bühne - engels
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n be ie le W ir w n le ol w Februar 2016 T AT BL UG FL www.engels-kultur.de „Werther“ | R: Mirja Biel | Kammerspiele Bonn | Foto: Thilo Beu Das MeinungsMagazin Suicide-Commander Werther THEATER Theater am Rhein im Februar BÜHNE Grunge meets Goethe Semiotik Orchester Szenografie FigurenführungOper Handlung Schauspiel Choreografie Performativität Postdramatik Philharmonie Tanz Inszenierung Avantgarde Kabarett Independent Soufflage Klang Rampe Improvisation Szenografie Klang Soufflage Improvisation Crossover Handlu Improvisation Independent Semiotik Rampe Crossover Naturalismus RequisitenBläsersatzVorhang Figurenführung Rampe Handlung Soufflage Figurenführung Finaler Akt Bläsersatz Independent Klang Rhythmik Ram Improvisation Choreografie RhythmikChoreografie Independent Finaler AktImprovisation Handlung Vorhang RampeRhythmik Bläsersatz Choreografie Soufflage Soufflage Szenografie Improvisation Szenografie Figurenführung Klang Semiotik SoufflageVorhang Rhythmik Vorhang Figurenführung Finaler Akt Szenografie Stimme Naturalismus Rampe equisiten Improvisation Rampe Rampe Rhythmik Klang Dialogregie Stimme Vorhang Soufflage Naturalismus Klang Naturalismus Szenografie Independent Finaler Akt Independent Stimme Dialogregie Stimme Soufflage Crossover Figurenführung Crossover Szenografie RampeRhythmik Choreografie Figurenführung Stimme Rampe Rhytmik Vorhang Handlung Independent Choreografie Soufflage Requisiten Klang Semiotik Soufflage Naturalismus ufflage Improvisation Variété Objekttheater Festival Dramaturgie Musiktheater bühnE Premiere Handlung BÜHNEN IN NRW Kritik, Interviews und Links Köln – choices.de Düsseldorf – biograph.de Ruhrgebiet – trailer-ruhr.de Wuppertal – engels-kultur.de mein hen Lesezeic Das MeinungsMagazin Wuppertalengels-kultur.de TH Februar 2016 TS NA MO ES eit A D te z EM gu www.engels-kultur.de Se it e 5 Das MeinungsMagazin Europa gestalten. EMMA WATSON DANIEL BRÜHL MICHAEL NYQVIST ES GIBT KEIN ZURÜCK EIN FILM VON OSCAR-GEWINNER FLORIAN GALLENBERGER www.coloniadignidad.de COLONIA DIGNIDAD wppt : kommunikation WSW ERDGAS GRÜN Klima schonen leicht gemacht Mit WSW Erdgas Grün machen Sie Ihren Erdgasverbrauch klimaneutral. Ein kleiner Umweltbeitrag auf den normalen Bezugspreis ermöglicht den CO2-Ausgleich auf Gold-Niveau. Werden auch Sie zum Klimaschützer. www.wsw-online.de/erdgasgruen -kultur.de Foto: Birgit Hupfeld engels-Thema. 5 GUTE ZEIT Phänomen Crowdfunding: Hype oder Zukunft? Kino. Kunst. 15 Film des Monats „The Hateful Eight“ 25 kunst & gut „Herzklopfen“ im Von der Heydt-Museum 16 Film-Kritik 6 Themeninterview Helwig Fenner ist Projektmanager beim Berliner Verein 17 Roter Teppich Mein Grundeinkommen e.V. Vicky Krieps über „Colonia Dignidad“, 7 Zum Thema ihre Theatererfahrungen Zahlreiche Projekte können auf Gut-fuer-Wuppertal.de und Philip Seymour Hoffman unterstützt werden / Pragmatismus im Altruismus propagiert William MacAskill 19 Hintergrund Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter: „Colonia Dignidad - Es gibt kein Zurück“ choices.de/thema und trailer-ruhr.de/thema 21 Foyer - Doku „How to Change the World“ über die Entstehung von Greenpeace in der Reihe „Offstream“ 26 Kunstwandel Das Frauenmuseum Bonn zeigt eine Ausstellung gegen Gewalt an Frauen 27 Kunstkalender NRW Musik. 8 Kultur in NRW. Museum Kunstpalast 22 Klassik am Rhein Orgelklänge und Gesang dominieren das Jahr in Köln Bühne. 9 Auftritt Stef Lernous inszeniert „Lulu. Eine Mörderballade“ in Oberhausen Mehr Meinung. Service. Hintergrund. – In NRW. empfehlen | weitersagen | kommentieren Alle Texte. Ihre Stimme. Filmkritik im FORUM. überregional 23 Kompakt Disk CD-Empfehlungen des Monats 10 Theater am Rhein Mirja Biel inszeniert „Werther“ in Bonn 10 Tanz in NRW Die 5. Biennale der Tanzausbildung engels spezial. 11 Premiere - Futur3 zeigt „Der unbekannte Nachbar“ in Köln 12 Oper in NRW „Tosca“ in Gelsenkirchen 4 Intro – „Coole Cruiser“ 28 engelszungen Musical in NRW „Spamalot“ in Bochum und „Der Fluch von Königswinter“ auf Kölsch 13 Nahaufnahme - Lars Henning 14 Prolog - Utopiastadt und andere Kulturtipps 23 Textwelten Alexander Kluges „Kongs große Stunde“ 31 Impressum 22 Improvisierte Musik in NRW Gitarrenlegende Ritenour in Bonn und Bochum 24 ComicKultur Comic-Empfehlungen des Monats Heute schon digitale Fingerabdrücke hinterlassen? engelsKultur 26 Kunst in NRW Agnes Martin in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf Wortwahl Buch-Empfehlungen des Monats BÜHNE 30 Zuletzt gelacht – die Cartoon-Seite 14 Theater in NRW Bundestheaterpreis für zwei NRW-Bühnen Literatur. 29 Auswahl – im Februar Veranstaltungs-Empfehlungen des Monats Tanz in NRW KINO Film des Monats 10 „The Hateful Eight“ 15 MUSIK Lesen Sie mehr auf www.engels-kultur.de! Dieses Icon zeigt Ihnen den Weg. Klassik am Rhein KUNST Foto: Glockendz at German Wikipedia 22 Kunst und Gut Foto: Von der Heydt-Museum 25 -kultur.de Februar 2016 Erhabener Moment, Foto: Maxi Braun engels + engels-kultur.de Coole Cruiser Im Doppelpack mehr Service, Meinung und Hintergrund Thema 6 Gute Zeit Seit September 2014 verlost der Berliner Verein Mein Grundeinkommen e.V. bedingungslose Grundeinkommen. Wir sprechen mit Projektmanager Helwig Fenner über die zugrundeliegende Crowdfunding-Kampagne und fragen, ob finanzielle Grundsicherheit faul oder frei macht. Henning Fenner Thema Foto: Mein Grundeinkommen www.trailer-ruhr.de/thema Gute Zeit Der Leiter des Teams „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ und NRW-Fachpromotor für Klima und Entwicklung bei Germanwatch spricht über die Trendwende im Klima- und Umweltschutz, Projekte und Maßnahmen, die jeder von uns umsetzen kann. Stefan Rostock Theater Foto: Stefan Arme 11 Premiere Das Sterben verläuft heute für viele Menschen einsam und anonym. Mit der Trilogie „Der unbekannte Nachbar“ (ab 29.1.) erzählt Futur3 vom modernen Tod samt dem, was er nach sich zieht. Wir sprachen mit Regisseur André Erlen. André Erlen Film Foto: Thomas Morsch 17 Roter Teppich Vicky Krieps wandelt souverän zwischen den Kulturen wie nur wenige. Nun spielt sie in dem zum Teil in Südamerika entstandenen TatsachenThriller „Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“ ein Mitglied der gleichnamigen Sekte der Pinochet-Ära. Vicky Krieps Alle drei Jahre wird die PKW-Flotte der Wuppertaler Polizei ausgetauscht – Verschleiß und so. Karl Malden und Michael Douglas in den Straßen von Oberbarmen. Den Zuschlag hat diesmal BMW bekommen. Ich fahre selbst auch einen BMW, der hat einen Charakter, als wäre HAL 9000 in KIT gefahren. Quasi Wahnsinn in low-tech. Aufzuschließen ist mein kleiner Dreier, Baujahr 1995, nur von der Beifahrerseite, die Temperaturanzeige behauptet beharrlich -37 Grad und manchmal hat er keine Lust, überhaupt anzuspringen. Dafür war er letztens vor lauter Motivation gar nicht mehr zu stoppen: Während der Fahrt konnte ich den Schlüssel aus der Zündung ziehen und lässig weiter cruisen. Trotzdem möchte ich meinen flotten Irren nicht missen und freue mich jetzt schon auf unsere nächsten 300.000 Kilometer. Die positiven Seiten versuchen wir der Welt auch mit unserem Thema GUTE ZEIT abzugewinnen. Wir zeigen euch gelungene Crowdfunding-Kampagnen für soziales Engagement und fragen Helwig Fenner von Mein Grundeinkommen e.V., warum der Verein bedingungslose Grundeinkommen verlost und wie überraschend sinnvoll die Gewinner das geschenkte Geld nutzen. Alles kann man mit Geld aber nicht kaufen, z.B. die Unsterblichkeit. Mit dem modernen Sterben, das für viele Menschen einsam und anonym verläuft, beschäftigt sich das Kölner Theater-Kollektiv FUTUR3 in der Trilogie „Der unbekannte Nachbar“. Wir sprechen mit Regisseur André Erlen über das Projekt. Das pralle, dreckige Leben inszeniert Stef Lernous mit LULU. EINE MÖDERDERBALLADE am Theater Oberhausen, wo Laura Angelina Palacios als Lulu frontalnackt in der Bühnenvariante einer blutigen Dauererektion brilliert. Grunge und Goethe bzw. Werther und Kurt Cobain verbindet Mirja Biels Inszenierung der Leiden des jungen WERTHER am Theater Bonn. Düstere Schwermut durchzieht auch die Gemälde des Wuppertaler Malers LARS HENNING, den wir in unserer Nahaufnahme vorstellen. Ordentlich Blut pumpt die Ausstellung HERZKLOPFEN im Von-der-HeydtMuseum dann wieder durch unsere Adern. Rund 60 bedeutende Werke, u.a. von Monet, Munch, Bacon, Picasso oder Neo Rauch sind dort zu sehen. Die Double-Feature-Ausstellung 1 IN 3, mit der das Bonner Frauenmuseum Gewalt an Frauen thematisiert, ist nicht nur aktuell, sondern macht auch richtig wütend. Mit Rachegelüsten beschäftigt sich Quentin Tarantino ausnahmsweise nicht, dafür aber mit Hass. Dank dialogischem und physischem Gemetzel im Ultra Panavision 70mm-Breitbildformat ist THE HATEFUL EIGHT unser Film des Monats. Drastisch ist auch „Colonia Dignidad“, in dem es um die gleichnamige, christliche Sekte aus Deutschland geht, die im Chile der Pinochet-Ära gewütet hat. Wir treffen „Zimmermädchen Lynn“ VICKY KRIEPS, die hier die Ursel spielt und schon mit Philipp Seymour Hoffman drehte, zum Interview. Die Kurve zurück zu meinem eingangs erwähnten Auto kriege ich jetzt ohnehin nicht mehr elegant, daher schlicht: Gute Fahrt durch den Februar. Maxi Braun 4 thema Cartoon: Polo Crowdfunding: Geld von Freunden Tausende Menschen unterstützen soziale Projekte über das Netz Ein Finanzierungskonzept verändert die Welt. einer Band, hinter der noch kein finanzkräftiges Das ist platt gesagt, trifft aber auf Crowdfun- Musiklabel steht. Die Musiker bieten Specials an, ding durchaus zu. Vor gut zehn Jahren hat sich vom Poster über eine signierte CD bis zu perder Begriff zum ersten Mal in der Weltöffent- sönlichen Songaufnahmen oder Live-Konzerten, lichkeit eingeprägt. Heute greifen immer mehr die die Fans nach ihrem Geldeinsatz bekommen. Je höher der Einsatz, Menschen darauf zuengels-Thema im Februar: desto besser wird die rück, wenn sie Geld für Belohnung für den ihre Ideen brauchen, Stifter. Und am Ende und immer mehr MenSchlechte Nachrichten gibt es genug. Wir berichten, kann der Künstler sein schen unterstützen was gut läuft: Positive Entwicklungen in Tunesien, Mutmacher-Projekte aus dem Ruhrgebiet und erfolgreiche Album veröffentliProjekte über CrowdCrowdfunding-Kampagnen für soziales Engagement. chen, weil die Fans funding. Wie das StaLesen Sie weitere Artikel zum Thema auch in: dafür quasi in Vorleitistikportal Statista stung gegangen sind. herausgefunden haCrowdfunding veränben will, sind die Zahlen auch in Deutschland zuletzt exorbitant in die dert aber nicht nur die Welt. In manchen BeHöhe geschnellt. Während laut Statista Anfang reichen verbessert es sie sogar. Nämlich dann, 2011 erst noch ein Kapital von 80.000 Euro ein- wenn soziale Projekte für Unterstützung wergesammelt wurde, stieg die Summe bis Frühjahr ben. Neben den Crowdfunding-Portalen der 2014 auf 2,84 Millionen Euro, dem bisherigen ersten Stunde wie Crowdfunding.de, Startnext. Höchststand in unserem Land. Bis Anfang 2015 com oder Seedmatch.de sprossen Internetseiten pendelten sich die Zahlen auf 2,2 bis 2,4 Millio- aus dem digitalen Boden, die sich ausschließlich nen Euro ein. Forscher der Uni Cambridge wol- auf die Finanzierung von sozialen oder ökololen sogar herausgefunden haben, dass 2014 in gischen Projekten stützen. Deutschland 140 Millionen Euro in „alternative Für die Verbesserung der Umwelt stehen die Projekte der Seite Bettervest.com. „Die erste Finanzierungstransaktionen“ geflossen seien. Ob 2,8 oder 140 Millionen Euro – erstaunlich Crowdinvesting-Plattform, auf der du in Enerist beides allemal. Was macht Crowdfunding so gieeffizienzprojekte von Unternehmen, Sozialaussichtsreich? Vermutlich ist es das einfache trägern, Vereinen und Kommunen investieren System. Jemand stellt eine Idee auf einer Inter- kannst und dafür an den erzielten Einsparungen netseite vor, und Menschen, denen diese Idee beteiligt wirst“, schreiben die Macher auf der gefällt, geben dafür per Mausklick Geld. Wird die Internetseite. Dort kann man sein Geld zum vorgegebene Marke erreicht, geht das Geld in den Beispiel in Solar-Home-Systems für kenianische Besitz der Macher über. Schwarmfinanzierung Familien stecken. Versprochen wird eine Rendite wird das auf Deutsch genannt. Möglicherweise von 6 Prozent bei vier Jahren Laufzeit. Die CO²liegt der Erfolg aber auch darin, dass die Finan- Ersparnis wird ebenfalls angezeigt: Der Ausstoß zierer so direkten Draht zu etwas bekommen, von rund 140 Tonnen des klimaschädlichen Kohdas anschließend auch nach ihrem Geschmack lendioxids soll dadurch verhindert werden. 226 entwickelt oder hergestellt wird. Ein einfaches Investoren stifteten bislang 157.100 Euro, Stand Beispiel ist das neue Album eines Musikers oder Mitte Januar. Finanziert wurden bereits Block- GUTE ZEIT Thema im März: FRAUENLEBEN 5 Zeit für Sie? Gute [email protected] Wir freuen uns auf Post. heizkraftwerke, LED-Beleuchtungen oder mobile Solarkraftwerke. Die Spenden und die Rendite sollen sicher über neutrale Treuhänder fließen. „Gemeinsam Wunder bewirken“ ist das Motto der Erfinder von Betterplace.org, die sich seit 2006 ausschließlich auf die Finanzierung von sozialen Projekten fokussieren. Topthemen, in denen Projekte unterstützt werden können, sind aktuell die Flüchtlingshilfe, die Kältehilfe für Obdachlose, Kinderhilfe, Nothilfe in Syrien, Tierschutz, Afrikahilfe oder Konzepte rund ums Thema Trinkwasser. Wer hier Geld springen lässt, tut das allerdings ohne Aussicht auf Rendite, sondern weil er einfach helfen will. Laut eigenen Angaben ist Betterplace.org die „größte deutsche Spendenplattform“. Sie versprechen, dass „Spender miterleben, was ihr Geld bewirkt“. Denn das Crowdfunding hat – wenn alles mit rechten Dingen läuft – einen gewaltigen Vorteil. Das Geld fließt sofort lokal in eine bestimmte Maßnahme. Wer also möchte, dass eine Kindergartengruppe im Stadtteil neues Spielzeug bekommt, kann direkt dafür spenden. Wer möchte, dass Flüchtlinge in der Stadt in Deutschkursen die neue Sprache lernen, kann das unterstützen. Das führt dazu, dass sich Menschen vermehrt das ganze Jahr über für soziale Projekte einsetzen – und nicht nur einmal im Jahr, zur Weihnachtszeit, wenn man beseelt vom ganzen persönlichen Glück das Portemonnaie bei der ARD-Spendengala aufmacht oder an den S.O.S.Kinderdorf-Ständen in bundesdeutschen Innenstädten, weil man „jetzt auch mal was zurückgeben möchte“, um sein Gewissen zu beruhigen. Florian Schmitz Aktiv im Thema www.mein-grundeinkommen.de www.gut-fuer-wuppertal.de www.betterplace.org www.bettervest.com Wie gleichberechtigt ist unsere Gesellschaft? thema „Grundeinkommen ist ein Menschenrecht“ Optimistisch in die Zukunft marschiert, Foto: Dorija Apple Parsley Helwig Fenner über das bedingungslose Grundeinkommen engels: Herr Fenner, warum wird die Welt durch und immer wenn 12.000 Euro voll sind, wird ein Jahr des Grundeinkommens verlost – unter allen, bedingungslose Grundeinkommen verbessert? Helwig Fenner: Zuletzt hat sich Telekom-Chef die sich auf unserer Webseite angemeldet haben. Timotheus Höttges öffentlich für ein bedingungs- Der Gewinner bekommt entsprechend 1000 Euro loses Grundeinkommen ausgesprochen. Ange- monatlich für ein Jahr. Man muss keinen Einsatz sichts der Digitalisierung und Automatisierung leisten oder selber spenden, um zu gewinnen. unserer Arbeitswelt werden viele Jobs überflüssig. Arbeitskräfte werden freigesetzt. De facto kann Wie viele Menschen wurden bislang ausgelost? heute nicht mehr jeder Mensch arbeiten. Daraus Bislang haben wir 25 Grundeinkommen verlost, stellt sich die Frage, was in unserer Arbeitswelt das 26. ist bereits finanziert und wird noch vergepassiert. Sollen alle Arbeitslosengeld kassieren? ben. Wir haben also schon mehr als 300.000 Euro Oder ändern wir unsere Gesellschaft, die sowieso bei der Kampagne eingesammelt. auf Kosten der globalen Gemeinschaft und der Welt lebt, durch „Das bedingungslose Grund- Kann wirklich jeder mitmaeinkommen schafft die chen? unsere Konsumwirtschaft? Das Freiheit, Nein zu sagen“ Jeder Mensch. Wir sagen, bedingungslose Grundeinkommen Grundeinkommen ist ein Menist eine mögliche Antwort auf diese veränderten Verhältnisse. Denn es stellt die schenrecht. Das bedeutet, ob Kind, ob Rentner, Existenz sicher. Auf dieser Grundlage kann ich mir ob arm, ob reich, egal woher du kommst – du als Mensch die Frage stellen, was ich überhaupt kannst teilnehmen. Einzige Voraussetzung ist die Anmeldung per Internet. Unser Grundeinkommen machen möchte. ist bedingungslos, das heißt, wir verlangen keine Das Grundeinkommen führt zu einer gewissen Gegenleistung. Es wird einfach ausgezahlt. Freiheit. Wofür sorgt das bei den Menschen? Es schafft vor allem die Freiheit, Nein zu sagen. Der Gewinner bekommt also jeden Monat 1000 Wenn du existentiell abgesichert bist, kannst du Euro einfach aufs Konto. auch mal ein Jobangebot ablehnen, das dir nicht Genau, es ist als Gewinnspiel sogar steuerfrei. Klar, passt. Dann kannst du auch mal veränderte Ar- wer Hartz IV bezieht, muss das Geld anrechnen beitsbedingungen ablehnen, wenn du weißt, dass lassen. Aber das wäre vielleicht auch ein Vorteil, du abgesichert bist. Du kannst Dinge tun, von wenn man nicht mehr zum Jobcenter rennen muss denen du überzeugt bist, und nicht, Dinge tun zu und irgendwelche Dinge tun muss, die das Jobcenmüssen, die man von dir verlangt. Du bist also we- ter verlangt. Stattdessen kann ich diese Freiheit genießen. niger von außen bestimmt. Diese Selbstbestimmung hat also weniger mit Faulheit zu tun, als Kritiker des Grundeinkommens behaupten. Klar gibt es diese Befürchtung, dass Menschen, die ein Grundeinkommen erhalten, sich einfach in die Hängematte legen. Unsere Erfahrungen widerlegen das. Fast alle arbeiten das weiter, was sie vorher gemacht haben. Sie arbeiten auch nicht weniger. Es gibt einen, der seinen Job im Callcenter gekündigt hat, der ihn krank gemacht hat. Jetzt hat er angefangen, Pädagogik zu studieren und somit das zu tun, was ihn wirklich interessiert. Haben Sie Kontakt zu den bisherigen Gewinnern? Zu diesen 25 Menschen haben wir persönlichen Kontakt, ja. Natürlich variierend, mal mehr, mal weniger eng, mal mit langen, mal mit kurzen Geschichten dahinter. Aber die meisten verspüren eine Dankbarkeit gegenüber den Spendern, so dass sie auch mitteilen, wie es ihnen mit dem Geld geht. Das gehört natürlich auch zum Zweck unseres Projekts, dass wir nicht nur reden, sondern auch machen und die Erfahrungen teilen. Damit wir einen Praxistest haben. Bei Ihrem Verein Mein Grundeinkommen e.V. kann man ein Grundeinkommen gewinnen. Wie funktioniert das System? Mein Grundeinkommen ist eine CrowdfundingKampagne. Wir sammeln Geld von Spendern ein Was für Menschen sind das denn? Das ist querbeet. Es gibt eine Rentnerin, Studierende, Arbeitslose, Männer, Frauen - wir haben sogar drei Kinder, die gewonnen haben. Auch jemanden aus dem besser verdienenden Segment. Einen Mil- Gründen grüne Unternehmerinnen anders? 6 lionär haben wir aber noch nicht als Gewinner gehabt. Die Motive an der Teilnahme sind unterschiedlich. Viele unterstützen uns dauerhaft. Viele finden das Thema spannend und melden sich an. Im Kern sind aber alle bereit, etwas in den Topf zu geben, von dem ja höchstwahrscheinlich jemand anderes profitieren wird. Was fangen die bisherigen Gewinner zum Beispiel mit ihrem Grundeinkommen an? Ganz unterschiedlich. Wir haben zum Beispiel einen Gewinner, der jahrelang auf Sparflamme gelebt hat und jeden Cent vom Mund absparen musste. Da gibt es natürlich einen gewissen Nachholbedarf an Konsum; mal einen Fernseher kaufen, mal eine Reise machen, mal ausgehen. Es gibt aber auch Menschen, die das Geld sofort wieder in andere gemeinnützige Projekte stecken. Ein Familienvater aus Baden-Württemberg hat für die Kinder der Nachbarschaft einen 3D-Drucker gekauft. Fast alle Spenden regelmäßig wieder zurück in unseren Topf. Das ist herausragend. Was geben die Teilnehmer denn am meisten vorab als Wünsche an? Die meisten wollen tatsächlich gesünder leben. Sich weiterbilden. Etwas Neues anfangen. Die Selbstständigkeit wagen. Solche Dinge. Unsere Gewinner bestätigen, dass sie jetzt gesünder essen und entspannter leben. Wir haben einen besonders eindrucksvollen Fall, wie ich finde: Bei einem chronisch Kranken mit zuvor hohen Entzündungswerten sind die Werte innerhalb von sieben Wochen nach der ersten Überweisung auf Normalmaß zurückgegangen. Das ist erstaunlich – nur durch weniger Stress und der finanziellen Sicherheit. Interview: Florian Schmitz Lesen Sie die Langfassung unter: www.engels-kultur.de/thema ZUR PERSON Der studierte Geologe und Soziologe Helwig Fenner (38) ist Projektmanager beim Berliner Verein Mein Grundeinkommen e.V. Foto: Mein Grundeinkommen Gibt es weibliche Beschneidung auch in Deutschland? thema Luftschlösser bauen, Foto: Benni Klemann Genug Gutes zu tun Zahlreiche Projekte können auf Gut-fuer-Wuppertal.de unterstützt werden Das ist ein beeindruckender Start: Am 8. Dezember 2015 ist die Webseite Gut-fuer-Wuppertal. de online gegangen. Knapp einen Monat später melden die Betreiber, dass mehr als 130.000 Euro an 94 verschiedene lokale Projekte gespendet worden sind, die auf der Seite vorgestellt werden und unterstützt werden können. Die Gut. org aus Berlin ist Initiator der neuen Seite – eine gemeinnützige Aktiengesellschaft, die auch die laut eigenen Angaben größte deutsche Spendenplattform Betterplace.org betreibt. Ziel der regionalen Plattform ist es, regionale Projekte und gebefreudige Spender zueinander zu bringen, „um gemeinsam das Leben in unserer Stadt zu verbessern“, wie es auf der Webseite heißt. Das Crowdfunding-System der Seite ist schnell zu verstehen: In Kacheloptik werden zahlreiche Wuppertaler Projekte angezeigt, die Unterstützung brauchen und sich zuvor auf der Webseite angemeldet haben. Alles ist transparent: Die Zahl der bisherigen Spender, wieviel Prozent bereits finanziert wurden, und welche Summe noch fehlt, bis das Projekt verwirklicht werden kann. Klickt man ein Projekt an, das einem gefällt, und das man fördern möchte, bekommt man mehr Informationen. Und man kann sich gleich über das Internet als Spender betätigen. Nur noch die Kontodaten ausfüllen und die SEPA-Einzugsermächtigung wählen, und schon ist der nächste Baustein für eine Initiative finanziert. Spenden sind aber auch per Kreditkarte, per PayPal oder Giropay möglich. Die Ausrichtung der Initiativen, die sich bei Gutfuer-Wuppertal.de um Spenden bewerben, ist vielschichtig. Viele Initiativen haben mit Kinder- und Jugendarbeit zu tun: Die Schule am Nordpark zum Beispiel will iPads für Schüler mit geistiger Behinderung anschaffen, fast die Hälfte ist bereits finanziert (Stand Mitte Dezember). Oder das Kinder- und Jugendtheater, das nicht nur Aufführungen gibt, sondern auch junge Nachwuchs-Schauspieler mitmachen lässt, und neue Stühle braucht. Von den 14.000 angepeilten Euro sind schon mehr als die Hälfte vorgestreckt. Die neue Generation der Weltenretter Pragmatismus im Altruismus propagiert Oxfords jüngster Professor William MacAskill Man kann die Welt auch anders denken. Positiver. Einfach ist es schließlich, die Schwachstellen unserer Zeit zu benennen. Da wären zum Beispiel die Sozialen Medien: Die einen nützen sie zur Organisation extremistischer Gewalt, anderen dienen sie zur Streuung menschenverachtender Polemik und wieder andere werden durch sie zu CO-2 produzierenden Fernreisen animiert. Oder die globalisierte Wirtschaft: Motor für Steuerflucht und Spekulation, Anreiz zur Ausbeutung von Arbeitskräften hier und Auslöser von Massenarbeitslosigkeit dort. Doch unsere Welt ist a priori weder gut noch schlecht. Es kommt vielmehr darauf an, wie wir sie gestalten. Das sagt der jüngste Professor der englischen Traditionsuniversität Oxford: der Philosoph William MacAskill (28). Er findet: Die Globalisierung hat den westlichen Gesellschaften eine enorme Macht gegeben. Hundertmal so reich wie ein Entwicklungslandbewohner ist heute ein Deutscher oder Brite im Durchschnitt, rechnet MacAskill vor. Im Umkehrschluss bedeutet das: Jeder von uns hat die Möglichkeit, mit seinem Geld am anderen Ende der Wohlstandsschere enorm viel Gutes zu bewegen. Mehr noch: Unsere auf Effizienz getrimmte, weltweit vernetzte Gesellschaft gibt den Weg vor, mit dem sich mit dem geringstmöglichen Einsatz der größtmögliche Nutzen in der Armutsbekämpfung erzielen lässt. Wenn wir also in unserem Willen, Gutes zu tun, eher wie Unternehmensberater und nicht so sehr wie Heilsbringer agieren, werden wir die Welt zum besseren verändern, ist der Brite überzeugt. Altruism meets Business Efficiency. Da ist es kaum ein Zufall, dass sich MacAskill auf seiner Homepage auch mit Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und dessen kürzlich angekündigter Großspende (99 % des Vermögens im Laufe des Lebens) auseinandersetzt. Zwar kann man sich fragen, was das eigentlich für eine Welt ist, in der jemand mit einem digitalen Poesiealbum zu einem der reichsten Männer des Planeten werden kann. Man kann aber eben auch den Nutzen sehen, den Zuckerbergs Milliarden ohne Zweifel 7 Bereits 2014 hat der CVJM Bundeshöhe eine nur aus Spenden finanzierte Ausbildungsstelle für einen Koch geschaffen. Um die Stelle für drei Jahre zu finanzieren, benötigt der Verein 35.000 Euro. 9.000 Euro davon fehlen noch, die der CVJM nun über Gut-fuer-Wuppertal.de einspielen möchte. Bislang spendeten elf Menschen für 22 Prozent der Summe – da geht also noch was. Mit der Infrastruktur der Stadt haben andere Spendenaufrufe zu tun. Die Freifunker wollen freies WLAN für alle installieren, der Verein Bergische Museumsbahnen möchte eine alte Straßenbahn wieder fahren lassen, und die Hauptschule Barmen soll eine Verschönerung ihres Schulhofes bekommen. Laut Gunther Wölfges, dem Vorsitzenden des Vorstands der Stadtsparkasse, kommen die Spenden vollständig den Initiativen und Projekten zugute. Die Stadtsparkasse beteiligt sich an den Kosten der Webseite, um sie zu unterstützen. Florian Schmitz BLICK NACH EUROPA bringen werden. MacAskill jedenfalls regt an, dem Vorbild Zuckerbergs zu folgen und spendet 50 Prozent seines Einkommens für wohltätige Zwecke. Auf Lebenszeit. Mehr noch: Er hat das Projekt „80.000 Hours“ ins Leben gerufen, in dem er dazu aufruft, seine Lebensarbeitszeit (im Durchschnitt 80.000 Stunden) so zu planen, dass der Weltgemeinschaft größtmöglicher Nutzen entsteht. Auch sein Buch „Doing Good Better“ erfährt weltweites Kritikerlob. Jugendliche Naivität sollte man MacAskill also nicht vorwerfen. Der Oxford-Professor hat außerdem als Sprachlehrer in Äthiopien gesehen, dass pragmatische Lösungen oftmals viel mehr erreichen als gutgemeinte Ratschläge. Einer seiner Philosophieprofessoren antwortete einmal auf die Frage, was seine Lehre denn konkret bewirkt habe: Ein Student habe Blut gespendet. William MacAskill hat die Gewissheit, schon viel mehr bewegt zu haben. David Fleschen Kulturzentrum Ehrenhof | Düsseldorf HIGHLIGHTS SPOT ON JAZZ ROBERT-SCHUMANN-SAAL Das neue Düsseldorfer Jazzfestival So, 31.1.2016, 17 Uhr AL C O V ZZ JA Klavierduo Sara Koch & Karla Haltenwanger „Lieben Sie Brahms?“ Werke von Johannes Brahms präsentiert an zwei Flügeln © Susanne Diesner So, 21.2.2016, 17 Uhr Nils Mönkemeyer Viola und Ensemble © Irène Zadel „Barroco Español“ Kompositionen zwischen Barock und Klassik von Soler, di Murcia, Boccherini, Corelli u. a. Der ECHO-Preisträger ist einer der international erfolgreichsten Bratschisten. So, 24.4.2016, 17 Uhr Schumann Quartett Albrecht Mayer Oboe Fr, 11.3. – So, 13.3.2016 Jazz - Schmiede und Robert - Schumann - Saal Karten an vielen VVK-Stellen, T 0211 274000 oder www.robert-schumann-saal.de © Felix Broede So, 6.3.2016, 17 Uhr Michael Mendl Rezitation Trio Amanti della Musica „Anaconda“ Geschichten von Horacio Quiroga über Liebe, Irrsinn und Tod mit Musik der Klassik, Romantik und Jazzkompositionen Abb. : Soleil Niklasson; Thomassen Design nach einem Foto von Rolf Schiehuber GREETJE KAUFFELD SOLEIL NIKLASSON TOBIAS CHRISTL TAMARA LUKASHEVA THEO BLECKMANN SABINE KÜHLICH u. a. Der Star-Oboist der Berliner Philharmoniker im Quintett Mit Werken von Dvořák, Mozart und Bax © Frank P. Wartenberg So, 10.4.2016, 17 Uhr Original & Fälschung? Engstfeld/Weiss-Quartett Franziska Früh Violine Thomas Hell Klavier Highlights der Violinliteratur einmal klassisch, einmal verjazzt Moderation: Dr. Wolfram Goertz (RP) © Robert Eikelpoth Karten an vielen VVK-Stellen, T 0211 274000 oder robert-schumann-saal.de Unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Thomas Geisel 8 auftritt Theater? Mein [email protected] Wir freuen uns auf Post. Zuletzt in London verdreckt und bitterarm, aber wenigstens eine Lulu mit Hemdchen, Foto: Birgit Hupfeld Es gibt kein Leben vor der Fleischerei Nackt und bloß? Von wegen. „Lulu. Eine Mörderballade“ in der Oberhausener Inszenierung des Belgiers Stef Lernous Vor den dreckigen, blutbeschmierten Fliesen lauern die Hunde auf ein paar Knochen. Die Tore der Hölle sind weit geöffnet, heraus strömen die Dark Angels der Nacht. Partytime im Theater Oberhausen. Die belgische Regie-Avantgarde hat das Haus übernommen und in eine abgefuckte Fleischerei verwandelt. Hier wird, so scheint es, Frank Wedekinds „Lulu. Tragödie in 5 Aufzügen mit einem Prolog“ direkt aus den Köpfen der damaligen perversen bürgerlichen Scheinmoralisten auf die Bühne gesendet. Noch ducken sich dort alle Hunde unter den Äxten der Kopfschlächter, doch ein paar Fleischfetzen werden schon übrig bleiben. Regisseur Stef Lernous, mit eigenem Schlachthof-Theater im belgischen Mechelen, ist bekannt dafür, niemanden verhungern zu lassen. Objekt der Begierde ist die junge Lulu, nackt, aufreizend schön. Schnell wissen die Hunde nicht wohin mit ihren Trieben, das wahre, wilde, geile Tier macht mit ihnen, was sie will, der erste Zuhälter/Vater Shig (immer präsent und ständig gesangsstark: Susanne Burkhard) schlägt Kapital daraus – mit dünner Rechtfertigung in einem Song von Martyn Jacques von den britischen Tiger Lilies, die auch ihre eigene „Mörderballade nach Wedekind“ 2014 bei den Opera North Projects in Leeds uraufgeführt haben. Eine Oper ist das Auftragswerk beileibe nicht, nennen wir es lieber blutige Dauer-Erektion mit 18 JazzKlezmerBluesStücken, deren Text die Wedekind-Geschichte verkürzt (mit deutscher Übertitelung) transportieren, aber darum geht es natürlich auch nicht. Lernous interessiert einzig und allein Lulu, das außerordentliche, getriebene Trieb-Wesen, das kämpft, liebt, mordet, heiratet und doch immer auf der Suche nach dem nächsten Ausweg ist. Seit Rammstein wissen wir, dass der Wahnsinn nur eine schmale Brücke ist, in Oberhausen wurden dafür ganze Rampen zwischen Vernunft und Trieb gebaut. Shunning (groß: Michael Witte, eher Hunne als Wedekinds Chefredakteur) holt Lulu Lachgas schmauchend aus dem Milieu und verkuppelt sie mit dem perversen Medizinalrat Dr. Goll (groß: Torsten Bauer als bunte Version von Dr. Frank N. Furter), der wiederum schickt sie zu dem Künstler Schwartz (Elke Weinreich), der sie manisch portraitiert, ihr genaues und aufs Wesentliche reduzierte Abbild (wie könnte es anders sein: natürlich Gustave Courbets 9 „Ursprung der Welt“) wie einen Stagediver durch das Publikum schickt (und das funktioniert auch!), ihr verfällt, von ihr verführt, was Frank N. Furters Herz versagen lässt, bevor er per Künstlerselbstmord als zweite Leiche oben in der Fleischerei landet. Die Pforten der Hölle sind immer noch offen, die teils feuchten bis atemlosen Bilder die Lernous mit seinem Regie-Stab und den singenden Schauspielern da liefert, sind grandios, kommen wir endlich zu Lulu. Nackt und bloß steht, liegt, rennt sie da über die Bühne. Doch wie Laura Angelina Palacios das da ungezügelt und doch unaufgeregt transportiert, ist schwer zu beschreiben, so toll ist das. Sie scheint sich lustig zu machen über die Dummheit und Geilheit der Männer (die lesbische Gräfin Geschwitz war wohl irgendwie überflüssig, oder war sie Moritz Peschke als Alwa im Kleid?), und sie genießt die Dauer-Techtelmechtel wie ein hungriger Blutegel. Aber nackt und bloß? Von wegen. Die Kunst bestand eigentlich auch darin, eine quasi selbstbestimmte Lulu zu kreieren, die zwar gebraucht, missbraucht, aber nicht als Opferlamm missverstanden werden will. Und das schafft Laura Angelina Palacios frontalnackt grandios. Shunning ist der dritte Tote für die Fleischerei. Sein „Kill yourself“ war für Lulu keine Option, da muss besser „der geile Hunne“ dran glauben, auch wenn das Gefängnis heißt. Im letzten Teil (jetzt sind wir bereits in Wedekinds: „Die Büchse der Pandora“) muss Lulu nach der Befreiung und kurzem schönen Leben (Wedekind) in Paris, wieder in London anschaffen gehen, um zu überleben. Ihre Begleiter werden gemordet. Alles ist dreckig, übel, selbst die Zombie-Toten spielen jetzt lieber Schaf. So come and pray, Jack. Das Sextett unter Leitung von Otto Beatus wechselt zum Blues. Hey, Jack the Ripper, Erlöser der Hure, heaven or hell? Ja, Lulu ist tot, blutüberströmt liegt sie da und Jack putzt penibel die versiffte Schräge. Burn in hell? Ich denke nicht. „My heart belongs to Daddy, ‘cause he treats me so good“, singt die tote Lulu. Na wenn das kein Schlussplädoyer ist. Peter Ortmann „Lulu. Eine Mörderballade“ | Fr 5.2., Sa 13.2., Sa 5.3., Sa 12.3. 19.30 Uhr Theater Oberhausen | 0208 857 81 84 theater am rhein tanz in NRW „Werther“, Foto: Thilo Beu Lernen voneinander und miteinander Verblassen war nie eine Option Der Blick hinter den Spiegel Natürlich hat das einstige Leiden des Musikers Kurt Cobain irgendwie etwas von Goethes liebestollem Werther. Irgendwie bestimmt. Das war schon Tage nach seinem Tod klar. Und der Mythos seiner Pumpgun im Gartenhaus hält bis heute. Deep down inside we all got a rock ’n’ roll heart (Lou Reed). Viele im Publikum jedenfalls, doch dummerweise werden auch von denen die meisten den berühmten Klub 27 überleben, auf die eine oder andere Weise, nicht zu vergessen all die toten Menschen die nicht würdig genug waren, ihm anzugehören. Die menschliche Natur hat eben ihre Grenzen. In den Bonner Kammerspielen jedenfalls mixt man momentan Kurt Cobains Tagebücher mit Johann Wolfgang Goethes fiktiven Briefen und erhält, wie überraschend, eine zeitgenössische Interpretation des alten Geheimratsecken-Loverboys, der merkwürdigerweise auch das 27. Lebensjahr überlebte – allerdings im Gegensatz zu Werther nicht als Rechtspraktikant, sondern schon als Geheimer Legationsrat. Deshalb wurde er ja auch fünf Jahre später geadelt. Kurt nicht. Aber der war ja auch kein Europäer. Von Thomas Linden Wer vor dem Spiegel steht, hat keine Zeit ins Buch zu schauen. Und doch beginnt schon mit dem Blick in den Spiegel die Frage nach dem Selbst und dem Bild, das ich mir von der Welt mache. Die Tanzkunst bleibt stets gefangen in jenem Dilemma, dass den Körper mit seiner eindrucksvollen Konkretheit und der Trägheit das Fleisch in Konflikt mit der Reflexion und der analytischen Schärfe des kritischen Bewusstseins bringt. „Ein Bild vom Stand der möglichen Zum 5. Mal findet die Biennale Innovationen, die die Hochschulen Tanzausbildung in Deutschland heutzutage dem Nachwuchs statt und wird diesmal vom 15. zu bieten haben“ bis 22. Februar in Köln gastieren. Dass Tanzkünstler schnell der Gefahr erliegen können, in ihrer Arbeit nur noch um sich selbst zu kreisen, und die Welt da draußen für sie in Vergessenheit gerät, ist denen, die Tanz unterrichten, sehr wohl bewusst. Deshalb widmet sich die Biennale in diesem Jahr zentral dem Thema „Feedback und Reflexion“. Die Bonner Hausregisseurin Mirja Biel macht sich dennoch auf die Suche nach Parallelen der beiden wilden Geister und findet sie auch zwischen den Zeilen von Sex Pistols, Neil Young und Will Oldham. Entflammte Wesen sollen Werther und Kurt sein, „die an den Umständen, Regeln und Gepflogenheiten einer Gesellschaft zerbrechen und im selbstgewählten Tod den einzigen Ausweg sehen“, so das Theater. Naja. Allerdings ist es ein unterhaltsamer Abend, der nicht nur von den drei jungen Schauspielern lebt, auch vom schmalen Drumherum direkt hinter der Rampe. Und von den Videoeinspielungen, die meistens übergroße Portraitstudien des jeweils Betroffenen zeigen, das Theaterblut schön visualisieren und die Mimik unterstützen. Dabei haben Lotte (Johanna Falckner), Werther (Benjamin Berger) und Albert (Robert Höller) dies oftmals gar nicht nötig. Schon ihre Präsenz in der jeweiligen Rolle ist meist ausreichend. Und Neil Youngs „Hey Hey, My My“ sowieso. „It’s better to burn out than to fade away“. Ja diese Prämisse hätte unser alter Herr Geheimrat ja wohl auch gerne praktiziert, nur gab es eben damals so viel zu tun, dichten, Naturwissenschaften, Experimente, Reisen nach Italien, Farbenlehre, und weiß der Klerus, was nicht noch alles. Mirja Biel aktualisiert auch mit „Ich bin nicht Deutschland“, mit Geschlechterrollen, mit moderner hormoneller Sexualtheorie zwischen Dopamin und Testosteron und mit etwas Neoliberalismus gegen Sozialmissbrauch. Albert (Motto: „be attractive“) muss diese Thesen vertreten, als Mega-Gegenpol zum Makeup-beschmierten Grunch-Kid mit der Vorderschaftrepetierflinte. Denn der leidet und leidet und leidet. Großartig wie sich Benjamin Berger in diese Rolle gewunden hat, ebenso auch, wie Johanna Falckner, sein Wesen der Begierde, das Virus der Madonnen auf gleicher Wellenlänge verkörpert. Diese Welt zwischen dem Eisernen (Vorhang) und der Rampenkante ist klein, zu klein für sie. Lotte arrangiert sich, Werther wird zum SuicideCommander. Aber der Weg dahin war das eigentliche Ziel der Inszenierung. Die großen Hochschulen von Essen über Dresden, Berlin und Stuttgart sind selbstverständlich vertreten und dazu werden Gäste aus Europa und den USA erwartet, die ihrerseits Erfahrungen im Zusammenspiel der Künste auf dem Tanzboden einbringen. Vera Sander, die selbst am Zentrum für Zeitgenössischen Tanz in Köln unterrichtet, gibt einige der Fragen vor, die sich im Dialog mit den Studierenden aufgedrängt haben. Wie sieht die Kommunikation im Umgang zwischen meinem Körper, der Musik, dem Raum und der Zeit aus? Wie löst Wahrnehmung Bewegung aus? Wie prägt das Training die Ästhetik? Mirja Biel inszeniert „Werther“ an den Bonner Kammerspielen Peter Ortmann „Werther“ | R: Mirja Biel | Sa 30.1., Fr 12.2., Mi 16.3. 19.30 Uhr Kammerspiele Bonn | 0228 77 80 08 Die 5. Biennale der Tanzausbildung findet in NRW statt Die Probleme führen schnell zu jenen ästhetischen Nahtstellen, die heute immer wieder Thema in Tanzproduktionen sind. So wird die Rolle des Sprechens zu befragen sein. Wo funktioniert Sprache fruchtbar im Dialog mit Körper und Bewegung und wo transportiert sie nichts als die Ratlosigkeit der Choreografen. Die Biennale wird denn auch nicht an der Tatsache vorbeikommen, dass vielen aktuellen Produktionen der Blick über die eigene Horizontlinie fehlt, so dass nicht mehr die Frage gestellt wird, woher die Bewegungen kommen, die ich in meiner Arbeit benutze. Die Beschäftigung mit der Historie des modernen Tanzes gehört zu den Schwerpunkten des Biennale-Programms. Während die Arbeit während der internationalen Begegnungen zum großen Teil in Workshops geleistet wird, die den Nachwuchs auf den Stand der Forschung bringen sollen, gibt es in diesem Jahr auch zwei umfangreiche Präsentationen im Staatenhaus der Kölner Messe zu sehen. Sage und schreibe 110 Absolventen und Absolventinnen der nationalen und internationalen Tanzinstitute werden am 15. und 16. Februar jeweils ab 19.30 Uhr insgesamt 14 Choreografien präsentieren. Danach wird man sich ein Bild vom Stand der mögThomas Linden Journalist und Jurymit- lichen Innovationen machen können, die die Hochschulen glied des Kölner Kinderu. Jugendtheaterpreises heutzutage dem Nachwuchs zu bieten haben. Biennale Tanzausbildung 5 | 15.-22.2. | Köln, NRW www.biennale-tanzausbildung.de 10 premiere „Wir wissen wenig über das Sterben“ Die Kölner Gruppe Futur3 widmet sich in „Der unbekannte Nachbar“ dem anonymen Tod In der Singlegesellschaft wird auch das Sterben Urlaube und Zeichnungen von allen Kamasutraeinsam. Da können noch so viele Menschen vom Positionen gefunden, die hinter dem Bett lagen. Da Ableben im Kreis der Familie träumen – der an- war sehr viel Leben, sehr viel Energie in ihm drin, onyme Tod nimmt stetig zu. Die Gruppe Futur3 auch wenn die Wohnung eher muffig wirkte und die widmet sich in ihrer Trilogie „Der unbekannte Objekte lange nicht mehr benutzt worden sind. Das Nachbar“ der Begegnung mit dem Tod in der wirft nicht nur ein Licht auf ein einzelnes Leben, Stadt. Mit Objekten aus dem Nachlass eines sondern auch auf die Zeit der 70er Jahre. Unbekannten erzählt Futur3 im ersten Teil vom Sterben aus der Innenperspektive („Protokoll der Wie lässt sich das Sterben eines Menschen reletzten Stunden“); der zweite Teil („Das Toten- konstruieren? fest“) spielt in einem Bestattungsunternehmen, Wir haben lange überlegt, wie wir mit seinem Nain dem die Zuschauer zu Hinterbliebenen wer- men und seinen Sachen umgehen. Wir wollen unden; der dritte führt schließlich geradewegs ins sere Fundstücke erzählen lassen und mit ihrer Hilfe uns unseren Nachbarn vorzustelJenseits („Das Kabinett des Jen„Die Wohnung wird zum len versuchen. Das Dokumentaseits“). Ein Gespräch mit RegisInnenraum des Sterbenden“ rische rückt dabei etwas in den seur André Erlen. Hintergrund. Dann haben wir uns engels: Herr Erlen, wie sind Sie auf die Wohnung damit beschäftigt, wie Sterben medizinisch abläuft. Im Vergleich zur Geburt, weiß man relativ wenig eines anonym Verstorbenen gestoßen? André Erlen: Durch die Vermittlung eines Betreu- darüber. Man weiß, welche lebenswichtigen Organe ers konnten wir die Hinterlassenschaft eines Ver- wann und wieso ihre Funktion aufgeben. Aber der storbenen ohne Angehörige übernehmen. In der Gesamtablauf ist offensichtlich noch ziemlich unWohnung konnten wir nicht bleiben, weil sie be- verständlich. Es geht im ersten Teil nicht nur um reits weitervermietet war. Als Alternative bespielen den Einzelfall unseres Nachbarn, sondern um das wir jetzt eine frühere Modellwohnung für altersge- Phänomen des Ablebens, um Gedanken und Gerechtes Wohnen der GAG. Die Wohnung hat zwar fühle in diesem letzten Moment. Wir vollziehen nichts mit der 1960er-Jahre-Wohnung des Verstor- das Sterben nicht chronologisch nach. Von Innen benen zu tun, es stellt sich eher eine Altersheim- ist das Sterben vermutlich gar kein linearer Prozess. Atmosphäre ein. Doch der Kontrast des Cleanen von Wir versuchen, die Wohnung für die Zuschauer zu Heute und der Möbel von damals bringt auch eine einem Innenraum des Sterbenden werden zu lassen. andere Sichtbarkeit. In dieser Wohnung in Sülz findet Teil eins von „Der unbekannte Nachbar“ statt. Mit wem haben Sie bei der Recherche gesprochen? Wir haben mit Mitarbeitern und Bewohnern in Hospizen gesprochen, mit Bestattern, mit amtlichen Betreuern von älteren Menschen. Oder auch einer Ethnologin an der Uni, die die Todeskultur in China und Deutschland vergleicht. Das öffnet einem die Augen, wie klein unsere Welt ist. Wann spricht man vom Tod? Was bedeutet das Sterben in unterschiedlichen Kulturen? Der parareligiöse Umgang mit dem Tod wird derzeit offenbar wieder salonfähig. Es gibt eine Art Ahnenkultur oder auch eine Engelkultur. „Der unbekannte Nachbar“, Fotos: Thomas Morsch Was war dieser unbekannte Nachbar für ein Mensch? Wir haben herausbekommen, dass er wahrscheinlich an Demenz gelitten hat. Deshalb hatte er einen Betreuer. Gestorben ist er im Krankenhaus. Wir haben Hinweise auf eine Tochter und zu einer Exfrau gefunden, beide sind aber nicht mehr aufgetaucht. Seine Lebensgefährtin ist vor ihm gestorben. Er war vermutlich Vertreter und hat einen Versandhandel gehabt. Man merkt das an seinem sehr ordentlichen Arbeitsschrank. Er war unglaublich organisiert, hat seine Urlaubsreisen von A bis Z dokumentiert. Es hatte eine kleine Privatbar und eine genau beschriftete Sammlung mit Tanzmusik, als ob er ein DJ gewesen wäre. Wir haben Hinweise auf FKK- Das berührt dann eigentlich schon den dritten Teil Ihrer Trilogie, „Das Kabinett des Jenseits“? In Teil drei beschäftigen wir uns damit, wie die Hinterbliebenen glauben, mit den Toten Kontakt aufnehmen zu können oder auch nicht. Da gibt es Beispiele wie das Tonbandstimmenphänomen, das in den 70er Jahren groß war, oder das Tibetanische Totenbuch, das beschreibt, was mit der Seele nach dem Tod passiert und wie man als Überlebender ihr beim Übergang ins Nirwana helfen kann. Inspirierend war auch das Museum for Jurassic Technologies in Los Angeles, das an frühe Kuriositätenkabinette angelehnt ist. Das stand Pate für unser Kabinett im Haus Licht in Ehrenfeld, das wir eher als Installation begreifen und weniger als Performance. Und der zweite Teil? Der zweite Teil, „Das Totenfest“, findet im sogenannten Domsaal bei dem Bestatter Christof 11 ZUR PERSON André Erlen hat an der Kunstakademie Düsseldorf studiert, anschließend absolvierte er eine Schauspielausbildung am Actors’ Studio Pulheim und realisierte Produktionen mit dem polnischen Regisseur Michal Nocon. 2003 gründete er mit Stefan H. Kraft und Klaus Maria Zehe die Gruppe Futur3, die 2010 mit dem Kölner Theaterpreis für „Petersberg I“ ausgezeichnet wurde. Kuckelkorn statt, der uns auch beraten hat. Das ist der Teil des Abschieds und der Trauer. Wir stellen die Frage, wie wir überhaupt trauern, wie wir mit Verabschiedungsritualen umgehen sollen, wenn wir keinen tradierten Ablauf mehr haben, an den wir uns halten. Trauerfeiern können heute aussehen, wie sie wollen. Alles geht. Doch die Kultur des Verabschiedens verschwindet zunehmend und entwickelt sich langsam zu einer Entsorgungskultur. Wichtig ist auch, was die Verstorbenen und was die Hinterbliebenen wollen – und wer sich durchsetzt. Wir laden die Zuschauer ein, diese Hinterbliebenen zu werden. Gleichzeitig ist es ein Stück über unseren unbekannten Nachbarn, der neben uns verstorben ist. Interview: Hans-Christoph Zimmermann „Der unbekannte Nachbar“ | R: Stefan H. Kraft & André Erlen | Teil 1: 29.1.-1.2. je 17, 19 u. 21 Uhr (Grafenwerthstr. 4/Paterre, 50937 Köln) | Teil 2: 17.-19.2. 20 Uhr (Bestattungshaus Kuckelkorn, Zeughausstr. 28-38, 50667 Köln) | Teil 3: 24.-26.2. durchgehend 17-22 Uhr (Haus Licht, Lichtstraße, 50825 Köln) | 0221 985 45 30 Lesen Sie die Langfassung unter: www.choices.de/premiere oper in NRW musical in NRW Petra Schmidt und Aris Argiris als Tosca und Scarpia, Foto: Pedro Malinowski „Monty Python’s Spamalot“, Foto: Diana Küster Tosca im Schatten des Bösen Schriller geht‘s nicht Von Karsten Mark Es muss wohl am großen Charisma des griechischen Baritons Aris Argiris liegen, dass seine Regisseure ihn so gerne in den Mittelpunkt ihrer Inszenierungen rücken. In der vergangenen Saison war es der Chef des Gelsenkirchener Musiktheaters, Michael Schulz, der Argiris als Rigoletto stark in Szene setzte. So stark, dass alle anderen Figuren daneben zu verblassen drohten. Nun ist es der junge Regisseur Tobias Heyder, der Argiris enormer Bühnenpräsenz offenbar erlegen „Musikalisch wird der Opernkrimi ist. Nach dem gebrochenen sehr schlüssig und mit Hochspannung Hofnarren gibt Argiris nun auserzählt“ einen seelisch verkrüppelten Machtmenschen namens Scarpia. Beinahe ist man versucht zu glauben, so müsse wohl auch die Oper heißen, die Heyder aktuell auf die Gelsenkirchener Bühne gebracht hat. Dabei hatte Giacomo Puccini doch eine ganz andere Hauptperson im Sinn: la Tosca. Petra Schmidt singt die Diva – und erfährt von Regie und Ausstattung (Kostüme: Verena Polkowski) zunächst weit weniger Zuneigung als ihr böser Gegenspieler. Eine altbackene, unvorteilhaft ausstaffierte Matrone steht da auf der Bühne, dass man sich schon fragen kann, warum Derek Taylor als junger Maler Cavaradossi sie eigentlich so anbetet. Gesanglich hingegen setzt sich Petra Schmidt überzeugend über das Negativ-Image hinweg. Und sie zeigt eine stringente, zunehmend starke Entwicklung ihres Charakters über alle drei Akte. Immerhin hat das steife Outfit dann doch noch einen Sinn: Heyder hat die Handlung aus den Zeiten Napoleonischer Revolutionskriege ins faschistische Italien Mussolinis verlegt. Das funktioniert, auch wenn man nicht sofort darauf kommt. Andere Regieeinfälle bleiben rätselhafter: etwa das Te Deum zum Finale des ersten Aktes, das bei Heyder zu einer sexuell aufgeladenen schwarzen Messe für den Bösewicht ausartet. Die Idee ist nicht übel, leider wirkt die handwerkliche Umsetzung eher ungelenk. So sehr sich die Regie auf das Scarpia-Portrait konzentriert und einen wirklich starken Mittelakt hinbekommt, so fahrlässig lässt sie andere Szenen einfach laufen. Oft wird nebeneinander statt miteinander agiert. Besonders bei dem jungen amerikanischen Tenor Derek Taylor, der stimmlich überzeugt und auch als Darsteller Ausstrahlung besitzt, lässt sich erkennen, dass ihm Personenführung fehlt. Aris Agiris kann sich hingegen voll ausleben. Mit langen strähnigen Haaren gibt er einen schmierigen, kaputten Typen, der sich allerdings mit schöner Kunst in rauen Mengen umgibt. So gelingt eine tiefsinnige Charakterzeichnung in gewollter Widersprüchlichkeit. Exzellent ist die Leistung der Neuen Philharmonie Westfalen unter Rasmus Baumann. Mag die Bühnenhandlung auch so manche Rätsel aufgeben und nicht auflösen, musikalisch Karsten Mark Journalist mit Schwer- wird der Opernkrimi sehr schlüssig und mit Hochspannung punkt (Musik-)Theater auserzählt. Von Rolf-Ruediger Hamacher „Kann man denn so ein Musical überhaupt in Bochum aufführen?“, fragen sich nicht nur König Artus und seine Ritter der Tafelrunde. Auch das Publikum wird angesichts der bisherigen, hehren Schauspielkunst des Hauses so seine Zweifel gehabt haben, auch wenn in der letzten Spielzeit die „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ ihre erste Musical-Inszenierung am Schauspielhaus bekamen. Nun geht es noch verrückter, noch opulenter zu, im an bemalte Laubsägearbeiten erinnernden Bühnenbild von Anette Hachmann, durch das Regisseur Christian Brey sein auch mit ihren schrillen Kostümen ausgestattetes Ensemble in „Spamalot“ durchs Mittelalter reiten lässt. Und da die Bühne zu klein, der Etat zu niedrig und das Stück von der Comedy-Truppe Monty Python stammt, muss ein Kokosnüsse aneinanderschlagender Knappe reichen, um die Illusion von Pferdegetrappel zu erzeugen: eigentlich wie ein Geräuschemacher im Film. Kein Wunder, dass da auch das Stepptanz-Klacken gefaket wird und die Darsteller ihr Andrew-Lloyd-Webber-Medley (dem man so ganz nebenbei auch ein paar nicht von ihm geschrieben Musicals unterjubelt) nur pantomimisch aufführen. Allerdings mit einem spontan entstehenden „PublikumsChor“. Die kongeniale Zusammenarbeit von Regie, Choreografie (Kati Farkas), Bühnen- und Kostümbild, musikalischer Leitung (Tobias Cosler) und einem mit ausgelassener Spielfreude agierenden Ensemble, das bis in die kleinste Rolle hinein perfekt besetzt ist, lässt das Musical in Bochum endlich aus dem Schatten von „Starlight Express“ heraustreten. Da lohnt es sich doch, öfters mal die Rollschuhe gegen Kokosnüsse einzutauschen. Genauso überdreht geht es am Scala-Theater in Köln zu – natürlich auf Kölsch. „Dä Floch vun Königswinter“ folgt dem bewährten Grundrezept des Hauses: bekannte Lieder Kölner (u.a. De Höhner, Bläck Fööss) und internationaler Stars (u.a. Bonnie Tyler) zum Mitsingen, zotige Witze, aber auch herrliche WortSpielereien und politische Seitenhiebe („Pegida, das ist ein Auflauf aus faulen Eiern und weichen Birnen“). Nachdem man sich mit einem Seemanslieder-Potpourri in Stimmung gesungen hat, amüsiert man sich freibeuterisch darüber, wie Kapitän Plüschprumm (Gigi Herr) „de Fott op Grundeis jeiht“, während sie drei Tage Zeit hat, um den Fluch, der auf ihrem Schiff liegt, zu brechen. Oder wird Piratenlehrling Siggi Seestecher (Markus Dietz), der über eine Umschulung zum „Enter“-tainer nachdenkt, ihr noch einen Strich durch die Rechnung machen? Der Kölner Travestie-Star Sophie Russel schlüpft wie die meisten Ensemble-Mitglieder in mehrere Rollen. Und während Gigi Herr dem gewohnten „Improvisieren“ ein wenig zu ausgiebig nachhängt, scheint Natascha Balzat (auch in einer Doppelrolle) – die auch die musikalische Leitung innehat – langsam in ihre Fußstapfen zu treten als ungekrönte Königin des „kölschen Musicals“. Choreografin Katja Baum krönt zum Finale ihre Leistung Rolf-R. Hamacher Hochschuldozent mit einem zirkusreifen Tanz an der Stange und das enthusiund Beirat des Filmasmierte Publikum schunkelt Karneval entgegen. kritikerverbandes Tobias Heyder inszeniert Puccinis Opernkrimi in Gelsenkirchen „Tosca“ | R: Tobias Heyder | Fr 5.2., Sa 27.2., Sa 12.3. je 19.30 Uhr, So 21.2. 18 Uhr | Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen | 0209 409 72 00 „Spamalot“ und „Dä Floch vun Königswinter“ „Monty Python’s Spamalot“ | R: Christian Brey | Sa 6.2., Mi 24.2. 19.30 Uhr, So 14.2. 19 Uhr | Schauspielhaus Bochum | 0234 33 33 55 55 „Dä Floch vun Königswinter“ | Do-Sa 19.30 Uhr, So 17.30 Uhr (außer 1.-11.3.) | Scala Theater, Köln | 0221 420 75 93 12 nahaufnahme LARS HENNING thematisiert in seinen Zeichnungen und Malereien überwiegend die eher düsteren Seiten des menschlichen Daseins. Den oft schwermütig, bishin befremdlich wirkenden Motiven entgegnet er dabei jedoch oft mit intensiven, fast schrillen Farben und gelegentlicher Detailverliebtheit. Dabei tendiert der Maler oftmals zu verzerrten Perspektiven sowie einer Reduzierung auf die wesentlichen Gemütszustände der menschlichen Empfindung. Bilder und Kontakt unter: www.vinoviola.deviantart.com Foto: Benny Trapp 13 prolog theater in NRW Utopiastadt, Foto: Sven Pacher Die Intendanten Peter Carp und Kathrin Tiedemann, Fotos: Britt Schilling (l.) / Sonja Rothweiler (r.) Geld und Lametta Kunststadt an der Schwebebahn Von Hans-Christoph Zimmermann Ein „Ermutigungspreis“ soll es sein. Das klingt ein wenig nach Almosen. Als ob man es mit Erniedrigten und Beleidigten zu tun hätte, auf die nur noch schäbige Abglanz der Metropole fällt und die dringend ein bisschen Aufmunterung vertragen könnten. Man kann „Die Arbeit kleiner und aber davon ausgehen, dass Kulturstaatsmimittlerer Theater soll nisterin Monika Grütters ihren im Dezemgewürdigt werden“ ber erstmals verliehenen „Theaterpreis des Bundes“ nicht als Trostpflaster versteht, auch wenn damit ausdrücklich die Arbeit kleiner und mittlerer Theater gewürdigt werden soll. Aus 187 Bewerbungen hat die fünfköpfige Jury 12 Theater aus verschiedenen Bundesländern ausgewählt: NRW ist zwei Mal vertreten, was allerdings nicht so ganz seinem ästhetischen Gewicht in der Theaterlandschaft entspricht. Aber: Proporz muss natürlich sein, wo kämen wir hin, wenn allein nach Qualität geurteilt würde. Zum Jahresende 2011 wurde sie konkret, die Clownsfisch-Idee, am alten Mirker Bahnhof ein kreatives Cluster namens Utopiastadt zu gründen. Jetzt wird der Fortbestand der Kultur- und Kreativwirtschaft gesichert: Die Dr. Werner Jackstädt-Stiftung – ohne die in Wuppertal nichts geht – unterstützt Utopiastadt mit 200.000 Euro. Durch die Zusage kann der vollständige Eigenanteil für die Sanierung des historischen Bahnhofsgebäudes dargestellt werden und das „Stadtlabor für Utopien“ weitermachen. Zumal mit der Kampagne „1m2 Utopiastadt“ weitere 15.000 Euro gesammelt und die ersten 150 Quadratmeter Utopiastadt-Campus zugekauft werden konnten. Für 2016 haben sich die Utopisten einiges vorgenommen, welches in einer vielschichtigen Mischung aus Konzerten und Performances an der Mirker Straße 48 sichtbar wird. Spannend bleibt es auch an einer hochoffiziellen Bühne, nämlich der Oper. Eine der letzten Gelegenheiten, den noch amtierenden Generalmusikdirektor Toshiyuki Kamioka an seinem „Heimpult“ zu erleben, bietet sich seit der Tschaikowski-Premiere „Eugen Onegin“ am 24. Januar. Jenseits der ewigen Geschichte um eine verpasste Liebe – Eugen Onegin erkennt erst, dass Tatjana die Liebe seines Lebens ist, als sie einen anderen heiratet – ist das Tamtam um die Nachfolge des scheidenden Generalmusikdirektors ja die ganz große Oper. Da passt dann auch die ursprünglich von Wedekind verfasste „Lulu“ gut ins Programm. Wer Lulu sieht, ist ihr schon verfallen, sie lockt und verführt bis zum bitteren Ende. Sie feiert im Mai Premiere wird und von dem wackeren Japaner dirigiert. Sehr dem Hier und Jetzt verbunden präsentiert sich ein Künstlerkollektiv im Theater im Engelsgarten mit seinem Projekt „Ich selfie mich selbst“. Dazu beleuchten Kirsten Edelhagen, Leo Nithas, Christoph Rodatz, Jean Sasportes, Wolfgang Suchner und Ute Völker zwei Selfie-Aspekte, nämlich den inszenierten Zeitpunkt, in dem es entsteht, sowie die anschließende Veröffentlichung des Motives, um es einerseits zu posten, andererseits in sozialen Medien zu debattieren. Oder, wie es die sechs Akteure selbst formulieren: „Zu jedem Selfie gehören im Wege stehende Menschen, die sich nur mit sich selbst beschäftigen und ihre Umwelt nicht mehr wahrnehmen.“ Andererseits schaffen diese Motive eine eigene Bildwelt, neben der Selbstbespiegelung haben sie Selbstbestimmung durch den ursprünglich privat gewesenen Moment der der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, ausgelöst. Dabei geht es um die Deutungshoheit des eigenen Bildes. Was die Werbung längst nutzt, findet vermehrt den Weg ins Private: Das Bild sagt mehr als tausend Worte, es ist wirkungsmächtiger als ein noch so schön formulierter Text. „Ich selfie mich selbst“ geht der Frage nach, „was habe ich da bloß ausgelöst?“, und spielt auf humorvolle und lustvolle Art mit den beiden Polen der eigentlichen Privatheit und der gleichzeitigen öffentlichen Darstellung im weltweiten Web. Seit Beginn seiner Zivilisierung macht der Mensch Bilder, neuerdings bevorzugt von sich als Digitalknipser. Valeska von Dolega Utopiastadt | Mirker Bahnhof | neu.clownfisch.eu „Eugen Onegin“ | 3., 5., 17., 19.2. je 19.30 Uhr, 7. u. 21.2. je 16 Uhr Opernhaus | 0202 563 76 66 „Lulu“ | Sa 14.5.(P) | Opernhaus | 0202 563 76 66 „Ich selfie mich selbst“ | Di 8.3.(P), Mi 9.3. 19.30 Uhr | Theater im Engelsgarten | 0202 563 76 66 Zwei NRW-Bühnen bekommen den Bundestheaterpreis Das Theater Oberhausen braucht sicherlich keine Ermutigung, dagegen aber die 80.000 Euro Preisgeld. „Wenige Stadttheater öffnen sich derart kontaktfreudig der Freien Szene wie das Theater Oberhausen“, heißt es in der Jurybegründung. Gelobt wird vor allem die Zusammenarbeit mit dem Kollektiv geheimagentur, dem Ringlokschuppen und das Projekt „54.Stadt“. Gelobt werden aber auch Intendant Peter Carp für sein Ensemble und die „avancierten Ästhetiken“ von „internationalen Regisseuren“ wie Andriy Zholdak, Bram Jansen oder Simon Stone. Doch der Preis wird für Oberhausen eigentlich zum Abschiedspreis. Peter Carp wechselt bekanntlich im Sommer 2017 nach Freiburg. Damit ist die Oberhausener Herrlichkeit erst einmal vorbei. Seit dem Abgang von Johannes Lepper 2008 hat Peter Carp dem Haus bundesweit ein neues Ansehen verschafft und für Furore gesorgt, neben den erwähnten Regisseuren auch mit den abgedrehten Inszenierungen eines Herbert Fritsch. Und auch in Düsseldorf braucht man kein aufmunterndes Schulterklopfen. So schlecht steht es um das Forum Freies Theater nicht. Im Gegenteil. Nach der Aufnahme in ein vom Bund mit 12 Mio. Euro gefördertes „Bündnis internationaler Produktionshäuser für zeitgenössische darstellende Kunst“ bekommt das FFT außerdem aus Grütters Theaterpreis-Schatztruhe 80.000 Euro. Seit 2004 leitet Kathrin Tiedemann das Haus mit den beiden Spielstätten in der Düsseldorfer Innenstadt. Gelobt wurden von der Jury die Erforschung neuer Formate, „in denen es gelingt, unterschiedliche Disziplinen konzeptionellen Denkens mit ästhetischen Aktionen zu verbinden“. Und weiter: „Das FFT erzeugt dabei auf Augenhöhe eine Sphäre aus Stadt, Kunst und Theater, die bestrebt ist, Denkfiguren nicht nur als künstlerischen Prozess zu begreifen, sondern deren Komplexität zu vermitteln und in die Lebenswirklichkeit zu übertragen.“ So kann man das sagen. Man könnte es auch anders formulieren. Aber Juroren sind auch nur Menschen. Und wenn schon in jeder zweiten Begründung von avanciert, engagiert, spartenübergreifend, partizipativ, Intervention, Recherche die Rede ist, muss man etwas variieren. Hauptsache Hans-Christoph Zimmermann gewonnen. Die Sprachartistik fällt unter die Rubrik PreisJournalist und Theaterkritiker Lametta. Die Kunstszene entwickelt sich äußerst spannend 14 film des monats Im Nest der Unsympathen: Revolverhelden im cineastischen Kammerspiel Dialogisches Gemetzel „The Hateful Eight“ von Quentin Tarantino Film des Monats? Mein [email protected] In einer verschneiten Hütte treffen windige Revolverhelden aufeinander. C Nerdiges Underground-Kino mit politischer Note Wir freuen uns auf Post. Keine Frage, der neue Film von Quentin Tarantino spaltet mehr denn je: Die einen nennen ihn im besten Fall langweilig, empfinden den Film häufig aber auch als höchst unmoralisch. Die anderen feiern den Film für seine Dialoge, seine Bilder, seinen Spannungsaufbau und nicht zuletzt für seine oft auf Gewalt gründende Komik (ja, fiktionale Gewalt kann komisch sein, siehe Dick & Doof, Tom & Jerry etc.). „The Hateful Eight“ scheint Tarantinos extremstes Werk seit seinem Debüt „Reservoir Dogs“ zu sein, verfolgt gegenüber dem Erstling allerdings eine Mission. Krimi-Kammerspiel Angetrieben von einem herannahenden Schneesturm, rast eine Kutsche durch die verschneite Landschaft Wyomings. Darin sitzt der Kopfgeldjäger John Ruth (Kurt Russel) ll) mit der Banditin Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh), die er dem Henker übergeben will. Erst hält ihn der Schwarze Major Marqis Warren (Samuel L. Jackson) auf, ebenfalls Kopfgeldjäger und ehemals Soldat der Nordstaaten im wenige Jahre zurückliegenden ameriFoto: Universum Film kanischen Bürgerkrieg zwischen 1861 und 1865. Dann ersucht auch Chris Mannix Zuflucht in der Kutsche. Er gibt vor, der neue Sheriff des nahe gelegenen Red Rock zu sein und ist passionierter Rassist (Walton Goggins spielt ihn lustigerweise wie das Klischee eines funny black Sidekicks). Widerwillig nimmt Ruth die beiden auf und sie erreichen gerade noch Minnies Kleinwarenladen, bevor der Sturm über sie hereinbricht. Im Laden befinden sich ungewöhnlich viele Reisende, die alle kurz vor dem Sturm hier gestrandet sind. Wer hingegen fehlt: Minnie und ihre Angestellten, die normalerweise den Laden mit größter Fürsorge und Freundlichkeit schmeißen. Stattdessen ist der Mexikaner Bob vor Ort, laut eigener Aussage, um Minnie zu vertreten, während sie ihre Mutter besucht. Das kommt zunächst nur Major Warren merkwürdig vor, aber die Unstimmigkeiten verdichten sich ebenso wie die Anspannung zwischen den in der kleinen Hütte eingepferchten Revolverhelden. Die zahlreichen, recht locker sitzenden Pistolen machen die Situation kaum gemütlicher. Anspannung und Ausbruch In den ersten zwei Stunden kann man „The Hateful Eight“ ohne Weiteres als Dialogfilm bezeichnen, der nach relativ kurzer Zeit auch noch zum WhodunitKammerspiel à la Agatha Christie wird. Kein Wunder, dass die Bühnenaufführung von „The Hateful Eight“ ein derartiger Erfolg war. Denn nachdem das Drehbuch 2013 geleakt wurde, wollte Tarantino das Projekt eigentlich an den Nagel hängen und hat stattdessen eine dialogische Lesung mit den Darstellern zur Aufführung gebracht. Erst der Erfolg der öffentlichen Drehbuchlesung veranlasste den Regisseur, das Filmprojekt wieder anzuschieben. Aber Mit -kultur.de beginnt die Filmwoche 15 trotz der Bedeutung der Dialoge in diesem extrem langsam erzählten Film ist Tarantino ein Film- und kein Theatermensch. Das Visuelle ist sein Metier, hier spielt er seine Meisterschaft, aber auch sein Nerdtum aus. Alleine die erste Einstellung sagt alles über Tarantinos Haltung zu diesem Medium: Zu den grandiosen Klängen von Ennio Morricones Original-Score legen sich die im Retrodesign gehaltenen Credits über eine Kameraeinstellung, die in aller gebotenen Langsamkeit das Leiden eines in Holz geschnitzten Jesus am Wegkreuz abtastet, während sich langsam besagte Kutsche nähert. So viel Zeit nehmen sich sonst nur noch der Philippine Lav Diaz, der Türke Nuri Bilge Ceylan oder der Thailänder Apichatpong Weerasethakul – aber sicher nicht das Mainstreamkino von Hollywood. Zum Einsatz ZUR PERSON kam das nur wenige Male in den 60er Jahren einQuentin Tarantino (*1963) gesetzte analoge Ultra Panavision 70mmhat seit 1992 acht FilBreitbildformat, das hier aber nur selten für solch me gedreht und jüngst weite Landschaften genutzt wird, sondern um das verkündet, nach dem Zehnten den Regiestuhl komplexe Raumgefüge in der Hütte mit all seinen zu räumen. Alle seine vielen Details auszuleuchten. Filme wurden auf analogem Filmmaterial gedreht. Später kommt es dann natürlich wieder, wie es kommen muss: Das Blut spritzt und Körperteile fliegen durch den Raum, wenn sich die latente Gewalt in einer Eruption leinwandfüllend in absurd übersteuerter, schräg sexualisierter und absolut ambivalenter Gewaltdarstellung Bahn bricht. Im Finale entzieht Tarantino dann auch noch den letzten beiden Figuren unsere Sympathie. Reiner Nihilismus und Zynismus? Oder realistische Einschätzung einer Gesellschaft, die Tarantino auf einer Demonstration gegen Polizeigewalt kritisierte (woraufhin die Polizei zum Boykott gegen den Film aufrief). Was man nach dem blutigen Showdown fast wieder vergessen hat: Da gab es eine Rückblende, und dort sah man vielleicht das, was der Regisseur als liebenswert und erhaltenswert erachtet. Zumindest hat er selten eine Szenerie freundlicher gestaltet als in dieser fast kindlich naiven Szene, die von Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, Freiheit und einem friedlichen Miteinander – der Ethnien und der Geschlechter – erzählt. Leider scheint keine der Hauptfiguren in „The Hateful Eight“ Tarantinos Einschätzung zu teilen. Der nach „Inglourious Basterds“ und „Django: Unchained“ dritte explizit politische Film Tarantinos ist keine revisionistische Rachefantasie wie die beiden Vorgänger, sondern enthält tatsächlich so etwas wie einen Hoffnungsschimmer. Am Ende wird für den Wunsch nach Gleichberechtigung gar Abraham Lincoln zitiert. Christian Meyer engels verlost 2 Pakete bestehend aus T-Shirt und Filmplakat auf engels-kultur.de THE HATEFUL EIGHT USA 2015 - Western - 167 Min - ab 16 J. - Regie: Quentin Tarantino mit: Samuel L. Jackson, Kurt Russel, Jennifer Jason Leigh -kultur.de Start: 28.1. Mein Meein i Lesezeichen film-kritik Stelios (Stelios Mainas) schießt sich den Weg aus der Krise Verzweifelt: Tessa (Jördis Triebel) und Elena (Chara Mata Giannatou) Wölfe und Schafe Krisenbürger „Mittwoch 04:45“ von Alexis Alexiou „Ein Atem“ von Christian Zübert Ein Nachtclubchef aus Athen sucht einen Ausweg aus der Überschuldung. C Abgründig stilisiertes Noir-Drama zur Griechenland-Krise Eine junge Griechin hütet das Kind einer wohlhabenden Deutschen. C Drama über zwei Frauenschicksale Nein, die Finanzkrise macht auch nicht Halt vor der Unterwelt. Stelios ist seit 17 Jahren stolzer Besitzer eines Live-Jazzclubs. Nur leider ist er inzwischen hoch verschuldet bei einem Rumänen, der ihm jetzt gefährlich Druck macht. Innerhalb von 24 Stunden soll Stelios 148.000 Euro zurückzahlen. Sonst droht Arges. Der Familienvater begibt sich auf eine Irrfahrt durch die Abgründe Athens. Ein gelungenes Noir-Drama, das sich von den bedrückend wabernden SynthieSounds und verregneten Nachtszenen eines „Blade Runner“ bis hin zu sehnsuchtsvollen Schlagerballaden und der unaufhaltsamen Talfahrt eines YakuzaKrimis inspiriert der Genrevorbilder bedient. Ein blutiger, spannender und atmosphärisch gestalteter Kommentar zur Krise, der zugleich mit stylisher Coolness aufwartet. Hartmut Ernst Gegen den Willen ihres Freundes reist die 27-jährige Elena aus Athen nach Frankfurt und nimmt einen Job als Babysitterin an. Die Eltern sind beide berufstätig und leben ein emotional ramponiertes Wohlstandsleben. Vor allem die Mutter Tessa wirkt unentspannt und lässt ihre Launen an Elena aus. Als Elena erfährt, dass sie selbst schwanger ist, verschweigt sie dies, um den Job nicht zu verlieren. Ein Schicksalsschlag führt zur Eskalation. Nacheinander richtet das Drama den Fokus auf die beiden grundsätzlich verschiedenen Frauen, die eines vereint: Verzweiflung. Und die liiert sind mit grundsätzlich verschiedenen Männern, die ihre Frauen aber gleichermaßen bevormunden. Parallelen und Gegensätze kollidieren tragisch in diesem deutschgriechischen Schicksalsbund. Hartmut Ernst MITTWOCH 04:45 Filmfestival Thessaloniki, Bester Film, Alexis Alexiou GR/D/IL 2015 - Drama - 117 Min - ab 12 J. - Regie: Alexis Alexiou mit: Stelios Mainas, Dmitris Tzoumakis, Adam Bousdoukos EIN ATEM Start: 4.2. D/GR 2015 - Drama - 101 Min - ab 12 J. - Regie: Christian Zübert mit: Jördis Triebel, Chara Mata Giannatou, Benjamin Sadler Start: 28.1. Martin Schläpfer schöpft kreative Kraft in seiner Berghütte Von wegen Urlaub – die heile Welt von Thomas liegt in Trümmern Richtig oder falsch Tanze und bleib nie stehen „Nichts passiert“ von Micha Lewinsky „Feuer bewahren, nicht Asche anbeten“ v. Annette von Wangenheim Im Urlaub bricht über Thomas die mühsam konstruierte heile Welt zusammen. C Anarchisches Familiendrama Beobachtungen und Selbstauskünfte des Choreografen bei der Arbeit und im Privaten. C Porträtfilm über den Choreografen Martin Schläpfer Ein zu Tränen rührendes Familiendrama über gleich zwei dysfunktionale Gengemeinschaften, die eigentlich in der Schweiz einen entspannten Skiurlaub verbringen möchten, über kurz oder lang jedoch an den mitgeschleppten und den neu hinzugekommenen Problemen scheitern werden. Trotzdem ist es Micha Lewinsky, der mit seinem Überraschungserfolg „Die Standesbeamtin“ eine überaus witzige Romantic Comedy gedreht hatte, auch hier wieder gelungen, die Tristesse mit einem sehr feinen, völlig untypischen Humor zu durchsetzen, der in erster Linie über die von Devid Striesow grandios gespielte Hauptfigur transportiert wird. Der Euphemismus des Titels „Nichts passiert“ ist dabei sinnbildlich für die Ironie, mit der sich Lewinsky der Thematik nähert. Ein beeindruckend gespielter Film voller exzellenter Dialoge. Frank Brenner Mit kräftigen Waden stapft er einen Berg hinauf, bodenständig wirkt er. Und ganz anders als der Mann, den wir danach sehen als Leiter des Trainings des Balletts am Rhein Düsseldorf Duisburg. Kaum ein deutsches Haus leistet sich noch eine Kompanie, die Oper am Rhein aber baut sogar ein neues Haus für den Tanz. Schläpfers Kompanie ist über das eigene Haus hinaus auch auf Gastspielen populär. Der Film zeigt ihn auch als Tänzer unter Leitung des legendären Hans van Manen. Und privat in der Schweizer Heimat und in seinem Düsseldorfer Haus. Ein nachdenklicher Mann, ebenso kraftvoll wie zart. Der Regisseurin gelingt es, Neugier für sein Leben und Tanzen zu wecken, ohne den gebotenen Abstand zum Objekt zu verlieren. Ingrid Bartsch NICHTS PASSIERT FEUER BEWAHREN, NICHT ASCHE ANBETEN CH 2015 - Drama - 88 Min - ab 12 J. - Regie: Micha Lewinsky mit: Devid Striesow, Maren Eggert, Annina Walt Mein Film, mein Kino, meine Meinung Start: 11.2. engels verlost 1x2 Karten für das Cinema oder Rex auf engels-kultur.de D 2015 - Dokumentarfilm - 86 Min - o. Altersb. - Regie: Annette von Wangenheim Start: 11.2. 16 -kultur.de Forum roter teppich In einer Sekte aufgewachsen: Vicky Krieps als Ursel in „Colonia Dignidad“ „Mir geht es darum, Gefühle zu vermitteln“ Vicky Krieps über „Colonia Dignidad“, ihre Theatererfahrungen und Philip Seymour Hoffman Die 1983 in Luxemburg geborene Vicky Krieps fasste nach ersten Rollen am Schauspielhaus Zürich schnell in der Film- und Fernsehbranche Fuß. Man sah sie in deutschen ArthouseHits wie „Wer wenn nicht wir“, „Zwei Leben“ oder „Die Vermessung der Welt“, aber auch schon seit 2011 in Hollywood-Produktionen wie „Wer ist Hanna?“ als Mutter von Saoirse Ronan, in Roland Emmerichs „Anonymus“ oder neben Philip Seymour Hoffman in „A Most Wanted Man“. Außerdem spielte sie u.a. die Titelrolle in „Das Zimmermädchen Lynn“. Ihr neuer Film „Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“, in dem sie neben Emma Watson und Daniel Brühl spielt, ist ab dem 18. Februar in den Kinos zu sehen. engels: Frau Krieps, die Ereignisse im Film passierten noch vor Ihrer Geburt. Wussten Sie über die Colonia Dignidad im Vorfeld viel? Vicky Krieps: Nein, ich wusste darüber so gut wie gar nichts. Ich weiß, dass die Ereignisse mal durch die Medien gingen, es gab da diese große Reportage im „Spiegel“, aber ich selbst habe davon als Kind oder Jugendliche gar nichts mitbekommen. Vielleicht lag das auch daran, dass ich in Luxemburg aufgewachsen bin. Ihre Rolle der Ursel ist in der Sekte geboren und aufgewachsen. War es deswegen für Sie besonders schwierig, sich in diese Figur einzudenken? Ja, das war für mich auch die Herausforderung an der Rolle. Sie ist jemand, die ihr Leben lang innerhalb der Sekte verbracht hat. Sie hat nie etwas anderes gekannt und sich trotzdem eine Aufmerksamkeit bewahrt, vielleicht auch, weil sie schon immer dort gelebt hat. Im Film wird nicht aufgelöst, warum sie wacher ist als die anderen, aber sie scheint nicht so sehr im Bann zu stehen wie die Menschen um sie herum. Das fand ich sehr spannend an der Figur, deswegen wollte ich sie auch spielen. Das war aber nicht einfach, und ich habe auch zum ersten Mal kein Gespür dafür gehabt, wie mein Schauspiel am Ende von außen wirken wird. Ich habe die Rolle, recht intuitiv, von innen heraus gelebt, weil es Mit -kultur.de beginnt die Filmwoche unmöglich ist, sich vorzustellen, wie so jemand eigentlich ist. ich gemacht habe. Ich wusste immer sehr genau, was ich will und was ich nicht will. Ich bin das Risiko eingegangen, immer das zu machen, was ich wollte. Die echte Colonia Dignidad leugnet nach wie vor jede Verbindung mit dem PinochetRegime, weswegen der Film auch aufkläre- Welche von Ihren zahlreichen internationalen Begegnungen der letzten Jahre hat Sie denn rischen Charakter hat… Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, das war auch das am meisten beeindruckt? Hauptanliegen des Regisseurs, diese Geschich- Philip Seymour Hoffman bei „A Most Wanted te zu erzählen. Allein für die vielen Menschen, Man“ hat mich schon sehr beeindruckt, dadurch wie er gearbeitet hat. die dort gelitten haben – die „Ich hätte von mir aus nie den Denn er hat nicht wirklich haben ein Recht darauf, dass Mut gehabt, Filmschauspielerin viel gemacht, er war immer ihre Geschichte erzählt wird. sein zu wollen“ sehr zurückhaltend und ruAuch Ursel hat ein reales Vorhig. Als er die letzte Szene bild, sie ist eine Reminiszenz an eine Frau namens Ursula, die auf der Flucht des Films spielte, war es so ruhig am Set, dass erschossen wurde. Eine ganz tragische Ge- man eine Nadel hätte fallen hören, ganz anders schichte, von der alle sehr ergriffen berichten, als an allen anderen Tagen. Aber so sehr hat Hoffman damals die Spannung gehalten und die sie kannten. die Geschichte in diesem Moment getragen. Als Sie haben schon sehr schnell nicht gerade ich später den Film sah, bin ich in dieser Szene kleine Rollen in internationalen Produktionen fast vom Stuhl gefallen, weil ich merkte, dass wie „Wer ist Hanna?“ gespielt. Was war Ih- der Film von seiner Figur aus auf dieses Ende rer Meinung nach die Initialzündung für diese zielt. Da wurde mir klar, dass er das schon immer wusste und das deswegen genau so geplant und rasante Karriere? Zum einen wurde ich vom Theater enttäuscht, gespielt hat. sonst wäre ich wahrscheinlich, wie sehr viele andere, in ein Festengagement gegangen. Aber Sie drehen auf Deutsch, Englisch, Französisch die alten Strukturen, die klaren Hierarchien, die – fällt ihnen davon etwas am leichtesten oder es damals am Theater gab, waren absolut nicht ist das für Sie alles gleichbedeutend? mein Ding. Dann bin ich dazu übergegangen, Es ist tatsächlich gleichbedeutend für mich. Stücke zu inszenieren, eines davon in Berlin. Das Sprache interessiert mich nicht so. Wenn man war der Grund für mich, nach Berlin zu gehen. „Das Zimmermädchen Lynn“ gesehen hat, erDie Initialzündung meiner Karriere ist meiner kennt man, dass mein Interesse meist außerhalb Meinung nach dann Simone Bär gewesen, die des gesprochenen Wortes liegt. Deswegen ist bekannte Besetzungsleiterin, die auf mich auf- mir dann auch die Sprache egal. Mir geht es damerksam wurde. Hätte es nicht diesen Blick von rum, Gefühle zu vermitteln. Vielleicht liegt mein außen auf mich gegeben, der mich in meinem leichter Umgang mit verschiedenen Sprachen Tun bestärkt hat, dann hätte ich von mir aus nie an meiner mehrsprachigen Erziehung in Luxemden Mut gehabt, Filmschauspielerin sein zu wol- burg. Vielleicht aber auch in meinem Vertrauen len. Simone Bär hat mich gesehen und erkannt, darauf, dass sich das, was ich sagen will, schon was ich sein könnte, bevor ich selbst etwas vermitteln wird, egal in welcher Sprache. in mir gesehen habe. Dann kam das eine zum anderen. Ich versuche immer, ehrlich zu sein, Interview: Frank Brenner meine eigene Meinung und meine eigenen PrinLesen Sie die Langfassung unter: zipien zu haben, ohne dabei einzubrechen. Das www.engels-kultur.de/roter-teppich hat viel ausgemacht im Hinblick auf das, was 17 -kultur.de Mein Meein i Lesezeichen film-kritik Gänsehaut USA 2015 - Fantasy / Komödie - 103 Min - Regie: Rob Letterman Alvin und die Chipmunks: Road Chip Start: 4.2. USA 2015 - Trickfilm / Komödie - 88 Min - o. Altersb. - Regie: Walt Becker Start: 28.1. Nach dem Umzug in eine Kleinstadt knüpft Schüler Zach rasch Kontakt zu seiner hübschen Nachbarin Hannah. Doch der Neustart bekommt Risse, als Zach ihren Vater (Jack Black) kennen lernt: Der ist Grusel-Autor und hat ein Problem mit den Monstern, die er schuf. Die treiben nämlich in der Realität allerlei Schabernack. Klamauk von Rob Letterman („Monsters vs. Aliens“). he Dave (Jason Lee), der Ziehvater der drei quatschenden und singenden Streifenhörnchen Alvin, Simon und Theodore, verliebt sich in Samantha und ist kurz davor, ihr in Miami einen Heiratsantrag zu machen. Die Auserwählte hat allerdings ihren Sohn Miles im Schlepptau, der den Nagern gehörig auf die Pelle rückt. Auftakt eines turbulenten Kampfes um Daves Gunst. Schriller Roadtrip. he Deadpool Die Hüterin der Wahrheit – Dinas Bestimmung USA - Action / Fantasy - 106 Min - Regie: Tim Miller Start: 11.2. Als Ex-Soldat und Söldner Wade Wilson (Ryan Reynolds) an Krebs erkrankt, lässt er sich auf eine fragwürdige Heilungsmethode ein, die ihn entstellt und zugleich mit Selbstheilungskräften versieht. Der Mann, dem er das zu verdanken hat, macht auch Wades Freundin das Leben schwer. Also schlüpft er in ein Kostüm und zieht in den Kampf. Marvel-Antihelden-Abenteuer. he DK 2015 - Fantasy / Abenteuer - 96 Min - Regie: Kenneth Kainz Start: 18.2. Basierend auf einem dänischen Fantasy-Roman erzählt dieses Abenteuer von Dina, einem Mädchen mit übernatürlichen Fähigkeiten: Mit ihren Augen durchdringt sie die Geheimnisse ihrer Gegenüber. Intrigen am Hof rufen das Mädchen auf den Plan. Der Prinz wird von seinem Cousin eines schweren Verbrechens beschuldigt. Ein Streit, der Dina in ein aufregendes Abenteuer stürzt. he engels verlost 1x2 Karten und 1 Buch auf engels-kultur.de Das Wetter in geschlossenen Räumen D/A 2015 - Drama - 97 Min - ab 12 J. - Regie: Isabelle Stever Die wilden Kerle 6 – Die Legende lebt Start: 28.1. D 2015 - Abenteuer / Jugend - 96 Min - o. Altersb. - Regie: Joachim Masannek Start: 11.2. Die Freelancerin Dorothea (Maria Furtwängler) arbeitet in einer arabischen Krisenregion. Auf Charity-Empfängen versucht sie, Spender für ihre Projekte anzuwerben. Dabei gerät sie zunehmend zwischen die Welt existenzieller Not und die zweifelhaften Verführungen, die der Wohlstand an ihr Klientel und sie selbst richtet. Drama über eine zerrissene Entwicklungshelferin. he Die wilden Kerle sind erwachsen und zahm geworden – also müssen neue her! Und zwar hurtig, sonst gehört das Wilde Kerle Land bald dem dicken Michi (Daniel Zillmann), so will es eine alte Abmachung. Eine Handvoll junger Bengel tritt in die Fußstapfen ihrer Helden und tritt an zum Kampf um das Land, das Erbe und die Zukunft. Ring frei also für die Next Generation! he Passion for Planet Erschütternde Wahrheit D 2016 - Dokumentarfilm - 98 Min - Regie: Werner Schüßler Start: 28.1. USA 2015 - Drama / Sport - 123 Min - ab 12 J. - Regie: Peter Landesman Start: 18.2. Sie beobachten weltweit Tier und Natur – Werner Schuessler beobachtet sie. Fünf Naturfilmer hat er sich ausgesucht und begleitet sie bei der Arbeit. Eine Arbeit, die immer mehr Mission wird, weil die Kollegen erleben, wie der Mensch die natürlichen Ressourcen zerstört. Aus Filmern werden Kämpfer. Die Doku erzählt von ihren Beweggründen und Herausforderungen. he Im Jahre 2002 untersucht der amerikanische Neuropathologe Dr. Bennet Omalu (Will Smith) ein tödliches Hirntrauma bei einem American Football-Spieler. Als Ursache nennt er den Profisport selbst. Das passt der NFL so gar nicht. Es beginnt ein Kampf zwischen David und Goliath. Das Drama von Peter Landesman („Trade“) vollzieht den erbitterten Kampf um die Wahrheit nach. he Mein Film, mein Kino, meine Meinung 18 -kultur.de Forum hintergrund In den Händen des Sektengurus erlebt Lena die Hölle auf Erden Sekte des Grauens „Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“ von Florian Gallenberger Im Pinochet-Regime gerät ein Deutscher in ein abgeschottetes Foltercamp. C Publikumswirksame Geschichtsstunde Florian Gallenberger (seit „Quiero Ser“ 1999 einer der jüngsten deutschen Oscar-Preisträger) hat sich in den letzten Jahren mit seinen Filmen darauf spezialisiert, wenig bekannte Aspekte der deutschen Geschichte in anderen Ländern für ein hiesiges Publikum wieder ins Gedächtnis zu rufen. Das ist ihm zuletzt 2009 mit „John Rabe“ sehr gut gelungen, über den ein wahrer Preisregen hereinbrach und der das Leben des deutschen Kaufmanns Rabe im China der 30er Jahre Revue passieren ließ. Auch „Colonia Dignidad“ beruht in seinen Grundkonstellationen wieder auf tatsächlichen Begebenheiten, die sich zu Beginn der 70er Jahre in Chile abspielten, als die demokratisch gewählte Regierung Salvador Allendes durch den General Pinochet gestürzt wurde. Im Film ist es der deutsche Fotograf Daniel (Daniel Brühl), der für die Allende-Befürworter Plakate entwarf und beim Militärputsch deswegen ins Visier der neuen Machthaber geriet. Seine Freundin Lena (Emma Watson), eine deutsche Stewardess, erfährt von Daniels Verbündeten, dass er als politischer Gefangener wohl in die „Colonia Dignidad“, eine streng religiöse deutsche Sekte im Süden Chiles, verschleppt wurde, die eng mit dem Geheimdienst des Landes zusammenarbeitet. Da Daniel niemand helfen kann oder will, meldet sich Lena freiwillig als neues Mitglied bei der Sekte an, weil sie sich erhofft, ihren Freund so zu finden und ihm die Flucht zu ermöglichen. der Sekte wechselt. Hier bedient der deutsche Regisseur eher aus dem Genre bekannte Spannungsmechanismen, wenn er die Sektenoberhäupter wie Bösewichte aus einem James-Bond-Film inszeniert und damit dieses düstere Kapitel der Menschheitsgeschichte als nervenaufreibenden Krimi vor realem Hintergrund nacherzählt. Denn die „Colonia Dignidad“ war ein Ort der Folter, des Missbrauchs und der Unmenschlichkeit, deren erbarmungsloser Führer Paul Schäfer (Michael Nyqvist) über Jahrzehnte hinweg seinen kriminellen Machenschaften nachgehen konnte und trotz Kenntnis der Weltöffentlichkeit bis 2004 unbehelligt blieb. Dass die beiden Protagonisten fiktive Figuren sind, merkt man Gallenbergers Film leider mitunter etwas an, weil die Liebesgeschichte zwischen den beiden gut besetzten Stars in den Hauptrollen nicht unbedeutend ist. Auch ohne diese Fiktionalisierungen wäre man sicherlich schnell von der unglaublichen Geschichte gepackt gewesen. Trotz dieser kleineren Abstriche ist es Gallenberger hier auf hollywoodtypische Weise gelungen, einen bis in die letzten Szenen hinein spannenden Film zu kreieren, der die Atmosphäre innerhalb der Sekte wohl recht authentisch einzufangen versteht und so wieder ins Bewusstsein seiner Zuschauer bringt. Frank Brenner COLONIA DIGNIDAD – ES GIBT KEIN ZURÜCK Die Tonalität von Florian Gallenbergers Film wandelt sich gehörig, als das Setting von den Straßenunruhen in Santiago de Chile in die unheimliche Enklave D/LUX/FR 2015 - Drama / Thriller - 110 Min. - Regie: Florian Gallenberger mit: Emma Watson, Daniel Brühl, Michael Nyqvist Start: 18.2. COLONIA DIGNIDAD – Am Rande Deutsche Nazis in Südamerika. Ein beliebtes Klischee über die Auslandsdeutschen, das der vielfältigen Realität deutscher Auswanderungsströme nur sehr bedingt gerecht wird. Natürlich gibt es prominente Fälle wie Eichmann oder Mengele, vor allem während des 19. Jahrhundert aber suchten Millionen Deutsche eine neue Heimat in Übersee (ca. 6 Mio. zwischen 1820 und 1930). Der übergroße Teil davon ging in die Vereinigten Staaten; Lateinamerika aber war das zweitbeliebteste Ziel. Die mitteleuropäischen Auswanderer besiedelten manchmal ganze Landstriche neu. Spuren davon sind bis heute sichtbar, sei es in der Namensstruktur, den kulinarischen Gewohnheiten oder der Architektur, wie z.B. in der brasilianischen Stadt Mit -kultur.de beginnt die Filmwoche 19 Blumenau. Viele deutsche Juden wiederum fanden während der NS-Diktatur vor allem in Argentinien Zuflucht. Die Colonia Dignidad wiederum ist ein ganz spezielles Kapitel deutscher Auswanderungsgeschichte: Die Gründer um Paul Schäfer waren in den 1950ern vor der Strafverfolgung aus Deutschland geflüchtet, um ihre kruden Rituale abgeschottet im chilenischen Nirgendwo zu begehen. In der Frühzeit der Pinochet-Diktatur bot sich die erzchristliche Sekte dann dem Regime als Folterzentrum des Geheimdienstes an. Erst 2006 wurde Paul Schäfer wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs verurteilt. Heute nennt sich die Siedlung Villa Baviera. Benjamin Seim -kultur.de Mein Meein i Lesezeichen film-kritik Erst nur ein Blackout, und dann plötzlich ganz weg: Baird Whitlock Maud Watts (Carey Mulligan) engagiert sich aufopfernd für Frauenrechte Wählen gehen Kult statt Klassiker „Suffragette” von Sarah Gavron „Hail, Caesar!“ von Joel und Ethan Coen Britische Frauen kämpfen für ihr Wahlrecht. C Verfilmung eines entscheidenden Kapitels der Frauenbewegung Ein Schauspieler verschwindet. Problemlöser Eddie Mannix wird auf den Fall angesetzt. C Skurrile Komödie über die Goldene Ära Hollywoods „Ich habe meinem Mann und seiner Regierung vertraut.“ Alice Haughton ist die Frau eines Parlamentsabgeordneten – und eine der Anführerinnen der britischen Suffragetten: Frauenrechtlerinnen, die sich zu Beginn des 20. Jhds für eine Einführung des Frauenwahlrechts einsetzen. Ein Kampf mit allen Mitteln, für den die Frauen mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze sowie ihrer Ehemänner und Kinder zahlen. Sarah Gavon erzählt die Geschichte der Suffragetten aus Sicht einer kleinen Gruppe von Aktivistinnen. In den Hauptrollen: Carey Mulligan und Helena Bonham Carter. Ein wichtiger Film, der in seiner Erzählweise arg konventionell geraten ist, aber vielleicht braucht gerade dieses Thema einen Hauch von Hollywood, um an den Kinokassen zu bestehen. Die Oscar-Academy hat „Suffragette“ zu Unrecht übersehen. Simone Schlosser Hollywood in den 1950er Jahren. Noch hallt sie nach, die legendäre Goldene Ära, die den Markt geprägt hat mit schwerelosen Genreproduktionen, frühen Blockbustern und späteren Klassikern. Musicals und Historienschinken gebären Haudegen und Sexgöttinnen. Unter ihnen und mittendrin in der sprichwörtlichen Traumfabrik: Leinwandstar Baird Whitlock (George Clooney, „Burn After Reading“). Der gereifte Filmheld wird für ein Prestigestück des führenden Studios Capitol Pictures engagiert, den Historienfilm „Hail, Caesar!“, die größte Produktion des Jahres. Dann aber verschwindet Whitlock mitten in der Produktion. Die Sache sieht ganz nach einer Entführung aus, so lässt zumindest ein Bekennerschreiben der mysteriösen Formation „The Future“ vermuten, in dem 100.000 Dollar für die Freilassung gefordert werden. Damit kommt Eddie Mannix (Josh Brolin, „No Country for Old Men“) ins Spiel. Mit detektivischem Gespür arbeitet er als Problemlöser für das Studio. Und die Zeit drängt. Whitlock soll gefunden werden, bevor die Klatschpresse Wind von der Angelegenheit bekommt. Die größte Gemeinsamkeit, die die Filme der Gebrüder Joel und Ethan Coen mit den Klassikern der Goldenen Ära aufweisen, ist, dass die beiden regelmäßig auf Hollywoodgrößen, sprich auf unsere zeitgenössischen Haudegen und Sexgöttinnen zurückgreifen, die sich in ihren Filmen die Hand reichen. Nur erschaffen die Coens mit Stars und Sternchen für gewöhnlich verschrobenen Kult statt pompöse Klassiker für die Massen. Natürlich finden sich in ihrem Schaffen Anknüpfungspunkte an die Blockbuster jener Ära, doch endet dies vornehmlich in Koketterie. In guter Erinnerung geblieben sind hier beispielsweise die Annäherungen an den Film Noir mit „The Man Who Wasn’t There“ oder an das Musical mit „O Brother, Where Art Thou?“ Zuletzt haben sie mit „True Gritt“ noch dem Western den Coen-Stempel aufgedrükkt. Letzterer eröffnete 2011 die Berlinale. Die gleiche Ehre wird nun auch „Hail, Caesar!“ zuteil. Und das ist zugleich der Grund dafür, dass der Film vor Redaktionsschluss noch nicht gesehen werden konnte. Was wir jedoch wissen: Das neue Werk der Coens stülpt sich kein GenreKorsett über, sondern wird im charmant frechen Duktus von der Studiowelt jener Goldenen Ära Hollywoods erzählen, vermutlich gerahmt von einer Prise Noir, die einen Detektiv durch allerlei Fettnäpfchen und Stolperfallen begleitet. Erste Bilder versprechen eine Coen-Komödie, die den Spirit der Zeit mit zeitkolorierten Bildern einfängt und genüsslich durch den Kakao zieht. Mit Tempo, Slapstick, Wortwitz und skurriler Situationskomik. Und, natürlich, weitere Stars und Sternchen: Tilda Swinton („Burn After Reading“), Scarlett Johannson („The Man Who Wasn’t There“), Frances McDormand („Fargo“) und nicht zuletzt Ralph Fiennes als Filmregisseur, der an unfähigen Schauspielern verzweifelt. So etwas dürfte die Coens derweil schon längst nicht mehr zu schaffen machen. Unsere Prognose: Es bleibt alles beim Neuen. engels verlost 1x2 Karten auf engels-kultur.de SUFFRAGETTE Hollywood Film Awards: Breakthrough Award, Adam McKay GB 2015 - Drama - 107 Min - ab 12 J. - Regie: Sarah Gavron mit: Carey Mulligan, Helena Bonham Carter, Meryl Streep Start: 4.2. Zoolander 2 USA 2016 - Komödie - 100 Min - Regie: Justin Theroux Start: 18.2. Auch vierzehn Jahre nach dem ersten Teil verirren sich Derek Zoolander (Regisseur Ben Stiller) und Kollege Hansel (Owen Wilson) fleißig zwischen Moden und Morden. Eigentlich hatten sich die beiden inzwischen zur Ruhe gesetzt, doch das haltlose Töten und die Präsenz des zwielichtigen Modezars Mugatu (Will Ferrell) zwingen die beiden erneut auf den Weglaufsteg. he engels verlost 3 Pakete (u.a. mit Plakat und Selfie-Stick) auf engels-kultur.de Frank Brenner engels verlost 1x2 Karten für das Cinema oder Rex auf engels-kultur.de Tschiller: Off Duty D 2016 - Kriminalfilm - Regie: Christian Alvart Der Film konnte bis Redaktionsschluss nicht gesehen werden, eine ausführliche Kritik folgt im Märzheft. Start: 4.2. Mit seinen Tatort-Ausflügen brachte Til Schweiger unter der Regie von Christian Alvart („Antikörper“) Schwung in die Bude. Actionreich, grenzwertig trashig, aber durchaus erfrischend. Dass das auch für die große Leinwand reicht, davon ist Schweiger natürlich überzeugt. Und zwar so felsenfest, dass er der kritischen Presse, wie üblich, den Film vorenthält. he HAIL, CAESAR! Mein Film, mein Kino, meine Meinung 20 USA 2016 - Komödie - Regie: Ethan Coen, Joel Coen mit: Scarlett Johansson, Channing Tatum, Jonah Hill Start: 18.2. -kultur.de Forum foyer The Forest USA 2015 - Horror / Mystery - 99 Min - ab 16 J. - Regie: Jason Zada Start: 4.2. Im Wald, da lauern bekanntlich nicht nur gerne mal die Räuber, sondern auch noch so manch anderes Unheil. Auf dem japanischen Selbstmordwald Aokigahara zum Beispiel, der Name ist Programm, liegt ein dunkler Fluch. Die Amerikanerin Sara (Natalie Dormer) betritt die Gefilde, um ihre verschollene Zwillingsschwester zu suchen. Dem Dickicht gefällt’s nicht. Spuk. he Mark Tykwer und die Greenpeace-Ortsgruppe Wuppertal, Foto: David Fleschen Bilder, die die Welt veränderten Über die Entstehung von Greenpeace in der Reihe „Offstream“ The Boy USA 2015 - Horror / Thriller - 98 Min - Regie: William Brent Bell Start: 18.2. Ein englisches Elternpaar engagiert die junge Amerikanerin Greta als Kindermädchen. Nur handelt es sich bei ihrem Nachwuchs nicht um einen Menschen aus Fleisch und Blut, sondern um eine Puppe. Greta traut ihren Augen nicht. Und das erst recht nicht, als sie mit der Figur alleine ist. Bald darauf kommt sie einem dunklen Geheimnis auf die Spur. Gruseliger Thriller. he engels verlost 1x2 Karten auf engels-kultur.de Robinson Crusoe BE/FR 2015 - Trickfilm - 90 Min - o. Altersb. - Regie: Vincent Kesteloot Start: 4.2. Mit diesem Trickfilmabenteuer wird das Abenteuer von Daniel Defoes Robinson Crusoe noch einmal für die kleinen Zuschauer erzählt. Robinson strandet nach einem Schiffsunglück auf einer einsamen Insel. Einsam? Nicht ganz, denn dort haust allerlei lustiges Getier. Darunter ein Ara, den Robinson „Dienstag“ nennt. Zwei- und Vierfüßler gehen fortan durch dick und dünn. he engels verlost 1 Paket (u.a. Malbuch mit Stiften, Plüschtier) auf engels-kultur.de Sebastian und die Feuerretter F 2015 - Kinderfilm / Abenteuer - 97 Min - ab 6 J. - Regie: Christian Duguay Start: 28.1. Nein, hier geht es nicht um einen kleinen Jungen und seinem Traum davon, Feuerwehrmann zu werden! Das Abenteuer erzählt vielmehr von dem zehnjährigen Waisenjungen Sebastian, der in seinem Alpendorf auf die Rückkehr seiner Tante wartet. Als deren Flugzeug im Wald abstürzt, mobilisiert der Junge seinen Hund und einen kauzigen Piloten, um seine Lieblingsverwandte zu retten. he Mit -kultur.de beginnt die Filmwoche 21 Wuppertal, 21. Januar: Der Gründungsmoment von Greenpeace, sagt Mitgründer Bob Hunter, fand in einem Schneideraum statt. Ein paar Tage vorher hatte sich ein kleines Schlauchboot mit Hunter an Bord einem russischen Walfänger direkt in den Weg gestellt. Doch Hunters größte Sorge ist nicht etwa die beängstigende Harpune, die genau auf ihn und sein Boot gerichtet ist, sondern das Begleitboot mit den Kameras. Wird man am Ende gute Bilder von der Aktion haben? Im Schneideraum dann endlich die Gewissheit: Die entscheidende Szene ist auf Film gebannt. Heißes Material für die Abendnachrichten ist gesichert und der Grundstein für den Ruhm der Umweltorganisation gelegt. Greenpeace, zwischen Machertum und PR: Davon handelt der Dokumentarfilm „How to Change the World“, der in der Kinoreihe „Offstream“ in der Alten Feuerwache an der Gathe gezeigt wurde. „Der Film fängt eindrucksvoll den Zeitgeist der 70er Jahre ein und sagt viel über die Entstehung von Greenpeace“, sagt Offstream-Macher Mark Tykwer, der Filme zeigt, die „unter dem Radar von Mulitplex und Arthouse segeln“. Dazu haben Greenpeace-Mitglieder einen Info-Stand aufgebaut. Eine bunte Truppe. „Das Schöne ist: Hier engagieren sich Menschen von 17 und 70 Jahren“, sagt einer von ihnen. Auch der Film schlägt eine Brücke zwischen den Generationen. Man sieht das Urschiff aller Greenpeace-Boote, die „Phyllis Cormack“, gen Alaska aufbrechen, um Atomtests zu verhindern und staunt über die Aktualität der Aufnahmen. Die Umweltheroen im Jahr 1971 wirken mit ihren Hipster-Bärtchen, den bunten Wollmützen und ihrem Ansinnen, ihre Reise möglichst breit über die globalen Medien zu streuen, so nah am Zeitgeist, dass man sich nicht wundern würde, wenn Hunter und Co im nächsten Moment ihre Smartphones zücken würden, um ein paar Tweets abzusetzen. Umso größer fällt der Kontrast zu den Gegnern der Umweltaktivisten aus, die in der Tat einer ganz anderen Zeit zu entstammen scheinen. Da ist zum Beispiel der Chef der US-Atombehörde, der allen Ernstes mit Frau und Kindern zum Atomtest anreist, um dessen vermeintliche Unbedenklichkeit zu demonstrieren. Oder auch das verrostete sowjetische Walfängerschiff, das von oben bis unten mit dem tiefroten Blut der getöteten Meeressäuger überzogen ist. Es sind diese beeindruckenden Bilder, die zeigen, wie unfassbar viel Greenpeace seitdem erreicht hat. Und zwar sowohl in der Schaffung eines globalen Umweltbewusstseins, wie auch in dessen wirksamer Vermarktung, als Blaupause von NGOs und Social Entrepreneurship schlechthin. Da fällt es wenig ins Gewicht, dass die Story etwas eindimensional aus der Sicht von Hunter, dem PR-Strategen, erzählt ist, der weiß, mit welchen Gegnern man sich die mächtigsten Verbündeten schafft. Und der lieber auf eine wirkungsvolle Aktion verzichtet, anstatt unschöne Bilder zu riskieren. Richtungsweisend für NGOs ist jedenfalls Hunters Vermächtnis am Ende: Teile die Macht, und gebe jedem Mitglied Raum, seine Ideen zu verwirklichen. Passend dazu weist die Greenpeace-Gruppe im Saal auf die vielen aktuellen Themen hin, bei denen sich ein Engagement lohnt. Von TTIP bis zu Chemikalien in der Textilindustrie: „Das Beste: Bei uns muss niemand auf Schornsteine klettern, er muss noch nicht einmal Mitglied sein. Es reicht, einfach mal bei unserer Ortsgruppe vorbeizuschauen." David Fleschen klassik am rhein improvisierte musik in NRW Schnelle Finger: Lee Ritenour, Foto: Toshi Sakurai Klais-Orgel in Trinitatis, Foto: Glockendz at German Wikipedia Captain Fingers Musik im Protestantischen Dom Von Olaf Weiden Als Mittzwanziger stand Lee Ritenour auf der Festivalbühne von Montreux, er stellte in rasenden Phrasen seine legendären „Captain Fingers“ vor. Ein blonder Wuschelkopf, den Blick forsch ins Publikum gerichtet, die Zahnreihen zu Dauerblinkern umfunktioniert, eine Powerfigur mit Weltkarriere: Lee Ritenour war Ende der Siebziger eine Kultfigur auf der Gitarre, er besaß eine klassische Ausbildung, „Auf rund 2000 Alben interessierte sich aber als Gitarrist für die findet sich sein Name als komplexere Harmonik und Rhythmik des Mitspieler“ Jazz. In dieser Branche brachte er technische Fertigkeiten mit, die ihresgleichen suchten. Mit 22 Jahren engagierte ihn bereits Herbie Hancock, der aktuell einen Grammy für sein Lebenswerk erhält, Lee spielte für Barbara Streisand, Paul Simon, Steve Wonder, Quincy Jones, Steely Dan oder Pink Floyd, mit Dave Crusin erledigte Lee nebenbei eine Karriere als Filmkomponist. Dazu kamen rund 20 eigene Platten, auf rund zweitausend Alben findet sich sein Name als Mitspieler. Jetzt gastiert Ritenour gleich siebenmal in Deutschland, darunter auch in Konzerthallen in Bonn und Bochum. Von Olaf Weiden Rund 20.000 Besucher zählten die Veranstalter in der vergangenen Saison 2015, die in der Trinitatiskirche im Filzengraben, gern als „Protestantischer Dom“ zu Köln bezeichnet, diesen klangschönen und spirituellen Kirchenraum erlebt haben. Trinitatis wird seit Jahren von Kölner Musikern bespielt. Jetzt offenbarte die Kirche die Entwicklung zu einer professionell aufgestellten Begegnungsstätte für Kulturfreunde. Programm- und Organisationsleiter Wolf-Rüdiger Spieler, selbst Organist und Chorleiter, stellte das Jahresprogramm zusammen – und das kann sich sehen lassen. Trinitatis eignet sich für viele Darbietungen mit ihrem schmeichelnden Nachhall sehr gut, bei anderen weniger. Bei einem Liederabend versagt die Überakustik und wirbelt im Speziellen den Flügelklang mächtig durcheinander. Ganz toll wiederum klingt das Hausinstrument, die seit 2010 eingebaute prächtige Klaisorgel opus 1643 als „Königin der Instrumente“. Das Instrument besitzt über 3000 „In einer Weltstadt ohne Kammer- Pfeifen, wiegt rund 13 Tonnen musiksaal sind solche Institutiund wurde aus einer Aachener onen von unschätzbarem Wert“ Kirche adoptiert – ein selten praktizierter Glücksfall. Sie wirkt musikalisch sowohl in den Orgelkonzerten (jeden letzten Donnerstag im Monat um 20 Uhr, im Februar mit Johannes Geffert, dem langjährigen Kölner Hochschulprofessor) als auch bei den beliebten Orgel-Vespern mit liturgisch sparsamen Rahmen mit. Die Attraktivität der Konzerte wird dadurch gesteigert, dass der Orgelsolist und seine virtuose Tastenkunst via Beamer sichtbar und miterlebbar werden. An jedem Orgelabend wird in diesem Jahr ein Werk von Max Reger vorgestellt, an dessen 100. Todestag erinnert werden soll. In einer Weltstadt ohne Kammermusiksaal sind solche Institutionen von unschätzbarem Wert. Auch die Kölner Chorszene nutzt diese Einrichtung seit Jahren als dankbare Alternative zur Philharmonie, Rahmen und Mietkosten passen natürlich perfekt zur freien Szene. Im Februar gastiert der Konzertchor Köln mit seinem Leiter Jonas Manuel Pinto, u.a. mit einer Klavierfassung von Mozarts Requiem (13.2.). Auch exotische Veranstaltungen beehren den Raum. So werden vier internationale Gottesdienste musikalisch in andere Kulturen aufbrechen, im Februar startet das Projekt mit einer finnischen Gemeinde, indonesische, nigerianische und arabische christliche Gemeinden folgen. Das Festival Acht Brücken rückt gleich mehrfach unter dem Motto „Musik und Glauben“ als Gast in Trinitatis, mit neuen Klängen vom Asasello Quartett und dem faszinierenden Sound eines Gamelan-Orchesters. Im Februar folgt ein Portraitkonzert des Postromantikers Kurt Atterberg mit Laura De Lorenzis als Solistin (14.2), und ein Matineekonzert (21.2.) zeigt Frühlingsspitzen 2016: Die Neue Philharmonie Westfalen stellt Wunderkinder vor, die in jungen Jahren bereits Olaf Weiden an Hochschulen gefördert werden. Alle Zeichen weisen Musiker und Musikkritiker in Trinitatis auf die Zukunft. Gitarrenlegende Ritenour gastiert in Bonn und Bochum Auf seinem aktuellen Album „A Twist of Rit“ setzt er sich mit dem eigenen Œuvre auseinander (darunter Hits wie „Wild Rice“, „Fatback“, „Bullet Train“ und „A Little Bit of This and a Little Bit of That“) und geht es aus einer frischen Perspektive neu an: Wesentlichster Fortschritt ist wohl Lees eigener Sohn Wesley, der jetzt am Schlagzeug sitzt. Aber auch der in Köln geborene Keyboarder Jesse Miliner kann sich in allen von Ritenour angespielten Stilistiken sicher bewegen. Der Pianist hat sich auch wissenschaftlich mit dem Jazz befasst und sogar promoviert. Mit dem langjährigen Weggefährten neben den zwei Newcomern baut Ritenour auf seinen Stammbassisten Melvin Lee Davis, ein Mann mit einem gewaltigen Sechssaiter im Anschlag, mit einem Griffbrett wie eine Landebahn für Modellflieger. Der Bandchef liefert auch aktuell sensationelle Improvisationen, einmalig und unverwechselbar sind seine sahnig gestrichenen Oktavgänge. Im Konzert präsentiert er gern als Gegner auf den Saiten den mächtigen Melvin Lee Davis. Melvin legt dann vor, Lee zieht nach, Lee legt vor, Melvin zieht nach, immer höher, immer tiefer, immer schneller, immer verrückter – ein Battle, der es in sich hat. Und die dicken E-Bass-Saiten flattern dann unter den Klauen des riesigen Bassisten. Lee Ritenour zählt zu den Musikern, die gern in die Schublade „SmoothJazz“ abgelegt werden. Viele Jazzer wechseln schon mal in seichtes Fahrwasser, wenn es da etwas zu verdienen gibt. Aber dadurch verlieren sie ja nicht die Möglichkeit, zurück zur Kür zu finden. Ritenour lässt sich live nie lumpen – besonders nicht an so intimen Spielstätten wie in Bonn und Bochum. Di 16.2. | Bonn, Harmonie | 0228 61 40 42 Mi 17.2. | Bochum, Christuskirche | 0234 96 30 20 Orgelklänge und Gesang dominieren das Jahr www.trinitatis-koeln.de 22 textwelten Ergreifend und intensiv Von dezenter Fragilität zu vielschichtiger Hyperaktivität Seit gut 15 Jahren beglücken uns inzwischen Animal Collective mit ihrer vielschichtigen Musik. Oft mit den experimentellen Beach Boys zu Zeiten ihres Albums „Pet Sounds“ (1966) verglichen, klingt ihre Musik für manch einen Kritiker auch so, als würden zwei Beach Boys-Platten auf einmal laufen. Ihr experimenteller Gestus ringt tatsächlich permanent mit der Popaffinität des Quartetts um Avey Tare und Panda Bear. Für ihr zehntes Album „Painting With“ nahmen sie sich vier Jahre Zeit bzw. verdingten sich auch wieder bei Soloaktivitäten. In Reaktion auf die Unmengen von Platten, die derzeit im Hall ersaufen, haben sie diesen Effekt nun gestrichen. Die Songs sind insgesamt knapper, knackiger, so dass die Band scherzhaft von ihrem Ramones-Album spricht. Analoge Synthesizer blubbern durch die extrem vielschichtigen, hyperaktiven Songs, und ihre Vokalarrangements verdienen immer noch den Beach Boys-Vergleich. Als Gast taucht John Cale auf. Immer noch eine der spannendsten Bands der Gegenwart (Domino). Den Siouxsie-Vergleich werden die Savages so schnell nicht los, dafür sorgt die Präsenz der Sängerin Jehnny Beth. Dabei geht es musikalisch nicht immer in diese Richtung. Schmirgelnde Gitarren duellieren sich mit Synthies, die Rhythmusgruppe galoppiert und gemahnt an die zweite deutliche Referenz: Joy Division. Mit ihrem zweiten Album „Adore Life“ wird die düstere Indie-Girlgroup ihre Fans nicht enttäuschen. Wem der Retro-Wave auf dem Debüt zu penetrant war, der wird auch kaum mit dem Nachfolger glücklich (Matador). Will Oldham alias Bonnie Prince Billy hat in den letzten 20 Jahren sechs Mal bei John Peels BBC Radio 1 aufgenommen. Drei der Sessions werden nun auf der Compilation „Pond Scum“ zusammengefasst. Die zwölf Stücke sind aus den Jahren 1994 bis 2002, also auch unter den Namen Palace Brothers und Palace Music entstanden. Die Musik ist von allergrößter Fragilität: Oldhams Stimme zittert zerbrechlich, die Instrumentierung ist dezent – kurz: wahnsinnig ergreifend (Domino). Seit Mitte der 90er Jahre steht der Detroiter Produzent Moodyman für deepen Techno, der die Grenzen zwischen analog und digital verwischt. Für die 50. Ausgabe von DJ-Kicks macht er nun seinen allerersten DJ-Mix mit Fremdmaterial. 30 Stücke zwischen Soul, R‘n‘B, Hip-Hop und House, darunter elf bislang unveröffentlichte eigene Edits hat er für seinen 75-minütigen Mix ausgewählt und in einen Fluss von großer emotionaler Dichte verwandelt, der jedes einzelne Stück durch seine ungewohnte Nachbarschaft mit den anderen intensiv erstrahlen lässt (!K7). Ed Piskor widmet sich im zweiten Band von „Hip Hop Family Tree“, seiner Graphic Novel über die Geschichte des Rap, den Jahren ’81-’83, als die Popularität von Rap durch die ersten Platten weltweite Aufmerksamkeit erfährt, Electro-Tracks entstehen und die härtere New School mit programmierten statt gespielten Beats in den Startlöchern hockt: Run DMC, die Beastie Boys und sogar Chuck D tauchen zum ersten Mal auf. Piskor hat für seine Geschichte des Rap nicht nur alle Fakten parat, er weiß auch, die mythischen Momente in zahlreichen Szenen anschaulich zu vermitteln. Auch wenn es ein Comic ist: Schon jetzt ein ähnlich gutes Standardwerk des Hip-Hop wie David Toops „Rap Attack“ (Metrolit). Christian Meyer Chro nik d Zusam e menhs angs kompakt disk A le x a Kong nd e r K luge s groß Stund e e Suhrk amp Alexanders Kluges „Kongs große Stunde“, Ausschnitt, Cover: Suhrkamp Erzählen in der dunklen Kammer Alexander Kluge liefert phänomenales Großprojekt Eine mächtigere Gestalt als King Kong, der mit den Wolkenkratzern Kegeln spielt, hat das Kino nicht hervorgebracht. Und trotzdem gesteht Alexander Kluge, einer jener Väter des Neuen Deutschen Films, mit dem das deutsche Kino wieder auf die Europäische Landkarte fand, dass er nicht an die Macht der Kinobilder glaube. „Schön wäre es, würde in einem Dunkelraum von vielen Seiten erzählt“, sagt er, und man meint den träumerischen Unterton dieses Geständnisses noch durch die Zeilen hören zu können. Ein Stückweit hat er sich diesen Traum nun mit „Kongs große Stunde“ erfüllt, ein Buch, wie wir es in Deutschland noch nicht gesehen haben. Obwohl es durchaus Vorläufer gab, wie Heinrich von Kleists „Berliner Abendblätter“ oder Johann Peter Hebels „Kalendergeschichten“, mit denen Kluge sogar sein leicht märchenhafter Ton verbindet, wenn er von der Welt da draußen und den Begebenheiten seines eigenen Lebens berichtet. Boulevard nennt er diese Ansammlung von kurzen Texten, die das Leben so schrieb, dass sie eine Pointe ergeben, oder der Autor dieser vielleicht auch ein wenig nachgeholfen hat. Nur locker scheinen die Texte miteinander in Verbindung zu stehen, den Zusammenhang, das große Verlangen nach Sinn, müssen wir selbst herstellen. Insofern mag der ominöse Kong ein Synonym für unseren unstillbaren Wunsch sein, Dinge in Beziehung zu setzen. Aber keine Sorge! Hier ist kein experimenteller Poet zugange, der seine Ratlosigkeit hinter konfusen Formspielereien versteckt. Bei Kluge hat alles Hand und Fuß und es bereitet Vergnügen, ihm zu folgen, interessiert er sich doch schlichtweg für alles. Mit „Reparaturerfahrungen“ geht es los. „Zahn ohne Raum“ ist der Text überschrieben, der von einer Zahnoperation des kleinen Alexander erzählt und schon mit seinem Titel augenzwinkernd auf weltgeschichtliche Operationen anspielt. Der Arzt erklärt, dass er Kleinigkeiten gründlich behandelt, damit nicht das ganze Gebiss auseinanderfällt. Hätte man so doch im Großdeutschen Reich gedacht. Die Wohltaten der Reparatur demonstriert Kluge vor allem anhand von Ehegeschichten, die sich so anschaulich lesen, als würde man einen Film schauen. Lebenskluge Frauen demonstrieren, wie Zerwürfnisse und psychisch angeschlagene Männer wieder Teil eines Familiengebildes werden können. Kluges Eltern ist das nicht gelungen, für sie war die Scheidung unausweichlich. Erst allmählich wird klar, dass hier jemand seine Biografie präsentiert, nur mischt Kluge die persönlichen Anekdoten so beiläufig unter den Strom der Ereignisse, dass intime Details nicht peinlich, sondern aufschlussreich werden. Immer wieder sind es Arztgeschichten und Liebesgeschichten, die eine eigene Dramatik in das Konvolut bringen. Aber es gibt auch Ausflüge in die Historie, die Philosophie, den Krieg, die Oper, Freundschaftsanekdoten, die Neurologie oder den Blick auf die Affen oder die Geschichte der Familie Mann. Hier wird ein Formprinzip demonstriert, man schlägt das Buch an irgendeiner Stelle auf, und sofort entwickelt es seine innere Spannung. Eins verlangt nach dem anderen und schon beginnt man nach vorne oder hinten weiterzulesen. Ein Buch, mit dem man nie an ein Ende kommt, das man in zehn Jahren noch aus dem Regal nehmen wird und sofort gepackt ist, vom genauen und stets ein wenig amüsiert klingenden Ton, mit dem Kluge seine Fundstücke aus der Wirklichkeit vor uns ausbreitet. Thomas Linden Alexander Kluge: Kongs große Stunde | Suhrkamp | 680 S. | 38 € 23 comickultur wortwahl Politisch, historisch, fantastisch Fasteleer Gegen Vorurteile kann man sich den Mund fusselig reden. Oder man kann gegen sie anzeichnen. Letzteres haben Tim Dinter, Jens Harder, Jim Avignon, Mawil, Barbara Yelin uvm. beherzigt. Für das Projekt „Bildkorrektur – Bilder gegen Bürgerängste“ haben sie sich zur Künstlergruppe „Die bunte Seite der Macht“ zusammengetan, um mit Fehlinformationen zum Thema Flüchtlingskrise aufzuräumen und Hintergründe zu beleuchten. Die Arbeiten findet man auf dem Blog bildkorrektur.tumblr.com, die Inhalte dürfen geteilt werden. Auch Hamed Eshrat macht bei Bildkorrektur mit. Der in Berlin lebende Zeichner hat bereits in Frankreich Comics veröffentlicht, „Venus Transit“ ist sein Debüt in Deutschland: Ben nervt sein IT-Job, mit seiner eigenen, freien Arbeit als Zeichner will es auch nicht so recht weitergehen und mit seiner Beziehung zu Julia geht es auch bergab. Bens Pessimismus erträgt sie nicht länger, sagt Julia. Und in der Tat: Ben steckt fest, und erst eine Reise führt ihn wieder zu sich. Eshrat beherrscht das Medium: Er zeichnet nicht nur lebendig, sondern auch die Story ist flüssig erzählt, so dass es den Leser von Seite zu Seite zieht. Dazu hat er ein gutes Gespür für Verknappung und allegorische Motive. Und mitunter nimmt er sich die Freiheit zu zeichnerischen Experimenten, Verdammt lang her, dass der Saddam in den Karneval geplatzt kam. Um genau zu sein: 25 Jahre. Und: Es waren nicht Saddam und seine muslimischen Horden, sondern die Amis, die im Dienste der Weltwirtschaft der Partylaune den Garaus bereiteten. Multimedial zugedröhnt von zielgenau lancierten Propaganda-Raketen verging etlichen bereits so das Feiern. Dem Rest verweigerte man aus vermeintlichen Pietätsgründen den Straßenkarneval. Was blieb, war die Wiederaufnahme der Geisterzüge, um der kölschen Seele Genüge zu tun: mit ’nem Bier in der Hand und ’nem diabolischen Grinsen im Gesicht der Obrigkeit den Stinkefinger zu zeigen. die er ganz wunderbar in die berührende Geschichte einbettet (Avant Verlag). Noch ein Debüt: Lukas Kummer legt mit „Die Verwerfung“ einen düsteren Brocken vor: Seine beinahe holzschnittartig gezeichnete Erzählung begleitet zwei Geschwister durch das Elend des Dreißigjährigen Kriegs. So grob die Zeichnungen, so grob die Geschichte in einer apokalyptisch anmutenden Welt, die neben der historischen Referenz gleichermaßen an „The Walking Dead“ oder aktuelle Kriegskonflikte erinnert. Unbarmherzig schildert Kummer das Leben der beiden Kinder und ihre brutale Umgebung, der sie sich zunehmend angleichen. Ein erstaunliches und ungewöhnliches Debüt (Zwerchfell). Geisterzug voll widersprüchlich krakeelender und mobbender Mägde und Knechte, die nicht merken, dass sie sich ins eigene Knie schießen. Es gibt viele mögliche Comicwelten Mit dem Hörspiel „Der Papagei von Batignolles“ haben der ComicMeister Jacques Tardi und Michel Boujut in den späten 90er Jahren eine Art erwachsenen Tintin imaginiert, jetzt hat Stanislas daraus einen Comic gemacht: Der erste Teil „Der enigmatische Monsieur Schmutz“ erzählt von einem verworrenen Fall mit mehreren Morden, und zwischendrin Oscar, Tonmann beim Radio, und seine alleinerziehende Freundin mit pubertierender Tochter. Die hohen Erwartungen werden nur bedingt erfüllt. Einerseits ist die Story klassisch erzählt und gezeichnet, andererseits ist der normale Erwachsenenalltag mit allem, was bei Tintin fehlte, schon sehr reizvoll. Mal sehen, wie sich der Fall entwickelt (Carlsen). Wiederentdeckt: Nach „Die sechs Reisen des Lone Sloane“ von 1970/71 erscheint mit „Lone Sloane – Delirius“ nun die Fortsetzung des außergewöhnlichen Science-Fiction-Klassikers, die Philippe Druillet 1972 nach einem Szenario von Jacques Lob gezeichnet hat. Dieses Mal steuert unser geheimnisvoller, düsterer Held den titelgebenden Vergnügungsplaneten an, der mit seinen aberwitzigen Figuren durchaus als Vorbild für etliche SF-Filme wie „Blade Runner“ gedient haben könnte. Druillets opulente Zeichenkunst steht hingegen vollkommen in der Tradition der Psychedelic der 70er Jahre – nur das hier rein gar nichts friedlich ist. Den dezenten Humor dieses galoppierenden Irrsinns hingegen könnte Moebius bei „John Difool“ im Hinterkopf gehabt haben. Ein morbider Weltraumspaß mit fantastischen, farbintensiven Bildern (Avant Verlag). Christian Meyer Ein kleiner Geisterzug durch die Literatur Ein Vierteljahrhundert später ist aus Diabolik Grenzdebilität geworden. Das Kölsch steht zwar immer noch auf dem Tresen; mittlerweile allerdings reichlich schal. Der ganze Nahost-Krisen-Terror hat sich einfach nicht unter den Tisch trinken lassen. Stattdessen stehen auch noch Saddams Enkel als das personifizierte Böse direkt vor unserer Tür. In 0,nix tanzen Wut und Ohnmacht ihren abstoßenden Ringelpietz mit Anfassen. Und im Hintergrund reibt sich das Kapital als eigentliche Macht schamlos die Hände. Im Ausnahmezustand ist sich jeder selbst der nächste. Ein Bei Maria der Versauten oder Margot der Schlange lehnt man sich noch amüsiert zurück: Welch köstliches Dramolett, wenn in penetrantem Größenwahn verblendete Blaublüter Generation für Generation Irina Teodorescus „Fluch des schnauzbärtigen Banditen“ [Wagenbach] anheimfallen. / Bei James Carlos Blakes „Pistolero“ [Liebeskind] hingegen muss man schon schlucken: John Wesley Hardin, der schießwütigste unter allen Wild West Gunfightern, macht sich beim Leser sicherlich nicht als Pazifist beliebt. Vielmehr ist es die offensichtlich-unaufhaltsame Abwärtsspirale der Gewalt, die den texanischen Sympathiebrocken wie auch unsereinen mit sich reißt. / Wahrhaft gruselig wird‘s jedoch erst bei Martin Amis. In lakonischem Zynismus lässt das Enfant Terrible der englischen Literatur die Bestialität des Holocausts an der perfiden Egomanie des Menschen zerschellen, der zu jeder Sekunde allein auf seinem persönlichen „Interessengebiet“ [Kein & Aber] wandelt. Insofern braucht auch kein Gutmensch darauf zu setzen, dass wie in Neal Stephensons „Amalthea“ [Manhattan] der Mond explodiert und die Erde verbrennt. Technisch detailliert und actiongeladen beschreibt das Sci-FiGenie, wie der Mensch quasi heute schon in der Lage wäre, seine soziale Dysfunktionalität ins All und wieder zurück zu retten. / Man könnte natürlich auch „Über Yoga“ [Taschen] versuchen, die Menschheit wieder ins Gleichgewicht zu führen. Im Angesicht von Michael O‘Neills schwärmerischem Fotobildband zu dieser „Architektur des Friedens“ steht allerdings zu befürchten, dass sich das gemeine Volk Geist und Körper verrenkt, während sich die Chosen Few erneut ins Fäustchen lachen. / Bliebe noch „Billy“ [Insel] als philosophisch talentierter Auftragsmörder, um die wahren Strippenzieher das Fürchten zu lehren. Doch so wunderbar sich dieses Szenario aus einzlkinds samtschwarzer Feder lesen ließe, wäre es doch ein zu abruptes Ende. Mal ganz davon abgesehen, dass dem Nubbel der Stoff ausginge. Lars Albat 24 kunst & gut Paul Signac, Notre Dame, die Insel Saint-Louis im Sonnenlicht, 1884, Ausschnitt, © Foto: Von der Heydt-Museum Als da noch wäre „Herzklopfen“ im Von der Heydt-Museum Einige Bilder sind wie alte Bekannte. Es ist schön, sie wieder zu treffen. Sie haben immer etwas mitzuteilen und regen unsere Gedanken an. Innerhalb der Sammlung des Von der Heydt-Museums sind diese Spitzenwerke so wichtig, dass sie über die Jahre hinweg in verschiedenen Kontexten präsentiert wurden. Diesmal ist der Hintergrund die Stiftung von Eduard von der Heydt (1882-1964), dessen Sammlung zeitgleich in den beiden oberen Stockwerken ausgebreitet ist. Über diese opulente Schau mit dem Titel „Weltkunst“ hinaus zeigt das Mezzanin-Geschoss nun weitere Werke, die August von der Heydt dem Museum überlassen hat, und zudem solche, die über seine Stiftung nach und nach erworben werden konnten. Ausgangspunkt ist die klassische Moderne, und die Ausstellung endet mit Ankäufen der Gegenwartskunst von Klaus Rinke, Sigmar Polke und Neo Rauch. Es ist eine kuratorische Leistung, dass in den vier Räumen über 100 Jahre disparater Kunstgeschichte schlüssig zusammenfinden, Inhalte vertiefen und stilistische Phänomene herausarbeiten. Die Ausstellung sortiert, konfrontiert und setzt Schwerpunkte, die von den Blickachsen unterstützt werden. Klar, dass sie mit einem Meisterwerk beginnt, mit Claude Monets Gemälde „Blick auf die Creuse“ (1889), welches den Verlauf des Flusses zwischen den bewachsenen Steilhängen in satten Blau-, Grün- und Brauntönen festhält. Ebenso ist Félix Vallottons „Liegende mit blauen Spielkarten“ (1914) an der Stirnwand des nächsten Raumes ein koloristisches Ereignis. Aber die augenblickliche Anziehung erwidert der Frauenakt selbst mit einer kühlen Distanziertheit. Das Geheimnis liegt in den Spielkarten neben ihr... Eine Ausstellung für sich ist im Kabinett mit den Werken von Karl Röhrig (1886-1972) und Christoph Voll (1897-1939) eingerichtet. Sie ruft die beiden sozialkritischen Bildhauer und Zeichner ins Bewusstsein und bezieht sie nun noch intensiver als bei Röhrigs Wuppertaler Ausstellung 2012 aufeinan- 25 der. Beeindruckend sind schon die drei Zeichnungen von Kriegskrüppeln von Christoph Voll. Zudem unterstützt – kontrapunktisch in diesem Raum – das Gemälde „Die Industriebauern“ (1920) von Georg Scholz den anklagenden Ton. Es zeigt eine Familie in ihrer Wohnung mit allerhand ätzenden Details, welche die Profiteure des Ersten Weltkriegs bloßstellen. Den Bezug zur Realität hat Georg Scholz dadurch gesteigert, dass er Papierschnipsel in das Bild collagiert hat – man muss es einfach im Original im Museum sehen. „Die Industriebauern“ verleihen zugleich der benachbarten Bonzen-Skulptur von Karl Röhrig Gewicht. Und indirekt weist das alles schon auf die jüngste Neuerwerbung der Stiftung, die ganz am Ende von „Herzklopfen“ ausgestellt ist: auf das Porträt eines Herren der feinen Gesellschaft (1925) von Josef Scharl. Das assoziative Spiel der motivischen Verwandtschaften mit teils weniger bekannten Bildern setzt sich auch in der Abfolge im zentralen Saal fort. Das betrifft etwa das wuchernd Kleinteilige bei Fautrier, Dubuffet und Tanguy und die geometrisch verknappte Figurendarstellung bei Schlemmer und Léger. Freilich ist etwas bedauerlich, dass nicht doch noch das eine oder andere Pendant aus dem Wuppertaler Museumsbestand dazu gehängt wurde – okay, hier geht es eben um die Von der Heydt-Stiftung. Die zentrale Perspektive von „Herzklopfen“ lenkt den Blick schließlich auf das Ende dieses Saales mit Picassos liegendem Frauenakt (1964), dem Frauenporträt von Alberto Giacometti (1962) und Francis Bacons Selbstbildnis-Studie (1981): In allen drei Werken wird ein fragiles Menschenbild vor Augen geführt. Sie sind Ausdruck für eine Zeit, in der nichts mehr so ist, wie es mal war. Wie alle gute Kunst – und davon gibt es hier viel – teilen solche Werke eben Substanzielles zum Zustand ihrer Gesellschaft mit. Thomas Hirsch „Herzklopfen. Bilder der Von der Heydt-Stiftung“ | bis 28.2. Von der Heydt-Museum | 0202 563 62 31 kunstwandel kunst in NRW Agnes Martin, Ausstellungsansicht Kunstsammlung NRW, © ARS, New York; VG Bild-Kunst, Bonn Foto: Achim Kukulies, Kunstsammlung NRW Ausstellung „1 in 3”, Foto: Peter Ortmann Ein Punkt in der Zeit Ganz still „1 in 3“: Ausstellung gegen Gewalt an Frauen Agnes Martin in Düsseldorf Was braucht es noch, um dich wütend zu machen? Das ist keine einfache Frage, sondern ein Untertitel. Reichen die Vorgänge eines Mobs in der Silvesternacht in Köln, reichen vielleicht die verheimlichten Vorgänge in Berlin? Oder geht es uns besser, wenn wir erfahren, dass in derselben Nacht in Chemnitz ein 13-jähriges tunesisches Mädchen von Nazis krankenhausreif getreten wurde? Diese Fragen darf man sich gar nicht erst stellen. Spätestens wenn man im Bonner Frauenmuseum neben „One in Three“ auch die Ausstellung „Die Dinge beim Namen nennen – Gewalt gegen Frauen im Alltag“, die von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) organisiert wurde, gesehen hat, dann weiß man worum es weltweit eigentlich immer geht: um Zwangsprostitution, sexuellen Missbrauch, Frauenhandel, Zwangsehe, Kinderheirat, Genitalverstümmelung und häusliche Gewalt, eine gruselige Liste also. „1 in 3 – What does it take for you to be outraged?“ ist erstmals in Deutschland zu sehen und der Ausstellungstitel spielt auf ein Tabuthema an: Eine von drei Frauen wird nämlich immer Opfer von Gewaltanwendungen. Und in der Liste ist die Kindersoldatin, die man in der ersten Etage des Frauenmuseums zuerst wahrnimmt, nicht einmal vertreten. Ihr Portrait hängt in unmittelbarer Nähe von Ellen Johnson Sirleaf, der liberischen Friedensnobelpreisträgerin von 2011, selbst auch nur mit viel Glück einer Vergewaltigung entkommen. Von Thomas Hirsch Zu Lebzeiten wurden die Bilder von Agnes Martin (1912-2004) selten gezeigt und nach ihrem Tod noch seltener. Nicht, dass es kein Interesse gegeben hätte, im Gegenteil. Aber die Gemälde sind in alle Welt verstreut und vielfach in Privatbesitz und natürlich Kostbarkeiten, auch im übertragenen Sinne: in der Feinheit ihrer Malerei. Sie sind gegenstandsfrei und bestehen, überwiegend quadratisch, aus Streifen, Feldern, Rastern in heller Farbigkeit. Die tonale Verhalten„Eine stille Sensation“ heit hat Agnes Martin dadurch erreicht, dass sie einen weißen Gipsgrund angelegt und auf diesem mit verdünnter Acrylfarbe gemalt hat. Ganz lapidar, mit von Hand gezogenen Linien, sind diese Werke für das Sehen hoch komplex, ja, unerschöpflich: Die Retrospektive, die derzeit die Kunstsammlung NRW ausrichtet, ist eine stille Sensation. Und während die Besucher durch die informative wie emotionale Ausstellung streifen, klackert es fast seriell und aufgeregt hinter einem Vorhang. Bei mehr als ein Dutzend KünstlerInnen ist der allerdings nicht schnell zu finden, er verhüllt allerdings nicht, sondern verdunkelt Anna Sophie von Hollebens Video-Animation „Rächerinnen“ (2014), in der indische Frauen sich gegen die Vergewaltiger wehren, sie verfolgen und – „sie zu Kleinholz machen“. Eine ganz zauberhafte Idee. Peter Ortmann Dabei beginnt die Düsseldorfer Ausstellung unruhig, die verschiedenen Werkgruppen konkurrieren fast miteinander. Deutlich wird aber, dass Agnes Martin nach realistischen Anfängen schon in den 1950er Jahren zu abstrakten Reihungen in großer Variabilität gelangt ist, ehe sie sich in den frühen 1960er Jahren auf horizontale und vertikale Raster und Linien beschränkt. Und dass die grandiosen Gemälde mit den breiten pastellfarbenen Bahnen ihre Vorgeschichte haben. Gleich am Eingang zeigt ein kleineres realistisches Gemälde von 1947, wie ernst es Agnes Martin von früh an war, interessanterweise ist es ein Selbstbildnis. Schon bei ihm ist die Sorgfalt und Genauigkeit im Setzen jeder einzelnen Farbpartie zu erkennen, wie sie dann das kommende Werk auszeichnen. Mit dieser Beharrlichkeit und ihrer Zurückgezogenheit am Ende der Welt, in New Mexico, war Agnes Martin schon zu Lebzeiten legendär. Freilich hat sie zunächst an der New Yorker Kunstszene partizipiert. In Kontakt etwa mit Jasper Johns und Ellsworth Kelly, lebt die gebürtige Kanadierin ab 1957 in der Kunstmetropole. 1967 dann der Bruch. Sie verlässt New York, gibt das Malen auf und reist eineinhalb Jahre durch die Staaten und Kanada. Anschließend baut sie sich ein Holz- und Lehmhaus in New Mexico. Erst 1974 wird sie wieder die Malerei aufnehmen – als große Künstlerin war sie da schon anerkannt. 1972 wurden ihre Bilder auf der documenta gezeigt, ab 1975 vertritt sie die New Yorker Pace Gallery. Später erhält sie den Oskar-Kokoschka-Preis sowie den Goldenen Löwen der Biennale Venedig. Tatsächlich registriert Agnes Martin sehr bewusst die Kunst ihrer Zeit. Ihre Malerei reagiert auf den Abstrakten Expressionismus und die Minimal Art und trägt noch zur US-amerikanischen Farbfeldmalerei bei. Aber das hat sie selbst in ihren theoretischen Schriften wenig interessiert. Vielmehr lag ihr daran, eine Transzendenz parallel zu Phänomenen der Natur Thomas Hirsch zu erreichen und zu vermitteln – als „eine Erfahrung Kunsthistoriker, Kurator und Journalist einfacher Freude“. „1 in 3 – What does it take for you to be outraged?“ | bis 8.3. | Frauenmuseum Bonn | 0228 69 13 44 Agnes Martin | bis 6.3. | K20 Kunstsammlung NRW in Düsseldorf 0211 838 12 04 Die zentrale visuelle Installation aber sind großformatige Fotografie-Fahnen von brasilianischen Männern, die darauf alle Tafeln präsentieren: „Real men don´t beat women“. Weltweit ist diese Kampagne auch von Hollywoodgrößen wie Ashton Kutcher, Jamie Foxx und Sean Penn und vielen anderen unterstützt worden. Auch mit unterschiedlichen Sprüchen: „Real men don´t buy girls“. Gleich dahinter sitzen die zwei schwarzen Aufanischen Matronen von Museumschefin Marianne Pitzen an einem Tisch. Die keltische Göttinnen, die zur Römerzeit in Bonn verehrt wurden, klagen heute die Weltgemeinschaft an, Frauenleben nicht schützenswert zu finden. Kaum zu glauben: Selbst in Deutschland ist eine sexuelle Handlung gegen den ausdrücklichen Willen einer erwachsenen Person bisher nicht immer strafbar. Nur wenn entweder körperliche Gewalt angewendet wird, mit Gewalt gedroht wird oder eine schutzlose Lage ausgenutzt wird, droht vielleicht das Gefängnis. Einfach nur „Nein“ zu sagen reicht dafür nicht. Kein Wunder, dass nach den Kölner Vorfällen die Verkaufszahlen für Pfefferspray in die Höhe schnellen. 26 kunst-kalender MÜNSTER – Kunsthalle www.kunsthalle.muenster.de Nic Hess bis 28.2. Der Schweizer Künstler mit einer begehbaren raumbezogenen Montage aus Elementen, die aus früheren seiner Arbeiten stammen und um Konsum kreisen NEUSS – Langen Foundation www.langenfoundation.de Olafur Eliasson bis 21.2. Anhand von Werken der Jahre 1994 bis 2015 aus der Sammlung Boros wird Eliassons Ansatz deutlich, Ästhetik und Naturwissenschaften zusammenzuführen OBERHAUSEN – Ludwiggalerie www.ludwiggalerie.de American Pop Art bis 16.5. Druckgraphische Editionen und Auflage-Objekte der Großmeister der amerikanischen und internationalen Pop Art aus der Sammlung Beck REMAGEN – Bahnhof Rolandseck www.arpmuseum.de Menschenskinder bis 14.8. Kinderdarstellungen vom Mittelalter bis in die Gegenwart aus der Sammlung Gustav Rau gemeinsam mit Fotografien des UNICEF Foto-Wettbewerbs SOLINGEN – Kunstmuseum www.kunstmuesum-solingen.de Heinz Peter Knoop bis 6.3. Ausstellungsansicht Weltkunst, Von der Heydt-Museum, © Foto: Günter Lintl Der 1947 geborene Solinger Bildhauer mit seinen Holzskulpturen, Schieferreliefs und Farbzeichnungen von kokonartig organischen Figurationen Museumslandschaft NRW BERGISCH-GLADBACH – Villa Zanders UNNA – Zentrum für Lichtkunst DÜSSELDORF – K20 HAMM – Gustav-Lübcke-Museum www.kunstsammlung.de www.museum-hamm.de Friedrich Schröder-Sonnenstern bis 13.3. Die erotischen und fantasievoll versponnenen Buntstiftzeichnungen des Berliner Künstlers (1892-1982), der seit einigen Jahren wiederentdeckt wird Agnes Martin bis 6.3. Werküberblick zur legendären amerikanischen Malerin (1912-2004) mit ihren Rastern, Streifen und Bahnen in einer zurückgenommenen Farbigkeit BIELEFELD – Kunsthalle DÜSSELDORF – Kunsthalle Sehnsucht Finnland bis 16.3. Hauptwerke der finnischen und schwedischen Malerei um 1900, in denen die nordische Bildsprache die westeuropäische Klassische Moderne einfließen lässt www.villa-zanders.de KÖLN – Museum für Angewandte Kunst www.kunsthalle-bielefeld.de www.kunsthalle-duesseldorf.de Einfühlung und Abstraktion bis 28.2. Positionen der Malerei von Frauen seit Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre in Deutschland mit Einblicken in die gegenwärtige Malerei Song Dong bis 13.3. Werkschau des chinesischen Installationsund Konzeptkünstlers, der, weltweit gefragt, den Umgang mit Emotion und den Verbrauch der Ressourcen thematisiert BONN – Bundeskunsthalle www.bundeskunsthalle.de Isa Genzken bis 17.4. Die Biennale- und documentaTeilnehmerin mit Modellen für Außenskulpturen, die ihren Umgang mit minimalistischen und opulenten Tendenzen dokumentieren BONN – Kunstmuseum www.kunstmuseum-bonn.de Susanne Paesler 28.1.-5.6. Die früh verstorbene Malerin (19632006) mit konzeptuell motivierten ungegenständlichen Bildern, die u.a. auf Gebrauchsmuster reagieren BOTTROP – Museum Quadrat www.quadrat-bottrop.de www.makk.de RADIO Zeit bis 5.6. Die Gestaltung der „Hülle“ in 120 Jahren Radio vom Röhrengerät bis zum Internetradio mit Beiträgen von herausragenden internationalen Designern ESSEN – Museum Folkwang KÖLN – Museum Ludwig www.museum-folkwang.de www.museum-ludwig.de Pierre Soulages bis 26.6. Der französische Altmeister der gegenstandsfreien Malerei mit zwei frühen und drei aktuellen ganz schwarzen Bildern, konzentriert in einem Raum Joan Mitchell bis 21.2. Die Hauptvertreterin des abstrakten Expressionismus, die in den 1950er Jahren von New York nach Frankreich zog und die Naturerfahrungen in Malerei übersetzte GLADBECK KREFELD – Museen Haus Lange/Esters www.neue-galerie-gladbeck.de www.kunstmuseenkrefeld.de Martin Kobe 29.1.-1.4. Martin Kobe (*1973 in Dresden) dekonstruiert in seinen lichtdurchfluteten Malereien Architektur mittels ihrer Strukturen, Blickpunkte und Perspektiven Show & Tell bis 21.2. Ein Querschnitt durch die Grafische Sammlung der Kunstmuseen Krefeld vom 19. Jh. bis in die Gegenwart mit Unikaten und druckgrafischen Auflageblättern HAGEN – Osthaus Museum LEVERKUSEN – Bayer Erholungshaus www.osthausmuseum.de www.kultur.bayer.de Andreas Karl Schulze 21.2.-8.5. Der Kölner Maler, der mit seinen raumbezogenen Interventionen mittels winziger Farbquadrate bekannt wurde, mit einem Beitrag zum Bottroper Museum Stephan Balkenhol bis 27.3. Balkenhol (*1957) wurde als Holzbildhauer bekannt, der Männer und Frauen sachlich in alltäglicher oder festlicher Kleidung darstellt; ausgestellt sind seine Bronzen Klassentreffen bis 3.4. Die Klasse von Heribert C. Ottersbach an der HGB Leipzig mit Positionen zur Malerei zwischen Konzept, medialer Selbstreflexion und ihrem Verständnis DORTMUND – Dortmunder U HAGEN – Schumacher Museum LEVERKUSEN – Museum Morsbroich www.dortmunder-u.de www.esmh.de www.museum-morsbroich.de Dortmunder Neugold bis 1.5. Eine Ausstellung mit angewandten Produkten, Plakaten, Objekten und Kunst und Filmen aus Anlass des 500-jährigen Jubiläums des Reinheitsgebots Zdenek Sykora bis 14.2. Werkübersicht zum tschechischen Maler, der mit seinen geschwungenen Farbbändern auf weißem Grund zu den Pionieren der computergesteuerten Kunst gehört Aufschlussreiche Räume 31.1.-24.4. Eine internationale Themenausstellung in unterschiedlichen Medien, die aufzeigt, wie Räume und deren Einrichtung zu Porträts und biografischen Hinweisen werden 27 www.lichtkunst-unna.de Dark! bis 3.4. Vier meisterliche Installationen zur zeitgenössischen Lichtkunst in dunklen Räumen, begleitet von Fotografien der Amerikanerin Lucinda Devlin Meine Kunst? [email protected] Wir freuen uns auf Post. WILLICH – Galerie Schloss Neersen www.stadt-willich.de Michael Kortländer bis 14.2. Der Düsseldorfer Bildhauer mit seinen Skulpturen und Reliefs aus Wellpappe, die teils heraldisch wirken und teils in die Struktur der Ausstellungsräume eingreifen WUPPERTAL – Skulpturenpark www.skulpurenpark-waldfrieden.de Thomas Virnich bis 21.2. Alte und neue Objekte von Thomas Virnich (geb. 1957), der Modelle von Architekturen anfertigt und diese zerlegt, umstülpt und neu zusammensetzt WUPPERTAL – Von der Heydt-Museum www.von-der-heydt-museum.de Weltkunst bis 28.2. Die Sammlung Von der Heydt mit ihren Meisterwerken vom europäischen Mittelalter bis zur klassischen Moderne und ebensolchen außereuropäischen Werken Empfehlungen von Thomas Hirsch zungen www.liveclub-barmen.de ................ Wuppertal ................................ 06.02. SALON DE SALSA mit .Salsa . . . .Disco .... -zungen 13.+14.02. DIE BARMER Foto: I. Arndt, Montage: K. Nikolic KÜCHENOPER ............ Barmen 2. Janr 1890 19.02. JÖRG DEGENKOLB-DEGERLI .Lay-Down-Tragedy . . . . . . . . . . . . . Lesung ...... 20.02. REGICIDE .Heavy . . . . Metal ..... 26.02. KABARETT NOTBREMSE .Das . . .13. . . Programm ........ 27.02. FALK support .Liedermacher ......... JOHANNA ZEUL 27.02. BOUNCE .Bon . . .Jovi . . .Tribute . . . . . Band .... .Preview ....... 10.03. MONO INC. Terlingua Tour 2016 ............... 11.03. JOSCHO STEPHAN TRIO .Gypsy . . . . Swing ..... 12.03. POTHEAD Rock .... 18.03. MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN Aggroshanty Tour 2016 ................. 19.03. KINGS OF FLOYD A Tribute to Pink Floyd ................. Verehrter Freund! Lieber Friedrich. Hiermit wollte ich Dir hauptsächlich unsere Glückwünsche zum neuen Jahre senden. – Hoffentlich hast Du es gesund begonnen und bist von der Influenza verschont geblieben! Schreibe mir mal, wie es Dir geht. – Bei uns wird es nun in den nächsten Tagen sehr stille werden. Unsere Clara mit ihren Kindern etc. waren seit Juli bei uns, da ihr Mann auf 3 ½ Monate in Amerika war, u. erst kurz vor Weihnachten nach hier zurückkehrte. Morgen wollen sie uns nun Alle wieder verlassen, u. man kann es merken, wenn 7 Personen das Haus verlassen haben. – Unser Jüngster Walter, der sich im 3ten Semester in Heidelberg befindet, ist jetzt, während der Ferien noch bei uns und beschäftigt sich damit, mit seinem zu Weihnachten erhaltenen photographischen Apparat seine Umgebung zu photographiren, oder zu typen, wie er es nennt. – Glücklicherweise ist sein Gesicht bis jetzt noch glatt geblieben; er hat die Schmisse alle auf den Kopf bekommen! Einige alte Freunde sind vor Kurzem von hier weggenommen worden: Fritz Osterroth starb kürzlich eines Abends um 11 ¾ Uhr an einer Lungenlähmung, nachdem er am gleichen Abend noch bis 10 Uhr Skat gespielt u. sich über seinen Gewinn gefreut hatte. – Und Aug. Boelling ist auch am Tage vor Weihnachten gestorben; er war ca. 3 Wochen vorher etwas leidend, wurde dann immer schwächer, bis es zu Ende war. Er war fast 80 Jahre alt geworden. Uns geht es, Gottlob, noch gut. Emma fühlte sich zwar gestern etwas unwohl, sie hat aber vorhin eine große Schnitte von einem Neujahrsplitz mit gutem Appetit verzehrt, u. so wird es wohl nicht schlimm werden. […] Nun, lasse mal bald wieder etwas von Dir hören u. sei von uns Allen herzlich gegrüßt. Dein Hermann. engels zungen in der Engels-Stadt: Wir lassen Zeitgenossen des Kapitalisten und Revolutionärs zu Wort kommen, zitieren Briefe an Wuppertals berühmten Sohn. 20.03. SALSA IN DER CITY Open Air ....... ........................... Geschwister-Scholl-Platz 4-6 42275 Wuppertal - 0202 563 6444 ieser Veranstalt hd un uc g es dem culture without limits ltur . dku en ug Mit u einen dire kte st d n ste lei B Förderverein HDJ & LCB r den Erhalt g fü de rJ itra Be in deiner Stadt Hier schreibt Hermann Engels (1822-1905) seinem älteren Bruder Friedrich. Hermann war seit 1855 mit Emma verheiratet, deren Unwohlsein tatsächlich bald vorüberging. Der Neujahrsplitz, ein süßer flacher Kuchen, hat ihr womöglich zur raschen Genesung verholfen. Ihr Sohn Walter war, wie man sieht, Mitglied einer schlagenden Verbindung. 28 Marx-Engels-Gesamtausgabe, Briefwechsel, Band 30, Berlin 2013, S. 129; die Abbildung zeigt Engels 1877. Die Vorlage für den Stich bildet eine Fotografie, die Engels seinem Bruder Hermann „dedizierte“, also widmete. auswahl Bühne BÜRGERBAHNHOF VOHWINKEL Fr 26.2. 20 Uhr Jens Neutag: Das Deutschland-Syndrom Jens Neutag zu Besuch in der bergischen Heimat. Mit seinem Programm „Das Deutschland-Syndrom“ fühlt der Kabarettist schon seit einiger Zeit den Eigenheiten unseres mal mehr mal weniger lustigen Völkchens auf den Zahn. Sein Befund: In Deutschland gibt es durchaus Ansätze von Schizophrenie. Neutag ist dabei bissig ohne beleidigend zu sein und schafft es, aus wenig mehr als Fakten nicht nur ein Stimmungsbild des Landes zu zeichnen sondern dabei auch noch ansteckend komisch zu sein. Info: 0202 89 79 89 53 DIE BÖRSE Di 16.2. 20 Uhr Bert Rex Magie auf die harte Tour Die Herkunft des Jazz hört man den Songs von a.tronic noch an. Mit dem neuen Album „tangible“ öffnet sich das fünfköpfige Ensemble aber vielen anderen Stilrichtungen von Pop bis Singer/ Songwriter und schreckt dabei auch vor eingängigen Soundmustern nicht zurück. Seele der Songs ist die wunderbar zarte Stimme von Sängerin Franziska Loos. Die lernte der a.tronic-Initiator und Jazz-Echo prämierte Bassist André Nendza übrigens gleich um die Ecke bei einem Workshop in Remscheid kennen. Info: 0202 69 85 19 33 kinder der Klassikszene. Mit neun Jahren spielte er sein erstes Konzert, mit 15 erschien die erste Solo-CD und mit 17 war er bereits ein Star. In Wuppertal spielt der 20-jährige Ausnahmepianist gemeinsam mit dem Zürcher Kammerorchester ein Programm, das gut zur zeitlosen Eleganz der Historischen Stadthalle und zur natürlichen Spielweise Liesickis passt. Es erklingen die Klavierkonzerte Nummer 20 und 21 von Mozart und Schuberts Fünfte Symphonie. Info: 0202 24 58 90 LCB Sa 20.2. 20:30 Uhr Regicide - Very special guest: Obscurity Immer wieder donnerstags. Das erste Mal im neuen Jahr laden die Wuppertaler Wortpiraten David Grashoff und André Wiesler zum Wortex Poetry Slam. Diesmal versprechen die Macher neben einem dicken Mann und einem Halbfranzosen (also sich selbst) sechs weitere Wortakrobaten auf der Bühne. Vormerken darf man sich auch schon mal die insgesamt neun weiteren Termine der Slam-Serie 2016: So gibt es im Juni die Wuppertaler Slam-Meisterschaften. Im September wird dann ein Porno Slam geboten. Info: 0202 24 32 20 LCB Fr 19.2. 20 Uhr Jörg Degenkolb – Einer lag im Kuckucksnest DIE FÄRBEREI Fr 22.1. 20 Uhr Homebase - Brenda Boykin Eine Mischung aus Magie, Varieté und staubtrockenem Humor verspricht der Zauberkünstler Bert Rex. Rex ist ein bisschen Hommage an den Conférencier aus dem Film „Cabaret“ und ein bisschen tragischer Held. Zwischen der Zelebration seines eigenen Scheiterns gelingen dem Thüringer dabei immer wieder erstaunliche Zaubertricks, die ihm schon Engagements auf den großen Varieté-Bühnen des Landes einbrachten. Als Veranstaltung des Wuppertaler Zaubersalons gilt auch an diesem Abend: Eintritt gegen Spende. Info: 0202 24 32 20 OPERNHAUS WUPPERTAL Mi 10.2. 19.30 Uhr Der Blaue Reiter ist gefallen. Oder: Europa am Abgrund Das Theater Anderwelten nimmt den Zuschauer mit auf eine Zeitreise an den Anfang des letzten Jahrhunderts. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war geprägt von Aufbruchsstimmung und Fortschrittsglauben. Die gebürtige Elberfelderin Else Lasker-Schüler unterhielt zu dieser aufregenden Zeit einen Briefwechsel mit dem Künstler Franz Marc. Die Aufführung im Wuppertaler Opernhaus fängt den Zeitgeist – zwischen Optimismus und herannahender Katastrophe – in ihrer multimedialen Schauspiel-Tanz-Choreografie auf beeindruckende Weise ein. Info: 0202 4962624 Über zehn Jahre ist es nun schon her, dass die renommierte amerikanische Jazz- und Bluessängerin Brenda Boykin von San Francisco nach Wuppertal zog. Beim Konzert in der Färberei gibt die Grande Dame mit der markanten Soulstimme jetzt einen Vorgeschmack auf ihre neue CD, die in diesem Frühjahr erscheint. Das bedeutet Musik, die an die großen Epoche der Jazz-Standards und ihre Legenden wie Billy Strayhorn und Duke Ellington erinnert. Special Guest des Abends: der Wuppertaler Saxophonist Wolfgang Schmidtke. Info: 0202 64 30 64 Auswahl? Meine [email protected] Info: 0202 563 64 44 Wir freuen uns auf Post. HISTORISCHE STADTHALLE Do 25.2. 20 Uhr Jan Liesicki und das Zürcher Kammerorchester BANDFABRIK So 28.2. 17 Uhr Ralf Grobel liest Gottfried Keller Ein Klassiker unter den deutschsprachigen Novellen: Mit „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ verlegte der Schweizer Schriftsteller Gottfried Keller den klassischen Shakespeare-Stoff in seine Heimat und Gegenwart: Es geht also um die Liebestragödie zweier junger Menschen im Alpenvorland des späten 19. Jahrhundert. Und um die Feindschaft ihrer beiden wohlhabenden Bauernfamilien. Der Wuppertaler Schauspieler Ralf Grobel liest Auszüge im Rahmen seiner Literaturreihe „Grenzgänger“. Dazu spielt Ulrich Klan auf der Violine. Info: 0202 69 85 19 33 Do 4.2. 20 Uhr Wortex Poetry Slam BANDFABRIK a.tronic: Passt in keine Schublade Literatur DIE BÖRSE Musik Sa 13.2. 20 Uhr Reunion einer Wuppertaler Metal Legende. Für ein einziges Konzert haben sich die Musiker von Regicide noch einmal zusammengetan, um Speedmetal in Reinform zu zelebrieren. Nach fast 20 Jahren Trennung. Der Hintergrund: Als RegicideGründer Paul Dahlmann und Bassist Rob Schomaker vor zwei Jahren bei einem Contradiction-Konzert zwei alte RegicideSongs anspielten, war die Freude des Publikums unüberhörbar. Dementsprechend ist jetzt die Spannung der Fans. Aufgrund der Nachfrage wurde das Konzert bereits in den großen Saal des LCB verlegt. Info: 0202 563 64 44 Foto: Mathias Bothor Jan Liesicki gilt als eines der Wunder- 29 Jörg Degenkolb-Değerli, Wuppertaler Bühnenliterat und Wortwache-Erfinder, liest aus den Tagebüchern eines gewissen Björn Gödeking. Die hat er bei Renovierungsarbeiten gefunden und nun zu etwas verdichtet, das er Lay-Down-Tragedy nennt. Eine Geschichte, in der Tragik und Komik des Antihelden – früh verstorben, vaterlos, psychisch labil – so nah zusammenliegen, dass man sie kaum auseinanderhalten kann. Eine Stimme aus dem Wald rät dazu in der Vorankündigung: Gehen Sie unbedingt da hin, ich habe es auch nicht verstanden. Info: 0202 563 64 44 Kunst SPARKASSENFORUM AM ISLANDUFER bis 25.2., Mo, Mi, Fr 9-16, Di, Do 9-19 Uhr Das Erbe der Nachkriegsmoderne Paul Schneider von Esleben (19152005) zählt zu den herausragenden Architekten vor allem der 1950er bis 1970er Jahren in Deutschland. Mit seinen Verwaltungsbauten, Kirchen und Bungalows war er nicht einem durchgehenden Stil verpflichtet, sondern hat die stilistischen Modi in Rückkopplung mit Standort und Zweck gewählt und sich mitunter – im Einbezug bildender Künstler – dem Gesamtkunstwerk angenähert. Von PSE stammt auch der Verwaltungsbau der Sparkasse, wo er jetzt, organisiert vom Museum für Architektur und Ingenieurskunst NRW, vorgestellt wird. Info: 0202 488 24 24 zuletzt gelacht 30 VON DER HEYDT-MUSEUM bis 28.2., Di-So 11-18 Uhr, Do 11-20 Uhr Weltkunst ZENTRUM FÜR INTERNATIONALE LICHTKUNST KÖLN bis 3.4., Di-So zwischen 13-17 Uhr zu besonderen Zeiten bis 24.4. STADTMUSEUM Endstation Ubierring Dark! IMPRESSUM Weltkunst, Ausstellungsansicht Von der Heydt Museum, © Foto: Günter Lintl Noch bis Monatsende ist die große, über zwei Stockwerke führende Ausstellung zum Leben, zur Sammelleidenschaft und damit zum Kunstbestand von Eduard von der Heydt zu sehen. Dieser stammte aus Wuppertal-Elberfeld und hat im frühen 20. Jahrhundert die Sammlung seines Vaters um den Aspekt der außereuropäischen Kunst und Kultur sowie um die Kunst seiner Zeit erweitert. Während er dem Museum Rietberg in Zürich die außereuropäischen Beiträge hinterließ, stiftete er dem Wuppertaler Museum die europäische Kunst: Beides ist nun ausgestellt. Info:0202 563 26 26 UNNA Hans Rolf Maria Koller, Endstation Ubierring 40 (Ausschnitt), 1992, Öl auf Leinwand, Gesamtlänge 46,5 m, (c) H. Koller; Foto: RBA Köln Die Ausstellung greift die Umstände ihrer Präsentation auf. Sie findet unter der Erde und also im Dunkeln statt, welches durch die künstlerischen Beiträge erst richtig bewusst wird. „Dark!“ vereint in separaten Räumen vier internationale Beiträge, die das Licht auf unterschiedliche Weise einsetzen und formen. Herausragend gewiss Anthony McCalls Installation. Begleitend dazu werden Fotografien der US-Amerikanerin Lucinda Devlin gezeigt. Info: 02303 10 37 53 Die Ausstellung erinnert an die Schließung des Studienganges Freie Kunst an der Fachhochschule Köln zum Sommersemester 1993. Sie verdeutlicht die wechselvolle Geschichte der einstigen Kölner Werkschule, die bereits 1971 durch die Eingliederung in die Fachhochschule ihre Autonomie verloren hatte, und zeigt auch Dokumente des Protestes gegen ein Ende der Ausbildung zum Künstler. Dazu wird der monumentale Bilderfries mit den Beteiligten am letzten Kapitel von Hans Rolf Maria Koller ausgestellt (Di 10-20 Uhr, Mi-So 10-17 Uhr). Info: 0221 22 12 23 98 Zusammengestellt von: David Fleschen, Thomas Hirsch und Benjamin Seim Veranstalter-Infos an: [email protected] Meine Meinung POST AN DIE REDAKTION Ihr Thema in der Januar-Ausgabe sind gerechte Steuern. Vielleicht interessiert Sie, dass es in Ennepetal einen Unternehmer-Vorstoß gibt, statt Gewerbesteuer-erhöhungen eine Sammlung von Spenden durchzuführen. Siehe dazu diverse Zeitungsartikel WAZ und Leserbriefe, u. a. "WAZ Ennepetal Opposition ..." In Ennepetal ist eine sog. Standortsicherungsgesellschaft bereits gegründet worden; in Schwelm werden zur Zeit ähnliche Überlegungen angestellt. Die Unternehmer und IHK hoffen, dass ihr "Modell" weitere Kreise zieht. Herausgeber: engels-kultur Verlag Joachim Berndt, Büro Bochum Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum Tel: 0234-94191-0, Fax: -91 E-Mail: [email protected] www.engels-kultur.de Chefredaktion: Maxi Braun (v.i.S.d.P.) Red. Mitarbeit an dieser Ausgabe: Lars Albat, Frank Brenner, Valeska von Dolega, Jessica Düster, Hartmut Ernst, David Fleschen, Rolf-Ruediger Hamacher, Thomas Hirsch, Klaus Keil, Dominik Lenze, Thomas Linden, Karsten Mark, Christian Meyer, Peter Ortmann, Jan Schliecker, Florian Schmitz, Benjamin Seim, Olaf Weiden, Andreas Zolper Projektleitung: Birgit Michels Grafik: Frauke Erny, Janina Wittmann, Karen Zimmermann Anzeigenverwaltung: BERNDT MEDIA Joachim Berndt Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum Tel. 0234-94191-0, Fax -94191-91 E-Mail: [email protected] www.berndt-media.de Druckerei: Die Wattenscheider Medien Vertriebs GmbH Kantstrasse 5-13 44867 Bochum Buchhaltung: Karin Okniewski Alle nicht gesondert gekennzeichneten Bilder sind Pressefotos. Heute schon digitale Fingerabdrücke hinterlassen? engelsKultur Die Auflage unterliegt der ständigen Kontrolle der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern. Durch Berndt Media werden auch folgende Kultur-, Kino- und Bildungsmagazine (Köln, Ruhrgebiet, Aachen und Düsseldorf) vertreten: Freundliche Grüße Dr. Christine Hohmann Wir freuen uns auf weitere Zuschriften oder Online-Kommentare [email protected] Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor. Nichts ist egal 31 klimaneutral natureOffice.com | DE-294-249741 gedruckt