Aus des Lesers Feder - Deutsch-Finnische Gesellschaft Nord eV

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Aus des Lesers Feder - Deutsch-Finnische Gesellschaft Nord eV
Aus des Lesers Feder
ausgewählt von Marianne Laaksonen
Europas komischer Musterschüler
Das Finnland-Bild
hat in letzter Zeit in Deutschland eine sympathische zusätzliche Farbe bekommen
Von Leena Becker / Helsingin Sanomat 28.07.2010 / Übersetzung ins Deutsche: Esko Laaksonen
In den vergangenen Jahrzehnten wurde
Finnland in Deutschland als ein Befehlsempfänger der Sowjetunion gesehen.
Dann wurde Finnland ein ordentlicher
Musterschüler in Europa. Ist es immer
noch – aber auch ein Land der sympathischen und lustigen, manchmal etwas seltsamen Leute.
In einem Ende April erschienenen Artikel
in der Wochenzeitung DIE ZEIT stellte die
Redakteurin Susanne Sitzler humorvolle
Bücher über Finnland vor: Wolfram Eilenberger „Finnen von Sinnen“ (Mielettömät
suomalaiset) und die „Gebrauchsanweisung für Finnland“ (Käyttöohje Suomeen) von dem in Finnland lebenden
Roman Schatz.
„Finnland ist in den Augen vieler ein
rätselhaftes Land, das macht es so sympathisch“ schreibt Sitzler. Der „ZEIT“Artikel war illustriert mit dem Bild eines
Mannes, der am Rand eines Eisloch nur
mit einer Badehose bekleidet eine Zeitung liest. Die Bildunterschrift dazu lautete: „Zeitung lesen im Eis – so was gibt es
nur in Finnland“.
Das Bild von einem verrückten Finnen
scheint sich wirklich gut in Deutschland
zu verkaufen, denn es sind in letzter Zeit
viele ähnliche Finnland-Informationen
gedruckt worden.
Autor: Miguel Villagran
Die Lordi-Gruppe bekam
viel Aufmerksamkeit in Deutschland
Die gleiche Linie vertrat vor ein paar
Jahren die Komödie „Machen wir es auf
Finnisch“ (Tehdään se suomeksi).
Nach Ansicht des Kulturredakteurs vom
TAGESSPIEGEL, Jan Schulz-Ojala, hat ein
Mann, Aki Kaurismäki, das Bild vom
melancholischen und einsamen Finnen
geprägt. Und gerade Kaurismäki hat den
finnischen Tango nach Deutschland
gebracht, dieser entwickelte sich zu
einem besonderen Kulturereignis. In
Berlin spielen schon ein paar deutschfinnische Tangogruppen und in Frankfurt
am Main gibt es eine deutsche Gruppe,
die finnische Tangos der 1940er bis 1950er Jahre auf finnisch singt.
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Aki Kaurismäki hat das Bild vom
melancholischen Finnland verbreitet.
Janne Hyytiäinen (im Bild)
spielt in seinem Film
"Laitakaupungin valot" (Lichter der Vorstadt) mit
DIE ZEIT schreibt: „Die Finnen haben aus
dem feurigen argentinischen Tango
einen bärenhaft gemütlichen, sich
gefühlvoll drehenden Tanz gemacht.“
Neben Kaurismäki haben auch die
finnische Künstler M.A.Numminen und
Lordi zum veränderten Finnenbild beigetragen.
Das neue humorvolle Finnenbild sieht
man auch in der Werbung. Zum Beispiel
nordjournal . 4/2010
Aus des Lesers Feder
war die Finnlandwerbung der Deutschen
Bahn eine sehr erfolgreiche Kampagne.
Hartmut Schröder, Professor der Sprachwissenschaften an der Universität von
Frankfurt/Oder, hat diese Erscheinung zu
Beginn des neuen Jahrtausends untersucht. Er stellte fest, dass sich gerade in
der Finnlandwerbung typische Exotik und
eine verrück-komische Sympathie mischen. Obwohl es nicht viel Werbespots
gibt, waren viele von denen sehr erfolgreich.
Finnische Männer saunieren für
Ricola-Werbung
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macht uns rätselhaft und geheimnisvoll.“
Die Übersetzerin von finnischer Literatur
in die deutsche Sprache, Elina Kritsokat,
meint, dass die finnischen Bücher dem
Leser in Deutschland häufig als „herrlich
verrückt und melancholisch“ verkauft
werden.
Die zweisprachig aufgewachsene Elina
Kritsokat findet die Stereotypen schon
anstrengend – mindestens dann, wenn
der Blickwinkel zu schmal wird und etwa
ihre Übersetzungen von Leena Krohn und
Johanna Sinisalo in eine zu schmale Rolle
schieben.
„Dies erschwert unsere Arbeit so, das wir
manchmal nicht ernst genommen werden.“
Die Finnen selbst haben aber schon gelernt, ihren Ruf gut zu nutzen.
Tuomi-Nikula erwähnt als Beispiel den in
Deutschland lebenden Regisseur Hannu
Salonen und seinen in der Tatort-KrimiReihe gedrehten Film „Borowskis Tango.“
Salonen hat den Film letztes Jahr in
Finnland gedreht.
„Als der deutsche Kommissar Borowski
nach Helsinki kommt, bekommt er eine
Routenanweisung nach Ilomantsi: Zuerst
500 Kilometer nach Norden und dann
rechts abbiegen.“
Wer hat´s erfunden?
Gerade die Sprache unterscheidet uns
von den anderen Ländern, meint Professor Outi Tuomi-Nikula vom Kulturwissenschaftlichen Institut der Universität
Turku. “ Nicht nur, dass man Finnisch
nicht versteht, sondern unsere Art zu
kommunizieren unterscheidet sich sehr
vom mitteleuropäischen small talk. Das
nordjournal . 4/2010
Der Film aus der deutschen Tatort-Krimiserie
"Borowskis Tango"spielt in Finnland.
Der in Deutschland lebende Filmregisseur Hannu Salonen nutzt
für den Film in Deutschland verbreitete Ansichten von Finnen.
Aus des Lesers Feder
Hintergrundbeleuchtung
Das ferne Finnland erschien endlich auf der deutschen Wetterkarte
Von Leena Becker / Helsingin Sanomat 28.07.2010 / Übersetzung ins Deutsche: Esko Laaksonen
In Deutschland denkt man über die
Finnen traditionell positiv, obwohl das
Land für weit entfernt gehalten wird,
kaum etwas darüber bekannt war.
„Die meisten Menschen wussten über
Finnland nicht viel. Mit dem Land verbindet man Naturnähe, ausdauernde
Menschen und ein sportliches Volk.
Sibelius war vielleicht noch bekannt,“
erzählt der Professor für Geschichte,
Hannes Saarinen von der Universität
Helsinki. Er hatte in den Sechziger
Jahren in West-Berlin studiert. „Heute
kennt man Finnland als Hochtechnologie-Land, das auf vielen Gebieten
erfolgreich ist.“
In den 70er Jahren wurde der Begriff
Finnlandisierung in Deutschland geprägt, der ein Ausrichten der eigenen
Politik nach sowjetischen Wünschen
bedeutete. Der Begriff wurde besonders von den konservativen Parteien
verbreitet. Er wurde genutzt als Totschlagargument in der deutschen Innenpolitik und war eigentlich nicht gegen Finnland gerichtet.
Die finnische EU-Mitgliedschaft 1995
brachte eine große Veränderung im
Finnland-Bild. Einer der konkretesten
Wechsel war, dass Finnland auf der
Wetterkarte der deutschen TV-Anstalten erschien. Finnlands politische Gewicht wuchs.
Jukka Luoma, Anfang der neunziger
Jahre Korrespondent von Helsingin
Sanomat, erzählt, dass er während der
in Helsinki stattfindenden KSZE-Konferenz gemeinsam mit Kollegen anderer nordischer Zeitungen Bundeskanzler
Helmut Kohl um ein Interview bat. Die
Antwort war negativ. „Obwohl eine
große Zeitung, aber ein kleines Land“
kommentierte Luoma. „Die EU-Mitgliedschaft brachte dann eine Normalisierung mit sich“.
Finnlands Ruf wuchs, als das Land an
der Spitze von verschiedenen EUVergleichen erschien. „Dass ein so
kleines Land sehr gut abschneiden
konnte, hat einen großen Eindruck in
Deutschland gemacht“ stellt Jan SchulzOjala fest, der mit einer Finnin
verheiratet ist und als Kulturredakteur
beim Berliner TAGESSPIEGEL arbeitet.
Hier endet der Bericht über das
Finnland-Bild
"Europas komischer Musterschüler"
Die Redakteurin Susanne Sitzler
stellte in der Wochenzeitung DIE ZEIT
Humorvolle Bücher über Finnland vor.
"Finnen von Sinnen"
von Wolfram Eilenberger
"Gebrauchsanweisung für Finnland"
von Roman Schatz
... aber es gibt auch noch andere ...
nordjournal . 4/2010
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