Nebensache Fußball - Faszination Fankurve
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Nebensache Fußball - Faszination Fankurve
Stadionwelten Foto: Dimo Lenz Croke Park: Hier sehen 82.000 Zuschauer Gaelic Football Nebensache Fußball In Irland steht der Fußball im Schatten anderer traditioneller Sportarten. Somit spielt sogar die erste Liga in kleinen Stadien vor wenig Publikum. W ährend die meisten Fußballfans mit der Nationalmannschaft der Republik Irland die eine oder andere Erinnerung verbinden, wüssten die wenigsten auch nur den Namen einer einzigen Mannschaft aus dem nationalen Liga-Wettbewerb zu nennen. Die FAI (Football Association of Ireland) Eircom Premier League besteht aus zwölf Teams, und während die Meister einen Platz in der Champions-League-Qualikation sicher haben, erreichte nie ein irischer Vertreter die Gruppenphase. Die englischen und schottischen Ligen mit ihren nanziellen und sportlichen Möglichkeiten locken die besten Spieler über die Irische See, und die führenden irischen Clubs kämpfen mit nanziellen Engpässen, wenig Zuschauerinteresse und Sportstätten, die einfacher sind als die der unteren Ligen in den meisten anderen europäischen Ländern. Im Gegensatz zu den Walisern, den Schotten und den Engländern, denen bald das neue Wembley zur Verfügung steht, hat die irische Nationalmannschaft kein eigenes Zuhause. Die letzten 20 Jahre spielte sie an der Landsdowne Road, der 104 Heimat der Irish Rugby Union. Neulich hat man dort den Umbau in einen modernen 50.000er All-Seater angekündigt. Es wurde unter der Beteiligung der Regierung, der FAI und der Rugby Union eine Stadiongesellschaft gegründet, die im Sinne beider Sportarten arbeiten soll. Man geht davon aus, dass der vollständige Umbau des Stadions für 360 Mio. Euro 2007 beginnt und 2009 fertig gestellt ist. Während des Umbaus werden beide Nationalmannschaften im Croke Park, einem hervorragenden Stadion mit 82.000 Sitzen auaufen, über das die Gaelic Football Association verfügt. Diese hatte den Croke Park über Jahre anderen Sportarten verwehrt; die im April vereinbarte Regelung bedeutete insofern einen Meilenstein. Vor der Ära an der Landsdowne Road spielte die irische Fußball-Nationalmannschaft im Dalymount Park, der seit 1901 dem Dubliner Club Bohemians gehört. Es war einst das größte Stadion im irischen Vereinsfußball mit Zuschauerzahlen bis zu 40.000 – in der Folge allerdings wurde es zum Symbol für die Stagnation und den Verfall der Stadien im Land durch notorische Geldnot. 1999 begannen schließlich die ersten Umbauten. Den Anfang machte die neue Haupttribüne (Jodi Stand) mit 2.800 Sitzen. 2001 ging es gegenüber an der Connaught Street weiter, wo Sitze auf die unüberdachten Stehränge geschraubt wurden. Am immerhin zur Hälfte überdachten Shed End kamen auf dieselbe Weise 1.250 Sitze hinzu. Die übrig gebliebene Tramway terrace blieb wegen der Sicherheitsauagen geschlossen, allerdings soll der Teilverkauf an eine Supermarktkette das Geld für eine neue Tribüne mit den ersten Logen der Eircom League einbringen. Die Shamrock Rovers aus Dublin können die meisten Erfolge seit Bestehen der Liga vorweisen, doch ziehen sie seit bald 20 Jahren von Stadion zu Stadion. 1987 verkauften die Rovers, obwohl sie den vierten Titel in Folge errungen hatten, ihr traditionelles Gelände im Glenmalure Park an Immobilieninvestoren. Ein neues Stadion, in das man hätte umziehen können, gab es jedoch nicht. Zuletzt sind die Rovers ausgerechnet im Dalymount Park des Stadtrivalen Bohemians untergekommen. Für die treuen Shamrock-Fans war das ständige Groundsharing mit Nachbarn eine bittere ErfahStadionwelt Februar/März 2006 Stadionwelten Landsdowne Road: Irlands Rugby-Nationalstadion, das auch für Fußball-Spitzenspiele genutzt wird. Unter einer Tribüne verläuft eine Bahntrasse. rung – und den Club schwächt die Miete von derzeit 60.000 Euro pro Jahr empndlich. Nächste Saison soll wieder einmal ein Umzug bevorstehen, ins Morton Stadium, eine Leichtathletikanlage am Stadtrand von Dublin, die für eine erschwingliche Miete bereit steht. Unterdessen laufen mit der Bezirksregierung Verhandlungen über die Wiederaufnahme von Bautätigkeiten, die man vor fünf Jahren begonnen hatte aber 2001 wegen nanzieller Probleme aussetzen musste. Gerade einmal halb fertig, wartet die Haupttribüne für 3.000 Zuschauer seitdem auf ihre Fertigstellung. Den für das Projekt vom Club aufgenommenen Kredit hatte die Stadt übernommen, nicht ohne zu verlautbaren, Shamrock sei im Falle der Fertigstellung nach wie vor der bevorzugte Nutzer. Der Club hofft nun, dass sich die Finanzierung regeln lässt und der Einzug in zwei bis drei Jahren erfolgen kann. Ein weiteres Stadion, in dem die Nationalmannschaft hin und wieder zu sehen war, ist der Tolka Park, Heimat des Shel- bourne FC, der regelmäßig Gastgeber im europäischen Wettbewerb ist. Deshalb entstand hier bereits Anfang der 1990er Jahre das erste ausschließlich mit Sitzen bestückte irische Stadion. Mit seiner einfachen Ausstattung und Überdachung sowie den auf nur drei Seiten auf die Stufen geschraubten Sitzen bleibt es indes schlicht. Shelbourne erreichte 2004 trotz erneuter Titeljagd nur einen Schnitt von 2.158 Zuschauern – eine Öde, die für den Mangel an Fan-Aufkommen bei vielen Clubs der Eircom League beispielhaft ist. Der Tolka Park bendet sich im Besitz der Stadtverwaltung, die verlockende Pläne zum Verkauf des Areals zu Gunsten des Wohnungsbaus in ihrer Schublade weiß. Noch aber läuft ein Pachtvertrag über 99 Jahre, und Shelbourne spekuliert auf einen Verkaufserlös, der ein nagelneues Stadion mit 7.800 Plätzen im nördlichen Vorort Lissenhall ermöglichen könnte In einem weiteren Dubliner Vorort zu nden ist St. Patrick´s Athletic. Dessen Ground Richmond Park hat seinen histo- Stadien und Zuschauerzahlen der Eircom Premier Division Verein Stadion Bohemians Bray Wanderers Cork City Derry City Drogheda United Finn Harps Longford Town Shamrock Rovers Shelbourne St Patrick´s Athletic UC Dublin Waterford United Dalymount Park Carlisle Grounds Turner´s Cross Brandywell Stadium United Park Finn Park Flancare Park Dalymount Park Tolka Park Richmond Park Belfield Park Waterford Regional Sports Centre Gesamtkapazität 8.000 5.300 6.772 8.500 6.000 7.000 5.700 8.000 10.500 5.400 3.000 8.000 Freigegebene Kapazität 6.600 2.243 7.135 3.280 1.165 1.946 4.310 6.600 6.600 5.400 1.200 1.200 Zuschauerschnitt 2005 1.941 1.550 3.593 2.698 1.703 1.347 1.038 1.539 1.949 1.645 1.653 1.513 Die Gesamtkapazität beinhaltet alle Sitz- und Stehplatzbereiche, die 2002, als in der Eircom League eine neue Regelung in Kraft trat, zur Verfügung standen. Unter „freigegebene Kapazität“ stehen die aktuellen Zahlen auf Basis der derzeit gültigen Lizenzen und Sicherheitsbestimmungen. Bei einzelnen Spielen können per Sondergenehmigung auch mehr Plätze freigegeben werden. Stadionwelt Februar/März 2006 Foto: Tobias Jäkel rischen Charme und die Beschaulichkeit gewahrt, aber darüber hinaus außer einer komplett bestuhlten Haupttribüne wenig zu bieten. Es gibt Pläne für den Ausbau einer der Hintertortribünen, aber gegenwärtig bedeutet es für den Verein ein beinahe unüberwindbares Hindernis, überhaupt den ihm zugedachten Anteil an der Finanzierung aufzubringen. UCD (University College Dublin) ist der fünfte aktuell in der Eircom League spielende Dubliner Club. Er trägt seine Begegnungen im kleinen Stadion an der Beleld Road auf dem Universitätsgelände aus. Da eine der Tribünen aufgrund von Sicherheitsauagen geschlossen bleibt, hat der Club jüngst für das Finale im Liga-Pokal, das im September ausgetragen wird, 333 temporäre Sitze an den Seiten der Haupttribüne installiert. Bis zum Finale, nach dem der Rückbau stattndet, werden es 1.150 sein. Auf dem mit Gras bewachsenen gegenüber liegenden Erdwall sollen weitere 1.100 Sitze hinzukommen. Die Zukunft der Anlage ist derzeit ungewiss; die Universität wird es möglicherweise als Baugrund verkaufen und die nahegelegene Beleld Bowl, die vom College RugbyTeam genutzt wird, für beide Sportarten aufbereiten. Hierfür gibt es jedoch noch keine Zeitleiste. Im Falle von Derry City besteht gegenüber allen weiteren Clubs der Eircom League der feine Unterschied, jenseits der nordirischen Grenze angesiedelt zu sein. Im gewaltgeladenen Spannungsfeld des Irland-Konikts wurde Derry City 1971 von der nordirischen Liga ausgeschlossen und 1985 nach einem UEFA-Erlass in der irischen Liga zugelassen. Das Brandywell Stadium ist ungeachtet seiner wegen der Hunderennbahn vergleichsweise weitläugen Anlage für seine Stimmung bekannt. Den Lonemoor Stand, unter den Heimfans „Jungle“ genannt, musste die zuständige Behörde vergangenes Jahr jedoch wegen des dort verbauten Asbestes schließen. Das Brandywell war ein weiteres im Niedergang begriffenes irisches Stadion, � 105 Stadionwelten Derry City: stimmungsvolles Stadion mit Hunderennbahn aber der Abriss der gesperrten Tribüne hat im Februar 2004 begonnen. Auf dieser Grundlage soll ein Plan zur Neugestaltung der gesamten Umgebung verwirklicht werden. Während die Veröffentlichung eines Zeitplans seitens der Stadt, der das Stadion gehört, noch aussteht, hat der Verein nun die Absicht angemeldet, das Grundstück zu kaufen und in Eigenregie neu zu erschließen. In den vergangenen Jahren war der Meister 2005, Cork City, das irische Team, das auf den stärksten Zuschauerzuspruch vertrauen konnte. Der Schnitt lag in den Spitzen bei rund 4.000, auch gehört der Turner Park zu den modernsten Heimstätten des Landes. Das Stadion wurde kürzlich um zwei kleine bestuhlte Längstribünen erweitert, und hinter einem Tor installierte man Sitzschalen. Hinter dem anderen Tor, auf der als Shed End bekannten Tribüne, versammeln sich die Cork City Supporters. Die altmodische, wenngleich anheimelnde Überdachung sieht ihrem Abriss am Ende der laufenden Saison entgegen. Auch der Flancare Park, die Heimat von Longford Town, hat vor nicht allzu langer Zeit einen Umbau erfahren. Als der Club 2000 den Aufstieg in die höchste Spielklasse klar gemacht hatte, rückte der bemitleidenswerte Zustand des Stadions umso mehr in den Blickpunkt. Während der folgenden zwei Spielzeiten errichtete man also eine neue, überdachte Haupttribüne und montierte Sitzplätze im Rest des unüberdachten Stadions. Nach wie vor aber benden sich Arbeiten in Planung. So soll der Bereich unterhalb der Haupttribüne erschlossen werden, während für die eine noch offene Ecke ein Büro- oder Verwaltungsgebäude vorgesehen ist. Als eines von wenigen Teams der letzten Jahre hat Waterford United sein traditionelles Zuhause gegen einen neuen Sportkomplex eingetauscht. Als der Stadtrat zu Beginn der 1990er Jahre vorhatte, dem altehrwürdigen Kilcohan Park, den die Fußballer mit dem örtlichen Greyhound-Rennclub teilten, eine Flutlichtanlage angedeihen zu lassen, entschlossen 106 Waterford Regional Sports Complex sich die Verordneten dann doch dazu, Waterford United lieber gleich in die neue Anlage umzusiedeln. Sie hat eine Haupttribüne mit 1.250 Sitzen – sowie, wie man jedenfalls behauptet, die größten Umkleidekabinen in ganz Irland. Nach wie vor aber umrahmen den Platz ansonsten Erdwälle unter freiem Himmel, und die Laufbahn ist der Stimmung an Football-Matchdays nicht eben zuträglich. Zwar wurden die Pläne für eine weitere Tribüne neulich abgesegnet, aber so lange der Verein seine Kostenbeteiligung von 20 Prozent nicht aufbringen kann, bleibt der Zeitpunkt für den Beginn der Arbeiten offen. Unterdessen wurde der Kilcohan Park gründlich modernisiert und gänzlich als GreyhoundRennbahn gestaltet. Im ältesten Schauplatz der Eircom League überhaupt, im Carlisle Grounds, spielen die Bray Wanderers. Die Geschichte als Sportplatz geht zurück auf das Jahr 1862, Heimat der Wanderers ist die Stätte seit 1942, und seitdem hat sich dort wenig verändert, abgesehen von Umkleide- und Mediencontainern und einigen Sitzen. Wer hier Schutz vor dem Regen sucht, ndet ihn einzig auf dem baufälligen und wenig Vertrauen erweckenden Michael Collins Stand. Diese Tribüne wurde nach dem Film mit Liam Neeson und Julia Roberts benannt, in dem sie die Ehre hatte, die Szenerie zu liefern. Dass der Film Anfang der 20 Jahre spielt, betont deutlich den gegenwärtigen Zustand der Tribüne… Bray hat durchaus vor, Carlisle Grounds zu modernisieren, allein mangelt es bei ungewisser Finanzierung an konkreten Plänen. Einer der kleinsten und kargsten irischen Grounds ist der United Park von Drogheda United. Seit der Eröffnung 1979 wurde er im Grunde kaum verändert. Zwei kleine, überdachte Längstribünen, sonst nichts. Derzeit werden aber Pläne für den Umzug in ein neues Stadion zum Abschluss gebracht, den der Club in weniger als zwei Jahren vollziehen möchte. Auch die Finn Harps planen einen Umzug. Seit 1956 ist der Club im Finn Park zu Hause, der aus aus einer simplen Fotos: www.supportersguides.com überdachten Tribüne besteht und an drei Spielfeldseiten unüberdachte Stufen besitzt. Angesichts einer drastischen Reduzierung der Zuschauerkapazität wegen Sicherheitsmängeln wurden neulich die Stufen der Tribüne neu betoniert. Unterdessen wurde aber die Genehmigung für ein neu zu bauendes Stadion mit 6.600 Sitzen erteilt. Die erste Bauphase (zwei neue Tribünen werden eine Mindestkapazität von 2.000 Plätzen gewährleisten) soll bald beginnen. Auch wenn einige der irischen Stadien zu den einfachsten Stadien in Europa zählen, so haben viele von ihnen doch immerhin einen Charme bewahrt, der anderen europäischen Stadien abhanden gekommen ist. Doch mit den Umbau- und zum Teil auch Abrissarbeiten ist etwas in Bewegung gekommen. Eine beschleunigende Wirkung hierbei hatte 2002 die Entscheidung der FAI, den Lizensierungsvereinbarungen der FIFA zu folgen. Freilich war angesichts der nanziellen und organisatorischen Situation der irischen Clubs zunächst kaum zu erwarten, dass man die Anforderungen der FIFA würde erfüllen können. Aber allmählich – die Fristen, innerhalb derer All-Seater-Stadien gefordert werden, rücken näher – sind die Clubs gefordert, ihre Konzepte vorzulegen. Über Jahre standen dem irischen Fußball keine nanziellen Mittel zur Verfügung, um den Clubs bei der Entwicklung ihrer Sportstätten zu helfen. Im Juli 2005 aber stellten die irische Regierung und die FAI eine Beihilfe für die Clubs der Eircom League in Höhe von 5 Mio. Euro in Aussicht – im europäischen Vergleich ein Tropfen auf den heißen Stein, aber in Irland sicher geeignet, um deutliche Verbesserungen herbeizuführen. Dennoch: Der Fußball hat hier einen schweren Stand. Stadionneubauten stoßen auf Skepsis, weil, besonders in Dublin, die Meinung verbreitet ist, manche Clubs sollten sich Stadien teilen. Wie auch immer – die nächsten fünf Jahre werden die bisher größten Veränderungen der irischen Stadiongeschichte bringen. �� Paul Haines Stadionwelt Februar/März 2006 Stadionwelten Irland Eircom Premier Division Die Erstligastadien im Überblick Brandywell Stadium Derry City FC www.derrycityfc.com Finn Park Finn Harps FC www.finnharps.com LONDONDERRY BALLYBOFEY NORDIRLAND Flancare Park Longford Town FC www.longfordtownfc.com United Park Drogheda United FC www.droghedaunited.ie DROGHEDA Tolka Park Shelbourne FC www.shelbournefc.ie LONGFORD TOWN Belfield Park UC Dublin FC www.ucd.ie DUBLIN IRLAND BRAY Carlisle Grounds Bray Wanderers FC www.braywanderers.ie Richmond Park St. Patrick’s Athletic www.stpatsfc.com WATERFORD CORK Regional Sports Centre Waterford United FC www.waterford-united.ie Dalymount Park Bohemians FC / Shamrock Rovers FC www.bohemians.ie / www.shamrockrovers.ie Turner’s Cross Cork City FC www.corkcityfc.ie Fotos: Bray, Derry City, Finn Harps, Longford Town, UCD, Waterford: www.supportersguides.com / Bohemians: groundhopping.de / Cork: Michael Lindenmayr – loewenfans.net / Drogheda: Frank Jasperneite / Shelbourne: Stadionwelt / St. Patrick’s: Dirk Schulz Stadionwelt Februar/März 2006 107