4.4 Rückverformen beschädigter Karosserieteile

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4.4 Rückverformen beschädigter Karosserieteile
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4.4 Rückverformen beschädigter Karosserieteile
4.4 Rückverformen
beschädigter
Karosserie­teile
Großflächiges Rückverformen beschädigter Fahrzeuge, z. B. Frontalunfall,
erfolgt durch Zug- und Gegenhalter
(Bild 4.38).
4.4.1 Ausbeultechniken
Bild 4.38
Zug- und Gegenhalter [2]
Nach Feststellung des Schadensumfanges muss die entsprechende Technik ausgewählt werden. Ist die Rück­
seite der Schadensstelle zugänglich, bieten sich zwei
Verfahren an:
 reines Hebelsystem,
 MAGLOC.
Reines Hebelsystem
Beim reinen Hebelsystem werden speziell geformte,
zum Teil über 1 m lange, dünne Rundstähle, deren Enden meist abgeflacht sind, eingesetzt (Bild 4.39); so können Karosserieteile durch Hohlräume hindurch erreicht
werden.
Leider ist dies nicht immer möglich. Die Einbeulungen
dürfen einen Durchmesser von 40 bis 50 mm und eine
Tiefe von 3 mm nicht überschreiten. Auch Materialverstärkungen in unmittelbarer Nähe der Beule vereiteln
diesen günstigen Reparaturweg.
Bild 4.39
Hebelwerkzeuge
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Kapitel 4 – Instandsetzung / Instandhaltung
Bild 4.40
Prinzip der Druckspitzenortung
bei MAGLOC [2]
MAGLOC-Verfahren
Bei Hagelschäden oder sonstigen kleinen Dellen wird das MAGLOC-Verfahren angewendet (Bild 4.40). MAGLOC
ist die Abkürzung für magnetic location = magnetische Ortung. Eine magnetische Stahlkugel wird außen auf
die zu reparierende Delle aufgesetzt.
Die Spitze des Drückerwerkzeuges ist
magnetisch und hält die Stahlkugel
auf der Reparaturstelle fest. Der Druckbolzen (Bild 4.41) wird unterhalb der
Delle abgestützt. Die Delle wird nicht
herausgeschlagen, sondern herausgedrückt.
Das MAGLOC-Verfahren kann nur kostengünstig angewendet werden, wenn eine anschließende Lackierung
nicht mehr notwendig wird.
C
Tipp
Zur Kontrolle, ob die Delle heraus­
gedrückt wurde, kann mit einer
Neonröhre die Blechoberfläche
beleuchtet werden. Es entsteht ein
schmaler Lichtstreifen. Wird das
Licht kontinuierlich reflektiert, ist die
Delle entfernt. Ist im Lichtstreifen
ein Ausbauchung vorhanden, muss
nachgearbeitet werden.
Bild 4.41
Drückereinheit bei MAGLOC [2]
4.4.2 Ausbeulmethoden
Größere Dellen am Fahrzeug können durch folgende
Ausbeulmethoden instand gesetzt werden:
 Hammer und Gegenhalter,
 Zughammer-Verfahren,
 Airpuller,
 wärmetechnische Verfahren.
Ergänzende Verfahren
 Spachtelmassenauftrag,
 Verzinnen (Verschwemmen).
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4.4 Rückverformen beschädigter Karosserieteile
4.4.3 Ausbeulwerkzeuge
und ihre Wirkung
Ausbeulhammer (Bild 4.42) und Gegenhalter
Für verschiedene Einsatzgebiete werden unterschiedlich geformte Ausbeulhammer und Gegenhalter verwendet.
Der Richthammer (Bild 4.43) ist der am meisten eingesetzte Ausbeulhammer, er hat eine
runde quadratische Schlagfläche. Die Schlagflächen können eben oder gewölbt. sein. Die in
Bild 4.44 aufgeführten Ausbeulhammer und
Gegenhalter finden bei der Beseitigung von
Dellen Verwendung.
Zu den Ausbeulhämmern zählen:
 Feilhammer,
 Spitzhammer,
 Spannhammer,
 Schlichthammer,
 Schweifhammer,
 Tiefenhammer,
 Sonderausführungen.
Bild 4.42
Die Ausbeularbeiten beginnen im Normalfall immer
am Dellenrand und werden spiralförmig zur Mitte
weitergeführt. [2]
Als Gegenhalter sind zu nennen:
 schienenförmige Handfaust,
 Universalfaust,
 diaboloförmige Handfaust,
 ebene Handfaust.
Bild 4.43
Der «Richthammer» ist der am meisten eingesetzte Ausbeulhammer. [2]
Bild 4.44
Gebräuchlichste Gegenhalterformen (Fäustel): 1 Handfaust (Schienenform); 2 Daimler-Stöckle (Spezialanfertigung mit scharierter Bahn); 3 Handfaust (schlanke Form);
4 Handfaust (Keilform); 5 Handfaust (ebene Form); 6
Handfaust (Diaboloform) [2]
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Kapitel 4 – Instandsetzung / Instandhaltung
Ausbeul-Hebeleisen und Richtlöffel
Seitenwände im B-Säulenbereich lassen sich schwer
durch Hämmern ausbeulen. Hier werden die Vertiefungen durch Ausbeul-Hebeleisen (Bild 4.45) herausgedrückt.
Bild 4.45
Ausbeul-Hebeleisen (gekröpft und
geschweift) [2]
Stemmer
Formkanten im Bereich der Schweller lassen sich mit
dem Ausbeulhammer schlecht in die Grundform bringen. Hier bieten sich die verschiedenen Formen der
Stemmer zur Bearbeitung an (Bild 4.46).
4.4.4 Zughammerverfahren
Bild 4.46
Verschiedene Stemmerformen [2]
Beschädigungen im doppelwandigen Karosseriebereich
können mit dem Hammer nicht bearbeitet werden
(Schweller; Bild 4.47).
Es werden die Zugnägel an das beschädigte Teil angeschweißt. Durch Zug wird die Vertiefung herausgezogen.
Die Blechoberfläche wird etwas weiter herausgezogen
als nötig, um die Oberfläche von außen mit einem Hammer zu glätten und weiter zu bearbeiten.
4.4.5 Airpuller
Bild 4.47
Zugansatz für den Schwellerschaden [3]
Der Airpuller (Bild 4.48) ist ein automatisch arbeitender
Zughammer. Der Airpuller kann ohne Ausbauen von Innenverkleidungen eingesetzt werden. Im Zentrum wird
eine Stiftelektrode auf die Mitte der Delle geführt und
mit der Blechoberfläche verschweißt. Die Schweißzeit
(0,3 s) erwärmt das Blech nur an der Oberfläche. Anschließend wird die Stiftelektrode zurückgezogen und
hebt die Dellenmitte an.
Damit die Dellenmitte nicht zu weit nach außen gezogen wird, ist mit Anschlag zu arbeiten.
Arbeitsschritte:
 Höhenanschlag festlegen,
 Anschweißen der Stiftelektrode,
 automatisches Hochziehen des Bleches,
sofortiges Einsetzen der Kühlung zur Stabilisierung
des Karosseriebleches,
 Abdrehen und Lösen der Stiftelektrode.
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4.4 Rückverformen beschädigter Karosserieteile
Bild 4.48
Der Airpuller ist ein automatisch
arbeitender Mini-Zughammer [3]
4.4.6 Verzinnen von Karosserieblech
Die nach dem Ausbeulen übrig gebliebenen Vertiefungen können entweder mit Kunststoff-Spachtelmasse
oder mit Schwemmzinn ausgeglichen werden.
Arbeitsschritte:
Karosserieblech und Übergänge zu unbeschädigten
Teile (ca. 50 mm) mit einer rotierenden Drahtbürste
metallisch blank schleifen,
Verzinnungspaste mit einem Pinsel auftragen,
gleichmäßiges (von außen nach innen) Erwärmen
der Verzinnungspaste mit dem Autogen-Schweißbrenner,
Entfernen des kaffeebraunen Flussmittels auf der
Oberfläche nach dem Erwärmen mit einem Lappen,
Auftragen von Schwemmzinn (Bild 4.49),
Glätten des Schwemmzinntupfers bei Wärmezufuhr
(Schweißbrenner) und Bearbeiten mit dem Karosseriehobel.
Bild 4.49 [3]
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Kapitel 4 – Instandsetzung / Instandhaltung
4.4.7 M
ethoden, Materialien und Bedingungen zur Reparatur von Kunststoffen
Methoden, Materialien und Bedingungen zur Reparatur von Kunststoffteilen
Marken
freigegebene
Methoden
freigegebene
Materialien
Alternativ­
materialien
Reparaturbedingungen
Audi
Kleben, Spachteln
KonzernReparatur­set
(ET-Nr. D 007 700)
–
Abschürfungen, Kratzer und Risse
bis 100 mm Länge, Löcher bis 30 mm
Durchmesser
BMW
Spachteln
BMW-Reparaturset
(Rapidfüller
+ 20 Prozent
Softface-Zusatz)
–
keine Risse, Löcher und Befestigungs­
elemente (vgl. BMW-Lackhandbuch)
Citroën
Kleben, Spachteln
Gurit Essex,
Teroson
–
Risse bis 150 mm Länge, Reparatur­
dauer soll eine Stunde nicht überschreiten, keine Reparaturen an
sicherheits­relevanten Teilen
Daewoo
Es bestehen keine Vorgaben.
Daihatsu
Kleben, Spachteln
Teroson
–
laut deutschem Importeur macht das
Preisniveau lackierter Neuteile eine
Reparatur meist unwirtschaftlich
Fiat
Kleben, Spachteln
Teroson
–
Funktion und Optik müssen gewährleistet sein
Ford
Kleben, Spachteln;
Schweißen von
Polycarbonat
Ford-Reparaturset
(ET-Nr. 1 026 932)
–
Kratzer und Risse bis 100 mm Länge
sowie kleine Löcher (vgl. TSI Nr.
148/1997), keine Reparatur von
Ka- Stoßfängern (vgl. TSI Nr. 52/1997)
Honda
Kleben, Spachteln
Duramix, Kent
Industries, Teroson
freigegeben, sofern
die Reparaturqualität identisch ist
Einschränkungen: vgl. Kapitel
«Kunststoff­reparatur» in den
Reparaturhandb.)
Hyundai
Kleben, Spachteln
Berner Plastofix,
Kent Industries,
Teroson, Völkel
–
Stoßfänger und Scheinwerferhalterungen
Jaguar
Es bestehen keine Vorgaben.
Kia
Kleben, Spachteln
Teroson
freigegeben, sofern
der gleiche Erfolg
erzielt wird
–
Lada
Kleben, Spachteln
Teroson
freigegeben
Lohn- und Materialkosten sollten
70 Pro­zent des Neuteilpreises nicht
überschreiten
Mazda
Kleben, Spachteln
Teroson
Berner
Funktion und Optik müssen gewährleistet sein
MercedesBenz
Kleben, Spachteln
Teroson
übliches Lackreparatur-Material für
Abschürfungen und
Kratzer bis
1 mm Tiefe
Abschürfungen und Kratzer tiefer als
1 mm sowie Risse und Löcher, nur für
Reparaturen an Stoßfängerverkleidungen und -schutzleisten, Lohn- und
Materialkosten sollten 75 Prozent des
Neuteilpreises nicht überschreiten (vgl.
Serviceinfo 88/96)
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Marken
freigegebene
Methoden
freigegebene
Materialien
Alternativ­
materialien
Reparaturbedingungen
Mitsubishi
entsprechend den
Anweisungen im
Reparaturset
Teroson
–
keine sicherheitsrelevanten Teile und
Kühler-Wasserkästen
Nissan
Kleben, Spachteln
Teroson
–
kleine Schrammen, Risse und Löcher
Opel
Kleben, Spachteln,
Strukturspray bei
strukturierten
Teilen
Gurit Essex (vgl.
Service-info KTA
1949 D, Ausg. Sept.
1997, sowie Video
VT 37)
–
Risse bis 50 mm Länge und 5 mm
Breite, Löcher bis 30 mm Durchmesser,
Kratzer, Abschürfungen und verlorene
Teilstücke
Peugeot
Kleben, Schweißen
vgl. Serviceinfo 67
vom November
1994
–
vgl. Broschüre «Instandsetzung von
Verbundwerkstoffen»
Porsche
Kleben, Spachteln,
Schweißen
Teroson
–
Kratzer, Risse, Brüche, kleine Löcher;
Einschränkungen: vgl. «Handbuch
Kunststoff»
Proton
Kleben, Spachteln,
Schweißen
–
–
Reparatur muß technisch und
wirtschaftlich sinnvoll sein
Renault
Kleben, Spachteln
Ixell MC
–
Risse und Bruchstellen bis 100 mm
Länge, keine Reparatur am Prallabsorber (Kunststoffwabe) des Stoßfängers
und in dessen Nähe
Rover
Kleben, Spachteln
Teroson
3M 5900 FPRM
ABS, GFK, PA, PC und PUR sind
reparabel
Saab
Kleben, Spachteln,
Schweißen
Teroson
–
Reparatur muß entsprechend den
Angaben im Werkstattinfosystem
erfolgen
Seat
Kleben, Spachteln
SAT 1416
–
nicht für unlackierte und oberflächenstrukturierte Teile; Risse bis 100 mm
Länge, Löcher bis 30 mm Durchmesser
Skoda
Kleben, Spachteln
KonzernReparaturset
D 007 700
–
nicht für unlackierte und oberflächenstrukturierte Teile; Risse bis 100 mm
Länge, Löcher bis 30 mm Durchmesser
Subaru
Kleben, Spachteln
Teroson
–
keine sicherheitsrelevanten Teile
Suzuki
Kleben, Spachteln
Teroson
–
keine sicherheitsrelevanten Teile
Toyota
Kleben, Spachteln
Teroson
–
vgl. Handbücher «Grundprinzipien des
Lackierens» und «Grundlegende
Karosserieinstandsetzungsarbeiten»
sowie Rundschreiben 211/97 und
M4/97
Volvo
Kleben, Spachteln
Teroson
3M
–
VW
Kleben, Spachteln
KonzernReparaturset
D 007 700
–
nicht für unlackierte und oberflächenstrukturierte Teile; Risse bis 100 mm
Länge, Löcher bis 30 mm Durchmesser
Quelle: Allianz-Zentrum für Technik
Stand: Mai 2002
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Kapitel 4 – Instandsetzung / Instandhaltung
Aufgaben
4
1. Beschreiben Sie das MAGLOC-Verfahren zur Rückverformung von Hagelschäden.
2. Wie wird beim MAGLOC-Verfahren überprüft, ob die Delle gleichmäßig herausgedrückt
wurde?
3. Nennen Sie Verfahren, wie größere Dellen instand gesetzt werden können.
4. Beschreiben Sie das folgende Bild zu Ausbeularbeiten.
Bild A.3 [2]
5. Wie kann die Schlagfläche bei Richthämmern beschaffen sein?
6. Nennen Sie weitere Ausbeulhämmer, die in der Karosseriebearbeitung Verwendung finden.
7. Warum werden Gegenhalter verwendet?
8. Nennen Sie Typen von Gegenhaltern.
9. Wo werden Ausbeul- Hebeleisen und Richtlöffel verwendet?
10. Wann werden Stemmer eingesetzt?
11. Bezeichnen Sie das auf dem Bild dargestellte Gerät und nennen Sie die Arbeitsschritte
für den Einsatz des Gerätes.
Bild A.4 [2]
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4.5 Entschichtungstechnik, Schleifsysteme, Werkzeuge, Geräte, Schleifmittel
4
12. Nennen Sie die Arbeitsschritte beim Verzinnen von Vertiefungen.
13. Beschreiben Sie die im Bild dargestellte Methode der Karosserie-Instandsetzung.
Bild A.5 [2]
14. Wo erhalten Sie Informationen über die Montage und Demontage von Fahrzeugteilen?
4.5 E
ntschichtungstechnik,
Schleifsysteme,
Werkzeuge, Geräte,
Schleifmittel
4.5.1 Schleifen
Der Aufwand für das Schleifen macht bei einer Reparaturlackierung mehr als die Hälfte der gesamten Arbeitszeit aus. Schleifen dient der Vorbereitung der Oberfläche
für den Auftrag einer gut haftenden, einwandfreien
Lackschicht (Bild 4.50).
Ziele des Schleifens:
 Aufrauen und Aktivieren des Untergrundes,
 Glätten des Untergrundes und
Entfernen von Schmutz, Korrosionsprodukten und
nicht tragfähigen Beschichtungen.
Bild 4.50
Teilgeschliffene Oberfläche
4.5.2 Schleifmittel
Das Schleifmittel ist für den Lackierer neben der Spritzpistole das wichtigste Hilfsmittel.
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