Einmal um die Welt

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Einmal um die Welt
MANAGEMENT  Busweltreise
MANAGEMENT
TEXT Sascha Böhnke INFOS ZUM THEMA www.blog.busweltreise.de
Einmal um die Welt
Es ist geschafft: Die Busweltreise von Avanti ist vorbei. Nach neun Monaten Fahrt durch
vier Kontinente ist klar, es gibt für solche Reisen keine Alternative zum Reisebus. Zeit
für ein Fazit des größten Busabenteuers 2013.
In Nord-Südamerika durch-
quert man auf weiten Strecken den Regen- und Nebelwald in den Anden. Das Interesse der Bevölkerung an deutscher Technik ist riesig. Vorsicht ist nicht nur in Kolumbien geboten
D
as Vorhaben klang viel zu verrückt,
um zu funktionieren: Mit dem Bus
um die Welt, von Freiburg nach
Shanghai, dann mit dem Schiff nach Alaska
und runter bis nach Feuerland. Doch AvantiChef Hans-Peter Christoph ließ sich von Skeptikern nicht beeindrucken und fuhr Anfang
April tatsächlich los. Warum auch nicht, genügend Fahrgäste jedenfalls wollten mit. Die
meisten zwar nur auf einzelnen Etappen, doch
auch die sind ja mit einer Länge von vier bis
durch Kolumbien führte der mitreisende SetraServicetechniker Anatoli Reklin regelmäßig
eine Regenerierung des Partikelfilters durch,
das lag aber am extrem schlechten Kraftstoff
aus dem Iran und China. Doch schnell erholte
sich der Bus, Gelb- oder gar Rotmeldungen
traten nicht mehr auf. Überhaupt schien es
dem Bus völlig egal zu sein, wo er eingesetzt
wurde, er lief und lief und lief. Das ist umso
bemerkenswerter, da es sich bei der AvantiComfortClass 500 um eines der ersten Serienfahrzeuge handelt, das in NeuUNTERSCHEIDET Ulm die Werkshallen verließ.
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DAS FAHREN IN SÜDAMERIKA
SICH GRUNDSÄTZLICH VON DEM, WAS FAHRER
AUS EUROPA KENNEN, KAUM AUTOBAHNEN
acht Wochen nicht ohne. Mittlerweile hat der
Bus, ein Setra S 515 HD, das Ziel Ushuaia – die
südlichste Stadt der Welt in Argentinien – erreicht. Dort ist die Gruppe am 20. Dezember
angekommen, der Bus befindet sich im Augenblick auf dem Schiff in Richtung Europa.
Und doch unterscheidet sich das
Fahren in Südamerika in vielen
Bereichen grundsätzlich von
dem, was Busfahrer aus Europa kennen.
Vieles erinnert auch ein wenig an die Verkehrssituation bei uns in den 70er Jahren, als
europäische Fernstraßen nur unzureichend
ausgebaut waren und sich der komplette
Schwerverkehr über unübersichtliche und ❯
Dass das Ziel erreicht werden kann, war im Verlauf der Busweltreise nicht immer klar, denn
es gab zwischenzeitlich in Nordamerika erhebliche Probleme. Die USA verweigerten
nämlich dem Bus die Einreise auf den kompletten nordamerikanischen Kontinent – angeblich fehlten Unterlagen zum Fahrzeug.
Doch Christoph zögerte nicht lange, Aufgeben
wegen der Sturheit amerikanischer Zöllner
kam nicht in Frage, und mietete über mehrere
Wochen einheimische Busse, um die Fahrt wie
geplant durchführen zu können. In Kolumbien
dann endlich, dem Start der achtwöchigen
Südamerika-Etappe, stand er wieder bereit,
der Botschafter deutscher Ingenieurskunst,
der Setra der Baureihe 500.
OMNIBUSREVUE- Technikredakteur Sascha
Böhnke war mit an Bord und steuerte zusammen mit Hans-Peter Christoph den Bus durch
Kolumbien, Ecuador und Peru bis nach Arequipa. Wie würde sich dieses Fahrzeug, vollgestopft mit Elektronik und den neuesten Sicherheitsfeatures auf den schweren Andenpässen und den endlosen Wüstenetappen
bewähren? Auf den ersten 100 Kilometern
Ein im wahrsten Sinne des Wortes fahrender Händler
in Medellin, Kolumbien
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MANAGEMENT  Busweltreise
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TEXT xxx INFOS ZUM THEMA www.xxx.xx
INTERVIEW
Auf der Reise
meines Lebens
HANS-PETER CHRISTOPH
ist Inhaber von Avanti Busreisen, der Hans-Peter Christoph KG. Er veranstaltete
mit dem eigenen Bus eine Weltreise, die er die ganze Zeit über begleitete. Er
spricht über Erlebnisse und Erfahrungen, die er in neun Monaten machte.
OR: Wie groß war die Resonanz auf die Busweltreise? Gibt es ausreichend
Reisende, die sowohl die Zeit als auch das Geld
dafür mitbringen?
H.-P. C.: Ich bin sicher, dass es noch viel, viel
mehr potenzielle Mitreisende gibt, denn wir
verwirklichen einen Traum, den Traum vom
langsamen, intensiven Reisen. Die Herausforderung
ist, von diesem Kundenkreis wahrgenommen zu
werden. Geld spielt kaum eine Rolle, es ist das
Abenteuer, das reizt, aber es ist wichtig, dass alles
perfekt organisiert wird. Wir haben alle Etappen
über unser Büro in Freiburg selbst verkauft. Aber
mit einem zusätzlichen guten Vertrieb über
Reisebüros oder das Internet und mehr Presse
hätten wir eine meterlange Warteliste geführt,
davon bin ich überzeugt. Wenn Sie jemanden
kennen, der/die das fertigbringt, bitte ich Sie, den
Kontakt herzustellen!
OR: Lässt sich mit solch einer Fahrt auch Geld
verdienen oder war sie als „Image-Fahrt“ kalkuliert?
H.-P. C.: Ich bin kein Spinner, der nicht rechnen
kann. Aber die Auslastung mancher Etappe hätte
etwas höher sein dürfen, nicht jeder Abschnitt war
ausverkauft. Wichtig ist, dass wir uns für weitere
Projekte empfehlen und die Leute von unseren
aktuellen Reisen in Europa überzeugen.
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überfüllte Passstraßen quälte. So erfordert
das Befahren der Panameri­cana in Kolumbien
absolute Aufmerksamkeit, hinter jeder Kurve
konnte ein 50-Tonner auftauchen oder ein
Fernbus, der in atemberaubendem Tempo
und ohne jegliche Sicht zum Überholen angesetzt hat. Bremsbereitschaft schadet übrigens
auch in den quirligen Städten nicht, denn
Busse, Pkw, vor allem aber Taxis kennen
keine Gnade und drücken sich in jede sich
auftuende Lücke nach dem Motto: Wer
frecher ist, kommt schneller an. Mehrfach
sprang in solchen Situationen der Active
Brake Assist an, der dann mit einer Rotmeldung und einem eindringlichen Warnton
kurz vor einem automatischen Bremsmanöver stand. Mit Vorsicht zu genießen war auch
die Benutzung des Abstands-regeltempomaten auf den schnurgerade verlaufenden
Wüstenstraßen in Peru. Denn am Fahrbahnrand verkehren dreirädrige Minitaxis, die
auch gerne mal einen kleinen Schlenker zur
Straßenmitte hin unternehmen.
O R : Würden Sie eine solche Fahrt so wieder unternehmen?
H . - P. C . : Nicht nur ich, auch meine Frau und einige Mitreisende wären
die gleiche Strecke am liebsten direkt im Anschluss zurückgefahren! Alles
retour, von Feuerland hoch nach Alaska und von Shanghai nach Freiburg,
Ankunft dann im Oktober 2014! Davon habe ich gegen Ende der Reise
manches Mal geträumt.
O R : Wären Sie auch ohne mitreisenden Servicemechaniker gefahren?
H . - P. C . : Ich bin kein Schrauber und Mechaniker, sondern als Veranstalter, Chauffeur und Reiseleiter mit einer riesigen Verantwortung unterwegs
und jeden Tag von früh bis spät gefordert. Herr Reklin gibt mir Sicherheit,
was das Fahrzeug betrifft. Nicht nur für mich, auch für die Mitreisenden
war es immer ein äußerst beruhigendes Gefühl, im Falle des Falles sofort
Hilfe zu haben. Stellen Sie sich vor, auf welch unglaublichen Strecken
und in welchen Ländern wir unterwegs waren! Es spricht für den Setra,
dass Anatoli Reklin nie zum Einsatz kam, der Bus ist fantastisch!
O R : Kennen Sie jetzt die Buswelt besser als vorher?
H . - P. C . : Ich habe gesehen, dass sie sich weltweit nicht sehr von der
unserigen unterscheidet. Es gibt überall Fahrer, die ihren Beruf lieben
und solche, die keine Leidenschaft dafür zeigen, sehr gute und weniger
gute Reiseführer. Man muss es schaffen, mit den Besten zu arbeiten.
Die Karibik im Norden Kolumbiens – ein Traum
O R : Was haben Sie für Ihr Busgeschäft zu Hause
von dieser Fahrt mitnehmen können?
H . - P. C . : Mehr denn je ist mir bewusst, wie
wichtig Qualität ist, egal ob beim Hotel, seiner
Lage, Essen, Fahrzeug, Chauffeur oder Reiseleiter, eben in der gesamten touristischen Leistungskette. Qualität heißt auch, dass die Tage nicht
von früh bis spät vollgepackt sind mit Programm.
Genauso wichtig ist es aber auch, dass diejenigen, die eine Reise durchführen oder leiten, die
Reisenden mit ihren Sorgen ernst nehmen und
sich wirklich kümmern. Nichts ist wichtiger als
persönliches Engagement und umfassende
Präsenz, damit sich die Reisenden gut aufgehoben fühlen.
O R : Wie ging das eigentlich – neun Monate als
Chef nicht im eigenen Betrieb zu sein?
H . - P. C . : Der Ruf nach dem Chef war manchmal
durchaus vernehmbar, denn E-Mails und Telefonate ersetzen nicht die Anwesenheit vor Ort. Aber
ich habe ein klasse Team mit Verantwortungsbewusstsein und Kompetenz, und ich bin stolz, wie
gut alles geklappt hat. Der Mensch wächst mit den
Aufgaben, wenn man sie ihm zutraut.
Eine kraftstoffsparende Fahrweise ist gerade im
nördlichen Teil Südamerikas so gut wie unmöglich, denn abgesehen von wenigen Ausnahmen (die allerdings immer mehr werden)
gibt es keine Autobahnen, jede Ortschaft wird
durchfahren und in jeder Ortschaft befinden
FOTOS Sascha Böhnke
OR: Sind Sie ein risikofreudiger Mensch und Unternehmer? Sie befahren
ja auch andere „exotische“ Fernziele. Was reizt Sie an solchen Reisen?
H.-P. C.: Grundsätzlich: Ich liebe es, unterwegs zu sein, egal ob hier in
Europa oder im Rest der Welt, an mir bekannten oder fremden Orten.
Ohne diese Herausforderungen wäre mein Leben langweilig. Aber am
schönsten ist es, in die ungläubigen Gesichter zu blicken, wenn Einheimische und Touristen in weit entfernten Ländern unseren Bus bestaunen.
Die wenigsten können sich vorstellen, dass es möglich ist, auch ohne
Flugzeug so weit zu kommen. Das gilt übrigens auch für Europa, kaum
jemand, der noch nach Portugal fährt. Dabei lernt man nur auf ÜberlandReisen die Welt in all ihren Facetten richtig kennen – nicht nur die
touristischen Highlights eines Landes.
Reisebusse spielen in Equador hauptsächlich im Fernlinien-Segment eine Rolle. Rechts ein Hino-Aufbau
O R : Was waren die beeindruckendsten Momente während der Fahrt?
H . - P. C . : Zu sehen, dass es immer weitergeht, egal welche Schwierigkeit
sich gerade wieder in den Weg stellt. Nicht den Mut zu verlieren, die
Hoffnung nicht aufzugeben, sich durchzubeissen, einen Schritt zurück­
zutreten, die neu eingetretene Situation in Ruhe durchzudenken und mit
Menschen des Vertrauens zu sprechen. Meine Frau war mir eine große
Hilfe! Und am Ende, bei der Einfahrt ins Ziel Ushuaia war nicht nur ich
den Tränen nahe, so bewegend war es, das alles geschafft zu haben –
nicht nur geschafft, sondern zu einem glücklichen Ende gebracht zu
haben.
FOTOS Sascha Böhnke (u.), Anatoli Reklin, Daimler (o.)
OMNIBUSREVUE: Eine Busweltreise ist ein Projekt, welches an sich
schon mit dem Begriff „unfassbar“ umschrieben werden müsste. Was
waren im Vorfeld die größten Herausforderungen?
HANS-PETER CHR I S T O P H : Die Route entlang der Seidenstraße nach
Shanghai ist mittlerweile ja fast Routine, bei der es wie bei jeder Reise
immer Details zu optimieren gibt. Die große Herausforderung lag bei der
Panamericana, bei der die unterschiedlichen Länder mit den verschiedensten Voraussetzungen aufwarteten, fünf Monate mit rund 35.000
Kilometern von Alaska bis Feuerland. Jeder Tagesablauf, jeder Kilometer
Straße oder Piste, jedes Land, jede Vorschrift musste durchdacht und
vorbereitet sein. Dennoch hatten wir jeden Tag neue Herausforderungen
zu bewältigen. Ich bin froh, dass nichts passiert ist und erleichtert, wie
präzise wir den Zeit- und Routenplan einhalten konnten und jede
zusätzliche, neu auftretende Aufgabe Tag für Tag meisterten. Wir sind
jeden einzelnen der 215 Reisetage exakt nach unserem Roadbook
vorangekommen. Das Wichtigste: Mit begeisterten Gästen, „auf der Reise
meines Lebens“, wie es eine Mitreisende formulierte.
Mit sogenannten Bananen-Bussen, den Civas, befördern vor allem Bauern ihre Lebensmittel zu den Märkten
Die Polizei in Kolumbien ist allgegenwärtig
sich „schlafende Polizisten“, also abgerundete
Betonschweller, die mit dem Bus nur in angehobenem Zustand und im Schritttempo überfahren werden können. Diese Hindernisse
liegen im Idealfall nur am Ortsein- und -ausgang, in der Regel aber findet man alle paar
Meter eines. Das ist nicht nur unangenehm für
die Mitreisenden, das kann vor allem bei Dunkelheit zu unschönen Fahrzeugschäden führen, denn viele dieser Hindernisse sind kaum
bis gar nicht zu sehen.
In den Städten herrscht in der Regel sehr dichter Verkehr, Baustellen sind überall
Die Technik der Civas ist sehr einfach
Die Fahrgäste nahmen auch lange Tagesetappen gelassen hin. Die Frage, ob die endlose
Kurvenräuberei in den Anden nicht zu anstrengend sei, verneinten alle, im Gegenteil,
immer wieder genossen sie das schier endlose
Vorbeiziehen der südamerikanischen Landschaft. Und es scheint logisch: Wer nicht allein
durch die Welt tingeln will, hat nur mit dem
Bus die Möglichkeit, derart viel in relativ kurzer
Zeit zu erleben. Keine Kreuzfahrt und keine
Pauschalreise kann Vergleichbares bieten. ■
Was bei uns der Döner, ist in Kolumbien der Kokos-Snack
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