TAXI 05.p65 - TAXI Magazin
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Big Dumb Face: Duke Lion Fights the Terror Geffen/Interscope Wes Borland, Gitarrist bei Limp Bizkit, scheint ein Spassvogel zu sein. Dieser Eindruck entsteht jedenfalls beim anhören des ersten Albums seines Seitenprojekts. Mit ein paar Highschool-Kumpels und seinem Bruder zusammen wurde drauflos musiziert, dass sich die Balken bogen. Bekiffte Toncollagen treffen auf Death-Grunts, gefolgt von Monty Python-artigen Rundgesängen. Das Allerschrägste ist aber sicher die Schlussnummer: Eine rund zwanzigminütige, hörspielartige Wanderung durch eine abartige Geräuschkulisse, wo sich allerlei akustische Grauslichkeiten mit meditativen Momenten vermengen... Eric Clapton: Reptile Reprise/Warner Reptile ist, laut Clapton, dort wo er herkommt, die anerkennende Bezeichnung für einen beeindrukkenden Freund. So einer war für KleinEric sein Onkel Adrian, genannt Son. Ihm und den vielen andern Reptiles, die Clapton in seinem Leben getroffen hat, widmet er diese Aufnahmen. Deren handwerkliche Qualität ist wie immer sehr hoch. Unerwartetes hat sich wenig eingeschlichen: Zu nennen wäre da das Stevie Wonder-Cover „I Ain’t Gonna Stand For It“, ein bisschen brav. Aber „Travelin’ Light“ von J.J.Cale kommt gut und ebenfalls der Song „Superman Inside“, als dessen Co-Autor ein Gitarrist firmiert, der auf dem ganzen Album eine brillante Figur abgibt: Doyle Bramhall II! Doyle BramhallII & Smokestack: Welcome RCA/BMG So heisst das zweite Album dieses talentierten Musikers, der schon mit zarten 16 bei Jimmy Vaughan’s Fabulous Thunderbirds mittourte, danach eine Band mit Charlie Sexton auftat und dessen erste RCA-CD „Jellycream“ Roger Waters (Ex-Pink Floyd) 1999 dermassen begeisterte, dass er ihn gleich mit auf Tour nahm. Geboten wird erdiger, souliger, bravourös gespielter Southern Rock alter Schule, der sich auf Cream, Mountain, Hendrix oder eben Stevie Ray Vaughan beruft. Voodoo Chile meets Problem Child. Schön dass es 2001 noch Leute gibt, die das Know How haben, solche Musik zu erschaffen! 22 TAXI Nr. 5 Run DMC: Crown Royal Arista/BMG Die New Yorker Altgärtner, die schon 1983 ziemlich als erste an Kreuzungen von Rap mit Rockund Metalklängen herumlaborierten, holen sich die Früchte ihrer Aufzucht zurück. So kommt es, dass ein Kid Rock, oder Limp Bizkit’s Fred Durst bei ihnen im Studio landen und Tracks coproduziert werden. Aber auch aus der US-Rapscene tragen massig Gäste zum neusten Album der Kings bei. Die Stückauswahl ist entsprechend bunt und mitreissend. Mit einem Bonus-Remix ihres Dauerbrenners „Walk This Way“ als Zückerli wird dann 1983 endgültig mit 2001 verlinkt. Yo! Ignite: A Place Called Home Gun/BMG Kalifornien ist die Heimat dieser wilden Truppe, die seit 1993 mit wütenden Hardcore-Kampfhymnen für Aufruhr sorgt. Soziale und politische Themen werden in engagierten Texten verarbeitet, was überhaupt nicht aufgesetzt wirkt. Donnernde Gitarrenriffs, knochentrockenes Highspeed-Drumming, ein Sound, der an die guten alten Ruts gemahnt (inkl. Breaks und Dub-Parts!): Herz, was willst du mehr? Israel. Herausgekommen ist dank all dieser Zutaten ein hörenswertes Album mit dem Zeug zum zukünftigen Klassiker. Susperia: Predominance Nuclear Blast/MV Die fünf Norweger vereinen Black- und Thrash-Metal zu einem faszinierenden Gebräu. Fans rasender Gitarrenläufe kommen ebenso auf ihre Rechnung, wie die LiebhaberInnen der Düsternis. Alle andern werden eher Mühe haben. Etwas für Eingefleischte - aber für die unbedingt! Talvin Singh: Ha Universal/Island Mit Prince wird er verglichen, sein musikalisches Genie am Mischpult und als Tabla-Spieler bezaubert den Dancefloor ebenso, wie das Auditorium. Auch auf seinem neusten Output werden indische Klassik und moderne Dancegrooves so geschickt verflochten, dass das Resultat gleichwohl als Tanzmusik und als Meditationskulisse funktioniert. Gelungen! Utah Saints: Two Roadrunner/MV Was viele verzweifelt versucht haben, ist dieser Band ausserordentlich gut gelungen: Die Verschmelzung von Rock und Elektro-Klängen. Metallica-Samples prallen auf Indie-Pop, Soul und Funk. Soul-Shouter Edwin Starr, aber auch REM’s Mr. Stipe und Chuck D. gaben sich die Studioklinke in die Hand. Entstanden ist ein hypnotisierender Mix, der alle Grenzen durchbricht. Spannend und eigenständig! Hösli & Ricardo: Blau cod music Melancholische Barmusik säuselt aus den Boxen, mutiert zum Säuferlied, um wieder im Villonschen und Heinesken (nicht zu verwechseln mit dieser Pfütze...) zu verebben. Traurige Geschichten werden in ironischen, manchmal schmerzenden Versen erzählt. Ricardo Regidor unterlegt Höslis Texte virtuos mit ausdrucksvollem Klavierspiel. Nicht unbedingt eine Scheibe für Rock- und Punkfans. Aber Hösli verspricht, sich in Zukunft auch vermehrt wieder dem Rock’nRoll zu widmen. Zwei Seelen, ach, in seiner Brust... Sepultura: Nation Roadrunner/MV Nach „Against“, dem eher mittelmässigen Neuanfang mit Derrick Green als Frontmann, wirkt die neue Scheibe viel ausgereifter und musikalischer. Soundlandschaften aus tribalen Klängen und bratenden Gitarren untermalen die engagierten Lyrics, die Band sieht sich als Botschafterin für die Anliegen der Ausgebeuteten dieser Erde. Mit ihnen und der Band sollen sich die Fans weltweit zu einer „Nation“ vereinen, so sei der Albumtitel gemeint... für europäische Ohren ein etwas vorbelasteter Begriff. Unbedenklicher sind die auch hier namhaften Gäste, genannt seien Jello Biafra, Apocalyptica(!), Dub Reggae Legende Dr. Vivian: V BMG Ariola Ebenfalls aus der Innerschweiz kommt diese neue Gitarrenpopcombo, die demnächst das Vorprogramm von Gotthard bestreiten wird. 12 gut gemachte Songs finden sich auf dem Debut. Frisch und locker groovend überraschen die Tracks mit „internationalem“ Format. Es rocken die Gitarren, es zirpt die Orgel, ab und an pluckert ein Loop gefällige Vocals und perfekte Backing-Chöreerfreuen das Ohr mit eingängigen Refrains. Das Cover- und Booklet-Artwork ist brandheiss. Die Band scheint zu wissen, wohin sie will. Mit dem entsprechenden Airplay dürften durchaus die Charts in Griffweite rücken... 2 Pac: Until the End of Time Amaru/Interscope Kann ein Musiker in Frieden ruhen, solange noch unveröffentlichte Songs auf Bändern lagern? Nein! Die erste Doppel-CD aus der „Makaveli“-Periode, mit Tuapac Shakurs Rap-Geschichten, warten auf offene Ohren. Seine melodiöse Stimme kündet von Gewalt, Liebe und dem Alltag von AfroamerikanerInnen. Witzige Coverversionen bekannter Hits sympathisieren um die Gunst. Und natürlich sind Duette zu hören unter anderem mit K-Ci & JoJo deren CD „X“ mit dem Hit „Crazy“ die Hitparaden stürmt. Stetsasonic: In Full Gear und On Fire beide Tommy Boy In den 80ern begann das scratchen und der Sprechgesang hielt Einzug. Soundmässig dominierte der Funk, aber elektronische und HipHop Einflüsse liessen sich bereits ausmachen. Es war die Zeit von Rick James und Jonzun Crew. Irgendwo dort lassen sich Stetsasonic ansiedeln. Reich befrachteter Funky-Vocal-HipHop mit Message, Bonus Beats und Remixes... Jamie Lewis: For you TBA Der Titel ist Programm. Jamie Lewis ist einer der Top-DJs hierzulande. Einer von vielen mit Fantasienamen die den Markt mit Mix-CDs überschwemmen. J.L.s Zusammenstellung hebt sich durch perfekte Übergänge heraus. Doch das allein würde nicht reichen. Beat-Counters gibts an jeder Strassenecke. Bestechend ist die Auswahl der Songs und deren Überarbeitung. Da steckt Geschmack, Gefühl oder zumindest Intuition dahinter. Selten genug im Business, deswegen umso wertvoller. Ani DiFranco: Revelling- Reckoring recrecRecords Ani DiFranco beglückt uns mit zwei Scheiben. Die eine nachdenklich, melancholisch. Die andere um einige Takte schneller. Es stehen intime Bekenntnisse, Beobachtungen und Fragestellungen im Zentrum. Balladen und Protestsongs wie sie früher mal Mode waren. Altbacken ist jedoch gar nichts bei dieser explosiven Kreativen. Davon zeugt die lange Liste bekannter Acts die gemeinsam mit Ani DiFranco auf ihren unzähligen CDs mitgespielt haben. Dazwischen schiebt die Multiinstrumentalistin, Komponistin und Sängerin Konzerte ein, trifft sich wieder mit Top-MusikerInnen, spielt eine CD ein, and so on... nicht zu sagen! Trans-Global Underground: Yes Boss Food Corner Universal Perkussiv, exotisch, funky, endlos hörund tanzbar. Momentan meine LieblingsCD. Mehr gibt’s dazu Natacha Atlas: Ayeshteni Mantra Records Betörend ist und singt sie. Perkussion, Klarinette, Geige, Cello, Saxophon und diverse orientalische Instrumente fliessend ruhig, einlullend, dringen in jede Pore, erobern Gelenke, bringen sie in Bewegung. Faszinierend, kompromisslos. Moderne, Avantgarde vermischt mit Tradition. Doch damit hört es nicht auf. Covers von Jacques Brel und Screamin Jay Hawkins gewinnen in Natachas Interpretation an Qualität. Prominente Gäste wie Zebda und Trans-Global-Underground hinterlassen ihre Text- und Tonmarken. Es hat etwas laszivtranciges an sich. Immer kurz vor dem Abgehen. Wie stundenlanges Liebe machen... Dar Beida 04: Impiria Consequential Barbarity 001 Sapho, Nina Hagen, Natacha Atlas und Amina Annabi sind Namen die paradiesische Klangfreuden versprechen. Doch aufgepasst, die Basis sind technoide Grooves, darübergelegt sphärische Stimmen und Stimmungen, zwischen Religion und Exotik. Nichts für PuristInnen, wohl aber für Goafreaks. Stella: The Palace of Yin Hyperdisc Auf dieser nicht mehr ganz neuen einheimischen Produktion bricht viel unterschwellige Erotik durch. Keck der nonverbale Gesang mit einem Klecks Naivität, begleitet von elektronischen Melodiebögen mit esoterischem Touch.Gut gemacht, verliert jedoch auf die Länge den Reiz und gleitet nahe an den Rand der Langeweile. Als unaufdringliche, persönlich gehaltene Hintergrundmusik bestens geeignet. The Pusjkins: Brand New Morning Roadrunner Hab ich alles schon mal so ähnlich gehört. (Meredith Brooks, PJ Harvey) Weder genial noch nervig. Einfach eine weitere gute, gemässigte und melodiös-poppige Gitarren-Band. Cesaria Evora: Sao vicente di longe Lusafrica Barfüssige Königin des Morna wird sie gerne genannt. Spät wurden ihre betörenden Lieder hierzulande entdeckt, darum geniessen wir die neue CD, die sie mit Chucho Valdes, Caetano Veloso, Bonnie Raitt und dem Orqueste Aragon eingespielt hat umso mehr. Caetano Veloso: Noites vo Norte Universal In den 60ern revolutionierte er das herkömmliche brasilianische Musikverständnis. Bossa Nova und Samba gemischt mit Rock und Blueseinflüssen ergab die Gegenkultur „Tropicalia“. Dafür wanderte Veloso in den Knast und zog anschliessend das Exil vor. Die aktuelle Produktion fängt die brasilianische Mentalität ein. Veloso drückt sich klar aus. Seinen Kampf gegen die Sklaverei, gegen die herrschende Lethargie, gegen die Illusion der individuellen Freiheit, den Egoismus verpackt er in Poporientierten Bossa Nova unterlegt von Hip Hop Drums und Flamencoanleihen mit einem gehörigen Sprutz Trompeten. Wie immer veranstalten die MusikerInnen ein Feuerwerk ohne die Anliegen ausser Acht zu lassen. A Tazza ‘e Cafè: Canzoni Napoletane Zytglogge Napolitanische Lieder begeistern. Dies beweist die Berner Band um Sängerin Iris Christa. Mit Liedern zu Liebe und Wahnsinn, Akkordeon, Mandoline, Kontrabass und Geige verbreitet das Sextett rundum gute Stimmung. Fanny Hensel-Mendelssohn Clara Schumann Arte Nova Classics Vergessene Komponistinnen gibt es zuhauf.Clara Schumann und Fanny HenselMendelssohn haben viel geschrieben. Lorbeeren dafür haben andere eingeheimst. Die chinesische Sopranistin Lan Rao und die Münchener Pianistin Micaela Gelius haben einige dieser Lieder-Klassiker vortrefflich eingespielt und interpretiert. TAXI Nr. 5 23