Geschichte der Sklaverei
Transcrição
Geschichte der Sklaverei
Geschichte der Sklaverei Antikes Griechenland (Information und Geschichtserzählung) „Es ist klar, dass es von Natur aus Freie und Sklaven gibt“, meinte der berühmte griechische Philosoph Aristoteles. Zehntausende Sklaven arbeiteten im Silberbergwerk bei Athen, Hunderte auf den Feldern der Großgrundbesitzer. Jeder reiche Grieche hatte Sklaven und Sklavinnen als Dienstpersonal. In den Betrieben der Händler und Handwerker arbeiteten Sklaven. Aber auch arme Griechen konnten sich einen oder zwei Sklaven leisten. Die Sklaverei war also etwas ganz Alltägliches in der griechischen Welt. Mitte des 5. Jahrhunderts lebten in Attika ungefähr 100 000 Sklaven, was einem Viertel der Gesamtbevölkerung entsprach. Die SklavInnen wurden auf dem Markt angeboten. Ihr Herr konnte sie kaufen und verkaufen, gegen Geld vermieten, bestrafen und sogar töten. Die Lage der Sklaven und Sklavinnen in Griechenland war sehr unterschiedlich: Jene, die in den Silberbergwerken und auf den Feldern arbeiteten, hatten das schwerste Los. Haussklaven wurden teilweise wie Familienangehörige behandelt, und manche von ihnen wurden von ihrem Herrn in die Freiheit entlassen. Gebildete Sklaven arbeiteten auch als Hauslehrer für die Kinder ihrer Herrn. Philomele, die Sklavin (Geschichtserzählung) Philomele dient im Haus der Athener Witwe Theoris. Hekatoios kommt regelmäßig ins Haus, um Arbeiten zu verrichten, die Frauen nicht erledigen können. Er ist zwar nur ein Taglöhner, aber ein freier Bürger. Ich, Philomele, bin Sklavin. Eion hieß meine Geburtsstadt. Dort gab es viele Soldaten, Perser, Feinde der Hellenen. Der König von Persien hat zweimal versucht, Hellas zu erobern. Ich wurde geboren, kurz nachdem die Perser vor Athen in einer Seeschlacht zurückgeschlagen wurden. Dann erschien Kimon, der von den Athenern hoch geschätzte Heerführer, mit vielen Schiffen vor Eion und belagerte die Stadt. Es gab Hunger, Elend, es floss viel Blut. Alle Perser starben ... War mein Vater selbst Perser, ein Verteidiger von Eion, die ihr Leben ließen? Ich werde es nie erfahren, was mich aber nicht unglücklich macht, höchstens ein bisschen traurig. Über Kimon, der noch lebt, spricht Theoris, meine Herrin, stets mit Hochachtung. Er hatte einerseits zu verantworten, dass Menschen wie meine Mutter und ich in die Sklaverei verkauft worden sind. Auf der anderen Seite belagerte Kimon die Stadt , um die Eroberer vom hellenischen Boden zu vertreiben. Meinen jetzigen Namen (deutsch: „Nachtigall“) gab mir die Herrin recht liebevoll: Man sagt mir nämlich nach, dass ich schön singe ... Nach Mutters Tod fehlte es Theoris an Geld, um eine neue Sklavin zu kaufen und zu ernähren. So arbeitete sie selbst oder lieh sich Sklavinnen für eine bestimmte Zeit von anderen Bürgern gegen Bezahlung aus, bis ich als volle Arbeitskraft herangewachsen war. Jetzt bin ich im Alter, in dem die meisten Mädchen schon verheiratet, junge Mütter, sind. Die Ehe ist Sklavinnen nicht verboten. Aber Theoris hat eine große Verwandtschaft, auch Neffen und junge Vettern verkehren in unserem Haus. Sie mögen die Tante ganz gern, vergessen aber auch die Erbschaft nicht. Und sie haben schon ein Auge für ein junges Mädchen wie mich. Die Ehe zwischen einem Athener Bürger und einer Sklavin ist keineswegs undenkbar. Meistens wird dann das Mädchen von der Sklaverei befreit oder frei gekauft. Meine Freizeit und meine guten Sitten scheinen die Herrin nur aus der Sicht zu interessieren, dass ich ihr nicht verloren gehe. Ob im Haus oder außerhalb – ich darf ausgehen, wenn ich Zeit dafür habe -, es sollte nur nicht zu einer Liebschaft mit einem nicht heiratswilligen, gar mit einem verheirateten Mann kommen! Manche suchen das leichte Abenteuer mit einer Sklavin, aber es ist auch nicht so, dass die Sklavenmädchen Freiwild für freie Bürger wären. Da ich aber weder geheiratet habe, noch ein Kind gebar, noch zur Amüsierdame wurde, blieb ich bei Theoris, wo ich meine Tage so verbringen: Früh morgens gehe ich Lebensmittel einkaufen. Obst und Gemüse wachsen auch in Theoris’ Garten, nicht aber feine Gewürze, und Fleisch muss ich vom Markt holen. Zu anderen Einkäufen geht die Herrin allein, mich nimmt sie nur mit, wenn es etwas zu schleppen gibt oder wenn sie meinen Rat braucht. Sind wir unterwegs, dann hält man mich oft für ihre Tochter, denn die Kleidung der Sklaven unterscheidet sich in Athen nicht von der freier Bürger. Auf dem Rückweg vom Markt hole ich frisches Brot in der großen Bäckerei, die es in Athen neuerdings gibt. Vorher aßen nur die Reichen Brot, das sie im eigenen Haus backen ließen. Die Herrin hat recht guten Appetit, so frühstückt sie noch vor dem Bad, das sie in Ruhe genießen will. Nachdem ich das Frühstück bereitet und serviert habe, darf ich die Mahlzeit zusammen mit der Herrin einnehmen, was eine große Ausnahme ist. Sie nimmt mich auch nur deshalb mit zu Tisch, weil sie sich sonst langweilen würde. Theoris spricht und erzählt recht viel, doch nur Unpersönliches ... Vormittags badet dann die Herrin; ich bereite ihr das Bad vor. Auf besondere Salben und dergleichen legt sie keinen Wert. Wenn sie in der Wanne sitzt, fange ich bereits an, mich um das Haus zu kümmern. Theoris’ Haus hat viele Räume. Als Mobiliar gibt es im Haus insgesamt zwei niedrige Tische, sechs lehnenlose Stühle, einen bequemen Lehnstuhl, wo die Herrin die meiste Zeit verbringt, drei Truhen und drei Betten, zwei im Erdgeschoß, eines für Theoris und eines für Gäste. Mein Bett steht in einem kleinen Raum im Oberstock. Um Staub von den Möbeln zu wischen und die – recht anspruchsvollen - Böden zu säubern, brauche ich den ganzen Vormittag. Im Kieselmosaik sammelt sich schnell Staub an. Und auch Küche und Bad muss man mit besonderer Sorgfalt sauber halten. Wasser schöpfe ich aus dem eigenen Brunnen, der im Garten angelegt ist. Es ist nicht so, dass die Herrin mich unbedingt immer beschäftigen will. Trotzdem bleibt mir wenig Freizeit. Und was fange ich damit überhaupt an? Spazieren gehen gibt es für Athener Frauen, Bürgerin oder Sklavin, nicht! So bleibt mir nur übrig, mich gelegentlich mit Mädchen aus den Nachbarhäusern zu unterhalten. Am interessantesten ist für mich jedoch, was ich von den anderen Sklavinnen über ihr Leben erfahre. Einigen Wenigen geht es recht gut, sie haben aufgeschlossene Herren und Herinnen, sie werden in die Familie aufgenommen. Andere teilen mein mittelmäßiges Schicksal. Und wieder andere haben wirklich zu leiden. Es geht dabei gar nicht um Prügel oder um einen Missbrauch durch den Herrn und die Söhne. Dagegen gewährt das Athener Gesetz den Sklaven Schutz, wobei ein Misshandeln in den eigenen vier Wänden freilich nur schwer zu beweisen ist. Vielmehr leiden manche Mädchen unter unmenschlichen Arbeitszeiten, Demütigungen und seelischer Kälte. Da erkenne ich, wie gut es mir eigentlich geht! Von Glück im eigenen Leben kann ich aber nur träumen. Vielleicht ist es auch besser, dass ich keine Kinder habe, die wären ja dann auch Sklaven, und wer weiß, welches Schicksal einem weiterverkauften Sklaven in Zukunft beschieden ist [...]“ (Ferenc Majoros: Philomele, die Sklavin. In: Geschichte mit Piff. Heft 11/96. Johann Michael Sailer Verlag, Stuttgart) Auftrag: Antikes Griechenland Offenes Lernen • Lies die Geschichte der Philomele sorgfältig! • Trage anschließend in die folgende Tabelle das Fehlende ein: Welche Personen kommen vor? (Name, Herkunft, Stellung in der Gesellschaft) Warum wurde Philomele versklavt? Welche Arbeiten muss Philomele verrichten? Welche Wünsche hat Philomele für ihr Leben?