Partystimmung auf Pekings PS

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Partystimmung auf Pekings PS
SPIEGEL ONLINE - Druckversion - Auto China: Partystimmung...
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21. April 2008, 13:02 Uhr
AUTO CHINA
Partystimmung auf Pekings PS-Schau
Aus Peking berichtet Tom Grünweg
Visa-Schikanen, Tibet-Proteste, Olympia-Diskussion: Immer wieder ist China in den
vergangenen Wochen in die Kritik geraten. Bei der größten Automesse des Landes ist
davon nichts zu spüren. Auf der "Auto China" herrscht Partylaune, die deutschen Hersteller
sind ganz vorne dabei.
Noch vor ein paar Tagen sah es so aus, als müsste die Auto China weitgehend ohne ausländische
Gäste über die Bühne gehen. Wo immer man nachfragte, gab es Probleme mit den Visa und der
Einreise. Und je öfter der olympische Fackellauf ins Stocken geriet, desto länger zog sich die
Bearbeitungszeit in den Konsulaten hin.
Doch seit die Messe öffnete, ist aller Ärger offenbar vergessen. Auf der Motorshow wimmelt es von
Besuchern aus Europa und den USA. Getrübt wird die Stimmung allenfalls von stundenlangen
Staus bei der Anfahrt, dem Chaos bei der Akkreditierung und löchrigen Dächern, durch die es auf
die neuen Autos tropft.
Politische Diskussionen zwischen den glitzernden Neuwagen will hier keiner führen. Es geht ums
Geschäft. Und das läuft für die Branche derzeit nirgends besser als in China. Insbesondere gilt das
für die deutschen Hersteller: VW dominiert als meistverkaufte Marke den Massenmarkt, Audi, BMW
und Mercedes trumpfen bei den Oberklassemodellen auf. Die Repräsentanten dieser Firmen wählen
deshalb ihre Worte mit Vorsicht oder schweigen, wenn kritischer nachgefragt wird.
Keine politischen Statements, dafür viel PR-Tamtam
Das heißt allerdings nicht, dass die deutschen Hersteller in Peking leise auftreten. Im Gegenteil:
Für ihre Neuheiten trommeln sie lauter denn je. Schließlich feiern mit dem Audi Q5 und dem
Mercedes GLK erstmals zwei völlig neue Baureihen aus Deutschland in China Weltpremiere.
Den PR-Zirkus inszenierten die beiden Konkurrenten schon am Vorabend der Messe: Mercedes
enthüllte den GLK ungewöhnlich unspektakulär in einem Gartenzelt vor einem Finanzzentrum weit
außerhalb der Innenstadt.
Audi hingegen ließ richtig auffahren: Mehrere hundert Gäste erlebten im Foyer eines gewaltigen
Bürokomplexes im Pekinger Zentrum eine gut halbstündige Show nach dem James-Bond-Motto
"Die Welt ist nicht genug". Das PR-Brimborium war derartig inszeniert, so dass der neue Q5 im
Moment der Enthüllung beinahe übersehen wurde.
Das hat auch einen politischen Hintergrund. Die VW-Marken müssen schon aus Höflichkeit
reichlich Vorstände chinesischer Partnerunternehmen auf die Bühne bitten. Außerdem sind die
Ingolstädter die erfolgreichste Luxusmarke in China – und der Q5 soll das Geschäft weiter
befeuern. Schließlich soll der Geländewagen sogar in China gefertigt werden.
Jeder siebte VW geht nach China
China ist der wichtigste Markt für die Autobauer aus Wolfsburg. Jedes siebte Fahrzeug des
Konzerns werde im Reich der Mitte verkauft, sagt Statthalter Ulrich Vahland. Vorstand Martin
Winterkorn verspricht nach einem Plus von 32 Prozent im vergangenen Jahr weiteres Wachstum.
Statt 917.000 Autos will er in diesem Jahr mindestens eine Million Fahrzeuge absetzen. Das
Angebot wird daher noch besser auf den chinesischen Kundengeschmack zugeschnitten.
Winterkorn zog das Tuch deshalb von gleich zwei neuen VW-Modellen, die in diesem Geist
entstanden sind. Die eine Premiere ist die Limousine Lavida aus dem Werk von Shanghai
Volkswagen, das erste komplett in China entwickelte VW-Modell. Der Wagen hat etwa das Format
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des Passat. Die andere Premiere ist der etwas kompaktere New Bora, der von FAW montiert wird
und etwa soviel Charme hat wie hierzulande der Jetta. In China gilt das Stufenheckmodell als
Traum jeder Kleinfamilie.
Winterkorn zumindest macht ein paar vorsichtige politische Bemerkungen. Der Konzern ist
Sponsor der Olympischen Spiele und so nimmt der VW-Chef höflich, diplomatisch und
unverbindlich als einziger auf der ganzen Messe vor Publikum zur aktuellen Diskussion Stellung,
lobt den olympischen Geist und wünscht sich, dass die "chinesischen Partner die Chancen
ergreifen", die sich daraus für die Völkerverständigung ergebe.
Den Chinesen ist die Klimadiskussion egal
Das war es dann aber auch mit der Zivilcourage. Zwei Hallen weiter zeigt Porsche als Krönung der
Cayenne-Baureihe den neuen Turbo S, dessen aufgeladenen V8-Motor die Ingenieure auf
monströse 550 PS getunt haben. Die Markteinführung des "stärksten Cayenne aller Zeiten" ist in
Deutschland für August geplant, die Preise beginnen bei 132.774 Euro.
Dass der Wagen ausgerechnet in Peking präsentiert wird, hat drei Gründe. Erstens würden gerade
auf den neuen Märkten die besonders starken Modellvarianten verlangt, sagt Porsche. Zweitens
sind 80 Prozent der immerhin 4200 chinesischen Porsche-Kunden des letzten Jahres
Cayenne-Fahrer. Und drittens hätte der rasende Klimasünder in Europa wohl zu viel Gegenwind
bekommen. Der Turbo S schluckt im Schnitt 14,9 Liter.
Natürlich kennt und schätzt man die deutschen Hersteller in China vor allem für ihre
Luxuslimousinen und für die großen Geländewagen. "Doch registrieren wir auch bei den
Besserverdienern ein wachsendes Interesse an kleinen Fahrzeugen", sagt Mercedes-Chef Dieter
Zetsche.
Als Konsequenz soll ab 2009 der Smart in China verkauft werden. Weil der Winzling in den USA gut
ankommt, soll der Zweisitzer nun auch den Fernen Osten aufrollen. Die Chancen dafür stehen nach
Einschätzung von Vertriebschef Klaus Meier nicht schlecht: "Schließlich entsteht in China derzeit
alle zehn Monate eine Stadt von der Größe New Yorks."
Das Bild ist imposant, aber unnötig. Wer einmal quer durch Peking zur Messe musste, der begreift
während der stundenlangen Stop-and-Go-Fahrerei auf jeden Fall, dass hier Kleinwagen eine große
Zukunft haben werden. Dass es den Smart als schlechtes Plagiat in China längst zu kaufen gibt,
ficht Daimler nicht an. Meier: "Nachdem die Chinesen mit ihrer Kopie nach Europa drängen,
bringen wir ihnen jetzt das Original."
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