bühne - engels

Transcrição

bühne - engels
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Februar 2016
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www.engels-kultur.de
„Werther“ | R: Mirja Biel | Kammerspiele Bonn | Foto: Thilo Beu
Das MeinungsMagazin
Suicide-Commander Werther
THEATER
Theater am Rhein im Februar
BÜHNE
Grunge
meets
Goethe
Semiotik
Orchester
Szenografie
FigurenführungOper Handlung
Schauspiel Choreografie
Performativität
Postdramatik Philharmonie
Tanz
Inszenierung
Avantgarde Kabarett
Independent
Soufflage
Klang Rampe
Improvisation
Szenografie
Klang
Soufflage
Improvisation
Crossover Handlu
Improvisation
Independent
Semiotik
Rampe
Crossover
Naturalismus
RequisitenBläsersatzVorhang
Figurenführung
Rampe Handlung Soufflage
Figurenführung Finaler Akt
Bläsersatz
Independent
Klang
Rhythmik
Ram
Improvisation Choreografie RhythmikChoreografie
Independent Finaler AktImprovisation
Handlung
Vorhang
RampeRhythmik
Bläsersatz Choreografie
Soufflage
Soufflage
Szenografie
Improvisation
Szenografie
Figurenführung
Klang Semiotik
SoufflageVorhang
Rhythmik Vorhang Figurenführung
Finaler Akt Szenografie
Stimme
Naturalismus
Rampe
equisiten
Improvisation
Rampe Rampe Rhythmik Klang
Dialogregie
Stimme Vorhang Soufflage
Naturalismus Klang
Naturalismus Szenografie
Independent
Finaler Akt
Independent
Stimme
Dialogregie
Stimme
Soufflage
Crossover
Figurenführung
Crossover Szenografie RampeRhythmik Choreografie
Figurenführung
Stimme
Rampe Rhytmik
Vorhang
Handlung Independent
Choreografie
Soufflage
Requisiten
Klang Semiotik
Soufflage
Naturalismus
ufflage
Improvisation
Variété
Objekttheater
Festival
Dramaturgie
Musiktheater
bühnE
Premiere
Handlung
BÜHNEN IN NRW
Kritik, Interviews und Links
Köln – choices.de
Düsseldorf – biograph.de
Ruhrgebiet – trailer-ruhr.de
Wuppertal – engels-kultur.de
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Lesezeic
Das MeinungsMagazin
Wuppertalengels-kultur.de
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Februar 2016
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www.engels-kultur.de
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5
Das MeinungsMagazin
Europa gestalten.
EMMA WATSON
DANIEL BRÜHL
MICHAEL NYQVIST
ES GIBT KEIN ZURÜCK
EIN FILM VON OSCAR-GEWINNER
FLORIAN GALLENBERGER
www.coloniadignidad.de
COLONIA
DIGNIDAD
wppt : kommunikation
WSW ERDGAS GRÜN
Klima schonen leicht
gemacht
Mit WSW Erdgas Grün machen Sie Ihren Erdgasverbrauch klimaneutral.
Ein kleiner Umweltbeitrag auf den normalen Bezugspreis ermöglicht
den CO2-Ausgleich auf Gold-Niveau. Werden auch Sie zum Klimaschützer.
www.wsw-online.de/erdgasgruen
-kultur.de
Foto: Birgit Hupfeld
engels-Thema.
5 GUTE ZEIT
Phänomen Crowdfunding: Hype oder Zukunft?
Kino.
Kunst.
15 Film des Monats
„The Hateful Eight“
25 kunst & gut
„Herzklopfen“ im Von der Heydt-Museum
16 Film-Kritik
6 Themeninterview
Helwig Fenner ist Projektmanager beim Berliner Verein
17 Roter Teppich
Mein Grundeinkommen e.V.
Vicky Krieps über „Colonia Dignidad“,
7 Zum Thema
ihre Theatererfahrungen
Zahlreiche Projekte können auf Gut-fuer-Wuppertal.de
und Philip Seymour Hoffman
unterstützt werden / Pragmatismus im Altruismus
propagiert William MacAskill
19 Hintergrund
Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter:
„Colonia Dignidad - Es gibt kein Zurück“
choices.de/thema und trailer-ruhr.de/thema
21 Foyer - Doku „How to Change the World“
über die Entstehung von Greenpeace
in der Reihe „Offstream“
26 Kunstwandel
Das Frauenmuseum Bonn zeigt eine
Ausstellung gegen Gewalt an Frauen
27 Kunstkalender NRW
Musik.
8
Kultur in NRW.
Museum Kunstpalast
22 Klassik am Rhein
Orgelklänge und Gesang dominieren das Jahr
in Köln
Bühne.
9 Auftritt
Stef Lernous inszeniert „Lulu. Eine Mörderballade“
in Oberhausen
Mehr Meinung. Service. Hintergrund. – In NRW.
empfehlen | weitersagen | kommentieren
Alle Texte. Ihre Stimme. Filmkritik im FORUM.
überregional
23 Kompakt Disk
CD-Empfehlungen des Monats
10 Theater am Rhein
Mirja Biel inszeniert „Werther“ in Bonn
10 Tanz in NRW
Die 5. Biennale der Tanzausbildung
engels spezial.
11 Premiere - Futur3 zeigt
„Der unbekannte Nachbar“ in Köln
12 Oper in NRW
„Tosca“ in Gelsenkirchen
4
Intro – „Coole Cruiser“
28 engelszungen
Musical in NRW
„Spamalot“ in Bochum und
„Der Fluch von Königswinter“ auf Kölsch
13 Nahaufnahme - Lars Henning
14 Prolog - Utopiastadt und andere Kulturtipps
23 Textwelten
Alexander Kluges „Kongs große Stunde“
31 Impressum
22 Improvisierte Musik in NRW
Gitarrenlegende Ritenour
in Bonn und Bochum
24 ComicKultur
Comic-Empfehlungen des Monats
Heute schon digitale Fingerabdrücke hinterlassen?
engelsKultur
26 Kunst in NRW
Agnes Martin in der Kunstsammlung NRW
in Düsseldorf
Wortwahl
Buch-Empfehlungen des Monats
BÜHNE
30 Zuletzt gelacht – die Cartoon-Seite
14 Theater in NRW
Bundestheaterpreis für
zwei NRW-Bühnen
Literatur.
29 Auswahl – im Februar
Veranstaltungs-Empfehlungen des Monats
Tanz in NRW
KINO
Film des Monats
10
„The Hateful Eight“
15
MUSIK
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Dieses Icon zeigt Ihnen den Weg.
Klassik am Rhein KUNST
Foto: Glockendz at German Wikipedia
22
Kunst und Gut
Foto: Von der Heydt-Museum
25
-kultur.de
Februar 2016
Erhabener Moment, Foto: Maxi Braun
engels + engels-kultur.de
Coole Cruiser
Im Doppelpack mehr Service, Meinung und Hintergrund
Thema
6
Gute Zeit
Seit September 2014 verlost der Berliner Verein Mein Grundeinkommen e.V. bedingungslose
Grundeinkommen. Wir sprechen mit Projektmanager Helwig Fenner über die zugrundeliegende
Crowdfunding-Kampagne und fragen, ob finanzielle Grundsicherheit faul oder frei macht.
Henning Fenner
Thema
Foto: Mein Grundeinkommen
www.trailer-ruhr.de/thema
Gute Zeit
Der Leiter des Teams „Bildung für nachhaltige
Entwicklung“ und NRW-Fachpromotor für Klima
und Entwicklung bei Germanwatch spricht über
die Trendwende im Klima- und Umweltschutz,
Projekte und Maßnahmen, die jeder von uns umsetzen kann.
Stefan Rostock
Theater
Foto: Stefan Arme
11
Premiere
Das Sterben verläuft heute für viele Menschen einsam und anonym. Mit der Trilogie
„Der unbekannte Nachbar“ (ab 29.1.) erzählt
Futur3 vom modernen Tod samt dem, was er
nach sich zieht. Wir sprachen mit Regisseur
André Erlen.
André Erlen
Film
Foto: Thomas Morsch
17
Roter Teppich
Vicky Krieps wandelt souverän zwischen den
Kulturen wie nur wenige. Nun spielt sie in dem
zum Teil in Südamerika entstandenen TatsachenThriller „Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“
ein Mitglied der gleichnamigen Sekte der Pinochet-Ära.
Vicky Krieps
Alle drei Jahre wird die PKW-Flotte der Wuppertaler Polizei ausgetauscht
– Verschleiß und so. Karl Malden und Michael Douglas in den Straßen von
Oberbarmen. Den Zuschlag hat diesmal BMW bekommen. Ich fahre selbst
auch einen BMW, der hat einen Charakter, als wäre HAL 9000 in KIT gefahren. Quasi Wahnsinn in low-tech. Aufzuschließen ist mein kleiner Dreier,
Baujahr 1995, nur von der Beifahrerseite, die Temperaturanzeige behauptet
beharrlich -37 Grad und manchmal hat er keine Lust, überhaupt anzuspringen. Dafür war er letztens vor lauter Motivation gar nicht mehr zu stoppen:
Während der Fahrt konnte ich den Schlüssel aus der Zündung ziehen und
lässig weiter cruisen. Trotzdem möchte ich meinen flotten Irren nicht missen
und freue mich jetzt schon auf unsere nächsten 300.000 Kilometer.
Die positiven Seiten versuchen wir der Welt auch mit unserem Thema GUTE
ZEIT abzugewinnen. Wir zeigen euch gelungene Crowdfunding-Kampagnen
für soziales Engagement und fragen Helwig Fenner von Mein Grundeinkommen e.V., warum der Verein bedingungslose Grundeinkommen verlost und
wie überraschend sinnvoll die Gewinner das geschenkte Geld nutzen.
Alles kann man mit Geld aber nicht kaufen, z.B. die Unsterblichkeit. Mit dem
modernen Sterben, das für viele Menschen einsam und anonym verläuft, beschäftigt sich das Kölner Theater-Kollektiv FUTUR3 in der Trilogie „Der unbekannte Nachbar“. Wir sprechen mit Regisseur André Erlen über das Projekt.
Das pralle, dreckige Leben inszeniert Stef Lernous mit LULU. EINE MÖDERDERBALLADE am Theater Oberhausen, wo Laura Angelina Palacios als Lulu
frontalnackt in der Bühnenvariante einer blutigen Dauererektion brilliert.
Grunge und Goethe bzw. Werther und Kurt Cobain verbindet Mirja Biels Inszenierung der Leiden des jungen WERTHER am Theater Bonn.
Düstere Schwermut durchzieht auch die Gemälde des Wuppertaler Malers
LARS HENNING, den wir in unserer Nahaufnahme vorstellen.
Ordentlich Blut pumpt die Ausstellung HERZKLOPFEN im Von-der-HeydtMuseum dann wieder durch unsere Adern. Rund 60 bedeutende Werke, u.a.
von Monet, Munch, Bacon, Picasso oder Neo Rauch sind dort zu sehen. Die
Double-Feature-Ausstellung 1 IN 3, mit der das Bonner Frauenmuseum Gewalt an Frauen thematisiert, ist nicht nur aktuell, sondern macht auch richtig
wütend.
Mit Rachegelüsten beschäftigt sich Quentin Tarantino ausnahmsweise nicht,
dafür aber mit Hass. Dank dialogischem und physischem Gemetzel im Ultra
Panavision 70mm-Breitbildformat ist THE HATEFUL EIGHT unser Film des
Monats.
Drastisch ist auch „Colonia Dignidad“, in dem es um die gleichnamige,
christliche Sekte aus Deutschland geht, die im Chile der Pinochet-Ära gewütet hat. Wir treffen „Zimmermädchen Lynn“ VICKY KRIEPS, die hier die
Ursel spielt und schon mit Philipp Seymour Hoffman drehte, zum Interview.
Die Kurve zurück zu meinem eingangs erwähnten Auto kriege ich jetzt ohnehin nicht mehr elegant, daher schlicht: Gute Fahrt durch den Februar.
Maxi Braun
4
thema
Cartoon: Polo
Crowdfunding: Geld von Freunden
Tausende Menschen unterstützen soziale Projekte über das Netz
Ein Finanzierungskonzept verändert die Welt. einer Band, hinter der noch kein finanzkräftiges
Das ist platt gesagt, trifft aber auf Crowdfun- Musiklabel steht. Die Musiker bieten Specials an,
ding durchaus zu. Vor gut zehn Jahren hat sich vom Poster über eine signierte CD bis zu perder Begriff zum ersten Mal in der Weltöffent- sönlichen Songaufnahmen oder Live-Konzerten,
lichkeit eingeprägt. Heute greifen immer mehr die die Fans nach ihrem Geldeinsatz bekommen.
Je höher der Einsatz,
Menschen darauf zuengels-Thema im Februar:
desto besser wird die
rück, wenn sie Geld für
Belohnung für den
ihre Ideen brauchen,
Stifter. Und am Ende
und immer mehr MenSchlechte Nachrichten gibt es genug. Wir berichten,
kann der Künstler sein
schen
unterstützen
was gut läuft: Positive Entwicklungen in Tunesien, Mutmacher-Projekte aus dem Ruhrgebiet und erfolgreiche
Album
veröffentliProjekte über CrowdCrowdfunding-Kampagnen für soziales Engagement.
chen, weil die Fans
funding. Wie das StaLesen Sie weitere Artikel zum Thema auch in:
dafür quasi in Vorleitistikportal
Statista
stung gegangen sind.
herausgefunden haCrowdfunding veränben will, sind die Zahlen auch in Deutschland zuletzt exorbitant in die dert aber nicht nur die Welt. In manchen BeHöhe geschnellt. Während laut Statista Anfang reichen verbessert es sie sogar. Nämlich dann,
2011 erst noch ein Kapital von 80.000 Euro ein- wenn soziale Projekte für Unterstützung wergesammelt wurde, stieg die Summe bis Frühjahr ben. Neben den Crowdfunding-Portalen der
2014 auf 2,84 Millionen Euro, dem bisherigen ersten Stunde wie Crowdfunding.de, Startnext.
Höchststand in unserem Land. Bis Anfang 2015 com oder Seedmatch.de sprossen Internetseiten
pendelten sich die Zahlen auf 2,2 bis 2,4 Millio- aus dem digitalen Boden, die sich ausschließlich
nen Euro ein. Forscher der Uni Cambridge wol- auf die Finanzierung von sozialen oder ökololen sogar herausgefunden haben, dass 2014 in gischen Projekten stützen.
Deutschland 140 Millionen Euro in „alternative Für die Verbesserung der Umwelt stehen die
Projekte der Seite Bettervest.com. „Die erste
Finanzierungstransaktionen“ geflossen seien.
Ob 2,8 oder 140 Millionen Euro – erstaunlich Crowdinvesting-Plattform, auf der du in Enerist beides allemal. Was macht Crowdfunding so gieeffizienzprojekte von Unternehmen, Sozialaussichtsreich? Vermutlich ist es das einfache trägern, Vereinen und Kommunen investieren
System. Jemand stellt eine Idee auf einer Inter- kannst und dafür an den erzielten Einsparungen
netseite vor, und Menschen, denen diese Idee beteiligt wirst“, schreiben die Macher auf der
gefällt, geben dafür per Mausklick Geld. Wird die Internetseite. Dort kann man sein Geld zum
vorgegebene Marke erreicht, geht das Geld in den Beispiel in Solar-Home-Systems für kenianische
Besitz der Macher über. Schwarmfinanzierung Familien stecken. Versprochen wird eine Rendite
wird das auf Deutsch genannt. Möglicherweise von 6 Prozent bei vier Jahren Laufzeit. Die CO²liegt der Erfolg aber auch darin, dass die Finan- Ersparnis wird ebenfalls angezeigt: Der Ausstoß
zierer so direkten Draht zu etwas bekommen, von rund 140 Tonnen des klimaschädlichen Kohdas anschließend auch nach ihrem Geschmack lendioxids soll dadurch verhindert werden. 226
entwickelt oder hergestellt wird. Ein einfaches Investoren stifteten bislang 157.100 Euro, Stand
Beispiel ist das neue Album eines Musikers oder Mitte Januar. Finanziert wurden bereits Block-
GUTE ZEIT
Thema im März: FRAUENLEBEN
5
Zeit für Sie?
 Gute
[email protected]
Wir freuen uns auf Post.
heizkraftwerke, LED-Beleuchtungen oder mobile
Solarkraftwerke. Die Spenden und die Rendite
sollen sicher über neutrale Treuhänder fließen.
„Gemeinsam Wunder bewirken“ ist das Motto
der Erfinder von Betterplace.org, die sich seit
2006 ausschließlich auf die Finanzierung von
sozialen Projekten fokussieren. Topthemen, in
denen Projekte unterstützt werden können,
sind aktuell die Flüchtlingshilfe, die Kältehilfe
für Obdachlose, Kinderhilfe, Nothilfe in Syrien,
Tierschutz, Afrikahilfe oder Konzepte rund ums
Thema Trinkwasser. Wer hier Geld springen lässt,
tut das allerdings ohne Aussicht auf Rendite,
sondern weil er einfach helfen will. Laut eigenen
Angaben ist Betterplace.org die „größte deutsche Spendenplattform“. Sie versprechen, dass
„Spender miterleben, was ihr Geld bewirkt“.
Denn das Crowdfunding hat – wenn alles mit
rechten Dingen läuft – einen gewaltigen Vorteil.
Das Geld fließt sofort lokal in eine bestimmte
Maßnahme. Wer also möchte, dass eine Kindergartengruppe im Stadtteil neues Spielzeug bekommt, kann direkt dafür spenden. Wer möchte,
dass Flüchtlinge in der Stadt in Deutschkursen
die neue Sprache lernen, kann das unterstützen.
Das führt dazu, dass sich Menschen vermehrt
das ganze Jahr über für soziale Projekte einsetzen – und nicht nur einmal im Jahr, zur Weihnachtszeit, wenn man beseelt vom ganzen
persönlichen Glück das Portemonnaie bei der
ARD-Spendengala aufmacht oder an den S.O.S.Kinderdorf-Ständen in bundesdeutschen Innenstädten, weil man „jetzt auch mal was zurückgeben möchte“, um sein Gewissen zu beruhigen.
Florian Schmitz
Aktiv im Thema
www.mein-grundeinkommen.de
www.gut-fuer-wuppertal.de
www.betterplace.org
www.bettervest.com
Wie gleichberechtigt ist unsere Gesellschaft?
thema
„Grundeinkommen ist ein Menschenrecht“
Optimistisch in die Zukunft marschiert, Foto: Dorija Apple Parsley
Helwig Fenner über das bedingungslose Grundeinkommen
engels: Herr Fenner, warum wird die Welt durch und immer wenn 12.000 Euro voll sind, wird ein
Jahr des Grundeinkommens verlost – unter allen,
bedingungslose Grundeinkommen verbessert?
Helwig Fenner: Zuletzt hat sich Telekom-Chef die sich auf unserer Webseite angemeldet haben.
Timotheus Höttges öffentlich für ein bedingungs- Der Gewinner bekommt entsprechend 1000 Euro
loses Grundeinkommen ausgesprochen. Ange- monatlich für ein Jahr. Man muss keinen Einsatz
sichts der Digitalisierung und Automatisierung leisten oder selber spenden, um zu gewinnen.
unserer Arbeitswelt werden viele Jobs überflüssig.
Arbeitskräfte werden freigesetzt. De facto kann Wie viele Menschen wurden bislang ausgelost?
heute nicht mehr jeder Mensch arbeiten. Daraus Bislang haben wir 25 Grundeinkommen verlost,
stellt sich die Frage, was in unserer Arbeitswelt das 26. ist bereits finanziert und wird noch vergepassiert. Sollen alle Arbeitslosengeld kassieren? ben. Wir haben also schon mehr als 300.000 Euro
Oder ändern wir unsere Gesellschaft, die sowieso bei der Kampagne eingesammelt.
auf Kosten der globalen Gemeinschaft und der Welt lebt, durch „Das bedingungslose Grund- Kann wirklich jeder mitmaeinkommen schafft die
chen?
unsere Konsumwirtschaft? Das
Freiheit, Nein zu sagen“
Jeder Mensch. Wir sagen,
bedingungslose Grundeinkommen
Grundeinkommen ist ein Menist eine mögliche Antwort auf
diese veränderten Verhältnisse. Denn es stellt die schenrecht. Das bedeutet, ob Kind, ob Rentner,
Existenz sicher. Auf dieser Grundlage kann ich mir ob arm, ob reich, egal woher du kommst – du
als Mensch die Frage stellen, was ich überhaupt kannst teilnehmen. Einzige Voraussetzung ist die
Anmeldung per Internet. Unser Grundeinkommen
machen möchte.
ist bedingungslos, das heißt, wir verlangen keine
Das Grundeinkommen führt zu einer gewissen Gegenleistung. Es wird einfach ausgezahlt.
Freiheit. Wofür sorgt das bei den Menschen?
Es schafft vor allem die Freiheit, Nein zu sagen. Der Gewinner bekommt also jeden Monat 1000
Wenn du existentiell abgesichert bist, kannst du Euro einfach aufs Konto.
auch mal ein Jobangebot ablehnen, das dir nicht Genau, es ist als Gewinnspiel sogar steuerfrei. Klar,
passt. Dann kannst du auch mal veränderte Ar- wer Hartz IV bezieht, muss das Geld anrechnen
beitsbedingungen ablehnen, wenn du weißt, dass lassen. Aber das wäre vielleicht auch ein Vorteil,
du abgesichert bist. Du kannst Dinge tun, von wenn man nicht mehr zum Jobcenter rennen muss
denen du überzeugt bist, und nicht, Dinge tun zu und irgendwelche Dinge tun muss, die das Jobcenmüssen, die man von dir verlangt. Du bist also we- ter verlangt. Stattdessen kann ich diese Freiheit
genießen.
niger von außen bestimmt.
Diese Selbstbestimmung hat also weniger mit
Faulheit zu tun, als Kritiker des Grundeinkommens behaupten.
Klar gibt es diese Befürchtung, dass Menschen,
die ein Grundeinkommen erhalten, sich einfach in
die Hängematte legen. Unsere Erfahrungen widerlegen das. Fast alle arbeiten das weiter, was sie
vorher gemacht haben. Sie arbeiten auch nicht
weniger. Es gibt einen, der seinen Job im Callcenter gekündigt hat, der ihn krank gemacht hat.
Jetzt hat er angefangen, Pädagogik zu studieren
und somit das zu tun, was ihn wirklich interessiert.
Haben Sie Kontakt zu den bisherigen Gewinnern?
Zu diesen 25 Menschen haben wir persönlichen
Kontakt, ja. Natürlich variierend, mal mehr, mal
weniger eng, mal mit langen, mal mit kurzen
Geschichten dahinter. Aber die meisten verspüren eine Dankbarkeit gegenüber den Spendern, so
dass sie auch mitteilen, wie es ihnen mit dem Geld
geht. Das gehört natürlich auch zum Zweck unseres Projekts, dass wir nicht nur reden, sondern
auch machen und die Erfahrungen teilen. Damit
wir einen Praxistest haben.
Bei Ihrem Verein Mein Grundeinkommen e.V.
kann man ein Grundeinkommen gewinnen. Wie
funktioniert das System?
Mein Grundeinkommen ist eine CrowdfundingKampagne. Wir sammeln Geld von Spendern ein
Was für Menschen sind das denn?
Das ist querbeet. Es gibt eine Rentnerin, Studierende, Arbeitslose, Männer, Frauen - wir haben sogar
drei Kinder, die gewonnen haben. Auch jemanden
aus dem besser verdienenden Segment. Einen Mil-
Gründen grüne Unternehmerinnen anders?
6
lionär haben wir aber noch nicht als Gewinner
gehabt. Die Motive an der Teilnahme sind unterschiedlich. Viele unterstützen uns dauerhaft. Viele
finden das Thema spannend und melden sich an.
Im Kern sind aber alle bereit, etwas in den Topf zu
geben, von dem ja höchstwahrscheinlich jemand
anderes profitieren wird.
Was fangen die bisherigen Gewinner zum Beispiel mit ihrem Grundeinkommen an?
Ganz unterschiedlich. Wir haben zum Beispiel
einen Gewinner, der jahrelang auf Sparflamme
gelebt hat und jeden Cent vom Mund absparen
musste. Da gibt es natürlich einen gewissen Nachholbedarf an Konsum; mal einen Fernseher kaufen,
mal eine Reise machen, mal ausgehen. Es gibt aber
auch Menschen, die das Geld sofort wieder in andere gemeinnützige Projekte stecken. Ein Familienvater aus Baden-Württemberg hat für die Kinder
der Nachbarschaft einen 3D-Drucker gekauft. Fast
alle Spenden regelmäßig wieder zurück in unseren
Topf. Das ist herausragend.
Was geben die Teilnehmer denn am meisten
vorab als Wünsche an?
Die meisten wollen tatsächlich gesünder leben.
Sich weiterbilden. Etwas Neues anfangen. Die
Selbstständigkeit wagen. Solche Dinge. Unsere
Gewinner bestätigen, dass sie jetzt gesünder essen
und entspannter leben. Wir haben einen besonders eindrucksvollen Fall, wie ich finde: Bei einem
chronisch Kranken mit zuvor hohen Entzündungswerten sind die Werte innerhalb von sieben Wochen nach der ersten Überweisung auf Normalmaß
zurückgegangen. Das ist erstaunlich – nur durch
weniger Stress und der finanziellen Sicherheit.
Interview: Florian Schmitz
Lesen Sie die Langfassung unter:
www.engels-kultur.de/thema
ZUR PERSON
Der studierte Geologe und Soziologe Helwig Fenner (38) ist
Projektmanager beim Berliner
Verein Mein Grundeinkommen
e.V.
Foto: Mein Grundeinkommen
Gibt es weibliche Beschneidung auch in Deutschland?
thema
Luftschlösser bauen, Foto: Benni Klemann
Genug Gutes zu tun
Zahlreiche Projekte können auf Gut-fuer-Wuppertal.de unterstützt werden
Das ist ein beeindruckender Start: Am 8. Dezember 2015 ist die Webseite Gut-fuer-Wuppertal.
de online gegangen. Knapp einen Monat später
melden die Betreiber, dass mehr als 130.000
Euro an 94 verschiedene lokale Projekte gespendet worden sind, die auf der Seite vorgestellt
werden und unterstützt werden können. Die Gut.
org aus Berlin ist Initiator der neuen Seite – eine
gemeinnützige Aktiengesellschaft, die auch die
laut eigenen Angaben größte deutsche Spendenplattform Betterplace.org betreibt.
Ziel der regionalen Plattform ist es, regionale
Projekte und gebefreudige Spender zueinander
zu bringen, „um gemeinsam das Leben in unserer Stadt zu verbessern“, wie es auf der Webseite heißt. Das Crowdfunding-System der Seite
ist schnell zu verstehen: In Kacheloptik werden
zahlreiche Wuppertaler Projekte angezeigt, die
Unterstützung brauchen und sich zuvor auf der
Webseite angemeldet haben. Alles ist transparent: Die Zahl der bisherigen Spender, wieviel
Prozent bereits finanziert wurden, und welche
Summe noch fehlt, bis das Projekt verwirklicht
werden kann.
Klickt man ein Projekt an, das einem gefällt, und
das man fördern möchte, bekommt man mehr
Informationen. Und man kann sich gleich über
das Internet als Spender betätigen. Nur noch die
Kontodaten ausfüllen und die SEPA-Einzugsermächtigung wählen, und schon ist der nächste
Baustein für eine Initiative finanziert. Spenden
sind aber auch per Kreditkarte, per PayPal oder
Giropay möglich.
Die Ausrichtung der Initiativen, die sich bei Gutfuer-Wuppertal.de um Spenden bewerben, ist
vielschichtig. Viele Initiativen haben mit Kinder- und Jugendarbeit zu tun: Die Schule am
Nordpark zum Beispiel will iPads für Schüler mit
geistiger Behinderung anschaffen, fast die Hälfte ist bereits finanziert (Stand Mitte Dezember).
Oder das Kinder- und Jugendtheater, das nicht
nur Aufführungen gibt, sondern auch junge
Nachwuchs-Schauspieler mitmachen lässt, und
neue Stühle braucht. Von den 14.000 angepeilten Euro sind schon mehr als die Hälfte vorgestreckt.
Die neue Generation der Weltenretter
Pragmatismus im Altruismus propagiert Oxfords jüngster Professor William MacAskill
Man kann die Welt auch anders denken. Positiver.
Einfach ist es schließlich, die Schwachstellen unserer Zeit zu benennen. Da wären zum Beispiel
die Sozialen Medien: Die einen nützen sie zur
Organisation extremistischer Gewalt, anderen
dienen sie zur Streuung menschenverachtender
Polemik und wieder andere werden durch sie zu
CO-2 produzierenden Fernreisen animiert. Oder
die globalisierte Wirtschaft: Motor für Steuerflucht und Spekulation, Anreiz zur Ausbeutung
von Arbeitskräften hier und Auslöser von Massenarbeitslosigkeit dort.
Doch unsere Welt ist a priori weder gut noch
schlecht. Es kommt vielmehr darauf an, wie wir
sie gestalten. Das sagt der jüngste Professor
der englischen Traditionsuniversität Oxford: der
Philosoph William MacAskill (28). Er findet: Die
Globalisierung hat den westlichen Gesellschaften
eine enorme Macht gegeben. Hundertmal so reich
wie ein Entwicklungslandbewohner ist heute ein
Deutscher oder Brite im Durchschnitt, rechnet
MacAskill vor. Im Umkehrschluss bedeutet das:
Jeder von uns hat die Möglichkeit, mit seinem
Geld am anderen Ende der Wohlstandsschere enorm viel Gutes zu bewegen.
Mehr noch: Unsere auf Effizienz getrimmte, weltweit vernetzte Gesellschaft gibt den Weg vor, mit
dem sich mit dem geringstmöglichen Einsatz der
größtmögliche Nutzen in der Armutsbekämpfung
erzielen lässt. Wenn wir also in unserem Willen,
Gutes zu tun, eher wie Unternehmensberater und
nicht so sehr wie Heilsbringer agieren, werden
wir die Welt zum besseren verändern, ist der Brite
überzeugt. Altruism meets Business Efficiency.
Da ist es kaum ein Zufall, dass sich MacAskill auf
seiner Homepage auch mit Facebook-Gründer
Mark Zuckerberg und dessen kürzlich angekündigter Großspende (99 % des Vermögens im Laufe des Lebens) auseinandersetzt. Zwar kann man
sich fragen, was das eigentlich für eine Welt ist,
in der jemand mit einem digitalen Poesiealbum
zu einem der reichsten Männer des Planeten werden kann. Man kann aber eben auch den Nutzen
sehen, den Zuckerbergs Milliarden ohne Zweifel
7
Bereits 2014 hat der CVJM Bundeshöhe eine
nur aus Spenden finanzierte Ausbildungsstelle für einen Koch geschaffen. Um die Stelle für
drei Jahre zu finanzieren, benötigt der Verein
35.000 Euro. 9.000 Euro davon fehlen noch,
die der CVJM nun über Gut-fuer-Wuppertal.de
einspielen möchte. Bislang spendeten elf Menschen für 22 Prozent der Summe – da geht also
noch was. Mit der Infrastruktur der Stadt haben
andere Spendenaufrufe zu tun. Die Freifunker
wollen freies WLAN für alle installieren, der
Verein Bergische Museumsbahnen möchte eine
alte Straßenbahn wieder fahren lassen, und die
Hauptschule Barmen soll eine Verschönerung
ihres Schulhofes bekommen.
Laut Gunther Wölfges, dem Vorsitzenden des
Vorstands der Stadtsparkasse, kommen die
Spenden vollständig den Initiativen und Projekten zugute. Die Stadtsparkasse beteiligt sich
an den Kosten der Webseite, um sie zu unterstützen.
Florian Schmitz
BLICK NACH
EUROPA
bringen werden.
MacAskill jedenfalls regt an, dem Vorbild Zuckerbergs zu folgen und spendet 50 Prozent seines
Einkommens für wohltätige Zwecke. Auf Lebenszeit. Mehr noch: Er hat das Projekt „80.000
Hours“ ins Leben gerufen, in dem er dazu aufruft,
seine Lebensarbeitszeit (im Durchschnitt 80.000
Stunden) so zu planen, dass der Weltgemeinschaft größtmöglicher Nutzen entsteht. Auch
sein Buch „Doing Good Better“ erfährt weltweites
Kritikerlob.
Jugendliche Naivität sollte man MacAskill also
nicht vorwerfen. Der Oxford-Professor hat außerdem als Sprachlehrer in Äthiopien gesehen, dass
pragmatische Lösungen oftmals viel mehr erreichen als gutgemeinte Ratschläge. Einer seiner
Philosophieprofessoren antwortete einmal auf
die Frage, was seine Lehre denn konkret bewirkt
habe: Ein Student habe Blut gespendet. William
MacAskill hat die Gewissheit, schon viel mehr bewegt zu haben.
David Fleschen
Kulturzentrum Ehrenhof | Düsseldorf
HIGHLIGHTS
SPOT ON JAZZ
ROBERT-SCHUMANN-SAAL
Das neue Düsseldorfer
Jazzfestival
So, 31.1.2016, 17 Uhr
AL
C
O
V ZZ
JA
Klavierduo Sara Koch &
Karla Haltenwanger
„Lieben Sie Brahms?“
Werke von Johannes Brahms
präsentiert an zwei Flügeln
© Susanne Diesner
So, 21.2.2016, 17 Uhr
Nils Mönkemeyer Viola
und Ensemble
© Irène Zadel
„Barroco Español“
Kompositionen zwischen Barock
und Klassik von Soler, di Murcia,
Boccherini, Corelli u. a.
Der ECHO-Preisträger ist einer
der international erfolgreichsten
Bratschisten.
So, 24.4.2016, 17 Uhr
Schumann Quartett
Albrecht Mayer Oboe
Fr, 11.3. – So, 13.3.2016
Jazz - Schmiede und
Robert - Schumann - Saal
Karten an vielen VVK-Stellen, T 0211 274000
oder www.robert-schumann-saal.de
© Felix Broede
So, 6.3.2016, 17 Uhr
Michael Mendl Rezitation
Trio Amanti della Musica
„Anaconda“
Geschichten von Horacio Quiroga
über Liebe, Irrsinn und Tod mit
Musik der Klassik, Romantik und
Jazzkompositionen
Abb. : Soleil Niklasson; Thomassen Design nach einem Foto von Rolf Schiehuber
GREETJE KAUFFELD
SOLEIL NIKLASSON
TOBIAS CHRISTL
TAMARA LUKASHEVA
THEO BLECKMANN
SABINE KÜHLICH u. a.
Der Star-Oboist der Berliner
Philharmoniker im Quintett
Mit Werken von Dvořák, Mozart
und Bax
© Frank P. Wartenberg
So, 10.4.2016, 17 Uhr
Original & Fälschung?
Engstfeld/Weiss-Quartett
Franziska Früh Violine
Thomas Hell Klavier
Highlights der Violinliteratur
einmal klassisch, einmal verjazzt
Moderation: Dr. Wolfram Goertz (RP)
© Robert Eikelpoth
Karten an vielen VVK-Stellen, T 0211 274000 oder robert-schumann-saal.de
Unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Thomas Geisel
8
auftritt
Theater?
 Mein
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Wir freuen uns auf Post.
Zuletzt in London verdreckt und bitterarm, aber wenigstens eine Lulu mit Hemdchen, Foto: Birgit Hupfeld
Es gibt kein Leben vor der Fleischerei
Nackt und bloß? Von wegen. „Lulu. Eine Mörderballade“ in der Oberhausener Inszenierung des Belgiers Stef Lernous
Vor den dreckigen, blutbeschmierten Fliesen lauern die Hunde auf ein paar
Knochen. Die Tore der Hölle sind weit geöffnet, heraus strömen die Dark Angels
der Nacht. Partytime im Theater Oberhausen. Die belgische Regie-Avantgarde
hat das Haus übernommen und in eine abgefuckte Fleischerei verwandelt. Hier
wird, so scheint es, Frank Wedekinds „Lulu. Tragödie in 5 Aufzügen mit einem
Prolog“ direkt aus den Köpfen der damaligen perversen bürgerlichen Scheinmoralisten auf die Bühne gesendet. Noch ducken sich dort alle Hunde unter
den Äxten der Kopfschlächter, doch ein paar Fleischfetzen werden schon übrig bleiben. Regisseur Stef Lernous, mit eigenem Schlachthof-Theater im belgischen Mechelen, ist bekannt dafür, niemanden verhungern zu lassen. Objekt
der Begierde ist die junge Lulu, nackt, aufreizend schön. Schnell wissen die
Hunde nicht wohin mit ihren Trieben, das wahre, wilde, geile Tier macht mit
ihnen, was sie will, der erste Zuhälter/Vater Shig (immer präsent und ständig
gesangsstark: Susanne Burkhard) schlägt Kapital daraus – mit dünner Rechtfertigung in einem Song von Martyn Jacques von den britischen Tiger Lilies, die
auch ihre eigene „Mörderballade nach Wedekind“ 2014 bei den Opera North
Projects in Leeds uraufgeführt haben. Eine Oper ist das Auftragswerk beileibe
nicht, nennen wir es lieber blutige Dauer-Erektion mit 18 JazzKlezmerBluesStücken, deren Text die Wedekind-Geschichte verkürzt (mit deutscher Übertitelung) transportieren, aber darum geht es natürlich auch nicht. Lernous interessiert einzig und allein Lulu, das außerordentliche, getriebene Trieb-Wesen,
das kämpft, liebt, mordet, heiratet und doch immer auf der Suche nach dem
nächsten Ausweg ist.
Seit Rammstein wissen wir, dass der Wahnsinn nur eine schmale Brücke ist,
in Oberhausen wurden dafür ganze Rampen zwischen Vernunft und Trieb gebaut. Shunning (groß: Michael Witte, eher Hunne als Wedekinds Chefredakteur) holt Lulu Lachgas schmauchend aus dem Milieu und verkuppelt sie mit
dem perversen Medizinalrat Dr. Goll (groß: Torsten Bauer als bunte Version
von Dr. Frank N. Furter), der wiederum schickt sie zu dem Künstler Schwartz
(Elke Weinreich), der sie manisch portraitiert, ihr genaues und aufs Wesentliche reduzierte Abbild (wie könnte es anders sein: natürlich Gustave Courbets
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„Ursprung der Welt“) wie einen Stagediver durch das Publikum schickt (und
das funktioniert auch!), ihr verfällt, von ihr verführt, was Frank N. Furters Herz
versagen lässt, bevor er per Künstlerselbstmord als zweite Leiche oben in der
Fleischerei landet. Die Pforten der Hölle sind immer noch offen, die teils feuchten bis atemlosen Bilder die Lernous mit seinem Regie-Stab und den singenden
Schauspielern da liefert, sind grandios, kommen wir endlich zu Lulu.
Nackt und bloß steht, liegt, rennt sie da über die Bühne. Doch wie Laura Angelina Palacios das da ungezügelt und doch unaufgeregt transportiert, ist schwer
zu beschreiben, so toll ist das. Sie scheint sich lustig zu machen über die
Dummheit und Geilheit der Männer (die lesbische Gräfin Geschwitz war wohl
irgendwie überflüssig, oder war sie Moritz Peschke als Alwa im Kleid?), und
sie genießt die Dauer-Techtelmechtel wie ein hungriger Blutegel. Aber nackt
und bloß? Von wegen. Die Kunst bestand eigentlich auch darin, eine quasi
selbstbestimmte Lulu zu kreieren, die zwar gebraucht, missbraucht, aber nicht
als Opferlamm missverstanden werden will. Und das schafft Laura Angelina
Palacios frontalnackt grandios. Shunning ist der dritte Tote für die Fleischerei.
Sein „Kill yourself“ war für Lulu keine Option, da muss besser „der geile Hunne“
dran glauben, auch wenn das Gefängnis heißt.
Im letzten Teil (jetzt sind wir bereits in Wedekinds: „Die Büchse der Pandora“)
muss Lulu nach der Befreiung und kurzem schönen Leben (Wedekind) in Paris,
wieder in London anschaffen gehen, um zu überleben. Ihre Begleiter werden
gemordet. Alles ist dreckig, übel, selbst die Zombie-Toten spielen jetzt lieber
Schaf. So come and pray, Jack. Das Sextett unter Leitung von Otto Beatus
wechselt zum Blues. Hey, Jack the Ripper, Erlöser der Hure, heaven or hell?
Ja, Lulu ist tot, blutüberströmt liegt sie da und Jack putzt penibel die versiffte
Schräge. Burn in hell? Ich denke nicht. „My heart belongs to Daddy, ‘cause he
treats me so good“, singt die tote Lulu. Na wenn das kein Schlussplädoyer ist.
Peter Ortmann
„Lulu. Eine Mörderballade“ | Fr 5.2., Sa 13.2., Sa 5.3., Sa 12.3. 19.30 Uhr
Theater Oberhausen | 0208 857 81 84
theater am rhein
tanz in NRW
„Werther“, Foto: Thilo Beu
Lernen voneinander und miteinander
Verblassen war nie eine Option
Der Blick hinter den Spiegel
Natürlich hat das einstige Leiden des Musikers Kurt Cobain irgendwie etwas von Goethes liebestollem Werther. Irgendwie bestimmt. Das war schon
Tage nach seinem Tod klar. Und der Mythos seiner Pumpgun im Gartenhaus
hält bis heute. Deep down inside we all got a rock ’n’ roll heart (Lou Reed).
Viele im Publikum jedenfalls, doch dummerweise werden auch von denen
die meisten den berühmten Klub 27 überleben, auf die eine oder andere
Weise, nicht zu vergessen all die toten Menschen die nicht würdig genug
waren, ihm anzugehören. Die menschliche Natur hat eben ihre Grenzen. In
den Bonner Kammerspielen jedenfalls mixt man momentan Kurt Cobains
Tagebücher mit Johann Wolfgang Goethes fiktiven Briefen und erhält, wie
überraschend, eine zeitgenössische Interpretation des alten Geheimratsecken-Loverboys, der merkwürdigerweise auch das 27. Lebensjahr überlebte
– allerdings im Gegensatz zu Werther nicht als Rechtspraktikant, sondern
schon als Geheimer Legationsrat. Deshalb wurde er ja auch fünf Jahre später geadelt. Kurt nicht. Aber der war ja auch kein Europäer.
Von Thomas Linden
Wer vor dem Spiegel steht, hat keine Zeit ins Buch zu schauen. Und doch beginnt schon mit dem Blick in den Spiegel die Frage nach dem Selbst und dem Bild,
das ich mir von der Welt mache. Die Tanzkunst bleibt stets gefangen in jenem
Dilemma, dass den Körper mit seiner eindrucksvollen Konkretheit und der Trägheit das Fleisch in Konflikt mit der Reflexion und der analytischen Schärfe des
kritischen Bewusstseins bringt.
„Ein Bild vom Stand der möglichen
Zum 5. Mal findet die Biennale
Innovationen, die die Hochschulen
Tanzausbildung in Deutschland
heutzutage dem Nachwuchs
statt und wird diesmal vom 15.
zu bieten haben“
bis 22. Februar in Köln gastieren.
Dass Tanzkünstler schnell der Gefahr erliegen können, in ihrer Arbeit nur noch
um sich selbst zu kreisen, und die Welt da draußen für sie in Vergessenheit
gerät, ist denen, die Tanz unterrichten, sehr wohl bewusst. Deshalb widmet
sich die Biennale in diesem Jahr zentral dem Thema „Feedback und Reflexion“.
Die Bonner Hausregisseurin Mirja Biel macht sich dennoch auf die Suche
nach Parallelen der beiden wilden Geister und findet sie auch zwischen den
Zeilen von Sex Pistols, Neil Young und Will Oldham. Entflammte Wesen
sollen Werther und Kurt sein, „die an den Umständen, Regeln und Gepflogenheiten einer Gesellschaft zerbrechen und im selbstgewählten Tod den
einzigen Ausweg sehen“, so das Theater. Naja. Allerdings ist es ein unterhaltsamer Abend, der nicht nur von den drei jungen Schauspielern lebt,
auch vom schmalen Drumherum direkt hinter der Rampe. Und von den Videoeinspielungen, die meistens übergroße Portraitstudien des jeweils Betroffenen zeigen, das Theaterblut schön visualisieren und die Mimik unterstützen. Dabei haben Lotte (Johanna Falckner), Werther (Benjamin Berger)
und Albert (Robert Höller) dies oftmals gar nicht nötig. Schon ihre Präsenz
in der jeweiligen Rolle ist meist ausreichend. Und Neil Youngs „Hey Hey, My
My“ sowieso. „It’s better to burn out than to fade away“. Ja diese Prämisse
hätte unser alter Herr Geheimrat ja wohl auch gerne praktiziert, nur gab
es eben damals so viel zu tun, dichten, Naturwissenschaften, Experimente,
Reisen nach Italien, Farbenlehre, und weiß der Klerus, was nicht noch alles.
Mirja Biel aktualisiert auch mit „Ich bin nicht Deutschland“, mit Geschlechterrollen, mit moderner hormoneller Sexualtheorie zwischen Dopamin und
Testosteron und mit etwas Neoliberalismus gegen Sozialmissbrauch. Albert
(Motto: „be attractive“) muss diese Thesen vertreten, als Mega-Gegenpol
zum Makeup-beschmierten Grunch-Kid mit der Vorderschaftrepetierflinte.
Denn der leidet und leidet und leidet. Großartig wie sich Benjamin Berger
in diese Rolle gewunden hat, ebenso auch, wie Johanna Falckner, sein Wesen der Begierde, das Virus der Madonnen auf gleicher Wellenlänge verkörpert. Diese Welt zwischen dem Eisernen (Vorhang) und der Rampenkante
ist klein, zu klein für sie. Lotte arrangiert sich, Werther wird zum SuicideCommander. Aber der Weg dahin war das eigentliche Ziel der Inszenierung.
Die großen Hochschulen von Essen über Dresden, Berlin und Stuttgart sind
selbstverständlich vertreten und dazu werden Gäste aus Europa und den USA
erwartet, die ihrerseits Erfahrungen im Zusammenspiel der Künste auf dem
Tanzboden einbringen. Vera Sander, die selbst am Zentrum für Zeitgenössischen Tanz in Köln unterrichtet, gibt einige der Fragen vor, die sich im Dialog
mit den Studierenden aufgedrängt haben. Wie sieht die Kommunikation im
Umgang zwischen meinem Körper, der Musik, dem Raum und der Zeit aus?
Wie löst Wahrnehmung Bewegung aus? Wie prägt das Training die Ästhetik?
Mirja Biel inszeniert „Werther“ an den Bonner Kammerspielen
Peter Ortmann
„Werther“ | R: Mirja Biel | Sa 30.1., Fr 12.2., Mi 16.3. 19.30 Uhr
Kammerspiele Bonn | 0228 77 80 08
Die 5. Biennale der Tanzausbildung findet in NRW statt
Die Probleme führen schnell zu jenen ästhetischen Nahtstellen, die heute immer wieder Thema in Tanzproduktionen sind. So wird die Rolle des Sprechens
zu befragen sein. Wo funktioniert Sprache fruchtbar im Dialog mit Körper und
Bewegung und wo transportiert sie nichts als die Ratlosigkeit der Choreografen. Die Biennale wird denn auch nicht an der Tatsache vorbeikommen, dass
vielen aktuellen Produktionen der Blick über die eigene Horizontlinie fehlt, so
dass nicht mehr die Frage gestellt wird, woher die Bewegungen kommen, die
ich in meiner Arbeit benutze. Die Beschäftigung mit der Historie des modernen
Tanzes gehört zu den Schwerpunkten des Biennale-Programms.
Während die Arbeit während der internationalen Begegnungen zum großen
Teil in Workshops geleistet wird, die den Nachwuchs auf
den Stand der Forschung bringen sollen, gibt es in diesem
Jahr auch zwei umfangreiche Präsentationen im Staatenhaus der Kölner Messe zu sehen. Sage und schreibe 110
Absolventen und Absolventinnen der nationalen und internationalen Tanzinstitute werden am 15. und 16. Februar
jeweils ab 19.30 Uhr insgesamt 14 Choreografien präsentieren. Danach wird man sich ein Bild vom Stand der mögThomas Linden
Journalist und Jurymit- lichen Innovationen machen können, die die Hochschulen
glied des Kölner Kinderu. Jugendtheaterpreises heutzutage dem Nachwuchs zu bieten haben.
Biennale Tanzausbildung 5 | 15.-22.2. | Köln, NRW
www.biennale-tanzausbildung.de
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premiere
„Wir wissen wenig über das Sterben“
Die Kölner Gruppe Futur3 widmet sich in „Der unbekannte Nachbar“ dem anonymen Tod
In der Singlegesellschaft wird auch das Sterben Urlaube und Zeichnungen von allen Kamasutraeinsam. Da können noch so viele Menschen vom Positionen gefunden, die hinter dem Bett lagen. Da
Ableben im Kreis der Familie träumen – der an- war sehr viel Leben, sehr viel Energie in ihm drin,
onyme Tod nimmt stetig zu. Die Gruppe Futur3 auch wenn die Wohnung eher muffig wirkte und die
widmet sich in ihrer Trilogie „Der unbekannte Objekte lange nicht mehr benutzt worden sind. Das
Nachbar“ der Begegnung mit dem Tod in der wirft nicht nur ein Licht auf ein einzelnes Leben,
Stadt. Mit Objekten aus dem Nachlass eines sondern auch auf die Zeit der 70er Jahre.
Unbekannten erzählt Futur3 im ersten Teil vom
Sterben aus der Innenperspektive („Protokoll der Wie lässt sich das Sterben eines Menschen reletzten Stunden“); der zweite Teil („Das Toten- konstruieren?
fest“) spielt in einem Bestattungsunternehmen, Wir haben lange überlegt, wie wir mit seinem Nain dem die Zuschauer zu Hinterbliebenen wer- men und seinen Sachen umgehen. Wir wollen unden; der dritte führt schließlich geradewegs ins sere Fundstücke erzählen lassen und mit ihrer Hilfe
uns unseren Nachbarn vorzustelJenseits („Das Kabinett des Jen„Die Wohnung wird zum
len versuchen. Das Dokumentaseits“). Ein Gespräch mit RegisInnenraum des Sterbenden“
rische rückt dabei etwas in den
seur André Erlen.
Hintergrund. Dann haben wir uns
engels: Herr Erlen, wie sind Sie auf die Wohnung damit beschäftigt, wie Sterben medizinisch abläuft.
Im Vergleich zur Geburt, weiß man relativ wenig
eines anonym Verstorbenen gestoßen?
André Erlen: Durch die Vermittlung eines Betreu- darüber. Man weiß, welche lebenswichtigen Organe
ers konnten wir die Hinterlassenschaft eines Ver- wann und wieso ihre Funktion aufgeben. Aber der
storbenen ohne Angehörige übernehmen. In der Gesamtablauf ist offensichtlich noch ziemlich unWohnung konnten wir nicht bleiben, weil sie be- verständlich. Es geht im ersten Teil nicht nur um
reits weitervermietet war. Als Alternative bespielen den Einzelfall unseres Nachbarn, sondern um das
wir jetzt eine frühere Modellwohnung für altersge- Phänomen des Ablebens, um Gedanken und Gerechtes Wohnen der GAG. Die Wohnung hat zwar fühle in diesem letzten Moment. Wir vollziehen
nichts mit der 1960er-Jahre-Wohnung des Verstor- das Sterben nicht chronologisch nach. Von Innen
benen zu tun, es stellt sich eher eine Altersheim- ist das Sterben vermutlich gar kein linearer Prozess.
Atmosphäre ein. Doch der Kontrast des Cleanen von Wir versuchen, die Wohnung für die Zuschauer zu
Heute und der Möbel von damals bringt auch eine einem Innenraum des Sterbenden werden zu lassen.
andere Sichtbarkeit. In dieser Wohnung in Sülz findet Teil eins von „Der unbekannte Nachbar“ statt.
Mit wem haben Sie bei der Recherche gesprochen?
Wir haben mit Mitarbeitern und Bewohnern in Hospizen gesprochen, mit Bestattern, mit amtlichen
Betreuern von älteren Menschen. Oder auch einer
Ethnologin an der Uni, die die Todeskultur in China
und Deutschland vergleicht. Das öffnet einem die
Augen, wie klein unsere Welt ist. Wann spricht man
vom Tod? Was bedeutet das Sterben in unterschiedlichen Kulturen? Der parareligiöse Umgang mit dem
Tod wird derzeit offenbar wieder salonfähig. Es gibt
eine Art Ahnenkultur oder auch eine Engelkultur.
„Der unbekannte Nachbar“, Fotos: Thomas Morsch
Was war dieser unbekannte Nachbar für ein
Mensch?
Wir haben herausbekommen, dass er wahrscheinlich an Demenz gelitten hat. Deshalb hatte er einen
Betreuer. Gestorben ist er im Krankenhaus. Wir haben Hinweise auf eine Tochter und zu einer Exfrau
gefunden, beide sind aber nicht mehr aufgetaucht.
Seine Lebensgefährtin ist vor ihm gestorben. Er war
vermutlich Vertreter und hat einen Versandhandel
gehabt. Man merkt das an seinem sehr ordentlichen Arbeitsschrank. Er war unglaublich organisiert, hat seine Urlaubsreisen von A bis Z dokumentiert. Es hatte eine kleine Privatbar und eine genau
beschriftete Sammlung mit Tanzmusik, als ob er ein
DJ gewesen wäre. Wir haben Hinweise auf FKK-
Das berührt dann eigentlich schon den dritten
Teil Ihrer Trilogie, „Das Kabinett des Jenseits“?
In Teil drei beschäftigen wir uns damit, wie die
Hinterbliebenen glauben, mit den Toten Kontakt
aufnehmen zu können oder auch nicht. Da gibt es
Beispiele wie das Tonbandstimmenphänomen, das
in den 70er Jahren groß war, oder das Tibetanische
Totenbuch, das beschreibt, was mit der Seele nach
dem Tod passiert und wie man als Überlebender ihr
beim Übergang ins Nirwana helfen kann. Inspirierend war auch das Museum for Jurassic Technologies in Los Angeles, das an frühe Kuriositätenkabinette angelehnt ist. Das stand Pate für unser
Kabinett im Haus Licht in Ehrenfeld, das wir eher als
Installation begreifen und weniger als Performance.
Und der zweite Teil?
Der zweite Teil, „Das Totenfest“, findet im sogenannten Domsaal bei dem Bestatter Christof
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ZUR PERSON
André Erlen hat an der Kunstakademie Düsseldorf studiert,
anschließend absolvierte er eine Schauspielausbildung am
Actors’ Studio Pulheim und realisierte Produktionen mit
dem polnischen Regisseur Michal Nocon. 2003 gründete er
mit Stefan H. Kraft und Klaus Maria Zehe die Gruppe Futur3,
die 2010 mit dem Kölner Theaterpreis für „Petersberg I“
ausgezeichnet wurde.
Kuckelkorn statt, der uns auch beraten hat. Das ist
der Teil des Abschieds und der Trauer. Wir stellen
die Frage, wie wir überhaupt trauern, wie wir mit
Verabschiedungsritualen umgehen sollen, wenn
wir keinen tradierten Ablauf mehr haben, an den
wir uns halten. Trauerfeiern können heute aussehen, wie sie wollen. Alles geht. Doch die Kultur des
Verabschiedens verschwindet zunehmend und entwickelt sich langsam zu einer Entsorgungskultur.
Wichtig ist auch, was die Verstorbenen und was die
Hinterbliebenen wollen – und wer sich durchsetzt.
Wir laden die Zuschauer ein, diese Hinterbliebenen
zu werden. Gleichzeitig ist es ein Stück über unseren unbekannten Nachbarn, der neben uns verstorben ist.
Interview: Hans-Christoph Zimmermann
„Der unbekannte Nachbar“ | R: Stefan H. Kraft &
André Erlen | Teil 1: 29.1.-1.2. je 17, 19 u. 21 Uhr
(Grafenwerthstr. 4/Paterre, 50937 Köln) | Teil 2:
17.-19.2. 20 Uhr (Bestattungshaus Kuckelkorn,
Zeughausstr. 28-38, 50667 Köln) | Teil 3: 24.-26.2.
durchgehend 17-22 Uhr (Haus Licht, Lichtstraße,
50825 Köln) | 0221 985 45 30
Lesen Sie die Langfassung unter:
www.choices.de/premiere
oper in NRW
musical in NRW
Petra Schmidt und Aris Argiris als Tosca und Scarpia, Foto: Pedro Malinowski
„Monty Python’s Spamalot“, Foto: Diana Küster
Tosca im Schatten des Bösen
Schriller geht‘s nicht
Von Karsten Mark
Es muss wohl am großen Charisma des griechischen Baritons Aris Argiris
liegen, dass seine Regisseure ihn so gerne in den Mittelpunkt ihrer Inszenierungen rücken. In der vergangenen Saison war es der Chef des Gelsenkirchener Musiktheaters, Michael Schulz, der Argiris als Rigoletto stark in Szene
setzte. So stark, dass alle anderen Figuren daneben zu verblassen drohten.
Nun ist es der junge Regisseur Tobias Heyder, der Argiris enormer Bühnenpräsenz offenbar erlegen
„Musikalisch wird der Opernkrimi
ist. Nach dem gebrochenen
sehr schlüssig und mit Hochspannung Hofnarren gibt Argiris nun
auserzählt“
einen seelisch verkrüppelten
Machtmenschen
namens
Scarpia. Beinahe ist man versucht zu glauben, so müsse wohl auch die Oper
heißen, die Heyder aktuell auf die Gelsenkirchener Bühne gebracht hat. Dabei
hatte Giacomo Puccini doch eine ganz andere Hauptperson im Sinn: la Tosca.
Petra Schmidt singt die Diva – und erfährt von Regie und Ausstattung (Kostüme: Verena Polkowski) zunächst weit weniger Zuneigung als ihr böser Gegenspieler. Eine altbackene, unvorteilhaft ausstaffierte Matrone steht da auf
der Bühne, dass man sich schon fragen kann, warum Derek Taylor als junger
Maler Cavaradossi sie eigentlich so anbetet. Gesanglich hingegen setzt sich
Petra Schmidt überzeugend über das Negativ-Image hinweg. Und sie zeigt
eine stringente, zunehmend starke Entwicklung ihres Charakters über alle
drei Akte.
Immerhin hat das steife Outfit dann doch noch einen Sinn: Heyder hat die
Handlung aus den Zeiten Napoleonischer Revolutionskriege ins faschistische
Italien Mussolinis verlegt. Das funktioniert, auch wenn man nicht sofort darauf kommt. Andere Regieeinfälle bleiben rätselhafter: etwa das Te Deum
zum Finale des ersten Aktes, das bei Heyder zu einer sexuell aufgeladenen
schwarzen Messe für den Bösewicht ausartet. Die Idee ist nicht übel, leider
wirkt die handwerkliche Umsetzung eher ungelenk.
So sehr sich die Regie auf das Scarpia-Portrait konzentriert und einen wirklich starken Mittelakt hinbekommt, so fahrlässig lässt sie andere Szenen einfach laufen. Oft wird nebeneinander statt miteinander agiert. Besonders bei
dem jungen amerikanischen Tenor Derek Taylor, der stimmlich überzeugt
und auch als Darsteller Ausstrahlung besitzt, lässt sich erkennen, dass ihm
Personenführung fehlt.
Aris Agiris kann sich hingegen voll ausleben. Mit langen
strähnigen Haaren gibt er einen schmierigen, kaputten
Typen, der sich allerdings mit schöner Kunst in rauen
Mengen umgibt. So gelingt eine tiefsinnige Charakterzeichnung in gewollter Widersprüchlichkeit. Exzellent ist
die Leistung der Neuen Philharmonie Westfalen unter
Rasmus Baumann. Mag die Bühnenhandlung auch so
manche Rätsel aufgeben und nicht auflösen, musikalisch
Karsten Mark
Journalist mit Schwer- wird der Opernkrimi sehr schlüssig und mit Hochspannung
punkt (Musik-)Theater auserzählt.
Von Rolf-Ruediger Hamacher
„Kann man denn so ein Musical überhaupt in Bochum aufführen?“, fragen sich
nicht nur König Artus und seine Ritter der Tafelrunde. Auch das Publikum wird
angesichts der bisherigen, hehren Schauspielkunst des Hauses so seine Zweifel gehabt haben, auch wenn in der letzten Spielzeit die „Frauen am Rande
des Nervenzusammenbruchs“ ihre erste Musical-Inszenierung am Schauspielhaus bekamen. Nun geht es noch verrückter, noch opulenter zu, im an bemalte
Laubsägearbeiten erinnernden Bühnenbild von Anette Hachmann, durch das
Regisseur Christian Brey sein auch mit ihren schrillen Kostümen ausgestattetes
Ensemble in „Spamalot“ durchs Mittelalter reiten lässt. Und da die Bühne zu
klein, der Etat zu niedrig und das Stück von der Comedy-Truppe Monty Python
stammt, muss ein Kokosnüsse aneinanderschlagender Knappe reichen, um die
Illusion von Pferdegetrappel zu erzeugen: eigentlich wie ein Geräuschemacher
im Film. Kein Wunder, dass da auch das Stepptanz-Klacken gefaket wird und
die Darsteller ihr Andrew-Lloyd-Webber-Medley (dem man so ganz nebenbei
auch ein paar nicht von ihm geschrieben Musicals unterjubelt) nur pantomimisch aufführen. Allerdings mit einem spontan entstehenden „PublikumsChor“. Die kongeniale Zusammenarbeit von Regie, Choreografie (Kati Farkas),
Bühnen- und Kostümbild, musikalischer Leitung (Tobias Cosler) und einem mit
ausgelassener Spielfreude agierenden Ensemble, das bis in die kleinste Rolle
hinein perfekt besetzt ist, lässt das Musical in Bochum endlich aus dem Schatten von „Starlight Express“ heraustreten. Da lohnt es sich doch, öfters mal die
Rollschuhe gegen Kokosnüsse einzutauschen.
Genauso überdreht geht es am Scala-Theater in Köln zu – natürlich auf Kölsch.
„Dä Floch vun Königswinter“ folgt dem bewährten Grundrezept des Hauses:
bekannte Lieder Kölner (u.a. De Höhner, Bläck Fööss) und internationaler Stars
(u.a. Bonnie Tyler) zum Mitsingen, zotige Witze, aber auch herrliche WortSpielereien und politische Seitenhiebe („Pegida, das ist ein Auflauf aus faulen
Eiern und weichen Birnen“).
Nachdem man sich mit einem Seemanslieder-Potpourri in Stimmung gesungen
hat, amüsiert man sich freibeuterisch darüber, wie Kapitän Plüschprumm (Gigi
Herr) „de Fott op Grundeis jeiht“, während sie drei Tage Zeit hat, um den Fluch,
der auf ihrem Schiff liegt, zu brechen. Oder wird Piratenlehrling Siggi Seestecher
(Markus Dietz), der über eine Umschulung zum „Enter“-tainer nachdenkt, ihr
noch einen Strich durch die Rechnung machen? Der Kölner Travestie-Star Sophie Russel schlüpft wie die meisten Ensemble-Mitglieder
in mehrere Rollen. Und während Gigi Herr dem gewohnten
„Improvisieren“ ein wenig zu ausgiebig nachhängt, scheint
Natascha Balzat (auch in einer Doppelrolle) – die auch die
musikalische Leitung innehat – langsam in ihre Fußstapfen
zu treten als ungekrönte Königin des „kölschen Musicals“.
Choreografin Katja Baum krönt zum Finale ihre Leistung
Rolf-R. Hamacher
Hochschuldozent
mit einem zirkusreifen Tanz an der Stange und das enthusiund Beirat des Filmasmierte Publikum schunkelt Karneval entgegen.
kritikerverbandes
Tobias Heyder inszeniert Puccinis Opernkrimi in Gelsenkirchen
„Tosca“ | R: Tobias Heyder | Fr 5.2., Sa 27.2., Sa 12.3. je 19.30 Uhr, So 21.2.
18 Uhr | Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen | 0209 409 72 00
„Spamalot“ und „Dä Floch vun Königswinter“
„Monty Python’s Spamalot“ | R: Christian Brey | Sa 6.2., Mi 24.2.
19.30 Uhr, So 14.2. 19 Uhr | Schauspielhaus Bochum | 0234 33 33 55 55
„Dä Floch vun Königswinter“ | Do-Sa 19.30 Uhr, So 17.30 Uhr
(außer 1.-11.3.) | Scala Theater, Köln | 0221 420 75 93
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nahaufnahme
LARS HENNING thematisiert in seinen Zeichnungen und Malereien überwiegend die eher düsteren Seiten des menschlichen Daseins.
Den oft schwermütig, bishin befremdlich wirkenden Motiven entgegnet er dabei jedoch oft mit intensiven, fast schrillen Farben und
gelegentlicher Detailverliebtheit. Dabei tendiert der Maler oftmals zu verzerrten Perspektiven sowie einer Reduzierung auf die wesentlichen Gemütszustände der menschlichen Empfindung. Bilder und Kontakt unter: www.vinoviola.deviantart.com
Foto: Benny Trapp
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prolog
theater in NRW
Utopiastadt, Foto: Sven Pacher
Die Intendanten Peter Carp und Kathrin Tiedemann, Fotos: Britt Schilling (l.) / Sonja Rothweiler (r.)
Geld und Lametta
Kunststadt an der Schwebebahn
Von Hans-Christoph Zimmermann
Ein „Ermutigungspreis“ soll es sein. Das klingt ein wenig nach Almosen. Als
ob man es mit Erniedrigten und Beleidigten zu tun hätte, auf die nur noch
schäbige Abglanz der Metropole fällt und die dringend ein bisschen Aufmunterung vertragen könnten. Man kann
„Die Arbeit kleiner und
aber davon ausgehen, dass Kulturstaatsmimittlerer Theater soll
nisterin Monika Grütters ihren im Dezemgewürdigt werden“
ber erstmals verliehenen „Theaterpreis des
Bundes“ nicht als Trostpflaster versteht, auch wenn damit ausdrücklich die
Arbeit kleiner und mittlerer Theater gewürdigt werden soll. Aus 187 Bewerbungen hat die fünfköpfige Jury 12 Theater aus verschiedenen Bundesländern
ausgewählt: NRW ist zwei Mal vertreten, was allerdings nicht so ganz seinem
ästhetischen Gewicht in der Theaterlandschaft entspricht. Aber: Proporz muss
natürlich sein, wo kämen wir hin, wenn allein nach Qualität geurteilt würde.
Zum Jahresende 2011 wurde sie konkret, die Clownsfisch-Idee, am alten Mirker Bahnhof ein kreatives Cluster namens Utopiastadt zu gründen. Jetzt wird
der Fortbestand der Kultur- und Kreativwirtschaft gesichert: Die Dr. Werner
Jackstädt-Stiftung – ohne die in Wuppertal nichts geht – unterstützt Utopiastadt mit 200.000 Euro. Durch die Zusage kann der vollständige Eigenanteil
für die Sanierung des historischen Bahnhofsgebäudes dargestellt werden und
das „Stadtlabor für Utopien“ weitermachen. Zumal mit der Kampagne „1m2
Utopiastadt“ weitere 15.000 Euro gesammelt und die ersten 150 Quadratmeter Utopiastadt-Campus zugekauft werden konnten. Für 2016 haben sich die
Utopisten einiges vorgenommen, welches in einer vielschichtigen Mischung
aus Konzerten und Performances an der Mirker Straße 48 sichtbar wird.
Spannend bleibt es auch an einer hochoffiziellen Bühne, nämlich der Oper.
Eine der letzten Gelegenheiten, den noch amtierenden Generalmusikdirektor Toshiyuki Kamioka an seinem „Heimpult“ zu erleben, bietet sich seit der
Tschaikowski-Premiere „Eugen Onegin“ am 24. Januar. Jenseits der ewigen
Geschichte um eine verpasste Liebe – Eugen Onegin erkennt erst, dass Tatjana
die Liebe seines Lebens ist, als sie einen anderen heiratet – ist das Tamtam um
die Nachfolge des scheidenden Generalmusikdirektors ja die ganz große Oper.
Da passt dann auch die ursprünglich von Wedekind verfasste „Lulu“ gut ins
Programm. Wer Lulu sieht, ist ihr schon verfallen, sie lockt und verführt bis
zum bitteren Ende. Sie feiert im Mai Premiere wird und von dem wackeren
Japaner dirigiert.
Sehr dem Hier und Jetzt verbunden präsentiert sich ein Künstlerkollektiv im
Theater im Engelsgarten mit seinem Projekt „Ich selfie mich selbst“. Dazu
beleuchten Kirsten Edelhagen, Leo Nithas, Christoph Rodatz, Jean Sasportes,
Wolfgang Suchner und Ute Völker zwei Selfie-Aspekte, nämlich den inszenierten Zeitpunkt, in dem es entsteht, sowie die anschließende Veröffentlichung des Motives, um es einerseits zu posten, andererseits in sozialen Medien zu debattieren. Oder, wie es die sechs Akteure selbst formulieren: „Zu
jedem Selfie gehören im Wege stehende Menschen, die sich nur mit sich selbst
beschäftigen und ihre Umwelt nicht mehr wahrnehmen.“ Andererseits schaffen diese Motive eine eigene Bildwelt, neben der Selbstbespiegelung haben
sie Selbstbestimmung durch den ursprünglich privat gewesenen Moment der
der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, ausgelöst. Dabei geht es um die
Deutungshoheit des eigenen Bildes. Was die Werbung längst nutzt, findet
vermehrt den Weg ins Private: Das Bild sagt mehr als tausend Worte, es ist
wirkungsmächtiger als ein noch so schön formulierter Text.
„Ich selfie mich selbst“ geht der Frage nach, „was habe ich da bloß ausgelöst?“,
und spielt auf humorvolle und lustvolle Art mit den beiden Polen der eigentlichen Privatheit und der gleichzeitigen öffentlichen Darstellung im weltweiten Web. Seit Beginn seiner Zivilisierung macht der Mensch Bilder, neuerdings
bevorzugt von sich als Digitalknipser.
Valeska von Dolega
Utopiastadt | Mirker Bahnhof | neu.clownfisch.eu
„Eugen Onegin“ | 3., 5., 17., 19.2. je 19.30 Uhr, 7. u. 21.2. je 16 Uhr
Opernhaus | 0202 563 76 66
„Lulu“ | Sa 14.5.(P) | Opernhaus | 0202 563 76 66
„Ich selfie mich selbst“ | Di 8.3.(P), Mi 9.3. 19.30 Uhr | Theater im
Engelsgarten | 0202 563 76 66
Zwei NRW-Bühnen bekommen den Bundestheaterpreis
Das Theater Oberhausen braucht sicherlich keine Ermutigung, dagegen aber
die 80.000 Euro Preisgeld. „Wenige Stadttheater öffnen sich derart kontaktfreudig der Freien Szene wie das Theater Oberhausen“, heißt es in der Jurybegründung. Gelobt wird vor allem die Zusammenarbeit mit dem Kollektiv
geheimagentur, dem Ringlokschuppen und das Projekt „54.Stadt“. Gelobt
werden aber auch Intendant Peter Carp für sein Ensemble und die „avancierten Ästhetiken“ von „internationalen Regisseuren“ wie Andriy Zholdak,
Bram Jansen oder Simon Stone. Doch der Preis wird für Oberhausen eigentlich zum Abschiedspreis. Peter Carp wechselt bekanntlich im Sommer 2017
nach Freiburg. Damit ist die Oberhausener Herrlichkeit erst einmal vorbei. Seit
dem Abgang von Johannes Lepper 2008 hat Peter Carp dem Haus bundesweit
ein neues Ansehen verschafft und für Furore gesorgt, neben den erwähnten
Regisseuren auch mit den abgedrehten Inszenierungen eines Herbert Fritsch.
Und auch in Düsseldorf braucht man kein aufmunterndes Schulterklopfen. So
schlecht steht es um das Forum Freies Theater nicht. Im Gegenteil. Nach der
Aufnahme in ein vom Bund mit 12 Mio. Euro gefördertes „Bündnis internationaler Produktionshäuser für zeitgenössische darstellende Kunst“ bekommt
das FFT außerdem aus Grütters Theaterpreis-Schatztruhe 80.000 Euro. Seit
2004 leitet Kathrin Tiedemann das Haus mit den beiden Spielstätten in der
Düsseldorfer Innenstadt. Gelobt wurden von der Jury die Erforschung neuer
Formate, „in denen es gelingt, unterschiedliche Disziplinen konzeptionellen
Denkens mit ästhetischen Aktionen zu verbinden“. Und weiter: „Das FFT erzeugt dabei auf Augenhöhe eine Sphäre aus Stadt, Kunst und Theater, die
bestrebt ist, Denkfiguren nicht nur als künstlerischen Prozess zu begreifen, sondern deren Komplexität zu vermitteln und in die Lebenswirklichkeit zu übertragen.“ So kann
man das sagen. Man könnte es auch anders formulieren.
Aber Juroren sind auch nur Menschen. Und wenn schon
in jeder zweiten Begründung von avanciert, engagiert,
spartenübergreifend, partizipativ, Intervention, Recherche die Rede ist, muss man etwas variieren. Hauptsache
Hans-Christoph
Zimmermann
gewonnen. Die Sprachartistik fällt unter die Rubrik PreisJournalist und
Theaterkritiker
Lametta.
Die Kunstszene entwickelt sich äußerst spannend
14
film des monats
Im Nest der Unsympathen: Revolverhelden im cineastischen Kammerspiel
Dialogisches Gemetzel
„The Hateful Eight“ von Quentin Tarantino
Film des Monats?
 Mein
[email protected]
In einer verschneiten Hütte treffen windige Revolverhelden aufeinander.
C Nerdiges Underground-Kino mit politischer Note
Wir freuen uns auf Post.
Keine Frage, der neue Film von Quentin Tarantino spaltet mehr denn je: Die
einen nennen ihn im besten Fall langweilig, empfinden den Film häufig aber
auch als höchst unmoralisch. Die anderen feiern den Film für seine Dialoge,
seine Bilder, seinen Spannungsaufbau und nicht zuletzt für seine oft auf
Gewalt gründende Komik (ja, fiktionale Gewalt kann komisch sein, siehe Dick
& Doof, Tom & Jerry etc.). „The Hateful Eight“ scheint Tarantinos extremstes
Werk seit seinem Debüt „Reservoir Dogs“ zu sein, verfolgt gegenüber dem
Erstling allerdings eine Mission.
Krimi-Kammerspiel
Angetrieben von einem herannahenden Schneesturm, rast eine Kutsche durch die verschneite
Landschaft Wyomings. Darin sitzt der Kopfgeldjäger John Ruth (Kurt Russel)
ll) mit der Banditin
Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh), die er dem
Henker übergeben will. Erst hält ihn der Schwarze
Major Marqis Warren (Samuel L. Jackson) auf, ebenfalls Kopfgeldjäger und ehemals Soldat der Nordstaaten im wenige Jahre zurückliegenden ameriFoto: Universum Film
kanischen Bürgerkrieg zwischen 1861 und 1865.
Dann ersucht auch Chris Mannix Zuflucht in der Kutsche. Er gibt vor, der neue
Sheriff des nahe gelegenen Red Rock zu sein und ist passionierter Rassist
(Walton Goggins spielt ihn lustigerweise wie das Klischee eines funny black
Sidekicks). Widerwillig nimmt Ruth die beiden auf und sie erreichen gerade
noch Minnies Kleinwarenladen, bevor der Sturm über sie hereinbricht. Im
Laden befinden sich ungewöhnlich viele Reisende, die alle kurz vor dem
Sturm hier gestrandet sind. Wer hingegen fehlt: Minnie und ihre Angestellten, die normalerweise den Laden mit größter Fürsorge und Freundlichkeit
schmeißen. Stattdessen ist der Mexikaner Bob vor Ort, laut eigener Aussage,
um Minnie zu vertreten, während sie ihre Mutter besucht. Das kommt zunächst nur Major Warren merkwürdig vor, aber die Unstimmigkeiten verdichten sich ebenso wie die Anspannung zwischen den in der kleinen Hütte eingepferchten Revolverhelden. Die zahlreichen, recht locker sitzenden Pistolen
machen die Situation kaum gemütlicher.
Anspannung und Ausbruch
In den ersten zwei Stunden kann man „The Hateful Eight“ ohne Weiteres als
Dialogfilm bezeichnen, der nach relativ kurzer Zeit auch noch zum WhodunitKammerspiel à la Agatha Christie wird. Kein Wunder, dass die Bühnenaufführung von „The Hateful Eight“ ein derartiger Erfolg war. Denn nachdem das
Drehbuch 2013 geleakt wurde, wollte Tarantino das Projekt eigentlich an den
Nagel hängen und hat stattdessen eine dialogische Lesung mit den Darstellern zur Aufführung gebracht. Erst der Erfolg der öffentlichen Drehbuchlesung veranlasste den Regisseur, das Filmprojekt wieder anzuschieben. Aber
Mit
-kultur.de beginnt die Filmwoche
15
trotz der Bedeutung der Dialoge in diesem extrem langsam erzählten Film ist
Tarantino ein Film- und kein Theatermensch. Das Visuelle ist sein Metier, hier
spielt er seine Meisterschaft, aber auch sein Nerdtum aus. Alleine die erste
Einstellung sagt alles über Tarantinos Haltung zu diesem Medium: Zu den
grandiosen Klängen von Ennio Morricones Original-Score legen sich die im
Retrodesign gehaltenen Credits über eine Kameraeinstellung, die in aller
gebotenen Langsamkeit das Leiden eines in Holz geschnitzten Jesus am Wegkreuz abtastet, während sich langsam besagte Kutsche nähert. So viel Zeit
nehmen sich sonst nur noch der Philippine Lav Diaz, der Türke Nuri Bilge
Ceylan oder der Thailänder Apichatpong Weerasethakul – aber sicher nicht
das Mainstreamkino von Hollywood. Zum Einsatz
ZUR PERSON
kam das nur wenige Male in den 60er Jahren einQuentin Tarantino (*1963)
gesetzte analoge Ultra Panavision 70mmhat seit 1992 acht FilBreitbildformat, das hier aber nur selten für solch
me gedreht und jüngst
weite Landschaften genutzt wird, sondern um das
verkündet, nach dem
Zehnten den Regiestuhl
komplexe Raumgefüge in der Hütte mit all seinen
zu räumen. Alle seine
vielen Details auszuleuchten.
Filme wurden auf analogem
Filmmaterial
gedreht.
Später kommt es dann natürlich wieder, wie es
kommen muss: Das Blut spritzt und Körperteile
fliegen durch den Raum, wenn sich die latente Gewalt in einer Eruption leinwandfüllend in absurd übersteuerter, schräg sexualisierter und absolut ambivalenter Gewaltdarstellung Bahn bricht. Im Finale entzieht Tarantino dann
auch noch den letzten beiden Figuren unsere Sympathie. Reiner Nihilismus
und Zynismus? Oder realistische Einschätzung einer Gesellschaft, die Tarantino
auf einer Demonstration gegen Polizeigewalt kritisierte (woraufhin die Polizei
zum Boykott gegen den Film aufrief). Was man nach dem blutigen Showdown
fast wieder vergessen hat: Da gab es eine Rückblende, und dort sah man vielleicht das, was der Regisseur als liebenswert und erhaltenswert erachtet.
Zumindest hat er selten eine Szenerie freundlicher gestaltet als in dieser fast
kindlich naiven Szene, die von Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, Freiheit
und einem friedlichen Miteinander – der Ethnien und der Geschlechter –
erzählt. Leider scheint keine der Hauptfiguren in „The Hateful Eight“ Tarantinos Einschätzung zu teilen. Der nach „Inglourious Basterds“ und „Django:
Unchained“ dritte explizit politische Film Tarantinos ist keine revisionistische
Rachefantasie wie die beiden Vorgänger, sondern enthält tatsächlich so etwas
wie einen Hoffnungsschimmer. Am Ende wird für den Wunsch nach Gleichberechtigung gar Abraham Lincoln zitiert.
Christian Meyer
engels verlost 2 Pakete bestehend aus T-Shirt und Filmplakat auf engels-kultur.de
THE HATEFUL EIGHT
USA 2015 - Western - 167 Min - ab 16 J. - Regie: Quentin Tarantino
mit: Samuel L. Jackson, Kurt Russel, Jennifer Jason Leigh
-kultur.de
Start: 28.1.
Mein
Meein
i Lesezeichen
film-kritik
Stelios (Stelios Mainas) schießt sich den Weg aus der Krise
Verzweifelt: Tessa (Jördis Triebel) und Elena (Chara Mata Giannatou)
Wölfe und Schafe
Krisenbürger
„Mittwoch 04:45“ von Alexis Alexiou
„Ein Atem“ von Christian Zübert
Ein Nachtclubchef aus Athen sucht einen Ausweg aus der Überschuldung.
C Abgründig stilisiertes Noir-Drama zur Griechenland-Krise
Eine junge Griechin hütet das Kind einer wohlhabenden Deutschen.
C Drama über zwei Frauenschicksale
Nein, die Finanzkrise macht auch nicht Halt vor der Unterwelt. Stelios ist seit
17 Jahren stolzer Besitzer eines Live-Jazzclubs. Nur leider ist er inzwischen
hoch verschuldet bei einem Rumänen, der ihm jetzt gefährlich Druck macht.
Innerhalb von 24 Stunden soll Stelios 148.000 Euro zurückzahlen. Sonst droht
Arges. Der Familienvater begibt sich auf eine Irrfahrt durch die Abgründe Athens.
Ein gelungenes Noir-Drama, das sich von den bedrückend wabernden SynthieSounds und verregneten Nachtszenen eines „Blade Runner“ bis hin zu sehnsuchtsvollen Schlagerballaden und der unaufhaltsamen Talfahrt eines YakuzaKrimis inspiriert der Genrevorbilder bedient. Ein blutiger, spannender und
atmosphärisch gestalteter Kommentar zur Krise, der zugleich mit stylisher
Coolness aufwartet.
Hartmut Ernst
Gegen den Willen ihres Freundes reist die 27-jährige Elena aus Athen nach
Frankfurt und nimmt einen Job als Babysitterin an. Die Eltern sind beide
berufstätig und leben ein emotional ramponiertes Wohlstandsleben. Vor
allem die Mutter Tessa wirkt unentspannt und lässt ihre Launen an Elena
aus. Als Elena erfährt, dass sie selbst schwanger ist, verschweigt sie dies, um
den Job nicht zu verlieren. Ein Schicksalsschlag führt zur Eskalation. Nacheinander richtet das Drama den Fokus auf die beiden grundsätzlich verschiedenen Frauen, die eines vereint: Verzweiflung. Und die liiert sind mit
grundsätzlich verschiedenen Männern, die ihre Frauen aber gleichermaßen
bevormunden. Parallelen und Gegensätze kollidieren tragisch in diesem deutschgriechischen Schicksalsbund.
Hartmut Ernst
MITTWOCH 04:45 Filmfestival Thessaloniki, Bester Film, Alexis Alexiou
GR/D/IL 2015 - Drama - 117 Min - ab 12 J. - Regie: Alexis Alexiou
mit: Stelios Mainas, Dmitris Tzoumakis, Adam Bousdoukos
EIN ATEM
Start: 4.2.
D/GR 2015 - Drama - 101 Min - ab 12 J. - Regie: Christian Zübert
mit: Jördis Triebel, Chara Mata Giannatou, Benjamin Sadler
Start: 28.1.
Martin Schläpfer schöpft kreative Kraft in seiner Berghütte
Von wegen Urlaub – die heile Welt von Thomas liegt in Trümmern
Richtig oder falsch
Tanze und bleib nie stehen
„Nichts passiert“ von Micha Lewinsky
„Feuer bewahren, nicht Asche anbeten“ v. Annette von Wangenheim
Im Urlaub bricht über Thomas die mühsam konstruierte heile Welt zusammen.
C Anarchisches Familiendrama
Beobachtungen und Selbstauskünfte des Choreografen bei der Arbeit und im Privaten.
C Porträtfilm über den Choreografen Martin Schläpfer
Ein zu Tränen rührendes Familiendrama über gleich zwei dysfunktionale Gengemeinschaften, die eigentlich in der Schweiz einen entspannten Skiurlaub
verbringen möchten, über kurz oder lang jedoch an den mitgeschleppten und
den neu hinzugekommenen Problemen scheitern werden. Trotzdem ist es
Micha Lewinsky, der mit seinem Überraschungserfolg „Die Standesbeamtin“
eine überaus witzige Romantic Comedy gedreht hatte, auch hier wieder
gelungen, die Tristesse mit einem sehr feinen, völlig untypischen Humor zu
durchsetzen, der in erster Linie über die von Devid Striesow grandios gespielte Hauptfigur transportiert wird. Der Euphemismus des Titels „Nichts passiert“
ist dabei sinnbildlich für die Ironie, mit der sich Lewinsky der Thematik nähert.
Ein beeindruckend gespielter Film voller exzellenter Dialoge. Frank Brenner
Mit kräftigen Waden stapft er einen Berg hinauf, bodenständig wirkt er. Und
ganz anders als der Mann, den wir danach sehen als Leiter des Trainings des
Balletts am Rhein Düsseldorf Duisburg. Kaum ein deutsches Haus leistet sich
noch eine Kompanie, die Oper am Rhein aber baut sogar ein neues Haus für
den Tanz. Schläpfers Kompanie ist über das eigene Haus hinaus auch auf
Gastspielen populär. Der Film zeigt ihn auch als Tänzer unter Leitung des
legendären Hans van Manen. Und privat in der Schweizer Heimat und in seinem Düsseldorfer Haus. Ein nachdenklicher Mann, ebenso kraftvoll wie zart.
Der Regisseurin gelingt es, Neugier für sein Leben und Tanzen zu wecken, ohne
den gebotenen Abstand zum Objekt zu verlieren.
Ingrid Bartsch
NICHTS PASSIERT
FEUER BEWAHREN, NICHT ASCHE ANBETEN
CH 2015 - Drama - 88 Min - ab 12 J. - Regie: Micha Lewinsky
mit: Devid Striesow, Maren Eggert, Annina Walt
Mein Film, mein Kino, meine Meinung
Start: 11.2.
engels verlost 1x2 Karten für das Cinema oder Rex auf engels-kultur.de
D 2015 - Dokumentarfilm - 86 Min - o. Altersb. - Regie: Annette von Wangenheim
Start: 11.2.
16
-kultur.de Forum
roter teppich
In einer Sekte aufgewachsen: Vicky Krieps als Ursel in „Colonia Dignidad“
„Mir geht es darum, Gefühle zu vermitteln“
Vicky Krieps über „Colonia Dignidad“, ihre Theatererfahrungen und Philip Seymour Hoffman
Die 1983 in Luxemburg geborene Vicky Krieps
fasste nach ersten Rollen am Schauspielhaus
Zürich schnell in der Film- und Fernsehbranche Fuß. Man sah sie in deutschen ArthouseHits wie „Wer wenn nicht wir“, „Zwei Leben“
oder „Die Vermessung der Welt“, aber auch
schon seit 2011 in Hollywood-Produktionen
wie „Wer ist Hanna?“ als Mutter von Saoirse Ronan, in Roland Emmerichs „Anonymus“
oder neben Philip Seymour Hoffman in „A
Most Wanted Man“. Außerdem spielte sie
u.a. die Titelrolle in „Das Zimmermädchen
Lynn“. Ihr neuer Film „Colonia Dignidad – Es
gibt kein Zurück“, in dem sie neben Emma
Watson und Daniel Brühl spielt, ist ab dem
18. Februar in den Kinos zu sehen.
engels: Frau Krieps, die Ereignisse im Film
passierten noch vor Ihrer Geburt. Wussten Sie
über die Colonia Dignidad im Vorfeld viel?
Vicky Krieps: Nein, ich wusste darüber so gut
wie gar nichts. Ich weiß, dass die Ereignisse mal
durch die Medien gingen, es gab da diese große
Reportage im „Spiegel“, aber ich selbst habe davon als Kind oder Jugendliche gar nichts mitbekommen. Vielleicht lag das auch daran, dass ich
in Luxemburg aufgewachsen bin.
Ihre Rolle der Ursel ist in der Sekte geboren
und aufgewachsen. War es deswegen für Sie
besonders schwierig, sich in diese Figur einzudenken?
Ja, das war für mich auch die Herausforderung
an der Rolle. Sie ist jemand, die ihr Leben lang
innerhalb der Sekte verbracht hat. Sie hat nie
etwas anderes gekannt und sich trotzdem eine
Aufmerksamkeit bewahrt, vielleicht auch, weil
sie schon immer dort gelebt hat. Im Film wird
nicht aufgelöst, warum sie wacher ist als die
anderen, aber sie scheint nicht so sehr im Bann
zu stehen wie die Menschen um sie herum. Das
fand ich sehr spannend an der Figur, deswegen
wollte ich sie auch spielen. Das war aber nicht
einfach, und ich habe auch zum ersten Mal kein
Gespür dafür gehabt, wie mein Schauspiel am
Ende von außen wirken wird. Ich habe die Rolle,
recht intuitiv, von innen heraus gelebt, weil es
Mit
-kultur.de beginnt die Filmwoche
unmöglich ist, sich vorzustellen, wie so jemand
eigentlich ist.
ich gemacht habe. Ich wusste immer sehr genau,
was ich will und was ich nicht will. Ich bin das
Risiko eingegangen, immer das zu machen, was
ich wollte.
Die echte Colonia Dignidad leugnet nach
wie vor jede Verbindung mit dem PinochetRegime, weswegen der Film auch aufkläre- Welche von Ihren zahlreichen internationalen
Begegnungen der letzten Jahre hat Sie denn
rischen Charakter hat…
Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, das war auch das am meisten beeindruckt?
Hauptanliegen des Regisseurs, diese Geschich- Philip Seymour Hoffman bei „A Most Wanted
te zu erzählen. Allein für die vielen Menschen, Man“ hat mich schon sehr beeindruckt, dadurch wie er gearbeitet hat.
die dort gelitten haben – die
„Ich hätte von mir aus nie den
Denn er hat nicht wirklich
haben ein Recht darauf, dass
Mut gehabt, Filmschauspielerin
viel gemacht, er war immer
ihre Geschichte erzählt wird.
sein zu wollen“
sehr zurückhaltend und ruAuch Ursel hat ein reales Vorhig. Als er die letzte Szene
bild, sie ist eine Reminiszenz
an eine Frau namens Ursula, die auf der Flucht des Films spielte, war es so ruhig am Set, dass
erschossen wurde. Eine ganz tragische Ge- man eine Nadel hätte fallen hören, ganz anders
schichte, von der alle sehr ergriffen berichten, als an allen anderen Tagen. Aber so sehr hat
Hoffman damals die Spannung gehalten und
die sie kannten.
die Geschichte in diesem Moment getragen. Als
Sie haben schon sehr schnell nicht gerade ich später den Film sah, bin ich in dieser Szene
kleine Rollen in internationalen Produktionen fast vom Stuhl gefallen, weil ich merkte, dass
wie „Wer ist Hanna?“ gespielt. Was war Ih- der Film von seiner Figur aus auf dieses Ende
rer Meinung nach die Initialzündung für diese zielt. Da wurde mir klar, dass er das schon immer
wusste und das deswegen genau so geplant und
rasante Karriere?
Zum einen wurde ich vom Theater enttäuscht, gespielt hat.
sonst wäre ich wahrscheinlich, wie sehr viele
andere, in ein Festengagement gegangen. Aber Sie drehen auf Deutsch, Englisch, Französisch
die alten Strukturen, die klaren Hierarchien, die – fällt ihnen davon etwas am leichtesten oder
es damals am Theater gab, waren absolut nicht ist das für Sie alles gleichbedeutend?
mein Ding. Dann bin ich dazu übergegangen, Es ist tatsächlich gleichbedeutend für mich.
Stücke zu inszenieren, eines davon in Berlin. Das Sprache interessiert mich nicht so. Wenn man
war der Grund für mich, nach Berlin zu gehen. „Das Zimmermädchen Lynn“ gesehen hat, erDie Initialzündung meiner Karriere ist meiner kennt man, dass mein Interesse meist außerhalb
Meinung nach dann Simone Bär gewesen, die des gesprochenen Wortes liegt. Deswegen ist
bekannte Besetzungsleiterin, die auf mich auf- mir dann auch die Sprache egal. Mir geht es damerksam wurde. Hätte es nicht diesen Blick von rum, Gefühle zu vermitteln. Vielleicht liegt mein
außen auf mich gegeben, der mich in meinem leichter Umgang mit verschiedenen Sprachen
Tun bestärkt hat, dann hätte ich von mir aus nie an meiner mehrsprachigen Erziehung in Luxemden Mut gehabt, Filmschauspielerin sein zu wol- burg. Vielleicht aber auch in meinem Vertrauen
len. Simone Bär hat mich gesehen und erkannt, darauf, dass sich das, was ich sagen will, schon
was ich sein könnte, bevor ich selbst etwas vermitteln wird, egal in welcher Sprache.
in mir gesehen habe. Dann kam das eine zum
anderen. Ich versuche immer, ehrlich zu sein,
Interview: Frank Brenner
meine eigene Meinung und meine eigenen PrinLesen Sie die Langfassung unter:
zipien zu haben, ohne dabei einzubrechen. Das
www.engels-kultur.de/roter-teppich
hat viel ausgemacht im Hinblick auf das, was
17
-kultur.de
Mein
Meein
i Lesezeichen
film-kritik
Gänsehaut
USA 2015 - Fantasy / Komödie - 103 Min - Regie: Rob Letterman
Alvin und die Chipmunks: Road Chip
Start: 4.2.
USA 2015 - Trickfilm / Komödie - 88 Min - o. Altersb. - Regie: Walt Becker Start: 28.1.
Nach dem Umzug in eine Kleinstadt knüpft Schüler Zach rasch Kontakt zu
seiner hübschen Nachbarin Hannah. Doch der Neustart bekommt Risse, als
Zach ihren Vater (Jack Black) kennen lernt: Der ist Grusel-Autor und hat ein
Problem mit den Monstern, die er schuf. Die treiben nämlich in der Realität
allerlei Schabernack. Klamauk von Rob Letterman („Monsters vs. Aliens“). he
Dave (Jason Lee), der Ziehvater der drei quatschenden und singenden Streifenhörnchen Alvin, Simon und Theodore, verliebt sich in Samantha und ist kurz
davor, ihr in Miami einen Heiratsantrag zu machen. Die Auserwählte hat allerdings ihren Sohn Miles im Schlepptau, der den Nagern gehörig auf die Pelle rückt.
Auftakt eines turbulenten Kampfes um Daves Gunst. Schriller Roadtrip.
he
Deadpool
Die Hüterin der Wahrheit – Dinas Bestimmung
USA - Action / Fantasy - 106 Min - Regie: Tim Miller
Start: 11.2.
Als Ex-Soldat und Söldner Wade Wilson (Ryan Reynolds) an Krebs erkrankt,
lässt er sich auf eine fragwürdige Heilungsmethode ein, die ihn entstellt und
zugleich mit Selbstheilungskräften versieht. Der Mann, dem er das zu verdanken hat, macht auch Wades Freundin das Leben schwer. Also schlüpft er in ein
Kostüm und zieht in den Kampf. Marvel-Antihelden-Abenteuer.
he
DK 2015 - Fantasy / Abenteuer - 96 Min - Regie: Kenneth Kainz
Start: 18.2.
Basierend auf einem dänischen Fantasy-Roman erzählt dieses Abenteuer von
Dina, einem Mädchen mit übernatürlichen Fähigkeiten: Mit ihren Augen durchdringt sie die Geheimnisse ihrer Gegenüber. Intrigen am Hof rufen das Mädchen
auf den Plan. Der Prinz wird von seinem Cousin eines schweren Verbrechens
beschuldigt. Ein Streit, der Dina in ein aufregendes Abenteuer stürzt.
he
engels verlost 1x2 Karten und 1 Buch auf engels-kultur.de
Das Wetter in geschlossenen Räumen
D/A 2015 - Drama - 97 Min - ab 12 J. - Regie: Isabelle Stever
Die wilden Kerle 6 – Die Legende lebt
Start: 28.1.
D 2015 - Abenteuer / Jugend - 96 Min - o. Altersb. - Regie: Joachim Masannek Start: 11.2.
Die Freelancerin Dorothea (Maria Furtwängler) arbeitet in einer arabischen
Krisenregion. Auf Charity-Empfängen versucht sie, Spender für ihre Projekte
anzuwerben. Dabei gerät sie zunehmend zwischen die Welt existenzieller Not
und die zweifelhaften Verführungen, die der Wohlstand an ihr Klientel und sie
selbst richtet. Drama über eine zerrissene Entwicklungshelferin.
he
Die wilden Kerle sind erwachsen und zahm geworden – also müssen neue her!
Und zwar hurtig, sonst gehört das Wilde Kerle Land bald dem dicken Michi
(Daniel Zillmann), so will es eine alte Abmachung. Eine Handvoll junger
Bengel tritt in die Fußstapfen ihrer Helden und tritt an zum Kampf um das
Land, das Erbe und die Zukunft. Ring frei also für die Next Generation! he
Passion for Planet
Erschütternde Wahrheit
D 2016 - Dokumentarfilm - 98 Min - Regie: Werner Schüßler
Start: 28.1.
USA 2015 - Drama / Sport - 123 Min - ab 12 J. - Regie: Peter Landesman
Start: 18.2.
Sie beobachten weltweit Tier und Natur – Werner Schuessler beobachtet sie.
Fünf Naturfilmer hat er sich ausgesucht und begleitet sie bei der Arbeit. Eine
Arbeit, die immer mehr Mission wird, weil die Kollegen erleben, wie der
Mensch die natürlichen Ressourcen zerstört. Aus Filmern werden Kämpfer. Die
Doku erzählt von ihren Beweggründen und Herausforderungen.
he
Im Jahre 2002 untersucht der amerikanische Neuropathologe Dr. Bennet Omalu
(Will Smith) ein tödliches Hirntrauma bei einem American Football-Spieler. Als
Ursache nennt er den Profisport selbst. Das passt der NFL so gar nicht. Es
beginnt ein Kampf zwischen David und Goliath. Das Drama von Peter Landesman
(„Trade“) vollzieht den erbitterten Kampf um die Wahrheit nach.
he
Mein Film, mein Kino, meine Meinung
18
-kultur.de Forum
hintergrund
In den Händen des Sektengurus erlebt Lena die Hölle auf Erden
Sekte des Grauens
„Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“ von Florian Gallenberger
Im Pinochet-Regime gerät ein Deutscher in ein abgeschottetes Foltercamp.
C Publikumswirksame Geschichtsstunde
Florian Gallenberger (seit „Quiero Ser“ 1999 einer der jüngsten deutschen
Oscar-Preisträger) hat sich in den letzten Jahren mit seinen Filmen darauf
spezialisiert, wenig bekannte Aspekte der deutschen Geschichte in anderen
Ländern für ein hiesiges Publikum wieder ins Gedächtnis zu rufen. Das ist ihm
zuletzt 2009 mit „John Rabe“ sehr gut gelungen, über den ein wahrer Preisregen hereinbrach und der das Leben des deutschen Kaufmanns Rabe im
China der 30er Jahre Revue passieren ließ. Auch „Colonia Dignidad“ beruht in
seinen Grundkonstellationen wieder auf tatsächlichen Begebenheiten, die
sich zu Beginn der 70er Jahre in Chile abspielten, als die demokratisch gewählte Regierung Salvador Allendes durch den General Pinochet gestürzt
wurde. Im Film ist es der deutsche Fotograf Daniel (Daniel Brühl), der für die
Allende-Befürworter Plakate entwarf und beim Militärputsch deswegen ins
Visier der neuen Machthaber geriet. Seine Freundin Lena (Emma Watson),
eine deutsche Stewardess, erfährt von Daniels Verbündeten, dass er als politischer Gefangener wohl in die „Colonia Dignidad“, eine streng religiöse deutsche Sekte im Süden Chiles, verschleppt wurde, die eng mit dem Geheimdienst des Landes zusammenarbeitet. Da Daniel niemand helfen kann oder
will, meldet sich Lena freiwillig als neues Mitglied bei der Sekte an, weil sie
sich erhofft, ihren Freund so zu finden und ihm die Flucht zu ermöglichen.
der Sekte wechselt. Hier bedient der deutsche Regisseur eher aus dem Genre
bekannte Spannungsmechanismen, wenn er die Sektenoberhäupter wie
Bösewichte aus einem James-Bond-Film inszeniert und damit dieses düstere
Kapitel der Menschheitsgeschichte als nervenaufreibenden Krimi vor realem
Hintergrund nacherzählt. Denn die „Colonia Dignidad“ war ein Ort der Folter,
des Missbrauchs und der Unmenschlichkeit, deren erbarmungsloser Führer
Paul Schäfer (Michael Nyqvist) über Jahrzehnte hinweg seinen kriminellen
Machenschaften nachgehen konnte und trotz Kenntnis der Weltöffentlichkeit
bis 2004 unbehelligt blieb.
Dass die beiden Protagonisten fiktive Figuren sind, merkt man Gallenbergers
Film leider mitunter etwas an, weil die Liebesgeschichte zwischen den beiden
gut besetzten Stars in den Hauptrollen nicht unbedeutend ist. Auch ohne
diese Fiktionalisierungen wäre man sicherlich schnell von der unglaublichen
Geschichte gepackt gewesen. Trotz dieser kleineren Abstriche ist es Gallenberger hier auf hollywoodtypische Weise gelungen, einen bis in die letzten
Szenen hinein spannenden Film zu kreieren, der die Atmosphäre innerhalb der
Sekte wohl recht authentisch einzufangen versteht und so wieder ins
Bewusstsein seiner Zuschauer bringt.
Frank Brenner
COLONIA DIGNIDAD – ES GIBT KEIN ZURÜCK
Die Tonalität von Florian Gallenbergers Film wandelt sich gehörig, als das Setting von den Straßenunruhen in Santiago de Chile in die unheimliche Enklave
D/LUX/FR 2015 - Drama / Thriller - 110 Min. - Regie: Florian Gallenberger mit: Emma Watson, Daniel Brühl, Michael Nyqvist
Start: 18.2.
COLONIA DIGNIDAD – Am Rande
Deutsche Nazis in Südamerika. Ein beliebtes Klischee über die Auslandsdeutschen, das der vielfältigen Realität deutscher Auswanderungsströme
nur sehr bedingt gerecht wird. Natürlich gibt es prominente Fälle wie
Eichmann oder Mengele, vor allem während des 19. Jahrhundert aber suchten Millionen Deutsche eine neue Heimat in Übersee (ca. 6 Mio. zwischen
1820 und 1930). Der übergroße Teil davon ging in die Vereinigten Staaten;
Lateinamerika aber war das zweitbeliebteste Ziel. Die mitteleuropäischen
Auswanderer besiedelten manchmal ganze Landstriche neu. Spuren davon
sind bis heute sichtbar, sei es in der Namensstruktur, den kulinarischen
Gewohnheiten oder der Architektur, wie z.B. in der brasilianischen Stadt
Mit
-kultur.de beginnt die Filmwoche
19
Blumenau. Viele deutsche Juden wiederum fanden während der NS-Diktatur vor allem in Argentinien Zuflucht.
Die Colonia Dignidad wiederum ist ein ganz spezielles Kapitel deutscher
Auswanderungsgeschichte: Die Gründer um Paul Schäfer waren in den
1950ern vor der Strafverfolgung aus Deutschland geflüchtet, um ihre kruden Rituale abgeschottet im chilenischen Nirgendwo zu begehen. In der
Frühzeit der Pinochet-Diktatur bot sich die erzchristliche Sekte dann dem
Regime als Folterzentrum des Geheimdienstes an. Erst 2006 wurde Paul
Schäfer wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs verurteilt. Heute nennt sich
die Siedlung Villa Baviera.
Benjamin Seim
-kultur.de
Mein
Meein
i Lesezeichen
film-kritik
Erst nur ein Blackout, und dann plötzlich ganz weg: Baird Whitlock
Maud Watts (Carey Mulligan) engagiert sich aufopfernd für Frauenrechte
Wählen gehen
Kult statt Klassiker
„Suffragette” von Sarah Gavron
„Hail, Caesar!“ von Joel und Ethan Coen
Britische Frauen kämpfen für ihr Wahlrecht.
C Verfilmung eines entscheidenden Kapitels der Frauenbewegung
Ein Schauspieler verschwindet. Problemlöser Eddie Mannix wird auf den Fall angesetzt.
C Skurrile Komödie über die Goldene Ära Hollywoods
„Ich habe meinem Mann und seiner Regierung vertraut.“ Alice Haughton ist
die Frau eines Parlamentsabgeordneten – und eine der Anführerinnen der britischen Suffragetten: Frauenrechtlerinnen, die sich zu Beginn des 20. Jhds für
eine Einführung des Frauenwahlrechts einsetzen. Ein Kampf mit allen Mitteln,
für den die Frauen mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze sowie ihrer Ehemänner
und Kinder zahlen. Sarah Gavon erzählt die Geschichte der Suffragetten aus
Sicht einer kleinen Gruppe von Aktivistinnen. In den Hauptrollen: Carey
Mulligan und Helena Bonham Carter. Ein wichtiger Film, der in seiner Erzählweise arg konventionell geraten ist, aber vielleicht braucht gerade dieses
Thema einen Hauch von Hollywood, um an den Kinokassen zu bestehen. Die
Oscar-Academy hat „Suffragette“ zu Unrecht übersehen. Simone Schlosser
Hollywood in den 1950er Jahren. Noch hallt sie nach, die legendäre Goldene
Ära, die den Markt geprägt hat mit schwerelosen Genreproduktionen, frühen
Blockbustern und späteren Klassikern. Musicals und Historienschinken gebären Haudegen und Sexgöttinnen. Unter ihnen und mittendrin in der sprichwörtlichen Traumfabrik: Leinwandstar Baird Whitlock (George Clooney,
„Burn After Reading“). Der gereifte Filmheld wird für ein Prestigestück des
führenden Studios Capitol Pictures engagiert, den Historienfilm „Hail, Caesar!“,
die größte Produktion des Jahres. Dann aber verschwindet Whitlock mitten in
der Produktion. Die Sache sieht ganz nach einer Entführung aus, so lässt
zumindest ein Bekennerschreiben der mysteriösen Formation „The Future“
vermuten, in dem 100.000 Dollar für die Freilassung gefordert werden.
Damit kommt Eddie Mannix (Josh Brolin, „No Country for Old Men“) ins
Spiel. Mit detektivischem Gespür arbeitet er als Problemlöser für das Studio.
Und die Zeit drängt. Whitlock soll gefunden werden, bevor die Klatschpresse
Wind von der Angelegenheit bekommt.
Die größte Gemeinsamkeit, die die Filme der Gebrüder Joel und Ethan Coen
mit den Klassikern der Goldenen Ära aufweisen, ist, dass die beiden regelmäßig auf Hollywoodgrößen, sprich auf unsere zeitgenössischen Haudegen
und Sexgöttinnen zurückgreifen, die sich in ihren Filmen die Hand reichen.
Nur erschaffen die Coens mit Stars und Sternchen für gewöhnlich verschrobenen Kult statt pompöse Klassiker für die Massen. Natürlich finden sich in
ihrem Schaffen Anknüpfungspunkte an die Blockbuster jener Ära, doch
endet dies vornehmlich in Koketterie. In guter Erinnerung geblieben sind hier
beispielsweise die Annäherungen an den Film Noir mit „The Man Who
Wasn’t There“ oder an das Musical mit „O Brother, Where Art Thou?“ Zuletzt
haben sie mit „True Gritt“ noch dem Western den Coen-Stempel aufgedrükkt. Letzterer eröffnete 2011 die Berlinale. Die gleiche Ehre wird nun auch
„Hail, Caesar!“ zuteil. Und das ist zugleich der Grund dafür, dass der Film vor
Redaktionsschluss noch nicht gesehen werden konnte.
Was wir jedoch wissen: Das neue Werk der Coens stülpt sich kein GenreKorsett über, sondern wird im charmant frechen Duktus von der Studiowelt
jener Goldenen Ära Hollywoods erzählen, vermutlich gerahmt von einer Prise
Noir, die einen Detektiv durch allerlei Fettnäpfchen und Stolperfallen begleitet. Erste Bilder versprechen eine Coen-Komödie, die den Spirit der Zeit mit
zeitkolorierten Bildern einfängt und genüsslich durch den Kakao zieht. Mit
Tempo, Slapstick, Wortwitz und skurriler Situationskomik. Und, natürlich,
weitere Stars und Sternchen: Tilda Swinton („Burn After Reading“), Scarlett
Johannson („The Man Who Wasn’t There“), Frances McDormand („Fargo“)
und nicht zuletzt Ralph Fiennes als Filmregisseur, der an unfähigen Schauspielern verzweifelt. So etwas dürfte die Coens derweil schon längst nicht
mehr zu schaffen machen. Unsere Prognose: Es bleibt alles beim Neuen.
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SUFFRAGETTE Hollywood Film Awards: Breakthrough Award, Adam McKay
GB 2015 - Drama - 107 Min - ab 12 J. - Regie: Sarah Gavron
mit: Carey Mulligan, Helena Bonham Carter, Meryl Streep
Start: 4.2.
Zoolander 2
USA 2016 - Komödie - 100 Min - Regie: Justin Theroux
Start: 18.2.
Auch vierzehn Jahre nach dem ersten Teil verirren sich Derek Zoolander
(Regisseur Ben Stiller) und Kollege Hansel (Owen Wilson) fleißig zwischen Moden
und Morden. Eigentlich hatten sich die beiden inzwischen zur Ruhe gesetzt, doch
das haltlose Töten und die Präsenz des zwielichtigen Modezars Mugatu (Will
Ferrell) zwingen die beiden erneut auf den Weglaufsteg.
he
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Frank Brenner
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Tschiller: Off Duty
D 2016 - Kriminalfilm - Regie: Christian Alvart
Der Film konnte bis Redaktionsschluss nicht gesehen werden,
eine ausführliche Kritik folgt im Märzheft.
Start: 4.2.
Mit seinen Tatort-Ausflügen brachte Til Schweiger unter der Regie von
Christian Alvart („Antikörper“) Schwung in die Bude. Actionreich, grenzwertig
trashig, aber durchaus erfrischend. Dass das auch für die große Leinwand
reicht, davon ist Schweiger natürlich überzeugt. Und zwar so felsenfest, dass
er der kritischen Presse, wie üblich, den Film vorenthält.
he
HAIL, CAESAR!
Mein Film, mein Kino, meine Meinung
20
USA 2016 - Komödie - Regie: Ethan Coen, Joel Coen
mit: Scarlett Johansson, Channing Tatum, Jonah Hill
Start: 18.2.
-kultur.de Forum
foyer
The Forest
USA 2015 - Horror / Mystery - 99 Min - ab 16 J. - Regie: Jason Zada
Start: 4.2.
Im Wald, da lauern bekanntlich nicht nur gerne mal die Räuber, sondern auch
noch so manch anderes Unheil. Auf dem japanischen Selbstmordwald Aokigahara zum Beispiel, der Name ist Programm, liegt ein dunkler Fluch. Die
Amerikanerin Sara (Natalie Dormer) betritt die Gefilde, um ihre verschollene
Zwillingsschwester zu suchen. Dem Dickicht gefällt’s nicht. Spuk.
he
Mark Tykwer und die Greenpeace-Ortsgruppe Wuppertal, Foto: David Fleschen
Bilder, die die Welt veränderten
Über die Entstehung von Greenpeace in der Reihe „Offstream“
The Boy
USA 2015 - Horror / Thriller - 98 Min - Regie: William Brent Bell
Start: 18.2.
Ein englisches Elternpaar engagiert die junge Amerikanerin Greta als Kindermädchen. Nur handelt es sich bei ihrem Nachwuchs nicht um einen Menschen
aus Fleisch und Blut, sondern um eine Puppe. Greta traut ihren Augen nicht.
Und das erst recht nicht, als sie mit der Figur alleine ist. Bald darauf kommt sie
einem dunklen Geheimnis auf die Spur. Gruseliger Thriller.
he
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Robinson Crusoe
BE/FR 2015 - Trickfilm - 90 Min - o. Altersb. - Regie: Vincent Kesteloot
Start: 4.2.
Mit diesem Trickfilmabenteuer wird das Abenteuer von Daniel Defoes Robinson
Crusoe noch einmal für die kleinen Zuschauer erzählt. Robinson strandet nach
einem Schiffsunglück auf einer einsamen Insel. Einsam? Nicht ganz, denn dort
haust allerlei lustiges Getier. Darunter ein Ara, den Robinson „Dienstag“ nennt.
Zwei- und Vierfüßler gehen fortan durch dick und dünn.
he
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Sebastian und die Feuerretter
F 2015 - Kinderfilm / Abenteuer - 97 Min - ab 6 J. - Regie: Christian Duguay Start: 28.1.
Nein, hier geht es nicht um einen kleinen Jungen und seinem Traum davon, Feuerwehrmann zu werden! Das Abenteuer erzählt vielmehr von dem zehnjährigen
Waisenjungen Sebastian, der in seinem Alpendorf auf die Rückkehr seiner Tante
wartet. Als deren Flugzeug im Wald abstürzt, mobilisiert der Junge seinen Hund
und einen kauzigen Piloten, um seine Lieblingsverwandte zu retten.
he
Mit
-kultur.de beginnt die Filmwoche
21
Wuppertal, 21. Januar: Der Gründungsmoment von Greenpeace, sagt Mitgründer Bob Hunter, fand in einem Schneideraum statt. Ein paar Tage vorher
hatte sich ein kleines Schlauchboot mit Hunter an Bord einem russischen Walfänger direkt in den Weg gestellt. Doch Hunters größte Sorge ist nicht etwa
die beängstigende Harpune, die genau auf ihn und sein Boot gerichtet ist, sondern das Begleitboot mit den Kameras. Wird man am Ende gute Bilder von der
Aktion haben? Im Schneideraum dann endlich die Gewissheit: Die entscheidende Szene ist auf Film gebannt. Heißes Material für die Abendnachrichten
ist gesichert und der Grundstein für den Ruhm der Umweltorganisation gelegt.
Greenpeace, zwischen Machertum und PR: Davon handelt der Dokumentarfilm „How to Change the World“, der in der Kinoreihe „Offstream“ in der Alten
Feuerwache an der Gathe gezeigt wurde. „Der Film fängt eindrucksvoll den
Zeitgeist der 70er Jahre ein und sagt viel über die Entstehung von Greenpeace“, sagt Offstream-Macher Mark Tykwer, der Filme zeigt, die „unter dem
Radar von Mulitplex und Arthouse segeln“. Dazu haben Greenpeace-Mitglieder einen Info-Stand aufgebaut. Eine bunte Truppe. „Das Schöne ist: Hier engagieren sich Menschen von 17 und 70 Jahren“, sagt einer von ihnen.
Auch der Film schlägt eine Brücke zwischen den Generationen. Man sieht das
Urschiff aller Greenpeace-Boote, die „Phyllis Cormack“, gen Alaska aufbrechen, um Atomtests zu verhindern und staunt über die Aktualität der Aufnahmen. Die Umweltheroen im Jahr 1971 wirken mit ihren Hipster-Bärtchen, den
bunten Wollmützen und ihrem Ansinnen, ihre Reise möglichst breit über die
globalen Medien zu streuen, so nah am Zeitgeist, dass man sich nicht wundern
würde, wenn Hunter und Co im nächsten Moment ihre Smartphones zücken
würden, um ein paar Tweets abzusetzen.
Umso größer fällt der Kontrast zu den Gegnern der Umweltaktivisten aus, die
in der Tat einer ganz anderen Zeit zu entstammen scheinen. Da ist zum Beispiel der Chef der US-Atombehörde, der allen Ernstes mit Frau und Kindern
zum Atomtest anreist, um dessen vermeintliche Unbedenklichkeit zu demonstrieren. Oder auch das verrostete sowjetische Walfängerschiff, das von oben
bis unten mit dem tiefroten Blut der getöteten Meeressäuger überzogen ist.
Es sind diese beeindruckenden Bilder, die zeigen, wie unfassbar viel Greenpeace seitdem erreicht hat. Und zwar sowohl in der Schaffung eines globalen
Umweltbewusstseins, wie auch in dessen wirksamer Vermarktung, als Blaupause von NGOs und Social Entrepreneurship schlechthin. Da fällt es wenig
ins Gewicht, dass die Story etwas eindimensional aus der Sicht von Hunter,
dem PR-Strategen, erzählt ist, der weiß, mit welchen Gegnern man sich die
mächtigsten Verbündeten schafft. Und der lieber auf eine wirkungsvolle Aktion verzichtet, anstatt unschöne Bilder zu riskieren.
Richtungsweisend für NGOs ist jedenfalls Hunters Vermächtnis am Ende: Teile
die Macht, und gebe jedem Mitglied Raum, seine Ideen zu verwirklichen. Passend dazu weist die Greenpeace-Gruppe im Saal auf die vielen aktuellen Themen hin, bei denen sich ein Engagement lohnt. Von TTIP bis zu Chemikalien
in der Textilindustrie: „Das Beste: Bei uns muss niemand auf Schornsteine
klettern, er muss noch nicht einmal Mitglied sein. Es reicht, einfach mal bei
unserer Ortsgruppe vorbeizuschauen."
David Fleschen
klassik am rhein
improvisierte musik in NRW
Schnelle Finger: Lee Ritenour, Foto: Toshi Sakurai
Klais-Orgel in Trinitatis, Foto: Glockendz at German Wikipedia
Captain Fingers
Musik im Protestantischen Dom
Von Olaf Weiden
Als Mittzwanziger stand Lee Ritenour auf der Festivalbühne von Montreux, er stellte in rasenden Phrasen seine legendären „Captain Fingers“
vor. Ein blonder Wuschelkopf, den Blick forsch ins Publikum gerichtet, die
Zahnreihen zu Dauerblinkern umfunktioniert, eine Powerfigur mit Weltkarriere: Lee Ritenour war Ende der Siebziger eine Kultfigur auf der Gitarre, er besaß eine klassische Ausbildung,
„Auf rund 2000 Alben
interessierte sich aber als Gitarrist für die
findet sich sein Name als komplexere Harmonik und Rhythmik des
Mitspieler“
Jazz. In dieser Branche brachte er technische Fertigkeiten mit, die ihresgleichen
suchten. Mit 22 Jahren engagierte ihn bereits Herbie Hancock, der aktuell
einen Grammy für sein Lebenswerk erhält, Lee spielte für Barbara Streisand, Paul Simon, Steve Wonder, Quincy Jones, Steely Dan oder Pink Floyd,
mit Dave Crusin erledigte Lee nebenbei eine Karriere als Filmkomponist.
Dazu kamen rund 20 eigene Platten, auf rund zweitausend Alben findet
sich sein Name als Mitspieler. Jetzt gastiert Ritenour gleich siebenmal in
Deutschland, darunter auch in Konzerthallen in Bonn und Bochum.
Von Olaf Weiden
Rund 20.000 Besucher zählten die Veranstalter in der vergangenen Saison
2015, die in der Trinitatiskirche im Filzengraben, gern als „Protestantischer
Dom“ zu Köln bezeichnet, diesen klangschönen und spirituellen Kirchenraum erlebt haben. Trinitatis wird seit Jahren von Kölner Musikern bespielt.
Jetzt offenbarte die Kirche die Entwicklung zu einer professionell aufgestellten Begegnungsstätte für Kulturfreunde. Programm- und Organisationsleiter Wolf-Rüdiger Spieler, selbst Organist und Chorleiter, stellte das
Jahresprogramm zusammen – und das kann sich sehen lassen.
Trinitatis eignet sich für viele Darbietungen mit ihrem schmeichelnden
Nachhall sehr gut, bei anderen weniger. Bei einem Liederabend versagt
die Überakustik und wirbelt im Speziellen den Flügelklang mächtig durcheinander. Ganz toll wiederum klingt das Hausinstrument, die seit 2010
eingebaute prächtige Klaisorgel opus 1643 als „Königin der Instrumente“.
Das Instrument besitzt über 3000
„In einer Weltstadt ohne Kammer- Pfeifen, wiegt rund 13 Tonnen
musiksaal sind solche Institutiund wurde aus einer Aachener
onen von unschätzbarem Wert“
Kirche adoptiert – ein selten
praktizierter Glücksfall. Sie wirkt
musikalisch sowohl in den Orgelkonzerten (jeden letzten Donnerstag im
Monat um 20 Uhr, im Februar mit Johannes Geffert, dem langjährigen
Kölner Hochschulprofessor) als auch bei den beliebten Orgel-Vespern mit
liturgisch sparsamen Rahmen mit. Die Attraktivität der Konzerte wird dadurch gesteigert, dass der Orgelsolist und seine virtuose Tastenkunst via
Beamer sichtbar und miterlebbar werden. An jedem Orgelabend wird in
diesem Jahr ein Werk von Max Reger vorgestellt, an dessen 100. Todestag
erinnert werden soll.
In einer Weltstadt ohne Kammermusiksaal sind solche Institutionen von
unschätzbarem Wert. Auch die Kölner Chorszene nutzt diese Einrichtung
seit Jahren als dankbare Alternative zur Philharmonie, Rahmen und Mietkosten passen natürlich perfekt zur freien Szene. Im Februar gastiert der
Konzertchor Köln mit seinem Leiter Jonas Manuel Pinto, u.a. mit einer Klavierfassung von Mozarts Requiem (13.2.).
Auch exotische Veranstaltungen beehren den Raum. So werden vier internationale Gottesdienste musikalisch in andere Kulturen aufbrechen, im Februar startet das Projekt mit einer finnischen Gemeinde, indonesische, nigerianische und arabische christliche Gemeinden folgen. Das Festival Acht
Brücken rückt gleich mehrfach unter dem Motto „Musik und Glauben“
als Gast in Trinitatis, mit neuen Klängen vom Asasello
Quartett und dem faszinierenden Sound eines Gamelan-Orchesters. Im Februar folgt ein Portraitkonzert des
Postromantikers Kurt Atterberg mit Laura De Lorenzis
als Solistin (14.2), und ein Matineekonzert (21.2.) zeigt
Frühlingsspitzen 2016: Die Neue Philharmonie Westfalen stellt Wunderkinder vor, die in jungen Jahren bereits
Olaf Weiden
an Hochschulen gefördert werden. Alle Zeichen weisen
Musiker und
Musikkritiker
in Trinitatis auf die Zukunft.
Gitarrenlegende Ritenour gastiert in Bonn und Bochum
Auf seinem aktuellen Album „A Twist of Rit“ setzt er sich mit dem eigenen Œuvre auseinander (darunter Hits wie „Wild Rice“, „Fatback“, „Bullet Train“ und „A Little Bit of This and a Little Bit of That“) und geht es
aus einer frischen Perspektive neu an: Wesentlichster Fortschritt ist wohl
Lees eigener Sohn Wesley, der jetzt am Schlagzeug sitzt. Aber auch der
in Köln geborene Keyboarder Jesse Miliner kann sich in allen von Ritenour angespielten Stilistiken sicher bewegen. Der Pianist hat sich auch
wissenschaftlich mit dem Jazz befasst und sogar promoviert. Mit dem
langjährigen Weggefährten neben den zwei Newcomern baut Ritenour
auf seinen Stammbassisten Melvin Lee Davis, ein Mann mit einem gewaltigen Sechssaiter im Anschlag, mit einem Griffbrett wie eine Landebahn
für Modellflieger.
Der Bandchef liefert auch aktuell sensationelle Improvisationen, einmalig
und unverwechselbar sind seine sahnig gestrichenen Oktavgänge. Im Konzert präsentiert er gern als Gegner auf den Saiten den mächtigen Melvin
Lee Davis. Melvin legt dann vor, Lee zieht nach, Lee legt vor, Melvin zieht
nach, immer höher, immer tiefer, immer schneller, immer verrückter – ein
Battle, der es in sich hat. Und die dicken E-Bass-Saiten flattern dann unter
den Klauen des riesigen Bassisten.
Lee Ritenour zählt zu den Musikern, die gern in die Schublade „SmoothJazz“ abgelegt werden. Viele Jazzer wechseln schon mal in seichtes Fahrwasser, wenn es da etwas zu verdienen gibt. Aber dadurch verlieren sie
ja nicht die Möglichkeit, zurück zur Kür zu finden. Ritenour lässt sich live
nie lumpen – besonders nicht an so intimen Spielstätten wie in Bonn und
Bochum.
Di 16.2. | Bonn, Harmonie | 0228 61 40 42
Mi 17.2. | Bochum, Christuskirche | 0234 96 30 20
Orgelklänge und Gesang dominieren das Jahr
www.trinitatis-koeln.de
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textwelten
Ergreifend und intensiv
Von dezenter Fragilität zu vielschichtiger Hyperaktivität
Seit gut 15 Jahren beglücken uns inzwischen Animal Collective mit ihrer vielschichtigen Musik. Oft mit den experimentellen Beach Boys zu
Zeiten ihres Albums „Pet Sounds“ (1966) verglichen, klingt ihre Musik für
manch einen Kritiker auch so, als würden zwei Beach Boys-Platten auf
einmal laufen. Ihr experimenteller Gestus ringt tatsächlich permanent
mit der Popaffinität des Quartetts um Avey Tare und Panda Bear. Für
ihr zehntes Album „Painting With“ nahmen sie sich vier Jahre Zeit bzw.
verdingten sich auch wieder bei Soloaktivitäten. In Reaktion auf die Unmengen von Platten, die derzeit im Hall ersaufen, haben sie diesen Effekt
nun gestrichen. Die Songs sind insgesamt knapper, knackiger, so dass
die Band scherzhaft von ihrem Ramones-Album spricht. Analoge Synthesizer blubbern durch die extrem vielschichtigen, hyperaktiven Songs,
und ihre Vokalarrangements verdienen immer noch den Beach Boys-Vergleich. Als Gast taucht John Cale auf. Immer noch eine der spannendsten
Bands der Gegenwart (Domino).
Den Siouxsie-Vergleich werden die Savages so schnell nicht los, dafür
sorgt die Präsenz der Sängerin Jehnny Beth. Dabei geht es musikalisch
nicht immer in diese Richtung. Schmirgelnde Gitarren duellieren sich mit
Synthies, die Rhythmusgruppe galoppiert und gemahnt an die zweite
deutliche Referenz: Joy Division. Mit ihrem zweiten Album „Adore Life“
wird die düstere Indie-Girlgroup ihre Fans nicht enttäuschen. Wem der
Retro-Wave auf dem Debüt zu penetrant war, der wird auch kaum mit
dem Nachfolger glücklich (Matador). Will Oldham alias Bonnie Prince
Billy hat in den letzten 20 Jahren sechs Mal bei John Peels BBC Radio 1
aufgenommen. Drei der Sessions werden nun auf der Compilation „Pond
Scum“ zusammengefasst. Die zwölf Stücke sind aus den Jahren 1994
bis 2002, also auch unter den Namen Palace Brothers und Palace Music
entstanden. Die Musik ist von allergrößter Fragilität: Oldhams Stimme
zittert zerbrechlich, die Instrumentierung ist dezent – kurz: wahnsinnig
ergreifend (Domino).
Seit Mitte der 90er Jahre steht der Detroiter Produzent Moodyman für
deepen Techno, der die Grenzen zwischen analog und digital verwischt.
Für die 50. Ausgabe von DJ-Kicks macht er nun seinen allerersten DJ-Mix
mit Fremdmaterial. 30 Stücke zwischen Soul, R‘n‘B, Hip-Hop und House,
darunter elf bislang unveröffentlichte eigene Edits hat er für seinen
75-minütigen Mix ausgewählt und in einen Fluss von großer emotionaler
Dichte verwandelt, der jedes einzelne Stück durch seine ungewohnte
Nachbarschaft mit den anderen intensiv erstrahlen lässt (!K7).
Ed Piskor widmet sich im zweiten Band von „Hip Hop Family Tree“,
seiner Graphic Novel über die Geschichte des Rap, den Jahren ’81-’83, als
die Popularität von Rap durch die ersten Platten weltweite Aufmerksamkeit erfährt, Electro-Tracks entstehen und die härtere New School mit
programmierten statt gespielten Beats in den Startlöchern hockt: Run
DMC, die Beastie Boys und sogar Chuck D tauchen zum ersten Mal auf.
Piskor hat für seine Geschichte des Rap nicht nur alle Fakten parat, er
weiß auch, die mythischen Momente in zahlreichen Szenen anschaulich
zu vermitteln. Auch wenn es ein Comic ist: Schon jetzt ein ähnlich gutes
Standardwerk des Hip-Hop wie David Toops „Rap Attack“ (Metrolit).
Christian Meyer
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Alexanders Kluges „Kongs große Stunde“, Ausschnitt, Cover: Suhrkamp
Erzählen in der dunklen Kammer
Alexander Kluge liefert phänomenales Großprojekt
Eine mächtigere Gestalt als King Kong, der mit den Wolkenkratzern Kegeln
spielt, hat das Kino nicht hervorgebracht. Und trotzdem gesteht Alexander
Kluge, einer jener Väter des Neuen Deutschen Films, mit dem das deutsche
Kino wieder auf die Europäische Landkarte fand, dass er nicht an die Macht
der Kinobilder glaube. „Schön wäre es, würde in einem Dunkelraum von vielen
Seiten erzählt“, sagt er, und man meint den träumerischen Unterton dieses
Geständnisses noch durch die Zeilen hören zu können. Ein Stückweit hat er
sich diesen Traum nun mit „Kongs große Stunde“ erfüllt, ein Buch, wie wir
es in Deutschland noch nicht gesehen haben. Obwohl es durchaus Vorläufer
gab, wie Heinrich von Kleists „Berliner Abendblätter“ oder Johann Peter Hebels
„Kalendergeschichten“, mit denen Kluge sogar sein leicht märchenhafter Ton
verbindet, wenn er von der Welt da draußen und den Begebenheiten seines
eigenen Lebens berichtet.
Boulevard nennt er diese Ansammlung von kurzen Texten, die das Leben so
schrieb, dass sie eine Pointe ergeben, oder der Autor dieser vielleicht auch ein
wenig nachgeholfen hat. Nur locker scheinen die Texte miteinander in Verbindung zu stehen, den Zusammenhang, das große Verlangen nach Sinn, müssen
wir selbst herstellen. Insofern mag der ominöse Kong ein Synonym für unseren
unstillbaren Wunsch sein, Dinge in Beziehung zu setzen. Aber keine Sorge! Hier
ist kein experimenteller Poet zugange, der seine Ratlosigkeit hinter konfusen
Formspielereien versteckt. Bei Kluge hat alles Hand und Fuß und es bereitet
Vergnügen, ihm zu folgen, interessiert er sich doch schlichtweg für alles.
Mit „Reparaturerfahrungen“ geht es los. „Zahn ohne Raum“ ist der Text überschrieben, der von einer Zahnoperation des kleinen Alexander erzählt und
schon mit seinem Titel augenzwinkernd auf weltgeschichtliche Operationen
anspielt. Der Arzt erklärt, dass er Kleinigkeiten gründlich behandelt, damit nicht
das ganze Gebiss auseinanderfällt. Hätte man so doch im Großdeutschen Reich
gedacht. Die Wohltaten der Reparatur demonstriert Kluge vor allem anhand
von Ehegeschichten, die sich so anschaulich lesen, als würde man einen Film
schauen. Lebenskluge Frauen demonstrieren, wie Zerwürfnisse und psychisch
angeschlagene Männer wieder Teil eines Familiengebildes werden können.
Kluges Eltern ist das nicht gelungen, für sie war die Scheidung unausweichlich. Erst allmählich wird klar, dass hier jemand seine Biografie präsentiert,
nur mischt Kluge die persönlichen Anekdoten so beiläufig unter den Strom der
Ereignisse, dass intime Details nicht peinlich, sondern aufschlussreich werden.
Immer wieder sind es Arztgeschichten und Liebesgeschichten, die eine eigene
Dramatik in das Konvolut bringen. Aber es gibt auch Ausflüge in die Historie,
die Philosophie, den Krieg, die Oper, Freundschaftsanekdoten, die Neurologie
oder den Blick auf die Affen oder die Geschichte der Familie Mann. Hier wird
ein Formprinzip demonstriert, man schlägt das Buch an irgendeiner Stelle auf,
und sofort entwickelt es seine innere Spannung. Eins verlangt nach dem anderen und schon beginnt man nach vorne oder hinten weiterzulesen. Ein Buch,
mit dem man nie an ein Ende kommt, das man in zehn Jahren noch aus dem
Regal nehmen wird und sofort gepackt ist, vom genauen und stets ein wenig
amüsiert klingenden Ton, mit dem Kluge seine Fundstücke aus der Wirklichkeit
vor uns ausbreitet.
Thomas Linden
Alexander Kluge: Kongs große Stunde | Suhrkamp | 680 S. | 38 €
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comickultur
wortwahl
Politisch, historisch, fantastisch
Fasteleer
Gegen Vorurteile kann man sich den Mund fusselig reden. Oder man kann
gegen sie anzeichnen. Letzteres haben Tim Dinter, Jens Harder, Jim
Avignon, Mawil, Barbara Yelin uvm. beherzigt. Für das Projekt „Bildkorrektur – Bilder gegen Bürgerängste“ haben sie sich zur Künstlergruppe
„Die bunte Seite der Macht“ zusammengetan, um mit Fehlinformationen
zum Thema Flüchtlingskrise aufzuräumen und Hintergründe zu beleuchten. Die Arbeiten findet man auf dem Blog bildkorrektur.tumblr.com, die
Inhalte dürfen geteilt werden. Auch Hamed Eshrat macht bei Bildkorrektur mit. Der in Berlin lebende Zeichner hat bereits in Frankreich Comics
veröffentlicht, „Venus Transit“ ist sein Debüt in Deutschland: Ben nervt
sein IT-Job, mit seiner eigenen, freien Arbeit als Zeichner will es auch
nicht so recht weitergehen und mit seiner Beziehung zu Julia geht es
auch bergab. Bens Pessimismus erträgt sie nicht länger, sagt Julia. Und in
der Tat: Ben steckt fest, und erst eine Reise führt ihn wieder zu sich. Eshrat beherrscht das Medium: Er zeichnet nicht nur lebendig, sondern auch
die Story ist flüssig erzählt, so dass es den Leser von Seite zu Seite zieht.
Dazu hat er ein gutes Gespür für Verknappung und allegorische Motive.
Und mitunter nimmt er sich die Freiheit zu zeichnerischen Experimenten,
Verdammt lang her, dass der Saddam in den Karneval geplatzt kam. Um
genau zu sein: 25 Jahre. Und: Es waren nicht Saddam und seine muslimischen Horden, sondern die Amis, die im Dienste der Weltwirtschaft der
Partylaune den Garaus bereiteten. Multimedial zugedröhnt von zielgenau
lancierten Propaganda-Raketen verging etlichen bereits so das Feiern.
Dem Rest verweigerte man aus vermeintlichen Pietätsgründen den Straßenkarneval. Was blieb, war die Wiederaufnahme der Geisterzüge, um
der kölschen Seele Genüge zu tun: mit ’nem Bier in der Hand und ’nem
diabolischen Grinsen im Gesicht der Obrigkeit den Stinkefinger zu zeigen.
die er ganz wunderbar in die berührende Geschichte einbettet (Avant
Verlag). Noch ein Debüt: Lukas Kummer legt mit „Die Verwerfung“ einen düsteren Brocken vor: Seine beinahe holzschnittartig gezeichnete Erzählung begleitet zwei Geschwister durch das Elend des Dreißigjährigen
Kriegs. So grob die Zeichnungen, so grob die Geschichte in einer apokalyptisch anmutenden Welt, die neben der historischen Referenz gleichermaßen an „The Walking Dead“ oder aktuelle Kriegskonflikte erinnert.
Unbarmherzig schildert Kummer das Leben der beiden Kinder und ihre
brutale Umgebung, der sie sich zunehmend angleichen. Ein erstaunliches
und ungewöhnliches Debüt (Zwerchfell).
Geisterzug voll widersprüchlich krakeelender und mobbender Mägde und
Knechte, die nicht merken, dass sie sich ins eigene Knie schießen.
Es gibt viele mögliche Comicwelten
Mit dem Hörspiel „Der Papagei von Batignolles“ haben der ComicMeister Jacques Tardi und Michel Boujut in den späten 90er Jahren
eine Art erwachsenen Tintin imaginiert, jetzt hat Stanislas daraus einen
Comic gemacht: Der erste Teil „Der enigmatische Monsieur Schmutz“ erzählt von einem verworrenen Fall mit mehreren Morden, und zwischendrin Oscar, Tonmann beim Radio, und seine alleinerziehende Freundin mit
pubertierender Tochter. Die hohen Erwartungen werden nur bedingt erfüllt. Einerseits ist die Story klassisch erzählt und gezeichnet, andererseits
ist der normale Erwachsenenalltag mit allem, was bei Tintin fehlte, schon
sehr reizvoll. Mal sehen, wie sich der Fall entwickelt (Carlsen).
Wiederentdeckt: Nach „Die sechs Reisen des Lone Sloane“ von 1970/71
erscheint mit „Lone Sloane – Delirius“ nun die Fortsetzung des außergewöhnlichen Science-Fiction-Klassikers, die Philippe Druillet 1972 nach
einem Szenario von Jacques Lob gezeichnet hat. Dieses Mal steuert unser
geheimnisvoller, düsterer Held den titelgebenden Vergnügungsplaneten
an, der mit seinen aberwitzigen Figuren durchaus als Vorbild für etliche
SF-Filme wie „Blade Runner“ gedient haben könnte. Druillets opulente
Zeichenkunst steht hingegen vollkommen in der Tradition der Psychedelic
der 70er Jahre – nur das hier rein gar nichts friedlich ist. Den dezenten
Humor dieses galoppierenden Irrsinns hingegen könnte Moebius bei
„John Difool“ im Hinterkopf gehabt haben. Ein morbider Weltraumspaß
mit fantastischen, farbintensiven Bildern (Avant Verlag).
Christian Meyer
Ein kleiner Geisterzug durch die Literatur
Ein Vierteljahrhundert später ist aus Diabolik Grenzdebilität geworden.
Das Kölsch steht zwar immer noch auf dem Tresen; mittlerweile allerdings reichlich schal. Der ganze Nahost-Krisen-Terror hat sich einfach
nicht unter den Tisch trinken lassen. Stattdessen stehen auch noch Saddams Enkel als das personifizierte Böse direkt vor unserer Tür. In 0,nix
tanzen Wut und Ohnmacht ihren abstoßenden Ringelpietz mit Anfassen.
Und im Hintergrund reibt sich das Kapital als eigentliche Macht schamlos
die Hände. Im Ausnahmezustand ist sich jeder selbst der nächste. Ein
Bei Maria der Versauten oder Margot der Schlange lehnt man sich noch
amüsiert zurück: Welch köstliches Dramolett, wenn in penetrantem Größenwahn verblendete Blaublüter Generation für Generation Irina Teodorescus „Fluch des schnauzbärtigen Banditen“ [Wagenbach] anheimfallen. / Bei James Carlos Blakes „Pistolero“ [Liebeskind] hingegen muss
man schon schlucken: John Wesley Hardin, der schießwütigste unter allen
Wild West Gunfightern, macht sich beim Leser sicherlich nicht als Pazifist
beliebt. Vielmehr ist es die offensichtlich-unaufhaltsame Abwärtsspirale
der Gewalt, die den texanischen Sympathiebrocken wie auch unsereinen
mit sich reißt. / Wahrhaft gruselig wird‘s jedoch erst bei Martin Amis. In
lakonischem Zynismus lässt das Enfant Terrible der englischen Literatur
die Bestialität des Holocausts an der perfiden Egomanie des Menschen
zerschellen, der zu jeder Sekunde allein auf seinem persönlichen „Interessengebiet“ [Kein & Aber] wandelt.
Insofern braucht auch kein Gutmensch darauf zu setzen, dass wie in Neal
Stephensons „Amalthea“ [Manhattan] der Mond explodiert und die Erde
verbrennt. Technisch detailliert und actiongeladen beschreibt das Sci-FiGenie, wie der Mensch quasi heute schon in der Lage wäre, seine soziale
Dysfunktionalität ins All und wieder zurück zu retten. / Man könnte natürlich auch „Über Yoga“ [Taschen] versuchen, die Menschheit wieder ins
Gleichgewicht zu führen. Im Angesicht von Michael O‘Neills schwärmerischem Fotobildband zu dieser „Architektur des Friedens“ steht allerdings
zu befürchten, dass sich das gemeine Volk Geist und Körper verrenkt,
während sich die Chosen Few erneut ins Fäustchen lachen. / Bliebe noch
„Billy“ [Insel] als philosophisch talentierter Auftragsmörder, um die wahren Strippenzieher das Fürchten zu lehren. Doch so wunderbar sich dieses
Szenario aus einzlkinds samtschwarzer Feder lesen ließe, wäre es doch
ein zu abruptes Ende. Mal ganz davon abgesehen, dass dem Nubbel der
Stoff ausginge.
Lars Albat
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kunst & gut
Paul Signac, Notre Dame, die Insel Saint-Louis im Sonnenlicht, 1884, Ausschnitt, © Foto: Von der Heydt-Museum
Als da noch wäre

„Herzklopfen“ im Von der Heydt-Museum
Einige Bilder sind wie alte Bekannte. Es ist schön, sie wieder zu treffen. Sie
haben immer etwas mitzuteilen und regen unsere Gedanken an. Innerhalb
der Sammlung des Von der Heydt-Museums sind diese Spitzenwerke so wichtig, dass sie über die Jahre hinweg in verschiedenen Kontexten präsentiert
wurden. Diesmal ist der Hintergrund die Stiftung von Eduard von der Heydt
(1882-1964), dessen Sammlung zeitgleich in den beiden oberen Stockwerken
ausgebreitet ist. Über diese opulente Schau mit dem Titel „Weltkunst“ hinaus
zeigt das Mezzanin-Geschoss nun weitere Werke, die August von der Heydt
dem Museum überlassen hat, und zudem solche, die über seine Stiftung nach
und nach erworben werden konnten. Ausgangspunkt ist die klassische Moderne, und die Ausstellung endet mit Ankäufen der Gegenwartskunst von
Klaus Rinke, Sigmar Polke und Neo Rauch. Es ist eine kuratorische Leistung,
dass in den vier Räumen über 100 Jahre disparater Kunstgeschichte schlüssig
zusammenfinden, Inhalte vertiefen und stilistische Phänomene herausarbeiten. Die Ausstellung sortiert, konfrontiert und setzt Schwerpunkte, die von
den Blickachsen unterstützt werden.
Klar, dass sie mit einem Meisterwerk beginnt, mit Claude Monets Gemälde
„Blick auf die Creuse“ (1889), welches den Verlauf des Flusses zwischen den
bewachsenen Steilhängen in satten Blau-, Grün- und Brauntönen festhält.
Ebenso ist Félix Vallottons „Liegende mit blauen Spielkarten“ (1914) an der
Stirnwand des nächsten Raumes ein koloristisches Ereignis. Aber die augenblickliche Anziehung erwidert der Frauenakt selbst mit einer kühlen Distanziertheit. Das Geheimnis liegt in den Spielkarten neben ihr...
Eine Ausstellung für sich ist im Kabinett mit den Werken von Karl Röhrig
(1886-1972) und Christoph Voll (1897-1939) eingerichtet. Sie ruft die beiden sozialkritischen Bildhauer und Zeichner ins Bewusstsein und bezieht sie
nun noch intensiver als bei Röhrigs Wuppertaler Ausstellung 2012 aufeinan-
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der. Beeindruckend sind schon die drei Zeichnungen von Kriegskrüppeln von
Christoph Voll. Zudem unterstützt – kontrapunktisch in diesem Raum – das
Gemälde „Die Industriebauern“ (1920) von Georg Scholz den anklagenden
Ton. Es zeigt eine Familie in ihrer Wohnung mit allerhand ätzenden Details,
welche die Profiteure des Ersten Weltkriegs bloßstellen. Den Bezug zur Realität hat Georg Scholz dadurch gesteigert, dass er Papierschnipsel in das Bild
collagiert hat – man muss es einfach im Original im Museum sehen. „Die
Industriebauern“ verleihen zugleich der benachbarten Bonzen-Skulptur von
Karl Röhrig Gewicht. Und indirekt weist das alles schon auf die jüngste Neuerwerbung der Stiftung, die ganz am Ende von „Herzklopfen“ ausgestellt ist:
auf das Porträt eines Herren der feinen Gesellschaft (1925) von Josef Scharl.
Das assoziative Spiel der motivischen Verwandtschaften mit teils weniger bekannten Bildern setzt sich auch in der Abfolge im zentralen Saal fort. Das betrifft etwa das wuchernd Kleinteilige bei Fautrier, Dubuffet und Tanguy und
die geometrisch verknappte Figurendarstellung bei Schlemmer und Léger.
Freilich ist etwas bedauerlich, dass nicht doch noch das eine oder andere
Pendant aus dem Wuppertaler Museumsbestand dazu gehängt wurde – okay,
hier geht es eben um die Von der Heydt-Stiftung. Die zentrale Perspektive
von „Herzklopfen“ lenkt den Blick schließlich auf das Ende dieses Saales mit
Picassos liegendem Frauenakt (1964), dem Frauenporträt von Alberto Giacometti (1962) und Francis Bacons Selbstbildnis-Studie (1981): In allen drei
Werken wird ein fragiles Menschenbild vor Augen geführt. Sie sind Ausdruck
für eine Zeit, in der nichts mehr so ist, wie es mal war. Wie alle gute Kunst
– und davon gibt es hier viel – teilen solche Werke eben Substanzielles zum
Zustand ihrer Gesellschaft mit.
Thomas Hirsch
„Herzklopfen. Bilder der Von der Heydt-Stiftung“ | bis 28.2.
Von der Heydt-Museum | 0202 563 62 31
kunstwandel
kunst in NRW
Agnes Martin, Ausstellungsansicht Kunstsammlung NRW, © ARS, New York; VG Bild-Kunst, Bonn
Foto: Achim Kukulies, Kunstsammlung NRW
Ausstellung „1 in 3”, Foto: Peter Ortmann
Ein Punkt in der Zeit
Ganz still
„1 in 3“: Ausstellung gegen Gewalt an Frauen
Agnes Martin in Düsseldorf
Was braucht es noch, um dich wütend zu machen? Das ist keine einfache
Frage, sondern ein Untertitel. Reichen die Vorgänge eines Mobs in der Silvesternacht in Köln, reichen vielleicht die verheimlichten Vorgänge in Berlin?
Oder geht es uns besser, wenn wir erfahren, dass in derselben Nacht in
Chemnitz ein 13-jähriges tunesisches Mädchen von Nazis krankenhausreif
getreten wurde? Diese Fragen darf man sich gar nicht erst stellen. Spätestens wenn man im Bonner Frauenmuseum neben „One in Three“ auch die
Ausstellung „Die Dinge beim Namen nennen – Gewalt gegen Frauen im
Alltag“, die von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)
organisiert wurde, gesehen hat, dann weiß man worum es weltweit eigentlich immer geht: um Zwangsprostitution, sexuellen Missbrauch, Frauenhandel, Zwangsehe, Kinderheirat, Genitalverstümmelung und häusliche Gewalt,
eine gruselige Liste also. „1 in 3 – What does it take for you to be outraged?“
ist erstmals in Deutschland zu sehen und der Ausstellungstitel spielt auf ein
Tabuthema an: Eine von drei Frauen wird nämlich immer Opfer von Gewaltanwendungen. Und in der Liste ist die Kindersoldatin, die man in der ersten
Etage des Frauenmuseums zuerst wahrnimmt, nicht einmal vertreten. Ihr
Portrait hängt in unmittelbarer Nähe von Ellen Johnson Sirleaf, der liberischen Friedensnobelpreisträgerin von 2011, selbst auch nur mit viel Glück
einer Vergewaltigung entkommen.
Von Thomas Hirsch
Zu Lebzeiten wurden die Bilder von Agnes Martin (1912-2004) selten
gezeigt und nach ihrem Tod noch seltener. Nicht, dass es kein Interesse
gegeben hätte, im Gegenteil. Aber die Gemälde sind in alle Welt verstreut
und vielfach in Privatbesitz und natürlich Kostbarkeiten, auch im übertragenen Sinne: in der Feinheit ihrer Malerei. Sie sind gegenstandsfrei
und bestehen, überwiegend quadratisch, aus Streifen, Feldern, Rastern in
heller Farbigkeit. Die tonale Verhalten„Eine stille Sensation“
heit hat Agnes Martin dadurch erreicht,
dass sie einen weißen Gipsgrund angelegt und auf diesem mit verdünnter Acrylfarbe gemalt hat. Ganz lapidar,
mit von Hand gezogenen Linien, sind diese Werke für das Sehen hoch
komplex, ja, unerschöpflich: Die Retrospektive, die derzeit die Kunstsammlung NRW ausrichtet, ist eine stille Sensation.
Und während die Besucher durch die informative wie emotionale Ausstellung streifen, klackert es fast seriell und aufgeregt hinter einem Vorhang.
Bei mehr als ein Dutzend KünstlerInnen ist der allerdings nicht schnell zu
finden, er verhüllt allerdings nicht, sondern verdunkelt Anna Sophie von
Hollebens Video-Animation „Rächerinnen“ (2014), in der indische Frauen
sich gegen die Vergewaltiger wehren, sie verfolgen und – „sie zu Kleinholz
machen“. Eine ganz zauberhafte Idee.
Peter Ortmann
Dabei beginnt die Düsseldorfer Ausstellung unruhig, die verschiedenen
Werkgruppen konkurrieren fast miteinander. Deutlich wird aber, dass
Agnes Martin nach realistischen Anfängen schon in den 1950er Jahren
zu abstrakten Reihungen in großer Variabilität gelangt ist, ehe sie sich
in den frühen 1960er Jahren auf horizontale und vertikale Raster und
Linien beschränkt. Und dass die grandiosen Gemälde mit den breiten pastellfarbenen Bahnen ihre Vorgeschichte haben. Gleich am Eingang zeigt
ein kleineres realistisches Gemälde von 1947, wie ernst es Agnes Martin
von früh an war, interessanterweise ist es ein Selbstbildnis. Schon bei
ihm ist die Sorgfalt und Genauigkeit im Setzen jeder einzelnen Farbpartie
zu erkennen, wie sie dann das kommende Werk auszeichnen. Mit dieser
Beharrlichkeit und ihrer Zurückgezogenheit am Ende der Welt, in New
Mexico, war Agnes Martin schon zu Lebzeiten legendär. Freilich hat sie
zunächst an der New Yorker Kunstszene partizipiert. In Kontakt etwa mit
Jasper Johns und Ellsworth Kelly, lebt die gebürtige Kanadierin ab 1957
in der Kunstmetropole. 1967 dann der Bruch. Sie verlässt New York, gibt
das Malen auf und reist eineinhalb Jahre durch die Staaten und Kanada. Anschließend baut sie sich ein Holz- und Lehmhaus in New Mexico.
Erst 1974 wird sie wieder die Malerei aufnehmen – als große Künstlerin
war sie da schon anerkannt. 1972 wurden ihre Bilder auf der documenta
gezeigt, ab 1975 vertritt sie die New Yorker Pace Gallery. Später erhält
sie den Oskar-Kokoschka-Preis sowie den Goldenen Löwen der Biennale Venedig. Tatsächlich registriert Agnes Martin sehr
bewusst die Kunst ihrer Zeit. Ihre Malerei reagiert auf
den Abstrakten Expressionismus und die Minimal Art
und trägt noch zur US-amerikanischen Farbfeldmalerei bei. Aber das hat sie selbst in ihren theoretischen
Schriften wenig interessiert. Vielmehr lag ihr daran,
eine Transzendenz parallel zu Phänomenen der Natur
Thomas Hirsch
zu erreichen und zu vermitteln – als „eine Erfahrung
Kunsthistoriker,
Kurator und Journalist einfacher Freude“.
„1 in 3 – What does it take for you to be outraged?“ | bis 8.3. |
Frauenmuseum Bonn | 0228 69 13 44
Agnes Martin | bis 6.3. | K20 Kunstsammlung NRW in Düsseldorf
0211 838 12 04
Die zentrale visuelle Installation aber sind großformatige Fotografie-Fahnen von brasilianischen Männern, die darauf alle Tafeln präsentieren: „Real
men don´t beat women“. Weltweit ist diese Kampagne auch von Hollywoodgrößen wie Ashton Kutcher, Jamie Foxx und Sean Penn und vielen anderen unterstützt worden. Auch mit unterschiedlichen Sprüchen: „Real men
don´t buy girls“. Gleich dahinter sitzen die zwei schwarzen Aufanischen
Matronen von Museumschefin Marianne Pitzen an einem Tisch. Die keltische Göttinnen, die zur Römerzeit in Bonn verehrt wurden, klagen heute die Weltgemeinschaft an, Frauenleben nicht schützenswert zu finden.
Kaum zu glauben: Selbst in Deutschland ist eine sexuelle Handlung gegen
den ausdrücklichen Willen einer erwachsenen Person bisher nicht immer
strafbar. Nur wenn entweder körperliche Gewalt angewendet wird, mit Gewalt gedroht wird oder eine schutzlose Lage ausgenutzt wird, droht vielleicht das Gefängnis. Einfach nur „Nein“ zu sagen reicht dafür nicht. Kein
Wunder, dass nach den Kölner Vorfällen die Verkaufszahlen für Pfefferspray
in die Höhe schnellen.
26
kunst-kalender
MÜNSTER – Kunsthalle
www.kunsthalle.muenster.de
Nic Hess bis 28.2.
Der Schweizer Künstler mit einer
begehbaren raumbezogenen Montage
aus Elementen, die aus früheren seiner
Arbeiten stammen und um Konsum
kreisen
NEUSS – Langen Foundation
www.langenfoundation.de
Olafur Eliasson bis 21.2.
Anhand von Werken der Jahre 1994
bis 2015 aus der Sammlung Boros wird
Eliassons Ansatz deutlich, Ästhetik und
Naturwissenschaften zusammenzuführen
OBERHAUSEN – Ludwiggalerie
www.ludwiggalerie.de
American Pop Art bis 16.5.
Druckgraphische Editionen und
Auflage-Objekte der Großmeister der
amerikanischen und internationalen Pop
Art aus der Sammlung Beck
REMAGEN – Bahnhof Rolandseck
www.arpmuseum.de
Menschenskinder bis 14.8.
Kinderdarstellungen vom Mittelalter bis in
die Gegenwart aus der Sammlung Gustav
Rau gemeinsam mit Fotografien des
UNICEF Foto-Wettbewerbs
SOLINGEN – Kunstmuseum
www.kunstmuesum-solingen.de
Heinz Peter Knoop bis 6.3.
Ausstellungsansicht Weltkunst, Von der Heydt-Museum, © Foto: Günter Lintl Der 1947 geborene Solinger Bildhauer
mit seinen Holzskulpturen, Schieferreliefs
und Farbzeichnungen von kokonartig
organischen Figurationen
Museumslandschaft NRW
BERGISCH-GLADBACH – Villa Zanders
UNNA – Zentrum für Lichtkunst
DÜSSELDORF – K20
HAMM – Gustav-Lübcke-Museum
www.kunstsammlung.de
www.museum-hamm.de
Friedrich Schröder-Sonnenstern bis 13.3.
Die erotischen und fantasievoll
versponnenen Buntstiftzeichnungen des
Berliner Künstlers (1892-1982), der seit
einigen Jahren wiederentdeckt wird
Agnes Martin bis 6.3.
Werküberblick zur legendären
amerikanischen Malerin (1912-2004) mit
ihren Rastern, Streifen und Bahnen in
einer zurückgenommenen Farbigkeit
BIELEFELD – Kunsthalle
DÜSSELDORF – Kunsthalle
Sehnsucht Finnland bis 16.3.
Hauptwerke der finnischen und
schwedischen Malerei um 1900, in
denen die nordische Bildsprache die
westeuropäische Klassische Moderne
einfließen lässt
www.villa-zanders.de
KÖLN – Museum für Angewandte Kunst
www.kunsthalle-bielefeld.de
www.kunsthalle-duesseldorf.de
Einfühlung und Abstraktion bis 28.2.
Positionen der Malerei von Frauen
seit Ende des 19. Jahrhunderts bis in
die 1930er Jahre in Deutschland mit
Einblicken in die gegenwärtige Malerei
Song Dong bis 13.3.
Werkschau des chinesischen Installationsund Konzeptkünstlers, der, weltweit
gefragt, den Umgang mit Emotion
und den Verbrauch der Ressourcen
thematisiert
BONN – Bundeskunsthalle
www.bundeskunsthalle.de
Isa Genzken bis 17.4.
Die Biennale- und documentaTeilnehmerin mit Modellen für
Außenskulpturen, die ihren Umgang
mit minimalistischen und opulenten
Tendenzen dokumentieren
BONN – Kunstmuseum
www.kunstmuseum-bonn.de
Susanne Paesler 28.1.-5.6.
Die früh verstorbene Malerin (19632006) mit konzeptuell motivierten
ungegenständlichen Bildern, die u.a. auf
Gebrauchsmuster reagieren
BOTTROP – Museum Quadrat
www.quadrat-bottrop.de
www.makk.de
RADIO Zeit bis 5.6.
Die Gestaltung der „Hülle“ in 120
Jahren Radio vom Röhrengerät bis
zum Internetradio mit Beiträgen von
herausragenden internationalen Designern
ESSEN – Museum Folkwang
KÖLN – Museum Ludwig
www.museum-folkwang.de
www.museum-ludwig.de
Pierre Soulages bis 26.6.
Der französische Altmeister der
gegenstandsfreien Malerei mit zwei
frühen und drei aktuellen ganz schwarzen
Bildern, konzentriert in einem Raum
Joan Mitchell bis 21.2.
Die Hauptvertreterin des abstrakten
Expressionismus, die in den 1950er Jahren
von New York nach Frankreich zog und die
Naturerfahrungen in Malerei übersetzte
GLADBECK
KREFELD – Museen Haus Lange/Esters
www.neue-galerie-gladbeck.de
www.kunstmuseenkrefeld.de
Martin Kobe 29.1.-1.4.
Martin Kobe (*1973 in Dresden)
dekonstruiert in seinen lichtdurchfluteten
Malereien Architektur mittels ihrer
Strukturen, Blickpunkte und Perspektiven
Show & Tell bis 21.2.
Ein Querschnitt durch die Grafische
Sammlung der Kunstmuseen Krefeld vom
19. Jh. bis in die Gegenwart mit Unikaten
und druckgrafischen Auflageblättern
HAGEN – Osthaus Museum
LEVERKUSEN – Bayer Erholungshaus
www.osthausmuseum.de
www.kultur.bayer.de
Andreas Karl Schulze 21.2.-8.5.
Der Kölner Maler, der mit seinen
raumbezogenen Interventionen mittels
winziger Farbquadrate bekannt wurde, mit
einem Beitrag zum Bottroper Museum
Stephan Balkenhol bis 27.3.
Balkenhol (*1957) wurde als
Holzbildhauer bekannt, der Männer
und Frauen sachlich in alltäglicher oder
festlicher Kleidung darstellt; ausgestellt
sind seine Bronzen
Klassentreffen bis 3.4.
Die Klasse von Heribert C. Ottersbach
an der HGB Leipzig mit Positionen zur
Malerei zwischen Konzept, medialer
Selbstreflexion und ihrem Verständnis
DORTMUND – Dortmunder U
HAGEN – Schumacher Museum
LEVERKUSEN – Museum Morsbroich
www.dortmunder-u.de
www.esmh.de
www.museum-morsbroich.de
Dortmunder Neugold bis 1.5.
Eine Ausstellung mit angewandten
Produkten, Plakaten, Objekten und Kunst
und Filmen aus Anlass des 500-jährigen
Jubiläums des Reinheitsgebots
Zdenek Sykora bis 14.2.
Werkübersicht zum tschechischen Maler,
der mit seinen geschwungenen Farbbändern
auf weißem Grund zu den Pionieren der
computergesteuerten Kunst gehört
Aufschlussreiche Räume 31.1.-24.4.
Eine internationale Themenausstellung in
unterschiedlichen Medien, die aufzeigt,
wie Räume und deren Einrichtung zu
Porträts und biografischen Hinweisen
werden
27
www.lichtkunst-unna.de
Dark! bis 3.4.
Vier meisterliche Installationen zur
zeitgenössischen Lichtkunst in dunklen
Räumen, begleitet von Fotografien der
Amerikanerin Lucinda Devlin

Meine Kunst?
[email protected]
Wir freuen uns auf Post.
WILLICH – Galerie Schloss Neersen
www.stadt-willich.de
Michael Kortländer bis 14.2.
Der Düsseldorfer Bildhauer mit seinen
Skulpturen und Reliefs aus Wellpappe,
die teils heraldisch wirken und teils in die
Struktur der Ausstellungsräume eingreifen
WUPPERTAL – Skulpturenpark
www.skulpurenpark-waldfrieden.de
Thomas Virnich bis 21.2.
Alte und neue Objekte von Thomas
Virnich (geb. 1957), der Modelle
von Architekturen anfertigt und
diese zerlegt, umstülpt und neu
zusammensetzt
WUPPERTAL – Von der Heydt-Museum
www.von-der-heydt-museum.de
Weltkunst bis 28.2.
Die Sammlung Von der Heydt mit ihren
Meisterwerken vom europäischen
Mittelalter bis zur klassischen Moderne
und ebensolchen außereuropäischen
Werken
Empfehlungen von Thomas Hirsch
zungen
www.liveclub-barmen.de
................
Wuppertal
................................
06.02.
SALON DE SALSA
mit
.Salsa
. . . .Disco
....
-zungen
13.+14.02.
DIE BARMER
Foto: I. Arndt, Montage: K. Nikolic
KÜCHENOPER
............
Barmen 2. Janr 1890
19.02.
JÖRG
DEGENKOLB-DEGERLI
.Lay-Down-Tragedy
. . . . . . . . . . . . . Lesung
......
20.02.
REGICIDE
.Heavy
. . . . Metal
.....
26.02.
KABARETT NOTBREMSE
.Das
. . .13.
. . Programm
........
27.02.
FALK
support
.Liedermacher
.........
JOHANNA ZEUL
27.02.
BOUNCE
.Bon
. . .Jovi
. . .Tribute
. . . . . Band
....
.Preview
.......
10.03.
MONO INC.
Terlingua Tour 2016
...............
11.03.
JOSCHO STEPHAN TRIO
.Gypsy
. . . . Swing
.....
12.03.
POTHEAD
Rock
....
18.03.
MR. HURLEY &
DIE PULVERAFFEN
Aggroshanty Tour 2016
.................
19.03.
KINGS OF FLOYD
A Tribute to Pink Floyd
.................
Verehrter Freund!
Lieber Friedrich.
Hiermit wollte ich Dir hauptsächlich unsere Glückwünsche zum
neuen Jahre senden. – Hoffentlich hast Du es gesund begonnen und
bist von der Influenza verschont geblieben! Schreibe mir mal, wie
es Dir geht. –
Bei uns wird es nun in den nächsten Tagen sehr stille werden. Unsere Clara mit ihren Kindern etc. waren seit Juli bei uns, da ihr Mann
auf 3 ½ Monate in Amerika war, u. erst kurz vor Weihnachten nach
hier zurückkehrte. Morgen wollen sie uns nun Alle wieder verlassen, u. man kann es merken, wenn 7 Personen das Haus verlassen
haben. –
Unser Jüngster Walter, der sich im 3ten Semester in Heidelberg befindet, ist jetzt, während der Ferien noch bei uns und beschäftigt
sich damit, mit seinem zu Weihnachten erhaltenen photographischen Apparat seine Umgebung zu photographiren, oder zu typen,
wie er es nennt. – Glücklicherweise ist sein Gesicht bis jetzt noch
glatt geblieben; er hat die Schmisse alle auf den Kopf bekommen!
Einige alte Freunde sind vor Kurzem von hier weggenommen worden: Fritz Osterroth starb kürzlich eines Abends um 11 ¾ Uhr an
einer Lungenlähmung, nachdem er am gleichen Abend noch bis 10
Uhr Skat gespielt u. sich über seinen Gewinn gefreut hatte. –
Und Aug. Boelling ist auch am Tage vor Weihnachten gestorben; er
war ca. 3 Wochen vorher etwas leidend, wurde dann immer schwächer, bis es zu Ende war. Er war fast 80 Jahre alt geworden. Uns geht
es, Gottlob, noch gut. Emma fühlte sich zwar gestern etwas unwohl,
sie hat aber vorhin eine große Schnitte von einem Neujahrsplitz mit
gutem Appetit verzehrt, u. so wird es wohl nicht schlimm werden.
[…]
Nun, lasse mal bald wieder etwas von Dir hören u. sei von uns Allen
herzlich gegrüßt.
Dein Hermann.
engels zungen in der Engels-Stadt:
Wir lassen Zeitgenossen des
Kapitalisten und Revolutionärs zu
Wort kommen, zitieren Briefe an
Wuppertals berühmten Sohn.
20.03.
SALSA IN DER CITY
Open Air
.......
...........................
Geschwister-Scholl-Platz 4-6
42275 Wuppertal - 0202 563 6444
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Förderverein HDJ & LCB
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in deiner Stadt
Hier schreibt Hermann Engels
(1822-1905) seinem älteren Bruder Friedrich. Hermann war seit
1855 mit Emma verheiratet, deren Unwohlsein tatsächlich bald
vorüberging. Der Neujahrsplitz,
ein süßer flacher Kuchen, hat ihr
womöglich zur raschen Genesung
verholfen. Ihr Sohn Walter war, wie
man sieht, Mitglied einer schlagenden Verbindung.
28
Marx-Engels-Gesamtausgabe, Briefwechsel, Band 30, Berlin 2013, S. 129; die Abbildung zeigt Engels 1877. Die Vorlage für
den Stich bildet eine Fotografie, die Engels
seinem Bruder Hermann „dedizierte“, also
widmete.
auswahl
Bühne
BÜRGERBAHNHOF VOHWINKEL
Fr 26.2. 20 Uhr
Jens Neutag:
Das Deutschland-Syndrom
Jens Neutag zu Besuch in der bergischen
Heimat. Mit seinem Programm „Das
Deutschland-Syndrom“ fühlt der Kabarettist schon seit einiger Zeit den Eigenheiten unseres mal mehr mal weniger
lustigen Völkchens auf den Zahn. Sein
Befund: In Deutschland gibt es durchaus Ansätze von Schizophrenie. Neutag
ist dabei bissig ohne beleidigend zu sein
und schafft es, aus wenig mehr als Fakten
nicht nur ein Stimmungsbild des Landes
zu zeichnen sondern dabei auch noch ansteckend komisch zu sein.
Info: 0202 89 79 89 53
DIE BÖRSE
Di 16.2. 20 Uhr
Bert Rex Magie auf die harte Tour
Die Herkunft des Jazz hört man den
Songs von a.tronic noch an. Mit dem
neuen Album „tangible“ öffnet sich das
fünfköpfige Ensemble aber vielen anderen Stilrichtungen von Pop bis Singer/
Songwriter und schreckt dabei auch vor
eingängigen Soundmustern nicht zurück. Seele der Songs ist die wunderbar
zarte Stimme von Sängerin Franziska
Loos. Die lernte der a.tronic-Initiator
und Jazz-Echo prämierte Bassist André
Nendza übrigens gleich um die Ecke bei
einem Workshop in Remscheid kennen.
Info: 0202 69 85 19 33
kinder der Klassikszene. Mit neun Jahren
spielte er sein erstes Konzert, mit 15 erschien die erste Solo-CD und mit 17 war
er bereits ein Star. In Wuppertal spielt
der 20-jährige Ausnahmepianist gemeinsam mit dem Zürcher Kammerorchester
ein Programm, das gut zur zeitlosen Eleganz der Historischen Stadthalle und zur
natürlichen Spielweise Liesickis passt. Es
erklingen die Klavierkonzerte Nummer 20
und 21 von Mozart und Schuberts Fünfte
Symphonie.
Info: 0202 24 58 90
LCB
Sa 20.2. 20:30 Uhr
Regicide - Very special guest:
Obscurity
Immer wieder donnerstags. Das erste
Mal im neuen Jahr laden die Wuppertaler Wortpiraten David Grashoff und
André Wiesler zum Wortex Poetry Slam.
Diesmal versprechen die Macher neben
einem dicken Mann und einem Halbfranzosen (also sich selbst) sechs weitere
Wortakrobaten auf der Bühne. Vormerken darf man sich auch schon mal die
insgesamt neun weiteren Termine der
Slam-Serie 2016: So gibt es im Juni die
Wuppertaler Slam-Meisterschaften. Im
September wird dann ein Porno Slam
geboten.
Info: 0202 24 32 20
LCB
Fr 19.2. 20 Uhr
Jörg Degenkolb –
Einer lag im Kuckucksnest
DIE FÄRBEREI
Fr 22.1. 20 Uhr
Homebase - Brenda Boykin
Eine Mischung aus Magie, Varieté und
staubtrockenem Humor verspricht der
Zauberkünstler Bert Rex. Rex ist ein bisschen Hommage an den Conférencier aus
dem Film „Cabaret“ und ein bisschen tragischer Held. Zwischen der Zelebration
seines eigenen Scheiterns gelingen dem
Thüringer dabei immer wieder erstaunliche Zaubertricks, die ihm schon Engagements auf den großen Varieté-Bühnen
des Landes einbrachten. Als Veranstaltung
des Wuppertaler Zaubersalons gilt auch
an diesem Abend: Eintritt gegen Spende.
Info: 0202 24 32 20
OPERNHAUS WUPPERTAL
Mi 10.2. 19.30 Uhr
Der Blaue Reiter ist gefallen.
Oder: Europa am Abgrund
Das Theater Anderwelten nimmt den
Zuschauer mit auf eine Zeitreise an
den Anfang des letzten Jahrhunderts.
Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war
geprägt von Aufbruchsstimmung und
Fortschrittsglauben. Die gebürtige Elberfelderin Else Lasker-Schüler unterhielt zu dieser aufregenden Zeit einen
Briefwechsel mit dem Künstler Franz
Marc. Die Aufführung im Wuppertaler
Opernhaus fängt den Zeitgeist – zwischen Optimismus und herannahender
Katastrophe – in ihrer multimedialen
Schauspiel-Tanz-Choreografie auf beeindruckende Weise ein.
Info: 0202 4962624
Über zehn Jahre ist es nun schon her,
dass die renommierte amerikanische
Jazz- und Bluessängerin Brenda Boykin
von San Francisco nach Wuppertal zog.
Beim Konzert in der Färberei gibt die
Grande Dame mit der markanten Soulstimme jetzt einen Vorgeschmack auf
ihre neue CD, die in diesem Frühjahr erscheint. Das bedeutet Musik, die an die
großen Epoche der Jazz-Standards und
ihre Legenden wie Billy Strayhorn und
Duke Ellington erinnert. Special Guest
des Abends: der Wuppertaler Saxophonist Wolfgang Schmidtke.
Info: 0202 64 30 64
Auswahl?
 Meine
[email protected]
Info: 0202 563 64 44
Wir freuen uns auf Post.
HISTORISCHE STADTHALLE
Do 25.2. 20 Uhr
Jan Liesicki und das
Zürcher Kammerorchester
BANDFABRIK
So 28.2. 17 Uhr
Ralf Grobel liest Gottfried Keller
Ein Klassiker unter den deutschsprachigen Novellen: Mit „Romeo und Julia
auf dem Dorfe“ verlegte der Schweizer
Schriftsteller Gottfried Keller den klassischen Shakespeare-Stoff in seine Heimat und Gegenwart: Es geht also um die
Liebestragödie zweier junger Menschen
im Alpenvorland des späten 19. Jahrhundert. Und um die Feindschaft ihrer
beiden wohlhabenden Bauernfamilien.
Der Wuppertaler Schauspieler Ralf Grobel liest Auszüge im Rahmen seiner Literaturreihe „Grenzgänger“. Dazu spielt
Ulrich Klan auf der Violine.
Info: 0202 69 85 19 33
Do 4.2. 20 Uhr
Wortex Poetry Slam
BANDFABRIK
a.tronic: Passt in keine Schublade
Literatur
DIE BÖRSE
Musik
Sa 13.2. 20 Uhr
Reunion einer Wuppertaler Metal Legende. Für ein einziges Konzert haben sich
die Musiker von Regicide noch einmal
zusammengetan, um Speedmetal in Reinform zu zelebrieren. Nach fast 20 Jahren
Trennung. Der Hintergrund: Als RegicideGründer Paul Dahlmann und Bassist Rob
Schomaker vor zwei Jahren bei einem
Contradiction-Konzert zwei alte RegicideSongs anspielten, war die Freude des Publikums unüberhörbar. Dementsprechend
ist jetzt die Spannung der Fans. Aufgrund
der Nachfrage wurde das Konzert bereits
in den großen Saal des LCB verlegt.
Info: 0202 563 64 44
Foto: Mathias Bothor
Jan Liesicki gilt als eines der Wunder-
29
Jörg Degenkolb-Değerli, Wuppertaler
Bühnenliterat und Wortwache-Erfinder, liest aus den Tagebüchern eines
gewissen Björn Gödeking. Die hat er
bei Renovierungsarbeiten gefunden
und nun zu etwas verdichtet, das er
Lay-Down-Tragedy nennt. Eine Geschichte, in der Tragik und Komik des
Antihelden – früh verstorben, vaterlos,
psychisch labil – so nah zusammenliegen, dass man sie kaum auseinanderhalten kann. Eine Stimme aus dem
Wald rät dazu in der Vorankündigung:
Gehen Sie unbedingt da hin, ich habe
es auch nicht verstanden.
Info: 0202 563 64 44
Kunst
SPARKASSENFORUM AM
ISLANDUFER
bis 25.2., Mo, Mi, Fr 9-16, Di,
Do 9-19 Uhr
Das Erbe der Nachkriegsmoderne
Paul Schneider von Esleben (19152005) zählt zu den herausragenden
Architekten vor allem der 1950er bis
1970er Jahren in Deutschland. Mit seinen Verwaltungsbauten, Kirchen und
Bungalows war er nicht einem durchgehenden Stil verpflichtet, sondern hat
die stilistischen Modi in Rückkopplung
mit Standort und Zweck gewählt und
sich mitunter – im Einbezug bildender Künstler – dem Gesamtkunstwerk
angenähert. Von PSE stammt auch der
Verwaltungsbau der Sparkasse, wo er
jetzt, organisiert vom Museum für Architektur und Ingenieurskunst NRW,
vorgestellt wird.
Info: 0202 488 24 24
zuletzt gelacht
30
VON DER HEYDT-MUSEUM
bis 28.2., Di-So 11-18 Uhr, Do 11-20 Uhr
Weltkunst
ZENTRUM FÜR
INTERNATIONALE
LICHTKUNST
KÖLN
bis 3.4., Di-So zwischen 13-17 Uhr zu
besonderen Zeiten
bis 24.4.
STADTMUSEUM
Endstation Ubierring
Dark!
IMPRESSUM
Weltkunst, Ausstellungsansicht Von der Heydt
Museum, © Foto: Günter Lintl
Noch bis Monatsende ist die große,
über zwei Stockwerke führende Ausstellung zum Leben, zur Sammelleidenschaft und damit zum Kunstbestand
von Eduard von der Heydt zu sehen.
Dieser stammte aus Wuppertal-Elberfeld und hat im frühen 20. Jahrhundert
die Sammlung seines Vaters um den
Aspekt der außereuropäischen Kunst
und Kultur sowie um die Kunst seiner
Zeit erweitert. Während er dem Museum Rietberg in Zürich die außereuropäischen Beiträge hinterließ, stiftete er
dem Wuppertaler Museum die europäische Kunst: Beides ist nun ausgestellt.
Info:0202 563 26 26
UNNA
Hans Rolf Maria Koller, Endstation Ubierring 40
(Ausschnitt), 1992, Öl auf Leinwand, Gesamtlänge
46,5 m, (c) H. Koller; Foto: RBA Köln
Die Ausstellung greift die Umstände
ihrer Präsentation auf. Sie findet unter der Erde und also im Dunkeln statt,
welches durch die künstlerischen Beiträge erst richtig bewusst wird. „Dark!“
vereint in separaten Räumen vier internationale Beiträge, die das Licht auf
unterschiedliche Weise einsetzen und
formen. Herausragend gewiss Anthony
McCalls Installation. Begleitend dazu
werden Fotografien der US-Amerikanerin Lucinda Devlin gezeigt.
Info: 02303 10 37 53
Die Ausstellung erinnert an die Schließung des Studienganges Freie Kunst an
der Fachhochschule Köln zum Sommersemester 1993. Sie verdeutlicht die wechselvolle Geschichte der einstigen Kölner
Werkschule, die bereits 1971 durch die
Eingliederung in die Fachhochschule ihre
Autonomie verloren hatte, und zeigt auch
Dokumente des Protestes gegen ein Ende
der Ausbildung zum Künstler. Dazu wird
der monumentale Bilderfries mit den Beteiligten am letzten Kapitel von Hans Rolf
Maria Koller ausgestellt (Di 10-20 Uhr,
Mi-So 10-17 Uhr).
Info: 0221 22 12 23 98
Zusammengestellt von: David Fleschen,
Thomas Hirsch und Benjamin Seim
Veranstalter-Infos an:
[email protected]
Meine Meinung
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AN DIE REDAKTION
Ihr Thema in der Januar-Ausgabe
sind gerechte Steuern. Vielleicht
interessiert Sie, dass es in Ennepetal einen Unternehmer-Vorstoß
gibt, statt Gewerbesteuer-erhöhungen eine Sammlung von
Spenden durchzuführen. Siehe
dazu diverse Zeitungsartikel WAZ
und Leserbriefe, u. a. "WAZ Ennepetal Opposition ..." In Ennepetal
ist eine sog. Standortsicherungsgesellschaft bereits gegründet
worden; in Schwelm werden zur
Zeit ähnliche Überlegungen angestellt. Die Unternehmer und IHK
hoffen, dass ihr "Modell" weitere
Kreise zieht.
Herausgeber:
engels-kultur Verlag
Joachim Berndt, Büro Bochum
Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum
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Chefredaktion: Maxi Braun (v.i.S.d.P.)
Red. Mitarbeit an dieser Ausgabe:
Lars Albat, Frank Brenner, Valeska von
Dolega, Jessica Düster, Hartmut Ernst,
David Fleschen, Rolf-Ruediger Hamacher,
Thomas Hirsch, Klaus Keil, Dominik Lenze,
Thomas Linden, Karsten Mark, Christian
Meyer, Peter Ortmann, Jan Schliecker, Florian Schmitz, Benjamin Seim, Olaf Weiden,
Andreas Zolper
Projektleitung: Birgit Michels
Grafik:
Frauke Erny, Janina Wittmann,
Karen Zimmermann
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Bilder sind Pressefotos.
Heute schon digitale Fingerabdrücke hinterlassen?
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Die Auflage unterliegt der ständigen Kontrolle der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der
Verbreitung von Werbeträgern.
Durch Berndt Media
werden auch folgende Kultur-, Kino- und
Bildungsmagazine (Köln, Ruhrgebiet,
Aachen und Düsseldorf) vertreten:
Freundliche Grüße
Dr. Christine Hohmann
Wir freuen uns auf weitere Zuschriften oder Online-Kommentare
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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von
LeserInnenbriefen vor.
Nichts ist egal
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