„Guter Stil sollte nicht zu eitel sein“

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„Guter Stil sollte nicht zu eitel sein“
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BERLINER MORGENPOST | 2. WOCHE 2013
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„Guter Stil sollte
nicht zu eitel sein“
Interior Designer Frank Stüve rät jedem, ein
individuelles Konzept für die Wohnung zu suchen
AMIN AKHTAR (4)
Volksheld. In jeder Turnhalle
hing eines seiner Bilder. Die
Art der Darstellung zeigt, wie
ähnlich sich Propaganda-Kunst
ist, egal in welchem Land und zu
welcher Zeit sie entstanden ist“,
sagt der Experte.
Alles im Classic Chic Style
Doch nicht nur die üppige Kunst
an den Wänden gibt der Wohnung ihre Atmosphäre. Auch
die individuellen und zugleich
geschmackvollen Möbel, von einem kleinen Sessel über die Regale, Kommoden, Lampen und
ein mit diversen Kissen bedecktes Bett im Schlafzimmer, runden das Ensemble geschmackvoll ab. Hier war der Fachmann
an der Arbeit.
Es passt alles gut zusammen,
sieht akkurat und gepflegt aus.
Wie zum Beispiel im Arbeitszimmer. Hier geht ein schwarz-weißer Teppich fast nahtlos in die
mit Schwarz-Weiß-Fotografien
tapezierten Wände über.
Den Stil in seiner Wohnung
beschreibt der Designer als Classic Chic Style. Allerdings legt
Markus Hilzinger mehr Wert auf
die Persönlichkeit einer Wohnung denn auf eine bestimmte
Stilrichtung. „Der Trend geht immer mehr zum Individualismus.
Die Wohnungen werden kleiner,
weil die Mieten und Immobilienpreise steigen. Bei der Einrich-
tung der Wohnung sollte man
demnach den Schwerpunkt auf
seine Lieblingsstücke setzen“,
sagt er als Anregung.
Auch die Einrichtung seiner
eigenen vier Wände sei „ständig
im Fluss“. „Wenn man etwas
wegnimmt, dann sollte man es
mit etwas anderem ergänzen
können, ohne den gesamten Stil
ändern zu müssen. Die Wohnung
eines Menschen ist wie seine
Visitenkarte, ist wie ein Passepartout“, stellt der Designer fest
und fügt an: „Guten Stil kann
man nicht definieren. Guter Stil
ist das, worin der Mensch sich
Gefasst Der Experte legt Wert
auf schön gerahmte Bilder
wohlfühlt. Für mich darf eine
gute Einrichtung nicht statisch
sein.“ So definiert er seine eigene
Wohnung nicht als „museal“,
sondern findet sie „artifiziell“.
Viel wichtiger ist, dass eine
Wohnung wie ein Maßanzug
die eigene Persönlichkeit betont.
„Hohe Schränke sollten nicht in
dem Raum stehen, in dem man
sich gern zum Sitzen, Essen,
Unterhalten aufhält. Dort sollte
man eher Kommoden und Sideboards in Augenhöhe platzieren“, sagt Markus Hilzinger.
Keine Angst vor Farbigkeit
Der Experte rät ferner dazu,
Räume in Zonen zu gliedern
und bei Farben keine Bange
vor dunklen Tönen zu haben.
„Dunkle Farben machen eine
Wohnung nicht dunkel, sondern
größer“, weiß der Fachmann, der
natürlich auch auf Bilder an den
Wänden setzt.
„Ein Bild muss nicht teuer sein
und verleiht jeder Wohnung eine
Persönlichkeit. Auf dem Flohmarkt gibt es die tollsten Bilder
und Rahmen. Selbst ein Foto
an der Wand hat mehr Stil, wenn
es in einem Rahmen steckt“, ergänzt er und kann es nicht fassen,
dass es immer noch Leute gibt,
die sich ein rahmenloses Poster
an die Wand hängen. „Das geht
gar nicht. Das haben wir heutzutage nicht nötig!“
VILLA HARTENECK
Anna Klar befragte
Frank Stüve, Geschäftsführer und Interior Designer in der Villa Harteneck in Grunewald, zu
den Trends bei stilvoller
Inneneinrichtung.
Nach wie vor ist aber
auch der Ethno-Stil angesagt, so zum Beispiel
Tagesdecken aus Usbekistan oder Kelims auf
Sofas gezogen. Generell
ist beim Wohnen immer
wichtig, einen guten
Mix zu haben!
Berliner
Morgenpost: Frank Stüve,
Wie arbeitet ein Interior Geschäftsführer
Designer?
Was sind Ihre EinrichFrank Stüve: Ein guter Interior tungstipps? Was sollte man unbeDesigner sollte die Kundenwün- dingt haben und was „geht gar
sche reflektieren und dabei mit nicht“?
seinem Know-how aufladen. Ich empfehle jedem, etwas handWichtig ist, nie den Blick auf die gemachtes zu Hause zu haben
Location zu verlieren – also zum zum Beispiel gibt ein Kelim einer
Beispiel keine Landhausmöbel Inneneinrichtung immer eine
im Loft.
große Substanz. Ich finde auch,
dass Ikatstoffe Räumen eine
Wie schnelllebig sind Trends im Seele einhauchen. Absolute NoInterior Design und sollte der Gos sind meiner Meinung nach
Kunde diese immer mitmachen?
Kopien von Designklassikern
Die Trends im Interiorbereich oder aber auch billige Kunsttaftsind nicht so schnelllebig wie in stoffe.
der Mode. Sie bauen sich langsamer auf, weil sie sich nah an Muss Interior Design immer teuer
den gesellschaftlichen Verände- und edel sein oder geht es auch
rungen orientieren – zum Bei- etwas
kostengünstiger
und
spiel wandern Esszimmer mehr schlichter? Wenn ja, wie?
in die Küche, weil das Wohnen Interior Design muss nicht teuer
generell privater wird. Jedoch sein. Wichtig ist nur, dass dem
gibt es fast jährlich wechselnde Ganzen ein gutes Konzept vorTrendfarben. Ich finde, für den ausgeht. Eine gut ausgesuchte
Endkunden sind die Trends im Wandfarbe gibt die Bühne für ein
Wesentlichen unwichtig, weil Ikeasofa. Manchmal ist es auch
jeder Mensch sein individuelles hilfreich, gebrauchte Sofas neu
Konzept sucht, was mehr mit zu beziehen. Auf keinen Fall
Persönlichkeit und tatsächlicher Flohmärkte auslassen. Man sollte
Umgebung zu tun hat.
sich aber immer vorher einen
Plan machen und auch ein BudWas ist guter Stil?
get setzen. Ich bin mir sicher, dass
Guter Stil ist alles, was eine man mit jedem Budget ein gutes
Selbstverständlichkeit ausstrahlt, Interior zaubern kann.
eine Souveränität ausdrückt und
einen kosmopolitischen Gedan- Welche Rolle spielen Blumen/
ken hat. Stil sollte immer eine Pflanzen im Interior Design?
große Natürlichkeit ausstrahlen Blumen machen immer dann
und nicht zu eitel sein.
Sinn, wenn man sie konzentriert
einsetzt. Wobei die Wahl des GeWelche Trends sind „in“ – Farben, fäßes eine große Rolle spielt. BluMöbel, Pflanzen, Stoffe?
men sollten immer an einem zenMomentan angesagt bei der Aus- tralen Ort eingesetzt werden:
wahl der Farben sind alle Petrol- zum Beispiel ein großer Strauß
töne, kombiniert mit Kupfer. Mö- im Saftkrug auf dem Küchentisch
bel sind immer noch inspiriert oder eine chinesische Schale mit
von den 50er- und 60er-Jahren, Orchideen auf dem Couchtisch.
ausgelöst durch die US-amerika- Ich bin kein Freund von Hydronische Kultserie „Mad Men“. kultur und zu großen Pflanzen.
Innenarchitektur
Mischform Der Beruf des Interior
Designers stammt ursprünglich
aus den USA, er ist dem Innenarchitekten und Ausstatter ähnlich, geht aber häufig darüber
hinaus. Ein Interior Designer
kümmert sich um die Inneneinrichtung von Gebäuden, dabei
setzt er die Schwerpunkte auf
Planung, Funktionales Design und
effektive Nutzung von Räumen.
Zusatzaufgaben Häufig sind
aber auch Projekte darunter, die
das Verständnis von technischen
Fragen erfordern, dazu gehören
Akustik, Beleuchtung und Temperatur.
Qualifikation Der Beruf des
Interior Designers ist relativ neu,
und wird ständig weiterentwickelt. Das „NCIDQ“, das Board
für Interior Design Qualifikationen
definiert den Beruf so: „Ein Professional Interior Designer wird
durch Ausbildung, Erfahrung,
Prüfung qualifiziert, um die Funktion und Qualität von Innenräumen zu verbessern“.