neuen Gunnar-Schmid-Orgel - Alt

Transcrição

neuen Gunnar-Schmid-Orgel - Alt
Die neue
GunnarSchmid-Orgel
in der Alt-Katholischen
Kirche St. Willibrord
in München
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Zum Geleit
Liebe Münchner Alt-Katholiken,
ganz herzlich darf ich im Namen unseres bayerischen
Dekanats Ihnen zu Ihrer neuen Orgel gratulieren. Es
ist sicher nicht selbstverständlich, dass in den augenblicklichen Zeiten Gemeinden sich entschließen,
überhaupt eine hochwertige neue Orgel anzuschaffen, und dann auch noch für eine Pfeifenorgel votieren, die ja doch eine besondere Pflege und Sorge erfordert. Aber Sie haben den Schritt getan zu einer eben ursprünglichen Orgelversion, so wie
unsere Kirche ja auch insgesamt das Ursprüngliche wertschätzt.
Ich weiß, die Suche nach dem Ursprünglichen, die kann man übertreiben,
und nicht immer war das Erste und Alte das Beste. Es käme ja auch wohl
keiner auf die Idee, wieder mit dem Fuß den Blasebalg für eine Orgel zu
betätigen. Aber oft liegt gerade im Ursprünglichen ein Kern und eine Botschaft, die nicht übergangen werden dürfen.
Deshalb freue ich mich, dass Sie nun in München eine Kirche haben, in
der tatsächlich noch etwas vom Brausen und Wehen zu spüren ist, zumindest akustisch, das die Gemeinschaft der ersten Christen an Pfingsten
ausgezeichnet hat.
Vergessen Sie nicht, dieses Wehen auch in die andern Sphären der Kirchengemeinde hinein zu nehmen. Und, was mir ebenfalls wichtig ist: Setzen Sie zum Ursprünglichen auch die Bedürfnisse der Jetztzeit.
Denn aus dem Orgelspielen soll kein Orgeln werden. Im Deutschen drückt
der Begriff „Orgeln“ nämlich das eher langweilende Wiederholen immer
derselben Bewegung (bei der Drehorgel) aus. Orgeln Sie nicht, sondern
spielen Sie mit viel Phantasie und immer neuem Esprit auf Ihrer Orgel und
auf all den andern Instrumenten, die Ihnen in Fülle gegeben sind.
Die Orgel ist vom Wort her eigentlich ein „Organ“. Und von den Organen
hat Paulus gesagt, dass sie alle zusammengehören. „Wäre der ganze
Leib Auge, wo wäre das Gehör? Und wäre der ganze Leib Ohr, wo bliebe
der Geruchssinn?“ (1. Kor 12). Das Entscheidende soll sein, dass in Ihrem
Ganzen etwas widerhallt von der Freude Gottes an seiner Schöpfung und
von dem immer neuen Lied, mit dem Jesus uns Menschen aufspielen
wollte zu Tanz und Gemeinschaft.
Alles Gute mit der neuen Orgel.
Harald Klein, Dekan
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Disposition der neuen Gunnar-Schmid-Orgel
I. Manual
1
2
3
4
5
6
Principal 8’
Holzflöte 8’
Oktav 4’
Hohlflöte 4’
Superoktav 2’
Mixtur 1 1/3’ 3fach
Pedal
7 Subbaß 16’
8 Fagottbaß 8’
II. Manual
9
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12
13
14
15
16
Gamba 8’
Gedeckt 8’
Rohrflöte 4’
Quinte 2 2/3’
Terz 1 3/5’
Waldflöte 2’
Vox coelestis 8’
Tremulant
Koppeln: II/I, II/P, I/P
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Die neue Orgel in St. Willibrord
von Orgelbaumeister Gunnar Schmid
Die neue Orgel für die Alt-Katholische Kirche in
München ist mein erster eigener Entwurf mit selbst
erstellter Disposition einer rein mechanischen
Schleifladenorgel.
Mir war ein moderner, zeitloser Entwurf mit klassischer Linienführung wichtig.
Die transparenten, luftigen Schleierbretter verstärken die Wirkung des Prospektes. Die Prospektpfeifen bestehen aus Registern von Prinzipal 8’ und
Oktav 4’. Der Orgelprospekt besteht aus drei Spitztürmen und zwei Flachfeldern. Die beiden äußeren
Spitztürme sind um die Ecke gezogen, und das Untergehäuse in diesem
Bereich um 45° abgeschrägt. Wegen der Aufstellung an der linken Seite
der Empore wurde die Orgel um ca. 30° in die Kirche gedreht, was ihre
räumliche Wirkung verstärkt.
Die Verwendung eines Prinzipal 8’ im Hauptwerk gibt dieser relativ kleinen
Orgel das klangliche Fundament, darauf wurden die Prinzipalregister Oktav 4’, Oktav 2’ und die vorgesehene Mixtur gesetzt. Eine offene Holzflöte 8’ und eine konische Hohlflöte 4’ sind für solistische Zwecke und für die
Begleitung vorgesehen.
Im Schwellwerk bildet die Gamba 8’ als Streicher zusammen mit dem Gedeckt 8’ die Grundlage, und mit den Registern Rohrflöte 4’, Quinte 2 2/3’,
Waldflöte 2’, Terz 1 3/5’ und Vox Coelestis 8’ sind reizvolle Farbmischungen möglich.
Im Pedal steht der grundtönige Subbass und zur Verstärkung der Fagottbass 8’.
Es wurde in der Disposition auf sehr hoch liegende Stimmen verzichtet,
und auf ein ausgewogenes Verhältnis der Register geachtet.
Die drei ursprünglich für eine spätere Erweiterung vorgesehenen Register
(Mixtur 1 1/3’, Vox Coelestis 8’, Fagottbass 8’) konnten bereits im Sommer 2007 eingebaut werden.
Aus finanziellen Gründen haben wir auf gebrauchte, aber neuwertige Register aus unserem Bestand zurückgegriffen und diese durch Neuanfertigungen ergänzt.
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Das Gehäuse ist aus Eschenholz, in leicht orangem Farbton gebeizt, und in
Rahmen-Füllung-Bauweise selbsttragend gefertigt. Der Kranzrahmen, der
auf dem Untergehäuse sitzt, trägt zugleich das Obergehäuse und die
Windladen mit Pfeifenwerk.
Die Türen haben Scharniere und
Beschläge aus Edelstahl.
Die Windladen und alle ihre Be-
standteile sind aus Eichenholz, die
Fundamentplatten aus Birkenmultiplexplatten gefertigt. Die Ventile
sind aus feinjähriger Fichte, Abzugsdrähte, Federn und Pulpeten
aus Edelstahl. Als Schleifendichtungen wurden die bekannten
„Schmidringe“ verwendet.
Die Registermechanik ist mechanisch. Stehende Wellen aus massivem Stahl mit angedrehten Achsen und angeschweißten Armen
sind über Zugstangen mit senkrechten Schwertern verbunden,
die dann direkt in die Schleifen
eingreifen. Die Oberfläche ist
schwarz pulverbeschichtet.
Die Tonmechanik besteht aus Wel-
lenbrettern aus Eiche-Dreischichtplatten, auf denen Wellen aus
massivem Aluminium mit Ärmchen
aus Weißbuche angeordnet sind.
Die Oberfläche der Tonwellen ist
Seitliche Ansicht der geöffneten Orgel.
ebenfalls schwarz pulverbeschichtet. Die Abstrakten aus feinjähriger Fichte werden mit Holzverbindern in
die Ärmchen und Winkel eingeklipst. Alle Holzmechanikteile sind aus
Weißbuche. Eine Regulierstelle mit Ledermuttern befindet sich direkt unter
der Windlade.
Sämtliche Lagerstellen der Mechanik wurden mit verschleißfreien Gleitlagern ausgestattet.
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Das Windsystem besteht aus Magazin-Schwimmerbälgen mit Rollventilen,
jede Lade hat einen eigenen Balg und ein separates Kanalsystem, damit
werden Windschwankungen eliminiert. Ausgleichsbälge sind nicht eingebaut.
Der Spieltisch hat zwei-
armige Tasten, die wie
alle Koppelhebel aus
feinjähriger Fichte gefertigt sind. Die Klaviaturen sind mit Grenadill belegt, die Obertasten aus Ebenholz
mit Knochen.
Orgelbauer Gunnar Schmid beim Überprüfen des Spieltisches.
Die Registerzüge sind
aus
Grenadill
gedrechselt und haben
weiße Registerschilder mit Gravur. Die
Koppelbetätigung ist
aus Grenadill gefertigt.
Das Pedal ist in paralleler Bauweise und, wie die Sitzbank zum Gehäuse
passend, in Esche ausgeführt, die Obertasten sind mit Grenadill belegt.
Die filigrane Spieltischbeleuchtung ist von der Firma Knöchel.
Mit dieser Orgel hat seit einigen Jahren wieder ein neues Instrument die
„Firma Schmid Kaufbeuren“ verlassen.
Ich bedanke mich bei den Orgelsachverständigen Pater Stefan U. Kling,
Augsburg, und Professor Dr. Hans Musch, Freiburg, und dem Architekten
Reinhard Heut, München, für die fachliche Beratung.
Ich bedanke mich bei dem Pfarrer, dem Kirchenvorstand, den Organisten
und den Mitgliedern der Alt–Katholischen Kirche in München für Ihr Vertrauen in unsere Firma und wünsche Ihnen viel Freude mit Ihrem neuen
Instrument.
Möge es zur Ehre Gottes erklingen!
Gunnar Schmid, Orgelbaumeister
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Werkstattbesuch in Kaufbeuren
Gemeindeausflug am 14. Oktober 2006
Am 14. Oktober 2006 fuhren der
Kirchenvorstand und einige Interessierte aus der Gemeinde nach
Westendorf in die Werkstatt des
Orgelbauers Gunnar Schmid.
Dort wollten wir unsere Orgel sehen, die allerdings noch nicht zusammengebaut war. Auf diese
Weise konnten wir seltene Einblicke in das Innenleben einer Orgel gewinnen.
Zuerst entdeckten wir das leere
Gehäuse, das wie ein großer
Holzbilderrahmen wirkte. (Bild links)
Herr Schmid zeigte uns die Pläne und erklärte uns anschaulich
die Funktionsweise der verschiedenen Bauteile. (Bilder unten)
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Sehr beeindruckend war die unglaubliche Fülle von präzise gearbeiteten
Kleinteilen aus Holz und auch aus Metall.
Und schließlich und endlich konnten wir natürlich auch Orgelpfeifen bewundern:
Angefangen von den riesigen Pedalpfeifen aus Holz (Bild links)
... bis hin zu den
ganz kleinen Metallpfeifchen der
hohen Stimmen. (Bild rechts)
Durch diesen Besuch bekamen wir
eine Ahnung davon, wie viel Arbeit in der Orgel steckt und warum die
Bauzeit so lange dauert. Und nicht zuletzt steigerte sich bei uns die Vorfreude darauf, diese unsere Orgel bald auch erklingen zu hören.
Astrid Sachs
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Festgottesdienst zur Orgelweihe
am 16. Dezember 2006
Bläserintrada: J. A. Hasse, Bourrée
Eröffnungslied: „Tochter Zion“ (EG 309)
Begrüßung durch
Beate Hesse- Engl,
Zweite Vorsitzende
des Kirchenvorstands
Liturgische
Eröffnung durch
Dekan Harald Klein,
Rosenheim
Kyrieruf und
Gebet des Tages
von links: Ministrantin Anna Sachs, Priester m.Z. Dirk Faulbaum, Dekan Harald
Klein, Pfarrer Siegfried Thuringer, Ministrantin Sophia Sachs und zweite
Kirchenvorstandsvorsitzende Beate Hesse-Engl bei der Begrüßung.
1. Lesung aus 1 Chr 15
Antwortgesang: „Singt dem Herrn ein neues Lied„ (EG 593)
2. Lesung aus Zef 3
Hallelujaruf vor dem Evangelium (EG 726)
Evangelium aus Mk 7,31-37
Predigt von Dekan Harald Klein, Rosenheim
Orgelweihe
Erstes Orgelspiel:
Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Präludium G-Dur, BWV 541
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Gemeindelied: „Lobe
den Herrn“ (EG 551)
Fürbitten
Zur Gabenbereitung:
Domenico Zipoli,
Offertorio (1716)
Gabengebet, Präfation
Sanktus, Doxologie
Posaunenchor der evangelisch-lutherischen Magdalenenkiche, Eching
Vater unser (EG 738) und Friedensgruß
Zur Brotbrechung: „Aller Augen warten auf dich Herre“ (EG 230)
Zur Kommunionausteilung: Johann Sebastian Bach
Orgelchoral „Schmücke dich, o liebe Seele“ BWV 654
Danksagung: „Geborgen in dir, Gott“ (EG 298)
Schlussgebet, Segen und Schlusslied: „Macht hoch die Tür“ (EG 300)
Orgelnachspiel: Johann Sebastian Bach, Fuge G-Dur, BWV 541
Musikalische Gestaltung:
Ø Organist Manfred Gebert, München
Ø Posaunenchor der ev. Magdalenenkiche, Eching
Ø Projektchor St. Willibrord, Leitung: Astrid Sachs
Leitung des Gottesdienstes:
Ø Dekan Harald Klein, Rosenheim
Ø Pfarrer Siegfried Thuringer, München
Ø Priester mit Zivilberuf Dirk Faulbaum, München
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Festrede zur Orgelweihe im Dezember 2006
von Pfarrer Siegfried J. Thuringer
Liebe Festversammlung,
lassen Sie mich – nachdem die neue Orgel in diesem
Festgottesdienst eingeweiht wurde – noch einmal einen Rückblick wagen auf die Entstehungsgeschichte
dieser Orgel und unser Orgelprojekt in St. Willibrord.
Ich habe dabei als Quelle die Protokolle der Kirchenvorstandssitzungen und der Gemeindeversammlungen herangezogen:
Vor fast fünf Jahren am 31. Dezember 2001 schrieb
unser Organist Manfred Gebert einen Brandbrief an
den Kirchenvorstand, indem er sich zum wiederholten Mal über den klanglich und technisch schlechten Zustand unserer elektronischen Orgel beklagte und damals für die Anschaffung einer neuen – aus finanziellen
Gründen – elektronischen Orgel plädierte. Der Brief verfehlte seine Wirkung nicht: Der Kirchenvorstand beschloss in der darauffolgenden Sitzung, „die Anschaffung einer neuen Orgel zu prüfen hinsichtlich Beschaffenheit (elektronische- oder Pfeifenorgel), Investitionsvolumen, Klangqualität, Beibehaltung des jetzigen Instruments, Anschaffung einer neuen bzw.
Erwerb einer gebrauchten Orgel“.
Es folgten die ersten Orgelfahrten, bei denen man Informationen einholte,
und das Einrichten einer Orgelkasse.
Bei einer außerordentlichen Gemeindeversammlung im November 2002
wurde außerhalb der Tagesordnung über das Für und Wider einer Pfeifenorgel für St. Willibrord diskutiert. Ich zitiere aus dem Protokoll: „Im Wesentlichen stellt sich die Frage der Finanzierung und die Bedeutung bzw.
Bewertung von Kirchenmusik. Astrid Sachs plädierte im Auftrag des Kirchenvorstands für die Anschaffung einer Pfeifenorgel“.
Im Mai 2003 wird das Thema wiederum im Kirchenvorstand aufgegriffen
und abermals festgestellt: „Wichtig ist die grundsätzliche Diskussion über
den Stellenwert einer Orgel in der Gemeinde“ (06.05.2003).
Der Kirchenvorstand beschließt schließlich im Dezember 2003, dass beide Konzepte (Anschaffung einer gebrauchten Pfeifenorgel – eine neue
schied aus finanziellen Gründen aus – bzw. Anschaffung einer digitalen
Orgel) der nächsten Gemeindeversammlung zur Abstimmung vorgelegt
werden sollten.
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Im Protokoll der Gemeindeversammlung vom 27. März 2004 wird die Debatte dann so zusammengefasst: „Die Gemeindeversammlung debattiert
lebhaft über das Pro und Contra von Pfeifenorgel und Digitalorgel. Es
herrscht weitgehend Einigkeit, dass die Finanzierbarkeit des Orgelprojekts
im Hinblick auf die angespannte Finanzlage der Gemeinde im Vordergrund stehen muss. In der Gemeindeversammlung besteht überwiegend
Übereinstimmung darüber, dass noch in diesem Jahr eine Entscheidung
über das Orgelprojekt gefällt werden muss.“
Nach einem Lokaltermin mit den Orgelsachverständigen der Diözese
Augsburg, Pater Stefan Kling, den uns unser Kantor Andreas d’Orfey
vermittelt hatte, wurde eine gebrauchte Pfeifenorgel favorisiert. Es folgten
Fahrten zu Orgeln in Kaufbeuren (Fa. Schmid) und nach Schäftlarn.
Ich muss gestehen, als ich mich im Juli 2004 der Gemeinde als Bewerber
um die freiwerdende Pfarrstelle vorgestellt habe, wusste ich von all dem
nichts und war deshalb zunächst verwundert, dass ich beim Gespräch mit
dem Kirchenvorstand gefragt wurde, ob ich eher klassische Kirchenmusik
oder Gitarrenspiel bevorzuge. Da ich darin keinen Gegensatz erkenne und
die Ergänzung schätze, war ich zunächst perplex.
Darum ging es auch nicht: Es ging um die Zukunft des Orgelprojektes.
Dass hier eine Lösung gefunden werden musste, wurde mir allerdings
schnell klar.
Die bisherige elektronische Orgel der Firma Michel, die 1994 angeschafft
wurde und die über die Jahre auch gute Dienste getan hat, fiel immer wieder einmal ganz oder teilweise aus, Reparaturen konnten immer nur kurzfristig Abhilfe schaffen. Da bereits die Gemeindeversammlung 2004 für die
Anschaffung einer Pfeifenorgel votiert hatte, ging es 2005 vor allem um
den Finanzierungsrahmen. Dieser wurde mit 80.000 € festgelegt, wovon
50.000 € aus den Rücklagen genommen und 30.000 € durch Spenden
aufgebracht werden sollten. Gedacht war an den Kauf einer gebrauchten
Pfeifenorgel, die für unsere Zwecke umgearbeitet werden sollte. Auf der
Suche nach einer gebrauchten Orgel hat sich dann der Kontakt zum Orgelbauer Gunnar Schmid in Kaufbeuren ergeben, der dem altkatholischen Zisterzienserkloster in Leinau für die dortigen Gottesdienste
leihweise eine Orgel zur Verfügung gestellt hatte. Herr Schmid hatte 2004
den Betrieb seines verstorbenen Vaters übernommen und war an der Erstellung einer Orgel für St. Willibrord sehr interessiert. Er hatte uns ein
äußerst attraktives Angebot gemacht, dem unsere Organisten und im Januar 2006 auch der Kirchenvorstand zugestimmt haben.
Herr Schmid hat uns in dem vorgegebenen Finanzrahmen eine neue
zweimanualige Orgel gebaut, für die er neben neuen Pfeifen auch einige
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im Lager seiner Werkstatt vorhandene Register verwendet hat. Wir haben
damit eine neue Orgel mit allen dazu gehörigen Gewährleistungsansprüchen erhalten und einem jungen Orgelbauer die Möglichkeit gegeben ein
"Referenzinstrument" zu bauen. Freilich – und das war im Kirchenvorstand immer wieder auch Thema – es war nicht absehbar, was am Ende
herauskommen würde. Wir konnten ja vor der Entscheidung kein von
Gunnar Schmid gebautes Instrument hören. Das Vertrauen hat sich, wie
wir hören konnten, gelohnt und das war in den letzten Tagen auch die einhellige Meinung aller, mit denen ich gesprochen habe.
Ein Rätsel
Die Kirche ist mein Aufenthalt,
Hier wohn’ ich, ohne es zu wissen.
Doch, eh noch der Gesang erschallt,
Tritt man mich schon mit Füßen.
Ich schreye laut, doch red ich nicht,
Und gleichwohl kann man mich verstehen.
Ich lehre manchen seine Pflicht
Und kann nicht hören und nicht sehen.
Die Menschen gaben mir den Leib;
Der Wind gab mir das Leben.
Ich bin nicht Mann; ich bin nicht Weib,
Doch kann ich beyden mich ergeben.
Anonymus
Ich danke Ihnen, lieber Herr Schmid, und Ihrem Team für Ihre Arbeit, namentlich Herrn Hefele, der insbesondere die Intonation vorgenommen,
Herrn Dolezal, der für die Schreinerarbeiten verantwortlich ist und Herrn
Biermann, der die Pfeifen hergestellt hat und seit 50 Jahren bei der Firma
Schmid arbeitet.
Im Nachhinein war es doch richtig, den Orgelweihetermin verschoben zu
haben. Davon spricht in einigen Jahren niemand mehr, aber von der ausgezeichneten Schmid-Orgel in St. Willibrord hoffentlich schon.
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Ich danke allen, die mitgeholfen haben, dass die Orgel da stehen kann,
wo sie jetzt steht, nämlich auf der Empore. Dem Statiker Herrn Schneider,
der Firma Aichele, die die Empore mit Stahlträgern verstärkt hat, der Firma Hirschfelder, die den Handlauf an der Orgelbrüstung gestaltet hat, und
den Malern, Bodenlegern und Elektrikern, die mit kleineren Arbeiten betraut waren. Und ich danke natürlich dem Architekturbüro Heut, für die
bewährte Koordination der Arbeiten und die unterstützende Beratung bei
diesem Projekt.
Ich danke besonders allen, die sich mit Aktionen an der Finanzierung der
Orgel beteiligt haben: u.a. waren dies der Flohmarkt des Frauenkreises,
Spenden anlässlich des 65. Geburtstags von Pfarrer Karl Harrer, Benefizkonzerte des Kolloseumchors, von Manfred Gebert und Michael Prager
mit ihren Ensembles, dem Echinger Singkreis und dem Chor unserer anglikanischen Schwesterkirche.
Dank dieser Aktionen und vieler großer und kleiner Spenden (die Spanne
liegt hier zwischen 4 € und 15.000 €) und insbesondere durch das Pfeifenpatenschaftsprojekt sind die 30.000 €, die wir durch Spenden aufbringen wollten, mittlerweile beisammen.
Die Orgelsachverständigen Pater Stefan Kling und Prof. Hans Musch aus
Freiburg, dem ich die Unterlagen zur Begutachtung geschickt hatte, haben
Herrn Schmid und uns geraten, die Orgel so zu bauen, dass sie um drei
Register erweitert werden kann. Herr Schmid hat die Orgel dafür vorbereitet und deshalb sollte auch das Pfeifenpatenschaftsprojekt in den nächsten Jahren weitergeführt und weitere Benefizkonzerte veranstaltet werden.
Dies ist auch eine gute Möglichkeit für die Öffentlichkeitsarbeit unserer
Gemeinde. Unser Dank gilt Ihnen, Pater Stefan, der Sie für uns das Amt
des Orgelsachverständigen übernommen haben.
Mein Dank gilt auch dem Kirchenvorstand, der in den letzten Jahren fast
jede Sitzung mit dem Orgelprojekt befasst war und des öfteren bis spät in
die Nacht diskutiert und mit den Fachleuten beraten hat. Entscheidungen
wurden getroffen, die am nächsten Tag schon wieder hinfällig waren, weil
die anvisierte gebrauchte Orgel schon verkauft war. Hier danke ich besonders Astrid Sachs, die von Anfang an mit guten Argumenten für eine
Pfeifenorgel im Kirchenvorstand und auch in den Gemeindeversammlungen geworben hat und die mit Manfred Gebert und Dirk Faulbaum die
fachliche Seite vertreten hat.
Die Protokolle von Gemeindeversammlungen und Kirchenvorstandssitzungen, wie die vorher zitierten, geben ja (Gott-sei-Dank) meist nur Ergebnisse wieder, was fehlt sind die Zwischentöne, sind die Sträuße, die
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man ausgefochten hat und auch so manche Ratlosigkeit, die sich breit
machte, wenn die Fachleute sich nicht einig waren.
Alles in allem haben sich die breite Diskussion und auch das Warten auf
die für uns richtige Lösung gelohnt.
Ich habe begonnen mit dem Brandbrief von Manfred Gebert an den Kirchenvorstand vom Dezember 2001, damit möchte ich auch schließen:
Darin haben Sie, lieber Herr Gebert, im Bezug auf eine neue Orgel Folgendes angeboten:
„Mein Angebot wäre, z.B. regelmäßig Orgelvespern bzw. -meditationen zu
veranstalten, ggf. mit Instrumentalisten“ – Sie fügten damals allerdings
noch hinzu: „Ich habe nur keine Lust mehr, jahrlang zu warten.“
Obwohl Sie jetzt doch noch fünf Jahre warten mussten, hoffe ich, Ihr Angebot steht noch immer und freue mich auf die musikalische Bereicherung
unseres Gemeindelebens durch die neue Orgel.
Siegfried J. Thuringer,
Pfarrer und 1. Vorsitzender des Kirchenvorstands
Konzert zur Weihe der neuen Orgel
Programm
Johann Speth (1664 - 1720)
Magnificat im VI. Ton (Praeambulum mit sieben Versetten
alternatim im Wechsel zu den gesungenen Versen des gregorianischen Magnificat im VI. Ton)
Erläuterung der verschiedenen Register und Klangfarben der Orgel durch
ihren Erbauer, Gunnar Schmid
Johann Kaspar Kerll (1627-1693)
Capriccio sopra il Cucu
Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Choralvorspiel „Nun komm, der Heiden Heiland“ BWV 659
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Girolamo Frescobaldi
(1583-1643)
Toccata e Ricercar
(con obligo di cantare la quinta
parte senza toccarla)
aus: Fiori Musicali 1635
Johann Sebastian Bach
Choralvorspiel „Wachet auf,
ruft uns die Stimme“ BWV 645
Pietro Alessandro Yon
(1886-1943)
Humoresque
“Toccatina l‘organo primitivo“
Theodore Dubois (1837-1924)
„In paradisum“ aus 12 Pièces
Pater Stefan Kling beim Orgelkonzert.
Johann Gottfried Walther (1684-1748)
Concerto del Signor Vivaldi h-moll (Allegro - Adagio - Allegro)
Kantor:
Organist:
Andreas d’Orfey, München
P. Stefan Ulrich Kling o. praem., Roggenburg
P. Stefan Kling (1962*) studierte Theologie an den Universitäten Augsburg und Regensburg und trat
1983 in die Prämonstratenser-Abtei Windberg ein. Seine 1987 abgeschlossene Diplomarbeit hatte
das Thema: “J.S. Bachs Matthäus-Passion als Dokument der Bibelauslegung ihrer Zeit.“ 1988 wurde
er zum Priester geweiht. Das Studium der Kath. Kirchenmusik absolvierte er von 1988 bis 1993 an der
Hochschule für Kirchenmusik in Regensburg. Seit 1992 ist P. Stefan Kling Mitglied des Prämonstratenser-Konvents von Roggenburg bei Neu-Ulm.
P. Stefan Kling nahm an Kursen bei den Orgelinterpreten Dorthy de Rooij, Günther Kaunzinger, Piet
Kee, Jon Lauvik und Thierry Mechler teil und war von 1996 bis 2005 nebenamtlicher Dozent im Fachbereich Kirchenmusik an der Musikhochschule Augsburg-Nürnberg.
P. Stefan Kling leitet das Amt für Kirchenmusik der Diözese Augsburg und ist Orgel- und Glockensachverständiger dieser Diözese. Als Kirchenmusiker an der Prämonstratenser-Klosterkirche Roggenburg ist er auch für die Internationale Orgelkonzertreihe in Roggenburg (seit 1986) verantwortlich.
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Rückblick auf die Orgeln
der alt-katholischen Gemeinde München
von Astrid Sachs, Organistin
Der erste alt-katholische Gottesdienst in München fand
am 17. August 1871 in der Gasteigkirche St. Nikolai
statt, die noch bis 1882 als Gottesdienstraum genutzt
werden konnte. Danach zog man in das Wagmüllersche Atelier in der heutigen Kaulbachstraße zunächst als Mieter, dann als Eigentümer. Dort wurde
von einem Gemeindemitglied ein Harmonium zur
Verfügung gestellt, später erwarb die Gemeinde eine
Orgel mit acht Registern für 1500 Mark.
Übrigens: Zu dieser Zeit gab es eigentlich noch gar keine Gemeinde! Auf
dem Münchner Altkatholiken-Kongress wurde im September 1871 zunächst ein Verein gegründet. Erst nachdem die bayerische Regierung das
1. Vatikanische Konzil anerkannte, fand am 20. Juli 1890 die offizielle
Gründung der alt-katholischen Gemeinde München statt.
Die heutige Kirche St. Willibrord hieß ursprünglich St. Georg und wurde
als Englische Botschaftskirche gebaut. Mit Ausbruch des ersten Weltkrieges stand sie leer. Ab 8. Januar 1919 ist die alt-katholische Gemeinde in
diese Kirche als Gast eingezogen, bis am 25. März 1928 die EvangelischReformierte Gemeinde die St. Georgskirche für ihre Gottesdienste mietete. Die Alt-Katholiken wurden nun zu Untermietern bei den EvangelischReformierten. Der Alt-Katholikenverein sammelte eifrig Geld zum Erwerb
einer eigenen Kirche und viele Gemeindemitglieder beteiligten sich mit
großen Summen. So konnte am 30. Januar 1929 diese Kirche für
100.000 RM käuflich erworben werden. (Die Evangelisch-Reformierten
wurden nun wiederum als Untermieter aufgenommen.)
Bereits zwei Jahre später, im Jahr 1931, wurde eine zweimanualige Pfeifenorgel gebaut! Dieses Instrument wurde leider mit der Kirche im zweiten
Weltkrieg zerstört. Aus dieser Zeit ist noch das auf Seite 20 abgebildete
Foto erhalten. Darauf ist das ursprüngliche Tonnengewölbe zu sehen, eine Empore auf der linken Seite und eine Kanzel, die heute nicht mehr erhalten sind. Sehr gut zu erkennen sind die zwei Teile der Orgel, links und
rechts vom rückwärtigen Glasfenster mit ihren geraden Pfeifenfeldern,
dem Markenzeichen der Orgelbaufirma Steinmeyer, die diese Orgel gebaut hat. Und da das Archiv dieser Firma den Krieg unbeschadet überstanden hat, ist auch die Disposition überliefert:
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Disposition der Steinmeyer-Orgel
“opus 1544 im Jahr 1931 für die Orgel in die altkatholische Kirche zu München“
II. Manual C-a’’’
I. Manual C-a’’’
8. Quintatön 16’
9. Violflöte 8’
10. Gedeckt 8’
11. Prinzipal 4’
12. Rohrflöte 4’
13. Glöckleinton 2’ u. 1’
14. Scharf 1/2’ 3 fach
1. Principal 8’
2. Rohrflöte 8’
3. Oktav 4’
4. Spitzflöte 4’
5. Quinte 2 2/3’
6. Oktav 2’
7. Mixtur 1 1/3’
PEDAL C-f’
15. Subbaß 16’
16. Oktavbaß 8’
17. Zartbaß 16’ transmittiert
18. Gedecktbaß 8’ transmittiert
19. Oktavbaß 4’ transmittiert
20. Oktav 2’ transmittiert
Koppeln und Spielhilfen
1. Manual-Koppel
2. Pedal-Koppel I als Knopf und
Tritt
3. Pedal-Koppel II
4. 1 freie Kombination als Tritt
5. Generalcrescendo als Walze
6. Walze ab als Tritt
7. Handregister ab als Druckknopf
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8. Tutti als Tritt
9. Pedalregister ab als Tritt
10. Tremolo für das II. Manual als
Taste
11. Schwelltritt für das II. Manual
12. Zeiger für Generalcrescendo
13. Voltmeter
14.Schalter Dynamo Batterie
Im Aufbau war diese
Orgel unserer heutigen,
neuen Orgel durchaus
ähnlich: mit zwei Manualen, einem Schwellwerk und eigenständigem Pedal.
Besonders die vielen
Spielhilfen und die Register im Pedal sind
Kennzeichen der romantischen Orgelbauweise.
Andererseits
zeugen
die vielen hohen Register von einem für damalige
Verhältnisse
sehr modernen Stil.
Der Motor war, wie zu
der Zeit üblich, im Turm
untergebracht und ist
dort auch noch zu finden in einer mit alten
Zeitungen ausgepolsterten Holzkiste.
Kirchenraum von St. Willibrord in den 30er Jahren.
Nach dem Krieg wurde
die Kirche in mühevoller Arbeit wieder aufgebaut. Seit 1949 können die
Gottesdienste wieder in St. Willibrord stattfinden. In diesen Jahrzehnten
gab es eine Reihe verschiedener elektronischer Orgeln, zuletzt eine zweimanualige Orgel von dem Orgelbauer Adolf Michel, der ein Mitglied unserer Gemeinde ist. Bei diesem Instrument fiel in den letzten Jahren
manchmal ein halbes Manual oder auch ein ganzes Register aus, und
Herr Gebert war mit der Zeit der einzige, der mit dem überaus sensibel
gewordenen Instrument noch umgehen konnte und wusste, welche Tasten er betätigen durfte und welche besser nicht. Dies – es sei an dieser
Stelle einmal ausdrücklich gesagt – beherrschte er allerdings so meisterhaft, dass viele noch bis zuletzt stark an der Notwendigkeit einer neuen
Orgel zweifelten!
Astrid Sachs
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Erklärungen zu Fachbegriffen aus dem Orgelbau
Abstrakte
Hauchdünne, schmale Holzstreifen, mit deren Hilfe die Tastenbewegung auf das Ventil an der Orgelpfeife übertragen wird.
Disposition
Zusammenstellung der Register einer Orgel.
Fuß ’
Längenmaßeinheit (ca. 30cm), gibt gleichzeitig auch die Oktavlage der
Pfeifen an. 8' ist die Tonlage, in der auch die Note geschrieben ist.
4' Pfeifen klingen eine Oktave höher, 16' Pfeifen eine Oktave tiefer.
Gedackt
Register, dessen Pfeifen am oberen Ende verschlossen sind und dadurch eine Oktave tiefer klingen als gleichlange offene Pfeifen.
Hauptwerk
Intonation
Umfasst die dem ersten Manual zugeordneten Register.
Legt den endgültigen Klangcharakter der Pfeifen fest. Sie erfolgt nach
dem Aufbau der Orgel unter Berücksichtigung der Akustik des Raumes.
Koppeln
Damit können die Register eines Manuals einem anderen zugeschaltet
werden.
Manual
Eine Reihe Tasten für die Hände; unsere Orgel besitzt zwei Manuale
(die größte Orgel hat sieben Manuale); durch verschiedene Manuale
ist ein rascher Wechsel zwischen verschiedenen Klangfarben möglich,
aber auch gleichzeitiges Spiel, d.h. eine Melodie kann besonders hervorgehoben werden.
Mixtur
Ein Register, das sich aus mehreren Pfeifenreihen zusammensetzt, die
in Oktaven und Quinten gestimmt sind.
Pedal
Principal
Prospekt
Prospektpfeifen
Register
Tastatur für die Füße.
Offene, zylindrische Pfeife. Grundregister der Orgel.
Orgelfassade
Sichtbare Pfeifen im Orgelprospekt.
Eine Reihe Pfeifen gleicher Klangfarbe (für jede Taste eine Pfeife);
durch Registerzüge neben dem Manual ein- und ausschaltbar.
Schleife
Gemeinsame Ventile für ein Register in Form einer Lochleiste, die den
Wind zur Pfeife absperrt oder freigibt.
Schweller
Ein mit Jalousien versehener Holzkasten um eine Registergruppe herum ermöglicht eine Abstufung der Lautstärke.
Schwellwerk
Alle im Schwellkasten stehenden Register; bei uns alle Register des
zweiten Manuals.
Traktur
Mechanische Verbindung von der Taste zu den Tonventilen (Tontraktur) bzw. Vorrichtung zum Bewegen der Schleifen (Registertraktur).
Tremulant
Vorrichtung, die den Luftstrom zu den Pfeifen und damit die Töne in
Schwingung versetzt, entspricht dem Vibrato anderer Instrumente.
Windlade
Windführender Holzkasten, auf dem die Orgelpfeifen stehen.
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Die Geschichte der Orgelbaufirma Schmid
in Kaufbeuren
Die Orgelbaufirma Schmid Kaufbeuren wurde 1955 von meinem Vater,
Orgelbaumeister Gerhard Schmid (geboren am 12. Dezember 1925, gestorben am 9. September 2004) gegründet.
Sie gehörte in der Zeit der Orgelbewegung zu den führenden Werkstätten
in Süddeutschland .
Nach drei Jahren der Betriebsgründung baute mein Vater die Orgel der
Wieskirche als mechanische Orgel neu, mit 42 Registern und drei Manualen in dieser Zeit ein absolutes Novum, die meisten Orgelbauer bauten
damals noch elektrische Kegelladen oder Taschenladen.
Urkunde zum 50jährigen Betriebsjubiläum bei der Orgelbaufirma Schmid für Heinz Biemann (mitte).
links: Orgelbaumeister Gunnar Schmid; rechts: Herr Klauer, Chef der Kaufbeurer Handwerkskammer.
Weitere Werke folgten, wie die Orgel in der Dominikanerkirche Landshut
1965 (78 Register, fünf Manuale), bei der nachgewiesen wurde, dass fünf
Manuale technisch und mechanisch möglich sind und die Orgeln der Basilika Altötting, der Maria-Hilfkirche in München und der Pfarrkirche in Neu- 22 -
ötting. Diese heute z.T. nicht mehr ganz „zeitgemäßen“ Orgeln erregten
bei ihrer Erbauung weitreichendes Interesse und Begeisterung.
Viele kleinere und größere Orgeln konnten in den über 50 Jahren des Bestehens der Firma gebaut werden. Diese verrichten seit langer Zeit oft ohne Ausreinigung und Überholung ihren Dienst und tragen klanglich die
Handschrift ihres Erbauers. Insgesamt wurden in den 50 Jahren des Bestehens der Firma über 200 Orgel neugebaut, und ca. 150 Orgeln restauriert und umgebaut. In Zeiten großer Auslastung (um 1978) waren 42 Mitarbeiter angestellt.
Der letzte Neubau wurde im Jahr 1998 gebaut, eine Orgel mit 15 Registern und zwei Manualen in Germaringen bei Kaufbeuren. Danach wurden
hauptsächlich Reinigungen, Restaurierungen und Reparaturen ausgeführt.
Mein Vater setzte sich verstärkt in den letzten zehn Jahren unentgeltlich
dafür ein, dass Orgeln, die abgebaut oder ersetzt wurden, einen neuen
Standort fanden (und nicht einfach entsorgt wurden). Ungefähr zehn Orgeln fanden so in den östlichen Ländern, dem Baltikum und in Russland
eine neue Heimat.
Die größte Orgel dieser Art (74 Register, vier Manuale, erbaut durch Fa.
Kuhn 1955) kam vom Basler Münster in die katholische Bischofskathedrale nach Moskau. Die Fertigstellung dieser Arbeiten erlebte Gerhard
Schmid nicht mehr, er starb an den Folgen eines Sturzes von dieser Orgel
mit 79 Jahren.
Die Orgelbaufirma Schmid
wurde von mir, Gunnar
Schmid,
Orgelbaumeister,
nach dem Tod meines Vaters
übernommen. Im Jahr 2006
sind wir aus der alten Werkstatt in Kaufbeuren ausgezogen und in die ehemalige
Filiale in Westendorf bei
Kaufbeuren eingezogen.
Die neue Werkstatt ist mit eiBelegschaft der Orgelbaufirma Gunnar Schmid.
nem modernen Maschinenpark und ausreichend Platz für die anfallenden Arbeiten ausgestattet. In
den nächsten Jahren sind Möglichkeiten für eine Erweiterung vorhanden.
Gunnar Schmid, Orgelbaumeister
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„Töne, die aufhorchen lassen“
bei Orgelweihe in St. Willibrord
Pressebericht in „Christen heute“, Februar 2007
Ein sehr seltenes Ereignis erlebte die Münchner Gemeinde am
16. Dezember 2006, dem dritten Adventssonntag mit dem bezeichnenden
Namen „Gaudete – Freut Euch“: Im Beisein von Vertretern aus der Ökumene (rumänisch-orthodoxe, anglikanische und römisch-katholische Kirche) weihte Dekan Pfarrer Harald Klein die neue Pfeifenorgel aus der
Werkstatt des Kaufbeurer Orgelbauers Gunnar Schmid in einem Festgottesdienst feierlich ein. In seiner Festpredigt unterschied Pfarrer Klein zwischen den vielen alltäglichen Tönen, die man geradezu überhören muss,
um vernünftig leben zu können, und denen, die aufhorchen lassen. Zu
letzteren zählen die Töne einer Orgel, die immer wieder vom Zusammenhang des Lebens mit Gott erzählen.
Pfarrer Siegfried Thuringer erinnerte in seinem Grußwort an den mühsamen, fast genau fünfjährigen Weg, der schließlich in diesem lang ersehnten Tag gipfelte. […]
Der mit Spannung erwartete Festgottesdienst wurde vom Posaunenchor
der ev.-luth. Magdalenenkirche in Eching sowie von einem Projektchor der
Gemeinde St. Willibrord mitgestaltet. Nach der eigentlichen Orgelweihe
nach der Predigt erklang die Orgel zum ersten Mal in einem Gottesdienst
mit dem Präludium G-Dur von J.S. Bach, das in den Gemeindegesang
„Lobe den Herren“ mündete. Damit war programmatisch die Aufgabe der
Orgel umschrieben: Lobpreis Gottes im Orgelspiel ohne Worte und in der
Begleitung des Gemeindegesangs mit Worten.
Der Orgelsachverständige Pater Stefan Kling beglückwünschte in seinem
Grußwort die Gemeinde zu ihrem (verfrühten) Weihnachtsgeschenk und
bekräftigte noch einmal, was schon die Verfechter des Orgelprojektes von
Anfang an wussten: Man sollte nicht immer nur auf Zahlen schauen, sondern auch darauf, dass ein Orgelprojekt eine Gemeinde näher zusammen
bringt. Er bedankte sich auch dafür, dass die Gemeinde einem jungen und
noch unbekannten Orgelbauer in einer schwierigen Situation weitergeholfen hat, und ermutigte sie weiterzusparen, denn die Orgel sei auf sein Anraten hin so konzipiert, dass sie jederzeit noch um drei Register erweitert
werden kann.
Nach einem Stehempfang im Döllingersaal, bei dem sich sogar ehemalige
Gegner einer Pfeifenorgel mit strahlendem Gesicht für eine Pfeifenpatenschaft entschieden, fand sich die Gemeinde noch einmal in der Kirche ein,
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wo der Orgelbauer die Register und Klangfarben seines Instruments einzeln vorstellte. Zum krönenden Abschluss dieses Festtages präsentierte
Pater Kling gemeinsam mit dem Kantor Andreas d´Orfey in einem sehr
abwechslungsreichen Konzert die reichhaltigen Möglichkeiten der Orgel.
Astrid und Michael Sachs
Holzwurm
Ein Holzwurm lebte unentdeckt
Auf einer Orgel im Prospekt,
mit Blick auf Orgel und auf Chor;
schön wie im Himmel kam`s ihm vor.
Doch waren da noch Organisten,
die Sonntags stets, als gute Christen,
gar wacker die Register zogen,
so dass sich oft die Balken bogen.
Und drückten sie dann das Pedal,
kam dessen Wirkung jedesmal
in des besagten Holzwurms Reich
so quasi einem Beben gleich:
Das Mehl fiel dann in großen Quanten
Zurück auf seinen Fabrikanten,
weshalb er bald auf Schritt und Tritt
an chronischer Bronchitis litt,
wozu ein Hustenreiz gehörte,
(der allerdings kaum jemand störte).
Der Zustand wurde, wie er war,
im Lauf der Zeiten unhaltbar.
Und so verließ mit schwerem Herzen
der Holzwurm Weihrauchduft und Kerzen
und machte sich aus seinem Staube.
Drauf hieß es prompt: „Ihm fehlt der Glaube!“
Alex Grendelmeier
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Folgende Mitarbeiter der Orgelbaufirma Gunnar Schmid
waren beim Bau der Orgel beteiligt:
Disposition und Entwurf:
CAD-Konstruktion:
Metallpfeifen und Vorintonation:
Orgelaufbau und Intonation:
Gehäuse und Windladen:
Windladen:
Mechanik und Aufbau:
Beratung:
Orgelbaumeister Gunnar Schmid
Orgelbaumeister Peter Rauh
Heinz Biemann
Ludwig Hefele und Gunnar Schmid
Schreinermeister Georg Dolezal
Orgelbaumeister Martin Engelke
Raphael Rader, Julia Möller, Klaus Hirdina
Pater Stefan Kling und Prof. Dr. Hans Musch
Weitere Informationen zur Orgelbaufirma Gunnar Schmid finden Sie unter:
http://www.orgel bau-schmid. de/
Impressum und Adressen
Herausgeber:
Alt-Katholische Kirchengemeinde St. Willibrord
Pfarramt
Adalbertstraße 32
80799 München
Kirche St. Willibrord
Blumenstraße 36
80331 München
Pfarrer Siegfried J. Thuringer
Tel:
(0 89) 39 34 33
Fax:
(0 89) 39 12 54
Email: [email protected]
Weitere Informationen finden Sie im Internet unter:
http://muenchen. alt-katholi sch.de/
Bildbeschreibungen
Bildcollage auf Seite 2:
oben: Organist Manfred Gebert an der neuen Gunnar-Schmid-Orgel
mitte: Impressionen von der neuen Gunnar-Schmid-Orgel
unten: Kirchenraum von St. Willibrord
Bildcollage auf Seite 27:
oben: Orgelbauer Gunnar Schmid in seiner Werkstatt
unten: Organist Manfred Gebert beim Festgottesdienst
Werkstatt der Orgelbaufirma Gunnar Schmid
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Orgelspiel
Die Orgel tönt i n feierli chen Klä ngen
Nur hohen Dingen ist ihr Schall geweiht.
Sie stimmt das Herz zu heil'gen Lobgesängen,
Sie fühlet mit den M enschen Freud und Leid,
Sie tönt der frohen Bra ut am Hochaltare
Und klagt mit den B etrübten a n der Bahre.
Sie klingt dem Ki nd auf seinem ersten Gange,
Sie tönt zur weihevollen Fei erstund’,
Wenn am Altar b ei festlichem Gesange
Erneuert wird der Taufe heil’ ger B und Und trägt die Seel e in das Reich des Schönen,
Wo in verklärtem Ton die Weisen tönen.
O Orgelton, du herrli chster von allen,
Dein Kla ng ist uns ein Lied i n höh'rem Chor.
Wo du erklingst, da lauscht in Gottes Hallen
Der Zauber macht der Töne unser Ohr.
Was süß und ba ng die tiefe Brust durchziehet,
Beim Or gelton in heil’ ger Flamme glühet.
Hermann Klein
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