Reden zum Menschenrechtspreis 1998 - Friedrich-Ebert

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Reden zum Menschenrechtspreis 1998 - Friedrich-Ebert
Menschenrechtspreis 1998
Friedrich-Ebert-Stiftung
an
Omar Belhouchet
Journalist und Verleger von „El Watan“, Algerien
30. April 1998
Einführungsworte
Ministerpräsident a.D. Holger Börner,
Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung
Sehr geehrter Herr Belhouchet, verehrte Frau Belhouchet,
wir freuen uns, daß Sie heute bei uns sind und begrüßen Sie herzlich.
Sehr geehrter Herr Pleitgen,
wir sind dankbar, daß der Intendant des Westdeutschen Rundfunks an dieser
Preisverleihung mitwirkt und bereit ist, die Laudatio für einen "Kollegen" zu halten - aus
einem Land in schwieriger Lage.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Freunde,
wir freuen uns über Ihre Anwesenheit und Ihr Interesse
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an dem Menschenrechtspreis und der Arbeit der Stiftung,
an Persönlichkeit und Wirken des Preisträgers
und an dem Land Algerien und seinen Menschen.
Durch Ihr Kommen bringen Sie auch Solidarität mit diesem so sehr geprüften Land und
dem algerischen Volk zum Ausdruck.
Besonders begrüßen möchte ich
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seine Exzellenz, den Botschafter der Demokratischen Volksrepublik Algerien,
den Staatsminister im Auswärtigen Amt, Herrn Dr. Werner Hoyer,
und die Herren Said Sadi und Tarik Mira von der algerischen Oppositionspartei
RCD, die sich hier zu Gesprächen aufhalten.
Die heutige Preisverleihung ist die 5. in der Geschichte des Menschenrechtspreises der
Friedrich-Ebert-Stiftung.
Mit dem Preis soll nach dem Vermächtnis des Hamburger Ehepaares Karl und Ida Feist
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weniger der spektakuläre Erfolg ausgezeichnet werden
als vielmehr die mühsame und beharrliche Grundlagenarbeit für
Menschenrechte, Menschenwürde und Frieden und für die Verhinderung und
Vermeidung von Gewalt.
Als politische Stiftung stellen wir uns der Verpflichtung, die mit diesem Preis verbunden
ist.
Aber wir machen auch immer wieder die Erfahrung, wie schwierig - und gelegentlich
auch belastend - dieses Eintreten für Menschenrechte und Demokratie sein kann:
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Wir haben 1996 diesen Preis an den ehemaligen Staatspräsidenten von Nigeria,
Olusegun Obasanjo, verliehen - unter Mitwirkung von Bundeskanzler a.D. Helmut
Schmidt. Der Preisträger des Jahres 1996 ist weiterhin in Haft, trotz aller
internationalen Bemühungen.
Unsere Arbeit in Nigeria ist seither schwieriger geworden, so daß wir jetzt
unseren Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen zurückrufen mußten. Wir hoffen,
daß wir unsere Arbeit bald in der gewohnten Weise werden fortsetzen können.
Die Verleihung des Menschenrechtspreises ist immer auch Parteinahme - aber sie ist
nicht im vordergründigen Sinne "parteiisch".
Wir verleihen den Preis
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als Zeichen der Mitverantwortung und der Solidarität,
als Aufruf zum Konsens der Mitmenschlichkeit und des Respekts vor
Andersdenkenden
und in Unterstützung der Bemühungen um Frieden, Versöhnung und Ausgleich.
Im vergangenen Jahr habe ich im Blick auf die Situation in Bosnien hervorgehoben:
"Natürlich verstehen wir die Preisverleihung nicht als Parteinahme für eine Seite sondern als Anstoß zur Überwindung und Überbrückung der Gegensätze".
In ähnlicher Weise gilt dies auch für Algerien.
Mit der heutigen Preisverleihung steht es im Zentrum unserer Aufmerksamkeit.
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Wir stehen mit Betroffenheit, ja mit Entsetzen, vor dem, was dort geschieht.
Und es ist sicher nicht falsch zu sagen, daß wir das nicht verstehen können.
Gelegentlich ist in den Medien gefragt worden, wo in diesem Fall die Politik bleibt?
Warum diejenigen, die sich sonst artikulieren oder auch demonstrieren, so schweigsam
sind?
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Ich denke, daß viele hier sprachlos geworden sind.
Es fehlen die glatten Antworten und die klaren und einfachen Positionen.
Algerien ist für uns kein entferntes Land.
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Es ist ein Nachbar des gemeinsamen Europa.
Viele Menschen suchen hier Zuflucht vor Zuständen, in denen sie nicht mehr
menschenwürdig leben können.
Sie sollten sich hier aufgenommen sehen.
Aber für Terroristen, die den "Kampf" von außen fördern, gibt es hier keinen
Platz.
Dies ist eine Selbstverständlichkeit, die ich trotzdem unterstreichen möchte.
Wir wissen nicht, ob die staatliche Macht alles tut, was in ihren Kräften liegt, um der
Gewalt ein Ende zu machen und die notwendigen Veränderungen voran zu bringen.
Und wir wissen nicht, wie mit denjenigen, die zu diesen entsetzlichen Taten fähig sind,
in der Gesellschaft umgegangen werden soll.
Vielleicht werden wir heute mehr verstehen, vielleicht zeigt sich etwas von der Hoffnung
auf Veränderung, auf die wir setzen.
Wir denken an die Menschen,
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die leiden, die trauern, denen Menschlichkeit verweigert wird,
die Angst haben - und Hoffnung brauchen für einen Neuanfang und die
Gestaltung ihres Gemeinwesens.
Wir wissen aus unserer internationalen Arbeit,
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daß dies nur mit den Instrumenten der Demokratie und auf der Basis der
Menschenrechte erreicht werden kann.
In diesem Sinne hoffen wir an diesem Tage für Algerien.
In diesem Sinne verbindet die Stiftung mit der Preisverleihung die Ermutigung und
Unterstützung der Kräfte, die in dem zerrissenen und leidenden Algerien für
demokratische Reformen und Menschlichkeit eintreten.
Sehr geehrter Herr Belhouchet,
wir sehen mit großem Respekt auf Ihre Arbeit und Ihren Mut.
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Sie haben persönlich und mit Ihren Kollegen von der Zeitung "El Watan" einer
unabhängigen publizistischen Stimme in Ihrem Land Gewicht gegeben.
Sie haben sich nicht auf eine Seite gestellt, sondern die Frage nach Wahrheit und
Unabhängigkeit offen gehalten.
Und sie haben anderen beigestanden, die unter Druck gerieten.
Auch hier können wir nicht wirklich nachvollziehen, was dies für Sie persönlich und Ihre
Familie bedeutet. Wir wissen um die akute Gefahr für viele Journalisten in Algerien - und
anderswo.
Wir möchten mit dieser Preisverleihung zu Ihnen stehen. Wir möchten unsere Solidarität
und Unterstützung deutlich machen.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist die Stiftung der "sozialen Demokratie".
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Wir treten ein für demokratische Beteiligung und sozialen Ausgleich, auf den
nationalen wie den internationalen Ebenen.
Und wir haben über viele Jahre und in allen Kontinenten Programme des
Medienaufbaus und der journalistischen Ausbildung unterstützt.
Freie und unabhängige Medien haben nach unserer Auffassung und Erfahrung
eine fundamentale Bedeutung für die Verwirklichung von Demokratie und
Menschenrechten.
Ihre Arbeit in einer schwierigen Situation ist für uns beispielhaft.
Die Würdigung und Unterstützung dieser Arbeit soll auch anderen Mut machen und
Kraft geben, den Anspruch auf Meinungs- und Informationsfreiheit durchzusetzen.
Wir appellieren mit dieser Preisverleihung an die politisch Verantwortlichen,
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den Medien und einem unabhängigen Journalismus Raum zu geben.
Und wir appellieren an die Journalisten, diese Freiheit verantwortlich zu nutzen
und für Demokratie und Menschlichkeit einzusetzen.
Sehr geehrter Herr Belhouchet,
Sie sind ein Beispiel für diesen Journalismus und die unabhängige Rolle der Medien.
Ich freue mich daher, Ihnen den Menschenrechtspreis 1998 der Friedrich-Ebert-Stiftung
überreichen zu können.
Dieser ist in diesem Jahr mit einem Preisgeld von 10.000.- DM verbunden.
In der Urkunde, die ich Ihnen überreiche, heißt es:
"Der Menschenrechtspreis 1998"
der Friedrich-Ebert-Stiftung
wird verliehen an
Omar Belhouchet
Journalist und Verleger
"El Watan"
Algier/Algerien
in Anerkennung und Würdigung
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seines persönlichen und mutigen Beitrags für eine unabhängige Berichterstattung
und seines Einsatzes für die Interessenvertretung von Journalisten
der besonderen Bedeutung freier, unabhängiger Medien für die Verwirklichung
von Demokratie und Menschenrechten
und in Unterstützung der Kräfte, die in dem zerrissenen und leidenden Algerien
für demokratische Reformen und Menschlichkeit eintreten."
Ich möchte Ihnen gratulieren.
Ihrer Frau möchte ich danken, die Sie heute, in Ihrem Leben und bei Ihrer Arbeit
begleitet - verbunden mit allen guten Wünschen für Sie und Ihre Familie.
Und ich möchte Ihnen und den Kollegen, für die Sie stellvertretend hier stehen,
weiterhin Kraft, Mut und Erfolg bei Ihrer Arbeit wünschen.
Laudatio für Omar Belhouchet
Fritz Pleitgen, Intendant des Westdeutschen Rundfunks, Köln
Verehrte Madame Belhouchet, sehr geehrter Monsieur Belhouchet, meine Damen und
Herren, lieber Herr Börner
Anfang dieses Jahres nahm in Algier ein neuer amerikanischer Botschafter seine Arbeit
auf. Einer seiner ersten offiziellen Besuche galt Omar Belhouchet. Dieser Besuch war
natürlich kein Zufall, wie Sie sich denken können. Der Mann aus Washington setzte
damit gezielt ein Zeichen, denn er wußte: Omar Belhouchet ist die Hoffnung, der
Bannerträger im Kampf um die Pressefreiheit in Algerien. Monsieur Belhouchet, ich
weiß, Sie hören das nicht gerne, weil Sie ein bescheidener Mann sind, - "Hoffnung,
Bannerträger im Kampf um die Pressefreiheit"- . Doch lassen Sie mich erklären, warum
andere Menschen dieser Meinung sind. Menschen, die Sie und vor allem die Umstände
unter denen Sie arbeiten, gut kennen.
Vorweg muß ich feststellen:
Ich kann mich nur bedingt in Ihre Lage hineindenken. Als Korrespondent habe ich zwar
häufig und auch lange unter Zensurbedingungen gearbeitet. Die Bespitzelungen und oft
auch physischen Behinderungen waren zwar ungemütlich, aber es ging - anders als bei
Ihnen - nicht an die Existenz und nicht ans Leben. Ich habe aber erlebt, wie mit
Andersdenkenden verfahren wurde, die nicht den Schutz ausländischer
Staatsbürgerschaft hatten. Und ich habe den Mut dieser Menschen bewundert, ebenso
ihren Behauptungswillen, das Recht auf die Freiheit des Individuums, auf die freie
Meinung und freie Information zu verteidigen oder zu erringen. Diese Menschen
werden in vielen Ländern verfolgt und samt ihren Familien drangsaliert. Wie opferreich
dieser Kampf auch immer ist, am Ende siegen sie doch. Denn selbst die angeblich
unerschütterlichsten und stärksten Regimes sind nicht von Ewigkeit, wie wir es in diesem
Jahrhundert in Europa reichlich erfahren haben, bis in die jüngste Vergangenheit.
Die Freiheit der Presse, der Information ist ein Menschenrecht, das die Vereinten
Nationen vor knapp 50 Jahren in ihrer Deklaration der Menschenrechte festgehalten
haben. In Artikel 19 steht: "Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung;
dieses Recht umfaßt die Freiheit, Meinungen unangefochten anzuhängen ( im Sinne von
vertreten) und Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht
auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten."
Diese Freiheit ist in Algerien nicht gegeben. Sie, Herr Börner, haben es eben schon
angesprochen. Zensur oder wirtschaftlicher Druck von staatlicher Seite, beides ist
algerischen Journalisten seit Jahrzehnten vertraut. Doch mit dem erzwungenen Abbruch
der Wahlen von 1992 kam eine neue Dimension hinzu: Mord! Der undurchsichtige
Bürgerkrieg, der Algerien seit sechs Jahren gefangen hält, kostete bis heute rund 80.000
Menschenleben, so schätzt amnesty international. 57 davon waren Journalisten.
Erschossen, erschlagen, die Kehle durchgeschnitten. Und zwar unabhängig davon,
welche politische Linie sie vertraten: ob die kompromißlose der sogenannten
"Ausrotter" oder die der "Versöhnler"; ob sie auf seiten der Islamischen Heilsfront FIS
standen oder ob sie für demokratische Verhältnisse eintraten. Zu den überzeugten
Demokraten gehört Omar Belhouchet. Während viele seiner Berufskollegen Algerien
verlassen haben, ist er geblieben.
Als ich mich auf diese Rede vorbereitete, ließ ich mir vom WDR-Archiv Nachrichten und
Berichte der vergangenen Monate über Algerien zusammenstellen. Zwei Dinge sind mir
dabei besonders aufgefallen: Erstens - kein Berichterstatter scheint mit Sicherheit sagen
zu können, wer die Mörder sind und warum sie vor allem Zivilisten ermorden. Die
offiziellen Verlautbarungen nennen stets die Islamisten als Täter. Es finden sich aber
auch Spekulationen, die auf Mitglieder der Macht hindeuten. Le pouvoir, die Macht, so
nennt man in Algerien das Militärregime. Omar Belhouchet hat diesen Verdacht vor
geraumer Zeit im französischen Fernsehen direkt ausgesprochen. Sie erklärten, Monsieur
Belhouchet, es würde Sie nicht wundern, wenn Sie erführen, daß einige Ihrer Kollegen
von Männern der Macht ermordet worden seien. - Für diese Äußerung wurden Sie in
Algerien zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Das war vor fünf Monaten.
Das zweite, was mir auffiel: Die Morde, die Massaker haben ja nicht aufgehört. Doch sie
mögen noch so brutal verübt werden, die Meldungen hierüber in unseren Zeitungen
fallen immer knapper aus, und sie rutschen immer weiter nach hinten. Das bedeutet
Schlimmes: Die Welt hat sich an den Bürgerkrieg in Algerien gewöhnt. In der
Wahrnehmung von uns Europäern spielt sich dieser Konflikt offenbar weit, weit weg ab.
Doch schauen wir auf die Landkarte, meine Damen und Herren! Algerien liegt fast vor
unserer Haustür. Die Probleme der Algerier gehen uns sehr wohl etwas an. Nicht nur
weil auch Deutschland große Mengen Erdöl und Erdgas von dort kauft. In Algerien ist trotz bürgerkriegsähnlicher Zustände - die gesellschaftliche Diskussion sehr lebendig. Es
wird eine rege Debatte über Demokratie und demokratische Gesellschaftsformen
geführt. Und wenn Europa das Mittelmeer politisch mit einbeziehen will, so gehört
dieses Land als wichtiger Pfeiler dazu.
Noch etwas behindert im Moment aber die klare Sicht auf Algerien: Es ist dort nicht nur
schwer, unabhängige Informationen zu sammeln, sondern auch überaus gefährlich, sie
zu veröffentlichen.
In diesem Land also lebt und arbeitet Omar Belhouchet. Er ist Jahrgang '54, studierte in
Algier Wirtschaftswissenschaften und begann bereits als 20jähriger seine journalistische
Laufbahn: bei der Zeitung "La Republique" im westalgerischen Oran. Das Blatt galt als
mutig, denn es wagte, die Agrarreform des damaligen Staatspräsidenten Boumedienne
zu kritisieren. Hier hat sich Belhouchet infiziert, mit Mut zur journalistischen
Unabhängigkeit. Das hält bis heute an.
Belhouchet wächst in einem Algerien auf, das sich gerade mit einem langen Krieg von
der Kolonialmacht Frankreich befreit hatte. Die Nation steht im Vordergrund. Der junge
Staat, wirtschaftlich dank des Erdöls auf gesunden Beinen, wählt ein sozialistisches
Modell. In der Weltpolitik steigt Algerien auf zur Führungsmacht bei den Blockfreien.
Nicht ohne eine gewisse Arroganz, den richtigen Weg gefunden zu haben. Das prägt.
Ende der 70er gibt es eine lebhafte Diskussion, sogar einen Verfassungsentwurf,
Algerien zu demokratisieren.
Monsieur Belhouchet, in einem Interview haben Sie dazu gesagt, Algerien sei damals reif
gewesen für Demokratie. Auch deshalb, weil Korruption und Willkür noch nicht so weit
gediehen waren wie heute. Die Einheitspartei aber denkt gar nicht daran, das Land
demokratischer zu gestalten. Stattdessen fördert die Regierung die Islamisierung und die
Arabisierung der Gesellschaft. Wut und Trauer über diese verpaßte Chance, solche
Gefühle kommen in Demokraten wie Belhouchet hoch, wenn sie an jene Zeit denken.
Als 1975 "La Republique" auf arabisch erscheinen muß, verläßt Omar Belhouchet die
Zeitung. Er arbeitet für die algerische Presseagentur, macht seinen Militärdienst.
Schließlich landet er im Wirtschaftsressort der Zeitung "El-Moudjahid" damals das
überregionale Blatt schlechthin. Dort spezialisiert er sich auf Erdöl-Themen, reist zu
internationalen Tagungen und Kongressen. 1983 kündigt Belhouchet. Er ist mit der Linie
des Blattes nicht mehr einverstanden, sie ist ihm zu undemokratisch.
Monsieur Belhouchet, Sie verloren dabei nicht nur Ihren Job, Ihre Kritik bescherte Ihnen
auch ein mehrmonatiges Schreibverbot. So kamen Sie das erste Mal in Kontakt mit der
algerischen Justiz. Denn damals existiert in Algerien noch keine unabhängige Presse. Die
läßt das Regime erst 1988 zu, nach massiven Demonstrationen. Die Jugend hatte
aufbegehrt, gegen das Einparteiensystem und für eine Zukunft, die sie nicht mehr sah.
Ein Jahr vor dieser politischen Lockerung gründete Belhouchet mit Kollegen die
Bewegung algerischer Journalisten, "Le Mouvement des Journalistes Algériens". Fortan
eine wichtige Basis im Kampf um mehr Pressefreiheit.
1990 schließlich erblickt die Tageszeitung "El Watan" das Licht der Welt; el-Watan
bedeutet auf deutsch: "Die Nation". Omar Belhouchet ist Gründungsmitglied, er wird
verantwortlicher Leiter der Redaktion. El-Watan ist unabhängig, ein Novum in der
algerischen Pressegeschichte. Die Zeitung dokumentiert dies, indem sie Artikel aller
politischen Richtungen veröffentlicht. El-Watan wird schnell in ganz Algerien populär.
Außerdem macht sie sich einen Namen durch investigativen Journalismus. So druckt das
Blatt 1992 ein Dokument, das belegt, daß der Stabschef der Armee öffentliche Gelder
unterschlagen hat. Dieser Artikel zwingt die Justiz, den Mann anzuklagen, er wird auch
verurteilt. Belhouchet aber machte sich damit in gewissen Kreisen des Militärs ziemlich
unbeliebt. Die Quittung erhält er einige Monate später: Wegen "verfrühter Information"
kommt er in Untersuchungshaft. El-Watan hatte gemeldet, daß bei einem
Zusammenstoß mit Islamisten fünf Polizisten getötet worden waren. Verluste von
Sicherheitskräften zu melden, war damals ein Sakrileg.
Eine Solidaritätskampagne befreite Belhouchet aus dem Gefängnis. Seine Zeitung aber
durfte zwei Wochen lang nicht erscheinen. Auch später wurde el-Watan mehrfach
vorübergehend verboten. Wirtschaftlich jedes Mal eine gefährliche Durststrecke.
Seit Mitte '96 darf el-Watan keine öffentlichen Bekanntmachungen mehr publizieren
und auch keine Anzeigen mehr von Staatsbetrieben. Ein harter Schlag, denn in Algerien
dominiert nach wie vor der Staat die Wirtschaft. Belhouchet aber weicht nicht zurück,
im Gegenteil. El-Watan zitierte als einzige algerische Zeitung ausführlich die amnestyBerichte über Algerien, in denen von schweren Menschenrechtsverletzungen der
Sicherheitskräfte die Rede war.
Druck kommt aber auch von seiten der Islamisten. Schon 1992 landete der erste von
über hundert Drohbriefen in Belhouchets Briefkasten. Damals sollte er in el-Watan eine
Kampagne starten zur Freilassung der FIS-Führer. Die Islamisten bedrohten dabei nicht
ihn direkt, sondern seine beiden Kinder. Belhouchet läßt sich nicht einschüchtern. Für
ihn war und ist Algerien kein islamistisches Land; und den Wahlsieg der FIS sieht er als
fundamentalen Protest gegen das herrschende politische System.
Diese Ablehnung hat in Algerien sogar ein eigenes Wort hervorgebracht: Hogra. Darin
bündelt das Volk seinen ganzen Haß gegen die Obrigkeit. Denn Hogra meint die
Arroganz des politischen Systems, die Korruption, die Lügerei. Für Omar Belhouchet ist
Hogra der Schlüsselbegriff algerischer Befindlichkeit. Dieses Gefühl versucht er zu
überwinden, indem er eine demokratische Bresche schlägt, die da heißt: informieren
und aufklären, die Dinge offen beim Namen nennen.
Diese Strategie richtet sich auch gegen die Islamisten. Belhouchet hält sie für totalitär,
eine islamische Republik würde keine Freiheiten akzeptieren, schon gar nicht die der
Presse. Und so gerät er, wie Dutzende algerische Intellektuelle, schon bald ins Visier
islamistischer Attentäter.
Am 17. Mai '93, gerade als er seine Kinder mit dem Auto zur Schule gebracht hat,
schießt ein Mann auf ihn. Belhouchet duckt sich blitzschnell, er gibt Gas und entkommt.
Ein weiteres Attentat knapp zwei Jahre später mißlingt ebenfalls. Seine Kinder leben
mittlerweile im Ausland. Doch Belhouchet bleibt. Er lebt für el-Watan. Freunde und
Kollegen sagen - Madame Belhouchet möge mir dieses Zitat verzeihen - , er sei mit der
Zeitung verheiratet. Sie selbst, Monsieur Belhouchet, sagten einmal unserem ARDKorrespondenten Samuel Schirmbeck: Sie wollten sich nicht für ihr Leben schämen
müssen. Sie wollten es vielmehr dafür einsetzen, daß Ihr Land eine freie Presse habe.
Das mag in unseren Ohren vielleicht etwas pathetisch klingen und selbstlos. Alle aber,
die Omar Belhouchet kennen, wissen: Er ist kein lebensmüder Seiltänzer, er weiß genau,
wo der Abgrund beginnt. Und Abgründe gibt es viele in Algerien.
Belhouchet strahlt - wie ich ihn hier erlebe - Ruhe aus, Zuversichtlichkeit, er kann - wie
mir von Menschen, die ihn kennen, gesagt wurde - von ansteckender Fröhlichkeit sein.
Das bewundern andere an ihm, wie etwa der schon erwähnte Korrespondent oder auch
Diplomaten, die ihn und die Situation in Algerien gut kennen.
Und: Belhouchet versteht Pressefreiheit nicht als Provokation, als Zündeln an der Lunte.
Er stellt vielmehr Kerzen auf, die Winkel ausleuchten sollen. Ein pragmatischer
Demokrat, der den Bogen nie überspannt und der gleichzeitig einen langen Atem
mitbringt, das ist Omar Belhouchet.
Er kann, das wird auch an ihm gelobt, gut zuhören und er muß offensichtlich starke
Nerven haben. Denn anders würde er die Auseinandersetzungen mit der algerischen
Justiz kaum durchstehen. Sie hat bis heute mehr als 20 Prozesse gegen ihn geführt. Die
Anklagen lauteten auf "Gefährdung der staatlichen Sicherheit", ihm wurde "Angriff auf
verfassungsmäßige Organe" oder deren Beleidigung vorgeworfen, usw.
Anlaß war stets ein Artikel in el-Watan. So hatte die Zeitung beispielsweise den Umgang
des algerischen Roten Halbmonds mit internationalen Hilfsgütern kritisiert. Belhouchet
wurde dafür verurteilt und bekam drei Monate Gefängnis auf Bewährung. Sechs
Monate Bewährungsstrafe handelte er sich ein für einen Hintergrundbericht über den
Freispruch für einen Bombenleger. Und vier Monate auf Bewährung gab es, weil elWatan eine Korruptionsaffäre aufgedeckt hatte, in die der Bruder eines ehemaligen
Premierministers verwickelt war. Die Verhandlung über einen anderen Fall steht noch
aus: Belhouchet hatte einen Artikel eines Oppositionspolitikers veröffentlicht, der sich
kritisch auseinandersetzte mit den versuchten Friedensgesprächen im römischen Kloster
St. Egidio. Und jüngstes Beispiel: Im November '97 hielt die Polizei Belhouchet und den
Satiriker von el-Watan eine Woche lang fest. Das Blatt hatte eine Glosse veröffentlicht,
in der nicht nur die Namen führender Militärs und Präsidentenberater genannt waren an sich schon etwas, was sich vorher nie jemand getraut hatte. Es stand darüber hinaus
zu lesen, daß die Bevölkerung diese Typen "zum Kotzen" finde. - Der Satiriker hat
inzwischen Algerien verlassen. Omar Belhouchet ist geblieben.
Er lebt ein Leben im täglichen Ausnahmezustand. Unerbitterlich ist auch der Streß für
seine Frau, die die direkte Gefahr und mörderische Ungewißheit mitertragen muß. Omar
Belhouchet selbst kann sich keine festen Gewohnheiten leisten, keine immer gleichen
Zeiten und Wege hin und zurück von der Arbeit. Statt dessen ständige Disziplin der
Worte!
Genaue Verabredungen z.B. trifft man in Algerien nicht am Telefon. Das wenige an
Privatleben, an Freizeit spielt sich in einem "Ghetto" ab: Belhouchet lebt in einem vom
Militär schwer bewachten Areal. Ob er sich dort letztlich sicher fühlt, ist die Frage,
besonders wenn wieder mal ein systemkritischer Artikel erschienen ist.
Für die Redaktionsräume von el-Watan im Haus der Presse gilt derselbe permanente
Ausnahmezustand. Und dort, auf Belhouchets Schreibtisch, steht - quasi als ständige
Mahnung - ein Foto des früheren Chefredakteurs von "Le Matin", Said Mekbel. Mekbel
schrieb täglich eine Kolumne. Am 3. Dezember '94 erschien eine mit dem Titel "Der
Dieb". Sie beschrieb überaus deutlich das lebensgefährliche Klima, in dem algerische
Journalisten arbeiten, die es ernst meinen mit dem offiziell proklamierten Rechtsstaat
und der Demokratisierung.
Ich zitiere:
"Dieser Dieb, der nachts die Mauern entlangschleicht, das ist er. Dieser Vater, der seinen
Kindern rät, seinen üblen Beruf nicht zu erwähnen, das ist er. Dieses Individuum, das bei
einer Stadtteilrazzia gepackt und mit dem Gewehrkolben nach hinten in den Lastwagen
geschleudert wird, das ist er. Er ist es, der jeden Morgen sein Haus verläßt, ohne sicher
zu sein, auf der Arbeitsstelle anzukommen. Und er ist es, der abends seinen Arbeitsplatz
verläßt, ohne sicher zu sein, zuhause anzukommen. Dieser Vagabund, der nicht mehr
weiß, wo er die Nacht verbringen soll, das ist er. Er ist es, den man hinter verschlossenen
Türen im Regierungsbüro bedroht, der Zeuge, der verschweigen muß, was er weiß,
dieser nackte und verzweifelte Bürger. Dieser Bürger, der wünscht, nicht mit
durchgeschnittener Kehle zu sterben, das ist er. Dieser Leichnam, dem der
abgeschnittene Kopf wieder angenäht wird, das ist er. Er ist es, der mit seinen Händen
nichts machen kann als seine kleinen Artikel; er, der trotz allem hofft, weil, nicht wahr,
die Rosen auf Misthaufen gut gedeihen. Er, der dies alles ist, ist nur ein Journalist.")
Dieser Artikel war Mekbels Todesurteil. Er wurde noch am selben Tag erschossen.
Omar Belhouchet glaubt nach wie vor an eine friedliche Zukunft Algeriens. Er setzt aber
nicht auf einen großen Friedensvertrag. Die Entwicklung in Richtung Demokratie ist
langwierig und verbunden mit vielen Gefahren. Politische Beobachter etwa befürchten,
daß die angekündigte Privatisierung algerischer Staatsbetriebe in mafiaähnlichen
Strukturen enden könnte. Omar Belhouchet und el-Watan werden dagegen
anschreiben. Und damit el-Watan nicht allein bleibt, trommelt Belhouchet wie kein
anderer in der algerischen Zeitungslandschaft, wenn Zensur ein Blatt bedroht, oder
wenn Kollegen wirtschaftlich der Hahn zugedreht werden soll. Als eine Art
Wächterinstanz gründete Belhouchet deshalb vor gut einem Jahr das algerische Komitee
für Pressefreiheit.
Mit Sorge beobachtet er aber, daß im Ausland, also auch bei uns, von einem Dialog mit
den Islamisten der FIS gelegentlich mehr erwartet werde als von den demokratischen
Kräften Algeriens. Genauso belastet ihn, daß die demokratischen Parteien untereinander
zerstritten sind. Unabhängig informieren und aufklären, das ist Belhouchets Credo. Und
sein Einsatz gilt auch all jenen Algeriern, die trotz Terror weiter wählen gehen, ihre
Kinder in gemischte Klassen schicken, Musik hören und Zeitung lesen.
Eine Zeitung etwa wie el-Watan, herausgegeben von Omar Belhouchet, der Hoffnung,
des Bannerträgers der Pressefreiheit in Algerien. el-Watan lesen natürlich auch seine
Kritiker, seine Gegner. Auch deshalb braucht Algerien diesen Mann, einen ebenso
besonnenen wie mutigen Verfechter der Pressefreiheit, der für dieses Engagement, für
seinen Mut und seine Ausdauer heute den Menschenrechtspreis der Friedrich-EbertStiftung erhalten hat.
Ihnen, verehrter Monsieur Belhouchet, gehört mein größter Respekt. Sie sind auch für
uns menschlich und beruflich ein Vorbild. Wir nehmen hierzulande Pressefreiheit als
etwas Selbstverständliches hin und vergessen leicht darüber, daß wir sie täglich,
stündlich ehrlich und hart im Dienst der Bürgerinnen und Bürger erarbeiten müssen.
Information darf auch im stürmischen Zeitalter der heranbrechenden
Informationsgesellschaft nicht zu einer beliebigen Ware verkommen. Wir als Vertreter
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind verpflichtet, alles zu unternehmen, damit dies
nicht geschieht. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Wie schon Thomas
Jefferson feststellte " Wenn er die Wahl hätte zwischen einer Regierung ohne Zeitungen
oder Zeitungen ohne Regierung, dann würde er das zweite wählen" erklärte der Vater
der amerikanischen Unabhängigkeits-erklärung vor über 200 Jahren. Wir müssen nicht
ganz so radikal sein und die Regierung abschaffen - das machen die Regierungen meist
selbst - aber die Essenz dieser Feststellung sollten wir stets präsent haben und mit
entsprechendem Verantwortungsbewußtsein handeln. Dank Ihrer Arbeit, Monsieur
Belhouchet, verfolgen wir die Entwicklung in Algerien mit großem Interesse und hoher
Anteilnahme. Ich darf Ihnen, Ihrer Familie und Ihrem Land alles Gute wünschen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Rede des Preisträgers Omar Belhouchet
Meine Damen und Herren,
ich komme aus einem Land, das von einem Konflikt zerrissenen wird, der in ein paar
Jahren Tausende von Toten verschlungen hat. Das algerische Volk erlebt eine
entsetzliche Tragödie, ein endloses und unvergleichliches Grauen am Ende dieses
Jahrhunderts.
All diese Jahre standen die algerischen Journalisten an der Seite ihres Volkes. Sie kennen
seine Schmerzen und Leiden, sie wissen um seinen Mut und bewundern seine
Hoffnung. Die Gegner des algerischen Volkes, die sich hinter dem Schleier des Islam
verstecken, die Gegner von freier Information, freier Analyse, freiem Kommentar, die
Gegner der unabhängigen Presse, sie zögerten nicht, mit Maschinengewehren, Messern
und Bomben zu töten um zu versuchen, diese Journalisten zum Schweigen zu bringen.
Seit dem 26. Mai 1993, dem Tag der Ermordung von Tahar Djaout, Journalist und
begabter Schriftsteller, sind 70 weitere Kollegen nach einem wohl überlegten Plan
kalblütig abgeschlachtet worden. Mit unglaublicher Achtlosigkeit wird das Recht auf
Leben mit Füßen getreten, - und die Verantwortung und die Rechtfertigung für diese
Morde wird von Europa aus übernommen.
Diesen Toten möchte ich den Preis widmen, den Sie mir soeben übergeben haben. Sie
sind gestorben, damit in meinem Land die Meinungsäußerung von jeglicher
Bevormundung befreit und die Pressefreiheit zur täglichen Wirklichkeit wird.
In der Geschichte meines Landes wird stehen, daß der Kampf für die Meinungsfreiheit
lang, hart und bitter war, aber letztlich aus Ringen und Hoffnung hervorgegangen ist.
Ich versichere Ihnen, daß es keine leichte Sache ist, in einem so schwierigen und
gleichzeitig komplexen und manchmal vielleicht sogar vieldeutigem Umfeld objektif und
professionell informieren zu wollen – gilt es doch, dem Haß der Islamisten zu entgehen,
die sich die Ausrottung aller algerischer Journalisten zum Ziel gesetzt haben, und
gleichzeitig dem unerträglichen Druck der politischen Macht standzuhalten.
Von 1992 bis heute sind algerische Publikationen aller Art wahllos in 55 Aktionen
beschlagnahmt, eingestellt oder verboten worden. 23 Journalisten kamen ins Gefängnis,
39 wurden festgenommen und 20 Blätter der algerischen Presse mußten ihre Arbeit
entweder zeitweise oder für immer einstellen.
All diese Jahre hindurch wurde in meinem Land die Pressefreiheit auf das Schwerste
verletzt. Die Behörden üben auch über juristische Belästigungen auf die Journalisten
Druck aus.Die technischen Druckmittel werden kontrolliert und sie werden regelmäßig
unter fadenscheinigen Vorwänden wie ‚Anschlag auf die Staatssicherheit‘ oder
‚Beleidigung von Amtspersonen‘ vor die Gerichte gezerrt.
Unser Volk sehnt sich nach Demokratie, Gerechtigkeit und Stabilität – es ist ein
leidendes Volk. Der bewaffnet Islam ist keine Fiktion oder irgendeine Vorstellung ,
sondern eine jeden Tag immer wieder von neuem schmerzende Realität. Kleine Kinder
werden enthauptet, die Kehle wird ihnen aufgeschlitzt - Greueltaten, die vorsätzlich und
im Namen des Islam verübt werden, einem irregeführten Islam. Das Regime an der
Macht gibt nicht gerade viel Anlaß zum Optimismus, auch wenn in einigen
Erscheinungen der seit 1995 begonnene politische Prozeß einen pluralistischen Vorstoß
zu beinhalten scheint. Das sind nichts weiter als Schachzüge der Staatsgewalt, die weiter
fern von der Gesellschaft, von ihren Nöten und Hoffnungen abgeschnitten bleibt. Sie
wirkt nicht so, als ob sie fähig wäre, das Land aus der Krise heraus und auf den Weg in
die Demokratie bringen zu können.
Die emotionale Erschütterung der Deutschen und Europäer ist berechtigt, genauso wie
die Fragen, die sie sich zu meinem Land allgemein stellen.
Die fehlende Transparenz des algerischen Regimes, seine schweren Verfehlungen
hinsichtlich der Menschenrechte, der Druck, den es auf die unabhängige Presse ausübt,
das Verbot für ausländische Journalisten, sich an den Ort des Geschehens zu begeben all das trägt nicht gerade zum Verständnis für die Realität meines Landes bei.
Aber, - soll man aufgeben und das Feld den Islamisten und Verfechtern des
Autoritarismus überlassen?
Wir sind heute überzeugt, daß der unabhängige Journalismus eine wesentliche und
unerläßliche Rolle bei der Schaffung eines demokratischen, politischen Systems spielen
kann.
Sie haben das Recht und die Pflicht, denen beizustehen, die in Algerien für eine
unabhängige Presse kämpfen, für die Rechte der Frauen, für die Achtung der
Menschenrechte und für die Demokratie. Sie haben das Recht und die Pflicht, ihnen zu
helfen. Der Kampf in Algerien ist ein Machtkampf. Er findet auf islamischer Erde statt, in
einer von religiösem Fanatismus erschütterten Region, ein Kampf mit dem Ziel, unsere
Völker ins finstere Mittelalter zurückwerfen.
Dazu sagen wir nein.
Wir glauben an die allgemeine Gültigkeit demokratischer Werte. Sie sind nicht das
Eigentum der christlichen Zivilisation.
Die demokratischen Kräfte in Algerien brauchen Unterstützung. Es gibt eine
Zivilgesellschaft. Sie ist in den letzten Jahren sehr viel reifer geworden. Die algerischen
Frauen sind schlechthin bewunderswert und ihr Kampf läßt vielversprechende Hoffnung
aufkommen.
Deshalb ist die Verleihung des Menschenrechtspreises ihrer berühmten Stiftung eine so
große Ermutigung aller Algerier, die nicht an ihrem Land verzweifeln und die es so
schnell wie möglich den Weg in die Demokratie gehen sehen wollen.