Zylindrische Linearmotoren

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Zylindrische Linearmotoren
In der Praxis
Elektrische Antriebstechnik
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05/2006
Zylindrische Linearantriebe
Zylindrische
Linearmotoren
E-Motoren ersetzen pneumatische Antriebe
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Linearmotoren werden bislang vor allem bei hochpräzisen Anwendungen eingesetzt. Copley Controls hat jetzt einen Linearaktor für den industriellen Einsatz konstruiert, der pneumatische Antriebe ersetzen kann.
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Das Problem pneumatischer Lösungen besteht darin, dass eine gleichmäßige Steuerung schwierig ist, und dass sie
nur für Punkt-zu-Punkt-Bewegungen geeignet sind. Steht ein Produktwechsel an,
muss die Fertigungslinie zudem mit neuen
oder manuell justierten Pneumatik-Aktoren umgerüstet werden.
Eine Möglichkeit, das Problem der Steuerbarkeit zu lösen, liegt im Einsatz von Kugelgewindetrieben. Allerdings sind Kugelgewinde mit rund 800 mm/s und maximal
2 m/s häufig zu langsam.
Gute Steuerbarkeit
Das im englischen Basildon ansässige
Unternehmen Copley Controls produziert
seit Jahren den zylindrischen Linearmotor
„ThrustTube“. Jetzt ging es darum, einen
Aktor zu konstruieren, der die Steuerbarkeit von Kugelgewindetrieben mit der Geschwindigkeit pneumatischer Antriebe
verbindet. Der Motor sollte für Anwendungen mit hohen Geschwindigkeiten und
mittlerem Ansprechverhalten geeignet
sein. Weitere Designziele waren ein möglichst lautloser Lauf und einfacher sowie
wartungsfreier Betrieb.
Die ersten beiden Forderungen ließen
sich problemlos erfüllen, da hohe Verstellgeschwindigkeiten (10 m/s) und präzise
elektronische Steuerung zu den Standardmerkmalen von Linearmotoren gehören.
Copley nützt den ThrustTube-Linearmotor mit externen linearen Lagern und
Führungseinheit. Der Motor erhält seine
Lagerückmeldung von einem externen Encoder. Im neuen Antrieb sind die Magnete
nicht fixiert. Stattdessen wurde der als
Forcer bezeichnete Antriebsblock fixiert,
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CAD-Modell des
ServoTube: Der LinearAktor ähnelt optisch
dem doppelt wirkenden
Pneumatik-Aktor.
sodass die Schubstange bei Bedarf verlängert werden kann und sich der Antrieb wie
ein Kugelgewindetrieb verhält – nur deutlich schneller und ruhiger. Und um die ausgeprägte Dynamik und Steuerbarkeit herauszuheben, wurde er ServoTube getauft.
Copley ließ bereits Mitte der 80er Jahre
sein spezielles Magnetkonzept patentieren. Dabei werden die Magnete
gegenpolig angeordnet und in einem
Metallzylinder, der so genannten
Schubstange, hermetisch gekapselt.
Diese Anordnung erzeugt in den Wikklungen des Primärteils ein perfektes Sinusfeld.
Im Unterschied zu Linearmotoren, die
einen speziellen Servoverstärker mit
Dreiecks- oder Trapez-Impulsen benötigen, wird der ServoTube über einen
Standard-Servoverstärker mit Sinus-Rückkopplung angesteuert.
Lagebestimmung
Die magnetische Konstruktion ist zudem der
Schlüssel für den
Schritt vom Linearmotor zum Aktor. Die
ursprüngliche
ThrustTube-Bauweise
nutzt einen externen
Encoderstreifen und Lesekopf zur Lagemessung.
Um die benötigte Stabilität und Ausrichtung für diese Art der Positionserfassung
zu erreichen, ist zudem eine Linearführung notwendig. Der neue ServoTube war
aber für den Einsatz innerhalb und außerhalb von Maschinen vorgesehen, sodass
ein externer Encoder
nicht infrage kam. Daher
musste eine neue Methode
gefunden werden, mit der die
Lage der Schubstange in Bezug
auf die Motorwicklungen (im Forcer) gemessen werden konnte.
Dieses Problem wurde durch den Einsatz von zwei Hallsensoren gelöst, die quer
zum Forcer montiert wurden, um die magnetische Feldstärke zu messen. Da die
Schubstange bei der Bewegung ein sinusförmiges Antwortverhalten zeigt, geben
die Sensoren ein Sinus- bzw. Kosinussignal
aus, mit dem der Antrieb die Absolutposition feststellen kann.
Fehler, die häufig durch eine Fehlausrichtung auftreten, wurden außerdem
Anwendungsbeispiel: Der Servortube
kann als Antrieb für einen Flaschenverschrauber dienen.
durch eine
zum Patent anstehende, kostengünstige Elektronik
zur Signalanpassung
minimiert. So wurde eine
Antriebs-Wiederholgenauigkeit von mehr als 12 µ erreicht.
Im Unterschied zu mechanischen
Kugelgewinde- oder Leitspindelkonstruktionen arbeiten Linearmotoren vollständig
berührungslos. Dieser Vorteil wird mit einem aufwändigen, genauen Einbau erkauft, der eine zentrale Ausrichtung der
Schubstange sicherstellt.
Schluss, dass eine Kombination der Isolierschicht innerhalb der Motorwicklung mit
einem Kunststoff-Gleitlager für die korrekte Ausrichtung gleichzeitig die Konstruktion vereinfachen und die Kosten senken
würde.
Also suchten die Copley-Ingenieure
nach einem Spritzgussunternehmen, das
ein Polymer-Lager mit den benötigten Spezifikationen fertigen konnte. Gefordert
war ein Lager von 285 mm Länge, was sich
bald als Problem herausstellte, da die Länge herkömmlicher Lager auf das Dreifache
ihres Innendurchmessers begrenzt ist. Um
die Stückkosten niedrig zu halten, wurde
Linearmotoren arbeiten
vollständig berührungslos
Die Alternative ist ein vormontiertes
Modul inklusive Linearführung und Gehäuse, das den korrekten Abstand der
Schubstange von den Wicklungen und damit eine optimale, reibungslose Bewegung
garantiert.
Da der neue Aktor auch für den Einsatz
außerhalb einer Maschine oder eines Maschinengehäuses konzipiert war, musste
die Schubstange auf irgendeine Weise gestützt werden. Zudem mussten die Aktorwicklungen elektrisch von der Schubstange isoliert werden. Copley kam zu dem
jeder Konstruktionsaspekt des ServoTube
bezogen auf die Fertigung optimiert. Da
bildete auch das Lager keine Ausnahme:
So wurde beispielsweise an beiden Enden
des Lagers ein Bund vorgesehen, damit das
Gleitlager halbiert und in die kleineren
Forcer-Modellen eingesetzt werden konnte. Damit sollte zum einen die Teile-Lagerhaltung minimiert und zum anderen die
Vorlaufzeit für Kundenbestellungen reduziert werden.
Der Innendurchmesser wurde vom
Durchmesser der Schubstange (25 mm)
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vorgegeben und war somit unveränderlich. Also wurde ein Lager benötigt, das
fünfmal so lang war wie sein Innendurchmesser.
Damit nicht genug, durfte das Lager nur
einen Millimeter dick sein und musste
hundertprozentig parallele Innen- und
Außenseiten aufweisen, um eine exakte
Ausrichtung der Schubstange zu gewährleisten. Fünf Spritzgussunternehmen
sen für pneumatische Anwendungen verwendet wird. Nachdem der Werkstoff feststand, galt es nun, das Spritzgussverfahren
zu untersuchen. Das extrem dünnwandige
Lager ließ sich im Standardverfahren mit
einem Einspritzpunkt nicht herstellen. Daher suchte das in Köln ansässige Forschungslabor von Igus nach Wegen, das
komplette Gleitlager mit seinen 285 mm in
einem Vorhang herzustellen.
Als Werkstoff für das Lager
dient ein spezielles Polymer von Igus
winkten ab, da ein solches Lager schlicht
nicht herstellbar sei. Trotz seines praktisch
reibungslosen Betriebs kann am ServoTube durch elektrische Wärmeentwicklung
eine Oberflächentemperatur von 100° C
entstehen. Daher kam ein spezielles, hitzebeständiges Polymer mit der Produktbezeichnung Iglidur L100 zum Einsatz.
Diesen Werkstoff entwickelte Igus ursprünglich als kostengünstige Version seines Iglidur W300 Polymers, das in Buch-
Die neuartige Hülsenform machte ein
völlig neues Spritzgusswerkzeug notwendig, das den Werkstoff an sechs separaten
Stellen am oberen Rand des Lagers einspritzt. Und um die Perfektion auf die Spitze zu treiben, wurde das Polymer sogar in
der Weise eingespritzt, dass die Körnung vergleichbar mit der Maserung im Holz parallel zur Bewegungsrichtung verläuft.
Um pneumatische Lösungen erfolgreich
verdrängen zu können, erhielt der Servo-
Tube dieselben Befestigungskomponenten
nach DIN/ISO 6431 wie pneumatische Antriebe. Zudem lassen sich pneumatische
Standard-Zubehörteile direkt anschließen.
Außerdem sind Bauform und Verhalten
des ServoTube identisch zu denen eines
doppelt wirkenden Pneumatik-Aktors, sodass sich vorhandene pneumatische Lösungen problemlos durch den ServoTube
ersetzen lassen.
Das Forcer-Feld entwickelt zusammen
mit den Magneten in der Schubstange (je
nach Modell) 51-293 N Dauerkraft. In
Kombination mit dem Xenus-Antrieb von
Copley entsteht ein vollständiges, perfekt
aufeinander abgestimmtes lineares Positioniersystem.
Webguide
www.copleycontrols.com
Copley Controls
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ap0453
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Technik im Detail
Linearmotor ersetzt Kugelgewindetriebe
Zwei zylindrische Linearmotoren wirken
zusammen, um Flaschen zu füllen.
Ersatz für pneumatische Antriebe: die
beiden Servotubes separieren Bauteile.
sieren, da die Kosten für Druckluft entfallen und
die Zuverlässigkeit erhöht wird. Nicht zuletzt
profitieren Arbeitgeber und Belegschaft gleichermaßen von der enormen Lärmreduzierung
dank praktisch lautloser Linearmotoren.
Herkömmliche Linearmotoren in U-Form- oder
Flachbettbauweise sind zwar exakt, schnell und
zuverlässig, werden aber wegen der Verschmutzungsgefahr in der Lebensmittel- und
Getränkeindustrie kaum eingesetzt.
ServoTube wurde mit einem robusten IP67-Gehäuse konstruiert und kann auch in Umgebungen mit regelmäßigen Spülprozessen eingesetzt
werden. Und da die Positionserfassung im Forcer integriert ist, entfallen Probleme, die übli-
cherweise mit verschmutzten, externen Encoderspuren auftreten.
Der Forcer-Teil des Aktors weist schmale Rillen auf, die zur Wärmeableitung dienen und
den Einbau erleichtern.
Durch die Integration der Lager im Aktor ist
es Copley gelungen, einen Linearaktor zu
entwickeln, der direkt mit pneumatischen Aktoren kompatibel ist.
So lässt sich die neue Konstruktion speziell
bei Anwendungen mit mittlerer Genauigkeitsanforderung problemlos anstelle pneumatischer Lösungen integrieren, wobei sich die
Gesamtkosten erstaunlich niedrig halten lassen.
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Im Gegensatz zu Kugelgewindetrieben benötigen zylindrische Linearmotoren weder Getriebe noch Kupplungen. Dank des Wegfalls
dieser mechanischen Einschränkungen arbeitet der ServoTube von Copley extrem
schnell (5,9 m/s) und laufruhig mit einer
Wiederholgenauigkeit von 12 µ.
Der ServoTube kann preislich mit einem
Pneumatikzylinder nicht direkt konkurrieren,
allerdings beziehen sich diese Kosten nur auf
den eigentlichen Aktor und nicht auf das gesamte System.
Die in einem pneumatischen System anfallenden Kosten für Steuerung, Ventile und
Stellungsgeber sollten ebenfalls berücksichtigt werden. Die gesamten Betriebskosten
nähern sich deutlich einem ServoTube-gestützten System an.
Mit ServoTube lassen sich Stillstandzeiten reduzieren: Denn Bewegungsvorgänge können
durch Software verändert werden, indem der
Servoverstärker andere Befehle erhält. Beim
Einsatz des Xenus-Antriebs von Copley kann
die Umstellung über einen PC oder eine SPS
erfolgen. Zur Synchronisation der Bewegungen lässt sich zudem CANOpen einsetzen.
Durch den Austausch pneumatischer Systeme lassen sich weitere Einsparungen reali-
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