aktuell Nr. 30 vom 01.08.2016 ( PDF , 2,9 MB)

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aktuell Nr. 30 vom 01.08.2016 ( PDF , 2,9 MB)
D 8512
52. Jahrgang
Nr. 30
Montag, 1. August 2016
NACHRICHTEN
POLITIK
Eingeschlossen
Teile der syrischen Stadt Aleppo
sind abgeschnitten und belagert.
Die VN warnen vor einer humanitären Katastrophe.
Seite 4
BUNDESWEHR
Die Gelbe Schleife
Sie steht als Symbol für den
Wunsch nach mehr gesellschaftlicher Anerkennung von Soldaten – ihre Geschichte. Seiten 6/7
Im Fokus
SPORT
Sportsoldatinnen
Die erste deutsche FrauenTurn-Mannschaft seit der Wiedervereinigung hat große Ziele
für Olympia.
Seite 10
Neu:
ia-App
Die Med
eswehr.
der Bund
In dieser Woche geht es weiter:
Auch die dritte von sechs Folgen soll weiter mit den Mythen
um das Kommando Spezialkräfte, dem KSK, aufräumen.
Im Video „Mit Olli beim KSK
– Kommandospezialkräfte der
Bundeswehr (3/6)“ geht es für
Hauptfeldwebel Oliver Bender nun in die Nahkampfhalle.
Der QR-Code unten führt ohne
Umwege zum Video.
BW CLASSIX: Ob Rettungsaktionen oder Lebensmittellieferungen in die Hungergebiete Afrikas
– das Video „Classix: 25 Jahre
Bundeswehr Info Filmschau“ aus
dem Jahre 1986 zeigt die vielfältige Arbeit der damaligen Medienzentrale der Bundeswehr. (eb)
Die Aufklärungsdrohne HERON 1
liefert gestochen scharfe Bilder – in Israel
werden Bundeswehrsoldaten daran ausgebildet.
Seite 8
Dieser Link führt zum
Video „Mit Olli beim
KSK“. Weitere Beiträge unter www.youtube.com/bundeswehr.
[email protected]
Foto: Bundeswehr/Susanne Hähnel; Montage: Bundeswehr/Daniela Prochaska
VIDEO DER WOCHE:
2
aktuell
INTERN
1. August 2016
Foto:Bundeswehr/Kieron Kleinert
BILD DER WOCHE
Im Feuerkampf: Bei einer Gefechtsübung üben Fallschirmjäger des Fallschirmjägerregiments 26 aus Zweibrücken das Nehmen einer Hot Landing Zone – einer vom Feind
besetzten Landezone auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow. Die Landezone wird anschließend gesichert, um eigene Kräfte und schwere Ausrüstung nachzuführen.
IMPRESSUM
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auf Kürzung vor.
ZITAT
EDITORIAL
„Zwei Länder wollen mit dem Heer
entsprechende Übungen durchführen.
Ich halte das für wichtig.“
Roter Sand, das grüne Band des
Nigers und vor allem menschenleere Weiten: Der erste Eindruck
nach dem Aussteigen aus dem
Flugzeug in Mali beeindruckt.
Gut dreieinhalb mal so groß wie
Deutschland ist der westafrikanische Staat. Seit Anfang des
Jahres sind rund 500 Bundeswehrsoldaten in der Region um
Gao im Einsatz. Vor allem für
die Aufklärung ist die enorme
Fläche eine große Herausforderung. Mehr als 90 verschiedene Terrorgruppen werden in
der Region vermutet – zudem
gilt das Länderdreieck Mali –
Niger – Algerien als Flüchtlingsdrehscheibe.
Ein umfassendes Lagebild ist
deshalb nicht nur zur Erfüllung
des Auftrages essentiell – auch
die Sicherheit der deutschen
Soldaten und Verbündeten hängt
entscheidend davon ab. Mehr als
80 Blauhelm-Soldaten sind seit
2013 in Mali getötet worden –
der Einsatz in Westafrika gilt als
der aktuell gefährlichste.
Ab November werden nun
die Aufklärungsmöglichkeiten
deutlich erweitert: Dann werden Drohnen vom Typ Heron 1
erstmals für die Bundeswehr in
Afrika zum Einsatz kommen. Sie
haben sich bereits über Afghanistan bewährt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag zum Thema Innere Sicherheit.
KALENDERBLATT
Vor 15 Jahren: Am 1. August 2001 werden mit der eingetragenen
Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland
erstmals rechtlich anerkannt. Derzeit leben mehr als 78 000 Menschen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.
Vor 40 Jahren: Am 1. August 1976 kommt es zu einem schweren
Unfall auf dem Nürburgring: 40 lange Sekunden sitzt Niki Lauda
bewusstlos in seinem brennenden Ferrari. Seinen Helm hatte er
bei dem Aufprall verloren. Nur 42 Tage später, fährt Lauda beim
Großen Preis von Italien auf den vierten Platz.
Vor 90 Jahren: Am 6. August 1926 durchschwimmt Gertrude
Caroline Ederle als erste Frau den Ärmelkanal in der Rekordzeit
von 14 Stunden und 31 Minuten. Die 19-jährige Ederle bricht damit
den bestehenden Rekord der 56 Kilometer langen Strecke zwischen
Gris-Nez in Frankreich und Dover, England, um über zwei Stunden.
Vor 140 Jahren: Am 2. August 1876 erschießt Jack McCall heimtückisch den Westernhelden „Wild Bill“ Hickok beim Poker. Sein
vor dem Tod gehaltenes Blatt wird unter Spielern als Dead Man’s
Hand bekannt.
Vor 225 Jahren: Am 6. August 1791 wird in Berlin das Brandenburger Tor freigegeben. Das klassizistische Bauwerk entsteht in
dreijähriger Bauzeit auf Anregung des preußischen Königs Friedrich
Wilhelm II.
(eb)
Ende Juli hat das Bundesamt für
Ausrüstung, Informationstechnik
und Nutzung (BAAINBw) einen
Vertrag mit Airbus abgeschlossen.
Danach findet die Ausbildung der
Drohnenbediener in Israel beim
Hersteller Israel Aerospace Industries statt. Die Vorteile: Neben
erfahrenen Fluglehrern mit umfassenden Systemkenntnissen können praktische Übungen über
ähnlichem Gelände wie im Einsatzland stattfinden (Seite 8).
Für die deutschen Soldaten in
Mali bedeutet der schnelle Einsatz der Heron 1 – die Entscheidung fiel erst im April – auch mehr
Schutz. Und er macht Hoffnung
auf die anstehende Einführung des
Nachfolgemodells Heron TP des
gleichen Herstellers.
Björn Lenz
Ressortleiter Technik
1. August 2016
MINISTERIUM / HINTERGRUND aktuell
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„Es gibt immer Angriffe“
Generalmajor Ludwig Leinhos leitet den neuen Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum – Ein Interview.
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und den Möglichkeiten, in die
Systeme hineinzuwirken.
Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke; Grafik: Bundeswehr/Daniela Prochaska
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Leiter des Aufbaustabs: Generalmajor Ludwig Leinhos erklärt den Ansatz der neuen Cyberabwehr.
über hinaus hält er auch inhaltlich die gesamten Themen rund
um das Feld Cyber zusammen.
mationstechnik abhängig und
müssen uns da auch entsprechend
schützen.
Sind moderne Streitkräfte heute
verwundbarer als früher?
Alle unsere Prozesse – im zivilen, wie auch militärischen Leben
– sind irgendwo mit IT verbandelt. In vielen Bereichen ist es
so, dass wir keine oder nur noch
sehr kostenintensive Alternativen haben. Aber trotz all der
Vorteile ist die Informationstechnik verwundbar. Sie haben
zu Hause ja auch kein Interesse
daran, dass jemand Ihr Onlinebankkonto leer räumt. Also müssen entsprechende Schutzmechanismen eingebaut werden.
Übertragen auf das Militär trifft
es dort genauso zu. Wir sind in
der Bundeswehr in sehr, sehr
vielen Bereichen von der Infor-
Würden Sie die Informationstechnik im Moment noch als
eine Achillesferse der Bundeswehr betrachten?
Es ist keine Achillesferse, denn
wir fangen nicht bei null an. Aber
das Thema ist inzwischen so weitflächig zu betrachten, dass wir
unsere Kräfte und Mittel konzentrieren müssen. Um möglichst das
Beste herauszuholen, aber auch
um es entsprechend prominent zu
platzieren. Prominent platzieren
heißt auch, dass wir einen Kümmerer für diese neue Domäne
haben, unter dessen Führung für
das Fachpersonal entsprechende
Karrierepfade entwickelt werden
und natürlich auch die Weiterentwicklung in diesem Bereich vor-
angetrieben wird. Das können
Sie mit einem Inspekteur an der
Spitze besser umsetzen, und das
trägt dem wachsenden Stellenwert der Informationstechnik und
dem Bereich Cyber- und Informationsraum insgesamt Rechnung.
Was können die Cyber-Kräfte
zum Schutz der Truppe tun?
Die Hauptaufgabe ist der
Schutz des IT-Systems der Bundeswehr. Dazu gibt es technische Möglichkeiten, aber auch
die Nutzer müssen sensibilisiert
werden. Und wir müssen unsere
Bemühungen zum technischen
Schutz der Systeme weiterentwickeln. Denn je mehr man auf der
Abwehrseite macht, umso findiger werden auch die Angreifer.
Das bedeutet, es ist immer ein
Wechselspiel zwischen Schutz
Gab es bisher Cyber-Attacken
auf die Bundeswehr?
Jeder der Informationstechnik
nutzt, zum Beispiel einen Computer betreibt und vernetzt ist,
wird attackiert. Die Masse der
Angriffe wird in der Regel durch
Schutzmechanismen abgefangen.
So ist es auch bei der Bundeswehr. Aber es gibt auch ernstzunehmende Angriffe, die durch
uns beobachtet und detektiert
werden und die weitergehende
Aktionen erfordern. Das bedeutet die Bedrohung im Internet ist
eine reale, sie ist immer da und
es gibt immer Angriffe.
Wie sehen Sie die Rolle des
zukünftigen Organisationsbereich Cyber im gesamtstaatlichen Zusammenspiel?
Das Klientel, welches sich mit
dem Thema Cyber beschäftigt,
ist eine begrenzte Ressource.
Gesamtstaatlich gesehen haben
wir diese Ressourcen in verschiedenen Ressorts wie dem Bundesministerium der Verteidigung
und im Bundesministerium des
Innern und aber auch auf Seite
der Industrie. Ich denke es kommt
darauf an, dass wir nicht nur über
Zuständigkeiten diskutieren, sondern dass wir Mechanismen entwickeln, die Ressourcen zum
Zwecke der Verteidigung gegen
Cyber Angriffe gemeinsam so
gewinnbringend und effizient wie
möglich einsetzen.
Die Fragen stellte Victoria
Kietzmann.
Das vollständige Interview finden Sie auf www.bundeswehr.de
4A
Lernen für den Wiederaufbau
1D
Die Ausbildungsinitiative der Bundeswehr bietet anerkannten syrischen Flüchtlingen eine zivile Ausbildung.
Berlin. Der Aufbau einer Friedensperspektive ist essentiell für
Krisenregionen wie Syrien. Dazu
gehören nicht nur das Beenden
militärischer Auseinandersetzungen und das Schaffen der notwendigen politische Rahmenbedingungen. Ganz pragmatisch geht
es auch darum, Kenntnisse für
den Wiederaufbau zu vermitteln.
Bereits im Februar dieses Jahres
hat die Bundesministerin der Verteidigung eine zivile Ausbildungsinitiative für syrische Flüchtlinge
angekündigt. Eine Form der Hilfe
zur Selbsthilfe.
Die Initiative, die in Kooperation mit der Bundesagentur für
Arbeit angeboten wird, richtet
sich an anerkannte syrische
Flüchtlinge, die wieder in ihre
Heimat zurückkehren und einen
Beitrag zum Wiederaufbau ihres
Landes leisten wollen. Bis dahin
sollen die erworbenen Fertigkeiten ihnen auch helfen, sich besser
in den deutschen Arbeitsmarkt zu
integrieren. Ein Beschäftigungsverhältnis mit der Bundeswehr
ergibt sich für die Teilnehmenden daraus nicht.
An den Standorten Delmenhorst, Meppen, Ingolstadt, Bogen,
Greding und Berlin werden die
Flüchtlinge ab Ende August
ausgebildet. Dabei sollen sie in
kombinierbaren Modulen zivil
nutzbare Fertigkeiten in den
Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke
5A
Berlin. In modernen Gesellschaften, wie die der Bundesrepublik Deutschland, sind Menschen,
Institutionen und Organisationen
vernetzter denn je. Die zunehmende Digitalisierung bietet
viel Freiheit und große Chancen, gleichzeitig aber auch eine
große Angriffsfläche. Die Bundeswehr passt sich dieser Entwicklung an und hat den nächsten Schritt
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Mit den Plänen zur Bündelung
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der Cyber- undAIT-Fähigkeiten
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Starthilfe: Die Bundeswehr unterstützt syrische Flüchtlinge.
Bereichen Handwerk (Grundlagen Schreinerei, Schlosserei,
Malerei), Bau (Holz-, Mauerwerks- und Stahlbau, Schweißen), Technik (Grundlagen der
Kfz-Technik, IT-Grundkenntnisse, elektrische Grundlagen)
und Sanität (Erste Hilfe, Retten
und Transport, Pflege) erwerben.
Die Ausbildung kann bis zu
zwölf Wochen dauern. Ausbildungssprache ist deutsch. Bei
Bedarf werden die Flüchtlinge
von einem Sprachmittler unterstützt. Nach Abschluss der Ausbildung erhalten die Teilnehmer
eine mit der Bundesagentur für
Arbeit abgestimmte qualifizierte
Teilnahmebescheinigung. (eb)
aktuell
POLITIK / HINTERGRUND
Ärzte ohne Grenzen:
Krisenalarm für Nigeria
Genf. Angesichts der humanitären Katastrophe im Nordosten Nigerias hat die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen
(MSF) die Vereinten Nationen
(VN) aufgefordert, für die Region
den höchsten Krisenalarm auszurufen. Mehr als 500 000 Menschen lebten dort unter unhaltbaren Bedingungen, erklärte die
Organisation. Grund für die angespannte humanitäre Lage sind
Kämpfe zwischen Regierungstruppen und der Islamistenmiliz Boko Haram. Derzeit gilt der
„höchste Dringlichkeitsstatus“
der VN nur für die Länder Syrien,
Irak und Jemen.
(eb)
1. August 2016
In der Falle
In der syrischen Stadt Aleppo verschärft sich die humanitäre Lage – eine Belagerung droht.
Foto: Getty Images/George Ourfalian
4
Trümmerfeld: Nach jahrelangen Kämpfen sind große Teile der syrischen Stadt Aleppo verwüstet.
Foto: ddp images/Xinhua
Von Simon Klingert
Kabul. Die Zahl ziviler Opfer
hat in Afghanistan im ersten
Halbjahr einen neuen Höchststand erreicht. Zwischen Anfang
Januar und Ende Juni wurden
bei Gefechten, Anschlägen und
anderen Gewalttaten 1601 Zivilisten getötet und 3565 weitere
verletzt, wie die VN-Mission
in Afghanistan (UNAMA) am
vergangenen Montag mitteilte.
Damit verzeichnen die VN einen
Anstieg um vier Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum und
den höchsten Stand seit Beginn
der Zählung ziviler Opfer in Afghanistan im Jahr 2009.
(eb)
Foto: ddp images/Newscom
China: Kritik an
US-Raketenschild
Laos. China hat die geplante
Stationierung eines US-Raketenabwehrsystems in Südkorea erneut scharf kritisiert. Mit
den Plänen untergrabe Südkorea „die Grundlage für das Vertrauensverhältnis“ beider Länder, sagte Chinas Außenminister
Wang Yi vor einem Treffen mit
seinem südkoreanischen Kollegen
am Sonntagabend am Rande des
ASEAN-Gipfels in Laos. Südkorea und die USA hatten Anfang
Juli gemeinsame Pläne für die
Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Südkorea verkündet.
(eb)
Berlin. Zahllose ausgebrannte
Fahrzeugwracks säumen den Weg
entlang der Castello Road in die
Rebellenhochburgen der syrischen Stadt Aleppo. Die letzte
Versorgungsroute in den Osten
der Stadt ist seit Anfang Juli unterbrochen. Zwischen 250 000 und
275 000 Einwohner sind dort von
der Außenwelt abgeschnitten. Die
Vereinten Nationen (VN) warnen:
Im Fall einer Belagerung droht
eine weitere Verschärfung der
humanitären Lage in der Stadt.
Die Lebensmittelvorräte in
den eingeschlossenen Stadtteilen reichen VN-Partnerorganisationen zufolge nur noch bis
Mitte August. Grundnahrungsmittel wie Weizen, Zucker und
Salz wurden schon Tage nach der
Unterbrechung der Versorgungsroute knapp. Auch frisches Obst
und Gemüse seien nicht mehr
verfügbar, berichtet die Menschenrechtsorganisation Human
Rights Watch (HRW). Neben
Nahrungsmitteln mangelt es
HRW zufolge außerdem an medizinischen Hilfsgütern und Treibstoff für Fahrzeuge und Generatoren – eine wichtige Stromquelle
für Trinkwasserpumpen und die
wenigen medizinischen Versorgungseinrichtungen in den östlichen Stadtteilen.
„Mittelalterlich
und beschämend“
Der von den Rebellen kontrollierte Teil von Aleppo läuft
nun Gefahr, zum größten belagerten Gebiet in Syrien zu werden. Neu ist diese Entwicklung
nicht: Viele der Bürgerkriegsparteien in Syrien belagern gegnerischer Gebiete. Nach Angaben der
VN leben in Syrien etwa 600 000
Menschen in 18 als „belagert“
oder „schwer zugänglich“ eingestuften Gebieten. Eines davon:
Madaya, eine Ortschaft mit
20 000 Einwohnern 40 Kilometer nordwestlich von Damaskus.
Nach sechs Monaten Belagerung
durch Regierungstruppen starben
dort nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen im
vergangenen Dezember 23 Menschen an Unterernährung.
„Wir hoffen, dass es nicht auch
in Aleppo soweit kommt“, sagte
eine Vertreterin des Amts für
die Koordinierung humanitärer
Angelegenheiten (OCHA). Die
Unterorganisation der Vereinten
Nationen koordiniert die Liefe-
dass auch zivile Infrastruktur
ins Visier der Konfliktparteien
rückt. Glaubt man dem Nahost-Experten Joshua Landis von
der Universität Oklahoma, steckt
dahinter Kalkül: „Der syrische
Machthaber Baschar al-Assad
versucht, die Moral der Rebellen zu brechen. Dazu lässt er auch
zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen oder Bäckereien bombardieren“, so Landis,
Regierungstruppen
Rebellengruppen
kurdische Milizen
„Islamischer Staat“
rung von Hilfsgütern in belagerte
Gebiete. Um diese durchführen
zu können, forderte VN-Nothilfekoordinator Stephen O’Brien
am vergangenen Dienstag vor
dem Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen pro Woche eine zweitägige humanitäre Waffenruhe
in Aleppo. Die internationale
Gemeinschaft dürfe nicht akzeptieren, dass der Osten der Stadt
zu einem weiteren belagerten
Gebiet werde. „Das wäre mittelalterlich und beschämend“, sagte
O’Brien. Unterdessen kündigte
der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu am vergangenen Donnerstag die Errichtung
von drei Versorgungskorridoren
durch syrische Regierungstruppen an, um die Einwohner in
den eingeschlossenen Stadtteilen mit Lebensmitteln und medizinischem Material zu versorgen.
Neben der angespannten
Versorgungslage beklagen die
VN und Hilfsorganisationen,
Grafik: liveuamap.com/Bundeswehr/Sebastian Nothing | Stand: 28. Juli 2016
Mehr zivile Opfer
in Afghanistan
der auch die US-Regierung in
Syrien-Fragen berät. Zuletzt wurden nach Angaben von UNICEF
Ende Juli vier Feldkliniken und
eine Blutbank im Ostteil der
Stadt bombardiert. Bei weiteren
Luftangriffen auf Aleppo wurden
am vergangenen Montag syrischen Aktivisten zufolge zwölf
Zivilisten getötet.
Rebellen
geschwächt
Die „Tiger Forces“, eine
berüchtigte Spezialeinheit der
syrischen Armee, war am 7. Juli
von den Mallah-Farmen auf die
am nordöstlichen Stadtrand von
Aleppo gelegene Castello Road
vorgerückt. Wenige Tage später konnte die schlagkräftige
Eliteeinheit unter Oberst Suhail
al-Hassan ein Teilstück der zweispurigen Umgehungsstraße unter
ihre Kontrolle bringen. Trotz
anhaltender Gegenangriffe von
Rebellengruppen stießen Einheiten der syrischen Armee und
die verbündete Kurdenmiliz YPG
von den Stadtvierteln Khalidiya
und Scheich Maksud aus Richtung Norden vor. Am vergangenen Donnerstag zogen sich die
Rebellen aus dem angrenzenden
Stadtteil Beni Zeid zurück. Seither ist der Osten der Stadt vollständig eingekesselt.
Dass die Rebellen die Belagerung durchbrechen können,
hält der Syrien-Experte Landis
für unwahrscheinlich. Islamistische Rebellengruppen wie Jabhat al-Nusra und Ahrar al-Sham
hätten lange Zeit von verdeckter Unterstützung aus der Türkei profitiert. „Doch der Sicherheitsapparat in der Türkei ist in
Folge des Putschversuches unter
Beschuss. Es ist daher fraglich,
ob die Milizen in Aleppo weiter
Unterstützung erhalten werden“
sagte Landis der Redaktion der
Bundeswehr.
Belagerung
statt Sturmangriff
Landis rechnet nicht mit
einem großangelegten Angriff
durch Regierungstruppen auf
die Rebellenhochburgen in der
Stadt: Den syrischen Streitkräften fehle die Truppenstärke und
die Moral, um die drohenden
Verluste beim Häuserkampf
auszugleichen. Wahrscheinlicher sei, dass das Regime eine
Strategie ähnlich wie in Ghouta
oder in Homs verfolgen werde:
„Man belagert, bombardiert
und stranguliert die oppositionellen Kräfte so lange, bis sie
einwilligen, ihre Hochburgen
in Aleppo aufzugeben“, sagt
der Syrien-Experte. Unter Vermittlung der Vereinten Nationen
hatten Aufständische und das
Regime einen Deal vereinbart,
der im vergangenen Dezember
Hunderten Zivilisten und Kämpfern nach einer drei Jahre andauernden Belagerung den Abzug
aus der Rebellenhochburg Homs
ermöglichte.
1. August 2016
EINSATZ / BUNDESWEHR
Jede Minute zählt
Von Florian Scholzen
Fotos: Bundeswehr/KFOR
Gleicher Standard
wie in Deutschland
hat den gleichen Standard wie
ein deutsches Kreiskrankenhaus,
inklusive einer Intensivstation.
Dorthin folgt den Transporten
auch Oberst Siegfried Zeyer, der
Kommandeur des 44. Deutschen
Einsatzkontingents KFOR. Er ist
mit dem bisherigen Verlauf der
Übung zufrieden. „Das ging alles
sehr schnell und koordiniert vonstatten. Auch die Zeit vom Eingang der Unfallmeldung in der
Operationszentrale, bis zum Eintreffen der Rettungskräfte war
erfreulich kurz“, so Oberst Zeyer.
Oberfeldarzt Andreas S., der
Leitende Sanitätsoffizier bei dieser Übung, pflichtet ihm bei: „Ich
war 25 Jahre in der Luft- und
Bodenrettung der Bundeswehr
tätig, und mit diesen Erfahrungen kann ich sagen: Eine saubere Leistung!“ Auch der Ersthelfer erntet Lob. „Sie haben alles
richtig gemacht! Man glaubt gar
nicht, wie anstrengend es ist, aber
das ist es auch in der Realität“,
sagt der Oberfeldarzt weiter.
Bergekräfte
kommen zum Einsatz
Einsatzübung: Verkehrsunfall mit Soldaten (o.), Rettungskräfte versorgen die Verwundeten vor Ort und im Einsatzlazarett (M. u. U.).
Kurz darauf sind alle Verletzten
versorgt und bereits im Rettungs-
Fotos: Bundeswehr/Dritan Hoti (2)
Inzwischen haben die Feldjäger
gemeinsam mit der Kosovo Police
die Unfallstelle abgesichert. Auch
der Notarzt samt Rettungswagen
sowie zwei Feuerwehrfahrzeuge
sind eingetroffen. Der Notarzt
sichtet die Verletzten und teilt
sie ihrer Hilfsbedürftigkeit nach
ein, während die Feuerwehrleute
beginnen das Dach des alten Opel
abzutrennen. Dadurch können sie
die Unfallopfer besser erreichen
und sie schneller versorgen. Um
die Übung so realistisch wie möglich aussehen zu lassen, wurden
alte Autowracks beschafft. Ein
Aufwand, der sich im Ernstfall
bezahlt machen kann.
5
Fregatte wird
Führungsplattform
Im Kosovo wird beim „Fürsorglichen Leoparden“ die Rettungskette geübt.
Prizren. Ein „Fürsorglicher
Leopard“ rettet Menschenleben? Klingt zunächst ungewöhnlich. Bei der gleichnamigen
Rettungsübung des deutschen
KFOR-Kontingents wurde das
Zusammenspiel zwischen der
Operationszentrale und den Rettungs- und Bergekräften geübt.
Der Ersthelfer ist noch immer
außer Atem: „Ich habe mich der
Unfallstelle genähert, sie abgesichert und Verbindung zu den
drei verletzten Soldaten und dem
Zivilisten aufgenommen.“
Nachdem er sich einen groben
Überblick verschaffen konnte,
setzte er den Notruf an die Operationszentrale ab, die unverzüglich
alle Rettungskräfte alarmierte.
Als Ersthelfer am Unfallort versorgte er die Verletzten nach seinen Möglichkeiten.
aktuell
wagen unterwegs ins Einsatzlazarett im Feldlager Prizren. Es
Damit ist die Situation aber
noch nicht entschärft: An der
vermeintlichen Unfallstelle blieb
das „KFOR-Fahrzeug“ in zwei
Teilen zurück. Nun treffen die
Bergekräfte ein, der Technische
Offizier des Kontingents übernimmt. Seine Soldaten heben mit
einem Kran die Unfallfahrzeuge
auf einen Lkw vom Typ „Multi“.
Dann wird die Fahrbahn gereinigt
und der angefallene Müll eingesammelt. Erst danach kann die
Straße wieder für den Verkehr
freigegeben werden.
Berlin. Die niederländische
Fregatte „De Ruyter“ wird ab
September 2016 die deutsche
Fregatte „Karlsruhe“ als Führungsschiff bei der Seeraumüberwachung in der Ägäis ablösen.
Die Standing NATO Maritime
Group 2 ist eine von vier ständigen maritimen Einsatzverbänden der NATO und operiert vor
allem im Mittelmeer. Sie sammelt
unter anderem Informationen
über Schleuseraktivitäten in den
Gewässern zwischen Griechenland und der Türkei. Aktuell wird
sie von der deutschen Fregatte
„Karlsruhe“ unter Flottillenadmiral Kay-Achim Schönbach
geführt. Auch nach dem Wechsel
des Flaggschiffs zur niederländischen Fregatte bleibt der Auftrag
bis Ende des Jahres weiter unter
deutscher Führung.
(eb)
Rettungseinsatz
für die „Werra“
Tripolis. Der Tender „Werra“
hat erneut 122 in Seenot geratene
Personen an Bord genommen.
Durch das Force Headquarter
wurde das deutsche Marineschiff
und das norwegische Schiff MV
„Siem Pilot“ angewiesen, zwei
Rettungsboote, rund 90 Kilometer nordwestlich vor Tripolis, zu
untersuchen und Seenotrettung
zu leisten. Die Schlauchboote
wurden als Hindernis für die
Schifffahrt klassifiziert und im
Anschluss an die Rettung von
beiden Schiffen versenkt. Die
„Werra“ hat alle Geretteten an das
norwegische Schiff übergeben.
Insgesamt wurden seit Beginn der
Beteiligung deutscher Schiffe an
der Seenotrettung im Mittelmeer
seit Mai 2015 17 358 Menschen
durch Soldaten der Bundeswehr
gerettet.
(eb)
Fahrzeugbergen in der Savanne
Koulikoro. Einen halben Meter
stecken die Hinterräder des
Geländewagens im roten Sand
der Savanne fest. Mit Wagenheber, Spaten und Holzbrettern
versuchen malische Soldaten das
Fahrzeug zu bergen – zum Glück
nur eine Übung. Oberstabsfeldwebel Björn W. beobachtet seine
Kameraden aus Mali genau.
Er ist Ausbilder im „Combat
Support Supply Training Team“
(CSSTT), dem Logistikausbildungskommando der Mission
und für die Kraftfahrausbildung
„seiner Jungs“ verantwortlich.
„Wir geben nur Hinweise und
Hilfestellungen. Ziel ist es, dass
die malischen Kameraden das
Problem selbständig lösen“,
erläutert der 45-Jährige.
Foto: Bundeswehr/EUTM Mali
Das multinationale Ausbildungsteam bei der Kraftfahrausbildung in Mali.
Mittendrin: Oberstabsfeldwebel W. bei der Ausbildung.
Zusammen mit Kameraden aus Estland, Belgien und
Schweden führt der Münsterlän-
der die anspruchsvolle Ausbildung durch. In der Grundlagenausbildung wird auf technische
Daten und Leistungsmerkmale
des Fahrzeugs eingegangen,
sowie auf das Fahren bei Dunkelheit und im Konvoi. In der
Praxisausbildung warten weitere
anspruchsvolle Trainingseinheiten auf die Fahrschüler. Beispielsweise ist mit dem Fahrzeug
ein Parcours zu durchfahren –
aber nur im Rückwärtsgang. Für
die Ausbilder ist es wichtig, dass
die Ausbildungsinhalte immer
mit taktischem Bezug vermittelt
werden, um auch in militärischen
Lagen das Fahrzeug sicher zu
beherrschen. „Denn ‚Fahren‘ und
‚Fahren können‘ sind zwei unterschiedliche Dinge“- da ist sich
Oberstabsfeldwebel W. sicher.
Nicht nur für die Fahrschüler, sondern auch für die Aus-
bilder ist es eine Herausforderung. „Wir haben uns zunächst
selbst innerhalb des Ausbilderteams an den Fahrzeugen ausgebildet“, erklärt Oberstabsfeldwebel W. Die westafrikanische
Gluthitze und Schwierigkeiten in
der Kommunikation machen es
zudem nicht leichter. Mit Hilfe
eines Dolmetschers und Skizzen
kann so trotzdem eine abwechslungsreiche Ausbildung gestaltet werden.
Mittlerweile finden die Ausbildungen nicht mehr nur im
„Koulikoro Training Centre“
(KTC) statt. Auch im 230 Kilometer entfernten Ségoe bilden
multinationale Ausbildungsteams nun die malischen Soldaten aus.
(mwa)
6
aktuell
BUNDESWEHR
aktuell
Die Gelbe Schleife
7
„Soldaten haben Anerkennung verdient. Ich finde gut, dass
die Schleife das ausdrückt.“
Ein sichtbares Zeichen für mehr gesellschaftliche Anerkennung der Soldaten.
Lina Dombek, Kleve
„Ich ziehe den Hut vor den Soldaten, die diese schwierigen
Aufgaben auf sich nehmen.“
Jeanne van Dijk, Kleve
Von Philipp Ahlers
Fotos Jonas Weber
Berlin. Unzählige Menschen.
Wartende, lesende, telefonierende Menschen. Unzählige Koffer und Taschen. Beschäftigtes
Gemurmel – geschäftiges Treiben. Plötzlich ein Klatschen. Ein
einzelnes, zaghaftes Klatschen
durchbricht die Monotonie des
Flughafenterminals. Die ersten
Menschen schauen aus ihrer Routine auf, lächeln und stimmen
ein. Mit jedem neuen Klatscher
schwillt der Applaus weiter an.
Ohrenbetäubend. Euphorisch.
Die heimkehrenden Soldaten reagieren schüchtern. Manche werden rot oder schauen zu
Boden. Wieder andere lächeln
einfach nur glücklich.
Diese Szene aus dem Werbespot „Welcome home“ lief
während des Superbowl im Jahr
2003. Er ist eines der wichtigsten Sportereignisse in den USA.
Das Finale der nordamerikanischen Footballliga NFL sehen
im Schnitt rund 110 Millionen
Menschen. Eine große Brauerei
bedankt sich bei den amerikanischen Truppen für ihren Dienst:
„Thank you.“ Danke. Damit ist
alles gesagt.
Nicht
ohne Pathos
Solche Szenen kann ma n
pathetisch finden. In Deutschland
finden sie selten statt. Und wenn,
dann meist fernab der Öffentlichkeit, an den militärischen Terminals der Flughäfen. Schon seit
Jahren wünschen Soldaten mehr
gesellschaftliche Anerkennung
für ihren Einsatz und die Härten.
Härten, die sie, ihre Freunde und
ihre Familien während der monatelangen Einsätze durchstehen
müssen.
In den zahlreichen Auslandseinsätzen von Afghanistan über
den Irak bis nach Mali können
Soldaten jederzeit in Extremsituationen geraten, die durch
körperliche und seelische Belastungen zu schwerwiegenden Verwundungen bis hin zum Tod
führen können. Das unterscheidet
den Soldatenberuf von anderen.
Ein international weit verbreitetes
Zeichen der Anerkennung ist die
„Gelbe Schleife“, das „Yellow
Ribbon“.
Warum ausgerechnet
eine gelbe Schleife?
Die Schleife als Symbol ist
nicht neu. Zu den bekanntesten „Ribbons“ gehören die rote
„AIDS/HIV-Schleife“ und die
pinke „Brustkrebs-Schleife“.
Weitere sind lila, schwarz oder
besitzen ein Zebra-Muster. Die
Bedeutungen können sich je nach
Land und Kulturkreis unterscheiden. Auch zur Herkunft der Gelben Schleife gibt es einige Erzählungen.
Das Gedicht
„She wore a
yellow ribbon“ existiert in verschiedenen
Formen seit
mindestens
vier Jahrhunderten. Es wurde
von puritanischen Siedlern
nach Amerika gebracht. Darin
geht es um die Liebe. Und es
geht um eine Frau, die auf die
Rückkehr ihres geliebten Mannes wartet und die Frage: „Wird
sie ihm treu bleiben?“ Die Puritaner trugen gelbe Schleifen an
ihrer Uniform.
Einer weiteren Legende
nach stammt die
Gelbe Schleife
aus dem amerikanischen
Sezessionskrieg. Ein in
Gefangenschaft
geratener Soldat
habe seine Geliebte
gebeten, ein gelbes
„Ich halte das für eine coole Idee, weil auch das, was
dahinter steht, gewürdigt wird. Soldaten als Menschen
sehen, weil auch der persönliche Aspekt wichtig ist.“
Julia Niedermeier, München
„Die gelbe Schleife ist eine gute Sache. Es ist wichtig, dass
Soldaten für ihren Einsatz wertgeschätzt werden.“
Loretta von Plettenberg, Berlin
„Ich finde es wichtig, dass die Soldaten für das Leben
danach unterstützt werden. Es gibt durchaus Erlebnisse,
die man so nur in Einsätzen erlebt.“
Jürgen Peter, Dietzenbach
Tuch an eine Eiche zu binden,
sollte sie ihn wirklich noch lieben.
Gelb ist auch die traditionelle
Waffenfarbe der US-Kavallerie. So trugen viele Soldaten
damals entgegen der Anzugsordnung gelbe Halstücher, um
sich gegen den Staub zu schützen. Ein beliebtes Marschlied aus
dem Jahr 1917 handelt
ebenfalls von
einem gelben
Halstuch.
Die Frau
im Lied
trägt es für
ihre große
Liebe, die
weit, weit weg
ist.
Support
our troops
Der Stoff wurde in den 1970er
Jahren wieder aufgegriffen. So
gelang endgültig der öffentliche
Durchbruch. Mit dem Lied „Tie
a Yellow Ribbon Round the Ole
Oak Tree“ schrieben Irwin Levine
und L. Russell Brown einen
Welthit, der unter anderem von
Tony Orlando eingesungen wurde.
Darin fordert ein heimkehrender
Veteran seine Frau auf, ein gelbes Band an einen Baum zu binden, als Zeichen dafür, dass sie ihn
immer noch zurück will. In dem
Lied findet er bei seiner Heimkehr
hunderte gelber Schleifen.
Auch im Zuge der Geiselnahme
von Teheran im Iran, dort wurden
52 US-Diplomaten 444 Tage lang
als Geiseln festgehalten, galt sie
als Symbol der Solidarität. Während der Golfkriege Anfang der
1990er Jahre erschien die Gelbe
Schleife dann immer öfter zusammen mit dem Slogan „Support
our troops“.
Seit 2007 gibt es die Gelbe
Schleife auch in Deutschland.
Durch die schweren Gefechte
in Afghanistan, besonders nach
den Karfreitagsgefechten im Jahr
2010, erlangt die Gelbe Schleife
auch in Deutschland traurige
Aufmerksamkeit. Sie ist Symbol der Solidarität und Anerkennung und verbreitet sich schnell.
Einige Politiker und verschiedene
Organisationen tragen bei öffentlichen Veranstaltungen die kleinen Pins mit der gelben Schleife
am Revers.
„Netzwerk
der Hilfe“
Seither haben sich zahlreiche
zivile Verbände, Organisationen
und Initiativen unter Moderation
des Bundesministeriums der Verteidigung im „Netzwerk der Hilfe“
zusammengeschlossen, um den
verdienten Rückhalt in der Gesellschaft zu fördern, aber auch konkrete Hilfe und Unterstützung
zu leisten. Hierzu gehören die
Unterstützung von Hinterbliebenen, Begleitung von Soldaten, die
infolge ihres Dienstes nicht mehr
einsatzfähig sind, Betreuungsangebote für die Familien oder Hilfe
für Soldaten mit einsatzbedingten
posttraumatischen Belastungsstörungen.
Innerhalb des Netzwerkes
hat sich im Juni 2014 die vierte
Arbeitsgruppe mit dem Namen
„Maßnahmen zur Erhöhung der
gesellschaftlichen Wertschätzung“ gegründet, deren Kernaufgabe die Vermittlung von Verständnis für die Angehörigen der
Bundeswehr und deren Wertschätzung in der Gesellschaft ist. Die
Arbeitsgemeinschaft hat mittlerweile 19 Mitglieder.
Die Arbeitsgruppe selbst hat
bereits zahlreiche kleine und größere Maßnahmen auf den Weg
gebracht, die eine Steigerung der
gesellschaftlichen Anerkennung
verfolgen. Dazu gehört auch die
Nutzung und Verbreitung des
Symbols der Gelben Schleife.
Die Gelbe Schleife ist ein internationales Symbol für die Verbundenheit mit Soldaten, die im
Ausland und fern der Familien
für ihr Land ihren Dienst leisten. Entscheidend für die heutige
Bedeutung der Gelben Schleife ist,
dass sie ein überparteiliches und
politisch wertungsfreies Symbol
darstellt. Es kann von jedem als
Ausdruck der Solidarität für diejenigen, die sich für die Gemeinschaft einsetzen, getragen werden.
„Die Soldaten müssen den Kopf hinhalten. Die Politik müsste
endlich mehr Geld ausgeben. Die Soldaten verdienen eine
gute Ausrüstung: Flugzeuge, Panzer und gute Verpflegung.“
„Die Bundeswehr ist schon unverzichtbar, um unsere Sicherheit zu gewährleisten. Aber als Außenstehender kann man
das gar nicht so gut nachvollziehen wie jemand, der selber
mal beim Bund war.“
Achim Seybold, Glött
Fotos: Bundeswehr/Jonas Weber (9) ; Grafik: Bundeswehr/Sebastian Nothing
Erwin Krist, Glött
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aktuell
BUNDESWEHR
1. August 2016
Neues CyberCluster entsteht
Die neue Y ist da
Die Eurofighter-Pilotin Nicola
Baumann
will als erste
deutsche
Frau auf die
Internationale Raumstation ISS. Was
ihre Motivation ist und wie
ihre Chancen stehen, lesen
Sie in der Augustausgabe von
Y – Das Magazin der Bundeswehr. Besonders interessant
im Ressort Politik: der Nordafrika-Korrespondent von „Die
Welt“ Alfred Hackensberger
analysiert die Lage im Bürgerkriegsland Libyen und Tom
Göller erklärt die wichtigsten
Fakten zu TTIP. Außerdem:
Y besuchte die Truppe bei
EUTM Somalia und war bei
den Ölaufklärern des Marinefliegergeschwaders 3 über der
Nordsee dabei.
Augen am Himmel
In Israel werden Bundeswehrsoldaten an der Drohne Heron 1 ausgebildet.
Von Matthias Boehnke
Ein Shemer. Lautlos und für
das menschliche Auge nicht zu
sehen: So zieht das ferngesteuerte Luftfahrzeug Heron 1 im
Himmel seine Kreise. Heron
dient als begleitendes System.
Bereits 2010 nutzte die Luftwaffe
das ferngesteuerte Luftfahrzeug
Heron 1 des israelischen Herstellers IAI im Einsatz in Afghanistan. Es ist in der Lage, vor
Konvois zu fliegen und Gefahren frühzeitig zu erkennen. So
können Soldaten rechtzeitig relevante Ziele und Gefahren entdecken, identifizieren, beobachten
und verfolgen.
Elf intensive Wochen
Ausbildung in Israel
Ab November 2016 soll das
System ebenfalls in Mali der
UN Mission MINUSMA (Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission in Mali) eingesetzt werden.
Hauptmann F. und Oberleutnant C. sind auf dem Weg zu
ihrem letzten Ausbildungsflug.
Hinter ihnen liegen elf intensive Lehrgangswochen in Israel.
Durch die Fluglehrer wurde ihnen
beigebracht, das Luftfahrzeug zu
fliegen und die Aufklärungstechnik sicher zu bedienen.
In den ersten vier Wochen
erlernen die Teilnehmer den
komplexen Aufbau der Bodenkontrollstation und des ferngesteuerten Luftfahrzeuges sowie
deren Bedienung. „Gar nicht so
einfach für einen Objektschützer
der Luftwaffe, sich nun im dreidimensionalen Raum zurechtzufinden“, beschreibt Hauptmann
A. die Herausforderung für ihn
und scherzt: „Deswegen hatte
ich in der Schule Physik relativ
früh abgewählt.“ Seine Aufgabe
im Team: Tactical Operator. Er
bedient die Kameras, berechnet
alle wichtigen Daten wie Größe
und Geschwindigkeit und bewertet die Lage. Er sitzt an seiner
Konsole direkt neben der des
Piloten. Dieser steuert das Flugzeug an einer speziell ausgelegten Benutzeroberfläche oder mittels eines Steuerknüppels.
Vollautomatische
Starts und Landungen
Danach beginnt mit der Simulatorphase die praktische Ausbildung. Die Sicherheit im Umgang
mit dem Luftfahrzeug und den
jeweiligen Sensoren soll damit
geschult werden. Neben der normalen Bedienung werden verschiedene Notverfahren simuliert,
die im Betrieb eines Luftfahrzeuges auftreten können. Mit einem
einwöchigen Teamtraining endet
die grundlegende Ausbildung in
Israel.
Der Heron 1 ist fähig, vollautomatisch zu fliegen. Starts und
Landungen erfolgen im normalen
Flugbetrieb ausschließlich vollautomatisch. Für die Navigation
wird GPS benutzt und die Drohne
fliegt dann eine vorprogrammierte
Route. Die maximale Einsatzhöhe
beträgt etwa 9000 Meter, wobei
die typische bei circa 3000 Meter
liegt. Durch ihre flexible technische Ausstattung kann sie Tag
und Nacht aufklären. Zur Steuerung werden die Befehle entweder über eine direkte Funkverbindung, wozu Sichtverbindung
notwendig ist, oder über einen
Satellitendatenlink übertragen –
große Entfernungen oder bergiges
Gelände sind damit kein Problem.
Für die frischausgebildeten
Drohnenpiloten ist es aber dennoch eine Umstellung. „Es fehlen die typischen Eindrücke aus
einem Flugzeug: Vibrationen,
G-Kräfte, Gerüche und Geräusche“, erklären sie. „Aber dafür
kann man zum Beispiel mit der
Infrarot-Kamera bei Nacht sehen
oder mal eben einen Techniker
in die Bodenstation rufen, wenn
es größere technische Probleme
gibt.“
Ein Videobeitrag der Bundewehr
zum Drohne Heron 1 unter:
www.youtube.com/bundeswehr
Kick-off für mehr Behaglichkeit
Soldaten testen bis Ende 2017 das neue Mobiliar für mehr als 50 000 Stuben.
Berlin. Mit dem neuen Mobiliar
für die Unterkünfte der Truppe,
wie es in der Agenda Attraktivität beschrieben wird, geht es
voran. Auf einer Kick-off-Veranstaltung wurde am vergangenen Donnerstag in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin offiziell die
Testphase gestartet. Elke Nitsch
und Jens Altenburg vom federführenden Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen (BAIUDBw) in Bonn,
hatten das Treffen organisiert und
dazu 27 Vertreter aus der Truppe
und die sie unterstützenden Bundeswehr-Dienstleistungszentren
in Berlin versammelt.
Die Entscheidung über den Produzenten der Möbelserie steht
noch aus. Eine Firma aus Franken und eine aus Westfalen sind
in der entscheidenden Schlussrunde. Die Entscheidung wird
Foto: Bundeswehr/Christian Thiel
Koblenz. Mit dem neu geschlossenen Vertrag „Zwischenlösung
Bekleidungsmanagement“ zwischen dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik
und Nutzung der Bundeswehr
(BAAINBw) und der LH Bundeswehr Bekleidungsgesellschaft (LHBw) wird die LHBw
ihr bestehendes Geschäftsmodell an modernen Standards in
vergleichbaren Dienstleistungsunternehmen ausrichten. Die
LHBw GmbH ist der Dienstleister der Bundeswehr im Bereich
der Bekleidung und persönlichen Ausrüstung. Der Vertrag
mit einem Gesamtvolumen von
circa 850 Millionen Euro tritt am
1. August 2016 in Kraft und läuft
bis zum 31. Dezember 2020. Mit
diesem sollen die Versorgungssicherheit, die Qualität der Waren
und Dienstleistungen sowie die
Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung gesteigert werden. (eb)
Volle Konzentration: Die Piloten der Bundeswehr (l.) steuern das Luftfahrzeug Heron 1 (o.).
Foto: Bundeswehr/Jonas Weber
Neuer Vertrag für Bekleidungsmanagment
Fotos: Bundeswehr/Susanne Hähnel (2)
Neubiberg. Das größte Forschungszentrums für den CyberRaum der Bundeswehr entsteht.
Das gab die Präsidentin der Universität der Bundeswehr München Professor Merith Niehuss
bei der Pressekonferenz zum
Thema „Cyber-Defence” am vergangenen Donnerstag bekannt.
Auf dem Campus wird in den
nächsten Jahren ein neues bundesweit einzigartiges Cyber-Cluster
entstehen sowie ein neuer internationaler Master-Studiengang
„Cyber-Sicherheit“ etabliert. (eb)
Testphase gestartet: Veranstalter Jens Altenburg ist zufrieden (r.).
bis Jahresende fallen, wer den
millionenschweren großen Auftrag erhalten wird, um mehr als
50 000 Stuben in der Bundeswehr
zu möblieren.
Das Wachbataillon BMVg in
Berlin, das Panzergrenadierlehrbataillon 92 in Munster, das Karrierecenter der Bundeswehr in
Mainz, das Artilleriebataillon 295
in Stetten am kalten Markt und
die Sanitätsakademie der Bun-
deswehr in München sind ausgewählt, in ihren Unterkünften insgesamt 50 Stuben mit dem neuen
Mobiliar einzurichten und auf
Herz und Nieren ein Jahr lang
zu testen.
Während die jeweils zuständigen Dienstleistungszentren mit
ihren Liegenschaftsmitarbeiter dafür sorgen, dass die Stuben durch externe Monteure entsprechend eingerichtet werden,
wird unter Führung von Professor Thorsten Ober von der Hochschule Rosenheim und dem dort
beheimateten Institut für Möbeltechnik bis zum Ende des Jahres 2017 genau hingeguckt, ob
sich das Mobiliar im Praxisbetrieb bewährt. Unterstützt wird
er vom erfahrenen Gutachter in
Sachen Möbeltechnik Wilfried
Gatzke aus Hamburg.
Dieser Praxisbetrieb ist
bestimmt von so unterschiedlichen Einflussfaktoren, wie etwa
dem dienstlichen Leben in der
Grundausbildung, oder dem
Zusammensein in einer Stammeinheit, in Lehrgangseinrichtungen und Bewerberunterkünften.
Die dort untergebrachten Soldaten sollen das neue Mobiliar
bewerten, damit bei Aufnahme
der Großserie die Kinderkrankheiten beseitigt sind.
(dibu)
ZOOM
aktuell
9
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Verbrechersyndikate
Fotos: ullstein Bild (4)
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1. August 2016
Nach der Gewalt: Neugierige am Schlesischen Bahnhof in Berlin, wo es zu einer Straßenschlacht zwischen dem „Ringverein Immertreu“ und Hamburger Zimmerleuten kam.
Von Björn Müller
D
ie Anfänge von Deutschlands einst mächtigstem Verbrechernetzwerk sind bescheiden. Im Jahr 1890 trifft sich eine
Handvoll Kleinkrimineller in der
„Schnurrbartdiele“, einer Spelunke nahe dem Hackeschen
Markt in Berlin. Die Versammelten beraten darüber, wie sich die
soziale Misere der Ganoven und
ihrer Familien verbessern ließe.
Nach Haftentlassungen stehen
die meisten vor dem Nichts. Am
Ende gründet sich der „Reichsverein ehemaliger Strafgefangener“. In diesen Jahren finden sich
Selbsthilfegruppen von Kriminellen zusammen, ganz im Zeitgeist der „Vereinsmeierei“ des
Deutschen Kaiserreichs. Nach
außen firmieren die Ganovengruppen oft als Spar- und Lotterievereine. Im Volksmund heißen sie bald „Ringvereine“, mit
Bezug auf den engen internen
Zusammenhalt.
Versicherung
für Kriminelle
Die Aufgabe der „Ringvereine“ ist zunächst die soziale
Absicherung ihrer Mitglieder.
Einbrecher, Zuhälter und andere
Kriminelle zahlen fünf bis zehn
Prozent ihrer Gewinne in die
Vereinskasse. Aus dieser werden
dann ihre Familien versorgt, sollten sie in Haft geraten. Bezahlt
werden auch Arztbesuche oder
das Begräbnis. Wer aus dem
Gefängnis kommt, erhält über
das Vereinsnetzwerk einen Job,
oft im Gastronomiegewerbe. Dort
gibt es einen ständigen Bedarf an
Servicekräften wie Spucknapfleerern oder Rausschmeißern. Die
„Ringvereine“ geben sich gerne
klangvolle Namen wie „Apachenblut“ oder „Deutsche Kraft“.
Von Sozialvereinen entwickeln sie sich zu einem effizienten Netzwerk organisierter Kriminalität, das in Deutschland
davor und danach seinesgleichen
sucht. Die „Ringvereine“ kontrollieren vor allem die Prostitution
und mittels Schutzgeld auch Restaurants und Amüsierbetriebe.
Einige spezialisieren sich auf
den aufkommenden Rauschgift-
handel. Zentrum der „Ringvereine“ ist Berlin. Ende der 1920er
Jahre sind schätzungsweise
62 Vereine mit rund 1600 „Brüdern“ in der Hauptstadt tätig.
Aber auch in weiteren Städten,
wie Kassel und Dresden, gibt es
die Verbrechervereine. Sie organisieren sich reichsweit in regionalen Strukturen wie dem Norddeutschen- und Mitteldeutschen Ring.
Als eine Art Dachverband fungiert der
„Ring Großdeutschland“. Inwieweit die
Deutschen Gangs-
ter auch international vernetzt
sind, ist bis heute nicht erforscht.
In der New York Times vom
13. Januar 1929 heißt es: „German gangs are probably better
organised than any others“. Die
„Ringvereine“ sind straff geführt
mit einem Vorstand, Kassenwart
und klaren Vereinsregeln. Diese
legen beispielsweise Geldstrafen
fest, wenn ein „Bruder“ einer offi-
ziellen Vereinsfeier fernbleibt.
Diese finden meistens unter einer
Vereinsfahne nebst Wahlspruch
in Stammlokalen statt.
Auf die Blüte folgt
der abrupte Fall
Ihre Blütezeit erleben die Ringvereine in der Weimarer Republik. In dem von politischen
neiden, Hasser
„Lass Neiderhassen,
was Gott uns gönnt,
muss man un
s lassen.
“
und Wirtschaftskrisen gebeutelten Staat wächst der Polizei die
Verbrechensbekämpfung über
den Kopf. Mit ihrer Disziplin
und Fürsorge sorgen die „Ringvereine“ für ein wenig Einhegung der Kriminalität und erfahren eine gewisse Duldung der
Staatsmacht. Es gibt sogar Kontakte dorthin. Eine „halb-offizielle Fühlung“ nennt das Karl ZörIn Haft: Albrecht Höhler (l.u.M.) wurde bekannt wegen der Tötung des SA-Führers Horst Wessel. Er war
giebel, Berlins Polizeipräsident
Mitglied im „Ringverein Immertreu“. Wahlsprüche waren unter den „Ringvereinen“ verbreitet (rechts). von 1926 bis 1930. Das Ende
der „Ringvereine“ kommt abrupt
und brutal, als die Nazis 1933 an
„Die Schlacht am Schlesischen Bahnhof“
die Macht kommen. Im Zuge der
„Gleichschaltung“ werden die
Am 29. Dezember 1928 kommt es im Gebiet um zuvor hatte ein Hamburger Zimmermann einen
missliebigen Organisationen aufden heutigen Ostbahnhof in Berlin (damals Schle- „Bruder“ des „Ringvereins Nordpiraten“ erstogelöst. Mithilfe der Vereinsregissischer Bahnhof) zu einer Massenschlägerei mit chen. Die Berliner Ringe wollen Rache und schiter verfolgen SS und Gestapo die
Toten. Rund 200 Berliner Ringbrüder und 40 Ham- cken ein Rollkommando zur Kneipe der HandRingbrüder gnadenlos und brinburger Handwerksgesellen prügeln sich. Zum Ein- werker. Als „Schlacht am Schlesischen Bahnhof“
gen sie in Konzentrationslager,
satz kommen Totschläger, Messer, abgebrochene betiteln die Zeitungen den beispiellosen Vorfall.
wo die Meisten ermordet werFlaschenhälse. Am Ende wird sogar geschossen. Durch ihn wird erstmals die breite Öffentlichkeit in
den. Versuche, die „Ringvereine“
Der Anlass: Bei einer Wirtshausprügelei am Tag Deutschland auf die „Ringvereine“ aufmerksam.
nach dem Zweiten Weltkrieg wiederzubeleben, bleiben erfolglos.
10
aktuell
SPORT
„Rio rocken“
Turnerinnen der Bundeswehr wollen ins Finale.
Frankfurt/Main. Mit begeisternden Eindrücken von Pop-Queen
Beyoncé bestiegen die Hauptgefreiten Elisabeth Seitz und Sophie
Scheder kürzlich mit dem restlichen Olympia-Team der deutschen Turner den Flieger nach
Rio de Janeiro. Die Show des
Superstars in Frankfurt/Main
war sowohl musikalisch als
auch atmosphärisch ganz nach
dem Geschmack der Riege von
Chefbundestrainerin Ulla Koch.
„Wenn sich alles immer nur um
den Wettkampf dreht, kann das
auch zur Belastung werden, und
man ist nicht mehr locker genug“,
sagt Seitz: „Das Konzert war deshalb nochmal ein schönes Highlight.“
Das Olympiafinale
fest im Blick
Der tatsächliche Höhepunkt
wartet auf die Sportsoldatinnen
natürlich erst in Rio. „Wir sind
völlig auf die Qualifikation
fokussiert“, blickte die 19-jährige
Scheder vor dem Abflug schon
auf den wegweisenden Wettkampf. Als erste deutsche FrauenMannschaft nach der Wiedervereinigung will das Duo mit seinen
Kameradinnen, zu denen auch die
künftige Sportsoldatin Pauline
Schäfer zählt, ein olympisches
Team-Finale erreichen. „Das
ist für uns alle das Wichtigste,
alles andere sind Zugaben“,
beschreibt Scheder die Ambitionen. Zugleich wollen die Turnerinnen in möglichst viele Einzelgeräte-Finals einziehen. Die
frühere Gesamtweltcup-Siege-
rin Seitz rechnet sich bei ihren
zweiten Sommerspielen nach
London 2012 mindestens ebensolche Endkampf-Chancen am
Stufenbarren aus wie OlympiaDebütantin Scheder. Das Finale
am Schwebebalken hat sich auch
die Weltmeisterschafts-Dritte
und angehende Sportsoldatin
Schäfer für ihre olympische Premiere zum Ziel gesetzt.
Die Aufgabe fordert
Top-Leistungen
Die Vorbereitung lief nahezu
optimal. Bis auf eine Erkältung
blieben Kochs Schützlinge sorgenfrei, und bei der Generalprobe
in einem Länderkampf in Chemnitz zeigten alle beeindruckende
Leistungen. Auch der im Turnen
mitunter schwer herzustellende
Zusammenhalt stimmt. „Der Mix
ist optimal, wir sind wirklich eine
Einheit“, meint Seitz. Mit Blick
auf die persönlichen Eitelkeiten
ihrer Turnerinnen ist Trainerin
Koch vom Teamgeist geradezu
verzückt: „Wir haben fünf Prinzessinnen, und die Mannschaft
ist die Queen.“
Bei allem Selbstvertrauen verlangt die Aufgabe am Zuckerhut
mehr als nur eine Topleistung
in der Halle. Schäfer, die 2015
mit Bronze die erste WM-Medaille für eine deutsche Turnerin
am Schwebebalken seit 34 Jahren gewann, will bis zum Ende
der Wettkämpfe auf Tunnelblick
schalten: „Elisabeth hat uns von
London erzählt. Es werden sicher
unzählige Eindrücke auf uns einprasseln. Da muss man gut aufpassen, fokussiert zu bleiben.“
Nach Rio steht für die 19-Jährige, die schon den nach ihr
Fotos: Bundeswehr/Roberto Pfeil (5)
Von Dietmar Kramer
Fotos Roberto Pfeil
Auf den Balken – fertig – los: Das Trio der Bundeswehr-Turnerinnen hat eine perfekte Vorbereitung
für die Olympischen Spiele in Rio hinter sich und geht fokussiert in die Wettkämpfe in Brasilien.
benannten Seitwärts-Salto mit
halber Drehung kreierte, die Aufnahme in die Sportfördergruppe
Todtnau an. Schäfer ist für die
Unterstützung der Bundeswehr
dankbar: „Das ist ein guter Weg
auch wegen der vielen Möglichkeiten. Als Sportsoldat kann ich
mich aber vor allem ausschließlich auf den Sport konzentrieren.“
Aber das ist noch Zukunftsmusik: „Erst wollen wir Rio rocken.“
Die wichtigsten 4000 Meter der Karriere
Frankfurt/Oder. Der deutsche
Bahnradsport ist wieder dort, wo
er hingehört: auf der olympischen Bühne. Die deutsche Verfolgungsmannschaft der Männer ist in Rio angekommen und
hat alle Chancen, am 11. und 12.
August im Velodrom unter die
besten Sechs zu kommen. Für
ihr Ziel trainierten Oberfeldwebel
Henning Bommel, Stabsunteroffizier (FA) Kersten Thiele, die
Hauptgefreiten Nils Schomber
und Domenic Weinstein sowie
Stabsunteroffizier (FA) Theo
Reinhardt als Reservefahrer
zuletzt besonders hart.
Bei den Sportlern, die im
Olympiastützpunkt Frankfurt/
Oder den letzten Schliff erhielten,
herrscht Vorfreude und absolute
Konzentration. „Olympia ist der
größte und wichtigste Sportwettkampf der Welt und für mich als
Sportsoldat etwas ganz Besonderes“, sagt Bommel. Der 33-jährige Deutsche Meister von 2015
stellt hohe Ansprüche an sich:
„Von mir erwarte ich, dass ich in
der Form meines Lebens bin und
einen super Wettkampf abliefern
kann.“ Zudem verlassen sich die
Sportler auf den Teamgeist, der
die Bahnradsportler eng zusammengeschweißt hat.
Auch die Bundeswehr leistet ihren Beitrag zum Erfolg der
Spitzensportler. „Die Bundeswehr stärkt mir den Rücken und
gibt mir die Freiheit, die ich brau-
Foto: Bundeswehr/Dmitri Steitz
Die Bahnrad-Verfolgungsmannschaft startet mit fünf Sportsoldaten bei den Olympischen Spielen.
Highspeed: Nils Schomber startet in Rio für die Bundeswehr.
che, um meinen Sport machen zu
können. Das ist sehr angenehm“,
sagt Thiele. Der 23-jährige Göt-
tinger ist seit 2011 Sportsoldat.
Beim Weltcup 2015 im kolumbianischen Cali gewann er Gold
im Zweier-Mannschaftsfahren.
Die 4000-Meter-Mannschaftsverfolgung gilt als die Königsdisziplin des Bahnradsports.
Neben der Leistung jedes Einzelnen ist die perfekte Abstimmung untereinander entscheidend. Genau das ist die Stärke
des Bundeswehr-Quintetts. „Alle
sind gesund und ich bin positiv
gestimmt, dass wir schnell sein
werden“, sagt Bundestrainer
Sven Meyer. Er hat seine Mannschaft intensiv vorbereitet. In Rio
gilt es für die Sportsoldaten nun,
die wichtigsten 4000 Meter ihrer
Karriere mit über 60 Kilometern
pro Stunde in möglichst unter
vier Minuten zu fahren. Dann ist
auch eine Medaille drin. (ds)
1. August 2016
SOZIALES / PERSONAL aktuell 11
Unterwegs als mobiler Berater
René Hartig beantwortet als Infotruck-Feldwebel Fragen zur Karriere bei der Bundeswehr.
acht Jahre in Uniform auf dem
Buckel haben. Nur wer weiß, wie
sich ein Auslandseinsatz anfühlt,
kann glaubwürdig beraten.“
Er selbst war zwischen 1998
und 2010 vier Mal im Auslandseinsatz – alles in allem 558 Tage.
Diese Zeiten sind vorbei, dafür
ist er jetzt oft wochenlang in
Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Thüringen unterwegs, getrennt
von seiner Familie. Vor allem
in der Findungs- und der Bewerbungsphase, jeweils rund vierzehn Wochen vor und nach den
Sommerferien, verbringt er seine
Zeit größtenteils im Truck und
in Hotels.
Gotha. Nein, studieren wolle
er nicht, erklärt der 17-jährige
Elias, der mit seinen Eltern zum
Karrieretruck auf dem Tag der
offenen Tür in der FriedensteinKaserne in Gotha gekommen ist.
Aber eine Ausbildung zum KfzMechatroniker, das wäre was
für ihn.
Für Hauptfeldwebel René
Hartig, der als „Leiter mobile
Einsatzmittel“ oder kurz Infotruck-Feldwebel, Fragen zur Karriere bei der Bundeswehr beantwortet, ist der Elftklässler der
perfekte Gesprächspartner: Der
junge Mann weiß schon ungefähr, was er will, hat aber noch
ein paar Fragen. Systematisch
klopft Hartig Elias’ Interessen
ab, fragt, ob er lieber eine Uniform tragen oder doch die zivile
Laufbahn einschlagen möchte
und erklärt ihm die verschiedenen Optionen – vom freiwilligen Wehrdienst bis hin zu den
verschiedenen Laufbahnen als
Soldat.
Authentisch und
ehrlich informieren
Wie immer nennt er dabei Karrierechancen, verschweigt aber
auch die Schattenseiten nicht:
Wo der spätere Dienstort ist,
wisse zum Beispiel niemand –
zudem könnten Interessenten
ziemlich sicher mit Auslandseinsätzen rechnen. „Wir skizzieren
Fotos: Bundeswehr/Sebastian Wilke (4)
Von Judith Bexten
Fotos Sebastian Wilke
Mobile Karriereberatung: Der 22-Tonnen schwere Infotruck im neuen Design, mit olivgrünen Polygonen und aktuellem Kampagnen-Slogan. Hauptfeldwebel René Hartig (u.M.) gehört zum Beraterteam.
ehrlich, was auf die Bewerber
zukommt“, erklärt Hartig.
„Wir“, das sind beim Tag der
offenen Tür außer Hartig noch
Hauptfeldwebel Mark Baumgart, Hauptfeldwebel Christina
Kretschmann und Regierungsamtsrätin Cornelia Michel. Zu
viert beantworten sie die vielfältigen Fragen der Besucher:
Von der Schülerin, die sich erst
einmal grundsätzlich informieren will, bis zum Bewerber auf
Wiedereinstellung. „Ich kann
im Vorfeld nicht sagen, was
an einem Tag wie diesem passiert“, sagt Hartig. Aber das ist
es auch, was ihm Spaß an der
Arbeit macht – seiner Traumverwendung, wie er betont. „Ich bin
viel unterwegs und lerne viele
Leute kennen“, freut er sich. Und
die Zusammenarbeit mit Detlef
Morgenstern, dem Fahrer des
Trucks, funktioniere bestens.
Das ist wichtig, denn nur, wenn
jeder Handgriff sitzt, können die
beiden den Truck reibungslos am
jeweiligen Standort aufbauen.
Je nach Zweck und Untergrund
dauert das bis zu zweieinhalb
Stunden.
Die Berufe, zu denen Fragen kommen können, kennt
Hartig aus dem Effeff; Fragen
zur Truppe kann der Gebirgsjäger zum großen Teil aus eigener Erfahrung beantworten. „Das
ist der Grund, warum alle militärischen Karriereberater mindestens Ober- aber meist Hauptfeldwebel sind, also wenigstens
Truck wird zum
Klassenzimmer
Steht der Truck beispielsweise in den Berufsorientierungswochen an einer Schule,
wird er mithilfe von 26 Stühlen
zum Klassenraum. 45 Minuten
dauert jeweils ein Vortrag. Meist
berät das mobile Team fünf bis
sechs Stunden lang. In die Tiefe
gehen können die mobilen Einsatzleiter dabei allerdings nicht.
„Wir wecken das Interesse bei
den jungen Leuten und leiten sie
an die zuständige Karriereberatung weiter.“
Wenn dann ein paar Monate
später ein junger Kamerad auf
ihn zukommt, stolz seine Uniform zeigt und sich für die Beratung bedankt – „dann wissen wir,
dass wir alles richtig gemacht
haben“, freut sich Hartig.
Auf Achse – ein Truckerleben bei der Bundeswehr
Leipzig. Ohne Detlef Morgenstern wäre der Infotruck-Feldwebel René Hartig aufgeschmissen:
Der 56-Jährige ist „Kraftfahrer
und Medienhelfer“ und fährt den
22 Tonnen schweren Leipziger
Infotruck. Außerdem hat er die
Technik unter der Motorhaube
und im Innenraum des Trucks
fest im Griff. Seit 2006 macht
er das bereits – mit Leidenschaft.
„Ich bin gern unterwegs“, sagt
der ausgebildete Meister der
Kfz-Instandsetzung. „Ich habe
auch mal in der Werkhalle gearbeitet, aber das war nichts für
mich.“
Der Sachse war schon bei der
Nationalen Volksarmee (NVA)
Kraftfahrer, wo er zehn Jahre
lang als Zeitsoldat gedient hat,
und als Zivilbeschäftigter geblieben ist. Nach der Wende bewarb
er sich bei der Bundeswehr und
wurde direkt übernommen.
Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke
Detlef Morgenstern sitzt am Steuer des 22-Tonnen schweren Info-Trucks der Bundeswehr.
Anfangs fuhr er nur aushilfsweise
die Trucks. Heute gehört er zur
Stammbesatzung. „Technik hat
mich schon immer interessiert“,
sagt er. „Durch die Truckarbeit
lerne ich zudem viele Leute kennen – das macht mir Spaß.“
Wenn er nicht den 279-PS starken Info-Truck über die Straßen
Mitteldeutschlands bewegt, ist
der bekennende Familienmensch,
Ehemann und Vater von einem
Sohn, 33, und einer Tochter, 31,
auch gern zu Hause oder in seinem liebevoll gepflegten Garten,
trifft sich mit der Verwandtschaft
und freut sich über ein gutes
Essen: „Ein schöner Grillabend
oder auch ein Teller Makkaroni
mit Gulasch, dazu kann ich nicht
nein sagen.“
Früher ist Detlef Morgenstern
in seiner Freizeit viel Fahrrad
gefahren, aber derzeit beansprucht ein neues Hobby ihn
nahezu komplett: Gemeinsam
mit seiner Frau, seiner Tochter
und deren Partner hat er sich ein
älteres Haus zugelegt, das die
Familie jetzt gemeinsam ausbaut.
Immer mit dabei: die große Verwandtschaft, zu der er ein enges
Verhältnis pflegt. Und die Hündin Sophie, die sich freut, wenn er
zwischen den Infotruck-Einsätzen mal daheim ist. „Dann gehen
wir ausgiebig laufen, das hält uns
beide fit!“
(jub)
Welches Talent besitzen Sie?
Auf andere eingehen und gegebenenfalls einen anderen Weg gehen,
als man sich eigentlich vorgestellt hat.
Welche Eigenschaft schätzen Sie an einem anderen Menschen
am meisten?
Wenn jemand offen und ehrlich ist.
Welche Person bewundern Sie am meisten?
Ich bewundere meine Frau, weil sie das Familienleben so gut im Griff
hat, obwohl ich so viel unterwegs bin – und weil sie
Verständnis dafür hat, was ich tue.
Was macht sie stolz?
Meine Familie und was aus meinen beiden erwachsenen Kindern
geworden ist.
Auf welchen Gegenstand können Sie in Ihrem täglichen Leben
nicht mehr verzichten?
Auf mein Handy, damit bin ich für meine Familie immer erreichbar, auch wenn ich unterwegs bin. Jeden Abend um neun Uhr wird
angerufen.
Was würden Sie mit einem Millionengewinn machen?
Ich würde uns Extra-Wünsche für das Haus erfüllen.
12
aktuell
VERMISCHTES
1. August 2016
Von Antje Laenen
Selbstlosigkeit ist
selten der Antrieb
Doch so nobel die Umstellung
vom Haben zum Teilen erscheint,
unproblematisch ist das Konzept
nicht gänzlich. Es hapert an der
Umsetzung und den kommerziellen Interessen der Anbieter.
Das Übernachtungsportal
„Airbnb“ ist dafür ein prominentes Beispiel. Weltweit können
Privatleute hier Wohnraum vermieten. Es locken die Tipps von
Einheimischen am Küchentisch
statt der bunten Touristenführer
016
30/2
Von der Vision
des Teilens
Grafik: Bundeswehr/Daniela Prochaska
Berlin. Mit „BlaBlaCar“ zum
Urlaubsort, statt im Hotelbett
wird via „Airbnb“ übernachtet
und falls das Strandkleid
nicht mehr passt, kann es über
„Zamaro“ gegen ein anderes
getauscht werden. Während der
eine bei solchen Begriffen zum
Wörterbuch greifen will, ist der
andere schon Teil der sogenannten „Share Economy“ (engl.:
Ökonomie des Teilens). Rund
um den Globus wird getauscht,
geliehen, geteilt. „Sharing“ ist
en vogue. Das Konzept ist einfach: Fremde stellen sich gegen
Geld oder immaterielle Güter
gegenseitig Dienstleistungen
oder Gegenstände zur Verfügung. Über das Internet finden
sich Anbieter und Interessenten schnell wie nie. Im Vordergrund stehen dabei die zwischenmenschlichen Beziehungen.
Die Lobeshymnen auf das „Sharing“ werden von der Realität eingeholt.
in der Hotellobby. Die Intention
von Privatpersonen, ihr Schlafzimmer mit Fremden zu teilen,
ist aber leider oft finanzieller,
selten selbstloser Natur.
Neben dem gesellschaftlichen
Aspekt wird die Ökonomie des
Teilens oftmals für ihre Nachhaltigkeit gepriesen, das Auto
zum Makel erklärt. Durchschnittlich stehen die Reifen 23 Stunden am Tag still, heißt es. Warum
ein Auto kaufen, wenn im Stadtgebiet rund um die Uhr Mietautos bereitstehen? Vor allem
Angebote wie „DriveNow“,
„Car2Go“ oder Mitfahrgelegenheiten wie „BlaBlaCar“ werden
in Deutschland immer populärer.
Per Smartphone-App oder Internet werden verfügbare Fahrzeuge
und Fahrer angezeigt. Auch der
Fuhrparkservice der Bundeswehr stellt ein eigenes Carsharing-Angebot bereit. „BwCarsharing“ steht nicht nur Angehörigen
der Bundeswehr, sondern jedem,
der im Besitz eines Führerscheins
ist, zur Verfügung.
Mittel zum Zweck –
nutzen statt besitzen
Dabei will die „Share
Economy“ mit ihrem vorgeblich moralischen Ansatz punkten: der löbliche Gedanke des
Teilens. Der gemeinschaftliche Konsum erweitert nicht nur
unseren Bekanntenkreis, sondern hilft überdies Umwelt und
Geldbeutel. Prominente Verfech-
terin der Idee ist die Amerikanerin Rachel Botsman, die die
neue Ökonomie mit dem Blick
in den Werkzeugkasten erklärt:
„Es werde nicht der Bohrer per
se benötigt, sondern das Loch
in der Wand. Der Bohrer muss
dazu nicht zwingend gekauft
werden, er kann auch geliehen
werden. Es geht um Nutzen, statt
Besitzen. Dieses Verhalten ist
ressourcensparend, deswegen
umweltbewusster. Mit Foodsharing beispielsweise könnte
der übrig gebliebene Gemüseeintopf auf des Nachbarn Teller
anstatt im Mülleimer landen.“
Doch nicht nur aus finanzieller
Sicht hat die Sharing-Medaille
zwei Seiten: Einerseits wird
zwar am neuen Auto gespart,
andererseits wird das nun vorhandene Geld in neue Gegenstände investiert, beispielsweise
in einen neuen Fernseher oder in
ein anderes Handy. Oder auch
einen Flug nach Übersee. Die
Auswirkungen auf Umwelt und
Kontostand sind dadurch nicht
geringer.
Das heißt, die Einsparung
von Ressourcen wird an anderer Stelle wieder aufgewogen.
Haben sich zwei Tauschfreudige
auf Plattformen wie „Zamaro“
gefunden, müssen die Kleider
versandt werden. Der Unterschied an Verpackungsmengen und Transportwegen ist im
Vergleich zu herkömmlichen
Onlineshops marginal. Ähnlich ergeht es auch dem Gartenfreund, der erst mit dem Auto
zum geliehenen Rasenmäher
fahren muss. So hebt sich das
„Leihen statt Kaufen“-Potential
wieder auf.
„Sharing is caring“ –
ist das so?
Auch „Airbnb“ steht immer
öfter in der Kritik. Negative Auswirkungen auf das ohnehin schon
knappe Angebot von Wohnraum
in Großstädten werden dem
Unternehmen zur Last gelegt.
Kommerzielle Anbieter stellen
über die Seite Zimmer zur Verfügung, die sie so eher vermieten können, als auf Hotelplattformen. Da bleibt wenig übrig
vom vertrauensvollen Charakters des Teilens.
SUDOKU
Vi
el G
Senden Sie die vier Lösungszahlen,
lück
die sich aus den farbigen Feldern
!
ergeben, per E-Mail mit dem Betreff
„Sudoku 30/2016” und Ihrer Postanschrift an:
[email protected]
Einsendeschluss:
Sonntag dieser Woche
Zu gewinnen:
APC Mobile Power Bank 10 000 mAh
Dieser externe Zusatzakku für Smartphones und
Tablet-PCs bietet bis zu vier Ladevorgänge für unterwegs.
Lösung 28/2016: 5 1 7 2
Gewonnen hat: Franz Xaver Forster
Spielregeln: Füllen Sie das Raster mit den Zahlen von 1 bis 9. In jeder Zeile und jeder Spalte darf jede Zahl nur einmal vorkommen.
Zudem kommt auch in jedem 3 x 3 Feld jede Zahl nur einmal vor. Doppelungen sind nicht erlaubt.
Aus allen richtigen Einsendungen wird der Gewinner ausgelost. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.