EIN ALLROUNDER Tuning der etwas anderen Art - Mercedes-Benz

Transcrição

EIN ALLROUNDER Tuning der etwas anderen Art - Mercedes-Benz
2015
Individuell
MAGAZIN FÜR MENSCHEN MIT HANDICAP
WWW.MERCEDES-BENZ.DE/FAHRHILFEN
EINE EINHEIT
Hannah-Louisa
Schmidt und
ihr Pferd
EIN ALLROUNDER
Tuning der etwas anderen Art in der C-Klasse:
von Einstiegsschutz bis Handbediengerät.
EINE ERFOLGSSTORY
Keine Zeit für Nein-Sager:
Rollstuhlbasketballer Sebastian Magenheim
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07.08.15 17:12
Mercedes-Benz Individuell
Inhalt
Mercedes-Benz Individuell
Mobilität verbindet
Editorial
AUF DER INTERNATIONALEN AUTOMOBILAUSSTELLUNG (IAA) präsentiert
Mercedes-Benz eine Reihe von Fahrhilfen ab Werk an dem E-Klasse T-Modell.
T E X T: C O N S TA N Z E M E I N D L F O T O S : DA I M L E R AG
4
7
8
An einer E-Klasse T-Modell präsentiert
Mercedes-Benz seine Fahrhilfen ab Werk am
Stand 01 in der Halle 2.0.
Kein Typ für Plan B
Rollstuhlbasketballer Sebastian Magenheim
lässt sich von Nein-Sagern nicht aufhalten –
sondern anspornen.
Die richtige Adresse
In den More Mobility Centern von
Mercedes-Benz werden M­enschen mit
Handicap von Experten beraten.
Die Umbauer
Im Car Modification Center in Sindelfingen
arbeiten die Umbau-Spezialisten von
Mercedes-Benz.
Hand statt Fuß
10
Ein Handbediengerät für Gas und Bremse
­ermöglicht eine neue Form der Mobilität.
Beim Einbau gibt es einige Besonderheiten.
Tuning mal anders
12
Kaum ein Fahrzeug bietet so viele Umbaumöglichkeiten wie die C-Klasse – und kaum
ein Fahrzeug ist so beliebt.
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neingeschränkte Mobilität im Straßenverkehr. Für
Menschen ohne körperliche Einschränkungen eine
Selbstverständlichkeit. Wir bei Mercedes-Benz arbeiten ständig daran, dass sich Menschen mit Mobilitätseinschränkungen genauso selbstverständlich
im Straßenverkehr bewegen können wie alle anderen. Technische und
mechanische Weiterentwicklungen unterstützen uns dabei auf diesem
Weg: ob Multifunktionsdrehknauf, der neben einer Lenkhilfe auch
eine Fernbedienung für Blinker, Scheibenwischer und Hupe ist, oder
die Handbediengeräte für Gas und Bremse, die leicht und intuitiv zu
bedienen sind.
U
Den Einbau dieser Fahrhilfen übernehmen bei Mercedes-Benz die
hauseigenen Techniker im Car Modification Center in Sindelfingen.
Wir haben den Spezialisten über die Schulter geschaut, um herauszufinden, wie aus einem Pkw vom Band ein individuelles Fahrzeug
wird. (Seite 8)
Sich an alle Regeln gehalten und dennoch irgendwie alle Regeln gebrochen hat Rollstuhl-Basketballer Sebastian Magenheim. Immer wenn es
heißt: „Du kannst das nicht!“, läuft der erfolgreiche Sportler zur Höchstform auf. Seine Botschaft als neues Gesicht für Mercedes-Benz Fahrzeuge mit Fahrhilfen: „Nicht auf Nein-Sager hören!“ (Seite 4)
Sportlich unterwegs ist auch Hannah-Louisa Schmidt. Der Weg der
Para-­Dressurreiterin wurde durch meist zufällige Begegnungen geprägt, die ihrem Leben immer eine neue Richtung gaben. (Seite 14)
Meine Kollegen und ich freuen uns auf die Begegnung mit Ihnen. Entweder auf der Internationalen Automobilausstellung oder in einem unserer 25 More Mobility Center, wo wir Sie gerne umfassend beraten.
Viel Spaß bei der Lektüre Ihres „Individuell“-Magazins wünscht Ihnen
Mehr als ein Sport
Para-Dressurreiten ist ein ganz besonderer
Sport – für die Menschen aber auch für die
Pferde.
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2_3_Inhalt_Edi_IAA_aktuell190715.indd Alle Seiten
Susen Lechler
Branchenmanagement Mobility Mercedes-Benz Cars Deutschland
D
FOTOS TITEL: ERWIN FLEISCHMANN (U.), WERNER KUHNLE (O. R.), JUDITH BÖHNKE (O. L.)
FOTOS INHALT (V.O.): DAIMLER AG; ERWIN FLEISCHMANN, DAIMLER AG, WERNER KUHNLE, DAIMLER AG (2), JUDITH BÖHNKE; DAIMLER AG (EDITORIAL)
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IAA Pkw 2015
ie 66. Internationale Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt
steht unter dem Motto­ „Mobilität verbindet“. Der Claim stellt
einen der Megatrends der Automobilindustrie in den Mittelpunkt: die Vernetzung.
Fahrzeug und Fahrer­ werden künftig jederzeit in
Verbindung stehen und miteinander kommunizieren, um gemeinsam unfallfrei ans Ziel zu kommen.
Das Motto „Mobilität verbindet“ kann am Stand A01
von ­Mercedes-Benz in der Halle 2.0 auch als ganz
eigener Slogan verstanden werden. Denn durch
die zahlreichen Fahrhilfen ab Werk, welche die
Stuttgarter im Angebot haben, ermöglichen sie
Menschen mit Handicap eine Form der Mobilität,
die sie ohne diese technischen und mechanischen
Helfer vielleicht nicht erfahren könnten.
Eine Vielzahl der Fahrhilfen, die Mercedes-Benz
ab Werk anbietet, präsentiert der Stuttgarter Autobauer auf der IAA an einem E-Klasse T-Modell. Die
Messebesucher können sich beispielsweise über
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AN EINEM E-KLASSE T-MODELL
präsentiert Mercedes-Benz auf der
IAA zahlreiche Fahrhilfen, wie den
Plattform-Schwenksitz „Turnout“.
SPEKTAKULÄRE SHOWS wie
im Jahr 2013 warten auch 2015
wieder auf die Besucher.
den Multifunktionsdrehknopf MFD Touch informieren. Neben der Funktion als Lenkhilfe können
an den großen Tasten Blinker-, Scheibenwischer-,
Lichtfunktionen und Hupe per Knopfdruck betätigt
werden.
Daneben haben die Techniker das Fahrzeug
mit „Easy Speed“ ausgestattet. Das besonders
schlanke Handbediengerät für Gas und Bremse
beschleunigt das Fahrzeug durch eine leichte Abwärtsbewegung und wird zum Bremsen nach vorne gedrückt. Außerdem ist ein Handhebel für die
Fußfeststellbremse verbaut.
Praktische und schicke Helfer
Wer rechts nicht Gas geben kann, kann sich detailliert über das elektrische Linksgas informieren. Der Vorteil: Menschen ohne
Handicap können problemlos auf das
Standard-Rechtsgas umschalten. So
kann der Partner dasselbe Fahrzeug
nutzen.
Ein praktisches und zugleich schickes Element
ist der Einstiegsschutz aus Kunstleder. Er schützt
den Schweller der Fahrertüre vor Schrammen, die
durch das Heranfahren des Rollstuhls entstehen
könnten.
Doch nicht nur beim Fahrer selbst, auch beim Beifahrer sorgt Mercedes-Benz für Mobilität. Der Plattform-Schwenksitz „Turnout“ hilft beim Ein- und
Aussteigen. Der Sitz dreht sich elektrisch aus dem
Fahrzeug und erleichtert so den Ein- und Ausstieg.
Obwohl das E-Klasse T-Modell vollgepackt ist mit
Fahrhilfen, bietet Mercedes-Benz noch einige
mehr, über welche die speziell geschulten Mitarbeiter gerne informieren.
Ein Besuch am Stand von Mercedes-Benz lohnt
sich in jedem Fall, denn zahlreiche Premieren werden in Frankfurt vorgestellt: Beispielsweise wird
die A-Klasse nach ihrem Facelift den Besuchern
präsentiert und die Messebesucher können in der
zweiten Generation des Mittelklasse-SUV, dem
l
GLC, Platz nehmen.
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07.08.15 17:14
Mercedes-Benz Individuell
Kein Typ
für Plan B
KRÄFTE SAMMELN, Ziel anvisieren, nicht aufhalten
lassen: Das ist Sebastian Magenheims Erfolgsrezept.
Als Markenbotschafter für Fahrzeuge mit Fahrhilfen
will der Rollstuhlbasketballer ein Zeichen für mehr Mut
zum eigenen Weg setzen.
TEXT: HANNA STURM FOTOS: ERWIN FLEISCHMANN
D
ie Augen leuchten vor Besitzerstolz und mit dem Grinsen kann
er gar nicht mehr aufhören: Als
Sebastian Magenheim seinen
neuen „Dienstwagen“ in der
Münchner Mercedes-Benz Niederlassung in der
Arnulfstraße abholt, ist ihm die Freude deutlich
ins Gesicht geschrieben. Einen Mercedes-Benz
GLA 250 4Matic bekommt der erfolgreiche Rollstuhlbasketballer als neuer Markenbotschafter für
Fahrzeuge mit Fahrhilfen von Mercedes-Benz zur
Verfügung gestellt. 211 PS, modernste Assistenzsysteme, schokobraune Lederausstattung, Panoramaschiebedach – die Liste der Ausstattungshighlights ist lang. Doch so begeistert wie Magenheim
von seinem neuen Auto auch ist, für den erfolgreichen Sportler bleibt es doch nur ein schöner
Bonus: „Das eigentliche Highlight ist nicht das
Materielle, sondern das Ideelle: Nämlich, dass ein
internationaler Konzern einen behinderten Sportler wie mich unterstützt.“
Er und der Fahrzeughersteller passen gut zusammen, findet Sebastian Magenheim: „Mercedes-Benz
ist ein sehr innovatives Unternehmen, etwa bei der
Entwicklung von Assistenzsystemen oder alternati-
D
Mehr Informationen zu
Sebastian Magenheim
mbm.mb4.me/sm
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ENTSCHLOSSEN UND
FOKUSSIERT ist Sebastian
Magenheim auf dem Platz und
abseits des Courts.
ven Antrieben.“ Der Drang, sich ständig zu verbessern und weiter zu entwickeln, sei ein Charakterzug,
den der neue Markenbotschafter bei Mercedes-Benz
sieht und auch von sich selbst kennt.
Von Geburt an hat Sebastian Magenheim eine
Rückenmarkserkrankung, wegen der sich knieabwärts seine Muskeln und Sehnen nicht richtig entwickeln konnten. Hartnäckig übte er als Kind stehen und gehen, obwohl die Ärzte ihm keinen Erfolg
in Aussicht gestellt hatten. Zum Rollstuhlbasketball brachte ihn dann ein Klassenkamerad in der
Grundschule. Zunächst sei er nicht so begeistert
gewesen von der Idee, erinnert sich Sebastian
Magenheim. „Aber mein Freund sagte: Schau es
dir an, bevor du urteilst.“ Ein kluger Ratschlag, der
für ihn bis heute in vielen Situationen gilt.
Der 24/7-Sportler
In Sachen Rollstuhlbasketball war es auf jeden Fall
die richtige Entscheidung, auf seinen Schulfreund
zu hören: Heute spielt Sebastian Magenheim für
seinen Verein RSB Team Thüringen erfolgreich
in der 1. Bundesliga – in der vergangenen Saison
verpasste sein Team nur knapp die Deutsche Meisterschaft und den Sieg in der Champions League.
Außerdem wirft er Körbe für die deutsche Nationalmannschaft und ist bei den Paralympics 2012 in
London für Deutschland angetreten. Das nächste
große Ziel: ein gutes Abschneiden bei der Europameisterschaft in England und damit die Qualifikation für die Paralympischen Spiele 2016 in Rio.
Erfolg kommt auch im Rollstuhlbasketball nicht
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07.08.15 17:20
Mercedes-Benz Individuell
von ungefähr: Zweimal am Tag geht’s zum
Training, entweder bei seinem Verein in Erfurt,
im Olympiastützpunkt in München oder mit der
Nationalmannschaft in Gießen und Frankfurt.
Doch auch wenn er nicht beim Training ist, hat
der Sport höchste Priorität. „Sportler sein bedeutet sportlich trainieren, sportlich essen und sportlich ins Bett gehen“, fasst Magenheim zusammen.
Selbst in der Freizeit kann er nicht abschalten,
analysiert zum Beispiel im Kino in Gedanken den
nächsten Gegner, prägt sich Schwächen und Stärken der anderen Spieler ein.
Die richtige Adresse
Körbe und Köpfchen
Auf dem Beifahrersitz seines neuen GLA wird als
erstes sein Vater Platz nehmen: „Ohne ihn wäre ich
heute nicht da, wo ich bin“, weiß der Sportler. Bei
vielen Entscheidungen sei er ein wichtiger Berater
gewesen, etwa in puncto Berufsbildung. Dass er zusätzlich zum Leistungssport studiert, hat der Vater
durchgesetzt, denn Sebastian ist eigentlich nicht
der Typ für einen Plan B: „Meiner Meinung nach
verfolgst du in dem Moment, in dem du einen Plan
B hast, dein ursprüngliches Vorhaben nicht mehr
mit voller Kraft.“ Die Eltern wünschten sich aber
natürlich „etwas Solides“ für die Zukunft ihres Sohnes, dem auch bewusst ist, dass man vom Rollstuhlbasketball alleine nicht leben kann. Seit Winter hat
Sebastian Magenheim seinen Bachelor-Abschluss
in der Tasche, der Master soll bald folgen.
Leistungssport und Studium – ohne viel Disziplin
und Durchhaltevermögen ist das nicht zu schaffen.
Diese Zielstrebigkeit sei eine der wichtigsten
IMMER SPORTLICH UNTERWEGS.
Sebastian Magenheim vor der Mercedes-Benz
Niederlassung München in der Arnulfstraße.
Fähigkeiten, die er beim Sport entwickelt habe, findet Sebastian Magenheim. „Eine Sache mit voller
Kraft angehen, auf ein Ziel hinarbeiten und sich von
niemandem etwas ausreden lassen – das habe ich
gelernt.“ Deshalb ist sein Idol Arnold Schwarzenegger. Nicht wegen der Muskeln, sondern weil er
sich immer gegen Menschen durchsetzen musste,
die ihm seinen Erfolg nicht zutrauten. Zu klein für
einen Bodybuilder, sein Akzent zu merkwürdig für
einen Schauspieler, zu unseriös für einen Politiker
– so lauteten die Unkenrufe. Sebastian Magenheim
hat Ähnliches erlebt: Die Ärzte meinten, er könne
nie laufen. Die Lehrer prophezeiten, er schaffe nie
das Abitur und viele sagten, er werde nie an den
Paralympics teilnehmen. „Nicht auf Neinsager hören!“ ist deshalb die Botschaft, die er als Gesicht
von Mercedes-Benz verkünden möchte.
Mit den sportlichen Erfolgen ist das Selbstvertrauen gewachsen, das merkt Sebastian Magenheim
auch im alltäglichen Leben. „Heute habe ich keine
Probleme damit, Hilfe anzunehmen.“ Richtig nerven tut ihn etwas anderes: „Wenn Leute per se glauben, dass mein Leben schlecht ist. Das ärgert mich.
Ich bin Markenbotschafter von Mercedes-Benz,
Akademiker und war bei Olympia – mein Leben ist
doch spitze.“
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NUR NOCH SCHNELL
ein paar Körbe
werfen. Sein Sport ist
fester Bestandteil des
Alltags von Sebastian
Magenheim.
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AUF DEN ERSTEN BLICK unterscheidet die More Mobility
Center nichts von anderen Verkaufsniederlassungen.
Bei genauem Hinsehen, erkennt man die Besonderheiten.
Mehr Informationen zu den
More Mobility Centern
mbm.mb4.me/fahrhilfen
TEXT: THOMAS CYGANEK FOTO: DAIMLER AG
b ins Autohaus, Fahrzeug aussuchen, konfigurieren,
später dann abholen, einsteigen und losfahren.
Eine Selbstverständlichkeit – bei Mercedes-Benz
auch für Menschen mit Mobilitätseinschränkung.
„Unsere More Mobility Center sind so gestaltet,
dass wir Menschen mit Handicap ideal beraten
können – und das in einer angenehmen und komfortablen Atmosphäre“, bestätigt Sabine Kramp vom More Mobility Center in Nürnberg. Das beginnt schon bei der Architektur: Beispielsweise ist der
Zugang zum Autohaus barrierefrei, die Parkplätze sind so angelegt,
dass Rollstuhlfahrer mühelos ein- und aussteigen können. Das sind
Besonderheiten, die nicht jedes Autohaus hat.
Im persönlichen Gespräch mit dem Verkaufsberater zeigt sich dann
die große Stärke der More Mobility Center: Die geschulten Mitarbeiter
kennen sich bestens mit Auswahl und Umbau des geeigneten Fahrzeugs von Mercedes-Benz aus. Sie wissen, welche Anforderungen
ihre Kunden haben und wie diesen am besten zu begegnen ist. In
speziellen Schulungen bekommen Verkaufsberater die Gelegenheit,
auf einer Teststrecke Fahrzeuge zu fahren, die mit Fahrhilfen ausgestattet sind. Sie können testen, wie es sich anfühlt, wenn man mit
Handbediengerät Gas gibt und bremst oder mit einem Drehknauf
lenkt. „Es war sehr hilfreich, das selbst ausprobiert zu haben“, bestätigt Kramp. „Man kann sich wesentlich besser in den Kunden hineinversetzen und so richtig auf seine Fragen eingehen.“
A
Die More Mobility Center haben die gesamte Palette an Fahrzeugen
von Mercedes-Benz im Angebot. Da jedoch jedes Handicap anders ist,
lässt sich der Fuhrpark nur schwer mit den exakt passenden Modellen
ausstatten. Die Verkaufsberater versuchen aber gerne, den gewünschten Testwagen zu organisieren. Hierzu fragen die Mitarbeiter
deutschlandweit in Mercedes-Benz Niederlassungen an. „Wir versuchen alles, um Probefahrten mit einem entsprechend umgebauten
Fahrzeug möglich zu machen“, erklärt Kramp. „Außerdem schätzen
unsere Kunden besonders, dass sie viele Individualisierungen gleich
ab Werk bestellen können“, erzählt Kramp weiter. „Dadurch entfallen
zeit- und kostenintensive nachträgliche Umbauten.“
Speziell geschulte Mitarbeiter, individuelle Beratung rund um Fahrhilfen ab Werk, ein Autohaus ohne Hürden: Was einfach klingt, ist etwas
Besonderes: Mercedes-Benz ist bislang der einzige Hersteller mit dem
Angebot der More Mobility Center. „Darauf sind wir sehr stolz“, sagt
Kramp, „und wir möchten das in dieser Form weiterführen!“

MORE MOBILITY CENTER
In Deutschland gibt es 25 More Mobility Center. Diese sind auf der
Internetseite www.mercedes-benz.de/fahrhilfen aufgeführt. Sollte
kein More Mobility Center in der Nähe sein, hilft gerne jede Niederlassung von Mercedes-Benz weiter, denn das Programm Fahrhilfen
ab Werk ist überall bestellbar. Bei Fragen setzen sich die Berater
mit den Spezialisten aus den More Mobility Centern in Verbindung.
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Mercedes-Benz Individuell
Mercedes-Benz Individuell
Die Umbauer
„
Wir sind stolz darauf, unseren
Kunden zu neuer Mobilität und
Lebensqaulität zu verhelfen.
IM CAR MODIFICATION CENTER (CMC) in Sindelfingen
werden aus Autos vom Band individuelle Fahrzeuge – dank
der geschickten Hände der Techniker von Mercedes-Benz.
TEXT: PETER POGUNTKE
FOTOS: WERNER KUHNLE
ERICH KAHLES, TECHNIKER IM CMC SINDELFINGEN
TEAMWORK. Sie kennen jede
Schraube sowie jeden Kniff – und
machen ihren Job leidenschaftlich
gern. Die Techniker des CMC.
einem Mercedes-Benz Pkw geschehen kann, sorgt das CMC. Weltweit
laufen hier die Bestellungen ein.
Umbau durch hauseigene Techniker
Das CMC zeichnet neben vielen anderen Fähigkeiten ein besonderes
Alleinstellungsmerkmal aus: Hier erfolgt der Umbau ab Werk durch
Techniker der Marke Mercedes-Benz. „Wir tragen den Stern nicht nur
auf unserer Arbeitskleidung“, meint Meister Michael Hopf, „sondern
auch im Herzen“. Und wer den Betrieb im CMC verfolgt, der sieht
nicht nur, sondern er spürt auch, „dass hier etwas für die Menschen
getan wird“, wie es Matthias Heil, bei Daimler Business Innovation
zuständig für Fahrhilfen ab Werk, ausdrückt.
Darüber hinaus ist die Arbeit im CMC „anspruchsvoll, abwechslungsreich und fordert das handwerkliche Geschick“, betont Jochen Helber.
Der augenscheinliche Unterschied zu seiner früheren Tätigkeit: Damals
arbeitete er am Montageband, heute in Standplatzmontage. Was sind
die am häufigsten georderten Fahrzeuge? Nach den Erkenntnissen des
16-köpfigen Teams: B-, C-, E-Klasse sowie GLK, der Vorgänger des GLC.
In der laufenden Produktion finden übrigens keine Vorrüstungen statt,
alle Fahrzeuge kommen in Serienausführung direkt vom Band ins CMC.
Die technischen Möglichkeiten des CMC sind beeindruckend. Neben
mechanischen Handbediengeräten für Gas und Bremse sind auch
elektronische Hightech-Produkte wie etwa der Multifunktions-Drehknauf MFD Touch erhältlich. Dieser ergonomische Drehknauf enthält­
zusätzlich noch die Bedienschalter für Licht, Blinker, Scheiben­
wischer und Hupe. Eine bemerkenswerte Konstruktion bietet das
CMC für Menschen, die beispielsweise halbseitig gelähmt sind oder
mit Amputationen leben. Für sie gibt es das Linksgas: Hierbei wird
ein zusätzliches Gaspedal links neben dem Bremspedal eingebaut.
Verwechslungen werden durch einen Schalter in der Konsole von
vornherein ausgeschlossen: Mit ihm wird wahlweise das linke oder
rechte Gaspedal aktiviert. Der Tritt auf das jeweils andere Pedal bleibt
dann wirkungslos. Aber auch Wünsche der besonderen Art macht das
CMC möglich: Der beleuchtete Stern gehört ebenso dazu wie das FontEntertainment im Cockpit nach Maß.
12.000 Fahrzeuge pro Jahr
Insgesamt verlassen jedes Jahr 12.000 Fahrzeuge das CMC, deren
Umbau je nach Aufwand zwischen einem Tag und einer Woche dauern kann. Den Großteil bilden aber Fahrschulautos und hochwertige­
Zubehöreinbauten. Dennoch werden die behindertengerechten Umbauten in Zukunft an Bedeutung gewinnen, darin sind sich CMCTeam und CMC-Leiter Thomas Glaser einig. Der Grund liegt in der
­demografischen Entwicklung Deutschlands und vieler Länder der
Welt: Die Bevölkerung wird im Durchschnitt älter und muss vermehrt mit den Folgen von Alterskrankheiten wie Diabetes und
Schlag­anfällen zurechtkommen. Gleichzeitig wollen die Senioren
aber mobil bleiben – das Know-how dafür besitzt das CMC.
l
SICHER UND ÄSTHETISCH: Jochen Helber
montiert die Halteplatte des Lenkraddreh­
knaufs unter dem Airbag. Dieser Umbau fügt
sich nicht nur harmonisch in den Innenraum
ein, sondern beschädigt außerdem den
Lenkradkranz nicht und ist ­besonders sicher
im Falle eines Aufpralls.
enn Jochen Helber und Erich Kahles zum Schichtbeginn an ihre Montageplätze im Sindelfinger Car
Modification Center (CMC) gehen, dann beginnt für
sie eine ganz besondere Arbeit. Sie bedeutet weit
mehr als die Realisierung eines Fahrzeug­umbaus
nach individuellen Kundenwünschen. Helber und Kahles sowie­
ein weiterer Kollege sind innerhalb des CMC die ausgewiesenen
Experten­ für behinderten­gerechte Fahrzeuge. „Ja“, bestätigt Kahles,
W
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der seit Einrichtung des CMC im Jahr 2010 dort tätig ist, „wir arbeiten für eine sehr spezielle Kundengruppe und wir sind stolz darauf,
diesen Kunden zu neuer Mobilität und Lebensqualität zu verhelfen.“
Die Argumentation des Technikers ist leicht nachvollziehbar: Mobilität gehört für körperbehinderte Menschen zu den Dingen, die ihr Leben trotz mancher Einschränkungen weiter lebenswert machen. Sie
verleiht ihnen die Fähigkeit, aus ­eigener Kraft unterwegs zu sein und
am öffentlichen Leben teilnehmen zu können. Dafür, dass dies mit
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07.08.15 17:23
Hand statt Fuß
TECHNIKER ERICH KAHLES beim
Einbau eines Handbediengerätes.
HINTER DEM EINBAU des Handbediengeräts
steckt mehr Raffinesse, als man vermutet.
TEXT: PETER POGUNTKE FOTO: WERNER KUHNLE
renzenlos mobil sein. Das ist für
Menschen mit Handicap oder
Bewegungseinschränkungen
dank innovativer technischer
und mechanischer Helfer mittlerweile meist genauso selbstverständlich wie für
alle anderen Verkehrsteilnehmer.
Häufig sind es die Beine, die das Bedienen eines Serienfahrzeugs vom Band unmöglich
machen. Doch statt Gas und Bremse mit den
Fußpedalen zu bedienen, können Menschen
mit Einschränkungen dies auch ganz einfach mit ihren Händen tun. Da wundert es
nicht, dass das Handbediengerät für Gas und
Bremse im Car Modification Center (CMC) Sindelfingen das am häufigsten verbaute Produkt ist.
Mercedes-Benz bietet drei verschiedene Handbediengeräte an: Beim Modell „Classic“ kann der
Fahrer über einen Drehknauf am oberen Ende des
Geräts Gas geben. Bei den Modellen „Multima II“
und „Easy Speed“ beschleunigt der Fahrer durch
das Herunterziehen des Hebels. Gebremst wird,
G
10
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indem das ganze Gerät nach vorne gedrückt wird.
Unterstützt wird dies durch das natürliche nach
vorne Fallen des Körpers bei der Bremsverzögerung. Die Kraft wird dann über ein Gestänge auf
die Pedale des Fahrzeugs übertragen. Eine Pedalabdeckung sorgt dafür, dass die Original-Pedale
für Gas und Bremse nicht versehentlich doch mit
den Füßen betätigt werden können. Die Abdeckung ist leicht zu entfernen, damit auch Menschen ohne Handicap das Fahrzeug wie gewohnt
nutzen können.
Einfluss auf Sitzlängsverstellung
Die Handbediengeräte werden an der Sitzbefestigung, rechts vor dem Fahrersitz, angebaut.
Dies hat somit unmittelbaren Einfluss auf die
Sitzlängsverstellung: Der Fahrersitz kann dann
nicht mehr so weit wie üblich nach vorne geschoben werden. Ein nichtbehinderter Partner oder
Bekannter, der den Wagen fährt, kann dadurch
Probleme haben, die Pedale zu erreichen. Die
unterschiedlichen Verstellwege der drei Hand-
bediengeräte sollten also vorher mit dem Verkäufer besprochen werden.
Doch Sicherheit geht vor: Das Handbediengerät
muss immer weit genug hinten eingebaut werden, um die Bremskraft – auch bei heißgelaufener
Bremse – voll ausschöpfen zu können. „Man kann
es sich etwa so vorstellen, dass das Bremsen in
den drei Etappen kalte Bremse, warmgelaufene
Anlage und heiße Bremse erfolgt“, erklärt Michael
Hopf, Meister im CMC. „Die dritte Etappe, bei welcher der Pedalweg und damit der Hebelweg des
Handbediengeräts am längsten sind, endet für den
Bremshebel erst direkt vor dem Armaturenbrett.“
Dass die Handbediengeräte einwandfrei funktionieren, müssen die Fahrzeuge auf der Einfahrstrecke
des Mercedes-Benz Werkes Sindelfingen beweisen.
Erst, wenn das verbaute Handbediengerät die Prüfung „abruptes Bremsen“ von einer definierten
Geschwindigkeit in den Stand bestanden hat, wird
das Fahrzeug mit dem Gerät ausgeliefert – und
macht irgendwo auf der Welt einen Menschen mit
Einschränkung grenzenlos mobil.

IM INTERVIEW erläutert
Matthias Heil, weltweit
verantwortlich für
„Mercedes-Benz Fahrhilfen ab
Werk“, worauf es beim
Handbediengerät ankommt.
INTERVIEW: PETER POGUNTKE
Mehr Informationen zu
den Handbediengeräten
mbm.mb4.me/hbg
ibt es eigentlich Anforderungen über die Technik hinaus,
die Ihre Kunden an Sie stellen?
Ja. Ein Kunde beispielsweise,
der Einschränkungen unfalloder krankheitsbedingt von einem Tag auf den
anderen zu verkraften hat, der ist durch dieses
Ereignis oftmals traumatisiert. Er braucht neben
der Vorbereitung aufs Autofahren einfühlsame
und individuelle Kaufberatung. Bei Menschen, die
bereits von Geburt an mit körperlichen Einschränkungen leben müssen, geht dieser Dialog unter
Umständen etwas leichter von der Hand.
G
Wie sieht es mit dem Feedback aus dem Markt
aus. Gibt es hier Anregungen?
Wir befinden uns in ständigem Kontakt mit
unseren Zulieferern. Erkennen wir aus KundenFeedback zum Beispiel, dass es nötig wäre, ein
Gerät zu verbessern oder neu zu entwerfen, dann
geht unsere Entwicklung auf die Zulieferer zu und
diese schicken dann die ersten Prototypen. Zudem
regen wir aber auch selbst bestimmte Änderungen
an. So müssen etwa die Handbediengeräte immer
wieder den wechselnden Platzverhältnissen im Innenraum angepasst werden.
Worauf kommt es in ihrem Dialog mit den
Partnern besonders an?
Wir müssen unseren Partnern und Kunden unser
Denken erklären. Sie müssen verstehen können,
warum wir manches auf unsere Weise machen und
nicht anders. Wir bauen unsere Handbediengeräte
deshalb so weit von der Instrumententafel entfernt
ein, damit im Falle einer Vollbremsung immer
ausreichend Platz vorhanden ist, um das Handbediengerät ganz nach vorne drücken zu können. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass der Fahrer nicht
den vollen Bremsdruck aufbauen kann. Dadurch
muss aber auch die Sitzlängsverstellung nach vorne begrenzt werden. Wenn jemand dieses Prinzip
verstanden hat, wird er sich nicht mehr beklagen,
dass der Fahrersitz nicht so weit wie üblich vorgeschoben werden kann.

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07.08.15 17:24
Mercedes-Benz Individuell
Tuning
mal anders
KAUM EIN FAHRZEUG bietet so viele
Umbaumöglichkeiten wie die C-Klasse.
TEXT: PETER POGUNTKE
FOTOS: DAIMLER AG
Mercedes-Benz Individuell
­­­ C-Klasse gehört zu den Pkw
ie
von Mercedes-Benz, die von
Menschen mit körperlichen Einschränkungen am häufigsten
gewählt werden. Ein gewichtiger
Grund dafür ist die Vielzahl von Umbauten, die bei
diesem Modell möglich sind.
Das „Tuning“ der etwas anderen Art beginnt mit
dem Einstiegsschutz. Dieser verhindert ein Verkratzen des Schwellers durch den Rollstuhl, wenn der
Fahrer seitwärts an den Wagen heranfährt, seinen
Platz einnimmt und die Beine nachzieht. Das Prinzip ist denkbar einfach: Der Einstiegsschutz aus
hochwertigem Kunstleder liegt nach einem ausgeklügelten Faltkonzept innen eingeklappt im Fußraum und wird mit ­einem simplen Handgriff über
D
DER EINSTIEGSSCHUTZ ist so einfach wie genial:
Das hochwertige Kunstleder verhindert, dass der
Rollstuhl beim Umsetzen den Lack verkratzen kann.
selbe gilt für die Montage des Multifunktions-Drehknaufs MFD Touch. Er vereint die Funktion eines
Lenkraddrehknaufs mit der einer Fernbedienung
für Licht, Blinker, Scheibenwischer und Hupe. Aber
auch Wünsche der besonderen Art macht das CMC
möglich: Der beleuchtete Stern gehört ebenso dazu
wie das Front-Entertainment im Cockpit nach Maß.
Bliebe für die C-Klasse noch eine Frage zu klären,
die immer wieder auftaucht: Passt ein Aktivrollstuhl
in den Kofferraum? „In der Regel problemlos“, versichert das Team im Car Modification Center (CMC)
Sindelfingen – bei nur wenigen Rollstuhl-Modellen
kann es schon mal eng werden.
die Einstiegsleiste ausgeklappt, wenn der Fahrer
seinen Wagen verlässt oder wieder einsteigt.
Die Mercedes-Benz Handbediengeräte für Gas
und Bremse – Classic, Multima II und Easy
Speed – gehören bei der C-Klasse zum obligatorischen Angebot.
Alles mit einer Hand im Griff
Ein besonderes Angebot richtet sich darüber hinaus an Menschen, die mit Bewegungseinschränkungen einer ­bestimmten Körperhälfte oder
amputierten Gliedmaßen leben. Für sie können
Tempomat- und Blinkerhebel von der linken auf
die rechte Seite des Lenkrads verlegt werden. Das-
DIE C-KLASSE bietet viel Stauraum.
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12_CKlasse_gel190715.indd Alle Seiten
„Turnout“ hilft beim Aussteigen
Aber nicht nur die C-Klasse bietet ganz besondere
Umbaumöglichkeiten. Ein Hightech-Produkt ist beispielsweise der schwenkbare Beifahrersitz „Turnout“
aus der E-Klasse. Er ermöglicht bequemes Umsteigen von und auf den Rollstuhl oder das Erreichen
etwa ­eines Rollators. Dieser Einbau ist auch in der
B-Klasse und im GLK beziehungsweise dem Nachfolger GLC unter der Bezeichnung „Turny Evo“ verfügbar. Diese technisch weiterentwickelte­ Version
kann den Beifahrersitz komplett aus dem Fahrzeug
herausschwenken und auf Sitzhöhe des Rollstuhls
l
absenken.
DER MFD TOUCH ist Lenkrad­
drehknauf und Fernbedienung für
Licht, Blinker, Scheibenwischer
und Hupe in Einem.
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Mercedes-Benz Individuell
Mercedes-Benz Individuell
Mehr als ein Sport
ANMUT UND ELEGANZ: Wie
­anstrengend Para-Dressurreiten
ist, bleibt dem Zuschauer
­verborgen.
HANNAH-LOUISA SCHMIDT arbeitet hart für ihr Ziel: die Teilnahme
an den Paralympics 2020. Die Karriere der Para-Dressurreiterin
begann mit einer zufälligen Begegnung beim Spazierengehen.
TEXT UND FOTOS: JUDITH BÖHNKE
M
anchmal haben Begegnungen etwas Magisches. Fordern heraus,
entfachen Leidenschaften, geben
Biographien Richtung und Wendungen, die kaum vorherzusehen
waren und umso mehr beeindrucken. Was solche
Begegnungen bergen, will erkannt­ und entwickelt
werden. Der Para-Dressurreiterin Hannah-Louisa
Schmidt ist das in ihrem Leben mehr als gelungen.
Die erste dieser Begegnungen erreichte HannahLouisa im zarten Alter von fünf Jahren: Ihre
Familie­war gerade umgezogen und erkundete bei
einem Spaziergang mit dem Hund den Düppeler
Forst in Berlin, als ihnen Katja Süß über den Weg
lief. Sie kamen ins Gespräch mit der studierten
Diplom-­Sozialpädagogin und erfuhren von ihrer
Leidenschaft für Pferde und der kleinen sozialen
Einrichtung, die die zertifizierte Reittherapeutin
in Zehlendorf unterhielt. Bei den Schmidts wuchs
die Begeisterung. Hannah-Louisa auf einem
Pferde­rücken und das trotz starker Skoliose und
beidseits fehlender Schienbeine – konnte das tatsächlich möglich sein?
Es konnte. Und abgesehen von dem reinen
heilpäda­gogischen Nutzen des Reitens machte es
mit Hannah-­Louisa noch viel mehr. Das Reiten bewies ihr die eigene Stärke und nährte ihr Selbstbewusstsein und ihre Überzeugung, dass es sich
lohnt, Träume zu haben. „2004 nahm mich Katja
Süß zu einem Wochenende ins Bundesleistungszentrum nach Warendorf mit, wo ein Training
M
EINE EINHEIT:
Hannah-Louisa Schmidt und das Pferd
Wallis vom Messeberg sind ein ganz besonderes Team.
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für die Paralympics im Dressurreiten stattfand“,
erinnert sich Hannah-Louisa. „Dort lernte ich den
Bundestrainer kennen, der mit seinem Kader dann
nach Athen reiste. Diese Begegnung hat mich so
motiviert, dass ich dachte: Bei den Paralympics will
ich auch eines Tages starten.“
Stark im Verein
Seit 2009 trainiert Hannah-Louisa in der Rollireitschule Radensleben von Gundula Lüdtke – ihr Ziel
immer fest im Blick: die Teilnahme an den Paralympics 2020 in Tokio. Die Rollireitschule gehört
dem BPRSV, dem Brandenburgischen Präventionsund Rehabilitationssportverein e.V. an, der unter
anderem Leistungssportler mit Handicap bei der
Verwirklichung ihrer sportlichen Ziele unterstützt.
Derzeit betreut der Verein im Parareiten insgesamt
zehn Leistungssportler, darunter Hannah-Louisa.
Ermöglicht wird die Arbeit durch finanzielle Unter­
stützung aus vielen Richtungen wie Sponsoring
und Förderung durch das Land Brandenburg sowie
den HOBIS Förderverein. „Reiten im paralympischen Spitzensport ist sehr kostenintensiv“, weiß
BPRSV-Pressesprecherin Christa Lemmé. „Man
braucht viele versierte Helfer und hochqualifizierte Trainer, ein geeignetes Umfeld, Equipment, das
zumeist an jeden Reiter ganz individuell angepasst
sein muss und natürlich Pferde. Und das sind keine
BPRSV E.V.
Kontakt Reitsport:
Rollireitschule Radensleben, Gundula Lüdtke
Dorfstraße 54a, D-16818 Radensleben
www.bprsv.de
www.nuester-ug.de
Sportgeräte, sondern Freunde und Partner, die im
Parareiten nicht nur einer speziellen Ausbildung
bedürfen, sondern auch in ihrer Persönlichkeit
sehr menschenbezogen, rücksichtsvoll und feinfühlig sein müssen.“ Entsprechend hohe Ansprüche sind an Haltungs- und Trainingsbedingungen
zu stellen.
Trotz intensivem Training hat Hannah-Louisa auch
ihre schulische Ausbildung nie vernachlässigt.
Das Abitur hat sie mittlerweile in der Tasche. Im
Augenblick absolviert sie eine Ausbildung in Fotografie und Mediengestaltung. „Das hat erst einmal
Vorrang“, sagt die 20-Jährige. „Meine Ausbildung
ist sehr zeitintensiv, deshalb möchte ich sie erst
mit einem guten Ergebnis abgeschlossen haben,
damit ich mich der Paralympics-Vorbereitung widmen kann, ohne Abstriche machen zu müssen.“
Unabhängig mobil sein
Wenn Hannah-Louisa zwischen Ausbildung und
Training mal etwas Zeit findet, möchte sie gerne
den Führerschein machen, damit sie sich nicht
mehr mit ihrem Fahrrad und den öffentlichen Verkehrsmitteln durch Berlin schlagen muss. Unabhängige Mobilität ist besonders im Leistungssport
wichtig, um das hohe Anforderungspensum zu
schaffen. Ihr Traum: „Im smart durch die Hauptstadt düsen – am liebsten im Cabrio.“
Doch heute steht erst einmal nicht der Führerschein, sondern das Training für Tokio auf dem
Programm. Qualifikationstechnisch ist sie schon
auf dem besten Weg. Sie startet als Para-Dressurreiterin in der Wettkampfklasse Grade 1b,
dem schwersten Behinderungsgrad. So holte sie
beispielsweise bereits 2009 bei den Deutschen
Meisterschaften die Silbermedaille, bei den Landesmeisterschaften 2014 und 2015 gab es die
Goldmedaille und obendrein die Berufung in den
aktuellen Landeskader Brandenburg.
„Um sich international zu qualifizieren, sind auch
Parareiter auf Turniere im Ausland angewiesen“,
verrät Christa Lemmé. „Solche Reisen können
wir oft nur ein oder zwei Sportlern ermöglichen.“ In Deutschland werden bislang nur zwei
Qualifikations­turniere angeboten – viel zu wenig,
um die Voraussetzungen für eine Teilnahme an den
Paralympics zu erfüllen. Deshalb richtet der BPRSV
auch eigene Turniere aus, in 2015 drei an der Zahl.
Reiten ist für Menschen mit Handicap mehr als
„nur“ ein Sport: „Nicht nur der Sport an sich stärkt
und befreit Menschen mit Handicap. Auf einem
Pferd zu reiten ist für einen Gehbehinderten beispielsweise wie selbst wieder gehen – sogar rennen
– zu können, schneller als je zuvor“, weiß Christa
Lemmé. „Bei Turnieren kommt noch der besondere
Aspekt der öffentlichen Anerkennung hinzu: Die
Menschen entschlüpfen der Unsichtbarkeit und
stehen auch nicht mehr allein im Mittelpunkt von
Fürsorge. Sie sind Leistungsträger, beweisen sich
im Wettkampf und erleben, dass sie selbst zu Vorbildern werden, zu denen andere aufsehen – ohne
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dass ihre Behinderung eine Rolle spielt.“
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