Nachbarschaftliches Miteinander

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Nachbarschaftliches Miteinander
Nachbarschaftliches
Miteinander
Mit dem Namen Allahs,
des Allerbarmers,
des Barmherzigen!
Ein harmonisches nachbarschaftliches Miteinander
ist für Muslime überaus wichtig, unabhängig davon,
welcher Religion die Nachbarn angehören. Im Quran
ist nämlich der Muslim dazu angehalten, all seinen
Nachbarn – den muslimischen wie auch allen anderen
– Wohltaten zu erweisen:
„Und dient Allah und stellt Ihm nichts zur
Seite, und erweist den Eltern Wohltaten und
ebenso den Verwandten, den Waisen und
Armen, den nahestehenden Nachbarn und
den fernen Nachbarn, und dem Gefährten
an eurer Seite und dem Reisenden und den
Unfreien. Wahrlich, Allah liebt nicht die, die
überheblich und stolz sind.“ (4:36)
In diesem Vers wird der Eingottglauben und der Gottesdienst frei von jeglicher Beigesellung mit der Nachbarschaftspflege verknüpft. Dies ist ein weiteres Beispiel
für die Verbindung der Religion und Glaubensüberzeugung mit Wohltatenerweisung gegenüber der
Nachbarschaft.
Ohne Widerspruch zu erfahren, haben klassische
Quran-Kommentatoren festgehalten, dass mit den
fernen Nachbarn unter anderen gültigen Bedeutungen auch nichtmuslimische Nachbarn gemeint sind.
Ebenso wird durch den Quran das Verständnis vom
Begriff Nachbar in dem Sinne erweitert, dass man darunter mehr Mitmensch verstehen sollte, da der Quran
stellenweise alle Einwohner der Kleinstadt Medinas
als Nachbarn bezeichnete (33:60) – und Medina war
damals eine Stadt von mindestens 10.000 Einwohnern.
Auch der Gesandte Allahs Muhammad (saw) betonte
die Wichtigkeit einer harmonischen Nachbarschaft
und hielt Rechte und Pflichten für Nachbarn fest. Im
Folgenden nun ein Ausschnitt dieser:
1 Zunächst einmal darf der Muslim seinem Nachbarn
nicht nur keinen Schaden zufügen, vielmehr muss er
sich um dessen gute Behandlung bemühen. Anderes
würde gemäß den Worten des Propheten (saw) seiner
Glaubensüberzeugung widersprechen:
„Bei Allah, er glaubt nicht! Bei Allah, er
glaubt nicht! Bei Allah, er glaubt nicht.“
Der Prophet (saw) wurde gefragt: „Wer, O
Gesandter Allahs!?“ Er sagte: „Einer, dessen
Nachbar nicht sicher ist vor seiner Bosheit.“
(Bukhari und Muslim)
„Wer an Allah glaubt und an den Jüngsten
Tag, soll seinen Nachbarn gut behandeln;
und wer an Allah glaubt und an den
Jüngsten Tag, soll seinen Gast großzügig
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behandeln; und wer an Allah glaubt und an
den Jüngsten Tag, soll Gutes sprechen oder
schweigen!“ (Muslim)
„Keine Tat, die dem Nachbarn schadet, kann
als unbedeutend gelten.“
(Hasan, Tabaraani)
Kann man den Stellenwert der Nachbarschaftspflege
höher ehren?
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2 Auch gehört das Grüßen mit einem schönen Gruß
zu den Rechten des Nachbarn. Allah Der Erhabene sagt
im Quran:
„...Übe Nachsicht mit ihnen und sag: ‚Friede!‘ ...“ (43:89)
3 Dem Nachbarn mit einem freundlichen Gesicht
begegnen. Dies ergibt sich aus dem Quranvers:
„Allah verbietet euch nicht, gegenüber denjenigen, die nicht gegen euch der Religion
wegen gekämpft und euch nicht aus euren
Wohnstätten vertrieben haben, gütig zu
sein und sie gerecht zu behandeln. Gewiss,
Allah liebt die Gerechten.“ (60:8)
4 Nach dem Wohlbefinden des Nachbarn zu fragen
und ihm Hilfe zukommen zu lassen, denn der Gesandte
Allahs Muhammad (saw) sagte:
„Wer eine Wand mit einem Nachbar teilt, so
darf er nicht verkaufen, bis er seinem Nachbarn ein Angebot unterbreitete.“ (Ahmad)
„Die besten Gefährten sind diejenigen,
welche am besten zu ihren Gefährten sind
und die besten Nachbarn sind diejenigen,
welche am besten zu ihren Nachbarn sind.“
6 Dem Nachbarn Geschenke zukommen zu lassen,
gemäß den Worten des Gesandten (saw):
(Tirmidhi, nach Al-Albaani authentisch)
„Wer satt ist, während sein Nachbar hungrig
ist, ist nicht wahrhaftig gläubig.“ (Bukhari)
Weiterhin sagte der Gesandte Allahs (saw):
„Lasst keinen Nachbarn seinem unmittelbaren Nachbarn verbieten, seine Dachsparren
an der eigenen Wand zu befestigen.“
(Bukhari und Muslim)
5 Weiterhin hat der Nachbar das Vorkaufsrecht, was
nach einigen Gelehrten nicht nur im moralischen,
sondern auch im rechtlichen Sinne zu verstehen ist.
Wenn man also seine Wohnung verkaufen möchte, so
hat zunächst der Nachbar ein Anrecht darauf, diese
zum Marktpreis zu erwerben. Der Gesandte Allahs
Muhammad (saw) sagte dazu:
„Wenn du Suppe zubereitest, gib viel
Wasser hinein und dann schau, wie es der
Familie deines Nachbarn geht, und gib auch
ihr davon.“ (Muslim)
Ebenfalls ist bekannt, dass der Prophet (saw) Abu
Sufjan mit Datteln aus Medina beschenkte, und zwar
im Rahmen einer kriegerischen Auseinandersetzung.
Dies wurde u. a. von As-Sarkhasy in seinem Werk AlMabsuut dokumentiert.
Genauso wie man zu beschenken hat, soll man auch den
Gedanken bei einem Geschenk zählen lassen und anerkennen, wenn man selbst mit einem Geschenk bedacht
wurde und aufgrund dessen auch Freude zeigen, auch
wenn das Überbrachte an sich nicht freudensstiftend
ist. Der Prophet (saw) sagte diesbezüglich sinngemäß:
„Kein Nachbar soll (das Geschenk) seines
Nachbarn verachten, und wenn es ein
Schafsfuß wäre.“ (Bukhari)
5
Einst wies Abdullah ibn Amr, ein berühmter Gefährte
des Propheten Muhammad (saw) seinen Bediensteten
an, bei der Verteilung des Fleisches seines geschlachteten Schafs zuerst seinem jüdischen Nachbarn zu geben.
Der Bedienstete fragte Abdullah diesbezüglich und
dieser erwiderte ihm mit der Aussage des Propheten
Muhammad (saw):
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„Der Engel Gabriel empfahl mir so oft die
gute Behandlung des Nachbarn, dass ich
beinahe dachte, er würde ihn vielleicht zum
Erben einsetzen.“ (Al-Bukhari und Muslim)
In den vorangegangenen Worten des Propheten (saw)
ist eine enge Bindung zwischen erbberechtigten Verwandten und den Nachbarn hergestellt worden. Dies
sollte jedoch nicht weiter verwundern, schließlich sieht
man seine Nachbarn im Alltag häufiger als manchen
entfernt wohnenden Verwandten. Abdullah ibn Amr
verstand es, diese Worte richtig umzusetzen, indem
er mit der Gunsterweisung und Beschenkung anfing.
(Bukhari)
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Ihm Gutes zu wünschen
Uqbah ibn Amir, Prophetengefährte und u.a. Statthalter
Ägyptens für drei Jahre, sprach beispielsweise zu einer
Ein produktives
Miteinander
ist viel wirksamer
als ein friedliches
Nebeneinander.
Gelegenheit folgendes Bittgebet für einen der nichtmuslimischen Einwohner: „Möge Allah dir ein langes
Leben, reichlich Vermögen und viele Kinder schenken.“
(Bukhari)
Die islamischen Urquellen – der Quran und das authentisch dokumentierte Leben des Propheten Muhammad
(saw) – stellen Muslimen die hierfür benötigten Grundlagen bereit.
Um das quranische Gebot und die prophetischen
Aussprüche hier und heute – in einer politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich komplexen Situation
umsetzen zu können, ist es wichtig, dass wir als Bürger
dieses Landes nicht nur Vorurteile auf allen Seiten
ausräumen und über die gemeinsam geteilten moralischen Prinzipien sprechen – sondern sie auch gemeinsam nachbarschaftlich ausleben und einander überall
helfen, wo wir nur können.
Im Quran beispielsweise ist festgehalten:
Aufklärungs- und Dialogarbeit ist an dieser Stelle wichtig, weil durch sie Vorurteile auf allen Seiten abgebaut
werden, womit auch ein Stück weit gesellschaftlicher
Frieden ermöglicht bzw. erreicht wird – etwas was in
unser aller Interesse liegt.
Dialogarbeit wird auch immer wichtig bleiben, weil diejenigen, die ihn benötigen um ihre Vorurteile abbauen
zu können, trotz aller Arbeit nicht weniger zu werden
scheinen.
„Befehlt ihr denn den Menschen Güte, während ihr euch selbst vergesst, wo ihr doch die
Schrift lest? Begreift ihr denn nicht?“ (2:44)
Wollen wir nicht alle, dass Vorurteile nicht unseren
Alltag dominieren? Leben wir nicht alle besser, wenn
Barmherzigkeit und Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft verwirklicht werden? Hierfür müssen wir
allerdings etwas leisten – auch mit dem Wissen, dass
Scharfmacher gerne das gesellschaftliche Klima vergiften, um davon verschiedenst zu profitieren.
Weiterhin heißt es im Quran:
„Allah verbietet euch nicht, gegenüber denjenigen, die nicht gegen euch der Religion
wegen gekämpft und euch nicht aus euren
Wohnstätten vertrieben haben, gütig zu
sein und sie gerecht zu behandeln. Gewiss,
Allah liebt die Gerechten.“ (60:8)
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Die Formulierung „Allah verbietet euch nicht“ sollte an
dieser Stelle nicht irritieren, denn Güte auszuüben ist
ein Gebot, keine Option:
Ähnlich formuliert wurde auch der Sa`i, eine unerlässliche Pflichthandlung der Pilgerfahrt nach Mekka:
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„Gewiss, as-Safa und al-Marwa gehören
zu den (Orten der) Kulthandlungen Allahs.
Wenn einer die Pilgerfahrt zum Hause oder
die Besuchsfahrt vollzieht, so ist es keine
Sünde für ihn, wenn er zwischen ihnen beiden den Umgang macht. Und wer freiwillig
Gutes tut, so ist Allah Dankbar und Allwissend.“ (2:158)
Das Gebot der Güte ist weiterhin deutlich im Quran wie
folgt festgehalten:
„Ist der Lohn des Guten nicht ebenfalls das
Gute?“ (55:60)
Um den Stellenwert des in den Versen 2:44 und 60:8 (in
verschiedenen grammatikalischen Formen) stets verwendeten Worts Güte (im Arabischen: Al-Birr) näher zu
erläutern, mögen folgende Verse des Qurans angeführt
sein:
„Nicht darin besteht die Güte, dass ihr eure
Gesichter gegen Osten oder Westen wendet.
Güte ist vielmehr, dass man an Allah, den
Jüngsten Tag, die Engel, die Bücher und die
Propheten glaubt und vom Besitz – obwohl
man ihn liebt – der Verwandtschaft, den
Waisen, den Armen, dem Sohn des Weges,
den Bettlern und für (den Loskauf von)
Sklaven hergibt, das Gebet verrichtet und
die Abgabe entrichtet; und diejenigen,
die ihre Verpflichtung einhalten, wenn sie
eine eingegangen sind, und diejenigen, die
standhaft bleiben in Not, Leid und in Kriegszeiten, das sind diejenigen, die wahrhaftig
sind, und das sind die Gottesfürchtigen.“
(2:177)
„...dient niemandem außer Allah und zu
den Eltern sollt ihr gütig sein und zu den
Verwandten, den Waisen und den Armen!
Und sagt Gutes zu den Menschen, verrichtet
das Gebet und entrichtet die Abgabe...“ (2:83)
Güte kennzeichnet im Quran also nicht nur die Beziehung zwischen Allah, Dem Erhabenen und Seinen Dienern sowie der zwischen Eltern und Kindern, sondern
Güte soll auch die Beziehungen zwischen Muslimen
und allen, die ihnen friedlich gesinnt sind, prägen.
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An dieser Stelle sei erwähnt, dass Allah auch für Sich
Selbst den Namen Al-Barr – Der Gütige – gewählt hat:
„Gewiss, Er ist ja der Gütige und Barmherzige.“
(52:28)
Bekannt ist unter Muslimen, dass es eine Kategorie von
Namen Allahs, Des Erhabenen gibt, deren darin enthaltenen Eigenschaft man im Menschenmöglichen in sich
erziehen sollte. Zweifellos ist dies bei der Eigenschaft
der Güte der Fall.
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Für Güte, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit gemeinsam
einzutreten, sind also Grundlagen im Islam vorhanden.
Wir möchten hierfür gemeinsam Umsetzungsmöglichkeiten aufzeigen. Gelegenheiten sind genügend da, wo
der Wille vorhanden ist. Auch um letzteren zu bilden,
hat sich der IIS e.V. gegründet.
Auf ein Gelingen dessen – InshaAllah!
Islamische Informations- und
Serviceleistungen (IIS) e.V.
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