Drachenreiter - Junges Theater Bonn

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Drachenreiter - Junges Theater Bonn
Das JUNGE THEATER BONN präsentiert:
Das Material ist konzipiert...
• ...für die Jahrgangsstufen 5 bis 9
• ...für verschiedene Fächer, insbsd.
- Deutsch
- Sozialkunde
- Religion
- (praktische) Philosophie / Ethik
Didaktisches Begleitmaterial
für die Behandlung von Drachenreiter im Unterricht
von Reimar Seibert-Kemp
Liebe Lehrerinnen, liebe Lehrer,
pünktlich zur Premiere und Uraufführung unserer neuen Produktion, der Bühnenfassung zu
Cornelia Funkes wunderbarem Roman Drachenreiter, präsentieren wir Ihnen wieder ein Heft mit
reichlich Material zur Behandlung des Stoffs im Unterricht verschiedener Fächer. Wir würden uns
freuen, wenn wir Sie damit bei der unterrichtlichen Vor- oder Nachbereitung eines Theaterbesuchs
unterstützen können. Bei uns im Haus geht es zur Zeit gerade ähnlich wild zu wie in Drachenreiter
selbst: Schauspieler, Puppenspieler, Techniker und Bühnenbildner – alle tun ihr Bestes, um die
fantastische Welt von Drachenreiter überzeugend auf die Bühne zu bringen.
Drachenreiter erzählt die Geschichte des Waisenjungen Ben, der in einer Hamburger Lagerhalle
lebt, bis er die alles verändernde Begegnung mit dem Silberdrachen Lung und dem
Koboldmädchen Schwefelfell macht. Mit ihnen geht er auf eine fantastische Reise, die die
Gefährten sowohl mit vielen actionreichen Abenteuern als auch mit viel Zwischen'menschlichem'
konfrontiert: Auf ihrer Suche nach dem 'Saum des Himmels' lernen sie einander zu vertrauen, sich
gegenseitig zu helfen und zu akzeptieren. Und schließlich finden sie – ein jeder auf seine Weise –
das, wonach sie gesucht haben...
Cornelia Funkes Roman Drachenreiter eignet sich thematisch und auf Grund des ansprechenden
und abwechslungsreichen Stils besonders gut für die Behandlung im Unterricht der Unter- und
Mittelstufe. Die Themen der Geschichte reichen von Bens Suche nach Freundschaft und einem
Zuhause bis hin zur Welt der Fabelwesen, zu Alchimie und der Begegnung mit fremden Welten.
Das didaktische Begleitmaterial will zur Behandlung von Drachenreiter insbesondere in den
Fächern Deutsch, Sozialkunde, Religion, (praktische) Philosophie und Ethik in den
Jahrgangsstufen 5 bis 9 anregen. Die Broschüre besteht im Wesentlichen aus verschiedenen
Arbeitsblättern, die Sie als Kopiervorlagen verwenden können. Die Arbeitsaufträge verfolgen z.T.
einen fächerübergreifenden Ansatz und versuchen, analytisches mit handlungs- sowie
erfahrungsorientiertem Arbeiten zu verbinden. Die Arbeitsblätter stellen keine Unterrichtsreihe dar,
sondern ein Angebot zur eigenen Auswahl. Abgerundet wird das Material durch ein Interview mit
der Romanautorin Cornelia Funke und einen Text zur Entstehung der Bühnenbearbeitung.
Beigelegt finden Sie einen allgemein gehaltenen Beobachtungsbogen für Theateraufführungen
sowie Anregungen für Nachgespräche von Schulklassen mit dem Theaterensemble. Sie finden
diese Broschüre auch als pdf-Dokument zum Download unter www.jt-bonn.de.
Wir würden uns freuen, wenn Sie uns auf dem beiliegenden Fragebogen von Ihrem
Theaterbesuch und dem Einsatz des didaktischen Begleitmaterials berichten würden – womit Sie
einen weiteren Theaterbesuch für Ihre Schüler gewinnen können!
Wir wünschen Ihnen viel Freude mit Drachenreiter!
Ihr Team vom Jungen Theater Bonn
© Junges Theater Bonn und Reimar Seibert-Kemp, 2005
Die Arbeitsblätter dürfen zu Unterrichtszwecken kopiert werden.
Herausgeber: Junges Theater Bonn, www.jt-bonn.de
Der Autor, Reimar Seibert-Kemp, ist Lehrer am Georg-Büchner-Gymnasium in Köln-Weiden und Lehrbeauftragter für
Fachdidaktik an der Universität Bonn. Er ist seit einigen Jahren in der Materialentwicklung tätig und erstellt seit 1998 regelmäßig didaktisches Begleitmaterial zu aktuellen Kinofilmen im Auftrag der Stiftung Lesen, seit 2003 auch zu
Theaterproduktionen des JTB.
Die Zitate aus dem Roman sind entnommen Cornelia Funke, Drachenreiter (Hamburg: Dressler, 1997); die Zitate aus dem Bühnenstück sind
entnommen Drachenreiter, Theaterstück nach dem Roman von Cornelia Funke, Bearbeitung von Moritz Seibert und Marco Dott (Hamburg: Verlag
für Kindertheater, 2005).
Drachenreiter – die Geschichte einer Suche
Der dreizehnjährige Ben hat weder Eltern noch Familie. Er lebt allein in Hamburg, zur Zeit haust er in einer
alten Lagerhalle in der Nähe des Hafens. Ben traut seinen Augen kaum, als eines Tages zunächst ein Kobold
und dann sogar ein ausgewachsener Drache Zuflucht in seinem Zuhause suchen.
Nachdem er sich vom ersten Schrecken erholt hat, stellt Ben erleichtert fest, dass die beiden Wesen ihm nicht
feindlich gesonnen sind. Im Gegenteil, der Drache ist sogar richtig nett. Lung und Schwefelfell sind auf der
Suche nach einem sicheren Ort für Lungs Artgenossen, für die es in der Menschenwelt keinen Platz mehr zu
geben scheint. Lung setzt seine ganze Hoffnung auf den sagenumwobenen 'Saum des Himmels'. Dort,
irgendwo zwischen den Gipfeln des Himalaja versteckt, soll die ursprüngliche Heimat der Drachen liegen. Und
Gilbert Grauschwanz, eine Ratte, die irgendwo hier in den alten Hafenspeichern hausen soll, kennt hoffentlich
den Weg dorthin. Ben hilft ihnen, Gilbert ausfindig zu machen.
Der weiß zwar ungefähr, wie man zum Himalaja kommt, aber wo der 'Saum des Himmels' genau liegt, kann
auch er nicht sagen. Trotzdem wollen Lung und Schwefelfell sofort aufbrechen. Und nun traut Ben seinen
Ohren kaum: Lung bietet ihm an, sie auf dieser Reise zu begleiten. Ben ahnt, dass das eine sehr lange und
gefährliche Reise werden wird, aber er zögert keinen Augenblick...
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Lest euch die inhaltliche Einführung in die Geschichte durch und versucht zu beantworten, warum Ben
keinen Augenblick zögert, Lung und Schwefelfell zu begleiten.
Was ist das Reizvolle an fantastischen Geschichten, die von Drachen, Kobolden und auch Menschen
handeln? Was erwartet ihr von Drachenreiter?
Falls ihr Cornelia Funkes Roman Drachenreiter kennt, überlegt euch, wie man die Geschichte auf die
Bühne eines Theaters bringen könnte. Wo muss man kürzen? Wie kann man die verschiedenen Figuren
überzeugend darstellen? Wie ihre Reise und die verschiedenen Stationen? Wie alles Zauberhafte?
Lest euch den Prolog der Bühnenfassung Drachenreiter durch (s.u.). Wie wirkt dieser Prolog auf euch?
Was mögen die Bühnenautoren sich dabei gedacht haben?
Wenn ihr das Stück schon gesehen habt: Erklärt die verschiedenen Zitate im Prolog. Aus welcher Szene
stammen sie? Wer spricht jeweils zu wem? Wieso wurden gerade diese Sätze ausgewählt?
Theaterstück Drachenreiter – Prolog (Szene 1)
1 Unbestimmter Raum, diffuses Licht, Geräusche, Musik. Figuren aus dem Stück erscheinen, kaum erkennbar, und
verschwinden wieder, dazu eine Collage von Sätzen verschiedener Figuren aus dem Stück aus dem Off,
übereinander geschnitten, es genügt, wenn man Bruchstücke versteht.
DSCHINN:
Suche die Bilder meiner Augen.
5 GILBERT:
Das Dach der Welt.
BEN:
Wer ist der Goldene?
SCHWEFELFELL: Wulstling und Pantherpilz!
KIESBART:
Sehr wohl, euer Goldheit.
FLIEGEBEIN:
Meister, könnt Ihr mich hören.
10 NESSELBRAND: (brüllt)
SUBAIDA:
Friede sei mit dir, Asdaha.
BEN:
Aber dann stirbt Lung.
LAMA:
Das sind die heiligen Mondsteine.
GUINEVER:
Und wenn du es gar nicht erst versuchst?
15 SCHWEFELFELL: Los, Drachenreiter, schlag zu!
FLIEGENBEIN:
Du bist ein fleißiger Spion.
LUNG:
Ich bin wie du.
Darüber läuft klar verständlich die Drachenreiter-Prophezeiung.
STIMME (Off):
Er wird zu euch zurückkehren. – Er wird zurückkehren in das Kloster der Mondsteine in Gestalt
eines Jungen, blass wie der Vollmond. Er wird das Licht des Mondes auf dem Kopf des
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steinernen Drachen zerschlagen und zwanzig Finger werden ihm den Weg weisen zum 'Saum
des Himmels'. Er wird seine Freunde vor einem großen Feind retten, und Gold wird weniger
wert sein als Silber.
25 Nach dem Ende der Prophezeiung schreckt BEN, der die ganze Zeit auf dem Boden gelegen hat, hoch,
Lichtwechsel auf normales Spiellicht, plötzlich steht ein POLIZIST vor ihm.
POLIZIST:
Tja, das war's dann wohl. Na los, komm hoch.
BEN rennt weg, der Polizist ihm hinterher.
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
-3-
Halbes Menschlein trifft Silberdrache und
Rieseneichhörnchen – dramatisches Lesen
Kurz nach Beginn des Stückes treffen der Silberdrache Lung und das Koboldmädchen Schwefelfell in einer
alten Hamburger Lagerhalle (wo Lung sich gerade vor den Menschen versteckt) auf einen Menschen, Ben,
einen dreizehnjährigen Waisenjungen. Ihre Begegnung ist geprägt von Spannung, Witz und Gefühlen. Von
daher eignet sie sich besonders gut zum sogenannten dramatischen Lesen...
Theaterstück Drachenreiter – Auszug aus Szene 3
1 LUNG hinter der Kiste, SCHWEFELFELL legt sich auf die Kiste. BEN stößt sich in der Kiste
BEN:
AUA!
SCHWEFELFELL: Da war was!
LUNG:
Wo?
5 SCHWEFELFELL: In der Kiste. Warte. – (SCHWEFELFELL schleicht sich an) Komm raus! Was immer du bist,
komm raus! Oder soll ich dich holen?
BEN schreckt hoch und starrt die beiden an.
BEN:
Ein Drache! Ein echter Drache!
SCHWEFELFELL: Natürlich ist er ein Drache.
10 BEN:
(schreit tonlos) Hilfe!
BEN will wegrennen nach vorne links Richtung Ausgang. LUNG versperrt ihm den Weg (Vorbühne Mitte),
SCHWEFELFELL hinterher, steht hinter BEN, der am Boden liegt!
SCHWEFELFELL: Lass ihn nicht entkommen!
LUNG versperrt BEN den Weg, BEN auf dem Boden.
15 BEN:
Bitte, tu mir nichts!
LUNG:
(zu BEN) Beruhig dich. Ganz ruhig. Hör mir zu... (LUNG schaut auf BEN herab)
BEN:
Scheiße, der spricht…! Ich werd verrückt…
SCHWEFELFELL: Sei froh, dass er spricht. Er kann auch Feuer spucken. Oder dich fressen!
(Diskussion SCHWEFELFELL – LUNG über BENS Kopf hinweg)
20 LUNG:
Was redest du denn? Ich hab noch nie jemand gefressen, das weißt du doch…
SCHWEFELFELL: Ich schon. Aber er nicht. Jedenfalls bis jetzt...!
LUNG:
Ups...
SCHWEFELFELL: Was machen wir denn jetzt mit ihm?
LUNG:
Ich weiß nicht. Ich dachte, du kennst dich mit Menschen aus. (Fluch SCHWEFELFELL) Wie
heißt du denn?
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BEN:
Ben?!
LUNG:
Hallo, Ben. Ich heiße Lung. Ich bin ein Silberdrache.
BEN:
Ist klar…
LUNG:
Gut! Und das ist Schwefelfell, eine Freundin... (BEN Blick zu SCHWEFELFELL)
30 BEN:
Oh Mann!
LUNG:
Sie ist ein Kobold.
SCHWEFELFELL: Ich hab's! Wir fesseln ihn und stecken ihn wieder in die Kiste, bis ich wieder da bin. Und du
setzt dich auf die Kiste.
LUNG:
Auf die Kiste? Wozu denn das?
35 SCHWEFELFELL: Damit er nicht raus kann und uns verrät.
BEN:
Ich werd euch nicht verraten. Ich kann euch gar nicht verraten.
SCHWEFELFELL: Ach ja? Und warum nicht?
BEN:
Ich bin doch nicht bescheuert. (BEN steht auf) Was soll ich denn erzählen? Da in der
Lagerhalle sitzt ein Drache und ein Kobold, der aussieht wie ein Rieseneichhörnchen?
40 SCHWEFELFELL: Rieseneichhörnchen?
(SCHWEFELFELL geht drohend auf BEN zu, drängt ihn zur hinteren Kiste, bis BEN fast hinein fällt)
BEN:
Die sperren mich ein und werfen den Schlüssel weg!
Pause.
LUNG:
Ich glaube ihm.
45 SCHWEFELFELL: Ich nicht! – Was machst du überhaupt hier? So ein halbes Menschlein wie du läuft doch
normalerweise nicht alleine rum.
BEN:
Sowas wie du läuft hier normalerweise auch nicht rum. Wenn du es genau wissen willst: Ich
wohne hier.
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
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Lest euch zunächst die unten stehenden Informationen zum dramatischen Lesen durch und klärt
gemeinsam etwaige Unklarheiten. Vielleicht konzentriert ihr euch schwerpunktmäßig auf ein oder zwei
sprachlich-stimmliche Mittel, z.B. Lautstärke sowie Tonfall und Sprechweise.
Lest euch dann jeder einzeln den Auszug aus Szene 3 des Theaterstücks Drachenreiter durch. Teilt euch
in Dreiergruppen auf und verteilt untereinander die drei Rollen, Ben, Schwefelfell und Lung.
Geht den Text eurer Figur besonders gründlich durch, versucht euch in die Figur hineinzuversetzen und
nehmt Markierungen als Lesehilfen vor (s.u.).
Übt dann in euren Gruppen mehrfach, den Szenenauszug möglichst gut dramatisch vorzulesen. Danach
präsentieren mehrere Gruppen den Szenenauszug vor der Klasse.
Diskutiert die Unterschiede der Präsentationen. Welches sind jeweils die Vorzüge, welches die Mängel?
Welche Gruppe hat welche Figur besonders gut gelesen? Lasst abschließend die "besten Leser"
zusammen lesen.
Beim Theaterbesuch könnt ihr auf die Umsetzung dieser Szene besonders achten und diese mit euren
Präsentationen vergleichen.
'Dramatisches Lesen' bezeichnet ein lautes Vorlesen eines Textes, bei dem der Lesende durch die Art des
Sprechens die jeweilige Gefühlslage, Stimmung, Haltung, Absichten, Aktionen, Erwartungen usw. möglichst
wirkungsvoll und natürlich zum Ausdruck bringt. Es entspricht der Art, wie ein Schauspieler im Theater seinen
Text spricht. Dramatisches Lesen ist besonders wichtig bei Texten bzw. Textstellen, die besonders von
Gefühlen bestimmt sind.
Dramatisches Lesen erfordert, dass man sich in den Text bzw. in die Figuren hineinversetzt. Dadurch kommt
man der Wirkung und dem Sinn eines Textes in der Regel sehr viel näher, als es durch stilles Lesen möglich
ist...
Zu den sprachlich-stimmlichen Mitteln, die beim dramatischen Lesen zum Einsatz kommen, gehören...
• Lautstärke (z.B. zur Hervorhebung wichtiger Worte, zum Verleihen von Nachdruck, zum Ausdruck
von Nähe);
• Tonhöhe und Betonung (Satzmelodie: Heben und Senken der Stimme; z.B. zur Kenntlichmachung
von Frage, Aussage bzw. Befehl, Ungläubigkeit oder Überzeugtsein);
• Tonfall und Sprechweise (z.B. zur Verdeutlichung der Einstellung des Sprechers zum Inhalt bzw.
zum Gesprächspartner);
• Sprechtempo (z.B. zur Unterstützung eines schnellen bzw. langsamen Handlungsablaufs und zum
Ausdruck innerer Bewegtheit oder Regungslosigkeit);
• Sprechpausen (z.B. zur Hervorhebung des Endes eines Gedankens, zur Erzeugung von Spannung,
zur Kenntlichmachung des Nachdenkens).
Um einen Text gut dramatisch vorlesen zu können, muss man – wie ein Schauspieler – ...
(1) den Wortlaut des Textes gut kennen (d.h. den Text mehrfach durchgelesen haben);
(2) sich in den Sprecher hineinversetzen und beim übenden Vorlesen mit den verschiedenen
sprachlich-stimmlichen Mitteln experimentieren;
(3) sich bei Bedarf im Text Markierungen als Lesehilfen notieren (s.u.);
(4) das dramatische Lesen des Textes zunächst mehrfach üben;
(5) beim dramatischen Vorlesen vor Publikum sich ganz in die Situation hineinversetzen.
Beispiele für Markierungen als Lesehilfen:
• Lautstärke: dünne/dicke Unterstreichung (nur bei Abweichung von der normalen Lautstärke:
leise/laut)
• Tonhöhe und Betonung: ↑ (Heben), ↓ (Senken)
• Tonfall und Sprechweise: Bilder (z.B. ☺ - freundlich, ♥ - schwärmerisch, ≈ - nuschelnd) bzw.
entsprechende Worte
• Sprechtempo: Unterstreichung in Form von Pfeilen für schnelles Sprechen, geschlängelte
Unterstreichung für langsames Sprechen
• Sprechpausen: ... | ...
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
-5-
Die große Reise...
Der Silberdrache Lung weiß, wohin seine Reise führen soll: zum 'Saum des Himmels'. Er weiß aber nicht, wo
das Ziel liegt, noch wie er es erreichen kann. Sein Weg führt ihn von Schottland zunächst zu einer klugen
Ratte in Hamburg, Gilbert Grauschwanz. Er weiß über so ziemlich alle Orte auf der Welt Bescheid – und er
besitzt einen Computer mit einem Routenplaner...
Theaterstück Drachenreiter – Auszug aus Szene 4
1 GILBERT GRAUSCHWANZ wendet sich wieder seinem Computer zu.
GILBERT G.:
Also, Reiseziel: Himalaja – Reisende: 1 Drache, 1 Kobold – Auskunft über: sicherste
Reiseroute – Enter!
Der Computer stürzt ab.
5 GILBERT G.:
O nein! Nicht schon wieder! (SCHWEFELFELL Fokus auf GILBERT GRAUSCHWANZ) Ich
sag's ja, nichts als Ärger. Nur weil das Ding mal im Salzwasser gelegen hat.
SCHWEFELFELL: Und jetzt? Ist er kaputt? Ich muss aber den Weg wissen...
GILBERT G.:
Keine Panik. Machen wir es eben auf die altmodische Weise.
"Auf die altmodische Weise" – das heißt Gilbert fertigt Lung eine Karte an, die ihm den genauen Weg zum
Himalaja zeigt (wo im Himalaja genau der 'Saum des Himmels' liegt, weiß selbst Gilbert nicht): eine goldene
Linie zeigt die Flugroute, Rot bezeichnet Gegenden, in denen die Menschen Krieg führen, Gelb verweist auf
Unglück bringende Stellen, und Grau bezeichnet Plätze zum Ausruhen.
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Fertigt euch selbst eine Karte an (z.B. aus dem Atlas abpausen oder aus dem Internet ausdrucken), auf
der ihr die tatsächliche Reiseroute der Gefährten einzeichnet, von Schottland bis zum 'Saum des
Himmels':
START: Schottland → Hamburg → Alpen (in der Nähe von Nesselbrands Burg)→
(Mittelmeer: Kreta) → Ägypten → Wadi juma 'ah (auf der arabischen Halbinsel) →
Pakistan: Dorf an der Mündung des Indus → Indus flussaufwärts → ZIEL: 'Saum des
Himmels' im Himalaja (nahe der Quelle des Indus)
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Schreibt Stichworte zum Inhalt an die verschiedenen Stationen und erzählt die Reise an Hand der Karte
nach.
Cornelia Funkes Erfolgsroman Drachenreiter (1997) geht zurück auf einen älteren, auch erfolgreichen Roman
von ihr, Die große Drachensuche (1988). Die Handlung dieses Romans weist viele Ähnlichkeiten zu
Drachenreiter auf, ist aber auch sehr verschieden. Der folgende Text gibt eine knappe Zusammenfassung:
Cornelia Funke, Die große Drachensuche – Oder Ben und Lisa fliegen aufs Dach der Welt
Als Ben und Lisa in einer verlassenen Fabrik einem wirklichen Drachen begegnen, trauen sie ihren Augen nicht. Mit
seidig schimmernden Schuppen, gefalteten Flügeln, klauenartigen Tatzen und einer länglichen Schnauze liegt er
zusammengerollt im Keller – und singt. Zum Glück ist Lung kein gefährliches Ungeheuer, sondern einfach nur ein sehr
einsamer Drache, der sich nichts mehr wünscht, als andere zu finden, die so sind wie er. Ben und Lisa begleiten ihn
auf seiner Suche, die sie schließlich zum "Dach der Welt" führt.
Unterwegs begegnen sie vielen anderen Fabelwesen, die nicht alle so harmlos sind wie Lung – am gefährlichsten ist
der Große Drache, der sich über die Jahrhunderte durch Gier und Mordlust mehr und mehr in ein Wesen aus Eisen
verwandelt hat. Sein Ziel ist es, alle noch lebenden Drachen zu vernichten, und so macht er sich bald an die
Verfolgung von Lung und seinen beiden Menschenfreunden. In blindem Hass übersieht er seine einzige Schwäche:
Sein metallen gewordener Körper kann den vereinten Feuern der letzten Drachen nicht standhalten und schmilzt.
aus: Kinder-und Jugendliteratur, 13. Erg.-Lfg. Oktober 2001, S. 8f.
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Vergleicht Handlung und Figuren in Die große Drachensuche mit der Handlung und den Figuren in
Drachenreiter: Was ist gleich, was ist ähnlich, was ist gänzlich verschieden?
Erscheint euch Die große Drachensuche interessanter oder Drachenreiter? Warum?
Überlegt euch selbst eine andere Drachengeschichte, in der es um eine Suche geht. Wenn ihr wollt, könnt
ihr eine Fortsetzung zu Drachenreiter schreiben, einzelne Figuren aus Drachenreiter vorkommen lassen
oder eine ganz eigene Geschichte planen. Schreibt eure Überlegungen in Form einer Zusammenfassung
des Inhalts auf. Ihr könntet das erste und/oder das letzte Kapitel eurer Geschichte ausformulieren.
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
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Expedition in die geheime Welt der Drachen
Die folgenden Texte sind entnommen dem schönen und fantasievoll sowie anregend gestalteten Buch
Expedition in die geheime Welt der Drachen, erschienen 2004 im Verlag arsEdition, München. Das reich
bebilderte Buch liefert dem angehenden Drachologen alle nötigen Informationen...
Nur wenige können Meister der Drachenkunde werden. Ihre Aufgabe ist es,
die letzten verbleibenden Drachen zu schützen, denn wer kann sagen,
wie viele noch das nächste Jahrhundert überstehen und wie viele aussterben werden?
Wenn dies geschieht, werden viele Menschen unwidersprochen behaupten,
dass es nie Drachen gab, außer in der Fantasie. Aber dies darf niemals geschehen!
(Umschlagrückseite)
Argumente gegen Skeptiker
Unterschiede zwischen Ost und West
Als Drachologen müssen wir entschieden jenen entgegentreten,
die Drachen als Fabelwesen bezeichnen. Wie viele Tiere mag es
geben, von deren Existenz die Wissenschaft noch nichts ahnt?
Als westliche Gelehrte 1797 erstmals vom Schnabeltier erfuhren,
lachten sie nur. Wie konnte es ein Eier legendes Säugetier mit
einem Entenschnabel geben? Selbst als man ihnen Beweise
vorlegte, glaubten sie an Betrug. Bis 1884 aber hatten selbst die
ungläubigsten ihre Meinung geändert. (Kap. I)
Sich mit Drachen anfreunden
Statt Drachen zu zähmen,
sollte man sich lieber mit
ihnen anfreunden. Sprechende Drachen lassen sich
mit einem wertvollen Geschenk relativ einfach dazu
bewegen, einen anzuhören.
Auf gar keinen Fall aber
sollte man den Rat eines
Drachen wortwörtlich befolgen, da sie unglaublich
hinterlistig sind. Drachen,
die sprechen können, lieben
Rätsel über alles. Seit jeher
achten sie jeden Menschen,
dem es gelingt, sie beim
Rätsellösen zu schlagen.
(Kap. IV)
Betrüblicherweise werden im Westen regelmäßig Stücke
aufgeführt, in denen es um Drachentötungen geht (so
genannter Drachenstich). Im Osten dagegen begegnet
man Drachen mit Respekt. Bei chinesischen Festen
werden sie durch Drachenbootrennen und Drachentänze
geehrt. (Kap. II)
Annäherung an
einen Lung
Gefahren im Feld
Die Gefahr, Bisse, Verbrennungen,
Hautrisse, Erdrosselung und Vergiftung zu
erleiden, darf nicht unterschätzt werden.
Doch auch vor einer Hypnose durch den
Drachen muss man sich hüten. Wie der
Drache dabei vorgeht, ist noch kaum
erforscht, doch nimmt man an, dass es
ähnlich funktioniert wie bei einer Schlange,
die ein Kaninchen hypnotisiert. Drachen
vermögen eine große Anzahl von Personen
gleichzeitig zu hypnotisieren. (Kap. IV)
Die Begegnung mit
einem Asiatischen Lung
erfordert mehr Höflichkeit
als Vorsicht. Doch sollte
ein Helfer in der Nähe
Wasser bereithalten. Am
wichtigsten ist es aber,
größten Respekt zu
zeigen.
Man kann einen Lung
sogar dazu bringen,
einem aus der Hand zu
fressen. (Kap. IV)
Artenschutz
Dies ist zweifellos das dringlichste Anliegen. Je mehr Menschen die Erde bevölkern, desto
stärker schrumpfen die Lebensräume der Drachen. Wenn wir Drachologen keine
angemessenen Schritte unternehmen, werden diese herrlichen Tiere vom Antlitz der Erde
verschwinden und niemals wiederkehren. (Nachwort)
Die Wirkung [der Hypnose durch einen Drachen] kann mehrere Monate lang anhalten,
wobei die Hypnotisierten scheinbar ihr normales Alltagsleben weiterführen.
Die Symptome allerdings sind unverwechselbar: Zwanghafte Beschäftigung mit Drachen,
Zauberern, Elfen und Parallelwelten, eine übertriebene Begeisterung für fantastische
Erklärungen und Ideen, Abneigung gegen menschliche Gesetze. (Kap. IV)
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Glaubt ihr, dass es Drachen gibt oder gab? Welche Drachengeschichten kennt ihr? Handeln sie von guten
oder bösen Drachen? Habt ihr schon mal gehört, dass irgendwo ein Drache gesichtet wurde? Glaubt ihr
der Geschichte? Wie lässt sich die weltweite Verbreitung des Drachenglaubens anders erklären?
Lest euch die Auszüge aus dem Buch Expedition in die geheime Welt der Drachen durch. Welche
Aussagen lassen sich auf das beziehen, was in Cornelia Funkes Geschichte Drachenreiter erzählt wird?
Wo gibt es Unterschiede?
Schreibt einen wissenschaftlich klingenden Bericht eines Drachologen über eine Begegnung mit Lung aus
Drachenreiter. Was beobachtet und erlebt er? Was überrascht ihn? Was bestätigt sein Vorwissen?
Wahlweise könnt ihr auch von einer Begegnung mit dem künstlich geschaffenen Nesselbrand berichten.
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
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Nesselbrand, der Goldene
In einer kalten, mondlosen Winternacht des Jahres 1424
erschuf der große Alchimist Petrosius von Bilsenkraut
das größte Wunder, das die Welt jemals gesehen hat,
das mächtigste und gefährlichste Wesen,
das je seine Pranken auf die Erde gesetzt hat.
Aus einem Geschöpf, dessen Namen niemand kennt,
schuf er es, aus Feuer und Wasser, aus Gold und Eisen,
aus hartem Stein und dem Tau,
den der Frauenmantel auf seinen Blättern fängt.
Dann erweckte er es zum Leben mit der Kraft der Blitze
und er nannte sein Werk Nesselbrand.
zusammengestellt aus Cornelia Funke, Drachenreiter, S. 78f.
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Welche Vorstellungen und Gefühle weckt der Name 'Nesselbrand', wenn man ihn zum ersten Mal hört?
Nesselbrands Erschaffer war ein Alchimist. Informiert euch – im Internet (z.B. de.wikipedia.org) oder in
einem herkömmlichen Nachschlagewerk – darüber, was 'Alchimie' bedeutet.
Nesselbrand selbst gefällt der oben stehende Bericht von seiner Erschaffung. Lest ihn euch durch. Wie
wirkt er auf euch? Welche Worte, Ausdrücke und/oder Inhalte führen zu eurem Eindruck?
Nun untersucht den unten stehenden Auszug aus Kapitel 9 des Romans. Es ist die Stelle, an der
Nesselbrand zum ersten Mal vorkommt. Wie gelingt es der Autorin Cornelia Funke, sowohl von
Nesselbrand als auch von seiner Burg ein möglichst unangenehmes Bild zu zeichnen? Unterstreicht alle
Ausdrücke und Sätze, die unangenehme Vorstellungen wecken. Benutzt die Farbe Rot für Nesselbrand
und Grün für die Umgebung.
Experimentiert in Gruppen damit, den Auszug so vorzulesen, dass die düstere, abstoßende Beschreibung
besonders deutlich wird. Setzt auch akustische Effekte ein (Drachengeräusche, Wind, Echoeffekt usw.).
Malt oder zeichnet ein Bild von Nesselbrand in seiner Burg. Versucht möglichst viele Elemente der hier
gegebenen Beschreibung einzuarbeiten. Stellt euch eure Bilder gegenseitig vor und vergleicht sie.
Überlegt euch einen möglichst wirkungsvollen ersten Auftritt für Nesselbrand in einer Theateraufführung
von Drachenreiter. Nach eurem Theaterbesuch könnt ihr eure Ideen mit der Theateraufführung
vergleichen.
Cornelia Funke, Drachenreiter – Auszug aus Kap. 9 (S. 75)
1 Die Burg, in deren Nähe Lung sich verirrt hatte, war ein dunkler Ort – und viel gefährlicher für
einen Drachen als für ein paar Steinzwerge.
An Zwergen war ihr Bewohner genauso wenig interessiert wie an Fliegen oder Spinnen. Aber auf
einen Drachen wartete er seit mehr als hundertfünfzig Jahren.
5 Die Mauern der Burg waren längst zerfressen vom Regen. Die Türme waren eingestürzt, die
Treppen überwuchert von Disteln und Dornen. Aber das störte ihren Bewohner nicht. Sein
Panzer war unempfindlich gegen Regen, Wind und Kälte. Tief unten in den feuchten
Kellergewölben hauste er, Nesselbrand, der Goldene, und sehnte sich nach den fetten Jahren
zurück, in denen das Burgdach noch keine Löcher gehabt hatte und er auf die Jagd gegangen
10 war, auf die Jagd nach der einzigen Beute, die zu jagen ihm Spaß machte – den Drachen.
Nesselbrands Panzer glänzte immer noch wie pures Gold. Seine Krallen waren spitzer als
Glassplitter, seine Zähne scharf und seine Kraft größer als die jedes anderen Lebewesens. Aber
er langweilte sich. Die Langeweile fraß ihn auf. Sie machte ihn wild und wütend, bissig wie einen
angeketteten Hund und so launisch, dass er die meisten seiner Diener längst gefressen hatte.
"Ich muss jetzt auf der Stelle irgendwas zerbeißen!", brüllte er.
"Zerbeißen, zerreißen, zertrampeln, zerfetzen."
Cornelia Funke, Drachenreiter, S. 220
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
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Nesselbrands Ende
Die Silberdrachen Lung und Maja locken Nesselbrand, den Goldenen, in die Höhle der Drachen, um ihn dort
zu besiegen. Zuvor haben sie dafür gesorgt, dass der Zwerg Kiesbart Nesselbrands Panzer mit Koboldspucke
poliert hat. Denn sie hatten herausgefunden, dass Koboldspucke und Drachenfeuer Nesselbrands Goldkörper
zum Schmelzen bringt. Nesselbrand allerdings ahnt nichts von ihrem Plan – er freut sich darauf, endlich
wieder Drachen zu jagen...
Cornelia Funke, Drachenreiter – Auszug aus Kap. 52 (S. 417f.)
1 Der goldene Drache fletschte die Zähne und lachte. Er lachte so laut, dass Steine von der
Höhlendecke regneten.
Drachenfeuer.
Wie oft hatte es an ihm geleckt! Verdampfen würde es an seinem Panzer. Seine Kälte würde die
5 blauen Flammen fressen, und wenn die beiden Drachen dann erschöpft und mutlos waren,
konnte er, Nesselbrand, sie aus der Luft pflücken wie hilflose Fledermäuse. Er grunzte vor
Vorfreude und leckte sich die Lippen. Da spürte er plötzlich, dass etwas seine Stirn herunterlief.
Etwas tropfte in seine Augen. Unwillig hob er die Pranke, um es fortzuwischen – und erstarrte.
Seine Krallen verformten sich. Seine Schuppen sahen aus wie welkes Laub. Nesselbrand
10 blinzelte. Das, was von seiner Stirn tropfte und ihm die Sicht nahm, war flüssiges Gold.
Wieder kamen die Drachen auf ihn zugeschossen. Wieder leckte ihr blaues Feuer an ihm,
brannte auf seinen Gliedern. Nesselbrand stierte an sich herunter. Sein Panzer verwandelte sich
in zähen goldenen Brei. Entsetzt brüllte Nesselbrand auf und schlug nach den blauen Flammen.
Gold spritzte von seinen Pranken. Nesselbrand fauchte und keuchte. Wieder kamen die Drachen
15 geflogen. Er schnappte nach ihnen und rutschte aus in einer Pfütze aus flüssigem Gold.
Da stieg zum ersten Mal in seinem langen, bösen Leben Angst in ihm auf, schwarze, heiße
Angst. Gehetzt sah er sich um. Wohin konnte er fliehen? Wohin, um dem Feuer zu entgehen,
das seinen Panzer fraß? Immer heißer wurde ihm, heißer und heißer. ...
Und Nesselbrand spürte wie sein Herz zerbrach.
20 Weißer Dampf quoll aus seinem Maul, eiskalt und feucht. Die Kälte wich zischend aus seinem
Körper, bis er zusammenfiel wie ein löchriger Ballon. Der Eisdampf waberte durch die Höhle und
hing in Wolken über den versteinerten Drachen.
Lung und Maja hielten inne und schwebten regungslos in dem weißen Dunst. Es wurde kalt in
der Höhle, sehr kalt.
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Wie habt ihr Nesselbrands Ende erlebt (beim Lesen des Romans und/oder in der Theateraufführung)?
Wie gelingt es der Romanautorin Cornelia Funke, einerseits das Ende Nesselbrands sehr eindringlich und
brutal zu beschreiben, andererseits zu bewirken, dass die meisten Leser wohl weder Mitleid mit
Nesselbrand noch Gleichgültigkeit gegenüber seinem Ende empfinden. Sucht Worte, Ausdrücke und/oder
Sätze im Text, die die Autorin zu diesem Zweck benutzt. Erklärt genau, wie diese Worte usw. wirken.
Wodurch kommt es, dass diese Stelle so packend und dramatisch wirkt? Berücksichtigt neben dem Inhalt
auch die sprachliche Gestaltung (z.B. Satzarten und Satzgestaltung).
Diese Szene mit Hilfe von Computeranimation in einem Film zu zeigen, dürfte vergleichsweise leicht sein.
Sie ebenso überzeugend auf die Bühne zu bringen, stellt wohl eine größere Herausforderung dar.
Überlegt euch technische Möglichkeiten zur Umsetzung von Nesselbrands Ende im Theater. Haltet eure
Überlegungen in Skizzen und Bauplänen bzw. Erläuterungen zum technischen Ablauf fest.
In dem Romanauszug (s.o.) erhält der Leser auch Einblick in Nesselbrands Denken und Empfinden.
Überlegt, wie sich sein Denken und Empfinden in einer Theateraufführung zeigen lässt.
Beim Theaterbesuch könnt ihr eure Ideen mit der Umsetzung in der Aufführung vergleichen; bei einem
Ensemblegespräch könnt ihr den Regisseur u.a. fragen, mit welchen Lösungsversuchen experimentiert
worden ist.
"Endlich! Endlich kann die Jagd wieder beginnen." Er fletschte die Zähne.
Cornelia Funke, Drachenreiter, S. 88
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
-9-
"Phantastische Erscheinungen aller Art"
In Drachenreiter kommen viele, ganz verschiedene Fabelwesen vor. Ben sind all diese Wesen zunächst
unbekannt. Professor Wiesengrund jedoch ist ein Kenner all dieser Erscheinungen – sie sind das
Spezialgebiet, das er erforscht:
Prof. Barnabas Wiesengrund
Professor der Archäologie
Spezialgebiet: Phantastische Erscheinungen aller Art
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Versetzt euch in die Rolle des Prof. Wiesengrund und führt Buch über all die Fabelwesen, die
"Phantastischen Erscheinungen", denen er im Verlauf der Geschichte begegnet. Füllt dazu folgende
Tabelle aus: Tragt "n.b." (= nicht bekannt) ein, wann immer ihr nicht wisst, wie ein Kästchen zu füllen ist.
Notiert ein Fragezeichen hinter einem Eintrag, sofern ihr euch nicht ganz sicher seid oder wenn ihr
schätzen müsst. Falls euch der Roman Drachenreiter vorliegt, notiert hinter den Angaben – wo immer ihr
könnt – die Nummer der Seite, auf der sich die Information findet.
Name des
Exemplars
Drachen
Kobolde
Zwerge
Homunkuli
Lung
Schwefelfell
...
...
Art
Herkunft /
Entstehung
Lebensraum und
Unterschlupf
Maße und
Aussehen
Nahrung
besondere
Fähigkeiten
Besonderheiten
des Verhaltens
Lebenserwartung
Verwundbarkeit
und natürlicher
Feind
Sonstiges
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Vergleicht die Einträge und diskutiert abweichende Eintragungen (lest ggf. im Buch nach).
Erfindet eine Szene, in der sich die vier Fabelwesen über den 'Menschen' unterhalten und ihn nach den
verschiedenen Kategorien beurteilen.
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
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Fantastisch schimpfen!
In Cornelia Funkes Drachenreiter wird geschimpft, was das Zeug hält. Insbesondere Schwefelfell, der
"Meckerkobold", schimpft ohne Pause. Meistens sind es Namen giftiger Pilze, mit denen sie ihr Missfallen zum
Ausdruck bringt (z.B. "Wulstling und Pantherpilz!"). Es kommen in der Geschichte aber auch immer wieder
"normale" – meist allerdings kompliziert zusammengesetzte – Beschimpfungen vor. Und es sind in aller Regel
die Fabelwesen, die sich so gewählt ausdrücken, wenn sie schimpfen...
In der folgenden Tabelle sind verschiedene solcher Schimpfwörter aus Drachenreiter so zusammengestellt,
dass man daraus neue Zusammensetzungen bilden kann:
Artikel oder
Pronomen
ein, -e
der, die, das
dieser, -e, -es
du
...
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zusammengesetztes Adjektiv
(Geschlecht muss angepasst werden)
besserwisserischer
blätterwühlende
gipsbleiches
goldgieriger
hohlköpfige
holzköpfiges
nichtsnutziger
niederträchtige
pilzfressendes
schimmelverschuppter
spinnenbeinige
sturköpfiges
zottelköpfiger
zusammengesetztes
Substantiv
Blechriese
Drachenschreck
Flatterding
Gipskopf
Jammerlappen
Käferhirn
Kieskopf
Koboldziege
Krummschnabel
Meckerkobold
Meckerziege
Menschlein
Pelzkopf
Pilzfresserin
Spinnenbein
Zitterlippe
Zweibeiner
Benutzt die Tabelle, um daraus Beschimpfungen zu bilden, die jeweils zu einer Figur in Drachenreiter
passen. Erklärt, inwiefern sie passen und in welcher Szene sie von wem gesagt werden könnten.
Experimentiert damit, sie so auszusprechen, dass der Zorn des Sprechers besonders deutlich wird.
Bildet nach demselben Bauschema weitere komplexe Beschimpfungen (mit zusammengesetztem Adjektiv
und Substantiv!), die zu Figuren aus Drachenreiter passen.
In Kap. 19 ist es Fliegenbein, der weiß, wie man schimpfen muss, um die lästigen Staubelfen zu verjagen:
man muss sie mit Worten und Beschimpfungen fortscheuchen, die jeweils mit demselben Buchstaben
anfangen (das nennt man Alliteration); man beginnt mit A und arbeitet sich durch das Alphabet durch, bis die
Elfen abhauen. Fliegenbein gelingt es dieses Mal, als er bei H angekommen ist:
A
B
C
D
E
F
G
H
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Auf, aalglatte alberne Anderländer!
Bis bald, bunte Blätterschläfer!
(Wenn man das C überspringt, fällt das den Elfen gar nicht auf...)
Davon, dünne, dreiste Dinger!
Entfernt euch, eitle emsige Elfen!
Fliegt fort, fliegengleiche Flatterlinge!
Geht, grässliche, gackernde Goldfinger!
Hirnrissige, hohlköpfige, halskrausige Hörnlinge!
Versucht in Gruppen die Reihe fortzusetzen, bis ihr bei Z angekommen seid. Ihr könnt euch das Alphabet
dazu aufteilen. Fällt euch etwas für C ein?
Wie wirken diese Beschimpfungen auf euch? Wirken sie überhaupt wie Beschimpfungen?
Sammelt eure häufigsten Schimpfwörter, denkt über ihre wörtliche Bedeutung nach und überlegt, warum
wir Menschen so gerne schimpfen. Was passiert, wenn wir schimpfen? Geht es auch ohne?
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
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Fliegenbein – vom fleißigen Spion...
Auf ihrer Reise kommen Ben, Lung, Schwefelfell und Nesselbrands Spion Fliegenbein zur Schlucht Wadi juma
'ah. Dort erholen sie sich. Fliegenbein nützt die Gelegenheit für ein 'Ferngespräch' mit seinem Meister...
Theaterstück Drachenreiter – Auszug aus Szene 12
1 LUNG, BEN und SCHWEFELFELL schlafen. FLIEGENBEIN schleicht sich leise davon zu einer Pfütze.
FLIEGENBEIN: Meister, könnt ihr mich hören? Meister?
NESSELBRAND: (tiefes Brummen)
FLIEGENBEIN: Entschuldigt, Meister, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe.
5 NESSELBRAND: (gurgelndes Brummen)
FLIEGENBEIN: Was, Ihr wart in Ägypten? Was wolltet Ihr denn da? Traut Ihr mir etwa nicht?
NESSELBRAND: (wütendes Brummen)
FLIEGENBEIN: Keine Sorge, Meister. Sie waren bei dem Dschinn. Aber ich konnte nicht alles
verstehen, weil ich mich in dem Rucksack verstecken musste. Leider. Ich glaube, sie
10
haben auch nicht alles verstanden. Der Dschinn hat ihnen Bilder gezeigt.
NESSELBRAND: (fragendes Brummen)
FLIEGENBEIN: Ich weiß es nicht. Ich konnte doch nichts sehen aus meinem Versteck. Sie haben mich
entdeckt. Ich muss sehr vorsichtig sein. Der Kobold traut mir nicht. Aber der Junge ist
nett, er beschützt mich vor ihm.
15 NESSELBRAND: (wütendes Brüllen)
FLIEGENBEIN: Ihr wollt ihn fressen?
NESSELBRAND: (wütendes Brüllen)
FLIEGENBEIN: Den Jungen auch? Meister? Seid Ihr noch da? Meister!
BEN wird wach und geht zu FLIEGENBEIN.
20 BEN:
Mit wem sprichst du?
FLIEGENBEIN: Ich? Ähm, mit mir, mit meinem Spiegelbild…
BEN setzt sich zu ihm.
BEN:
Mach ich auch manchmal.
FLIEGENBEIN: Was meint Ihr, junger Herr?
25 BEN:
Mit mir sprechen.
FLIEGENBEIN: Ach tatsächlich?
BEN:
Es hilft gegen das Alleinsein. Leider nur ein bisschen.
FLIEGENBEIN: Aber junger Herr, Ihr seid doch gar nicht allein.
BEN:
Zur Zeit nicht. – Ich bin auch abgehauen, wie du. Schon vor ein paar Jahren.
30 FLIEGENBEIN: Und warum, wenn ich fragen darf?
BEN schweigt.
FLIEGENBEIN: Möchtet Ihr nicht darüber sprechen, junger Herr?
BEN:
Warum nennst du mich immer "junger Herr"?
FLIEGENBEIN: Ihr seid doch ein junger Herr…?
35 BEN:
Das klingt aber total bescheuert. Ich heiße Ben. Nenn mich bitte Ben.
FLIEGENBEIN: Wie Ihr wünscht, junger Herr, Verzeihung, Ben.
BEN:
Und du? Wo kommst du her? Wie kommt es überhaupt, dass du so klein bist?
FLIEGENBEIN: Ich bin ein Homunkulus. Ich wurde vor langer, langer Zeit erschaffen von einem
Alchimisten, als Diener.
40 BEN:
Ach deswegen redest du immer so vornehm.
FLIEGENBEIN: Mein Meister ist leider alles andere als vornehm. Er ist ein richtiges Scheusal. Keine
Manieren, kein Anstand. Von früh bis spät musste ich sein Gold putzen, und wenn ich
eine Stelle übersehen habe, hat er gedroht mich aufzufressen. ...
BEN:
Aufzufressen?
45 FLIEGENBEIN: Äääh, ja, nein, also im übertragenen Sinn, sprichwörtlich sozusagen...
BEN:
Verstehe... Und was willst du jetzt machen?
FLIEGENBEIN: Könntet ihr mich vielleicht noch ein Weilchen mitnehmen?
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
- 12 -
...zu Bens gutem Freund
Je länger Fliegenbein mit Ben und den anderen zusammen ist und sie ausspionieren muss, um dem
grässlichen Nesselbrand Meldung zu geben, desto mehr missfällt ihm seine Rolle als Spion. Irgendwann hält
er es nicht mehr aus, seine Gefährten anzulügen...
Cornelia Funke, Drachenreiter – Auszug aus Kap. 28-29 (S. 257-259)
1 Da sagte Fliegenbein plötzlich ganz leise, so leise, dass Ben ihn kaum verstand: "Was der Dschinn gesagt hat,
junger Herr, weiß Nesselbrand nicht."
Die Worte kamen ganz von selbst aus Fliegenbeins Mund. Als wären sie es leid, immer wieder verschluckt und
verschwiegen zu werden.
5 Alle sahen ihn an. Alle.
Schwefelfell kniff die Augen zusammen wie eine hungrige Katze. "Woher weißt du das, Winzling?", knurrte sie mit
bedrohlich ruhiger Stimme. "Woher weißt du das so genau?"
Fliegenbein sah sie nicht an. Er sah niemanden an. Sein Herz klopfte, als wollte er aus seiner schmalen Brust
springen.
10 "Weil ich sein Spion war", antwortete er. "Ich war Nesselbrands Spion." ...
Fliegenbein kniff die Augen zu. Er wartete darauf, dass Ben ihn von seiner Schulter stieß, dass Lung ihn mit
seinem Feuer in eine Wanze verwandelte – aber nichts passierte. Es wurde nur sehr still zwischen den alten
Säulen. Ein heißer Wind wehte über das Land zum Meer und strich dem kleinen Homunkulus durchs Haar.
Als nichts passierte, öffnete Fliegenbein die Augen wieder und warf einen schnellen Blick zur Seite. Ben sah ihn
15 entsetzt an, so entsetzt und enttäuscht, dass sein Blick dem Homunkulus das Herz zerschnitt.
"Du?", stammelte Ben. "Du? ..." ...
"Hab – ich – es – doch – gewusst!", fauchte Schwefelfell. Mit einem Satz sprang sie los und griff mit scharfen
Krallen nach dem Homunkulus.
"Lass ihn!", rief Ben und stieß sie zurück.
20 "Was?" Schwefelfells Fell sträubte sich vor Wut. "Du beschützt ihn immer noch? Obwohl er selbst zugibt, dass er
uns an dieses Monster verraten hat?" Sie knurrte, bleckte die Zähne und machte wieder einen Schritt vor. "In der
Nase hab ich es gehabt, dass mit dem Winzling was nicht stimmt. Aber du und Lung, ihr wart ja ganz vernarrt in
das Kerlchen. Ich sollte ihm jetzt gleich den Kopf abbeißen!"
"Gar nichts tust du, Schwefelfell!", rief Ben und hielt schützend die Hand vor Fliegenbein. "Hör auf, die Wilde zu
25 spielen. Du siehst doch, dass es ihm Leid tut." Vorsichtig nahm er Fliegenbein von seiner Schulter und setzte ihn
auf seine flache Hand. Die Tränen tropften dem Homunkulus immer noch von der Nase. Ben zog ein staubiges
Taschentuch aus der Hosentasche und tupfte dem kleinen Mann das Gesicht ab.
Als gegen Ende der Geschichte klar ist, dass Ben bei den Wiesengrunds leben wird, fängt Fliegenbein
plötzlich an zu schluchzen...
Cornelia Funke, Drachenreiter – Auszug aus Kap. 56 (S. 441)
1 Fliegenbein hockte auf dem Boden und presste die Hände vors Gesicht. Winzige Tränen quollen zwischen seinen
Fingern hervor und tropften ihm auf die spitzen Knie.
"Fliegenbein!" Besorgt kniete Ben sich neben den Homunkulus. "Du wusstest doch, dass ich bei den
Wiesengrunds bleiben möchte."
5 "Ja, ja, aber", der Homunkulus schluchzte noch lauter, "was soll ich denn nun tun? Wo soll ich denn nun hin, junger
Herr?"
Schnell hob Ben ihn hoch und setzte ihn auf seinen Arm. "Na, du bleibst bei mir, ist doch klar!"
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Lest den Auszug aus Szene 12 des Theaterstücks Drachenreiter durch (vorangehende Seite). Welche
Gefühle spielen in der Szene eine Rolle? Schreibt sie neben die jeweilige Textzeile.
An welchen Stellen in Szene 12 lügt Fliegenbein? Inwiefern deutet sich aber schon hier an, dass
Fliegenbein seinen Meister verraten und Bens Freund werden könnte?
Lest Szene 12 zunächst mit verteilten Rollen (Fliegenbein, Nesselbrand und Ben); experimentiert dabei
mit verschiedenen Betonungen usw. Dann übt sie ein und spielt die Szene vor der Klasse vor.
Lest die zwei Romanauszüge (Kap. 28-29 und 56). Wie wird Fliegenbein, der einstige Spion, hier
dargestellt? Wieso nimmt Ben ihn in Schutz? Inwiefern passt es, dass er Bens Freund wird?
Schreibt die Szene des Auszugs aus Kap. 28-29 um zu einer Theaterszene, übt sie ein und spielt sie vor
der Klasse vor. Versucht Fliegenbeins, Schwefelfells und Bens Empfinden besonders deutlich zu machen.
Viel Spaß in der Wüste, Du Ungeheuer! Den Jungen kriegst Du jedenfalls nicht.
(Fliegenbein in Drachenreiter, Szene 14)
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
- 13 -
Ben auf der Suche
Drachenreiter ist eine Geschichte der Suche: der Suche nach dem 'Saum des Himmels', nach den Drachen,
die dort noch leben, aber auch nach Freunden und nach Erfüllung, für Lung ebenso wie für Fliegenbein,
Kiesbart und insbesondere für Ben, den Drachenreiter.
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Macht eine Liste der verschiedenen Figuren und notiert in einer Spalte, was sie suchen, und in einer
anderen Spalte, ob und wann in der Geschichte sie es finden.
Auch wenn alle auf der Suche sind – inwiefern ist Ben die eigentliche Hauptfigur der Geschichte?
Was für ein Leben hat Ben geführt, bevor er auf Lung und Schwefelfell traf? Wie wäre sein Leben
weitergegangen, wenn er die beiden nicht getroffen hätte? Wie kommt es, dass gerade dieser Ben der
prophezeite Drachenreiter ist, der wiederkehrt, um die Drachen zu retten?
Auf seiner Reise trifft Ben auf die Tochter des Prof. Wiesengrund, Guinever Wiesengrund. Die beiden mögen
sich und sprechen viel miteinander. Einmal sprechen sie über Eltern und Freunde:
Cornelia Funke, Drachenreiter – Auszug aus Kap. 39 (S. 332)
1 Er deckte den schlafenden Fliegenbein mit einem Zipfel seiner Jacke zu. "Du hast ziemliches Glück mit
deinen Eltern."
Guinever sah ihn neugierig von der Seite an. "Papa sagt, du hast gar keine."
Ben nahm einen kleinen Stein von der Mauer und rollte ihn zwischen den Fingern hin und her. "Stimmt.
5 Ich hatte noch nie welche."
Guinever sah ihn nachdenklich an. "Aber jetzt hast du Lung", sagte sie. "Lung und Schwefelfell und", sie
lächelte und zeigte auf den kleinen Homunkulus, "und Fliegenbein."
"Stimmt", sagte Ben. "Aber das ist was anderes."
•
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Was meint Ben mit "Du hast ziemliches Glück mit deinen Eltern" (Z. 1f.)? Was meint er mit "Aber das ist
etwas anderes" (Z. 8)? Warum nimmt Ben einen Stein von der Mauer und rollt ihn zwischen den Fingern
hin und her (Z. 4)?
Was ist für euch der Unterschied zwischen Eltern und Freunden? Was ist das Besondere im Verhältnis
zwischen Kindern und ihren Eltern? Was ist das Besondere im Verhältnis zu guten Freunden?
In der letzten Szene des Theaterstücks Drachenreiter unterhalten sich Ben und Lung darüber, was sie nun tun
sollen. Ben, der Drachenreiter, rät Lung zum Flug zu seinen Artgenossen nach Schottland...
Theaterstück Drachenreiter – Auszug aus Szene 21
1 LUNG: Du hast Recht, Drachenreiter. Ich muss zurück. Maja will mit mir fliegen. Wenn sie sie sehen,
werden sie mir vielleicht glauben, dass es das alles hier wirklich gibt. Und du? Was machst du?
BEN: Guinever,... also eigentlich ihr Vater... sie haben mir angeboten, dass ich bei ihnen leben kann.
LUNG: Das ist doch wunderbar.
5 BEN: Schon...
LUNG: Aber?
BEN: Könnte ich nicht mit dir fliegen?
LUNG: Das könntest du schon... Aber du brauchst Menschen. So wie ich die anderen Drachen brauche,
oder Schwefelfell die anderen Kobolde. Auch wenn sie sich am liebsten mit ihnen streitet. Ohne
10
Menschen wirst du irgendwann sehr einsam sein.
BEN: Ich weiß. Ohne dich aber auch.
•
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Ben hat in dem Drachen Lung einen sehr guten Freund gefunden – so gut, dass er am liebsten wieder mit
ihm fliegen will. Lung rät ihm, bei den Wiesengrunds zu bleiben (Z. 8-10). Hat Lung Recht mit seinem Rat?
Was meint er, wenn er sagt "Aber du brauchst Menschen"? Was würdet ihr an Bens Stelle tun?
Ben bleibt bei den Wiesengrunds. Stellt euch vor, es sind zwei Monate vergangen. Schreibt einen Brief
von Ben an Lung, in dem er über sein neues Leben berichtet. Tauscht die Briefe aus und schreibt einen
Antwortbrief von Lung (Drachen können schreiben!). Lest euch die Antwortschreiben gegenseitig laut vor.
Ben ging zum Fenster und sah hinauf zum Himmel. Zwei Monate. Vielleicht würde er in zwei Monaten wieder
auf Lungs Rücken reiten. Er seufzte. Zwei Monate konnten lang sein. Unendlich lang. ...
Zwei Monate konnten lang sein. Aber nicht mit Guinever.
Cornelia Funke, Drachenreiter, S. 447f.
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
- 14 -
Eine schmelzende Mischung
In Drachenreiter sind die Suche nach dem 'Saum des Himmels' und der Kampf gegen Nesselbrand, den
Goldenen, nur deshalb erfolgreich, weil die Figuren der Geschichte zusammenarbeiten. Zusammen sind sie
stärker, klüger, besser. Allerdings bedeutet die Zusammenarbeit im Team auch, dass man mit den weniger
angenehmen Seiten seiner Kameraden zurecht kommen muss...
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Stellt in der folgenden Tabelle die verschiedenen Stärken und Schwächen des insgesamt erfolgreichen
Teams zusammen. Denkt dabei nicht nur an körperliche Stärke und Schwäche, sondern an alle positiven
und negativen Eigenschaften. Vergleicht anschließend eure Einträge und erklärt, was ihr meint.
STÄRKEN
SCHWÄCHEN
Drache
Lung
Koboldmädchen
Schwefelfell
Junge
Ben
Ratte Gilbert
Grauschwanz
Steinzwerg
Kiesbart
Homunkulus
Fliegenbein
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Erzählt an Hand eurer Tabelle die Geschichte Drachenreiter in groben Zügen nach. Baut in eure Erzähung
alle notierten Stärken und Schwächen ein. Einer kann die Erzählung beginnen, andere können nach
Bedarf übernehmen.
Sucht euch eine der Figuren aus und versucht euch an eine Szene zu erinnern, in der diese Figur sowohl
ihre Stärken als auch ihre Schwächen zeigt. Schreibt über diese Szene: Wie verläuft sie? Wie würde sie
verlaufen, wenn die Figur andere Stärken bzw. Schwächen hätte? Was macht die Szene so, wie sie ist,
interessant?
Erfindet eine weitere Szene für Drachenreiter, in der die Schwächen und Stärken zumindest einer Figur
eine bedeutende Rolle spielen. Schreibt sie als Erzählung auf. Tauscht euch anschließend über eure
Geschichten aus: z.B. könnt ihr eure Geschichten auslegen und durchnummerieren. Jeder hat die
Aufgabe, mit Stift und Papier in der Hand herumzugehen, Geschichten zu lesen und sich Notizen zu
machen, welche Geschichten seiner eigenen besonders ähneln (z.B. dieselbe Hauptfigur oder dieselbe
Stärke bzw. Schwäche). Anschließend berichtet jeder von seinen "Funden" und es werden besonders
interessant erscheinende Geschichten für alle vorgelesen.
Stellt euch vor, ihr wäret an Bens Stelle in dem Team der Fabelwesen. Mit wem würdet ihr am leichtesten
und am liebsten Freundschaft schließen? Wen könntet ihr nur schwer ertragen? Welche Stärken und
Schwächen würdet ihr in das Team einbringen?
"Stimmt, wir waren's!", rief Schwefelfell und breitete die Arme aus.
"Wir alle zusammen. Kobolde, Drachen, Menschlein, Homunkulus, Zwerg und Ratte.
Wir waren eine schmelzende Mischung!"
Cornelia Funke, Drachenreiter, S. 430
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
- 15 -
Wie man sich fühlt, so spricht man!
Cornelia Funke wird immer wieder für ihren anschaulichen, natürlichen und fantasievollen Schreibstil gelobt. In
ihren Erzählungen mischt sie die Arten, wie sie dem Leser Einblick in das Denken und Fühlen ihrer Figuren
gibt: z.B. benennt sie oft direkt das Gefühl desjenigen, der spricht (z.B. 'ängstlich'); oder sie macht durch
vielfältige Verben des Sprechens deutlich, wie eine Äußerung gesprochen wird, so dass der Leser indirekt
erfährt, was die Figur gerade fühlt (z.B. 'seufzen'). Im Folgenden findet sich eine Auflistung solcher Ausdrücke
aus dem Roman Drachenreiter:
Fühlen
andächtig
angeekelt
angestrengt
ängstlich
aufgeregt
bedrückt
begeistert
beleidigt
berauscht
besorgt
bestürzt
beunruhigt
dankbar
ehrfürchtig
empört
entgeistert
entschlossen
entsetzt
enttäuscht
erbost
erleichtert
erschöpft
erschrocken
erstaunt
erwartungsvoll
fassungslos
fasziniert
fröhlich
gedankenverloren
geduldig
gehetzt
gelangweilt
gerührt
geschmeichelt
gespannt
glücklich
•
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Sprechen
hilflos
interessiert
missbilligend
missmutig
misstrauisch
mitleidig
müde
mürrisch
nervös
sehnsüchtig
siegessicher
spöttisch
stolz
störrisch
traurig
triumphierend
unbehaglich
ungeduldig
unglücklich
unruhig
unsicher
verächtlich
verärgert
verblüfft
verdattert
verlegen
verschlafen
verträumt
verwirrt
verwundert
verzückt
verzweifelt
vorwurfsvoll
wütend
zerknirscht
zufrieden
anfahren
anpfeifen
anraunzen
brüllen
brummen
dröhnen
fauchen
flüstern
grölen
grunzen
hauchen
herunterleiern
hervorstoßen
jammern
japsen
keuchen
knurren
krächzen
kreischen
maulen
muffeln
murmeln
murren
näseln
raunen
schimpfen
schluchzen
schnauzen
schreien
seufzen
stammeln
stöhnen
stottern
wispern
zetern
zischen
Bildet einen Stuhlkreis. Jeder wählt sich ein Wort des Fühlens aus (ohne den anderen zu sagen, welches!)
und nacheinander sagt jeder den Satz "Der Drachenreiter ist zurück" so, dass das jeweilige Gefühl dabei
zum Ausdruck kommt. Jeder notiert dabei seine Vermutungen (max. zwei verschiedene Wörter pro
vorsprechendem Schüler). Wenn alle gesprochen haben, wird aufgelöst. Für jedes wörtlich richtig erratene
Gefühl erhält der Ratende zwei Punkte und für jedes sinngemäß richtig erratene Gefühl einen Punkt. Am
Ende addiert jeder seine Punkte und es wird der/die "einfühlsamste" Schüler/in ermittelt.
Lest euch die Liste der Worte des Fühlens und Sprechens durch. Wählt jeder ein Wort aus und erklärt, zu
welcher Figur aus Drachenreiter es in welcher Szene besonders gut passt.
Verbindet Worte des Fühlens mit je einem Verb des Sprechens und bildet Sätze daraus, die zur Handlung
von Drachenreiter passen.
Schreibt eine eigene Fantasie-Geschichte. Versucht in dieser Geschichte so viele Wörter von der Liste wie
möglich zu verwenden. Schreibt spontan, geleitet durch die Wörter der Liste.
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
- 16 -
Diese eingebildeten Zweibeiner...
Zwar gehört der Menschenjunge Ben zu den Hauptfiguren von Drachenreiter und auch Professor
Wiesengrund, seine Tochter Guinever, die Drachenforscherin Subaida Ghalib sowie der Lama erscheinen als
sehr gute menschliche Gestalten. In Cornelia Funkes Roman Drachenreiter werden – aus der Sicht der guten
Drachen und der Kobolde – die "normalen" Menschen der westlichen Welt aber als äußerst unfreundliche
Wesen dargestellt. Im Folgenden sind einige Zitate aus dem Roman abgedruckt:
"Ach ja? Dann hör mir jetzt mal zu!" Die Ratte richtete sich zu ihrer vollen Größe auf,
stemmte die Pfoten in die Seiten und bleckte die Zähne.
"Diiieee Menschen kommen!", fauchte sie so schrill, dass ihre Stimme in der Höhle widerhallte.
"Die Menschen kommen! Weißt du, was das heißt, du blätterwühlender, pilzfressender, zottelköpfiger Kobold?
Sie kommen hiiiierheeer!" Totenstill war es plötzlich. (S. 12)
"Was wollen sie hier? Sie haben doch alles, da, wo sie sind?"
"Sie haben nie alles, was sie wollen", antwortete die Ratte. (S. 15)
"Die Menschen laufen nicht mehr in Rüstungen herum wie damals, als sie euch gejagt haben,
aber gefährlich sind sie immer noch. Sie sind das Gefährlichste, was es gibt auf der Welt." (S. 16)
"... sie können wunderbare Dinge tun – und abscheuliche. Wenn sie dieses Tal unter Wasser setzen wollen,
dann werden sie es tun. Ihr müsst fort, ob es euch passt oder nicht." (S. 17)
"Dann müssen wir endlich versuchen mit ihnen zu leben!" rief ein anderer [Drache].
Aber Schieferbart schüttelte den Kopf. "Nein", sagte er. "Man kann nicht mit den Menschen leben." (S. 18)
"Das ist typisch. Ihr Menschen wisst vielleicht gerade noch, was eine Katze ist,
aber dann ist auch schon Schluss." (S. 32)
"Pfui, Kahler Krempling, da werd ich wochenlang nach Mensch stinken." (S. 34)
"... Ich glaube, diese südliche Route ist die beste.
Da oben im Norden führen die Menschen wieder mal Krieg. ..." (S. 42)
"Ihr Menschen benutzt eure Nasen doch nur, um sie in Taschentücher zu stecken." (S. 50)
"Wir fliehen vor den Menschen und ich lauf hier mit einem rum. Verrückt, was?" (S. 51)
"Ihr Menschen wollt immer alles besser wissen. Es ist nicht auszuhalten. ..." (S. 65)
"Sie schmecken gar nicht schlecht, diese eingebildeten Zweibeiner." (S. 163)
"... Menschen fürchten, was sie nicht kennen, vor allem, wenn es größer ist als sie. ..." (S. 206)
"Ihr Menschen kommt nicht wieder aus dem Anderland [= Jenseits].
Ihr verlauft euch dort. Ihr verlauft euch oder vergesst die Welt, aus der ihr gekommen seid." (S. 273)
"Mit den Menschen können wir nicht kämpfen", sagte Lung.
"Wenn wir hundert vertreiben, kommen tausend nach. ..." (S. 375f.)
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Lest euch die Zitate durch und listet die Vorwürfe an die Menschen auf. Inwiefern kann man sagen, dass
die Menschen so dargestellt werden, als hätten sie sich der Natur entfremdet?
Werden in den Zitaten auch positive Eigenschaften der Menschen genannt? Welche?
Betrachtet die positiven Menschenfiguren in Drachenreiter (Ben, Prof. Wiesengrund, Guinever, Subaida
Ghalib und der Lama): Inwiefern sind sie in vieler Hinsicht anders als die kritisierten Menschen?
Erfindet eine Diskussion zwischen Lung und einem anderen Drachen, in der Lung die Menschen
verteidigt, weil er mit Ben und den anderen so gute Erfahrungen gemacht hat. Lest den Text vor.
Was haltet ihr davon, wie der Mensch mit der Natur (Pflanzen, Tiere, Umwelt, ...) umgeht? Führt eine
Diskussion oder erstellt Wandplakate.
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
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Interview mit Romanautorin Cornelia Funke
Cornelia Funke wurde 1958 in Dorsten/Westfalen geboren. Nach einer Ausbildung zur Diplompädagogin
und einem Grafikstudium arbeitete sie zunächst als Illustratorin für Kinderbücher, die sie dazu anregten,
selbst Geschichten für junge Leserinnen und Leser zu schreiben. Sie ist inzwischen eine der
erfolgreichsten und beliebtesten Kinder- und Jugendbuchautorinnen, die viele ihrer Bücher auch selbst
illustriert. Mit ihren Romanen Drachenreiter, Herr der Diebe und Tintenherz erreicht sie sowohl in
Deutschland als auch in Großbritannien und den USA Auflagen wie sonst nur Harry Potter. Drachenreiter
ist schon ihr dritter internationaler Bestseller – seit 2004 steht er auf Platz 1 der New York TimesBestsellerliste. Sie erhielt viele Auszeichnungen, für Drachenreiter u.a. den Literaturpreis der Kinder-Jury
(1998). Cornelia Funke lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Los Angeles.
Welche Figur ist eigentlich die Hauptfigur in Drachenreiter? Ist
es Ben, der "Drachenreiter"? Oder ist es Lung? Oder gar Fliegenbein?
Bei mir gibt es immer mehrere Hauptfiguren. Die Wiesengrunds zum
Beispiel zählen ebenso dazu wie Schwefelfell – und es gibt auch bei
mir nicht einen Helden, der alles löst. Alle brauchen einander.
Sie äußern an anderer Stelle, die Figur Fliegenbein sei eine
Ihrer eigenen Lieblingsfiguren. Wie kam Ihnen die Idee zu der
Figur? Und was macht ihn zu Ihrer Lieblingsfigur?
Fliegenbein rührt einfach mein Herz, vielleicht weil er so menschlich
ist mit seiner Angst und seiner Liebe. Er ist auch die Figur, die die
größte Entwicklung durchmacht, was beim Schreiben natürlich sehr
spannend ist. Auf die Idee hat mich, soweit ich mich erinnere, die
Erwähnung des Homunkulus in Goethes Faust gebracht – und
meine Vorliebe für kleine Figuren, die die Perspektive der Großen in
Frage stellen.
Drachenreiter ist eine fantastische Geschichte – mit Drachen,
Kobolden, Zwergen und so weiter. Was hat die Geschichte dem
Leser, der sich selbst in einer entzauberten Welt sieht, zu
sagen?
Diese Welt ist zum Glück noch lange nicht entzaubert. Wer das
denkt, ist blind. Unsere Welt ist immer noch voller Wunder – und das
einzige, was uns vermutlich Fabelwesen herbeisehnen lässt, ist
unser Wunsch, mit anderen Lebewesen sprechen zu können – was
wir auch mit dem bezauberndsten Tier oder dem beeindruckendsten
Baum nun mal nicht besonders gut können. Vielleicht steht aber
auch die Sehnsucht dahinter, eine weniger von Menschen bestimmte Welt zu erleben. In Drachenreiter ist unser recht rücksichtsloses Verhältnis anderen Arten gegenüber natürlich ein
Thema, nur glaube ich nicht, dass Menschen sich erst neuerdings
so verhalten (oder dass Tiere es anders täten). Es ist die Sehnsucht
nach dem Respekt vor anderem Leben, die ich ausdrücke, aber das
ist ein sehr alter Traum.
Drachen, Kobolde, Ratten oder ein Homunkulus, das sind
Wesen, die sonst oft als unangenehm oder gar bedrohlich
gesehen werden. Wie kommt es, dass viele dieser Wesen in
Ihrem Roman Drachenreiter freundlich und liebenswert
erscheinen?
Ich drehe so etwas gern herum, andererseits bin ich mir bei den
Ratten immer noch nicht ganz sicher, ob sie mir nicht allzu nett
geraten sind (wobei zu meinen Gunsten spricht, dass Rattenrudel
mit ihren Regeln der Gesellschaftsordnung von Menschen von allen
Tieren mit am nächsten kommen, was für die Vermenschlichung
spräche, die ich mir erlaubt habe). Was die Drachen betrifft, so fand
ich die westlichen Mythen über sie schon immer furchtbar und
glaube schon, dass sich in ihnen unser Wunsch nach Beherrschung
der Natur ausdrückt, während die asiatische Variante eher von dem
Respekt vor der Natur spricht.
Viele Ihrer Geschichten bedienen sich fantastischer Elemente.
Was reizt Sie am Fantastischen?
Das Fantastische drückt das Reale in Bildern aus – was meiner
Meinung nach manches klarer macht als eine bloße realistische
Beschreibung. Außerdem stellt es den Realitätsbegriff in Frage,
lässt die Wirklichkeit betrachten, als sähe man sie wieder zum
ersten Mal – und damit deutlicher erkennen, was an ihr keineswegs
selbstverständlich ist. Man nehme nur Gullivers Reise zu den Liliputanern...
Glauben Sie selbst, dass es in unserer Welt tatsächlich Fantastisches wie Elfen, Kobolde und Drachen gibt oder geben könnte?
Möglich ist alles. Es gibt Fische in unserer Welt, bei denen das
Weibchen zum Männchen wird, wenn das Männchen stirbt und
umgekehrt; es gibt Tiere, die wie wandelnde Zweige aussehen, und
Insekten, die im Dunklen glühen... Ist das nicht fantastisch? Würden wir
ihre Sprache sprechen können, dann hätten wir Fabelwesen unter uns,
so aber sehen wir sie eben nur als Tiere.
Drachenreiter erzählt von der Suche nach dem 'Saum des
Himmels'. Lässt sich diese Suche der Figuren auch symbolisch
verstehen?
Nein, da war nichts symbolisch gemeint – es ist einfach der alte Traum
von einem wunderbaren und friedlichen Ort.
Oft verarbeiten Autoren in ihren Romanen persönliche Erlebnisse.
Fußt Drachenreiter – bei aller Fantastik – auf einem realen Erlebnis,
das Sie gemacht haben? Oder wie kam Ihnen die Idee zu der
Geschichte?
Die Idee entstammt meinem eigenen Wunsch, eines Tages in einem
dunklen Speicher einen Silberdrachen zu finden, auf einem zu reiten
rund um die Welt... Der Rest ist die Lust am Geschichtenerzählen.
Eigene Erlebnisse sind da höchstens als winzige Schnipsel eingeflossen, bei Ortsbeschreibungen zum Beispiel.
Die Menschen der westlichen Welt kommen – bis auf einige
Ausnahmen – nicht allzu gut weg in Ihrer Geschichte: sie sind
diejenigen, von denen eine Bedrohung ausgeht; sie missachten die
Natur. Ist Drachenreiter in gewissem Sinne auch ein politisches
Buch?
Was ist nicht politisch? Natürlich klingt bei meiner Geschichte Kritik an
unserer westlichen Lebensweise an, nur glaube ich nicht, dass es
irgendwo auf diesem Planeten in irgendeiner Himmelsrichtung eine bessere gibt. Es gibt einzelne Ideen, einzelne Menschen, von denen wir lernen können, doch die menschlichen Gesellschaften sind leider im Osten
nicht menschlicher als im Westen. Oder im Süden oder im Norden.
Oft heißt es, beim Lesen von Büchern könne sich jeder sein
eigenes Bild machen – gerade das sei so reizvoll. Sie haben
Drachenreiter mit eigenen, sehr schönen Illustrationen versehen.
Schränken Sie damit nicht die Fantasie Ihrer Leser ein?
Meine Illustrationen sind bewusst sparsam eingesetzt und in einer so
klassischen Technik gehalten, dass ich glaube, dass sie nur Anregung
für den Leser bieten, aber nicht einschränken.
Immer mehr Ihrer Bücher werden inzwischen als Theaterstücke
aufgeführt oder verfilmt. Freut Sie das? Und was halten Sie
allgemein von solchen Adaptionen Ihrer Werke?
Ich freue mich sehr darüber und finde Theaterumsetzungen ebenso
spannend wie filmische oder Hörbuchfassungen. Ich liebe es, wenn
andere Künstler meine Geschichten interpretieren. Das macht sie
doppelt lebendig, zeigt neue, andere Seiten an ihnen.
Lesen Sie Ihren Kindern aus Ihren eigenen Büchern vor? Was
halten Sie für besonders wichtig beim Vorlesen von Geschichten?
Ja, ich lese leidenschaftlich gern vor, in Deutsch und in Englisch. Das
Vorlesen ist eine unterschätzte Kunst. Die menschliche Stimme macht
die Worte erst wirklich lebendig, fügt, wenn der Vorleser sein Handwerk
versteht, etwas hinzu, verwandelt Druckerschwärze in Fleisch und Blut.
Ein guter Vorleser muss ein Ohr für den Rhythmus der Sprache haben,
für die Bedeutung des richtigen Atmens, muss die Figuren voneinander
unterscheidbar machen, die Stimmung in den Zeilen spüren und sowohl
in erzählerischen Passagen als auch im Dialog den richtigen Ton finden.
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
- 18 -
Drachenreiter – vom Roman zum Stück
von Bühnenautor und JTB-Intendant Moritz Seibert
1 Drachenreiter ist neben Tintenherz und Herr der Diebe einer der erfolgreichsten Romane von Cornelia
Funke. In 57 Kapiteln auf 448 Seiten erzählt sie von Lung, dem jungen Silberdrachen, und seiner gefährlichen Suche nach einer Zuflucht für seine Artgenossen. Eine epische Geschichte mit einem unglaublichen
Reichtum an phantasievoll erdachten Charakteren und Episoden rund um den Globus.
5 Auf den ersten Blick ist Drachenreiter eine Geschichte, die sich für einen erfolgreichen Transfer auf die
Bühne nicht unbedingt aufdrängt – aber nur auf den ersten Blick. Denn in diese Geschichte verwoben ist die
Geschichte des Waisenjungen Ben. Er lebt völlig allein auf den Straßen Hamburgs, bis er Lung begegnet und
ihn auf seiner Reise begleitet. Dabei lernt er anderen und sich selbst zu vertrauen, Freundschaften zu
schließen, um schließlich herauszufinden, dass er der neue Drachenreiter aus einer jahrhundertealten
10 Prophezeiung ist. Bens Geschichte ist pures Drama, die klassische Geschichte eines suchenden und
findenden Helden – der Traum eines jeden Kindes. Die erste und ganz grundsätzliche Entscheidung, die wir
bei der Dramatisierung getroffen haben, war also, Ben zur Hauptfigur des Stückes zu machen, konsequent
seine Perspektive einzunehmen und die 'äußere' Geschichte um seine 'innere' Geschichte herum zu
strukturieren.
15 Diese Entscheidung hat ermöglicht, was ohnehin unumgänglich war: Die Geschichte erheblich knapper zu
erzählen, als Cornelia Funke das in ihrem Roman tun konnte, einige der Episoden und der Figuren
auszulassen, dabei aber die Spannung und Atmosphäre der Geschichte nicht zu verlieren, sondern zu
verdichten. Wir erzählen auf der Bühne also nicht eine andere Geschichte als der Roman, sondern dieselbe
Geschichte aus einer anderen Perspektive.
20 Auch nach dieser Entscheidung war die Bühnenbearbeitung des Drachenreiter noch eine gewaltige Herausforderung: Drachen, die Feuer spuckend miteinander kämpfen, mit Kindern Huckepack übers Meer
fliegen, von Alchimisten geschaffene Wesen, eine Ratte mit einem Computer in ihrem Besitz… Da war das
völlige Chaos eigentlich vorprogrammiert. Und da wir die Uraufführung der Bühnenfassung selbst
produzieren würden, mussten wir uns sehr früh auch mit den Fragen der Umsetzung beschäftigen. So fiel die
25 zweite grundsätzliche Entscheidung ebenfalls noch lange vor dem Beginn der Arbeit an dem Textbuch: Mit
der Produktion des Drachenreiter würde das Junge Theater Bonn Neuland betreten und erstmalig in großem
Umfang Puppen und Figuren einsetzen – allerdings nicht in einer klassischen Puppentheater-Inszenierung,
sondern mit Puppen und Figuren, die gemeinsam und gleichzeitig mit 'echten' Schauspielern auf der Bühne
stehen werden.
30 So lief die Arbeit an der Konzeption der Produktion mit dem Bühnenbildner und den für die Gestaltung der
Puppen zuständigen Kreativen parallel zu unserer Arbeit an dem Stücktext. Aus dem ersten Entwurf, dem so
genannten Bilder-Treatment (eine Beschreibung des Handlungsablaufs und aller Szenen, aber noch ohne
Dialoge), ergab sich, welche der Romanfiguren auch auf der Bühne vorkommen werden, ob sie von Puppen
oder von Schauspielern gespielt werden, was die Puppen können müssen und wie ihr Charakter ist. Auf
35 dieser Basis entstanden dann die ersten Entwürfe und Skizzen für die Puppen, die in Modelle umgesetzt
wurden. So wussten wir beim Schreiben der endgültigen Szenen bereits ziemlich genau, was wir einer Figur
'zumuten' können und welche Aktionen wir ihr besser nicht ins Textbuch schreiben, da es die Puppe oder
den Puppenspieler überfordern würde.
Die weitere Arbeit am Stück war dann relativ einfach: Es gab viel Ausgangsmaterial von herausragender und
40 im Sinne des Wortes ausgezeichneter Qualität, viele Romanpassagen hatte Cornelia Funke schon als
Dialoge geschrieben, die wir in die Bühnenfassung übernehmen konnten und nur dem gerafften
Handlungsablauf anzupassen brauchten. Allerdings mussten wir dabei die innere Geschichte unseres Helden
Ben aus der Vorlage 'herauskitzeln' und mit den Mitteln des Dramas erzählen. So entstand auch eine Reihe
neuer Szenen oder Passagen, die so im Roman nicht vorkommen. Ben wurde dabei aktiver, aber auch in
45 sich widersprüchlicher. Konflikte, die er als Romanfigur mit sich selbst ausmachen konnte oder musste, wird
er auf der Bühne offen austragen und aushalten müssen. Die Entscheidungen, die die Geschichte ihm
abverlangt, muss er auf der Bühne gegen Widerstände treffen, die oft aus ihm selbst kommen.
Obwohl wir überzeugt waren, dass es uns gelungen ist, aus diesem fantastischen Roman ein spannendes
und emotionales Drama zu machen, waren wir sehr nervös, als wir kurz vor Probenbeginn unsere
50 Bearbeitung Cornelia Funke zur Genehmigung geschickt haben. Schon wenige Tage später – die Proben
hatten gerade begonnen – kam dann die erlösende Nachricht, dass Cornelia Funke mit der Bühnenfassung
einverstanden ist und sich auf den Besuch der Aufführung freut.
JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Drachenreiter'
- 19 -
Junges Theater Bonn
Hermannstraße 50
53225 Bonn
Tel. 0228-463672
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Feedback geben und einen weiteren Theaterbesuch gewinnen!
Sie haben unsere Inszenierung von Drachenreiter mit einer Schulgruppe besucht. Für unsere Arbeit ist es wichtig zu
erfahren, wie Sie und Ihre Gruppe den Besuch erlebt und gegebenenfalls vor- oder nachbereitet haben. Deshalb möchten
wir Sie bitten, unseren Fragebogen auszufüllen und ihn uns zu übersenden. Als Dankeschön verlosen wir unter allen
teilnehmenden Gruppen den Besuch einer Abendvorstellung in unserem Theater in der Spielzeit 2005/06. Einsendeschluss:
31.12.2005.
Datum und Uhrzeit des Besuchs:
Name der Schule und Schulform:
Bezeichnung der Gruppe (Klasse
bzw. Jahrgangsstufe und Kurs):
Anzahl der Gruppenteilnehmer:
Name, Adresse und Tel.
des/r Gruppenleiters/in:
(1) Wie häufig besuchen Sie unser Theater mit Schulgruppen?
o mehrmals jährlich
o ungefähr einmal pro Jahr
o alle 2-3 Jahre einmal
o zum ersten Mal
(Erläuterung: ___________________________________________________________________________________)
(2) Welche anderen Theater besuchen Sie mit Ihren Schülern?
______________________________________________________________________________________________
(3) Wie sind Sie auf unsere Inszenierung von Drachenreiter aufmerksam geworden?
o unser Programmheft
o Kollegen, Bekannten, etc.
o Schüler
o Presse
o ________________
(4) Wie hat Ihnen unsere Inszenierung gefallen?
______________________________________________________________________________________________
______________________________________________________________________________________________
(5) Wie hat Ihrer Gruppe unsere Inszenierung gefallen?
______________________________________________________________________________________________
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______________________________________________________________________________________________
(6) Haben Sie den Theaterbesuch in Ihrem Fachunterricht vor- oder nachbereitet?
o ja (Fach: _____________ Vor- oder Nachbereitung? ____________________ Stundenvolumen: ____)
o nein
(7) Haben Sie die von uns bereit gestellten Arbeitsblätter im Zusammenhang mit dem Theaterbesuch im Unterricht
eingesetzt?
o ja (Welche Seiten? ______________________)
o nein
(8) Welche Arbeitsblätter gefallen Ihnen gut, welche weniger gut?
gut: ________________________ weniger gut: _________________________
(Erläuterung: ___________________________________________________________________________________)
(9) Haben Sie Wünsche an bzw. Vorschläge für Unterrichtsmaterialien, die wir für Schulklassen zur Vor-/Nachbereitung
eines Theaterbesuchs erstellen lassen?
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(10) Gibt es ein bestimmtes Werk, das Sie bzw. Ihre Schüler uns zur Inszenierung vorschlagen möchten?
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______________________________________________________________________________________________
(11) Sonstige Bemerkungen:
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