BDI-FS Manual - Pearson Assessment

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BDI-FS Manual - Pearson Assessment
Aaron T. Beck, Robert A. Steer und Gregory K. Brown
Beck Depressions-Inventar – FS
deutsche Bearbeitung
Manual (1. Auflage)
Sören Kliem, Hannover
Elmar Brähler, Leipzig
Beck Depressions-Inventar – FS (BDI-FS)
Manual
Bearbeiter der deutschen Ausgabe: Sören Kliem, Elmar Brähler
1. Auflage 2013
Copyright © 2000 Aaron T. Beck. Alle Rechte vorbehalten.
Deutsche Übersetzung © 2013 Aaron T. Beck. Alle Rechte vorbehalten.
Veröffentlichung und Vertrieb erfolgen exklusiv über die Pearson
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Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis.....................................................................................4
Tabellenverzeichnis............................................................................................5
Danksagung.......................................................................................................6
1Entwicklung.............................................................................................7
1.1Einleitung..............................................................................................7
1.2 Geschichte..............................................................................................9
1.3 Reihenfolgeeffekte und Vergleichbarkeit mit dem BDI-II............11
1.4 Klinische Anwendung.......................................................................12
1.5 Bisherige Studien zum BDI-FS.........................................................13
1.6 Bisherige psychometrische Befunde zum BDI-FS.........................15
1.6.1 Reliabilität.................................................................................15
1.6.2 Validität......................................................................................17
1.6.3 Diagnostische Diskriminationsfähigkeit...............................18
1.6.4 Änderungssensitivität.............................................................19
1.6.5 Zusammenhänge mit soziodemografischen Merkmalen....20
1.6.6 Zusammenhänge mit somatischen Erkrankungen.............21
1.6.7 Zusammenfassung...................................................................21
2.Anwendung und Auswertung......................................................22
2.1 Grundüberlegungen..........................................................................22
2.1.1 Testbedingungen......................................................................22
2.1.2 Bearbeitungszeit.......................................................................22
2.1.3 Selbstständige Anwendung mit schriftlicher
Instruktion.................................................................................22
2.1.4 Anwendung mit mündlicher Instruktion.............................23
2.1.5 Gedächtnis und Antworttendenzen......................................24
2.2 Auswertung.........................................................................................25
2.2.1 Auswertung der Fragebogenwerte........................................25
2.2.2 Interpretation der Testergebnisse..........................................25
2.2.3 Klassifikation auf Basis eines Schwellenwertes...................26
2.2.4 Klassifikation auf Basis vorliegender Symptome................29
3.Psychometrische Eigenschaften
des deutschen BDI-FS.....................................................................30
3.1 Stichprobenbeschreibung..................................................................30
3.2 Werteverteilung..................................................................................32
3.3 Gütekriterien.......................................................................................33
3.3.1 Objektivität................................................................................33
3.3.2 Reliabilität.................................................................................34
3.3.3 Validität......................................................................................35
3.3.4 Zusammenhänge mit Stichprobenmerkmalen....................38
4.Normwerte.............................................................................................40
4.1 Prozentränge und T-Werte................................................................40
4.2 Bestimmung eines Konfidenzintervalls..........................................41
4.3 Kritische Differenzen.........................................................................42
4.4 Reliable Veränderung........................................................................42
4.5 Fazit .....................................................................................................44
Literaturverzeichnis...............................................................................45
Anhang: Normtabellen ........................................................................52
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:Transformation von BDI Fast Screen Werten in
BDI-II Werte nach Beck et al. (2000).....................................11
Abbildung 2:Zusammenhang zwischen den BDI Fast Screen
Summenwerten und dem Schweregrad der
depressiven Symptomatik.....................................................28
Abbildung 3:Abhängigkeit der BDI Fast Screen Werte von
Geschlecht und Alter..............................................................33
Abbildung 4:Schwellenwerte für den deutschen BDI Fast Screen
auf Basis eines polytomen Raschmodells............................35
Abbildung 5:Häufigkeitsverteilung der BDI Fast Screen
Summenwerte..........................................................................41
Abbildung 6:Remission und reliable Veränderung nach
RCI Methode von Vor- zu Nachtest im deutschen
BDI Fast Screen........................................................................43
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Zuordnung der BDI-II Items zum BDI Fast Screen
und zur Kognitiv-affektiven Skala nach Beck
und Steer (1993)...........................................................................10
Tabelle 2: Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD), und
Trennschärfen (rit) des BDI Fast Screen für die
Stichproben des amerikanischen Manuals..............................14
Tabelle 3: Ergebnisse zur internen Konsistenz (Cronbach´s α) des
BDI-FS aus internationalen Studien..........................................15
Tabelle 4: Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD)
der BDI Fast Screen Summenwerte für die
Depressionsgruppen (DG) im Vergleich mit den
psychisch gesunden Gruppen (PGG).......................................19
Tabelle 5: Korrelationen der BDI Fast Screen Werte mit dem
Geschlecht, dem Alter und der Ethnizität in den
Stichproben des amerikanischen Manuals..............................20
Tabelle 6: Trennwerte, Sensitivität (SEN) und Spezifität (SPE)
des BDI Fast Screen aus internationalen Studien....................27
Tabelle 7: Soziodemografische Daten der Normierungsstichprobe......31
Tabelle 8: Mittelwert (M), Standardabweichung (SD),
Trennschärfe (rit), Schwierigkeit (Pi) für die Items
des BDI Fast Screen.....................................................................32
Tabelle 9: Korrelationen des BDI Fast Screen (BDI-FS) mit
anderen Selbstbeurteilungsinstrumenten................................36
Tabelle 10: Faktorladungen und Kommunalitäten (h2) für die
Items des BDI Fast Screen für die Gesamtstichprobe
und getrennt nach dem Geschlecht..........................................37
Tabelle 11: Modellfit-Indices der konfirmatorischen
Faktorenanalyse...........................................................................38
Tabelle 12: Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD)
für die Items des BDI Fast Screen getrennt nach
dem Geschlecht............................................................................39
Tabelle 13: Prozentränge (PR) und T-Werte (T) getrennt nach
Altersgruppen für die Männer..................................................52
Tabelle 14: Prozentränge (PR) und T-Werte (T) getrennt nach
Altersgruppen für die Frauen....................................................53
Tabelle 15: Prozentränge (PR) und T-Werte (T) getrennt nach
Altersgruppen für die Gesamtstichprobe................................54
Danksagung
Die Autoren möchten sich an dieser Stelle sehr herzlich bei
Frau Julia Pellmann, Frau Summer Algret Pellmann,
Frau Alma Pellmann, Frau Schuli Pellmann, Frau Susanne Gödde,
Frau Birte Thomas, Herrn Tobias Birowicz und Herrn Markus Zenger
für ihre Unterstützung bedanken.
Kapitel 1: Entwicklung
1.1 Einleitung
In den letzten 12 Monaten litten in Europa, aktuellen Schätzungen zufolge, etwa 7 % der Jugendlichen und Erwachsenen an einer Major Depression (Wittchen et al., 2011). Wiederholt wurde dabei in verschiedenen
epidemiologischen Untersuchungen auf ein deutlich höheres Erkrankungsrisiko für Frauen hingewiesen (z. B. WHO, 2001; Wittchen et al.,
2011): So liegt das Erkrankungsrisiko bei diesen mit einer Lebenszeitprävalenz von 10-25 % doppelt so hoch wie das der Männer mit 5-12 % (Saß,
Wittchen & Zaudig, 2001). Depressionen können sich in jedem Lebensalter manifestieren, wobei eine Ersterkrankung häufig bereits zwischen
dem 14ten und 30ten Lebensjahr auftritt (Jacobi et al., 2004). Für ältere
Menschen werden häufig höhere Prävalenzraten (15-25 %) berichtet als
für jüngere (15-20 %), wobei in der Hoch-Altersgruppe höhere Komorbiditätsraten mit körperlichen Grunderkrankungen sowie teilweise dadurch bedingten Funktionseinschränkungen vorliegen (z. B. Härter &
Baumeister, 2007).
Depressionen verlaufen häufig rezidivierend bzw. chronisch und verursachen, im Vergleich zu anderen Erkrankungen, ein besonders hohes
subjektives Leiden (Murray & Lopez, 1997a) sowie hohe direkte und indirekte volkswirtschaftliche Kosten (jährlich alleine 113.4 Milliarden Euro
für den europäischen Raum; Wittchen et al., 2011). Nach Schätzungen
der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden im Jahr 2020 Depressionen nach den ischämischen Herzerkrankungen an zweiter Position auf
der Liste von Erkrankungen stehen, die die Lebenszeit in den Industriestaaten am bedeutsamsten einschränken; 2030 sollen sie den ersten Platz
einnehmen (Murray & Lopez, 1997b; WHO, 2008).
Ein bedeutender Bereich für die Früherkennung depressiver Störungen
ist die medizinische Primärversorgung, die in der Bundesrepublik
Deutschland zumeist durch Hausärzte bzw. Kinder- und Jugendärzte
geleistet wird. Oftmals begleiten die Hausärzte einen Patienten / eine
Patientin über Jahre hinweg und sind die ersten Ansprechpartner bei somatischen bzw. psychischen Auffälligkeiten und Beschwerden (Pietsch
et al., 2012). Dennoch sind die Erkennungsraten für Depressionen in der
7
Primärversorgung häufig nicht ausreichend (21-55 %; Ani et al., 2008; Balestrieri, Bisoffi, Tansella, Martucci & Goldberg, 2002; McGrady, Lynch,
Nagel & Tamburrino, 2010; Wittchen & Pittrow, 2002). Als Gründe für
diese unzureichenden Erkennungsraten kann neben Zeitmangel und der
damit verbundenen fehlenden Exploration psychischer Störungen auch
der Einsatz von wenig geeigneten psychometrischen Verfahren zu Früherkennung genannt werden (Sharp & Lipsky, 2002). Demnach besteht
in der medizinischen Primärversorgung ein Bedarf an Screeninginstrumenten, die neben einer hohen, möglichst fehlerfreien Detektionsrate
unkompliziert und ökonomisch durchgeführt und ausgewertet werden
können.
Mit dem Beck Depressions-Inventar (BDI) liegt ein weltweit verbreitetes
Selbstbeurteilungsinstrument zur Erfassung des Schweregrades einer
Depression vor, welches darüber hinaus auch zum Screening in der Normalbevölkerung eingesetzt werden kann. Mittlerweile wurde das Instrument an die Depressionskriterien des DSM–IV angepasst und als BDIII erneut für den deutschen Sprachraum aufgelegt (Hautzinger, Keller
& Kühner, 2006). Die Überarbeitung umfasste dabei z. B. die Aussagen
zum Schlafmangel und zur Appetitlosigkeit. Andere Aussagen wie z. B. zur
Unruhe, zur Wertlosigkeit, zu Konzentrationsschwierigkeiten und zum Energieverlust wurden gänzlich neu konstruiert. Trotz der Verbreitung des
BDIs wurde mehrfach die Frage aufgeworfen, ob die Einbeziehung von
Aussagen zu somatischen Beschwerden und Leistungsfähigkeit zu einer
fälschlichen Erhöhung der Prävalenz bzw. zu einer Überschätzung des
Schweregrades von Depressionen bei Patienten mit somatischen Grunderkrankungen führen könnte (z. B. Cavanaugh, Clark & Gibbons, 1983;
Clark, Cavanaugh & Gibbons, 1983; Plumb & Holland, 1977). So können
z. B. bei Patienten mit Diabetes, Herzerkrankungen, Lungenentzündung
oder Substanzmissbrauch somatische Symptome wie Müdigkeit oder
Erschöpfung im BDI-II als Symptome einer Depression erfasst werden,
obgleich diese möglicherweise als Folge einer körperlichen Erkrankung
zu bewerten sind.
Auf Grundlage dieser Überlegungen wurde 1997 das Beck Depression Inventory for Primary Care (BDI-PC) von Beck, Guth, Steer und Ball mit dem
Ziel entwickelt, die Anzahl falscher Screening-Entscheidungen im Kontext der medizinischen Grundversorgung zu reduzieren. Im Jahr 2000
wurde das Verfahren als Beck Depression Inventory Fast Screen for Medical
Patients (BDI-FS) für den englischen Sprachraum publiziert (Beck, Steer
& Brown, 2000).
8
1.2 Geschichte
Bereits 1987 konstruierten Beck und Steer eine kognitiv-affektive Subskala des BDI-I, welche bei der Untersuchung von Patienten mit bereits
bekannten somatischen Grunderkrankungen bzw. Suchterkrankungen
eingesetzt werden sollte. Damit folgten die Autoren den Empfehlungen
von Plumb und Holland, die bereits 1977 forderten, die übergreifenden
Items des BDI-I zu somatischen Symptomen und Leistungsfähigkeit auszuschließen. Darauf aufbauend wurde nach der Veröffentlichung des
BDI-II im Jahr 1996 von Beck, Steer und Brown vorgeschlagen, dass ein
Teil der 14 psychologischen Items sinnvoll für ein Depressions-Screening von Patienten mit medizinischen Problemen oder Substanzmissbrauchsproblemen eingesetzt werden könnte. In Folge dessen wurde
der BDI-FS entwickelt: In einem ersten Schritt wurden Items des BDI-II
auf Grundlage von inhaltlichen Überlegungen eingeschlossen. So wurden die Aussagen zur Traurigkeit und die Aussagen zum Verlust der Freude
ausgewählt, da eines dieser beiden Symptome vorliegen muss, um eine
Major Depression nach DSM-IV Richtlinien diagnostizierten zu können.
Zweitens wurden die Aussage zu Suizidgedanken miteinbezogen, um eine
klinische Einschätzung des Selbstmordrisikos zuzulassen. Anschließend
wurden auf Basis von Faktorenanalysen anhand der Normierungsstichproben des BDI-II (500 Patienten aus ambulant psychiatrischer Behandlung sowie 120 College-Studenten) weitere Items ausgewählt, die der
kognitiven Komponente der Depressionssymptomatik zuzuordnen sind.
Ausschlaggebend für diese Entscheidung war die Feststellung, dass sich
diese Items nicht mit den physischen oder medizinischen Symptomen
einer Depression überschneiden (Beck et. al, 2000). Bei den ambulanten
Patienten konnten vier Aussagen mit hohen (> .35) Ladungen auf die kognitive Dimension identifiziert werden, welche sich in der studentischen
Stichprobe weitestgehend bestätigen ließen. Die Items beinhalten dabei
Aussagen zum Pessimismus, Aussagen zu Versagensgefühlen, Aussagen zur
Selbstablehnung und Aussagen zur Selbstkritik. Eine vergleichende Übersicht des BDI-II, der kognitiv-affektiven Subskala sowie des BDI-FS sind
in Tabelle 1 einzusehen.
9
Tabelle 1
Zuordnung der BDI-II Items zum BDI Fast Screen und zur
Kognitiv-affektiven Skala nach Beck und Steer (1993)
BDI-II Items
10
Kognitivaffektive
Skala
nach Beck
und Steer
(1993)
BDI Fast
DSM-IV bzw. DSM 5
Screen
Kriterium
Items
nach
Beck et
al. (2000)
1. Traurigkeit
x
x
1. Depressive Verstimmung
2. Pessimismus
x
x
1. Depressive Verstimmung
3. Versagensgefühle
x
x
7. Wertlosigkeit/
unangemessene Schuldgefühle
4. Verlust an Freude
x
x
2. Interessen-/Freudminderung
5. Schuldgefühle
x
7. Wertlosigkeit/
unangemessene Schuldgefühle
6. Bestrafungsgefühle
x
7. Wertlosigkeit/
unangemessene Schuldgefühle
7. Selbstablehnung
x
x
7. Wertlosigkeit/
unangemessene Schuldgefühle
8. Selbstkritik
x
x
7. Wertlosigkeit/
unangemessene Schuldgefühle
9. Suizidgedanken
x
x
9. Suizidalität
10. Weinen
x
1. Depressive Verstimmung
11. Unruhe
x
5. Psychomotorische Unruhe/
Verlangsamung
12. Interessenverlust
x
2. Interessen-/Freudminderung
13. Entschlussunfähigkeit
x
8. Konzentrations-/
Entscheidungsschwierigkeiten
14. Wertlosigkeit
x
7. Wertlosigkeit/
unangemessene Schuldgefühle
15. Energieverlust
6. Erschöpfung/Energieverlust
16. Veränderung der
Schlafgewohnheiten
4. Insomnie/Hypersomnie
17. Reizbarkeit
1. Depressive Verstimmung
18. Appetitveränderung
3. Gewichtszunahme/-verlust/
Appetitsveränderung
19. Konzentrationsschwierigkeiten
8. Konzentrations-/
Entscheidungsschwierigkeiten
20. Müdigkeit
6. Erschöpfung/Energieverlust
21. Verlust an
sexuellem Interesse
2. Interessen-/Freudminderung
1.3 Reihenfolgeeffekte und Vergleichbarkeit mit dem BDI-II
Weiss (1996) untersuchte an zwei unabhängigen Stichproben (26 Erwachsene aus der Normalbevölkerung und 25 Doktoranden), ob sich
bedeutsame Unterschiede in den Ausprägungen der BDI-FS Gesamtwerte ergeben, wenn dieses als 7-Item-Inventar vorgegeben oder in die
BDI-Langversion eingebettet war. Es ergaben sich keine signifikanten
Mittelwertunterschiede bezüglich der Darbietungsvarianten. Nach Beck
et al. (2000) kann hieraus geschlossen werden, dass das BDI-FS als weitgehend frei von bedeutsamen Reihenfolge- bzw. Frage-Kontext-Effekten
eingeschätzt werden kann. In mehreren Studien konnten darüber hinaus
starke Korrelationen zwischen BDI-FS und BDI-II Werten vorgefunden
werden (r = .85 bis r = .92; z. B. Beck et al., 1996; Benedict, Fishman, McClellan, Bakshi & Weinstock-Guttman, 2003; Neitzer, Sun, Doss, Moran &
Schiller, 2012; Poole, Bramwell & Murphy, 2009). Beck et al. (2000) schlagen dabei auf Basis von Regressionsanalysen folgende lineare Transformation vor, mit der BDI-FS Gesamtwerte in BDI-II Gesamtwerte überführt werden können (vgl. Abbildung 1):
BDI-II-Wert = (2.54 x BDI-FS-Wert) + 3.97
Abbildung 1: Transformation von BDI Fast Screen Werten in
BDI-II Werte nach Beck et al. (2000).
11
1.4 Klinische Anwendung
Das BDI-FS misst die Schwere der Depression entsprechend der psychologischen bzw. nicht-somatischen Kriterien für die Diagnose einer Major
Depression nach DSM-IV. Da sich im Zuge der aktuellen Überarbeitung
des bestehenden Klassifikationssystems keine Veränderungen hinsichtlich des diagnostischen Vorgehens ergeben haben, kann das Instrument
aber auch unproblematisch zur Erfassung der nicht-somatischen Symptomschwere einer Major Depression nach DSM-5 eingesetzt werden.
Das Instrument kann bei Jugendlichen ab dem 13. Lebensjahr sowie bei
Erwachsenen eingesetzt werden. Das BDI-FS sollte nicht als Verfahren
zur Erstellung einer klinischen Diagnose verwendet werden. Auch sollte
das Verfahren nicht als Ersatz der 21-Item Langversion (BDI-II) betrachtet werden, insbesondere wenn bei Patienten, denen eine depressive Störung diagnostiziert wurde, die Schwere einer Depression eingeschätzt
werden soll. Weiterhin empfiehlt es sich nicht, den BDI-FS als einziges
Instrument im Rahmen einer klinischen Evaluation einzusetzen, da
Depressionen auch als Begleiterscheinungen von anderen psychischen
Störungen, wie z. B. Panikstörungen, Schizophrenie, Zwangsstörungen
oder Generalisierten Angststörungen auftreten können. Weiterhin können auch Personen, die sich in einer akuten Phase des Trauerns befinden
(z. B. als Reaktion auf den Verlust einer nahestehenden Person) teilweise
Symptome einer Major Depression angeben. Durch den Wegfall des „bereavement exclusion criterion“ im DSM-5 kann der Kliniker, sofern die
Symptome über einen Zeitraum von 2 Wochen persistieren, äquivalent
zur ICD-10 Diagnostik nun auch hier zur Diagnosestellung übergehen.
Angemerkt werden sollte dennoch, dass die überwiegende Mehrheit der
Trauernden auch unbehandelt nach einigen Wochen symptomfrei ihren
normalen Lebensalltag wieder aufnimmt, daher sollte sich der Kliniker
fragen, ob eine therapeutische oder medikamentöse Intervention, z. B.
aufgrund besonders starker Trauerreaktion oder einer schwach ausgeprägten Fähigkeit der Selbstregulation, dennoch als gerechtfertigt erscheint (DGPPN, 2013).
Obwohl das BDI-FS auch von semiprofessionellen Personen angewendet
und ausgewertet werden könnte, sollte die Interpretation der Ergebnisse
nur durch Personen mit angemessener klinischer Ausbildung und Erfahrung erfolgen: Depressionen können bei psychiatrischen Patienten mit
einem Suizidrisiko einhergehen, daher ist es unbedingt nötig, dass der
behandelnde Kliniker fähig ist, mit der gesamten Bandbreite angemessener therapeutischer Interventionen oder Überweisungs-/ Einweisungs12
verfahren zu reagieren. Zudem sollte der Kliniker ein besonderes Augenmerk auf die Antworten der Aussage zum Pessimismus und der Aussage zu
Suizidgedanken richten, die eventuell ein bestehendes Suizidrisiko indizieren können (siehe auch Interpretation der Testergebnisse). Der geschulte
Anwender sollte darüber hinaus mit den Standards für pädagogisches und
psychologisches Testen (Häcker, Leutner, Amelang & Pfannenschwarz,
1998) vertraut sein.
1.5 Bisherige Studien zum BDI-FS
Neben den Analysen zum deutschen BDI-FS, die in Kapitel 3 und 4
ausführlich behandelt werden, liegen weitere publizierte Analysen zur
psychometrischen Güte des BDI-FS vor. Im amerikanische BDI-FS Handbuch (Beck et al., 2000) werden dabei vier Stichproben (Mittelwerte, Standardabweichungen sowie Trennschärfen dieser Stichproben finden sich
in Tabelle 2) herangezogen, die im Folgenden überblicksartig vorgestellt
werden:
Stichprobe aus dem psychiatrischen Konsiliar-/Liaisondienst (Beck,
Guth et al., 1997)
Bei der ersten Stichprobe handelt es sich um 50 Patienten mit allgemeinmedizinischen Beschwerden (z. B. respiratorischen Erkrankungen,
Kreislauferkrankungen, urogenitalen Erkrankungen oder Erkrankung
als Folge von Drogenkonsum), die nach stationärer Aufnahme an den
psychiatrischen Konsiliar- bzw. Liaisondienst weiterverwiesen wurden.
Die Stichprobe setzt sich aus 30 (60 %) Frauen und 20 (40 %) Männer zusammen. Das Alter lag im Mittel bei 39.72 (SD = 16.81) Jahren mit einer
Spannweite von 16 bis 80 Jahren. Insgesamt wurde in dieser Stichprobe
bei etwa 66 % der Patienten eine Major Depression mittels des PRIMEMD für DSM-IV (Spitzer, Kroenke & Williams, 1999) diagnostiziert.
Stichprobe aus Hausarztpraxen (Beck et al., 2000)
Bei der zweiten Stichprobe handelt es sich um 94 ambulant behandelte
Patienten aus der medizinischen Erstversorgung mit allgemeinmedizinischen Beschwerden. Hiervon waren 70 % weiblichen und 30 % männlichen Geschlechts. Das Alter lag im Mittel bei 46.11 (SD = 14.98) Jahren
mit einer Spannweite von 16 bis 77 Jahren. In dieser Stichprobe ließ sich
bei etwa 24 % der Patienten mittels PRIME-MD eine Major Depression
diagnostizieren.
13
Stichprobe aus Kinder-/Jugendarztpraxen (Winter, Steer, Jones-Hicks &
Beck, 1999)
Die dritte Stichprobe wurde in der kinderärztlichen Fakultät der University of New Jersey rekrutiert. Das Geschlechtsverhältnis war in dieser
Stichprobe ausgewogen. Das Alter lag im Mittel bei 13.89 Jahren (SD =
1.58) mit einer Spannweite von 12 bis 17 Jahren. Bei 11 % der befragten
Jugendlichen konnte mittels PRIME-MD eine Major Depression diagnostiziert werden.
Stichprobe aus der Inneren Medizin (Steer, Cavalieri, Leonard & Beck,
1999)
Die vierte Stichprobe umfasst 120 konsekutive ambulante Patienten mit
allgemeinmedizinischen Beschwerden. Die Stichprobe setzte sich zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen zusammen. Das Alter lag in dieser
Stichprobe im Mittel bei 58.44 (SD = 15.50) Jahren mit einer Spannweite
von 25 bis 82 Jahren. Insgesamt konnte bei 24 % der befragten Patienten
mittels PRIME-MD eine Major Depression diagnostiziert werden.
Tabelle 2
Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD), und
Trennschärfen (rit) des BDI Fast Screen für die Stichproben des
amerikanischen Manuals
Stichprobe
Stichprobe
aus Hausarzt- aus der
praxen
Inneren
Medizin
Stichprobe
aus dem
Konsiliar-/
Liaisondienst
M
SD
rit
M
SD
rit
M
SD
rit
M
SD
rit
Traurigkeit
.43
.71
.71
.22
.44
.70
.27
.60
.66
.86
.81
.40
Pessimismus
.45
.73
.69
.42
.66
.64
.25
.52
.67 1.02
.94
.71
Versagensgefühle
.38
.70
.56
.28
.58
.56
.29
.61
.72
.74
.90
.62
Verlust an
Freude
.81
.81
.59
.47
.59
.67
.31
.58
.47
.98
.84
.74
Selbstablehnung
.57
.81
.71
.38
.73
.71
.22
.60
.75 1.06 1.08 .70
Selbstkritik
.50
.74
.65
.37
.69
.70
.38
.66
.69
.56
.76
.66
Suizidgedanken
.10
.30
.36
.07
.25
.32
.15
.46
.78
.54
.67
.59
Summenwerte
14
Stichprobe
aus KinderJugendarztpraxen
3.23 3.57
-
2.18 2.96
-
1.87 3.10
-
5.76 4.46
-

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