Theodor Storm: Der Schimmelreiter Eine

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Theodor Storm: Der Schimmelreiter Eine
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Storm-Porträt aus der Mappe von Alex Eckener, 1939
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Theodor Storm:
Der Schimmelreiter
Eine kommentierte Leseausgabe
Herausgegeben
und erläutert von
Gerd Eversberg
Mit den
Radierungen von
Alex Eckener
Erich Schmidt Verlag
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Weitere Informationen zu diesem Titel finden Sie im Internet unter
ESV.info/978 3 503 15572 9
Der Text folgt der ersten Buchausgabe: „Der Schimmelreiter. / ———— / Novelle / von / Theodor Storm. / Berlin. / Verlag von Gebrüder Paetel. / 1888“ (mit der Widmung: „Meinem Sohn / Ernst Storm, / Rechtsanwalt
und Notar / in Husum / zugeeignet“). Die „Druckfehler-Berichtigung“
(S. 223) wurde eingearbeitet. Die erste Buchausgabe weist eine ungleiche
Schreibweise von „anderen“ auf; diese Uneinheitlichkeit wurde beibehalten. Einige andere wechselnden Schreibungen wurden ­vereinheitlicht
und offensichtliche Druckfehler sowie Versehen Storms korrigiert.
Der Text wurde unter Beibehaltung des Lautstandes, der Groß- und
Kleinschreibung, der Getrennt- und Zusammenschreibung sowie der
Zeichensetzung den Regeln der reformierten Rechtschreibung angepasst. Die Reihenfolge von Komma und Anführungszeichen wurde heutiger Gepflogenheit angeglichen.
Über sämtliche Texteingriffe gibt die historisch-kritische Edition Auskunft, die – herausgegeben von Gerd Eversberg – unter dem Titel „Der
Schimmelreiter. Novelle von Theodor Storm“ 2014 im Erich Schmidt
Verlag, Berlin erschien.
Gedrucktes Werk: ISBN 978 3 503 15572 9
Alle Rechte vorbehalten
© Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG,
Berlin 2015, www.ESV.info
Dieses Papier erfüllt die Frankfurter Forderungen der Deutschen
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der Alterungsbeständigkeit und entspricht sowohl den strengen
­Bestimmungen der US Norm Ansi/Niso Z 39.48-1992 als auch
der ISO-Norm 9706.
Satz: Tozman Satz & Grafik, Berlin
Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen
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Titelblatt der Mappe von Alex Eckener, 1939
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Titelblatt der ersten Buchausgabe
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Vorwort
Der Deichgraf Hauke Haien verkörpert für viele den Widerstand der Menschen an der Westküste Schleswig-Holsteins
gegen die ständigen Angriffe der Nordsee. Sein neues Deichprofil und sein Scheitern werden seit dem Erscheinen von
Storms Novelle „Der Schimmelreiter“ (1888) bis heute glorifiziert. Das Bild von Hauke Haien hat sich von seinem literarischen Vorbild längst gelöst und ist zur kollektiven Vorstellung
einer Kulturgemeinschaft geworden, die in ihm eine regionale
Sagengestalt erkennen will. Der Charakter, den man seit mehr
als einhundert Jahren auf ihn projiziert, schillert zwischen
dem Bild einer charismatischen Führergestalt und eines faustischen Übermenschen, zwischen genialem Schöpfertum und
tragischem Scheitern.
Storms Erfolgsnovelle wird seit hundert Jahren im Deutschunterricht gelesen und findet unter Literaturinteressierten
viele Freunde. Für pädagogische Zwecke ist es erforderlich,
dass ein vor 125 Jahren erstmals veröffentlichter Text kommentiert wird, um heutigen Lesern unbekannte Namen und
Begriffe, Bilder und Redewendungen zu erläutern. Anders ist
es bei Lesern, die sich für Texte des poetischen Realismus
des 19. Jahrhunderts interessieren. Sie möchten wissen, wo
der Schimmelreiter entlang ritt, und nacherleben, wo und wie
Storms bekannteste Gestalt gelebt und gewirkt hat. Kaum
eine andere literarische Figur hat sich in den Köpfen der Leser so realistisch eingeprägt wie Storms „Schimmelreiter“. Die
Landschaft an der Küste Nordfrieslands ist ohne den Deichbaumeister Hauke Haien und ohne den Spuk des gespenstischen Reiters für viele nicht mehr vorstellbar.
Auf solche Interessen geht der Kommentar dieser Leseausgabe ein; die von Storm während der Niederschrift vorgestellten
Regionen Nordfrieslands und die von ihm beschriebenen historischen Ereignisse werden Schritt für Schritt erläutert. Die
Sturmfluten und der dramatische Kampf der Marschbauern
für den Erhalt ihrer Köge vom späten 15. bis in die Mitte des
18. Jahrhunderts bilden den Zeithintergrund der Novelle.
Storm inszenierte die Novellenhandlung in erfundenen Räumen, in denen er Personen auftreten lässt, deren Vorbilder
aus der Geschichte Nordfrieslands stammen. Die Handlungsorte: den Hattstedter Neuen Koog, den Deichgrafenhof, das
Geestdorf mit seinem Krug, der Kirche und dem Friedhof sowie das Gasthaus am Deich hat Storm bis ins Detail der Wirklichkeit nachgebildet, aber zugleich nach erzähllogischen Notwendigkeiten zu einem neuen Gesamtbild zusammengefügt.
Theodor Storm (geboren 1817 in Husum) war schon früh mit
Fragen des Deichbaus und der Verwaltung von Kögen vertraut, da sein Vater „Deichbandcommittirter“ war und die
Südermarsch verwaltete, einen Koog südlich von Husum.
Als Rechtsanwalt nahm er in Vertretung seines Vaters in den
1840er Jahren selber juristische Deichangelegenheiten wahr.
Nachdem er sich zu Beginn des Jahres 1885 entschlossen hatte, aus einer Gespenstergeschichte vom Schimmelreiter eine
Novelle zu formen, in der er die Geschichte des Deichbaus an
der Westküste Schleswig-Holsteins darstellen wollte, vertiefte er sich in ein gründliches Quellenstudium und suchte bei
Fachleuten Rat. Storm benutzte für sein Projekt mehr als 50
Quellentexte, darunter regionale Chroniken, Texte zum Deichrecht und zur Technik des Deichbaus, Landesbeschreibungen
sowie volkskundliche und literarische Werke.
Der Autor hat seine Hauptfigur, den Bauernsohn und späteren
Deichgrafen Hauke Haien, nach dem Vorbild einer Reihe von
tatkräftigen Männern gestaltet, von deren Vorzügen er gelesen hat oder denen er persönlich begegnet ist. Mit der Niederschrift der Novelle begann er im Juli 1887. Storms schwere
Magenkrankheit bestimmte ihn, gegen den drohenden Tod
anzuschreiben; im Herbst begann er mit der Reinschrift und
konnte die Novelle Ende Januar fertig stellen. Am 9. Februar
1888 schickte er das Manuskript an den Verlag. „Der Schimmelreiter“ erschien im April und Mai 1888 in zwei Teilen in
der literarischen Zeitschrift „Deutsche Rundschau“. Bereits
Mitte Mai las der Dichter die Korrekturen der Buchausgabe
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und fügte zum besseren Verständnis Worterklärungen „Für
binnenländische Leser“ hinzu. Anfang Juni unterschrieb er
den Verlagsvertrag für die Buchausgabe, die im Herbst 1888
ausgeliefert wurde. Theodor Storm starb im Alter von knapp
71 Jahren am 4. Juli 1888 in Hademarschen und erlebte das
Erscheinen der ersten Buchausgabe nicht mehr.
Nach einer zunächst zögerlichen Aufnahme wurde das Buch
zu einem Bestseller und erreichte in zwei Ausgaben bis zum
Ende des deutschen Kaiserreichs je 30 Auflagen; insgesamt
wurden ca. 60.000 Exemplare verkauft. Nach der Aufhebung
des Autorenschutzes im Jahre 1917 erschienen immer mehr
Einzelausgaben von Storms Erzählungen; der „Schimmelreiter“ wurde bald zur meistgelesenen Novelle Storms. In fast
jeder Auswahlausgabe der Novellen ist dieser Text enthalten
und bald wurde er auch beliebte Schullektüre. Der Text wurde
in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Die Literaturwissenschaft hat in den 1990er Jahren verstärkt
auf die Erzählstruktur der Novelle geachtet und sieht die Bedeutung vor allem in der Mehrdeutigkeit des Textes, der dem
Leser unterschiedliche Sichtweisen auf Hauke Haien und seine Welt ermöglicht. Storm gibt keine eindeutige Erklärung für
das, was sein Held tut und erleidet, er lässt aber eine Vielzahl
von Erzählern über Ereignisse sprechen, deren Authentizität
an keiner Stelle verbürgt ist. Der Erzählvorgang selbst ist für
die gesamte Novellistik Storms bedeutsam; Erzählen und Erinnern werden zu zentralen Mitteln seiner realistischen Darstellung. Dadurch erreicht der Autor eine Nähe zum mündlichen Erzählen.
In der kunstvoll geschachtelten Rahmenerzählung werden
die Ereignisse um den Deichgrafen Hauke Haien von drei Erzählern mitgeteilt. In einem äußeren Rahmen berichtet der
namenlose Erzähler von seiner Jugendzeit, in der er auf die
Geschichte vom gespenstischen Reiter beim Durchblättern
von Zeitschriften gestoßen sein will; der Erzähler beschreibt
die Erinnerung an die Lektüre aber so, als ob es sich um
eine mündliche Erzählung gehandelt habe. Er lässt nun diese Ereignisse von einem Reisenden erzählen, dem beim Ritt
über den Deich bei einer Sturmflut ein Gespenst erscheint.
In einem Gasthof entfaltet erst der dritte Erzähler, ein alter
Schul­meister, die Geschichte von Hauke Haien als mündlichen
Bericht.
Bei einer so vielgestaltigen Erzähltechnik vermischen sich die
erfundenen Szenen und Ereignisse mit geografischen Orten
und historischen Begebenheiten. Das Mittel, um den Leser
schließlich über das aus verschiedenen Perspektiven erzählte
Geschehen im Unklaren zu lassen, ist die Fiktion des mündlichen Erzählens. Sie eröffnet unterschiedliche, ja konträre Deutungsmöglichkeiten. Der Kommentar will auf solche Beziehungen aufmerksam machen und dem Leser helfen, die Frage nach
der Ursache von Hauke Haiens Untergang zu beantworten.
An den fortlaufenden Kommentar schließen sich sechs Kapitel
an, in denen detailliert über Entstehung und Nachwirkung der
Novelle Auskunft gegeben wird. Grundlagen dieser ­Darstellung
bilden die langjährigen Forschungsarbeiten des Verfassers.
Der Leseausgabe sind Illustrationen des aus Flensburg stammenden Malers und Grafikers Alex Eckener (1870–1944) beigegeben, die dieser um das Jahr 1938 für eine geplante illustrierte Ausgabe des „Schimmelreiters“ geschaffen hat. Auch
über dieses Projekt informiert der Anhang.
Eine Liste der im Kommentar und im Anhang verwendeten
Abkürzungen befindet sich vor dem Literaturverzeichnis auf
S. 210. Dort werden auch die Abkürzungen aufgelöst, mit
denen die Zitate aus Briefbänden und aus anderer Literatur
notiert sind.
Die Abbildungen in diesem Buch stammen, soweit nicht anders angegeben, aus dem Storm-Archiv, H
­ usum. Für die Erlaubnis, weitere Dokumente abzubilden, danken wir den genannten Personen und Institutionen.
Ein Dank für die freundliche Unterstützung gilt Frau
Dr. Kornelia Küchmeister, die den Storm-Nachlass in der
Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek, Kiel betreut,
­
und der Bibliothekarin den Storm-Archivs, Husum, Frau Elke
­Jacobsen.
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Inhaltsverzeichnis
Theodor Storm: Der Schimmelreiter
Text und Kommentar................................ 11
Anhang
Textüberlieferung.................................................................. 133
Entstehungsgeschichte.......................................................... 138
Dokumente zur Arbeit am „Schimmelreiter“...................... 164
Die Geographie der Novelle und ihr Personal..................... 175
Aufnahme und Nachwirkungen............................................ 193
Zu den Illustrationen von Alex Eckener............................... 199
Verzeichnis der Abkürzungen............................................... 210
Literaturverzeichnis.............................................................. 211
Widmung der ersten Buchausgabe und Druckfehler-Verzeichnis
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