Von den Inseln der Ordnung Flemming-Dental
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Von den Inseln der Ordnung Flemming-Dental
24 Die ZahnarztWoche Tagung und Fortbildung Von den Inseln der Ordnung Flemming-Dental-Kongress „Implantologie & mehr“ in Berlin „Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass das Chaos in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Inseln der Ordnung herrschen kann.“ Chaostheoretiker und FraunhoferLeiter Prof. Dr. Heinz-Otto Peitgen aus Bremen stellte in seinem Vortrag auf dem 13. Flemming-Kongress „Implantologie & mehr“ im Januar in Berlin anregend dar, dass der physikalische Grundsatz von der Proportion von Ursache und Wirkung (kleine Veränderung der Ursache führt zu kleiner, große Veränderung zu großer Veränderung der Wirkung) in zahlreichen Gefügen nicht stimmt. Dort können nämlich auch kleine Veränderungen zu komplett anderen Ergebnissen führen. Auf die Zahnmedizin übertragen könnte man behaupten: Unter bestimmten dentalen Bedingungen ist eine geringfügige Abweichung in der Behandlungsführung eben keine geringfügige Ergebnisveränderung, sondern ein eklatanter Therapie-Misserfolg. Umso wichtiger ist es, Inseln der Ordnung, Bereiche neuer und veränderter Therapiemöglichkeiten abzustecken, um sichere Zonen der Therapie für Patient und Behandler zu definieren. Diese Aufgabe stellte sich der Flemming-Kongress unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Dr. Dr. Volker Strunz, Berlin, der in Zusammenarbeit mit Steffen Kahdemann (Ziterion Uffenheim) ein spannendes und niveauvolles Tagungsprogramm aufgestellt hatte. Strunz referierte über die Geschichte der Implantologie als einer Geschichte nach der Suche von sicheren Techniken, Materialien und Produktdesigns. Aus heutiger Sicht erscheinen dann auch Plattenimplantate Linkowscher Art als Chaoszonen, die allerdings Voraussetzungen waren, um heutige Implantatformen als therapiesichere Varianten zu finden. In nur 20 Jahren hat die Implantologie sich zu dem innovativen Sektor der Zahnmedizin entwickelt, zu Beginn interessanterweise mit stärkeren Impulsen aus dem Praxisalltag als aus dem universitären Feld. land) über Platform Switching in der Frontzahnimplantologie (Dr. Dietmar Weng, Starnberg) bis hin zur Herausstellung der Möglichkeiten der DVT-Analyse für die Implantologie (Prof. Dr. Uwe J. Rother, Hamburg) und denen der plastischen Chirurgie in der Implantologie (PD Dr. Meikel Vesper, Berlin) reichten. Die profunden Beiträge verstärkten je- Ausgabe 9/11 durch die Beimischung geringer Mengen Aluminiumoxid könne Zirkondioxid als materialtechnisch sicher gelten, so Kuntz. Dass Fußballspiele keine Inseln der Ordnung sind, musste Schiedsrichterlegende und Zahnarzt Dr. Markus Merk, der gerade zum „Weltschiedsrichter des Jahrzehnts“ gewählt wurde, nicht erst herausstellen. Dass aber Fußballregeln gelten, um das Chaos beherrschbar zu machen, führe zu der Frage, wie gerecht Entscheidungen sein können, die in Sekundenschnelle vom RefereeTeam getroffen werden müssen. „Alles richtig machen ist unmöglich. Gerecht zu sein noch mehr. Aber der Wille dazu, der muss in jeder Situation, bei deinem Tun und Handeln erkennbar sein.“ Die innere Einstellung bringt Sicherheit, die Konzentration auf die Inseln der Jetztzeit: „Das Leben findet heute statt.“ Welche Regeln gelten für das Zusammenspiel von Kunststoff- Schwimmlegende Michael Groß und Flemming-Vorstandsvorsitzender Dr. Mathias Krebs (von links) Die 550 Fachteilnehmer im noblen Ritz-Carlton Hotel verfolgten mit großer Aufmerksamkeit die internationalen Fachvorträge, die von der Biomechanik (Prof. Roger Thull, Würzburg), Rezessionsmanagement (Dr. Gerd Körner, Bielefeld), Abutmentherstellung (Dr. Helmut Steveling, Gernsbach), Augmentationsaspekten (Dr. Istvan Urban, Budapest; Prof. Massimo Simion, Mai- weils auf ihre Art die sich herausbildenden Kriterien für die Inseln der Ordnung in der Implantologie. Prof. Dr.-Ing. Hans-Olaf Henkel, ehemaliger IBM-Europa-Chef, langjähriger Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie und Präsident der LeibnitzGemeinschaft, markierte in seinem „Über-den-Tellerand-Beitrag“ zu den „Fünf Rezepten für Deutschland“ fünf Flächen als Voraussetzung gesellschaftlichen Fortschritts, die nach Henkels Ansicht neu wahrgenommen werden müssen. Besonders die Wahrheitsinsel lag ihm am Herzen: Wenn dem politischen Diskurs die Wahrhaftigkeit fehlt, verliert eine Gesellschaft eine elementare Größe, nämlich Vertrauen und Verlässlichkeit als Bedingungen von Menschlichkeit und Ökonomie. Wer alles selbst herausfinden muss, um zu validen Ergebnissen zu kommen, weil er niemandem mehr trauen könne, der kann nicht effektiv und ökonomisch handeln. Wahrhaftigkeit sei keine „Nice-to-have“-Insel, kein Urlaubsressort, sondern die Basis einer aufgeklärten und immer wieder aufklärenden Gesellschaft. Für Aufklärung sorgte auch Dr. Meinhard Kuntz, der als Entwicklungsleiter der Plochinger Firma CeramTech ausgewiesener Spezialist für Medizinkeramiken ist. Besonders sein Hinweis auf die hydrothermale Alterung von Zirkonoxid gab vielen zu denken. Nur Prof. Dr.-Ing. Hans-Olaf Henkel (links), hier mit FlemmingVorstand Mathias Schmidt, diskutierte fünf Voraussetzungen für den gesellschaftlichen Fortschritt. restaurationen, Nachhaltigkeit und Ästhetik? Prof. Daniel Edelhoff aus München zeigte an spannenden Patientenfällen, welche beeindruckenden ästhetischen Möglichkeiten heute durch den Einsatz CAD/CAM-generierter Provisorien bestehen. Dass es auch für das Feld der allergischen und Immun-Reaktionen wissenschaftlich erwiesene Methoden der Verortung sicherer Materialien gibt, zeigte Dr. Volker von Baehr, Berlin, der die Implantologie unter Berücksichtigung immunologischer und allergologischer Aspekte (Fokus Titan) darstellte. Hervorzuheben war hier der für viele Teilnehmer neue Hinweis, dass Körperreaktionen mithilfe des sogenannten Lymphozyten-Transformationstests (LTT) inzwischen sehr gut wissenschaftlich nachweisbar sind und bei zu Allergien tendierenden Menschen sehr hilfreiche Ergebnisse zeigen. Immer wieder stellten die Referenten heraus, dass bei aller Behandlungsroutine innovative Implantologie nicht eine bis ins letzte Detail Sicherheit gehende Therapie sein kann, weder durch Bohrschablone oder DVT-Technik noch navigierte 3-D-Planung, die eben immer nur Annäherun- gen an Sicherheits- und Behandlungsziele leisten können. Die täglichen Herausforderungen zu meistern, schafft Meisterschaft. Schwimmerass Michael Groß zeigte in seinem Vortrag, dass auch für Schwimmer Ordnung und Chaos, Erfolg und Misserfolg nah beieinander liegen. Ähnlich wie Schiedsrichter Merk betonte auch Groß, dass Selbstanspruch, Selbstdisziplin und innere Einstellung, gekoppelt mit Fehleranalyse und Verbesserungswille Voraussetzungen sind, um im Meer der Möglichkeiten genau im schmalen Strom des Erfolgs zu schwimmen. Flemmings Koppelung von Referaten zur Implantologie mit Referaten aus ganz anderen Bereichen, die den Blick über den Tellerrand ermöglichten, war in diesem Jahr wieder ein besonderes Ereignis, das das Jahr für die Teilnehmer mit alltagsrelevanten Themen (die in etlichen Workshops vertieft werden konnten) spannend einläutete. Auch im Rahmen- und Abendprogramm zeigte die größte deutsche Dentallabor-Gruppe Niveau, Leistung, Profil und Persönlichkeiten, denen die Schaffung von Inseln der Ordnung in einer manchmal auch chaotischen Welt mehr als zugetraut werden kann. Reinhard Bröker, Freising ■