungen, eure Zweifel, aber
auch über eure Lebensvisionen erzählt,
ihr habt euer Glaubensleben mit mir als
ältester Studentin und mit allen anderen
geteilt, ihr seid – wie Frau Suhr in ihrer bewegenden Predigt gesagt hat – „wunderbar gemacht“!
Danke auch an Frau Suhr und Frau Borger, die mit ihrer guten Vorbereitung,
ihrem reichhaltigen und fundierten
Fachwissen und ihrer Freude an der Vielstimmigkeit des Glaubens uns Suchende
begleitet haben.
Henriette Liebmann
43
p ersön l ic h e s
Der Bote 2/2013
Unterwegs sein im Leben
Nachruf für Erika Peters
44
„Herzlich Willkommen in meinem klei- sen, eintauchen in ein fremdes Land mit
nen Paradies“, so begrüßte mich Erika fremder Kultur. Ich freue mich sehr darPeters vor einigen Jahren in ihrer kleinen auf. Es wird neue Begegnungen geben,
Wohnung im Wohnstift Anscharhöhe in neue Erfahrungen, Anregungen, AuseinEppendorf.
andersetzungen. Das gibt
Sie wollte mit mir und
mir Anstöße für den Alltag
Ingeborg Grosse darüber
und sie bereichern mich.“
sprechen, was es zu regeln
Erfahrungen machen,
gab, wenn sie einmal nicht
Anregungen aufnehmen,
mehr dazu in der Lage sein
Auseinandersetzungen
sollte. Und so lernte ich Erisuchen: Das zeichnet das
ka Peters als muntere und
Leben von Erika Peters aus.
agile Schwester jenseits
Und es beschreibt einen
der Achtzig kennen. Ihre
Menschen, der immer in
Wohnung war bestückt
Bewegung war.
Erika Peters
mit den vielen ErinnerunUnd diese Bewegung
geboren am
gen, die sie auf unzähligen
zog sich auch durch ihr
27. Juni 1929
Reisen gesammelt hatte.
berufliches Leben. 1950
verstorben am
Viele Reiseführer, dazu
von Hamburg zur Ausbil30. April 2013
handschriftliche Aufzeichdung als Gemeindehelnungen und Fotos waren
ferin nach Gelnhausen,
zu sehen. Und Erika Peters konnte erzäh- danach in die Kirchengemeinde nach
len von dem, wo sie gewesen und was sie Husum, drei Jahre Aufenthalt in England,
dort erlebt hatte.
fast zehn Jahre Leiterin des Clubheims
Sie war eine Reisende, eine Pilgerin, ei- der evangelischen weiblichen Jugend in
gentlich immer unterwegs. Und sie hatte Bremen, Rückkehr nach Hamburg ins Juhier in ihrer Wohnung ein kleines Para- gendpfarramt und zuletzt, bis 1990, Leidies gefunden, einen Ort, der ihr vertraut terin der Familienbildungstätte in Hamwar, und der für sie Heimat war. In einem burg-Niendorf. Dazu Ausbildungen und
Artikel für die Brüder- und Schwestern- Qualifizierungen zur Supervisorin und
schaft schrieb sie: „Ich werde zu diesem Beraterin. In Hamburg lernte sie Diakone
Jahreswechsel unterwegs sein, auf Rei- des Rauhen Hauses kennen. Durch diese
Der Bote 2/2013
Begegnungen und Gespräche wuchs Erika Peters‘ großes Interesse am Rauhen
Haus und seiner diakonischen Gemeinschaft. Hinzu kam eine Kooperation des
Jugendpfarramtes zur Qualifizierung
nicht ausgebildeter Mitarbeiter in der
Jugendarbeit mit dem Rauhen Haus. In
diesem Modellprojekt wuchs ihre Beziehung zum Rauhen Haus und der Brüderund Schwesternschaft. Seit 1978 gehörte
sie unserer Gemeinschaft als Freischwester an.
Und dann trat im Januar 2013 doch etwas ein, das Erika Peters‘ Leben schlagartig veränderte. Die Diagnose hieß Schlaganfall, und die linke Körperhälfte war fast
vollständig gelähmt.
Begleitet von ihren Schulfreundinnen,
Brüdern und Schwestern aus dem Rau-
p e rs ö n li c h e s
hen Haus, Ingeborg Grosse und mir hofften wir zunächst auf Besserung. Für Erika
Peters war es nur sehr schwer auszuhalten, dass sie nun anhaltend auf fremde
Hilfe angewiesen sein würde. Ihre Agilität, ihr Bewegungsdrang, all das konnte
sie nun nicht mehr ausleben. Als dann
auch noch der Umzug aus Ihrem „kleinen
Paradies“ in das Haus Weinberg anstand,
reichte ihre Kraft für diesen neuen Weg
nicht mehr aus.
Am 30. April 2013 hat Erika Peters ihre
letzte Reise angetreten. Am 17. Mai 2013
wurde sie unter großer Anteilnahme der
Brüder- und Schwesternschaft auf dem
Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt, in der Gewissheit, dass sie aufgebrochen ist in ein
neues, kleines Paradies.
Reinhard Förtsch
45
p ersön l ic h e s
Der Bote 2/2013
Nachruf für Rudi Müller
Wer den Fluss überquert,
muss die eine Seite verlassen.
46
Ich habe Rudi kennengelernt als einen
ausgesprochen gründlichen, kritischen
und zuverlässigen Freund. In seinem
Mahatma Gandhi
18-seitigen Skript „Mein Leben“ hat er
Rudi hat die eine Seite verlassen, die dies- sich zu den verschiedenen Stationen seiseitige, diejenige, auf der wir uns noch nes Lebens geäußert, auch kritisch geäußert, auch zu seiner Ausbefinden. Er hat die „Seibildung im Rauhen Haus.
ten gewechselt“, weil er
wusste, dass er den Prozess
Resümierend schreibt er:
„Was ich nicht gutheißen
des Hinübergleitens nicht
konnte, das gilt bis heute,
mehr aufhalten konnte.
das ist die Art und Weise,
Insofern war es kein Entin der hier mit Menschen
schluss, sondern eine Einumgegangen wurde und
sicht in das Unabwendbare. Und er ist nun auf der
die an Menschenverachtung und seelische
anderen Seite. Er hat den
Grausamkeit mindestens
Fluss überquert. Was zu
Rudi Müller
grenzte. Nach meinem
geschehen hat, wenn er
geboren am
gestorben ist, und wie es
Weggang aus der „An26. Oktober 1935
stalt“ in die Gemeindearzu geschehen hat, hat Rudi
verstorben am
beit dauerte es noch eine
in der ihm eigenen Gründ24. Mai 2013
ganze Reihe von Jahren,
lichkeit und Präzision,
bis ich ohne Beklemmunsoweit er es überblicken
konnte, vorausgesehen und aufgeschrie- gen und Herzklopfen das Gelände betreben. Damit hat er seine liebe Uschi voraus- ten konnte, um an Veranstaltungen der
damaligen Brüderschaft teilzunehmen.
schauend ein gutes Stück entlastet.
Rudi und ich waren in der Rauhhaus- Das hätte so nicht sein müssen“.
Ausbildung Klassenkameraden. Ich kenAuf den verschiedenen beruflichen
ne ich ihn seit 1956 und habe seinen be- Stationen, die er nach seiner Ausbildung
ruflichen und privaten Weg durchs Leben durchlaufen hat, stand er den Aufgaben
über Jahrzehnte begleiten dürfen. Es gab zwar offen, neugierig und einsatzbezeitweise eine enge berufliche Zusam- reit, aber eben auch kritisch gegenüber.
menarbeit, die allmählich zur Freund- Er schaute genau hin. Und seine Neuschaft wurde.
gier und sein Wissensdurst führten ihn
Der Bote 2/2013
durch Weiter- und Fortbildungen zum
Suchttherapeuten und Betriebswirt und
schließlich auch zu beruflichem Aufstieg.
Er war bis zu seiner Frühpensionierung
Leiter des von ihm konzipierten „Sozialtherapeutischen Zentrums für Suchtkranke“ der Martha-Stiftung in Hamburg-Fuhlsbüttel.
Doch seine Gesundheit spielte nicht
mit. Wegen einer irreparablen Herzerkrankung musste er seine berufliche Tätigkeit zum 1. 10. 1988, gerade 53-jährig,
aufgeben. Er wurde pensioniert. 2007
wurde er wegen eines diagnostizierten
Prostatakrebses operiert und litt an den
Folgen der Operation bis zu seinem Tode.
Nach seiner Pensionierung nahm er an
regelmäßigen Treffen der Brüder- und
Schwesternschaft teil, engagierte sich
im Konvikt Nord, in dem er gelegentlich
auch Andachten und Referate hielt. Ich
erinnere mich, dass er in Vorbereitung auf
ein Referat über das Judentum in einen
intensiven Gedankenaustausch mit mir
trat. Erneut fielen mir seine Gründlichkeit
und Genauigkeit auf, aber auch seine kritische Haltung und seine Zweifel.
In den letzten Jahren, in denen Rudi aus
gesundheitlichen Gründen nicht mehr
reisen, aber auch nicht mehr kleine Fahrten z. B. zu mir nach Lüneburg machen
konnte, traten wir in einen ausgesprochen intensiven E-Mail-Kontakt, der häu-
p e rs ö n li c h e s
fig mehrfach täglich stattfand. Wir diskutierten theologische und philosophische
Fragen. Und es gab dabei kein Tabu.
So stellten wir z. B. das kirchliche Verständnis von Gott in Frage und suchten
nach Antworten auch aus dem naturwissenschaftlichen Bereich. Wir rangen um
ein Verständnis für die Entstehung der
Welt, diskutierten die Frage nach dem,
was vor dem Urknall war und wie er zustande kommen konnte. Auch hier erwies
sich Rudi als jemand, der seinen Zweifeln
Raum geben konnte, aber auch die Toleranz aufbrachte, in fremden Gefilden
möglichst vorurteilsfrei zu suchen.
Rudi hat mit seiner Frau Uschi, die
selbst erst kürzlich tiefgreifend operiert
worden ist, auch ein „schönes“ Leben gehabt – da draußen in Wiemerskamp auf
dem weitläufigen Gelände, das er mit
einem Aufsitz-Mäher bearbeitete, und in
dem schmucken Haus. So lange sie noch
reisen konnten, haben sie u. a. auch an
Fahrten der Seniorengruppe des Rauhen
Hauses teilnehmen können, haben uns in
Lüneburg zu Familienfeiern besucht und
auch ihre kleinen Ausflüge in die nähere
Umgebung machen können.
Mir wird Rudi fehlen, in dem ich einen
treuen, klugen und kommunikationsfreudigen Freund hatte. Er hat den Fluss
überquert.
Norbert Mieck
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p ersön l ic h e s
Der Bote 2/2013
Nachruf für Gerd Rölleke
Wir Kinder im Juli geboren
Lieben den Duft des weißen Jasmin
Wir wandern an blühenden Gärten hin
Still und in schwere Träume verloren
48
1948 begann Gerd eine Chemielaborantenlehre bei den „Chemischen Werken Hüls“ und hat nach 3 1/2 Jahren Lehre
weitere 4 1/2 Jahre als Chemielaborant
Hermann Hesse, 2. Juli 1877
gearbeitet.
Durch seine Beheimatung und guten
Meine Trauer und ErschütErfahrungen in der evanterung über Gerds plötzgelischen Kreuzkirchengemeinde Hervest-Dorslichen Tod am 23. September 2013 ist groß. Wir
ten als Kindergottesdiensthelfer,
Mitgliedkannten uns seit Beginn
unserer Ausbildung 1957,
schaft in einer Jugendaber unser Kontakt wurde
gruppe und im Kirchenerst in den letzten 15 Jahchor entstand der Wunsch,
Diakon zu werden. Er künren eng und herzlich und
er fehlt mir.
digte 1956 bei den Chemischen Werken Hüls und
Gerd wurde am 9. Juli
Gerd Rölleke
1934 in Recklinghausen/
machte ein einjähriges
geboren am
Westfalen geboren und
Praktikum beim CVJM9. Juli 1934
Heimatlosen-Lagerdienst
lebte seit 1935 mit Eltern
verstorben am
in Dortmund.
und Geschwistern in Dors23. September 2013
ten/Westfalen. Er ging
1957 trat er ins Rauhe Haus ein und machte
dort zur Schule bis zum
Frühjahr 1944; von da an zur Oberreal- dort die fünfjährige Ausbildung mit Dischule mit dem Ziel, Lehrer zu werden. akonen-, Sozialarbeiter- (damals noch
Der Krieg zerstörte diese Pläne. Die Schu- „Wohlfahrtspfleger-“), Verwaltungs- und
le wurde im Herbst 1944 durch Bombar- Religionslehrerexamen. Am 12. 9. 1963
dierung zerstört, und ein Jahr lang war wurde er zum Diakon eingesegnet und
gar kein Schulbesuch möglich. Es gab Mitglied unserer Brüder- und Schwesständige Fliegeralarme bis Ende März ternschaft.
1962 trat er seine erste Stelle als Ju1945, dann den Einmarsch der Alliierten.
Ab Herbst 1945 war dann nur noch der gend- und Gemeindediakon in St. MartiBesuch einer entfernt liegenden „Volks- nus-Eppendorf in Hamburg an und übte
schule“ möglich.
dort, wie er selbst schreibt, eine 14-jähri-
Der Bote 2/2013
ge vielseitige und beglückende Tätigkeit
aus. 1976 wechselte er in die MatthäusGemeinde Hamburg-Winterhude mit
dem Schwerpunkt Seniorenarbeit. Dazu
gehörten Beratung, Hausbesuche, Seniorenreisen, Tagesfahrten, Zusammenarbeit mit Ärzten, Heimen, Sozialstationen
und Behörden – speziell mit der Altenhilfe des Bezirksamts Hamburg-Nord.
Berühmt waren die Mittwochnachmittage, an denen Themen diskutiert wurden,
die von den Senioren gewünscht waren.
23 Jahre lang fanden diese Nachmittage
statt, mit selten unter 50 Teilnehmern,
meistens mindestens 60.
Gerd schreibt selbst in einem sorgfältig
ausgearbeiteten Lebenslauf: „An einem
dieser Nachmittage äußerten Senioren
den Wunsch, einen Chor zu gründen.
Nach Absprachen mit dem Kantor, den
Mitarbeitern und Genehmigung durch
den Kirchenvorstand ging es im Herbst
1978 damit los. Was anfangs nur als „interessanter Farbtupfer“ innerhalb der
Seniorenarbeit gedacht und angesehen
war, entpuppte sich bald als kräftiger
„Farbklecks“, denn es kamen Scharen von
Senioren (beinahe aus ganz Hamburg),
die singen wollten. Es gab bis dahin keinen kirchlich orientierten Seniorenchor.
So kam es, dass der „Farbklecks“ nicht nur
deutlich sichtbar, sondern vor allem unüberhörbar wurde – ein Umstand, der bei
oberflächlicher Betrachtung (leider auch
bei einigen Kirchenvorstehern) dazu
führte, als mache ich vorwiegend Chorarbeit. In Wirklichkeit liebte ich die ganze
p e rs ö n li c h e s
Vielfalt meines Berufes, so dass ich noch
in der letzten Woche meiner Berufstätigkeit Ideen hatte und beschwingt von der
Wohnung zum Gemeindehaus ging.
23 Jahre waren so ins Land gegangen,
als ich mit 65 Jahren in den Ruhestand
trat. Erfreulicherweise äußerte der Chor
den Wunsch, mich als Chorleiter zu behalten, so dass ich auch nach meinem
Berufsleben etwas Vernünftiges zu tun
habe und der Kontakt zu den vielen wunderbaren Menschen im Chor bestehen
bleibt“.
Diese Verbundenheit wurde auch bei
der berührenden Trauerfeier am 8. Oktober in der Matthäuskirche deutlich, bei
der ca. 160 TeilnehmerInnen, viele aus
dem Chor mit zum Teil von Gerd selbst
gestalteten Musikstücken und einem
von ihm geschätzten Gedicht von ihm
Abschied nahmen. Wie alles, was ihm
wichtig war, hatte Gerd auch diesen Abschied sorgfältig mit vorbereitet. Ein
wichtiger Charakterzug war seine Ehrlichkeit. Er wollte, dass über ihn nichts gesagt wurde, was nicht seiner Einstellung
entsprach. Deshalb füge ich jetzt eine
Seite an, in der er selbst über seine innere
Entwicklung schreibt:
„Im Lauf des Älterwerdens bröckelte
– aufgrund der eigenen Erfahrung – vieles von dem, was mich in jungen Jahren
glühend erfüllte. Viele Aussagen im Glaubensbekenntnis kann ich nicht mehr
nachsprechen, die Gläubigkeit an Gebetserhörungen und persönliche Gottesbeziehung erlosch weitgehend.
49
p ersön l ic h e s
50
Was bleibt, ist die tiefe Verwurzelung
in der Kirchenmusik, die ich bereits in
Westfalen, vollends dann in Hamburg
kennenlernte. Was ein gepredigtes, gesprochenes Wort nie mehr erreicht: Gesungene Worte, wie etwa die Choräle von
J. S. Bach oder die Evangelien-Motetten
von H. Schütz, gehen nach wie vor ,bis in
die Zehenspitzen‘.
Der Wunsch, meine letzten Jahre in
innerem Einklang zu leben, ist stark ausgeprägt. Hinzu kommt, dass Dichter wie
Hermann Hesse und Joseph von Eichendorff zunehmend meinen ‚inneren Kern‘
treffen. Sind es von Hesse Gedichte wie
‚Wir Kinder im Juli geboren‘, ‚Stufen‘,
‚Seltsam, im Nebel zu wandern‘, in denen ich mich wiederfinde, so sind es bei
Eichendorff die Naturbeschreibungen
und -empfindungen, die sich mit meinen
Erfahrungen und Träumen decken. Dass
Der Bote 2/2013
viele dieser Texte auch noch von namhaften Komponisten vertont wurden und
gesungen werden können, verschafft mir
eine besondere Tiefe im Nachempfinden.
Das Defizit meines Lebens, dass es mir
nie gelang, eine dauerhafte Partnerschaft mit einem Menschen aufzubauen,
wurde auf diese Weise – wie auch durch
einen Kreis guter Freunde und Freundinnen inkl. Nichten und Neffen – weitgehend wettgemacht. Zähle ich dann noch
den Chor mit seinen vielen herzlichen
Menschen hinzu, gibt es viel Grund zur
Dankbarkeit.“
So bin auch ich bei aller Trauer dankbar
dass ich Gerds Freund sein durfte. Viele werden mit mir seine Klarheit, seine
Verlässlichkeit und seine Zugewandtheit
vermissen. Wir wollen ihn in unseren
Herzen behalten.
Walter Hamann
Der Bote 2/2013
p e rs ö n li c h e s
Nachruf für Dr. Dieter Dreisbach
Am 12. Oktober 2013 nahmen wir mit der staatlichen Anerkennung zum Sozieiner großen Anzahl der Brüder und alarbeiter auch die Fakultätsreife für das
Schwestern, der Familie und Freunden im Studium sozialwissenschaftlicher Fächer.
Wichern-Saal Abschied von Dieter DreisAn der Universität Münster studierte er
bach, der am 30. September in seinem ab 1964 Soziologie und machte 1968 das
Heimatort Mosbach in Baden gestorben Examen als Dipl.-Soziologe. Während des
war. Die anschließende
Studiums war er StipendiBeisetzung erfolgte im
at des Evangelischen StuNeuen Grabgarten des
dienwerks Villigst, dem er
Rauhen Hauses auf dem
bis zu seinem Lebensende
Ohlsdorfer Friedhof.
in mancherlei Ämtern, die
Es waren bewegende
er übernahm, verbunden
Stunden; für viele war sein
blieb.
plötzlicher Tod unvermitAm 1. April 1969 betelt gekommen. Auch mir
gann er seine Tätigkeit im
fällt es schwer, seinem von
Rauhen Haus. Er wurde
der Tochter übermittelten
Dozent an der DiakonenDr. Dieter Dreisbach
Wunsch nachzukommen,
schule und Höheren Fachgeboren am
den Nachruf zu schreischule für Sozialarbeit.
24. April 1937
ben. Ich halte mich mit
Damit erfüllte sich für ihn
verstorben am
vielen an die Verheißung
ein Lebenswunsch: „Das
30. September 2013
des Psalmwortes, das die
Katheder ist mein ArbeitsFamilie über die Trauerplatz“.
anzeige gesetzt hat: „Herr, dein Wort ist
Jahre später vollendet er seinen Ausbilmeines Fußes Leuchte und ein Licht auf dungsweg, immer bereit zum lebenslanmeinem Wege.“
gen Lernen, mit der Promotion zum Dr.
Dieter Dreisbach wurde am 25. 4. 1937 phil. an der Universität Bielefeld. Das war
in Berleburg geboren. Er besuchte die 1985.
Volks- und Handelsschule und war nach
Am 29. Juli 1966 heirateten Dieter
einer kaufmännischen Lehre vier Jahre Dreisbach (aus Pfadfinderzeiten hatte
Angestellter in einer Elektromaschinen- er den Namen Bingo mitgebracht) und
fabrik. Er wollte weiter. Nach einer Aus- Lieselotte Radink, von ihm und von allen
bildung an der Höheren Fachschule für Lilo genannt. Zwei Töchter wurden ihnen
Sozialarbeiter in Bochum erhielt er mit geboren.
51
p ersön l ic h e s
52
Die Jahre im Rauhen Haus waren nicht
nur für ihn entscheidende. Veränderungen waren angezeigt. Im deutschen
Bildungssystem wurde die Höhere Fachschule zum Auslaufmodell. Für das Rauhe Haus entstand die Frage: Was wird
aus der Diakonenausbildung? Soll sie
auf der Ebene einer Fachschule weiter
geführt werden, also mit einem Qualitätsrückschritt, oder soll sie Fachhochschule werden, wie die nächsthöhere
Ausbildungsebene jetzt heißen sollte.
Die Diskussionen in den Schulgremien
und in den Gremien des Rauhen Hauses,
einschließlich Brüderrat, waren gegensätzlich und heiß. Wie sollen Diakone in
Zukunft ausgebildet werden und – vor
allem – wie kann eine neue Schule finanziert werden?
Nicht nur Das Rauhe Haus musste sich
entscheiden, auch die Kirche musste
überzeugt werden. So wurde eine gemischte Kommission eingesetzt. Den
Vorsitz führte der Senior der Hamburgischen Landeskirche, D. Seiffert. Dreisbach
und Müssig vertraten Das Rauhe Haus
in der Kommission. Am Ende der Beratung stand ein positives Votum für die
Fachhochschule. Nach langer Diskussion
entschied sich die Synode der Hamburgischen Kirche für die Mitfinanzierung.
Damit war der Damm gebrochen. Die
Ausgestaltung der neuen Ausbildung
konnte beginnen. Dieter Dreisbach wurde Gründungsrektor der neuen Schule.
Es folgen intensive Jahre. Die Bedeutung
der Theologie im neuen Fächerkanon, die
Der Bote 2/2013
Gestaltung des Diakonenabschlusses
neben der staatlichen Prüfung, die Überzeugungsarbeit unter der älteren Brüderschaft, dass der eingeschlagene Weg der
richtige war, die ständigen Auseinandersetzungen mit dem ab 1976 zuständigen
Oberkirchenrat im Kieler Kirchenamt, der
ein anderes Bild von Diakonenausbildung
vor Augen hatte, auch ein Vertrag mit der
Stadt Hamburg über deren Anteil an der
Finanzierung der Schule, das sind nur wenige der zu bearbeitenden Themen, die
den Aufgabenbereich Dieter Dreisbachs
ausfüllten.
Inzwischen hatte Dreisbach im Rauhen
Haus und in der damals noch Brüderschaft genannten Gemeinschaft Wurzeln
geschlagen. 1996 schreibt er in einer soziologischen Analyse der Situation in den
Diakonenanstalten im „Dritten Reich“:
„Ich selbst habe bei aller Kritik auch eine
große Achtung vor und Zuneigung zu
den Diakonenanstalten. Ich bestreite
nicht, daß mich Das Rauhe Haus geprägt
hat und ich auf dem Hintergrund meiner
Biographie besonders von den früh einsetzenden Bildungsbemühungen angetan bin.“
Seit dem 9. Mai 1973 gehörte er als
Freibruder zur Brüderschaft des Rauhen
Hauses. Nach einer Satzungsänderung,
welche die Freibrüder, wenn sie es wollen, als ordentliche Mitglieder mit allen
Rechten und Pflichten der jetzt Brüderund Schwesternschaft des Rauhen Hauses genannten Gemeinschaft auswies,
wurde auch er ordentliches Mitglied.
Der Bote 2/2013
Diesem Wunsch, dazu zu gehören, folgte
auch seine Frau; sie wurde am 11. September 2005 ebenfalls Mitglied.
In diesem Jahr bittet Dieter Dreisbach
um seine Einsegnung: „Seit den 1970er
Jahren begleitet mich der Gedanke einer
Einsegnung zum Diakon.“ Die Brüderund Schwesternschaft gibt das Anliegen
an die Nordelbische Kirche weiter. In
eingehenden Gesprächen wird deutlich,
dass das Diakonengesetz dem Wunsch
entgegensteht. Es fehlt an einer doppelt
qualifizierten Ausbildung und an einer
entsprechenden Tätigkeit.
Die Verwurzelung in der Brüder- und
Schwesternschaft bleibt, als Dieter Dreisbach 1979 das Rauhe Haus verlässt, um
mit dem Wunsch nach mehr Verantwortung in der Praxis der Diakonie Leiter des
Berufsbildungswerkes der JohannesAnstalten in Mosbach im Bereich der
Badischen Landeskirche zu werden. Hier
steigt er einige Jahre später zum Mitglied
des Vorstandes auf und wird als Direktor
für das gesamte Bildungswesen verantwortlich.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit in
Mosbach und nach seiner Zurruhesetzung ergab sich für ihn eine rege ehrenamtliche Tätigkeit. Er bekleidete Ämter
in der Kirchengemeinde und im Kirchenkreis Mosbach. Er wurde Mitglied der
badischen Landessynode und stellvertretendes Mitglied im Landeskirchenrat.
Er wurde Prädikant in der badischen Landeskirche. Er wurde Vorsitzender des Beirates der Evangelischen Fachhochschule
p e rs ö n li c h e s
in Freiburg. Es gab auch eine „Rückkehr
zum Katheder“, als er Lehrbeauftragter
am Diakoniewissenschaftlichen Institut
der Universität Heidelberg in den Fächern „Einführung in die Sozialpädagogik“ und „Systeme sozialer Sicherung“
wurde und damit angehende Theologen
in die praktischen Verflechtungen sozialer Arbeit einführen konnte. Fast 20 Jahre
erfüllte er diese Aufgabe mit Hingabe.
Und schließlich war er ab 1985 Richter am
Kirchlichen Verwaltungsgericht in Baden.
Dieter Dreisbach gehörte ab 1979 zum
Konvikt Süddeutschland unserer Gemeinschaft. Er war, wie es seinem Wesen
entsprach, bald ganz dabei und aktiv an
der Gestaltung des Konviktlebens beteiligt.
Zu seinem 70. Geburtstag bat er einige
Freunde zu einem Empfang in das Best
Western Hotel in der Horner Landstraße.
Neben anderen, die ihm in Reden ihre Zuneigung zeigten, lobte ihn der damalige
Konviktmeister Volker Krolzik in seiner
Laudatio: „Wir schätzen in dir den Kirchenmann, den Diakoniemanager, den
Lehrer der Soziologie und der Diakoniewissenschaft, den Visionär und Strategen, den begabten Redner. Wir lieben den
Bruder, der die Gitarre spielt und das Glas
guten Weins schätzt, der zu allem Interesse zeigt und bereit ist zur Begleitung,
wo er gebraucht wird. Gut, dass du da bist
mit der großen Vielfalt deiner Gaben und
deines Könnens.“
Als 70-Jähriger ließ er sich zur Wahl
in den Ältestenrat aufstellen. „Meine
53
p ersön l ic h e s
54
Frau Lilo und ich sind zutiefst davon
überzeugt, dass […] unsere Brüder- und
Schwesternschaft […] einen unschätzbaren inneren Wert hat, den zu gestalten
und mit zu verantworten einen guten
Sinn ergibt. Die mögliche Vertretung der
Flächenkonvikte und die Umstrukturierungen im Rauhen Haus sind zusätzliche
Anreize“, so bewarb er sich und wurde für
vier Jahre zum Mitglied des Ältestenrates gewählt. Für die nächste Wahlperiode ließ er sich nochmals aufstellen, aber
diesmal misslang die Wahl. Dieter war
davon hart betroffen.
Das Bild von Dieter Dreisbach, das wir
hier entstehen lassen, wäre nicht vollständig, würde nicht auch auf seine
Tätigkeit in der Deutschen Diakonenschaft und nach der Wiedervereinigung
im VEDD hingewiesen. Bereits Anfang
der 1970er Jahre war er der Vertreterversammlung in Rummelsberg behilflich,
als die neue Satzung, die den Verband
vollständig verändern soll, beschlossen
wurde. Ohne seine Argumentationshil-
Der Bote 2/2013
fe wäre der fast einstimmige Beschluss
kaum zustandegekommen.
Maßgeblich arbeitete er im Ausbildungsleiterausschuss mit. 1975 hörten
wir von ihm im Rahmen der Diakonatsdebatte einen weiterführenden Vortrag:
„Der Diakon im gegliederten Amt – eine
Chance der Kirche von morgen“. Auch
später, in den 1990er Jahren, nun nicht
mehr im Rauhen Haus tätig, war er, der
die Satzungsarbeit liebte, dem Verband
beim Beschluss einer neuen Satzung
noch einmal zielorientiert behilflich.
Dieter Dreisbachs Leben war in vielfacher Hinsicht erfüllt. Vielen war er
zugetan. Viele haben von ihm gelernt.
Viele Brüder und Schwestern haben ihn
geschätzt. Seine Freunde schließen sich
dem an, was seine Familie auf der Traueranzeige geschrieben hat: „Wir haben ihn
sehr geliebt“.
Am 30. September 2013 ist Dieter Dreisbach in den Frieden Gottes eingegangen.
Wir werden ihm ein gutes Andenken bewahren.
Gert Müssig
Der Bote 2/2013
55
Wolfgang von Rechenberg spricht das Grußwort im Auftrag der Nordkirche.
„Die Nordkirche braucht Sie!“
Grußwort zur Einsegnung und Aufnahme 2013
Sehr geehrte Frau Rackwitz-Busse,
sehr geehrter Herr Dr. Green,
sehr geehrter Herr Theurich,
liebe heute in die Brüder- und
Schwesternschaft aufgenommenen
Diakoninnen und Diakone,
liebe Gäste,
Schwestern und Brüder,
gern überbringe ich Ihnen die Grüße der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, unserer jungen Nordkirche.
Im Auftrag von Prof. Dr. Bernd-Michael
Haese, dem für die kirchlichen Hand-
lungsfelder zuständigen Dezernenten
des Landeskirchenamtes in Kiel, darf ich
Sie ganz persönlich und besonders herzlich grüßen.
Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, die
Sie heute eingesegnet und aufgenommen wurden, wünsche ich gute Erfahrungen im Miteinander der Brüder- und
Schwesternschaft, vor allem die Gewissheit, dass Sie hier jederzeit Rückenstärkung, Bereitschaft zum Teilen von Freud
und Leid, aber auch Orientierung für Ihren beruflichen und individuellen Weg
finden. Unsere Landeskirche freut sich,
p ersön l ic h e s
56
dass Sie da sind, dass Sie Diakonin oder
Diakon geworden sind – und ich möchte Ihnen schlicht und einfach sagen: Die
Nordkirche braucht Sie!
Vor zwei Wochen war Gerhard Ulrich,
unser neuer Landesbischof, sicherlich
so aufgeregt wie Sie heute morgen – er
wurde in Schwerin in einem festlichen
Gottesdienst eingeführt und hielt eine
bewegende Predigt, live vom Fernsehen
übertragen. In der Tagesschau abends
um acht wurde nur eine einzige kurze Sequenz daraus eingeblendet – sie hieß: „Es
bleibt Verpflichtung für uns alle: Nordkirche ist Kirche für andere! Dienende Kirche, diakonische Kirche. Eine Kirche, die
die Menschen im Blick hat, die auf Hilfe
angewiesen sind. Die auch an Strukturen
arbeitet und sich einmischt. Kirche, die
für andere da ist, weil Gott für uns da ist.“
Ich hatte ja den geheimen Verdacht,
dass Sie, liebe Schwester Rackwitz-Busse,
oder Sie lieber Bruder Green, unauffällig
einen Textbaustein in das bischöfliche
Script geschmuggelt und dann den NDR
bestochen haben – so gut passte meiner
Meinung nach dieser Teil für die Einführung und auch für heute.
Wie gelingt es uns, unter den Bedingungen der Nordkirche authentisch
wahrgenommen zu werden? Wie kann
sich unsere kirchliche Identität durch die
Vielfalt von Arbeitsfeldern, Traditionen
und Subsystemen in den drei sehr verschiedenen Bundesländern profilieren?
Ein Glück – Sie sind ja da! Sie wirken
in Kirchengemeinden, diakonischen
Der Bote 2/2013
Einrichtungen oder öffentlichen Verwaltungen und sind Botschafter protestantischer Tradition und kirchlichen
Engagements im Jahr 2013 mit seinen
Herausforderungen, die dringlich unsere zeitgemäße Sprache brauchen. Es
ist nicht übertrieben, in diesem Zusammenhang auf den exklusiven Stellenwert
Ihres Gemeinschafts- und Engagementprofils hinzuweisen – ein echter Schatz
für unsere Nordkirche!
Meine Bitte an Sie ist, dass Sie auch das
fruchtbare Miteinander von Brüder- und
Schwesternschaft und Kirche tatkräftig
mitgestalten. Nach meinem Eindruck
entstehen die Chancen für einen glücklichen Gleichklang am besten dann, wenn
wie in einer guten Paarbeziehung die
Balance in drei Dimensionen angestrebt
wird: zwischen Nähe und Distanz, zwischen sich anschließen und sich durchsetzen, zwischen Geben und Nehmen.
Der richtige Abstand, nicht zu nah, nicht
zu weit voneinander entfernt, nicht zu
angepasst und nicht zu dominant, der eigenen Identität sicher und zugleich dem
Gedanken der Teilhabe und Teilgabe verpflichtet – so, finde ich, gewinnt gemeinsames kirchliches Handeln an Attraktivität und Ausstrahlung.
Liebe Schwestern und Brüder, aus der
Reflexion meiner eigenen Diakonenerfahrung als Mitglied des Ostseekonventes der Moritzburger Diakonengemeinschaft habe ich eines gelernt: Mit unserer
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland werden wir nur erfolgreich
Der Bote 2/2013
sein, wenn wir die Bereitschaft einbringen, Gelegenheiten zum unmittelbaren
Miteinander-Leben einzurichten, also
gemeinsam zu essen, zu beten, zu theologisieren, zu lachen und zu weinen. Ich bin
sicher, dass Sie als mit Abstand größte Diakoninnen- und Diakonengemeinschaft
in der Nordkirche durch Ihren spirit der
Kooperation ganz wesentliche Anstöße
sowohl für die Gesellschaft, in der wir le-
p e rs ö n li c h e s
ben wollen, als auch für die Kirche, in der
wir leben wollen, geben. Dafür danke ich
Ihnen.
Ihnen und Ihren Familien wünsche ich
einen wunderschönen Festtag heute und
Gottes Segen für die vor Ihnen liegenden
Aufgaben!
Wolfgang von Rechenberg, Referent
im Landeskirchenamt Schwerin
57
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Der Bote 2/2013
Der Bote 2/2013
Unser Einsegnungs- und Aufnahme-Jahrgang
2013
mit Assistentinnen und Assistenten sowie Theologinnen der
Evangelischen Hochschule
p e rs ö n li c h e s
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59
Hintere Reihe (von links):
Dr. Friedemann Green, Mareike Kruse, Oliver Schöpe, Claudia von Medem, Franziska Fritz,
Angelika Michelly, Silvia Boyd, Martina Dreger, Anja Weichert, Stephan Putensen, Margareta
Theile, Friederike Goedicke, Gabriele Borger, Nicole Ahrens-Tilsner, Jan-Peter Wilckens
Vordere Reihe (von links):
Heather Ann Conrad, Lydia Tosses, Joana Weimar, Kim Naber, Marion Stark, Iris Bongartz,
Silke Witter, Elisabeth Steinhagen, Regina Christine Ziese, Katharina Bretschneider, Annette
Kleinwächter, Elke Ukena-Seguin, Tabea Fiebig, Ulrike Suhr, Claudia Rackwitz-Busse
Te r mi n e
Der Bote 2/2013
Te r mi n e
Der Bote 2/2013
Termine
Jan uar 2 0 14
64
2. ��� Neujahrssegen,
Altes Rauhes Haus
19.��� Gottesdienst
Flussschifferkirche zu Hamburg
22.��� Konvikttreffen Hamburg-Nord
24.–26. Einkehrtage, Fleestedt
Feb ruar
8. ��� Delegiertenversammlung,
Sieveking-Saal
16.��� Gottesdienst
Flussschifferkirche zu Hamburg
22.��� Ältestenrat, Sieveking-Saal
24.–27. VEDD Ältestenkonferenz
M ärz
16.��� Gottesdienst
Flussschifferkirche zu Hamburg
Apr i l
2. ��� Konvikttreffen Hamburg-Nord
5. ��� Konvikttreffen Hamburg-Nord
(Alternativtermin)
20. ��� Gottesdienst
Flussschifferkirche zu Hamburg
21.–27. Urlaub Konviktmeisterin
Mai
2.–4.� Konviktwochenende
Rheinland/Westfalen
9.–11.� Konviktwochenende
Süddeutschland
9.–11.� Konviktwochenende
Ostdeutschland
10.��� Konvikttreffen Niedersachsen
18. ��� Gottesdienst
Flussschifferkirche zu Hamburg
26.–8. Urlaub Diakonenbüro
Juni
–8.��� Urlaub Diakonenbüro
11. ��� Konvikttreffen Hamburg-Nord
13.–15. Einsegnungsfreizeit,
Bischof Witte Haus in Fleestedt
15. ��� Gottesdienst
Flussschifferkirche zu Hamburg
Juli
20.��� Gottesdienst
Flussschifferkirche zu Hamburg
Aug u st
17. ��� Gottesdienst
Flussschifferkirche zu Hamburg
20.��� Konvikttreffen Hamburg-Nord
S e ptem b er
11.–14. Brüder- und Schwesterntag
12. ��� Stiftungsgeburtstag
14. ��� Einsegnungsgottesdienst,
Dreifaltigkeit,anschließend
festliches Mittagessen im
Wichern-Saal
23.–13. Urlaub Diakonenbüro
26. ��� Semestereröffnungsgottesdienst und Brunch
26.–28. Klosterwochenende
Konvikt Hamburg-Süd
O ktob e r
–13.�� Urlaub Diakonenbüro
19.��� Gottesdienst
Flussschifferkirche zu Hamburg
24.–26. Konviktwochenende
Rheinland/Westfalen
Jan uar 20 1 5
23.–25. Einkehrtage
Se pte mb e r
13. ��� Einsegnungsgottesdienst,
Dreifaltigkeit, anschließend
festliches Mittagessen im
Wichern-Saal
N ove mb e r
Deze mb e r
10.–13. VEDD
Hauptversammlung
12. ��� Konvikttreffen Hamburg-Nord
14.��� Fach- und Begegnungstag
Nordkirche, Wichern-Saal
16.��� Gottesdienst
Flussschifferkirche zu Hamburg
21.–23. Konviktwochenende
Niedersachsen
9. ��� Rauhhäusler Adventskaffee
D ez emb e r
7. ��� Adventstreffen
Konvikt Ostdeutschland
10.��� Rauhhäusler Adventskaffee,
Wichern-Saal
21. ��� Gottesdienst
Flussschifferkirche zu Hamburg
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Emp f eh lu n gen
Der Bote 2/2013
Diakonisch handeln in Zeit-Brüchen
66
Reinhard Neumann
In Zeit-Brüchen diakonisch
handeln 1945–2013
560 Seiten, 16 x 23 cm,
kartoniert
19,95 EUR
ISBN 978-3-7858-0623-4
Das Buch behandelt die Geschichte der
Diakonenverbände und der im VEDD zusammengeschlossenen
Diakonischen
Gemeinschaften in Deutschland, oftmals
mit einem besonderen Augenmerk auf
die Zweistaatlichkeit und die daraus resultierenden Ereignisse in der Diakonie.
Wichtige gesellschafts-, kirchen- und diakoniepolitische Prozesse werden in dieser Darstellung reflektiert:
– Situation der männlichen Diakonie 1945
– Die Treysaer Erklärung vom September
1946
– Entnazifizierung der Diakonenschaft
– Die Geschäftsstelle Ost und der
Beirat der DD in der DDR seit 1951
– Die Entwicklungen der Diakonenverbände in beiden deutschen Staaten
seit dem Mauerbau bis in die 1980er
Jahre
– Das Jahr 1989 – der Beginn einer
demokratischen Revolution
– Die Gründung und das Wirken des
VEDD bis 2013
Eine aufschlussreiche Lektüre, die erstmals einen Überblick über den Werdegang der Diakonie nach dem Zweiten
Weltkrieg bietet und spannende Einblicke gewährt, wie sie bisher nicht veröffentlicht wurden.
Lernende Gemeinschaft/Seminare
Fremde Heimat Gottesdienst
Über Geschichte, Charakter und Abfolge der Liturgie
Mit dem Alt-Vorsteher Pastor Dietrich Sattler
17. und 29. Januar/18. Februar jeweils 17–20 Uhr
Was wir alles sagen, ohne den Mund zu öffnen
Mit Diakon und Moderator beim NDR Christian Fremy
11. und 25. März/8. April 2014 jeweils 17–20 Uhr
Informationen und Anmeldung im Diakonenbüro
Höre meine Stimme
Peter Spangenberg
Höre meine Stimme
Die Psalmen
176 Seiten, 16 x 24 cm,
gebunden
Leinen, mit Lesebändchen
16,99 Euro
ISBN 978-3-7600-1606-1
Ursprünglich wollte der bekannte Autor
und Pfarrer Peter Spangenberg mit seiner
Übertragung der Psalmen in unsere heu-
tige Zeit und Sprache „nur“ die jungen
Leute für diese Texte begeistern. Tatsächlich hat er uns allen diese Lieder, Gedichte
und Gebete neu erschlossen.
Die beliebte Psalmen-Ausgabe ist jetzt
wieder lieferbar.
Zu beziehen über die Reise- und Versandbuchhandlung des Rauhen Hauses Hamburg GmbH
Tel. 040/53 53 37-0, Fax 040/53 53 37-21
www.pfarrer-shopping.de
imp r essumR e daktion ssc h lu ss B ote 1 / 1 4 : 1 5. MÄRZ
Der Bote – Berichte aus der Brüder- und
Schwesternschaft des Rauhen Hauses – erscheint
zweimal im Jahr.
Herausgegeben von Pastor Dr. Friedemann Green
und Diakonin Claudia Rackwitz-Busse
Redaktion: Johanna Kutzke, Tilman Lutz,
Uwe Mann van Velzen, Claudia Rackwitz-Busse
(verantwortlich), Beate Steitz-Röckener
Kontakt: Beim Rauhen Hause 21, 22111 Hamburg
Tel. 040/655 91-170, Fax 040/655 91-372
[email protected]
Für unverlangt eingesandte Beiträge wird keine
Verantwortung übernommen. Mit Namen
gekennzeichnete Artikel geben nicht
unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Gestaltung und Satz: Johannes Groht
Kommunikationsdesign, Hamburg
Fotos: J. Grothe, U. Mann van Velzen,
R. Sondermann, S. Wallocha, privat
Druck: A. S. Müller Sofortdruck, Hamburg
Konto Brüder- und Schwesternschaft:
Evangelische Darlehnsgenossenschaft Kiel,
BLZ 210 602 37, Konto 80 608
Spendenbescheinigungen auf Wunsch
Ich dein baum
Du hast mich geträumt gott/wie ich den aufrechten gang übe/
und niederknien lerne/schöner als ich jetzt bin/
glücklicher als ich mich traue/freier als bei uns erlaubt/
Hör nicht auf mich zu träumen gott/ich will nicht aufhören mich zu erinnern/
dass ich dein baum bin/gepflanzt an den wasserbächen /des lebens/
Der Bote
Berichte aus der Brüder- und Schwesternschaft
des Rauhen Hauses
Dorothee Sölle
Dienende Gemeinschaft
Lampedusa in Hamburg Seite 19
Einsegnungen und Aufnahmen Seite 55
Nr. 2 | Dezember 2013 | 102. Jahrgang