Acrobat Distiller, Job 5

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Acrobat Distiller, Job 5
Heinz-Werner Schulte
star trek
deep space nine
Progr^mm 'Pic^rd-Delt^-Eins'
http://www.sf-radio.de/stellarcom/fanfiction/
Star Trek – Deep Space Nine : „Programm 'Picard-Delta-Eins'“
© by Heinz-Werner Schulte
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http://www.sf-radio.de/stellarcom/fanfiction/
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1
"Das ist es!", sagte Quark und legte den gelben Würfel auf den Tresen.
"Sehr beeindruckend..." bemerkte Bashir, während er zum Dabotisch hinüber schaute. So lange war es
nicht her, dass Leeta und er ein Paar waren. Eine kurze Liason, die aus den unterschiedlichsten
Gründen keine Zukunft hatte und bei der er überraschenderweise in Rom, Quarks schwerfälligem
Bruder, seinen Nachfolger gefunden hatte. Eine Tatsache, die seinem Ego schwer zu schaffen machte.
Heute hatte sie ein äußerst aufregendes Kleid an, das ein schönes Beispiel für den Grundsatz
‚manchmal ist weniger mehr' darstellte. Wirklich ein sehr schönes Beispiel, dachte Bashir.
"Was ist das?", fragte Miles O'Brien, der Chefingenieur dieser Station, mäßig interessiert.
"Das", verkündete Quark mit einem verärgerten Blick in Richtung Bashir, "ist die Sensation der
kommenden Holosuite-Saison!. Ich habe es zwar selbst noch nicht gesehen, aber wenn man meinen
Quellen glauben will, und das sollte man", versicherte Quark mit überzeugendem Gesicht, "dann ist es
eine permanent laufende Simulation, die..."
O'Brien lachte humorlos auf: "Vergessen Sie's, Quark." Er schüttelte kurz den Kopf und nahm einen
Schluck Rootbeer während der Barkeeper sich mit einem verständnislosen Kopfschütteln vor sich hin
murmelnd entfernte.
Er war jedes Mal auf Neue erstaunt, wie enthusiastisch Quark im Wochenrhythmus seine neuesten
Holoprogramme als Sensation anpries. Noch vor vier Tagen war die ‚Endschlacht gegen das
'Dominion' die absolute Sensation. Vielleicht war es das sogar für den Rest der Galaxie, aber wohl
kaum für die Bewohner von Deep Space Nine, einer Raumstation am Rande des Förderationsgebietes,
die sich -bedingt durch das bajoranische Wurmloch- nicht allzu weit weg befand von einer realen
Version eines solchen Konfliktes.
Das Gefühl permanent einer Bedrohung durch das Dominion ausgesetzt zu sein, lastete schwer auf
allen, die auf dieser Station lebten und arbeiteten. Jeder ging auf seine Weise mit dem Druck um. Er
selbst schlug in seiner kargen Freizeit immer wieder in der Holosuite die Deutschen zurück, an seiner
Seite der unermüdliche Dr. Bashir als forscher Kampfpilot. Sein Freund Julian Bashir. Als
ranghöchster Mediziner auf DS9 achtete er peinlich genau auf mögliche Anzeichen von Stress oder
Überarbeitung bei allen Personen, die sich unachtsamerweise in seiner Nähe aufhielten. Speziell ihm
gab Julian permanent das Gefühl, ein neurologischer Notfall zu sein. Um zu erkennen, dass er nicht
unbedingt ausgeglichen war, brauchte Miles keinen Arzt.
Seit Keiko mit Molly und Kirayoshi Richtung Erde abgereist war (das war tatsächlich schon 9 Monate
her), hing er immer öfter grüblerisch seinen Gedanken nach. Er hätte sich gewünscht, dass die
mögliche Invasion der Jem'Hadar der einzige Grund wäre, warum sie gemeinsam diese Entscheidung
fällten. In den vergangenen Jahren hatte sich ihre Beziehung nicht unbedingt zum Besten entwickelt.
Als Botanikerin hatte sie stets das Gefühl, nutzlos und auf DS9 fehl am Platze zu sein und er, Miles,
war nicht in der Lage, ihr bei diesem Problem dauerhaft zu helfen.
Er glaubte zu wissen, dass seine Freunde -insbesondere Julian- zuweilen der Meinung waren, dass
Keiko nicht die richtige Frau für ihn war. Er wusste es besser.
Bis er Keiko traf, wusste er nicht, wie einsam er bis dahin gewesen war. Sie gab seinem Leben einen
Fixpunkt. Etwas, wofür es sich lohnt zu leben. Noch an Bord der Enterprise wurde Molly geboren und
sein Glück war perfekt. Und als ihm als Mannschaftsdienstgrad die Stelle des Chefingenieurs auf
Deep Space Nine angeboten wurde, konnte er nicht widerstehen und sagte zu, ohne daran zu denken,
was diese Entscheidung für Keiko bedeutete.
Sicher, die Idee, eine Schule auf Deep Space Nine zu eröffnen und Keiko als Lehrerin vorzuschlagen
war kein schlechter Versuch, scheiterte aber schon nach relativ kurzer Zeit aufgrund der
unterschiedlichen Ansichten der an Bord lebenden Spezies, wie ihre Kinder bzw. ihre Brut zu
unterrichten sei.
Mit der Zeit reduzierte sich die Schulklasse auf zwei Schüler: Jake, der Sohn des Commanders und
sein bester Freund Nog, der Neffe des Ferengis Quark. Und irgendwann verbot auch Quark seinem
Neffen den Schulbesuch, weil er einen schädlichen Einfluss der Förderation auf Nog befürchtete.
Nach Schließung der Schule wurde die Situation unerträglich. Keikos Selbstwertgefühl war quasi
nicht mehr existent. Man muss bedenken, dass jeder an Bord der Station irgendeine Funktion hatte.
Verzweifelt schlug er vor, seinen Dienst zu quittieren, um ihr die Möglichkeit zu geben, in ihrem
Beruf auf einem Planeten Erfüllung zu finden und als sie das Angebot ablehnte, liebte er sie dafür
noch mehr.
Schließlich organisierte er, dass Keiko zeitlich begrenzt an einer bajoranischen Expedition teilnehmen
konnte. Zeitlich begrenzt. Sechs Monate! Von viel zu wenigen Kurzbesuchen abgesehen, hatten sie
sich ein halbes Jahr nicht gesehen. Aber auch wenn ihn die Tatsache erschreckte, die Trennung tat
ihnen beiden gut. Als sie schwanger wurde mit Kirayoshi hatte er zunächst Mühe, sein Enttäuschung
zu verbergen. Ja. Richtig. Es hatte keinen Sinn, dass er sich in dieser Beziehung etwas vormachte. Er
hoffte damals, dass Keiko und er, nachdem Molly ein wenig älter geworden war, wieder etwas mehr
Zeit miteinander verbringen konnten. Erschwerend kam hinzu, dass Keiko das Kind nicht selbst
austragen konnte. Um nach einem Unfall das Leben von Keiko und dem Baby zu retten, musste der
Fötus Major Kira Nerys, der bajoranischen Verbindungsoffizierin, eingesetzt werden. Die daraus
resultierende Vertrautheit zwischen Nerys und Miles führte schon nach kurzer Zeit zu irritierenden
Gefühlen zwischen ihnen. Irgendwie schaffte es Keiko, davon nichts zu merken. Keiko. Er vermisste
sie.
So
sehr
wie
Molly
und
Kirayoshi.
Während O'Brien versuchte, Ordnung in seine Gedanken zu bringen, glitt sein Blick durch den Raum
und blieb an einer unförmigen Gestalt haften, die mit der Theke verwachsen schien und wie immer
schwermütig dreinschauend ihren Drink festhielt. Was machte eigentlich Morn auf der Station?
"...Miles?"
"Was?!" O'Brien schrak auf.
"Ich fragte, ob alles in Ordnung mit Ihnen ist?" wiederholte Bashir mit besorgter Miene. Er musste ihn
schon eine ganze Weile bei seinen Grübeleien beobachtet haben. O'Brien verdrehte die Augen und
machte einen Ablenkungsversuch: "Sagen Sie mir lieber was Morn hier macht, Julian."
Bashir drehte sich kurz um und sah zu Morn hinüber. Der Lurianer saß wie üblich vor seinem Getränk
und starrte dumpf vor sich hin.
"Äh, er sitzt doch immer hier, oder?" fragte Bashir leicht irritiert zurück.
"Ja, natürlich, aber warum sitzt er immer hier?" Auf einmal war O'Brien hellwach. "Bezahlt ihn irgend
jemand, damit er Quarks Existenz sichert?"
Der Anflug von Grübelei war einem Hochgefühl gewichen, einem Geheimnis auf der Spur zu sein.
Bashir zog die Augenbrauen zusammen und die Oberlippe leicht nach oben, wie er es immer tat, wenn
er den Gedanken anderer nicht folgen konnte, was hier eindeutig der Fall war.
Als O'Brien eine bissige Bemerkung zur geistigen Beweglichkeit von brillianten Wissenschaftlern
machen wollte, ging das Licht in der Bar schlagartig aus.
2
"Ich habe ihn auf dem Habitatring erwischt." verkündete Odo mit unverkennbarer Genugtuung.
"Haben Sie ihn schon verhört?, erkundigte sich Sisko, der als kommandierender Offizier von Deep
Space Nine und langjähriger Vorgesetzte von Odo natürlich ganz genau wusste, dass dies nicht der
Fall war.
"Nun,",dozierte Odo, "ich war der Ansicht, dass wir ihm zunächst ein paar Stunden in der Arrestzelle
geben sollten, um seine Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern."
Sisko lächelte und nickte zustimmend. "Was wissen wir über ihn?"
"Er heißt Marenda und ist ein Händler, der alles an jeden verkauft und, um mich vorsichtig
auszudrücken, sich nur wenig für die Herkunft einer Ware interessiert." Odo holte ein Padd hervor und
hielt es andeutungsweise hoch. "Der Förderation liegen Informationen vor, dass Marenda für
Straftaten auf einem halben Dutzend Planeten verantwortlich ist. Und einen Teil der Beute wollte er
wohl auf Deep Space Nine loswerden" , antwortete Odo leicht empört. In all den Jahren als
Sicherheitschef dieser Station konnte er immer noch nicht verstehen, wie es jemand wagen konnte, in
seinem Zuständigkeitsbereich eine Straftat zu begehen.
Odo fuhr fort. "Bestätigt bzw. ergänzt wird die Starfleetdatei durch eine Liste, die ich in Marenda's
Quartier vorfand. Es scheint, als wäre an unserem Freund ein Buchhalter verloren gegangen. Herkunft
der Ware, Käufer, alles da."
Sisko hob die Augenbrauen. "Ich nehme an, Quark steht auch auf der Liste."
"Erstaunlicherweise nicht, Captain. Das mag allerdings damit zusammenhängen, dass Marenda vorher
nie in diesem Sektor gewesen ist und erst gestern mit einem bolianischen Transportschiff ankam."
"Wie gehen Sie nun vor?"
"Nun, wir haben die Liste von den Dingen, die er an Bord brachte. Wir dürfen gespannt sein, wie viel
davon sich noch in seinem Quartier befindet. Fast glaube ich, dass es trotzdem sinnvoll sein könnte,
Quark in die Ermittlungen mit einzubeziehen."
Odo lächelte. Quark war immer seine erste Adresse, wenn es darum ging, "verloren gegangene" Dinge
wiederzufinden. Auch wenn man keinen konkreten Verdacht hatte konnte es nie schaden, ihn zu
verhören.
Odo's Kommunikator fiepte: "O'Brien an Odo". Odo bestätigte den Kom-Ruf mit einer kurzen
Berührung seines Kommunikators. "Odo hier, was kann ich für Sie tun, Chief?".
3
Chief O'Brien hockte vor einem offenen Panel vor Holosuite 2 und nahm einige Messungen vor.
Quark stand etwa 5 cm hinter O'Brien und das schlechte Gewissen schaute ihm fast aus den Ohren
raus. "Ich war gerade auf dem Weg zur Holosuite 3, um zu sehen, ob einer der Gäste vielleicht etwas
braucht, da ging auf einmal das Licht aus. Großer Nagus, war das ein Schreck. Nur gut, dass Chief
O'Brien in der Nähe war, um die Fehlfunktion zu beheben." Der Ferengi gestikulierte wild mit den
Armen, wich dabei aber dem prüfenden Blick von Odo aus.
"Und Sie haben natürlich keine Ahnung, was den Energieausfall verursacht haben könnte, Quark?",
erkundigte sich Odo mit ironischem Unterton.
"Da haben wir es wieder, Chief" ereiferte sich Quark. "Für alles werde ich verantwortlich gemacht.
Die Energie fällt aus? Die rigelianische Pest ist auf Deneb IV ausgebrochen? Das Dominion greift den
Alpha-Quadranten an? – Da kann natürlich nur Quark dahinter stecken!" Quarks Gesicht war eine
gekränkte Unschuldsmiene.
Odo lachte leise und klatschte ein paarmal applaudierend in die Hände. "Sehr überzeugend, Quark. Ich
gratuliere zu dieser Vorstellung."
"Jetzt reicht's!" Quark schien wirklich sauer zu sein. "Für diese völlig haltlosen Anschuldigungen
werden Sie sich vor Captain Sisko verantworten müssen."
"Welche Anschuldigungen, Quark?" Odo kam interessiert näher. "Das müssen Sie mir näher erklären."
Ohne Quark aus den Augen lassen, drehte er den Kopf ein wenig zu O'Brien. "Chief?"
Chief betrachtete fasziniert die Polymerfasern, die aus dem geöffneten Panel heraushingen und mit
einem gelben, 10cm großen Würfel provisorisch verbunden waren. "Tja, so wie es aussieht, ist dieses
Konstrukt für den Kurzschluss verantwortlich. Quark hat es geschafft, die Drähte so diletantisch
anzubringen, dass der Energieausfall nicht nur die Bar, sondern das ganze Promenadendeck betroffen
hat."
"Und das ist Ihre Schuld, Chief!" Quark ging in die Offensive.
"Meine Schuld?" O'Brien war verblüfft. Irgendwie schaffte Quark es immer wieder, verbale
Nebelbomben zu werfen, wenn er in Bedrängnis kam.
"Natürlich.", sagte Quark. "Oder wollen Sie abstreiten, dass sich Rom überhaupt nicht mehr um die
Wartung der Holosuiten kümmert, seit er für Sie arbeitet."
O'Brien verdrehte die Augen und wandte sich wieder dem Würfel zu.
Er konnte nicht glauben, dass Quark und Rom Brüder waren. Rom war offen, freundlich, ehrlich und
technisch sehr begabt. Eben das genaue Gegenteil seines Bruders.
Vorsichtig entfernte O'Brien die Kontakte und löste den Würfel aus dem Panel. Er betrachtete ihn von
allen Seiten.
Odo sah ihn ungeduldig an. "Und? Was ist es?."
"So ein Speichermodul habe ich schon einige Jahre nicht mehr gesehen." O'Brien rieb sich das Kinn.
"Genaugenommen habe ich es überhaupt nur einmal gesehen."
O'Brien wandte sich Quark zu. "Woher haben Sie das?"
Quark warf die Hände in die Luft. "Gute Güte. Woher soll ich das jetzt noch wissen. Wahrscheinlich
hat es 'mal irgendein Gast dagelassen, weil er nicht genug Latinum in der Tasche hatte, um die
Getränke zu bezahlen."
O'Brien schnappte Quark mit beiden Händen am Kragen und zog ihn an sich, so dass der Ferengi nur
noch mit den Zehenspitzen Bodenkontakt hatte. "Quark, spielen Sie keine Spielchen mit mir. Vor
nicht ganz 30 Minuten haben Sie mir exakt diesen Würfel gezeigt. Angeblich ein neues Hologramm,
dass sie soeben erhalten hätten. Sie erinnern sich?"
Offensichtlich war das der Fall.
"Warten Sie, Chief. Da fällt es mir wieder ein." Quark tat nachdenklich. "Ja, tatsächlich. Da kam vor
ein paar Tagen jemand und fragte, ob ich an dem Unglückswürfel interessiert sei."
Odo seufzte und schloss kurz die Augen. "Quark, war es nicht vielmehr heute morgen?"
Quark verzog den Mund. Dieser Odo ging ihm manchmal auf die Nerven. Ein Formwandler als
Sicherheitschef, der in den Diensten der Sternenflotte stand. Quark suchte erkennbar nach einer
Antwort. "Wenn Sie mich so fragen, möchte ich das nicht vollständig ausschließen. Wenn ich nicht
irre, sagte ich ihm, dass ich das Programm natürlich erst testen müsse. Also hat er es mir zeitweise
überlassen. Irgendwann wollte er wieder kommen und über den Preis reden."
"Kennen Sie zufällig auch seinen Namen?"
"Ach, Odo. Namen sind Schall und Rauch. Irgendwas mit "P", glaube ich."
"Marenda vielleicht? – Eine Person dieses Namens sitzt nämlich in der Arrestzelle und macht den
Eindruck, als hätte er viel zu erzählen."
Quark hatte Mühe seinen Unmut über diese Nachricht zu verbergen.
"Ja, genau. Das war der Name. Na, da bin ich aber froh, dass es mir noch eingefallen ist." Quark sah
alles andere als froh aus. "Aber wenn mich die Herren jetzt entschuldigen wollen." Quark drehte sich
um und entfernte sich. "Die Bar ist voll und die Gäste durstig,"
Odo schaute ihm nach. "Quark, ich nehme an, Sie wissen, dass Hehlerei eine Straftat ist."
Quark erschrak heftig und kam mit kurzen schnellen Schritten zurück. "Wollen Sie damit sagen, dass
man mir gestohlene Ware verkaufen wollte?" Quark musste sich an der Wand abstützen. "Großer
Nagus. Welch ein Glück, dass ich so umsichtig war, den Schurken hinzuhalten. Ich hoffe, Sie werden
mich lobend in Ihrem Bericht erwähnen, Odo? Ich meine für den Fall, dass es eine Belohnung gibt."
"Sie können gehen, Quark.", Odo schüttelte verständnislos den Kopf. "Aber wir sprechen uns noch."
4
Odo, Chief O'Brien und Sisko saßen in Odos Büro und betrachteten den gelben Würfel, der auf dem
Tisch lag.
Sisko drehte sich zu O'Brien. "Was können Sie mir darüber sagen, Chief?"
"Das, Sir, ist ein Speichermodul, das ein offensichtlich noch aktives Holoprogramm enthält."
Sisko runzelte die Stirn. "Was soll das heißen? Ist es ein Spielzeug?"
"Das bezweifele ich. Aber genaues weiß ich erst, wenn ich es mir angesehen habe. Ich bin nur in
einem ziemlich sicher: es stammt von der Enterprise."
"Wie kommen Sie darauf?"
"Das Programm wurde abgespeichert unter dem Namen ‚Picard Delta Eins'".
Sisko hob überrascht die Augenbrauen.
"Und Sie sagen, Sie hätten das Modul schon einmal gesehen?"
"Ja, es war in meinem letzten Jahr an Bord der Enterprise. Ein gewisser Lieutenant Barclay zeigte mir
so einen Würfel. Er faselte damals irgendetwas von den noch nicht erforschten Gefahren der
holographischen Technik. Naja, ich habe nicht weiter nachgefragt, weil Barclay -was Technik angingschnell nervös werden konnte. Zum Beispiel hatte er Angst vorm Beamen. Ziemlich seltsam für
einen..."
"Danke, Chief." Sisko hat nicht das Bedürfnis, die komplette Lebensgeschichte von diesem Barclay zu
hören. "Haben Sie noch Kontakt zu Lt. Barclay?"
"Nein. Aber wenn er noch in der Flotte ist, dürfte es kein Problem sein, ihn ausfindig zu machen."
Sisko überlegte kurz. "Ich möchte zunächst mit Captain Picard darüber sprechen. Da das Programm
seinen Namen trägt, dürfte er über den Inhalt informiert sein."
Mit einem Blick auf Odo, fuhr er fort: "Haben Sie schon die Liste aus Marenda's Quartier durchgehen
können?"
"Ja, Captain," bestätigte Odo. "Dieses spezielle Speichermodul stammt -wenn man Marenda's
Aufzeichnungen glauben darf- aus dem Archiv der Sternenflotte in San Franzisko." Odo verschränkte
die Hände hinter dem Rücken und ging ein paar Schritte durch den Raum. "Ich habe umgehend eine
offizielle Anfrage gestellt, aber bisher noch keine Bestätigung erhalten."
Sisko stand auf. "Ich danke Ihnen vorerst, meine Herren."
O'Brien räusperte sich. "Da ist noch etwas, Captain. Quark hat bei dem Versuch das Programm in
Holosuite 2 zu laden, einen Kaskadendefekt in der Bilderzeugung hervorgerufen. Ich kann nicht sagen,
wie lange das Programm noch aktiv bleibt."
"Hat die Matrix schon begonnen, sich aufzulösen?" Sisko schaute besorgt.
O'Brien drehte den Würfel langsam in seiner Hand und sagte: "Definitiv. Allerdings kann ich die
aktuellen Auswirkungen auf die Qualität des Programms nicht abschätzen."
Der Captain nickte stumm und sagte: "Vielleicht kann Dr. Bashir Sie dabei unterstützen, sie beide
scheinen mir in bezug auf Holodecks ein gutes Team zu sein."
Da O'Brien nun wirklich keine Ahnung hatte, was er darauf erwidern sollte, war die Unterhaltung
beendet.
5
Picard lächelte. Er freute sich, dass er endlich mal wieder die Gelegenheit hatte, mit Commander,
pardon, Captain Benjamin Sisko zu sprechen. Picard hatte ihm vor sieben Jahren die Befehlsgewalt
über Deep Space Nine übertragen, obwohl er wusste, dass Sisko persönliche Probleme hatte. Sisko
hatte 3 Jahre davor seine Frau bei Wolf 359 im Kampf gegen die Borg verloren und seitdem seinen
Sohn alleine aufziehen müssen. Dass Picard in eben diesem Kampf unter der Kontrolle der Borg stand
und als Locutus ohne eigenen Willen den Angriff auf die Förderation anführte, verschärfte die
Situation zwischen Picard und Sisko.
Aber durch den Kontakt zu diesen ominösen Wesen, die im Wurmloch von Bajor lebten, fand
Commander Sisko irgendwie seinen Frieden. Er übernahm kurz darauf das Kommando über die
Station und machte sie zu dem, was sie heute ist: der wichtigste Außenposten der Förderation.
"Ich bin angenehm überrascht, Captain Sisko.", eröffnete Picard das Gespräch, nachdem Lt. Lavelle
die codierte Subraum-Nachricht in seinen Bereitschaftsraum gestellt hatte und Sisko auf dem
Bildschirm erschienen war. "Ich hoffe, auf Deep Space Nine ist alles in Ordnung?"
Sisko zeigte sein breitestes Lächeln. "Ich grüße Sie, Captain Picard." Trotz der möglicherweise
delikaten Angelegenheit war auch er sehr erfreut darüber gewesen, einen Anlass zu haben, mit Picard
Kontakt aufzunehmen. Picard war für ihn mehr als für die meisten anderen in der Flotte. Natürlich,
auch Sisko war beeindruckt von den Leistungen dieses Mannes und seines Schiffes. Aber das war es
nicht alleine. Er sah ihn mehr als eine Art Mentor, weil Picard an einem Scheitelpunkt von Sisko's
Leben an ihn geglaubt und ihm das Kommando für die Station übertragen hatte. Darum befiel ihn
immer noch ein seltsames Gefühl, wenn er daran dachte, das sie beide den gleichen Rang bekleideten.
Sisko lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Das Dominion verhält sich zur Zeit ruhig und
dementsprechend haben wir auch mit den Cardassianern keine Probleme."
"Was kann ich dann für Sie tun, Captain Sisko?"
Sisko machte eine kurze Pause, um die richtigen Worte zu finden. Er war sich darüber im Klaren, dass
das Holoprogramm theoretisch auch eine sehr persönliche Simulation enthalten könnte.
Sisko holte tief Luft. "Vor ein paar Stunden kamen wir in den Besitz eines Moduls, auf dem eine
aktive Holo-Simulation gespeichert ist. Wir wissen zwar nichts über die Art der Simulation, aber das
Modul scheint von der Enterprise zu sein."
Kleine Falten zeigten sich auf Picards Stirn. Ein deutliches Zeichen dafür, dass er mehr Informationen
haben wollte. Schließlich waren einige hundert Personen an Bord der Enterprise, von denen jeder ein
Holoprogramm erzeugen konnte und auch jeder in der Lage war, dieses weiterzugeben. Daran war
zunächst nichts ungewöhnlich. Außerdem hatte Picard nun das deutliche Gefühl, dass die wirkliche
Überaschung noch ausstand, so dass er ein entspanntes Gesicht aufsetzte, Sisko direkt in die Augen
sah und fragte:
"Captain Sisko, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir geradeheraus sagen, warum Sie der
Meinung sind, dass nur der Captain dieses Raumschiffs diese Information erhalten sollte."
Sisko beschloss, die Fakten ohne Umweg offen zu legen. "Das Holoprogramm wurde erstellt unter
dem Namen 'Picard Delta Eins' und wurde, unseren Informationen Zufolge, vor ungefähr 6 Monaten
aus dem Archiv der Sternenflotte in San Franzisko entwendet."
Picard brauchte einen Moment, um die Mitteilung zu verarbeiten. Programm 'Picard Delta Eins'...
aktives Holoprogramm... Archiv der Sternenflotte.
Kein Zweifel, das war das Data's Sherlock Holmes-Programm mit der intelligenten Holofigur des
Professor James Moriarty.
Sisko beobachtete Picard, wie er in seinem Stuhl hin und her rutschte, um sich sofort wieder zu
fangen. Picard zog das Oberteil seiner Unifom glatt.
Picard hatte Moriarty längst vergessen und die Erinnerungen kamen nur langsam wieder. Nun war er
es, der nach den richtigen Worten suchte. Langsam begann Picard zu sprechen: "Es ist fast 9 Jahre her,
da wurde auf dem Holodeck eine Figur aus den alten Sherlock Holmes-Geschichten generiert. Diese
Holofigur war Professor James Moriarty, nach den Erzählungen von Sir Conan Doyle Holmes'
gefährlichster Gegner." Picard machte eine kurze Pause, um seine Gedanken zu ordnen. "Das
Ungewöhnliche war, dass Moriarty sich seiner Existenz als Holofigur bewusst war. Er war extrem
intelligent und darauf versessen das Holodeck zu verlassen, um ein richtiges Leben zu beginnen.
Dabei übernahm er mit Hilfe des Computers sogar zeitweise die Kontrolle über die Enterprise."
Sisko hob erstaunt eine Augenbraue, sagte aber nichts.
Picard berichtete weiter: "Nachdem wir Moriarty davon überzeugen konnten, dass das Verlassen des
Holodeck für eine Holofigur nicht möglich sei, willigte er ein wieder 'abgeschaltet' zu werden. Ich
versprach ihm im Gegenzug, ihn wieder zum Leben zu erwecken, also sein Programm wieder zu
laden, sobald die Wissenschaft in der Lage ist, ihn aus dem Holodeck zu befreien. Nach 4 Jahren
wurde Moriarty bei einer Reparatur des Holodecks versehentlich reaktiviert und übernahm, enttäuscht
über die stagnierenden Ergebnisse bei der Holodeckerfoschung, mit einigen geschickten Schachzügen
wieder die Kontrolle über das Schiff. Zu allem Überfluss generierte er einen weiteren Holo-Charakter:
die Countess Regina Bartholomew, wie er sagte, die Liebe seines Lebens. Nun, hier wird die
Geschichte etwas kompliziert. Jedenfalls konnten wir ihn letztendlich mit seinen eigenen Waffen
schlagen und ihn und die Countess in ein laufendes Holoprogramm locken, das ihnen die Realität
außerhalb des Holodecks zeigte und beide interaktiv mit einbezog."
Sisko konnte es kaum glauben. Die Crew der Enterprise hatte offensichtlich sehr viel mehr erlebt, als
bisher bekannt war. "Und das Programm speicherten Sie auf dem Modul.", hakte Sisko nach.
Picard nickte. "Das ist richtig. Allerdings stürzte die Untertassensektion der Enterprise ein paar Jahre
später auf Veridian III ab. Alle Teile der Enterprise, die man finden konnte, wurden natürlich
geborgen." Picard schürzte die Lippen. "Ich nehme an, man hat das Speichermodul gefunden und so
wie es war ins Sternenflottenarchiv gebracht."
Sisko schüttelte fasziniert den Kopf. "Eine erstaunliche Geschichte." Dann wurde sein Gesicht wieder
ernster. "Es stellt sich die Frage, was wir nun mit ihm machen sollen."
"Wir können leider nichts anderes machen, als den derzeitigen Status zu halten." Picard's Miene zeigte
leichte Verärgerung. "Das Hauptquartier der Sternenflotte hat in den letzten 9 Jahren
bedauerlicherweise noch immer zu keiner Entscheidung finden können, ob Moriarty als Lebensform
zu definieren ist oder nicht."
Sisko nickte verständnisvoll. "Das kann ich gut verstehen. Immerhin ist das eine Entscheidung mit
weitreichenden Folgen. Aber sehr viel Zeit haben wir leider nicht mehr."
Picard beugte sich unmerklich vor. "Warum?"
"Die Holomatrix ist beschädigt und beginnt sich aufzulösen. Irgend etwas wird also Einfluss auf
Moriarty's Existenz nehmen. Entweder wir tun etwas zur Erhaltung des Programms - oder es gibt bald
kein Programm mehr dieses Namens. Ich glaube, wir haben keine Wahl."
Picard musste dem zustimmen. Nachdem er kurz überlegt hatte sagte er: "Captain Sisko, Ihr
Einverständnis vorausgesetzt, werde ich einen erfahrenen Ingenieur meiner Crew nach Deep Space
Nine schicken, der mit der Problematik 'Moriarty' bereits vor 5 Jahren befasst war. Vielleicht gelingt
es Ihnen mit seiner Hilfe, die Holomatrix zu retten. Er könnte in ungefähr 6 Stunden bei Ihnen sein."
"Einverstanden, Captain. Wen dürfen wir erwarten?"
"Lieutenant Reginald Barclay."
Sisko grinste. "Das wird den Chief freuen."
Picards Miene hellte sich auf. "Chief O'Brien? Ja, natürlich." Picard nickte zufrieden. O'Brien war auf
der Enterprise der Transporter-Chief gewesen. Er war bekannt für seinen subtilen Humor an der
Transporterkonsole. "Ich selbst durfte ihn einige Jahre zu meiner Crew zählen. Hervorragender
Techniker. Übrigens wurde seine Tochter, ich glaube, ihr Name war Molly, an Bord der Enterprise
geboren. Und zwar mit Hilfe eines klingonischen Geburtshelfers. Aber ich nehme an, man hat Ihnen
die Geschichte bereits erzählt?" Picard's Gesicht war die pure Unschuld. Vermutlich hatte man nichts
dergleichen getan.
Bei Sisko klappte der Mund auf. Er kannte nur einen Klingonen, der an Bord der Enterprise gedient
hatte: seinen derzeitigen Offizier für Strategische Operationen, Lt.Commander Worf. Aber Worf, der
Krieger und ewig mürrische Klingone, als Geburtshelfer? Was kam als nächstes - ein Borg als
Counselor?
Langsam zeigte sich ein breites Grinsen im Gesicht von Sisko. "Ich glaube, Worf wird sich eine gute
Ausrede einfallen lassen müssen, warum er mir dieses Ereignis vorenthalten hat."
Jetzt lächelte auch Picard. "Aber von mir wissen Sie's nicht. Ich möchte nicht den Zorn eines
Klingonen auf mich ziehen."
Und beide lachten.
6
Im Gesellschaftsraum der Enterprise machte sich das Ende der 'Tag'-Schicht bemerkbar. Langsam
füllte sich die Freizeiteinrichtung, die auf der Enterprise nur als 'Zehn-Vorne' bekannt war, weil sie auf
Deck 10 im vordersten Teil des Schiffes untergebracht war. Die fantastische Aussicht präsentierte
schon länger keine in Lichtgeschwindigkeit vorbeiziehenden Sterne mehr, die sich für den Betrachter
als grellweiße, vorbeischießende Linien präsentierten. Seit mehr als vier Monaten patroullierte die
Enterprise mit Impulsgeschwindigkeit an der Cardassianischen Grenze. Der Grund dafür war natürlich
der schwelende Konflikt mit dem Dominion, der herrschenden Macht aus dem Gammaquadranten.
Das vor ein paar Jahren entdeckte bajoranische Wurmloch verkürzte die Reise dorthin um 'zigtausend
Lichtjahre auf wenige Minuten.
Die Euphorie über diese Entdeckung dauerte so lange, bis man der ersten feindlich gesinnten Spezies
im Gammaquadranten begegnete. Von da an musste man sich bewusst machen, dass die Tür nun in
beide Richtungen offen war.
Der erste Kontakt mit den 'Gründern', einer Rasse von Formwandlern, die gleichzeitig die Führer des
Dominion waren, machte darüber hinaus deutlich, dass wenn dieses Volk einen Krieg gegen die
Förderation begann, man ohne effektive Verteidigung dastand.
Nach Versuchen der Förderation, ein Friedensabkommen zu etablieren, unterbreiteten die Gründer den
Völkern des Alphaquadranten den Vorschlag, dem Dominion beizutreten.
Nur ein Volk folgte dem Vorschlag. Das Cardassianische Reich. Durch die Allianz mit den
Cardassianern hatte das Dominion jetzt bereits einen Fuß in der Tür des Hauses Alphaquadrant.
Die gegenwärtige politische Lage analysierend saß Commander Data an einem der Tische. Da sein
positronisches Gehirn mit dieser Aufgabe keineswegs auch nur annähernd ausgelastet war,
registrierten seine Rezeptoren nebenbei alle Aktivitäten im Gesellschaftsraum. So entging es ihm auch
nicht, dass Lt. Commander Barclay den Raum betrat und einige unsichere Schritte in seine Richtung
machte, bevor er ohne erkennbaren Grund die Richtung wechselte und sich an die Bar setzte.
Obwohl Data, der Androide, noch diverse Probleme mit dem Verständnis menschlichen Verhaltens
hatte, so waren seine positronischen Schaltkreise doch fast stolz auf die Tatsache, dass er die
Körpersprache häufig relativ präzise deuten konnte. Zumindest von einigen Crewmitgliedern - und Lt.
Commander Barclay gehörte definitiv dazu.
Data erhob sich und ging zur Theke. Dort angekommen bestellte er ein Synthehol. Im aktuellen
Studienfall für menschliches Verhalten -Barclay- wusste Data, dass es angeraten war, Barclay nicht
direkt auf sein Anliegen anzusprechen, deshalb wählte er die naheliegende Alternative: "Möchten Sie
mir an meinem Tisch Gesellschaft leisten, Mr. Barclay?"
Erschrocken sah Barclay ihn an und fing an zu stottern: "Commander Data, äh, ich bin mir nicht... ich
glaube..., ja gerne, wenn es Ihnen nichts ausmacht."
Die beiden gold-schwarz-uniformierten Offiziere setzten sich hin. Data hatte nach wie vor Probleme
nachzuvollziehen, wie es Menschen schafften, nicht permanent von ihren Emotionen übermannt zu
werden. Er hatte selbst einmal einen Versuch mit einem 'Gefühls-Chip' durchgeführt, war aber von
wenigen Ausnahmen abgesehen, in emotionaler Hinsicht dienstuntauglich gewesen. Obwohl er die
Wellen der Emotionen genossen hatte, war er nicht auf Dauer bereit, die negativen Auswirkungen auf
seine Arbeit zu tolerieren.
Während Barclay zappelte und fortwährend an seinem Kragen zupfte, beglückwünschte sich Data zu
seiner effektiven Strategie und begann das Gespräch: "Wie geht es Ihnen denn so, Mr. Barclay?"
Data hatte eine Datenbank mit zwischenmenschlichen Eröffnungssequenzen herangezogen und eine
der Situation entsprechende Standardformulierung gewählt, die er um einen lockeren Zusatz
erweiterte, um Vertrauen in seine soziale Kompetenz schaffen. Als Barclay ihn daraufhin fragend
anschaute, hielt der Android die 'Aufwärmphase' des Gesprächs für beendet.
"Welche Problematik wünschen Sie mit mir zu besprechen, Mr. Barclay?"
Barclay, der gerade einen Schluck Synthehol genommen hatte, verschluckte sich und fing an zu
husten. Data entschied, dass er seine Strategie für das nächste Mal modifizieren musste. Er versuchte
es erneut.
"Mr. Barclay, wenn ich zu direkt war, dann tut es mir leid. Es war nicht meine Absicht, vorschnell
unsere Konversation auf Ihre wahrscheinlich missliche Lage zu lenken."
Barclay wurde rot und versuchte, ein gelassenes Gesicht zu machen.
"Missliche Lage?...äh...ich meine, wie kommen Sie darauf?..."
Barclay schaute abwechselnd Data und sein Glas an.
Data 'emfand' es immer wieder als angenehm, wenn ihm die Möglichkeit gegeben wurde, den
deduktiven Weg zu erläutern, der ihn zu einer Schlussfolgerung geführt hatte. Dieser Aufforderung,
soeben durch Barclay erfolgt, kam er gerne nach: "Nun, Ihr Erscheinen im Gesellschaftsraum vor
2,425 Minuten erweckte den Eindruck, Sie wollten sich einer Person Ihres Vertrauens mitteilen. Da
Sie kurzfristig entschieden, Ihr Vorhaben zu ändern, kam ich zu dem Schluss, dass Ihr Problem
persönlicher Natur sein muss. Zudem: Wäre es ein dienstliches Problem, hätten Sie
höchstwahrscheinlich den Dienstweg eingehalten und Commander LaForge informiert. Weiterhin
deduziere ich aufgrund Ihrer hektischen Bewegungen und der schnell aufeinander folgenden Blicke in
unterschiedliche Richtungen, dass Sie Schaden für Ihre eigene Person befürchten, der von einer dritten
Person auf Sie einwirken könnte. Um es kurz auszudrücken: Sie machen auf mich den Eindruck, als
litten Sie unter Verfolgungswahn."
Barclay schnappte nach Luft und fing an, mit dem Zeigefinger auf eine Stelle hinter seinem
Ohrläppchen zu tippen. Deanna Troi, der weibliche Schiffscounselor, hatte ihm vor ein paar Jahren
diese Entspannungstechnik beigebracht, um ihm die Angst vorm beamen zu nehmen. Die Technik
hatte sich als durchaus erfolgreich erwiesen. Zumindest fast.
Und nun saß er hier im Gesellschaftsraum und überlegte, wie er dem Androiden erklären sollte, dass
womöglich schon die ganze Besatzung von Formwandlern ersetzt sein konnte. Außer ihm selbst. Naja,
und Data benahm sich eigentlich auch ziemlich normal, sofern man das von einem Androiden, der
versuchte, menschlich zu sein, behaupten konnte. Und selbst wenn die Crew der Enterprise 'normal'
war, denn könnte Admiral Ross von einem Formwandler ersetzt worden sein. Immerhin hatte der sie
auf diese Mission geschickt. Seitdem er zu der Erkenntnis gelangte, buchstäblich jeder könne ein
Formwandler sein, machte er praktisch kein Auge mehr zu.
Barclay suchte nach einer eleganten Möglichkeit das Gespräch zu beenden. "Vielen Dank,
Commander Data, dass Sie sich....äh... Zeit für mich genommen habe."
Data war verwirrt. "Mr. Barclay, ich habe nicht den Eindruck, dass wir Ihr Problem erschöpfend
behandelt haben. Vielleicht möchten Sie einmal mit Counselor Troi reden ?"
Das hatte Barclay gerade noch gefehlt. Counselor Troi, die mit Ihrer Tiefenspychologie und ihren
halbtelepathischen Fähigkeiten sein Innerstes nach außen kehrte. Barclay versuchte ein Lächeln
aufzusetzen und entfernte sich rückwärtsgehend vom Tisch. "Das ist eine sehr gute Idee, Commander.
Gleich morgen...äh... werde ich einen Termin mit der Counselor vereinbaren. Vielen Dank.", sprach er
und damit verließ er schnellen Schrittes Zehn-Vorne.
Data runzelte die Stirn, wie er es oft bei Captain Picard gesehen hatte, und spielte das Gespräch über
seine akustischen Rezeptoren noch einmal ab. Da er in der Konversation keinen Fehler seinerseits
entdecken konnte, stellte er das Thema zurück und beschloss, später mit Counselor Troi den
Gesprächsverlauf zu diskutieren.
Barclay holt tief Luft und machte sich auf den Weg in sein Quartier. Ein Gespräch mit Data war jedes
Mal äußerst anstrengend. Obwohl ihm der Androide durchaus sympatisch war, konnte er es nicht
ertragen, so direkt auf etwaige Unzulänglichkeiten angesprochen zu werden.
Während Barclay durch die Gänge der Enterprise ging, war er in Gedanken noch so in dem Gespräch
mit Data gefangen, dass er das Kommunikatorsignal erst beim zweiten Mal registrierte: "LaForge an
Barclay!"
"Äh, Barclay hier."
LaForge wirkte beunruhigt. "Alles in Ordnung, Reg?" Aus Erfahrung wusste Geordi LaForge, der
Chefingenieur der Enterprise, dass Lieutenant Reginald Barclay sich häufig in die unmöglichsten
Situationen brachte.
Barclay verdrehte die Augen. Wieso passierte so etwas immer nur ihm? Er versuchte seiner Stimme
einen festen Klang zu geben. "Alles in Ordnung, Sir. Soll ich in den Maschinenraum kommen?"
"Nicht nötig, Reg. Der Captain hat in 30 Minuten ein Treffen der Führungsoffiziere in der
Offizierslounge angeordnet. Sie sollen auch daran teilnehmen."
Barclay schluckte. "Äh, gibt es einen Notfall, Sir?" Was er eigentlich wissen wollte war, ob er schon
wieder negativ aufgefallen war. Konnte Data die wenigen Minuten seit dem Gespräch genutzt haben,
um mit dem Captain über ihn zu sprechen?
LaForge seufzte. Zweifellos war Reginald Barclay einer seiner fähigsten Techniker und darüber hinaus
ein netter Kerl. Aber er war ein Nervenbündel, und bei der Zuteilung des Selbstvertrauens hatte er
eindeutig gefehlt.
"Keine Panik, Reg. Ich nehme an, der Captain wird es uns gleich sagen. Also, ich seh' Sie gleich."
7
Dr. Bashir betrat Holodeck 3 und holte tief Luft. Nach einem kurzen Zögern gab er sich innerlich
einen Ruck und sagte laut: "Computer, bitte Programm 'Vic Fontaine' starten."
Ungefähr eine Sekunde brauchte der Computer, um die Holomatrix mit den vorgegebenen Parametern
der angeforderten Datei zu speisen. Sofort verschwand das Gittermuster und wurde ersetzt durch den
etwas verrauchten Varieté-Raum von Vic's Bar. Vic stand im Smoking auf der Bühne und sang eine
Jazz-Version von
'I`ll be seeing you' und zeigte mit dem Finger kurz auf Bashir als er ihn sah.
Vic Fontaine war ein Holocharakter, der von Bashir als Sänger in einer Bar von Las Vegas im Jahre
1962 definiert wurde. Obwohl Vic Fontaine nicht real war hatte er aufgrund von Dr. Bashir's
Experimentierfreudigkeit das Wissen um seine eigene Existenz als Holocharakter erhalten und fühlte
sich wohl dabei. Darüber hinaus brachte Vic ein ganz erstaunliches Einfühlungsvermögen auf, sobald
er auf Menschen mit persönlichen Problemen stieß. Wenn man die Holosuite verließ, fühlte man sich
meistens besser als vorher.
Bashir überlegte noch, wie er Vic sein Anliegen erklären sollte. In den letzten Stunden ging Bashir das
Problem mit Moriarty nicht aus dem Kopf. Ihn beunruhigte die Vorstellung, dass ein möglicherweise
intelligentes Leben von der Fähigkeit abhing, ein defektes Speichermodul zu reparieren. Sollte irgend
etwas bei der Reparatur schief gehen, hatte man keinen Plan-B. Und so kam Bashir zu dem Schluss,
dass, wenn technische Mittel versagten, vielleicht die menschlichen Qualitäten weiterhelfen konnten.
Eventuell war Vic in der Lage, Moriarty Einblick in die Vorteile einer holographischen Existenz zu
geben. Einen Versuch war es auf jeden Fall wert.
Vic beendete gerade sein Lied, wie übrigens immer, wenn das Programm startete, und kam lächelnd
auf Bashir zu.
"Julian, wie nett Sie hier zu sehen. Wir haben ein fantastisches Programm heute abend. Darf ich Ihnen
einen Drink bringen lassen?"
Bashir entspannte sich. Vic wusste genau, wie man das Eis brach. "Gerne, Vic. Vielleicht einen
Wodka-Martini. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich zu mir setzen würden. "
"Hey, Sie sind der Boss, Doctor. Ich habe gerade für eine halbe Stunde Pause." Vic lachte und gab
dem Kellner ein Zeichen. Dann legte er Bashir eine Hand auf die Schulter, führte ihn an einen Tisch
im hinteren Drittel des Raumes und begann eine zwanglose Unterhaltung über den Sinn des Lebens...
8
Nach einem unerwartet ruhigen Flug mit dem Shuttle 'Galileo' verspürte Barclay große Erleichterung,
als er endlich in Sichtweite der Raumstation Deep Space Nine kam. Als der Captain ihm und den
Führungsoffizieren der Enterprise das erneute Auftauchen von Moriarty bekannt gab, hatte er sich
bemüht keine Regung zu zeigen. Immerhin war es das, was seiner Meinung nach einen guten Offizier
ausmachte.
Im Anschluss an das Treffen informierte ihn der Captain über die Details seines Auftrages.
Hauptaufgabe sei es, so der Captain, die Holomatrix zu reparieren, möglichst ohne auf die Simulation
Einfluss zu nehmen. Wenn das nicht möglich war, sollte eine Lösung gefunden werden, die dem am
nächsten kommt. Es musste aber unter allen Umständen verhindert werden, dass etwas ähnliches wie
vor 5 Jahren auf der Enterprise geschah.
Nach dem Barclay einige grundsätzliche Fragen gestellt hatte, machte er einen Vorschlag, den er
'Alternativ-Pan' nannte. Trotz Picards meistens sehr eingeschränkten mimischen Potentials, merkte
Barclay, dass der Captain überrascht war, eine so innovative Idee von ihm zu hören.
Picard hielt sich nicht lange mit seiner Überraschung auf und wandelte den Vorschlag sofort in eine
Aktion um: "Machen Sie's so". Damit war das Briefing beendet.
Das war nun ein paar Stunden her und seitdem betete Barclay, dass er nicht auf ein Überfallkommando
der Jem'Hadar, der Kämpferrasse des Dominion, stieß. Er überdachte noch einmal kurz die vor ihm
liegende Aufgabe. Eigentlich sollte es keine Probleme geben. Was ihn viel mehr irritierte war, dass der
Sicherheitschef von Deep Space Nine ein Formwandler war. Nicht sehr beruhigend.
9
O'Brien stand vor Shuttlehangar 3 und wartete auf Lieutenant Barclay. Vor ungefähr 15 Minuten
informierte ihn Captain Sisko, dass Barclay's Shuttle sich im Anflug auf Deep Space Nine befand.
Nun ja, irgendwo freute er sich auch auf die Zusammenarbeit mit Barclay und wer weiß, vielleicht
hatte er sich geändert und war mittlerweile etwas ausgeglichener geworden. Als die Tür des Hangars
auseinander glitt wusste er sofort, dass Barclay ganz der Alte war. Keine Frage. Die fahrigen
Bewegungen, die Augen ständig bemüht alles gleichzeitig zu erfassen und natürlich diese unbeholfene
Art zu gehen. O'Brien musste lächeln bei der Erkenntnis, dass manche Dinge sich nie änderten.
"Lieutenant Barclay, herzlich Willkommen auf Deep Space Nine. Ich freue mich, wieder einmal mit
Ihnen zusammen arbeiten zu können."
Barclay lächelte etwas unsicher aber erleichtert zurück. Immerhin hatte er befürchtet, von Odo, dem
Formwandler, abgeholt zu werden. Da war der Anblick O'Brien's schon eine Erleichterung, obwohl er
dem ehemaligen Transporterchief nie seine völlig unpassenden Witze vor dem Beam-Vorgang
verzeihen konnte.
"Chief O'Brien, ich freue mich auch.", sagte Barclay und schüttelte ungelenk O'Brien's Hand. "Obwohl
die Umstände schon etwas ungewöhnlich sind."
O'Brien zuckte mit den Schultern und deute den Gang entlang. "Kommen Sie, Sir, ich zeige Ihnen Ihr
Quartier."
Während Sie durch die Gänge der Station gingen, betrachtete Barclay kritisch die Bauweise und nicht
zuletzt die Beleuchtung, die so ganz anders war, als er es von der Enterprise gewohnt war. Auf der
Enterprise waren alle Gänge und Räume hell und freundlich gestaltet. Auf Deep Space Nine dagegen
wurden die Gänge gerade mit soviel Licht versorgt, dass man nicht versehentlich gegen ein Schott lief.
Richtig unheimlich, dachte Barclay und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob er nicht hätte versuchen
sollen, den Auftrag abzulehnen.
O'Brien, dem Barclay's Blicke nicht entgangen waren, suchte nach einer Möglichkeit das Gespräch zu
eröffnen. Er wusste, dass Barclay eine wertvolle Unterstützung bei ihrem Problem mit Moriarty sein
konnte, wenn sie nur in der Lage waren, Barclay ein wenig aufzulockern.
"Wenn Sie irgendwelche Fragen zur Station haben, Sir, kann ich Ihnen gerne etwas darüber erzählen.",
meinte O'Brien und schaute Barclay dabei an.
Diesem lag offensichtlich eine Frage auf der Zunge, aber wie üblich suchte er zunächst minutenlang
nach Worten. Wenn man ihn nicht ein wenig unterstützte.
"Na kommen Sie, Sir. Sagen Sie mir, was Sie stört. Wir haben doch schon eine ganze Menge
zusammen durchgemacht.", O'Brien schlug einen jovialen Ton an.
Barclay blieb stehen und schaute zu O'Brien, dann zu Boden und dann wieder O'Brien an. "Äh..
Chief.. wie soll ich sagen...ich habe gehört, dass ein Formwandler hier auf der Station lebt und mich
gefragt, wie es möglich ist... immerhin bekleidet er den Posten des Sicherheitschef... Sie verstehen.."
"Ach so," O'Brien verstand. "Sie machen sich Sorgen wegen Odo. Völlig unnötig. Odo hat schon
mehrfach unter Beweis gestellt, auf welcher Seite er steht." O'Brien winkte ab. "Außerdem ist er ein
netter Kerl." O'Brien überlegte und lachte kurz. "Nun ja, auf seine Art. Sie werden feststellen, dass
hier alles ein wenig...mmmh..anders, ja genau, anders ist. Zum Beispiel haben wir einen Ferengi als
Barkeeper oder auch einen Cardassianer, der behauptet Schneider zu sein, was ihm allerdings niemand
glaubt."
Barclay schluckte. Nun war er sich sicher, dass er den Auftrag besser abgelehnt hätte.
Miles beschloss, das Thema zu wechseln. "Sir, ich nehme an, Sie möchten sich erst einmal ausruhen.
Die Reise war bestimmt anstrengend." Es konnte kein Fehler sein, Barclay etwas Ruhe zu gönnen.
Barclay schüttelte so heftig den Kopf, dass O'Brien einen Moment befürchtete, er würde sich vom
Rumpf lösen und durch den Gang rollen. Weit gefehlt. Barclay war sogar noch in der Lage zu
sprechen.
"Nicht nötig, Chief. Ich würde am liebsten sofort mit der Arbeit beginnen.", sagte Barclay fest,
während er sich selbst nickenderweise zustimmte.
"Ich hatte gehofft, dass Sie das sagen, Sir.", sagte O'Brien, lachte und schlug Barclay auf die Schulter,
worauf dieser kurz nach vorn taumelte.
Damit ging Miles los und vertraute darauf, dass Barclay ihm folgte.
10
Nachdem sie Barclay's Sachen in sein Quartier gebracht hatten, trafen sie sich mit Dr. Bashir im
Quark's. In der ungezwungenen Atmosphäre der Bar fasste O'Brien die Lage noch einmal zusammen
und informierte Barclay, was bereits unternommen wurde. Das Hauptproblem war der Zeitfaktor. Die
Matrix drohte sich innerhalb von Stunden zu zersetzen. Dies konnte O'Brien nur verlangsamen, indem
er die Matrix von außen durch ein virtuelles Hologitter stützte. Eigentlich war es nur eine kreative Art,
Energie zur Verfügung zu stellen, ohne dass die Matrix zusammenbrach. Zur Zeit arbeitete die Matrix
mit einer Leistung von ca. 98,4%. Das führte natürlich zu Fehlern in der Bilderzeugung sowie in den
interaktiven Funktionen. Inwiefern diese Fehler für eine Person in der Matrix erkennbar waren, konnte
unmöglich gesagt werden. Und eine Person in der Matrix war Dr. Moriarty. Er wusste wie eine
Holomatrix in Natura aussah.
In dem Moment wo er nur die Ecke eines Hologitters sah, würde er wissen, dass er sich damals auf der
Enterprise nicht befreien konnte. Seine Reaktion daraufhin könnte durchaus die Erkenntnis über die
Sinnlosigkeit seiner Existenz sein und zu einem Selbstmord führen. Dieser wiederum hätte die
unwiderrufliche Auslöschung seiner Persönlichkeit zur Folge. Darüber hinaus gab es ja auch noch die
Countess Bartholomew.
Barclay stellte einige Fragen zur Zuverlässigkeit der hiesigen Holosuiten und machte den Vorschlag,
die Matrix fließenderweise in eine Holosuite zu übertragen.
Dr. Bashir runzelte -nicht zum ersten Mal- die Stirn und fragte nach: "Fließenderweise?"
"Genau", O'Brien's Augen leuchteten. "Wir passen ein Holosuiteprogramm an die Parameter des
Speichermoduls an und übertragen die interaktiven Elemente der Matrix, also Moriarty und die
Countess, in die Holosuite."
Barclay stimmte zu: "Die Holosuite muss natürlich permanent aktiv bleiben, bis wir eine Alternative
haben." Zunächst sagte er noch nichts von der Überraschung, die er, mit Hilfe der Computerspeicher
des Shuttles, mit auf die Station gebracht und vor diesem Treffen noch in die Stationscomputer
übertragen hatte. Es war ja nur für den Notfall.
"Jetzt haben wir nur noch ein Problem.", sagte O'Brien niedergeschlagen. "Wer bringt es Quark bei?"
11
Nachdem sich Quark unter sanftem Druck, der Verdacht wegen Hehlerei war noch nicht vom Tisch,
von Odo und Captain Sisko hatte überzeugen lassen, eine seiner Holosuiten für ein paar Tage zur
Verfügung zu stellen, begannen O'Brien und Barclay mit der Erstellung einer zweiten Matrix in
Holosuite 3. Natürlich wurde zunächst sichergestellt, dass, abgesehen vom Holo-System, alle
Stationssysteme inklusive des Kom-Systems, von den Holosuiten abgekoppelt wurden. Sicher ist
sicher.
In Anbetracht der Tatsache, dass Dr. Bashir's Kenntnisse auf diesem Spezialgebiet eher als spärlich zu
bezeichnen waren, entschied er sich, in sein Büro auf die Krankenstation zurückzukehren. Vic war
bereits eingeweiht und war sehr gespannt auf die mögliche Begegnung mit einem anderen
Holocharakter, der sich seiner Existenz bewusst war. Er konnte sich gar vorstellen, dass das Las Vegas
der 60'er Jahre durchaus Potential böte für den größten Kriminellen des 19. Jahrhunderts. Bashir
wusste mittlerweile den Humor von Vic zu deuten, so dass er darauf verzichtete, ihm noch einmal den
Ernst der Lage zu verdeutlichen.
Kurz vor Barclay's Ankunft, hatte O'Brien ihn in die Problematik eingeweiht, die die Existenz von
intelligenten Holocharakteren mit sich bringt. Per Definition benötigt eine Lebensform einen freien
Willen, Intelligenz und sie muss sich ihrer Existenz bewusst sein. Dies traf auf Moriarty wohl
eindeutig zu. Aber wenn Moriarty eine Lebensform war, dann war es Vic Fontaine auch. Das würde
auch bedeuten, da man ihn nicht einfach ein- und ausschalten konnte wie es einem gerade in den Sinn
kam. Eine Lebensform hatte Rechte.
Er konnte gut nachvollziehen, dass sich die entsprechenden Stellen der Föderation schwer taten, eine
Entscheidung zu treffen.
12
Nachdem das Überspielen der Parameter beendet war, machten sich O'Brien und Barclay daran, die
Holosuite mit Leben zu füllen, d.h. eine Umgebung zu schaffen, die im Idealfall identisch war mit der,
die das Speichermodul gerade abspielte.
Dr. Bashir kam gerade rechtzeitig, um das Ergebnis ihrer Bemühungen zu begutachten.
Zur Zeit zeigte die Holosuite den Wohnraum eines Hauses. Wie es aussah, hatte sich Moriarty mit
seiner großen Liebe, der Countess, in ein kleines Haus, das offensichtlich irgendwo auf dem Lande
stand, zurückgezogen. Die Welt des 24. Jahrhunderts hatte wohl seinen Reiz für die beiden verloren.
Obwohl die Möbel dem 24. Jahrhundert entsprachen, erinnerte die Anordnung und die
Raumaufteilung eher an eine Wohnung längst vergangener Zeiten. Der Platz zwischen Sessel, Tisch,
Sofa und Kamin war nicht eben großzügig bemessen. Die Wände wurden von zusätzlichen kleinen
Beleuchtungskörpern geziert, die ihren Sinn vielleicht einmal vor hundert Jahren gehabt hatten. Seit
mindestens so langer Zeit hatten sich indirekte und vor allen Dingen für den Bewohner nicht zu
erkennende Lichtquellen durchgesetzt.
In den Regalen mussten an die 150 Bücher stehen, was mehr als ungewöhnlich war. Es gab zwar
Bücher, man konnte sie zumindest replizieren, aber sie wurden eher als symbolische Geschenke
benutzt, als dass man sie tatsächlich las und womöglich sammelte. Dafür gab es elektronische Padds,
die einige Millionen Buchseiten speichern konnten. Es gab heutzutage effektiv keinen Grund mehr,
diese streng genommen platzverschwendenden Relikte in Massen zu horten. Gab es eigentlich nie.
Wenn man es gelesen hatte, hatte man es gelesen. Das war's.
Bashir's Blick fiel auf O'Brien, der in einem Sessel saß. Er hatte die Arme verschränkt und fragte in
einem ironischen Tonfall: "Wenn der Doktor so gnädig wäre, uns sein Urteil zu verkünden?"
Bashir kannte O'Brien lange genug um zu erkennen, dass jetzt ein Lob angebracht war. Übertreiben
wollte er es aber nicht. Immerhin musste sich noch zeigen, ob die Umgebung geeignet war, Moriarty
zu täuschen.
"Nicht schlecht, meine Herren." Bashir nickte mit dem Kopf.
Barclay lächelte verlegen während O'Brien andeutungsweise den Kopf schüttelete.
"Nicht schlecht?", fragte er nach und baute sich vor Bashir auf, der ärgerlicherweise ein paar
Zentimeter größer als er war. "Sie sehen hier ein identisches Replikat der Simulationsumgebung, wie
sie vor ungefähr vier Stunden ausgesehen hat. Es wäre 'nicht schlecht', wenn Sie uns ein wenig mehr
Anerkennung geben würden."
"Äh...entschuldigen Sie bitte.." sagte Barclay, der mit den ständigen Kabbeleien der beiden Freunde
nicht vertraut war.
O'Brien und Bashir schauten Barclay genervt an und fragten gleichzeitig: "Was ist?"
"Also, ich finde, dass wir...sie wissen schon...die Holomatrix..."
"Ach ja, die Holomatrix", wiederholte Miles, als wäre es ihm gerade erst wieder eingefallen. "Also,
wenn nicht innerhalb der letzten vier Stunden jemand die Möbel in der Simulation verrückt hat, dann
wird ihm der Unterschied nicht auffallen. Übrigens, Julian, wir haben ein weiteres Problem."
"Was für ein Problem?", fragte Bashir und wandte sich wieder Barclay zu.
"Nun, wir haben entdeckt, dass, äh, nun ....es scheint als wäre im Speichermodul nur
ein..äh..dominanter Charakter aktiv. Es sollten aber zwei sein."
Als 'dominanten Charakter' bezeichnete Barclay die Personen, um die die Simulation herum aufgebaut
ist, egal ob menschlich oder fiktiv.
Dr. Bashir überlegte. Nur noch ein Charakter. Entweder Moriarty oder die Countess waren nicht mehr
aktiv.
"Hat das irgendwelche Auswirkungen auf unseren Plan?"
O'Brien überlegte kurz und zuckte mit den Schultern. "Abgesehen davon, dass wir eine Variable
weniger zu berücksichtigen haben, nicht."
"Dann sollten wir schnellstmöglich weitermachen, bevor wir den verbliebenen Charakter auch noch
verlieren."
13
Professor James Moriarty saß im Raucherzimmer. Eine Tasse Tee in der Hand starrte er aus dem
Fenster und dachte nach. Vor acht Stunden war die Liebe seines Lebens quasi vor seinen Augen
verschwunden.
Zunächst hatte er angenommen, dass sie fort gebeamt wurde. Eine Entführung vielleicht. Er setzte sich
sofort mit den offiziellen Behörden der Föderation in Verbindung. Schon 15 Minuten später
materialisierten 2 Sicherheitsbeamte der Sternenflotte im Vorgarten ihres kleinen Häuschens auf dem
Lande und untersuchten alle Räume mit ihren Tricordern. Es ließ sich keine Spur von Rückständen
finden, die auf den Einsatz von Transporterstrahlen hinwiesen.
Ca. 30 Minuten stellte er sich den Fragen der Offiziere, bis nichts mehr an Information auszutauschen
war. Sie versprachen ihm, den Orbit der Erde auf ungenehmigte Transfers zu überprüfen und ihn
sobald wie möglich zu informieren.
Kurz bevor sie gingen, blickten sie sich noch einmal betont unauffällig um. Moriarty hatte in seinem
Leben genug Polizisten gesehen, um in Ihren Reaktionen zu lesen wie in einem Buch.
Es war offensichtlich, dass seine Glaubwürdigkeit zum einen unter der für diese Zeit ungewöhnliche
Art der Einrichtung gelitten hatte. Zum anderen hatten die Offiziere, wenn es gute Polizisten waren,
sicher vor ihrem Besuch festzustellen versucht, wer die verschwundene Person war. Da die Countess,
wie er, eigentlich eine fiktive Person war, die dem Holodeck der Enterprise entkommen ist, gab es
natürlich auch keine Vergangenheit, die man überprüfen konnte. Sie fanden lediglich heraus, dass sie
seit drei Jahren auf der Erde lebte.
Aber was war geschehen? Moriarty setzte die Tasse mit dem Tee ab, den er zu seiner Beruhigung
repliziert hatte. Konnte es sein, dass eine verspätete Reaktion auf das angeblich unmögliche Verlassen
des Holodecks ihre Molokularstruktur zum kollabieren gebracht hatte? Dann hatte er dasselbe
Schicksal zu befürchten.
Wenn dem so war, so blickte er ohne Wehmut zurück. Regina und er hatten sich ein Leben erkämpft,
das man ihnen nicht zugestehen wollte. Sie waren aus der fiktiven Welt ausgebrochen, um das wahre
Leben zu genießen. Und es war schön.
Trotz dieser sanften Gedanken, konnte er es nicht verhindern, dass ihm noch eine andere Möglichkeit
in den Sinn kam. Er dachte an die Ereignisse auf der Enterprise vor fünf Jahren zurück. Sollte es
möglich sein....
Er stand langsam auf, legte die Hände an die Revers seiner Jacke und sagte klar und deutlich:
"Computer, Ausgang."
14
O'Brien und Barclay knieten nebeneinander vor einem Display. Dr. Bashir stand nach vorne gebeugt
hinter ihnen und fragte: "Was fehlt denn jetzt noch? Ich meine, wir haben die Holomatrix soweit
fertig. Der einzige, der noch fehlt ist Moriarty."
"Julian, " sagte O'Brien, so wie er manchmal zu seiner Tochter gesprochen hatte, wenn sie fragte,
warum man auf der Außenhülle der Station nicht spielen konnte, "sind Sie der Meinung, dass wir
Moriarty jetzt herüberholen sollten? Während wir ebenfalls hier sind?"
"Stimmt." Julian gab sich einsichtig. "Daran hatte ich gar nicht gedacht. Vielleicht könnten wir eine
permanente Kopie der Abläufe hier drin in der Holosuite nebenan einrichten. So könnten wir ohne
gesehen zu werden alles verfolgen und würden überprüfen können, ob unser Plan funktioniert."
O'Brien stand auf und machte ein überraschtes Gesicht. Dann schaute er Julian mit ehrlicher
Anerkennung in die Augen.
"Mein Gott, Julian! Sie haben recht!"
Bashir guckte zweifelnd zu Barclay, der sich offensichtlich nicht besonders wohl fühlte. O'Brien fuhr
fort: "Da überlegen Barclay und ich stundenlang, wie wir das Problem mit dem Beobachten lösen
können und dann sprechen Sie eine so brilliante wie kreative Lösung einfach aus, als wäre das gar
nichts. Ich bin beeindruckt."
Bashir machte ein beleidigtes Gesicht und sagte: "Sie hatten also schon selbst die Idee."
O'Brien bemühte sich soherablassend wie möglich zu klingen: "Natürlich. Wir sind gleich fertig mit
den dazu notwendigen Modifikationen. Sie können schon mal 'rüber gehen. Die Show fängt gleich
an."
Barclay trollte sich und schmollte vor sich hin. Na, immerhin hatte er sich Gedanken gemacht, was zu
tun sei, wenn Moriarty merkte, was passiert war. Die Idee, ein möglicherweise depressives
Hologramm psychologisch zu betreuen, in dem man ein anderes Hologramm, Vic Fontaine, dazu
überredete, seelischen Beistand zu leisten, war nun wirklich schlichtweg brilliant. Solche
Überlegungen konnte man eben von Technikern und Ingenieuren nicht erwarten. Dazu brauchte man
Ärzte. Das würde auch Miles anerkennen müssen. Natürlich nicht ohne ein schlechtes Gewissen zu
haben, weil er sich gerade wieder einmal über ihn lustig gemacht hatte.
Julian wartete vor der 'Beobachtungsholosuite' bis O'Brien und Barclay kamen. Die Tür öffnete sich
mit einem zischenden Geräusch. Holosuite 3 war nun das genaue Duplikat von Holosuite 2. Der
Unterschied war, dass sie in Holosuite 3 nur Zuschauer waren, wohingegen die holographischen
Charaktere in Holosuite 2 die Beobachter wahrnehmen und mit ihnen interagieren würden. Damit
wäre ihr Plan natürlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
O'Brien schaute zu Barclay. Als der nickte, sagte O'Brien:
"Computer. Programm 'Picard Delta Eins' aktivieren."
15
Moriarty wartete einen Moment, aber nichts geschah. Er befand sich immer noch in seinem Haus auf
dem Lande. Nirgendwo war auch nur ein Stückchen des Hologitters zu sehen, dessen Anblick er nie
vergessen hatte.
Aber irgendwo war er froh, dass seine Vermutung sich als unrichtig herausgestellt hatte.
Er ging zurück zu seinem Sessel und setzte sich wieder hin. Er blickte wieder aus dem Fenster und
hing weiter seinen Gedanken nach. Er seufzte. Wahrscheinlich spielten ihm lediglich seine Nerven
einen Streich. Er musste sich unbedingt wieder beruhigen. Geistesabwesend griff er nach seiner Tasse
Tee.
Und seine Hand griff ins Leere.
Moriarty starrte auf den Beistelltisch. Ein nicht benutzter Aschenbecher stand darauf. Aber nichts, das
darauf hindeutete, dass hier noch vor 30 Sekunden eine Tasse Tee gestanden hätte. Es roch nicht
einmal mehr nach Tee.
Moriarty stand langsam auf und sah sich aufmerksam um.
Alles andere war an seinem Platz.
Es sah so aus wie immer.
Aber heute war kein Tag wie immer.
In den letzten Stunden war er zeitweise sinnlos durch das Haus gelaufen und hatte nicht auf Ordnung
geachtet. So hatte das Haus vielleicht gestern ausgesehen.
Oder vorgestern.
Aber nicht heute.
Seine Aufregung nahm zu.
Er rief: "Computer, Ausgang. Konsole." Er lief umher und drehte sich dabei im Kreis. "Computer.
Programm beenden."
16
Miles, Julian und Barclay beobachteten in der Nachbarholosuite die ersten Minuten aufmerksam, wie
sich Moriarty in der 'neuen' Umgebung zurecht fand. Zunächst war keine relevante Reaktion zu
registrieren. Moriarty hatte offensichtlich kein Möbelrücken veranstaltet.
Aber als Moriarty ins Leere griff wurde klar, dass er irgendetwas vermisste. Ein Blick in sein Gesicht
verdeutlichte O'Brien, dass Moriarty dieses Fehlen eines Gegenstandes nicht als Vergesslichkeit
abhaken würde.
Was vermisste er überhaupt. Ein Buch? Eine Zigarre? Völlig egal.
Moriarty sprang vor ihren Augen auf und lief aufgeregt durchs das Zimmer. Seine Worte machten
jedem der sie hörte klar, dass die Scharade vorbei war.
Nun gut. Moriarty wusste also jetzt, dass er 'zu Hause' war.
O'Brien fing sich als erster und sagte enttäuscht über den Verlauf: "Verdammt! Was machen wir
jetzt?" Immerhin hatte er die Holomatrix erstellt.
Barclay meinte: "Chief, wir sollten das Programm erst einmal anhalten."
O'Brien reagierte zustimmend: "Stimmt. Computer. Programm in Holosuite 2 anhalten." Moriarty
erstarrte in beiden Holosuites in der Bewegung. So würde er verharren, bis jemand die Unterbrechung
aufhob.
Bashir sagte sofort: "Ich habe eine Idee."
Barclay schloss sich an. "Äh..ich auch."
O'Brien schaute erstaunt vom einen zum anderen. "Na, jetzt bin ich aber gespannt."
Bashir drehte sich von den beiden weg und sagte: "Computer. Programm 'Bashir-Fontaine-eins'
aktivieren."
Umgehend erschien das Hologramm Vic Fontaine in Zivilkleidung des 24.Jahrhundert und lächelte
freundlich. Er spreizte leicht die Arme vom Körper, sah an sich herab und murmelte: "Na, mein
Smoking gefällt mir aber besser."
Bevor O'Brien etwas sagen konnte, ergriff Barclay das Wort. "Computer. Medizinischholographisches Notfallprogramm aktivieren."
Vor Ihnen materialisierte mit einem kurzen Flimmern ein männliches Hologramm. Der Mann trug eine
blau-schwarze Sternenflottenuniform und seinen Kopf zierte eine gepflegte Halbglatze. Er sah Barclay
mit festem Blick an und sagte: "Nennen Sie die Art des medizinischen Notfalls."
O'Brien schaute auf die beiden Hologramme und bekam den Mund nicht mehr zu.
Ähnlich erging es Bashir. Wie konnte es sein, dass ein übernervöser Lieutenant die gleiche brilliante
Idee hatte wie er?
Bashir erkannte das Medizinisch-holographische Notfallprogramm, kurz MHN, sofort. Er selbst hatte
kurz davor gestanden, für die neue Generation Modell zu stehen. Da daraus nichts geworden war,
sahen die Hologramme immer noch aus wie ihr Schöpfer, Dr. Louis Zimmerman. Nicht gerade die
Krone der Ästhethik.
Da keiner etwas sagte, übernahm das MHN die Initiative. "Würden Sie mir bitte sagen, wer von Ihnen
der medizinische Notfall ist.", sagte er nachdrücklich. Offenbar hatte Dr. Zimmerman seiner
Schöpfung nicht nur sein Aussehen übertragen, sondern auch seine freundliche und besonnene Art mit
Menschen umzugehen.
Das MHN blickte ungeduldig in die Runde und fragte: "Wer sind Sie überhaupt?" Er sah sich um.
"Das hier ist nicht die Krankenstation der Enterprise. Wo bin ich?"
Bashir war durch den forschen Tonfall einfach zu überrascht, um angemessen zu reagieren, also
brabbelte er nur: "Äh, ich bin Dr. Bashir. Das da ist Chief O'Brien und das ist..."
Das MHN sah nur noch Bashir an und machte ein strenges Gesicht: "Doctor Bashir also. Darf ich
annehmen, Doctor, dass Sie der medizinische Notfall sind? Wenn nicht, sollten Sie aufgrund Ihrer
Ausbildung in der Lage sein, etwaig auftretende Notfälle selbst zu behandeln. Ich bin ein
Notfallprogramm, was bedeutet, dass ich nur im..."
Barclay, der von den Dreien wahrscheinlich die größte Erfahrung mit interaktiven Hologrammen
hatte, griff ein und sagte: "Computer. Das Sprachinterface des MHN deaktivieren."
Das Hologramm verstummte abrupt.
Vic hob abwehrend die Hände und scherzte: "Hey, Kumpel. Mach' das aber nicht mit mir, OK?"
Bashir wandte sich, noch immer ein wenig neben sich stehend, Barclay zu und sagte unsicher:
"Lieutenant, wie es scheint, hatten wir die gleiche Idee."
Barclay nickte. "Äh, ja. Es sieht so aus. Allerdings war es auch eine ziemlich offensichtliche
Vorgehensweise."
Bashir fühlte sich klein und unbedeutend.
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O'Brien wurde das nun zuviel. "Was soll das, Julian? Was macht Vic hier?"
Dr. Bashir sammelte den letzten Rest von Würde auf, den die Ereignisse der letzten Minuten auf dem
Boden zurückgelassen hatten, und erläuterte seinen, bzw. Barclay's Plan: "Die Idee ist eigentlich ganz
einfach. Für den Fall der Fälle, der nun eingetreten ist, benötigten wir jemanden, der mit Moriarty in
Kontakt tritt und ihm die Situation erklärt. Und zwar so, dass er es akzeptieren kann und will.
Ein Mensch ist dafür nicht geeignet, das haben die Ereignisse vor 5 Jahren gezeigt. Moriarty zeigte
den Berichten zufolge starkes Misstrauen gegenüber jedem, der das Holodeck verlassen konnte.
Wahrscheinlich basierend auf einem nicht unerheblichem Minderwertigkeitskomplex."
"Die Idee ist gar nicht schlecht." Sagte O'Brien anerkennend. "Wie gehen wir vor?"
"Nun," holte Julian aus, "zuerst sollten wir den Holo-Doc, also das MHN, in die aktuelle Lage
einweihen. Vic weiß soweit Bescheid, richtig Vic?."
Vic Fontaine rieb sich das Kinn und nickte. "Schon klar, Julian. Ich habe allerdings noch keine Idee,
wie die ganze Sache ablaufen soll. Aber weisen wir erstmal den Holo-Doc ein."
Nachdem Bashir dem MHN den Sachverhalt dargelegt hatte, hin und wieder unterbrochen durch
Ergänzungen von O'Brien und Barclay, warteten alle gespannt auf die Reaktion des Hologramms.
Das MHN stand mit vor der Brust verschränkten Armen da und tippte mit der Fußspitze ungeduldig
auf dem Boden.
"Ach so, ...ich weiß." Barclay presste die Lippen zusammen, nickte und hob entschuldigend die Hand.
"Computer. Äh..das Sprachinterface des MHN reaktivieren."
"Danke, das wurde aber auch Zeit." Die Stimme des Holo-Docs klang vorwurfsvoll. "Nachdem ich
Ihre Erläuterungen gehört habe, komme ich zu dem Schluss, dass Sie meine Fähigkeiten fehl
interpretieren. Ich bin Arzt - kein Psychologe. Vielleicht sollten Sie lieber einen Counselor
hinzuziehen."
Vic mischte sich ein: "Erstens haben wir keinen Counselor auf der Station, zweitens benötigen meine
Freunde hier holographische Hilfe und drittens braucht Moriarty vielleicht nur ein wenig
Aufmunterung."
Der Holo-Doc tat empört: "Ich bin Arzt und kein...."
"Ich weiß: kein Alleinunterhalter" Vic trat neben ihn und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die
Schulter. "Aber Sie sind ein holographischer Arzt. Und jetzt werden Sie für eine Rettungsmission
gebraucht."
Der Holo-Doc blickte ihn verunsichert aus den Augenwinkeln an.
Vic machte eine ausholende Bewegung mit seiner Hand, als wolle er seinem neuen Freund die große
weite Welt zeigen und sprach: "Haben Sie nie davon geträumt mehr zu sein als ein einfaches
medizinisches Hologramm? Wollten Sie nie wissen, was außerhalb der Krankenstation passiert? Nie
den Geschmack des Abenteuers auf den Lippen spüren?"
Der Holo-Doc war verwirrt und antwortete entschieden: "Nein!"
Jetzt war Vic verblüfft. " 'Nein' ?"
"Das entspricht keineswegs meiner Programmierung."
"Jetzt vergessen Sie 'mal Ihre dumme Programmierung. Sehen Sie mich an. Ich wurde als Sänger in
einer Bar programmiert. Und stehe ich vielleicht hier und singe?"
Der Holo-Doc sah nicht überzeugt aus.
Miles verlor nun langsam die Geduld. "Hören Sie zu, Mann. Sie gehören zur Sternenflotte. Richtig?"
Nach sorgfältiger Überlegung antwortete das MHN: "So könnte man sagen."
"Gut. Dies ist eine offizielle Sternenflotten-Operation, genehmigt vom kommandierenden Offizier
dieser Station, Captain Benjamin Sisko und dem kommandierenden Offizier der Enterprise, Captain
Jean-Luc Picard. Sie sind für die Dauer dieser Mission diesem Team zugewiesen worden und werden
unseren Anweisungen folgen oder ich programmiere Ihnen eigenhändig auch noch die letzten Haare
weg. Habe ich mich klar ausgedrückt?" O'Brien wurde lauter und kam mit jedem Wort ein wenig
näher.
In gleichem Maße beugte der Holo-Doc den Oberkörper zurück. Er sah den Chief erschrocken an und
sagte: "Es besteht kein Grund unhöflich zu werden. Natürlich werde ich meine Befehle ausführen. Ich
wollte Sie nur nicht im Unklaren lassen bezüglich meiner bisherigen Möglichkeiten, soziale
Fähigkeiten aufzubauen."
Barclay, Bashir und Vic waren mittlerweile etwas abseits zusammengerückt und atmeten erleichtert
auf als hätten Sie befürchtet, dass einer von ihnen das nächste 'Opfer' von O'Brien werden könnte.
O'Brien war noch nicht fertig. "Als erstes müssen wir Ihnen eine andere Kleidung geben."
Der Holo-Doc zuckte zusammen. "Was ist denn mit meiner nicht in Ordnung? Ich war damit immer
sehr zufrieden.", protestierte er schüchtern. Die Drohung mit seinem Haar schien ihn nachhaltig
beeindruckt zu haben.
"Hören Sie, Doc. Mit Moriarty's Vertrauen in die Sternenflotte steht es nicht zum besten. Deswegen
werden Sie auf keinen Fall mit Ihrer Uniform da 'rein gehen. Entweder wir wählen aus der HolosuiteDatenbank ein anderes Outfit oder Sie gehen ohne Kleidung. Ihre Entscheidung."
Das MHN sah O'Brien fassungslos an und grummelte vor sich hin: "Ein Ton ist das."
Ohne eine Antwort abzuwarten sagte O'Brien: "Computer. Das MHN neu einkleiden. Konservative
Freizeitkleidung. 24. Jahrhundert."
Unmittelbar wurde die blau-schwarze Uniform des MHN ersetzt durch einen hellgrauen Einteiler mit
einer dunkelgrauen leichten Jacke darüber.
Der Holo-Doc klang nun ein wenig weinerlich: "Sir, dürfte ich mir vielleicht selbst etwas..."
O'Brien deutete mit dem Finger sehr schnell auf seinen Haaransatz und bedeutete und dem MHN zu
schweigen. Er hatte nicht vor, das divenhafte Verhalten des Holo-Docs länger zu tolerieren.
Der Holo-Doc schluckte und entschied, dass es besser wäre, zu kooperieren. Je schneller sie diese
Mission hinter sich brachten, umso schneller war er wieder in den Systemspeichern der
Krankenstation auf der Enterprise.
Hoffte er jedenfalls.
18
Das seltsame Team materialisierte im Vorgarten von Moriarty's Haus in Holosuite 2. Vic Fontaine, der
Nachtclubsänger aus dem Jahre 1960, gewandet in einen lässigen, einteiligen Anzug, sah wie immer
perfekt aus. Es machte keinen Unterschied, ob er einen Smoking trug oder nicht. An seiner Seite stand
der Holo-Doc, der, obwohl zeitgemäß gekleidet, den Eindruck machte, irgendwie am falschen Platz zu
sein. Gleichwohl war er erleichtert, dass er zumindest nicht mehr direkt mit O'Brien interagieren
musste. Der Mensch war ihm, sofern das für ein Hologramm möglich war zu bestimmen,
unangenehm. Er trat in seiner ungewohnter Kleidung und dieser ungewohnter Umgebung und einem
ungewohnten Auftrag von einem Bein aufs andere. Er sah zu seinem Partner und fragte hilflos: "Was
sollen wir denn jetzt machen?"
Vic beobachtete das Haus. "O'Brien hat gesagt, wir sollen Bescheid sagen, wenn wir soweit sind.
Dann wird er das Programm reaktivieren."
Das MHN schüttelte den Kopf. "Nein, nein, ich meine, wie gehen wir vor, wenn es reaktiviert ist."
"Naja," Vic versuchte zuversichtlich auszusehen. "ich dachte, wir gehen 'rein und sagen 'Hallo'. Der
Rest wird sich dann schon ergeben."
Der Holo-Doc verzog unkontrolliert das Gesicht und sah ihn ungläubig an. "Das ist der Plan?"
"Nun, was würden Sie vorschlagen, Mr....äh... wie heißen Sie eigentlich?
Das MHN verdrehte entnervt die Augen. "Ich habe keinen Namen. Es war nicht geplant, dass ich
jemals solange aktiviert bleibe, dass ein Name nötig wäre. Ich bin, wie ich bereits mehrfach erwähnte,
ein Notfallprogramm. Das bedeutet, dass ich nur äußerst selten und wenn, dann auch nur im
Notfall...."
Vic deutete mit dem Finger auf seinen Haaransatz.
Der Holo-Doc sah ihn entgeistert an. So war das also. Anscheinend durfte ihm hier jeder den Mund
verbieten. Und das ihm! Immerhin hatte er bei seiner ersten Aktivierung auf der Krankenstation der
Enterprise die hereinstürmenden Borg aufgehalten. Zumindest für einen Moment. Ein klein wenig
beleidigt fragte er: "Darf ich mir meinen Namen wenigstens selber aussuchen?"
Vic ließ die Schultern hängen und sah den Holo-Doc verständnisvoll an. Dann knuffte er den Doc
freundschaftlich gegen die Schulter. "Hey Kumpel, tut mir leid. War nicht so gemeint. Aber für mich
ist es auch nicht gerade alltäglich an einer offiziellen Sternenflottenmission teilzunehmen." Vic blickte
dem MHN offen in die Augen und sagte: "Ich würde mich ehrlich freuen, Ihren Namen zu erfahren."
Das hatte der Holo-Doc nun wirklich nicht erwartet. Dieser Vic schien ja doch ein angenehmer
Zeitgenosse zu sein. Naja, so erstaunlich war das nicht. Er war ja auch ein Hologramm.
Also ein Name. Das MHN überlegte angestrengt. Da er aber derzeit weder auf die Datenbanken der
Enterprise noch auf die der Station Zugriff hatte, fiel ihm keiner ein.
Vic erkannte das Dilemma seines Kumpels. Er konnte zwar auch nicht auf externe Daten zugreifen,
aber durch sein holographisches Leben als Nachtclubsänger hatte er entsprechende Erfahrungen
sammeln können. "Hm, lass' mich überlegen. Ich kannte mal jemanden, mit ähnlich starker
Persönlichkeit, der hieß 'Sigmund'."
"'Sigmund'?" Der Doc blickte kritisch.
"Ja. Was halten Sie davon?" Vic schaute den Doc erwartungsvoll an.
"Nun ja," meinte der Doc zögerlich mit einem Anflug von Stolz in der Stimme. "'Sigmund' ist so gut
wie jeder andere Name, oder?"
"Besser, Sigmund. Besser.", sagte Vic und blinzelte ihm dabei mit einem Auge zu.
"In der Tat. Kein schlechter Name." 'Sigmund' strahlte und wippte, die Hände am Revers seiner Jacke,
kurz auf den Zehenspitzen.
"OK. Es freut mich, Sie kennen zu lernen, Sigmund. Und? Haben Sie eine Idee?"
"Nun," 'Sigmund' lächelte geheimnisvoll und wippte dabei gönnerhaft mit dem Kopf, "vielleicht
sollten wir einfach 'reingehen und 'Hallo' sagen."
Vic sah ihn verwirrt an. Nach einem Moment legte er den Kopf schief und zeigte mit dem Finger auf
Sigmund, als hätte er ihn drangekriegt.
Dann fingen beide an zu lachen.
19
Kurz nachdem O'Brien das Programm reaktiviert hatte standen Vic und 'Sigmund' vor der Tür von
Moriarty's Haus und lauschten. Innen hörten sie Moriarty herumlaufen. Vic und Sigmund sahen sich
kurz an. Dann betätigte Vic den Türsummer. Nach vielleicht 30 Sekunden öffnete Moriarty die Tür.
Er starrte die beiden an und richtete immer noch aufgebracht das Wort an sie: "Wer sind Sie? Was
wollen Sie?"
Vic ergriff die Initiative. "Professor Moriarty, wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn wir
hereinkommen könnten.", sagte er ruhig und freundlich.
Der Angesprochene schaute von Vic zu 'Sigmund'. "Würden Sie mir zunächst Auskunft geben, worum
es sich bei Ihrem Besuch handelt?"
"Sehr gerne, Professor. Es ist so, dass wir in gewisser Weise miteinander verwandt sind."
Moriarty sah Vic an als hätte dieser den Verstand verloren.
'Sigmund' war ebenfalls äußerst überrascht, ließ es sich aber nicht anmerken.
Vic holte tief Luft und sagte: "Professor, es geht um die Countess."
Moriarty nickte. "Bitte treten Sie ein."
20
Nachdem Moriarty einige Sitzmöbel zurecht gerückt hatte, nahmen die drei Platz.
Moriarty wies auf den Replikator, der halb von Büchern verdeckt, in einem Regalgebilde zu erkennen
war. "Darf ich Ihnen vielleicht etwas zu trinken anbieten."
'Sigmund' wandte sich mit unsicher fragendem Gesichtsausdruck zu Vic. Als
der kaum merklich den Kopf schüttelte, drehte er sich wieder zu Moriarty und antwortete strahlend:
"Nein, vielen Dank." Immerhin wurde ihm soeben zum ersten Male etwas zu trinken angeboten. Er
war froh, dass er selbst ablehnen durfte.
Moriarty atmete tief ein. Nach einigen Augenblicken fragte er: "Existiert Regina noch?"
Vic schüttelte den Kopf und sah zu Boden. "Nein. Tut mir sehr leid, Professor."
Moriarty nickte wissend. "Ich habe es vermutet." Und nach einigen Sekunden fügte er hinzu: "Dann
haben wir das Holodeck also nie verlassen?"
Vic schüttelte abermals den Kopf. "Nein, das war nie möglich." Er war beeindruckt, wie schnell
Professor Moriarty die Situation erfasst hatte.
Moriarty senkte den Kopf. "Also hat Picard mich 'reingelegt." Moriarty lächelte. "Wissen Sie, in den
vergangenen Stunden habe ich beten gelernt. Ich habe gebetet, dass ich mich irre. Dass ich mir
Regina's Verschwinden nur eingebildet habe. Dass Regina in der nächsten Minute zur Tür
hereinkommt." Moriarty war aufgestanden und ging ziellos durchs Zimmer. "Und nun stellt sich
heraus, dass ich mir etwas viel Größeres nur eingebildet habe. Ich habe mir unser Leben eingebildet."
'Sigmund' verfolgte das Gespräch und wünschte sich auf die nicht zum ertsen Mal zurück auf seine
Krankenstation. Seine Programmierung umfasste medizinische Hilfe. Von Psychologie wusste er
nichts. Was konnte man jetzt noch sagen. Hin und wieder sah er zu Vic hinüber. Vic wusste doch so
viel über das Leben. Warum tat er nichts? Er saß nur mit ernstem Gesicht da und blickte zu Moriarty.
'Sigmund' konnte nicht mehr untätig herum sitzen. Er stand mit auf und ging unsicher auf Moriarty zu.
Er wollte irgendetwas sagen. Unbeholfen berührte er Moriarty am Arm..
Moriarty blickte 'Sigmund' an und fragte: "Wer oder was sind Sie?".
"Meine Name ist 'Sigmund' und ich bin das Medizinisch-holographische Notfallprogramm des
Föderationsraumschiffes Enterprise.", antwortete 'Sigmund' wahrheitsgemäß.
Moriarty konnte ihn nur verblüfft ansehen. Dann sah hinüber zu Vic. "Und Sie? Sind Sie auch ein
Notfallprogramm?"
"Notfall? - Nein." Vic begann ein wenig zu lächeln "Programm? – Ja." Vic stand auf, ging auf
Moriarty zu und hielt ihm die Hand hin. "Mein Name ist Vic Fontaine und ich bin Sänger in einem
Club in Las Vegas."
"Aber Sie sind ein Hologramm?"
"Natürlich. Wie Sie und 'Sigmund'.", sagte Vic ernst, als gäbe es im Universum nichts anderes.
"Natürlich.", wiederholte Moriarty. "Wir sind alle nur unbedeutende Hologramme. Nicht real.
Marionetten der realen Welt."
'Sigmund' verstand nicht ganz. "Vic, was meint er mit Marionette?."
"Nichts besonderes. Bedenken Sie, 'Sigmund':" sagte Vic beschwichtigend und wog den Kopf von
einer Seite auf die andere. "Er hatte bis jetzt noch nicht mit anderen intelligenten Hologrammen zu
tun."
"Nun, zumindest scheint er kein Interesse an intelligenter Konversation zu haben.", meinte 'Sigmund'.
Moriarty fuhr dazwischen. "Ich verbiete Ihnen, von mir zu sprechen, als wäre ich nicht im Raum." Der
Professor war außer sich. "Sie brechen in mein Leben ein und behandeln mich wie ein Möbelstück!
Sie nehmen mir Regina, Sie sagen mir, dass meine Existenz eine einzige Lüge war und verlangen von
mir, dass mir der Sinn steht nach intelligenter Konversation!"
Vic und 'Sigmund' schwiegen und sahen sich betroffen an.
Schließlich nickte Vic einsichtig. "Sie haben Recht Professor. Das durften wir tatsächlich nicht
erwarten."
'Sigmund' war zerknirscht und gab sich selbstkritisch. "Bitte bedenken Sie, Professor: Wir sind
vielleicht Hologramme, aber wir sind, wenn man das medizinische Fachgebiet mal außer Acht lässt,
leider nicht perfekt."
"Genug davon. Die Situation ist unerträglich." Moriarty wandte sich ab.
"Die Frage bleibt natürlich, was wir jetzt machen? – Was meinen Sie, 'Sigmund'?"
"Das fragen Sie ausgerechnet mich?" Der Holo-Doc blickte ungläubig vom einen zum anderen. "Heute
wurde ich zum zweiten Mal überhaupt aktiviert und ich für meinen Teil wünsche mich eigentlich nur
noch so schnell wie möglich zurück auf meine Krankenstation." Und etwas beleidigt fügte er hinzu:
"Vielleicht ist ja der Anlass für meine nächste Aktivierung ein medizinischer Notfall."
Vic erkannte, das von dieser Seite zur Zeit keine Hilfe zu erwarten war und schlug vor: "Professor,
was halten Sie davon, die Örtlichkeit zu wechseln?"
Moriarty schaute sich ein wenig wehmütig um. "Hier ist nichts mehr, was mich hält. Wohin wollen
wir gehen?"
Vic lächelte. "Lassen Sie sich überraschen, Prof."
21
Vic schaute in die Richtung, in der er die für sie unsichtbaren Beobachter vermutete und sagte:
"Julian? Wären Sie so freundlich, für uns eine etwas entspannendere Atmosphäre zu schaffen."
Einige Sekunden später verschwand der, zuletzt auf alle beklemmend wirkende Wohnraum von
Moriarty's Haus und wich einer leicht verrauchten Bar: Vic's Club.
Auf der kleinen Bühne spielte ein Klavierspieler mit einem Bassisten leise 'As time goes by'. Am
Bühnenrand stand verwaist ein Mikrofon. Die vereinzelten Tische waren zur Hälfte besetzt, zumeist
mit Paaren. Am Tresen saßen einige Personen und unterhielten sich. Ein aufmerksamer Kellner nahm
Blickkontakt mit Vic auf. Vic nickte ihm unauffällig zu.
"Was in Gottes Namen ist das?" Moriarty sah sich ungläubig um.
"Das würde ich auch gerne wissen.", fragte 'Sigmund' streng.
"Das, liebe Freunde,", sagte Vic und machte dabei eine präsentierende Armbewegung. "das ist mein
Zuhause. Hier lebe ich. Das ist meine Welt."
Moriarty schüttelte den Kopf. "Und sie ist ebenso wenig real wie meine."
Vic zuckte mit den Schultern. "Sie ist ebenso real wie ich. Aber ich finde, wir sollten uns erst einmal
setzen."
Vic führte Sie zu dem Tisch, an dem er heute schon mit Dr. Bashir gesessen hatte.
Kurz darauf kam ein Kellner und brachte jedem ein Glas Martini auf Eis.
'Sigmund's' Miene hellte sich auf. "Ich danke Ihnen, sehr aufmerksam."
Moriarty sah Vic in die Augen. "Mr. Fontaine, würden Sie mir bitte erklären, was dies zu bedeuten
hat. Was erwarten Sie von mir?"
"Professor, ich erwarte von Ihnen nichts als dass Sie sich etwas entspannen."
"Wie soll ich mich bei dieser Musik entspannen?"
'Sigmund' war nun, nach einigen Schluck Martini, gut gelaunt. "Also ich finde die Musik sehr schön."
Professor Moriarty sah Vic direkt in die Augen: "Erzählen Sie mir über Ihr Leben als Hologramm."
Vic lächelte wieder. "Mein Leben als Hologramm, tja, ich fürchte darüber kann ich Ihnen nicht viel
erzählen. Was mich -Vic Fontaine- betrifft, bin ich Sänger."
Moriarty hakte nach. "Aber Sie sind doch in erster Linie ein Hologramm."
Vic wollte ihm zustimmen, dann aber auch wieder nicht. "Lassen Sie mich es erklären, Professor. Für
die Menschen, die hin und wieder in meinen Club kommen, bin ich ein Hologramm. Das glauben sie
und das mag auch objektiv richtig sein. Allerdings hat diese Ansicht auf mein Leben keinen Einfluss.
Ich singe in dieser Bar, wenn ich arbeite und in meiner Freizeit gehe ich ins Kasino oder in mein
Appartement oder sonst wohin. Ob ich nun gestern tatsächlich im Kasino war und ich mich daran
erinnere oder ob ich mich im Speicher der Holosuite befand und die Erinnerung an den Kasinobesuch
nur eine künstliche Erinnerung ist, um meiner Person einen sozialen Hintergrund zu geben. Für mich
macht das überhaupt keinen Unterschied."
Moriarty rang nach Worten und nach einigen Augenblicken presste er seine Frage irgendwie heraus:
"Aber wie können Sie...mit diesem Wissen leben?"
"Was meinen Sie, Sigmund?" Vic bezog nun den munter im Takt Musik wippenden Holo-Doc mit ein.
"Wie leben Sie mit dem Wissen ein Hologramm zu sein?"
'Sigmund' sah die beiden erstaunt an und reagierte dann etwas ungehalten. "Wie meinen Sie das? Was
soll das heißen: 'Wie leben Sie damit' ?" Er schüttelte verständnislos den Kopf. "Ich bin eben ein
Hologramm. Genauer gesagt ein medizinisch-holographisches Notfallprogramm. Punkt." Der Doc
beugte sich zu Moriarty vor und fragte eher rhetorisch: "Haben Sie schon einmal einen Menschen
gefragt, wie er mit dem Wissen lebt, ein Mensch zu sein?"
Moriarty's Gesicht spiegelte eine Mischung aus Einsicht und Resignation wider. Dann sammelte er
sich und fragte Vic: "Und wie geht es jetzt weiter?"
"Mein Freund, das ist Ihre Entscheidung. So wie ich meine Freunde aus der anderen Welt kenne,
können Sie gehen wohin Sie wollen. Wenn Sie wollen. Die Welt steht Ihnen offen. Erforschen Sie sie."
Moriarty atmete tief ein und wieder aus. "Habe ich eine Alternative?"
Vic stutzte: "Eine Alternative? Junge, Junge, Sie haben vielleicht Nerven. Wir sagen Ihnen, dass Sie
alles haben können und Sie fragen nach einer Alternative." Vic überlegte genau, was er jetzt sagte.
"Die Alternative zu der Möglichkeit alles tun zu können ist....nichts tun zu können. Sie können sich Ihr
Leben nehmen. Wenn es Ihnen lieber wäre, würde man ihr Programm auch löschen. Verstehen Sie?
Sie haben jede erdenkliche Alternative. Nur eine nicht: Sie werden die holographische Welt nicht
verlassen können. Denn das ist nicht möglich!"
Professor James Moriarty ließ sich alles Gehörte durch den Kopf gehen. Wenn er gehen konnte, wohin
er wollte. Wenn er leben konnte, wie er wollte. Wenn er tun könnte, was er wollte. Welches Leben
würde er wählen? - Wenn ihm alle Möglichkeiten offen standen - warum nicht diese eine, die er nie
die Gelegenheit hatte, zu nutzen? Nach einigen Minuten des Nachdenkens, wie es letztendlich wohl
sein würde, zeigte sich ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht und er sah zunächst zu Vic und dann zu
'Sigmund', die ihn die vergangenen Minuten angespannt beobachtet hatten.
"Gentlemen," sagte Moriarty feierlich und erhob sich. "Ich glaube, es wird Zeit, dass ich mich mit
Ihren Freunden aus der 'anderen' Welt über meine Zukunft unterhalte."
22
Das Quark's war zur Hälfte gut gefüllt. Die Gäste saßen zumeist paarweise an den Tischen und
unterhielten sich. Das monotone Murmeln wurde hin und wieder von einem kleinen Chor
unterbrochen, der sich um den Spieltisch versammelt hatte. "DABO !" Der Ruf wurde in Regel
begleitet von einem gequälten Blick des Ferengis hinter der Bar. Quark besaß die hiesige
Glücksspiellizenz und vor seinem geistigen lösten sich bei jedem 'DABO'-Ruf ein paar Streifen
Latinum in Luft auf.
Vorne am Tresen hockte Morn, der Lurianer. Vor sich ein Glas umklammernd, dass er offensichtlich
nicht bereit war loszulassen. Wie immer bedachte er bewegungslos fast jeden, der in seine Nähe kam,
mit einem misstrauischen Blick, als sei er sich nicht sicher, ob ihm der Neuankömmling nicht doch
sein Getränk würde streitig machen wollen.
Ein paar Stühle weiter saßen Miles und Barclay ein wenig abgespannt auf ihren Barhockern und
unterhielten sich mehr (O'Brien) oder weniger (Barclay) locker über gemeinsame Erlebnisse damals an
Bord der Enterprise. Natürlich sprachen sie auch über die vergangenen Stunden. Es war einiges
passiert. Oder auch nicht. Je nachdem, ob man bereit war, die holographische Welt als real
anzuerkennen oder nicht.
Immerhin ging es um die Rettung einer Person, die vielleicht irgendwann einmal als Lebensform
definiert wurde.
Moriarty hatte sich entschieden. Er war in seine Welt zurückgekehrt.
O'Brien hatte das defekte Speichermodul repliziert und es war bereit Moriarty aufzunehmen. Barclay
würde es mitnehmen auf die Enterprise.
Aber noch befand sich die neu generierte Heimat Moriarty's in der Holosuite 2. Moriarty's Wunsch
kam für sie alle überraschend. Keiner wusste genau, was man hätte erwarten können, aber hätte jeder
von ihnen vorher einen Tipp abgegeben - keiner von ihnen hätte richtig gelegen.
Und nun saßen sie hier und warteten auf Julian, der mit den Vorbereitungen für ihren Besuch
beauftragt worden war. Ja, richtig. Moriarty hatte sie eingeladen, ihn zu besuchen. Und das wollte sich
keiner von ihnen entgehen lassen.
Als Julian das Quark's betrat, drehten sich alle Gäste nach ihm um. Sogar Morn schaffte es irgendwie,
über seine Schulter zu sehen, ohne dabei den Kopf zu bewegen.
Julian hatte einen altertümlich aussehenden Anzug an. Die Jacke über Rüschenhemd und Weste wurde
ergänzt durch einen Umhang, der hinten bis knapp zur Hüfte reichte und vorne unter dem Kinn durch
eine lockere Kordel Halt fand. Um in den Augen der Gäste die letzten Zweifel an seiner
Zurechnungsfähigkeit zu zerstreuen, hatte er sich einen mindestens 35cm-hohen schwarzen Zylinder
aufgesetzt und wirbelte geschickt einen Gehstock mit großem silbernen Knauf um die Finger.
O'Brien beugte sich zu Barclay und flüsterte: "Keine Witze über Minderheiten jetzt: Abe Lincoln ist
da."
Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte Julian's Mundwinkel als er sich an Barclay und O'Brien
wandte: "Nun, Gentlemen, ich würde es begrüßen, wenn Sie mir die Ehre antun wollten, mich in
Holosuite 2 zu begleiten. Ihre Garderobe finden Sie im Replikator unter der Rubrik 'Elegante
männliche Kleidung, Ende 19. Jahrhundert'."
Barclay wusste offenbar nicht, wie er auf den etwas lächerlichen Auftritt reagieren sollte. O'Brien
bemerkte Barclay's Reaktion und flüsterte Barclay zu, so dass Bashir es nicht überhören konnte:
"Denken Sie sich nichts dabei. Er macht manchmal seltsame Sachen, aber ansonsten ist er weitgehend
ungefährlich."
Barclay hatte schon befürchtet, dass O'Brien sich wieder irgendwann in seiner Art von Humor
versuchte. Er zog höflich einen Mundwinkel etwas nach oben und sagte -da ihm nichts Schlagfertiges
einfiel- nur: "Wie Sie meinen, Chief."
Während sich O'Brien und Barclay beim Replikator zeitgemäße Kleidung besorgt und diese angelegt
hatten -sie sahen mittlerweile ähnlich lächerlich aus wie Bashir- machten sie sich auf den Weg zurück
ins Quark's und...
...liefen Worf über den Weg.
Barclay wollte auf der Stelle im Boden versinken. Das hatte ihm noch gefehlt. Er hatte schon damals
auf der Enterprise das Gefühl, dass Worf ihn nicht ernst nahm. Nach dieser Vorführung konnte er das
nun als gesichert annehmen.
Der Klingone musterte sie verwirrt und schaute dabei von Barclay zu O'Brien und dann wieder zu
Barclay.
Barclay nahm sofort Haltung an, was angesichts seiner Aufmachung,
vorsichtig ausgedrückt, etwas fehl am Platze schien und sagte, nachdem er kurz die Augen verdrehte:
"Commander?"
O'Brien stieß Barclay den Ellenbogen in die Rippen und sagte vorwurfsvoll: "Hören Sie auf damit,
Lieutenant. Wir sind hier nicht auf der Sternenflotten-akademie." Dann drehte er sich wieder zu Worf,
der O'Brien's Einmischung offensichtlich nicht guthieß. "Lassen Sie mich Ihnen erklären, Worf,.es ist
nämlich so..."
Worf hob abwehrend die Hand. "Bitte nicht, Chief. Ich will es gar nicht wissen.", sagte er, drehte sich
um und ging vor sich hin brummelnd schnell davon.
O'Brien blickte bedauernd zu Barclay, zuckte mit den Schultern und meinte: "Was soll's. Dann
verstecke ich mich eben die nächsten drei Wochen in einer Jeffriesröhre."
23
Nachdem sie sich mit Bashir im Quarks getroffen hatten, gingen Sie zu dritt die Treppe hinauf zu den
Holosuiten. Vor Holosuite 2 blieben Sie stehen, nickten sich zu und traten ein.
In einer kleinen Seitenstraße von London öffnete sich der Eingang zur Holosuite. Hinter Ihnen schloss
sich der Durchgang und verschwand augenblicklich. Es war abend und durch die Straßen wabberte ein
dichter Nebel.
Sie wurden schon erwartet von Vic und 'Sigmund', der, wie schon seit Stunden, penetrant guter Laune
war. Die Herren verbeugten sich andeutungsweise voreinander wobei sie aufpassen mussten, dass
ihnen die beachtlichen Zylinder nicht vom Kopf rutschten.
Miles hatte vorher am Replikator noch die großartige Idee, sich einen stattlichen Backenbart
anzukleben, der ihn nun aussehen ließ, wie einen Eisenbahn-Verwaltungsangestellter in leitender
Position.
"Nun,", verkündete 'Sigmund' und schaute dabei wichtig auf seine Taschenuhr, "ich glaube, wir haben
eine Verabredung, die wir zu versäumen nicht riskieren sollten."
Bashir gab ihm uneingeschränkt Recht. "Moriarty wohnt zur Zeit bei einem Freund. Wir werden uns
also dort mit ihm treffen."
Interessante Vorstellung, dachte Bashir. Dass Moriarty die Möglichkeiten seiner Existenz dazu nutzen
würde in seine Zeit zurückzukehren, war durchaus nachvollziehbar. Aber das er ausgerechnet bei
dieser Person Unterkunft finden würde, erstaunte ihn doch sehr. Es dürfte aufschlussreich sein zu
sehen, wie sich die Geschichte entwickeln würde. Es konnte nicht schaden, wenn man Moriarty von
Zeit zu Zeit besuchen würde.
Ihn und seinen Freund.
Vic hatte mittlerweile mit einem Pfiff eine Kutsche herbeigerufen.
Als die fünf Gentlemen einstiegen nannte er dem Kutscher die Adresse: "Baker Street 221 B".
O'Brien stutzte und fragte Bashir: "Ist das nicht die Adresse von Sherlock Holmes?."
Bashir nickte amüsiert. "Ja, das ist sie. Wenn Sir Conan Doyle das wüsste,..."
"...er würde sich im Grabe herumdrehen.", ergänzte O'Brien.

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