Link öffnet in einem neuen Fenster.•01. Dezember 2012 Pferdeberufe
Transcrição
Link öffnet in einem neuen Fenster.•01. Dezember 2012 Pferdeberufe
Pferdeberufe «Die Leidenschaft muss immer an erster Stelle stehen» Vor vier Jahren wurde die berufliche Grundbildung der Pferdebranche neu organisiert. Angehende Pferdefachleute werden neu in fünf verschiedenen Fachrichtungen ausgebildet. Patrick Rüegg, Präsident der OdA Pferdeberufe, über die Entwicklung einer Branche im Spannungsfeld von Reitstallromanik und hartem Berufsalltag. Pferdeberufe sind bei den Jugendlichen in. Wie gross ist die Nachfrage konkret? Sehr gross. Vor allem junge Frauen interessieren sich für den Beruf. Ihr Anteil liegt bei 95 Prozent. Viele sind jedoch für den Beruf nicht geeignet. Sie träumen von Reitstallromantik, vom Reiten, vom Reitunterricht, von den schönen Seiten dieses Berufes. In der Realität ist der Beruf jedoch pickelhart und gerade für zierliche Frauen sehr anspruchsvoll. Liebe zum Pferd – Was muss man sonst noch für diesen Beruf mitbringen? Es braucht eine realistische Liebe zum Pferd. Übersteigerte romantische Vorstellungen haben im Reitalltag keinen Platz. Unabdingbar sind weiter eine gute körperliche Konstitution, aber auch Durchsetzungsvermögen gegenüber dem Pferd. Die Lernenden müssen fähig sein, den Lead zu übernehmen. Auch Einfühlungsvermögen gegenüber der Kundschaft ist gefragt. Attestiert der Pferdebranche gute Perspektiven: Patrick Rüegg. Peter Brand Herr Rüegg, in der Schweiz gibt es rund 90 000 Pferde – Tendenz steigend. Wie geht es der Pferdebranche? Patrick Rüegg: Es geht ihr gut. Sie hat sich gegenüber früher stark gewandelt. Traditionellerweise wurde das Pferd vor allem in der Landwirtschaft und im Sport stark genutzt. Mittlerweile wird es auch im Tourismus- und Therapiebereich eingesetzt. Angeboten werden heilpädagogi- sches Reiten, Reittherapien für psychisch Erkrankte und neuerdings auch für Burnout-Patienten. Pferde werden aber auch in Führungsseminaren eingesetzt. Im Umgang mit ihnen können Führungskräfte ihre Rolle reflektieren, denn auch das Pferd braucht einen klaren Chef. Die Pferdebranche hat also Zukunft? Ja. Ich bin angesichts der steigenden Zahlen positiv gestimmt. Die Branche braucht dringend Nachwuchs. Weil beim Reiten die nötige Sicherheit gewährleistet sein muss, brauchen wir unbedingt gut ausgebildete Fachleute. Wie viele Ausbildungsbetriebe respektive Lehrverhältnisse gibt es in der Schweiz? Lehrbetriebe gibt es rund 350. Pro Jahr werden zwischen 80 und 90 Lehrverhältnisse in der dreijährigen beruflichen Grundbildung abgeschlossen. Hinzu kommen 60 Lehrverhältnisse in der zweijährigen beruflichen Grundbildung. Ein vielseitiges Berufsfeld also. Gibt es jungen Menschen auch genügend Perspektiven für die Zukunft? Nur bedingt. Die Leidenschaft muss in diesem Beruf an erster Stelle stehen. Wer möglichst wenig arbeiten und einen hohen Lohn generieren will, ist bei uns sicher fehl am Platz. Perspektiven gibt es für diejenigen, die den nötigen Tatendrang mitbringen, die ihr Leben mit dem Pferd teilen möchten und bereit sind, andere Bedürfnisse zurückzustellen. Vor vier Jahren wurde die Bildungsverordnung der Pferdeberufe überarbeitet. Warum? Ausschlag gab die Änderung des Berufsbildungsgesetzes. Im Zuge davon mussten alle Berufe reformiert werden. Ausserdem waren unsere damaligen Berufsbezeichnungen Bereiterin/Bereiter und Pferdepflegerin/Pferdepfleger dem klassischen Reiten vorbehalten. Verbände anderer Reitarten wie Westernreiten oder Gangpferdereiten wollten ebenfalls eine Ausbildung anbieten. Das führte dazu, dass eine neue berufliche Grundbildung mit fünf Fachrichtungen geschaffen wurde (siehe Kasten). Bewährt sich diese Spezialisierung? Welchen Stellenwert hat die gewählte Fachrichtung für das spätere Berufsleben? Die Spezialisierung bewährt sich sehr. Die Fachrichtungen unterscheiden sich stark. Alle arbeiten zwar mit einem Pferd, aber sehr unterschiedlich. Die Fachrichtung ist keine lebenslange Spezialisierung. Ein Wechsel geschieht in der Regel nur dann, wenn es nicht anders geht, denn jede Fachrichtung hat eben ihre eigene Leidenschaft. Man fühlt sich mit ihr verbunden und möchte dort etwas erreichen. Neu ist auch die zweijährige berufliche Grundbildung Pferdewartin/Pferdewart EBA. Wie sind die Erfahrungen damit? Diese Ausbildung eignet sich für junge Menschen mit schwierigem Umfeld oder schlechten Schulleistungen. Pferd und Lehrbetrieb haben für sie einen wichtigen Stellenwert. Das Pferd hilft diesen jungen Menschen durch die Grundbildung. Sie können beim Ausmisten ihre Sorgen erzählen oder die Wärme des Tieres spüren. Unsere Erfahrungen sind sehr positiv. Sogar Lernende, die unter Umständen ins IV-Netzwerk fallen würden, können mit dieser Ausbildung den Schritt ins Berufsleben schaffen. Die Qualität der Ausbildungsbetriebe in der Pferdebranche wird mitunter kritisch beurteilt. Wie sehen Sie das? Wir müssen an der Ausbildungsqualität arbeiten, das sehe ich auch so. Auf den meisten Betrieben lastet ein hoher wirtschaftlicher Druck. Das macht die Ausbildung für viele nicht ganz einfach. Wir sind bestrebt, die Qualität zu verbessern. Erste Schritte sind bereits getan. Die Reform trägt zur Professionalisierung der Branche bei. [email protected] Pferdeberufe Die Pferdebranche bietet die dreijährige berufliche Grundbildung Pferdefachmann EFZ oder Pferdefachfrau EFZ an. Möglich sind die Fachrichtungen Pferdepflege, klassisches Reiten, Westernreiten, Gangpferdereiten und Pferderennsport. Der Unterricht an der Berufsfachschule ist in den ersten beiden Lehrjahren für alle Fachrichtungen der gleiche. Im 3. Lehrjahr erfolgt die Spezialisierung in die gewählte Fachrichtung. Angeboten wird ebenfalls die zweijährige berufliche Grundbildung Pferdewart EBA oder Pferdewartin EBA. Infos: www.pferdeberufe.ch «espace einsteiger» ist eine Dienstleistung der Espace Media AG und des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes des Kantons Bern und wird in Zusammenarbeit mit folgenden Partnern realisiert: BEKB | BCBE (www.bekb.ch) • Die Schweizerische Post, Berufsbildung (www.post.ch/lehrstellen oder 0848 85 8000) • Berufsbildung Bundesverwaltung (www.epa.admin.ch/dienstleistungen/lehrstellenangebote)