Kriegsverbrechen an Frauen in Ostasien

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Kriegsverbrechen an Frauen in Ostasien
Kriegsverbrechen an Frauen in Ostasien
und die Rolle der japanischen Frauenbewegung
Aus Anlaß der 70jährigen Wiederkehr des Endes des II. Weltkriegs am 8. Mai 1945
in Europa erinnerten Clara Wittköpper und Gera Kessler vom Haus der
FrauenGeschichte an das Kriegsende im pazifischen Krieg, der erst im September
1945 zu Ende ging. In ihrem Vortrag vom 25. April 2015 im Rahmen der Reihe
„Frieden für Frauen“ ging es um die Kriegsverbrechen des japanischen Militärs an
den sog. „Trostfrauen“.
„Trostfrauen“, engl. „comfort women“, japanisch iugun ianfu (= Truppen begleitende
Trostfrauen) wurden die Frauen genannt, die in den vom japanischen Militär
eingerichteten Bordellen unter unvorstellbaren Bedingungen den Vergewaltigungen
und Misshandlungen durch Offiziere und Soldaten ausgesetzt waren. Die Camps
wurden überall errichtet, wo die japanische Armee kämpfte, natürlich in China seit
1937, und in der späteren Entwicklung des Krieges auch in Indonesien, Burma,
Philippinen, Vietnam usw. Überall dort wurden Frauen in diese Camps/Bordelle
verschleppt, sei es durch falsche Versprechungen, irreführende Stellenanzeigen,
oder einfach Raub.
Ihre Zahl wird auf ca. 100 - 200 000 Frauen beziffert. Die japanische
Frauenbewegung spricht mittlerweile folgerichtig von „Sexsklavinnen des
japanischen Militärs“.
Diese Samstagsgeschichte ist auch eine Geschichte der Anerkennung bzw.
Nichtanerkennung von Menschenrechten für Frauen in kriegerischen Konflikten. Zum
Verständnis muss kurz auf die politische Situation in Ostasien eingegangen werden.
Ende des 19./Anfang des 20.Jahrhunderts war die hohe Zeit des Imperialismus und
Kolonialismus. Die europäischen Staaten hatten überall in der Welt ihre Kolonien,
und niemand dachte an die Rechte der in diesen Gebieten lebenden Bevölkerung.
Die imperialistische Politik Japans betraf die ostasiatischen Länder (dort, wo nicht
schon die Europäer saßen). Nach dem ersten chinesisch-japanischen Krieg 1894/95
hatte Japan Taiwan annektiert. Ab 1910 war Südkorea japanische Kolonie. 1932
war die Mandschurei von Japan besetzt (Staat Mandschukuo).
In weiteren Grenzkonflikten zwischen Japan und China kam es im Juli 1937 zu
einem Zwischenfall, der sich zum zweiten chinesisch-japanischen Krieg ausweitete.
Im Dezember 1937 fiel die Japanische Armee in die Hauptstadt der Kuomintang
Nanjing ein und es kam zu dem Massaker von Nanjing, das 3 Wochen dauerte und
gegen die Zivilbevölkerung gerichtet war. Es wurde geplündert, geraubt, vergewaltigt
und gemordet; ca. 300 000 Zivilisten wurden getötet.
Auf chinesischer Seite wird an dieses Massaker auch heute noch erinnert, wenn
Vorbehalte gegenüber Japan zu Sprache kommen; und in Japan ist dieses Massaker
als eine der Begründungen dafür angeführt worden, dass für die Soldaten der
japanischen Armee offiziell Camps für Prostitutierte eingerichtet wurden, mit denen
erreicht werden sollte, dass „sich solche Massaker nicht wiederholen“.
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Nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki ging der pazifische
Krieg im September 1945 mit der Kapitulation Japans zu Ende. Zum Kriegsende
wurden viele der ehemaligen Sexsklavinnen des Militärs getötet, und viele Akten
vernichtet.
Im Kriegsverbrechertribunal von Tokio; offizieller Name ‚Internationaler
Militärgerichtshof für den Fernen Osten’ wurden von 1946 bis 1948
Verantwortliche der kaiserlichen japanischen Armee von den Siegermächten
angeklagt und verurteilt.
Die Anklagepunkte waren:
- Verschwörung gegen den Weltfrieden (d.h. Führen eines Angriffskrieges gegen
China, USA, Frankreich, Niederlande, das britische Commonwealth, UdSSR)
- Mord
- Verbrechen gegen die Menschlichkeit: d.h.
1. Anordnung und Erlaubnis zur unmenschlichen Behandlung von
Kriegsgefangenen und anderen sowie
2. vorsätzliche und rücksichtslose Vernachlässigung der Pflicht, angemessene
Schritte zur Prävention von Gräueltaten einzuleiten.
Es wurden 28 Urteile gesprochen. Todesurteile wurden sofort vollstreckt, die Männer,
die zu lebenslangen bzw. 20jährigen Haftstrafen verurteilt wurden, waren 1956
bereits wieder frei.
Die beiden Punkte bei „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ wären diejenigen
gewesen, in denen das Unrecht, das den Frauen in den Militärbordellen angetan
wurde, zu berücksichtigen war, aber das war in diesem Tribunal nicht Thema, und
ebenso nicht in den weiteren 50 Tribunalen, die in anderen Städten des fernen Osten
nach dem Zweiten Weltkrieg stattgefunden haben. Das Bewusstsein dafür fehlte.
Das einzige Tribunal, in dem jemals japanische Militärangehörige für ihre Verbrechen
gegen Frauen verurteilt wurden, ist das BATAVIA- Tribunal 1948 (Indonesien), wo
35 in militärische Bordelle gezwungene Holländerinnen 12 Offiziere der japanischen
Armee anklagten für 1944 begangene Kriegsverbrechen „gegen alle Gesetze und
Ordnungen der Kriegsführung im holländischen Ostindien“. Einer wurde zum Tode
verurteilt, andere zu Haft zwischen 2 und 15 Jahren. Das Gericht berücksichtigte
jedoch nicht die viel zahlreicheren indonesischen Frauen, die ebenso der sexuellen
Sklaverei ausgesetzt waren, so dass auch dieses Gericht der Kolonialmacht
Niederlande weit davon entfernt war, sich für Menschenrechtsverletzungen an
Frauen für zuständig zu halten.
Zu der Verarbeitung der Kriegsereignisse in Japan (bzw. deren Nichtverarbeitung)
trugen vor allem zwei Punkte bei:
1. viele Japanerinnen und Japaner fühlten sich wegen der Atombombenabwürfe als
Opfer.
2. Die amerikanische Besatzungspolitik entschied, um politische Stabilität der
japanischen Gesellschaft zu erhalten oder erreichen, dass Kaiser Hirohito als
oberster Kriegsherr nicht angeklagt wurde. Diese Politik hatte zur Folge, dass vor
japanischen Gerichten Kriegsverbrecher nicht angeklagt wurden, denn es erschien
unlogisch, die Soldaten als Befehlsempfänger anzuklagen, wenn der befehlgebende
Kaiser von Verurteilung frei war.
3
In San Francisco 1951 wurde der „Friedensvertrag mit dem Staat Japan“
geschlossen. (Es wurde u.a. die Rückgabe von besetzten Gebieten, die Souveränität
Japans und Reparationsleistungen vereinbart). In diesem Friedensvertrag
anerkannte Japan auch die durch die Militärgerichte ausgesprochenen Urteile.
Women's International War Crimes Tribunal on Japan's Military Sexual Slavery
Sie formulierten:
(Zitat): „In den frühen Neunziger Jahren brachen koreanische „Trostfrauen“, Opfer der
japanischen militärischen Sexsklaverei, ihr Schweigen nach fast 50 Jahren. Es folgten
Überlebende aus anderen Teilen Asiens, China, Taiwan, Nordkorea, den Philippinen,
Indonesien, Malaysia und auch den Niederlanden. Wir, die Frauen des angreifenden
Landes sind tief bewegt von ihrem Mut und wir hielten es für unsere moralische Pflicht, auf
den Ruf der Überlebenden zu antworten. Wir begannen überall im Land Gruppen zu bilden,
die die „Trostfrauen“ unterstützten. Es kann nicht genug gewürdigt werden, dass diese
Frauen, die über ihre schmerzlichen Opfererfahrungen als Sexsklavinnen für das Japanische
Militär sprachen, eine wichtige historische Rolle spielten, indem sie den Schrecken der
sexuellen Gewalt in Kriegszeiten herausstellten und indem sie dies taten, haben sie alle
Frauen der Welt ermutigt, sich zu wehren, die zur Zeit durch sexuelle Gewalt in
bewaffneten Konflikten leiden (so auch im früheren Jugoslawien, Ruanda, Algerien und
anderen Ländern). ….“
Es wurden 75 Zeuginnen aus acht asiatischen Ländern - Nord- und Südkorea (sie
hatten sich gemeinsam vorbereitet), China, Taiwan, Philippinen, Indonesien, OstTimor, Malaysia - und den Niederlanden gehört. Die japanische Regierung war
eingeladen, aber nicht erschienen. Es wurden Expertenaussagen zum
internationalen Recht gehört, die sich zu der Verantwortlichkeit Japans / des Kaisers
äußerten. Die internationale Presse war reichlich vertreten.
2001 wurden in Den Haag die Ergebnisse vorgestellt. Es wurde darauf
hingewiesen (Paragraph 478), dass das Urteil und die darauf folgenden
Aufforderungen an Japan und die ehemaligen Alliierten auf der Rechtslage erstellt
wurden, die bereits während des II. Weltkrieges galt.
In den 1094 Paragraphen ist enthalten die Forderung an Japan, die volle moralische
und rechtliche Verantwortung für das militärische System der Sexsklaverei zu
übernehmen (bei voller Aufklärung durch eine Kommission), die Verantwortlichen zu
bestrafen und die betroffenen Opfer dieser Menschenrechtsverletzungen zu
entschädigen. Die ehemaligen Alliierten wurden aufgefordert, alle Akten zu
veröffentlichen und ihre Versäumnisse in der Nichtanklage bezüglich der sexuellen
Sklaverei nachzuholen.
.
Daraufhin ist bis heute nicht viel passiert.
Die Frauen in Südkorea sind immer noch rege; sie haben es fertig gebracht, einen
Erinnerungstag einzurichten, an dem sie auf dem Platz vor der japanischen Botschaft
in Seoul demonstrieren, wo sie die Figur einer jungen Frau aufgestellt haben, die die
Unverletztheit symbolisiert, die auch das Recht der „Trostfrauen“ ist. Jeden Mittwoch
versammeln sich Unterstützerinnen und fordern lautstark Gerechtigkeit. (2012 wurde
die 1000ste Demonstration begangen).
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In etlichen Staaten forderten Frauen- und Menschenrechtsgruppen ihre Regierungen
auf, sich für die rückhaltlose Aufklärung und die Unterstützung der Frauenverbände
einzusetzen. In der BRD wurde ein diesbezüglich eingereichter Antrag
(Bundestagsdrucksache 17/8789 vom 29.02.2012 „Anerkennung und
Wiedergutmachung des Leids der „Trostfrauen“) am 25.4.2012 vom Bundestag
abgelehnt.
Wikipedia: „Es sei nicht ersichtlich, warum dieses Thema ausgerechnet jetzt auf die
Tagesordnung gehoben werde, hieß es von der CDU/CSU. Auch sei nicht
nachvollziehbar, warum der Fokus auf Japan gelegt werde. Zwangsprostitution in
Kriegen gebe es auf der ganzen Welt. ‚Das furchtbare Leid und die Schuld ist
unbestritten’, sagte eine Abgeordnete der FDP-Fraktion. Als aussenstehende Nation
sei es aber immer schwierig, einen gesellschaftlichen Diskurs in einem Land
anzustoßen.“
Der Bürgermeister der Metropole Osaka, Tōru Hashimoto, sagte im Mai 2013,
das System sei nötig gewesen, um die "Disziplin aufrechtzuerhalten" und den
Soldaten, die ihr Leben riskierten, „eine Pause zu ermöglichen“. (GeneralAnzeiger Bonn 13.Mai 2013)
In Japans konservativer Regierung wird zur Zeit darüber debattiert, ob sich das
Land weiterhin für die damaligen Verbrechen entschuldigen solle.
Literatur:
- Drinck, Dr. Barbara; Gross, Chung-Noh: Erzwungene Prostitution in Kriegs- und Friedenszeiten,
Bielefeld 2006
- Hallo, Dr. Ruth: Die Trostfrauen, Roman, München 2012 ISBN 978-3-7844-3302-8
- Lenz, Ilse; Mae, Michiko; Klose, Karin: Frauenbewegungen weltweit, Opladen 2000
- Notruf und Beratung für vergewaltigte Mädchen und Frauen e.V. (Hrsg.): Frauen und
Krieg,Vergewaltigt, verleugnet, Verschwiegen, Kiel 1993 ISBN 3-00-000870-5
Text: Gera Kessler (Bonn, im Mai 2015)

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