Heilige Orte - Christuskirche Kassel

Transcrição

Heilige Orte - Christuskirche Kassel
Konzertpavillon im Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel am 28.7. 2013
Heilige Orte
Ich grüße Sie mit einem Wort des auferstandenen Jesus aus dem Johannesevangelium:
Friede sei mit euch. Amen!
Über der Predigt steht Psalm 139,5 aus dem Psalm, den wir vorhin im Wechsel gebetet haben.
Der Predigttext lautet: Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.
Liebe Gemeinde!
Es heißt, eine Frau redet nicht über ihr Alter. Aber ich tue es heute zu Anfang der Predigt
trotzdem einmal. Ich bin Jahrgang 1957 und je älter ich werde, je mehr denke ich darüber
nach: Mein Gott, du bist sehr nah am 2. Weltkrieg geboren. Nie vergessen werde ich, was mir
meine Mutter ins Poesiealbum schrieb und was sie dazu sagte. Ich war wohl im 2. Schuljahr,
als sie schrieb:
Halt an, wo läufst du hin.
Der Himmel ist in dir.
Suchst Gott du anderswo,
du fehlst ihn für und für.
Mir hat dieser Spruch von Angelus Silesius mein Lebtag gefallen und mich positiv im
Glauben an Gott bestärkt. Halt an, wo läufst du hin. Der Himmel ist in dir. Suchst Gott du
anderswo, du fehlst ihn für und für. Wir haben jetzt Hochsommer, Mittsommerzeit, aber
woran ich bei Angelus Silesius denken muss, ist sein „weihnachtliches Wort“:
Zur Weihnacht hat Angelus Silesius nämlich etwas ganz Ähnliches gesagt, was mir meine
Mutter seinerzeit ins Poesiealbum schrieb. Sein weihnachtlicher Vers lautet:
Wär´ Christus tausendmal in Bethlehem geboren,
doch nicht in dir, du bliebest ewiglich verloren.
So habe ich seit Kindertagen einen Hang zur christlichen Mystik, Angelus Silesius ist ein
großartiger christlicher Mystiker, aber ich habe diesen Hang besonders auch durch das was
meine Mutter damals zu mir sagte. warum sie mir diesen Spruch gegeben hat. Sie erzählte mir
von ihren Erlebnissen im 2. Weltkrieg.
Himmelfahrt 1943 machte sie von Fulda aus einen Ausflug auf die Wasserkuppe. Das Wetter
sei traumhaft schön gewesen und ganz viele Menschen hatten, so wie sie, einen Ausflug
dorthin gemacht. Doch an diesem schönen Frühlingstag, - ein bisschen Freude mitten im
Krieg- überraschten Tiefflieger die Menge. Unzählige trafen die MG-Salven tödlich. Sie
konnte flüchten in den Wald bei der Märchenwiese auf der Wasserkuppe, sonst hätte es mich
und meine Geschwister ja gar nicht geben können.
Und dann fügte sie noch hinzu: Später wurde die Stadt Fulda bombardiert, besonders die nahe
gelegene Kugelfabrik. Viele flüchteten sich an den Stadtrand und rannten auch durch unseren
großen Garten. Das Haus wurde nur wenig beschädigt, doch mehrere Menschen, darunter
auch eine vierköpfige Familie, fanden den Tod. Damals wusste ich, sagte meine Mutter, Gott
wohnt nicht im blauen oder grauen Himmel über uns, seine heiligen Orte sind die Herzen der
Menschen.
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Später lernte ich im Englischunterricht, im „heaven“ wohnt Gott, im „sky“ nicht. Das
englische Wort heaven bedeutet, hier wohnt Gott, HEAVEN ist ein heiliger Ort, SKY ist der
blaue oder graue Himmel über uns. Das Lied von John Lennon „Imagine“ ist ein genialer
Song und doch stört mich diese Zeile: „Imagine there´s no heaven, above us only sky.“
Mir ist das sehr wichtig, dieser HEAVEN, dieser heilige Ort, wo Gott wohnt, - bei aller Liebe
zum SKY. Und noch wunderbarer finde ich diese Zuversicht: „Von allen Seiten umgibst du
mich und hältst deine Hand über mir.“
Es gibt ja Christen, die sich darüber beschweren, wenn Menschen sagen: Ich gehe sonntags
nicht in die Kirche, ich begegne meinem Schöpfer in der Natur. Mir ist beides wichtig. Ich
gehe mein Lebtag gern in die Kirche, aber ich liebe auch die Natur und wenn ich
Sonntagsmorgen zum Gottesdienst in den Bergpark komme und davor über die ganze Stadt
Kassel blicke, dann schießt mir in den Sinn: Das ist auch ein heiliger Ort, mit seiner Stille, mit
seiner Pracht der Schöpfung.
Müsste ich eine Formel finden für heilige Orte, dann lautete sie: Halt an, wo läufst du hin.
Der Himmel ist in dir. Suchst Gott du anderswo, du fehlst ihn für und für. + Von allen Seiten
umgibst du mich und hältst deine Hand über mir = Gott ist gegenwärtig.
Was sind heilige Orte?
Ich komme ihnen auf die Spur in den Bildern von Luis Sloboda in der Christuskirche. Luis
Sloboda hat ja gesagt, ich möchte keinen Kreuzweg malen, wo die Leiden Jesu Christi
dargestellt sind, sondern ich möchte Bilder malen, wo das Leid der Menschen, „DEIN
Kreuzweg, du Mensch!“,dargestellt ist im Lichte der Gottesbegegnung und der
Auferstehungshoffnung. Ich finde, dieses Berührtwerden durch Gott in Leid und
Existenzkampf, stellt einen an einen heiligen Ort.
Ich denke an Jakob in Beth-El. Jakob ist auf der Flucht. Er hatte seinen Bruder Esau betrogen
um den Segen des Erstgeborenen und Esau trachtete ihm nun nach dem Leben. In Beth-El legt
Jakob seinen Kopf zum Schlafen auf einen Stein nieder und er träumt den Traum von der
Himmelsleiter, in dem Gott ihn segnet, ihn und alle seine Nachfahren.
Auch dem Gelähmten am Teich von Bethesda ergeht es so: Seit 40 Jahren wartet er darauf ans
Wasser zu kommen, wenn es sich bewegt. Aber er ist nie schnell genug, stets steigt ein
anderer vor ihm hinein. Bis Jesus zu ihm tritt und ihn heilt. In diesem Moment wird Bethesda
zu einem heiligen Ort.
Oder ich denke an Damaskus, diese heute vom Bürgerkrieg zerrissene Stadt. Vor Damaskus
hatte der Christenverfolger Saulus eine eindrucksvolle Begegnung. Ein Licht strahlte, in dem
ihm Christus erschien und ihn fragte: Saulus, warum verfolgst du mich? Damals wurde aus
Saulus Paulus. Im Leben des Apostels Paulus gab es diesen heiligen Ort, wo er sich vom
Christenverfolger zum bedeutendsten Apostel wandelte.
Aber ich habe noch eine Frage zum Thema „Wo wohnt Gott?“ Gibt es so etwas wie eine
Architektur für heilige Orte? Die wunderbarste Architektur hat sich der Schöpfer selbst
ausgedacht, seine Schöpfung. Sie ist Schöpfung und doch wohnt Gott in ihr.
Die Architektur des Hauses Gottes, wo mich dieses „Von allen Seiten umgibst du mich ..“
regelrecht schon beim Betreten empfängt, ist für mich die Basilikaform einer Kirche. Die
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Christuskirche hat eine solche Basilikaform und ich glaube deshalb lieben so viele Menschen
in Kassel diese Kirche und sagen: Das ist mein Haus Gottes.
Wo wohnt Gott? Ich möchte schließen mit einem Text von Jochen Klepper:
„Gott wohnt in einem Lichte, dem keiner nahen kann. Von seinem Angesichte trennt uns der
Sünde Bann. Unsterblich und gewaltig ist unser Gott allein, will König tausendfaltig, Herr
aller Herren sein.
Und doch bleibt er nicht ferne, ist jedem von uns nah. Ob er gleich Mond und Sterne und
Sonnen werden sah, mag er dich doch nicht missen in der Geschöpfe Schar, will stündlich von
dir wissen und zählt dir Tag und Jahr.
Auch deines Hauptes Haare sind wohl von ihm gezählt. Er bleibt der Wunderbare, dem kein
Geringstes fehlt. Den keine Meere fassen und keiner Berge Grat, hat selbst sein Reich
verlassen, ist dir als Mensch genaht.
Er macht die Völker bangen vor Welt und Endgericht und trägt nach dir Verlangen, lässt auch
den Ärmsten nicht. Aus seinem Glanz und Lichte tritt er in deine Nacht: Und alles wird
zunichte, was dir so bange macht
Nun darfst du in ihm leben und bist nie mehr allein, darfst in ihm atmen, weben und immer
bei ihm sein. Den keiner je gesehen noch künftig sehen kann, will dir zur Seite gehen und
führt dich himmelan.“ (EG 379)
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in
Jesus Christus. Amen.
Pfarrerin Astrid Thies-Lomb
Kassel- Bad Wilhelmshöhe
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