Stoppt Erdoğans Krieg gegen die Kurden!
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Stoppt Erdoğans Krieg gegen die Kurden!
GWR 408 april 2016/408 graswurzelrevolution 1 April 2016 www.graswurzel.net 45. Jahrgang / Preis: 3,80 Þ (D) 4,80 Þ (A); 4,80 CHF (Schweiz) ISSN 0344/2683 / ZKZ 04025 GWR Abo und Vertrieb: Vaubanallee 2, D-79100 Freiburg GWR-Koordinationsredaktion: Breul 43, D-48143 Münster Gegen Rassismus Das Bündnis von Mob und Elite benennen ; Wahlnachlese ; AfDer Seiten 2, 8 -11 für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft Die Waffen nieder! Die machtpolitische Funktion des Waffenhandels ; Antimilitarismus Seite 5 ff. Feminismus Demorückblick: Weltfrauenkampftag gegen Rassimus und Sexismus Seite 12 Viva LAUtonomia! Waldbesetzung im Lausitzer Braunkohlerevier Seite 13 Hafen der Ideen Dortmund. Anarchistisches Zentrum trotz Naziangriffen eröffnet Seite 16 Jacques Tati Notizen zu einem einzigartigen Filmvisionär Seite 18 f. Stoppt Erdoğans Krieg gegen die Kurden! Seite 3 f. Foto: anonym. Quelle: www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Forum/145/Krieg_gegen_die_Kurden.pdf Selbstwertstörung als Massenphänomen „Deutschland“ – ein Kampfbegriff Dr. med. Michael Wilk (*1956) ist Arzt und Umweltaktivist. In GWR 398 berichtete der anarchistische Autor aus Rojava/Nordsyrien. Nun analysiert er die Verschärfung des Asylrechts und den Aufschwung von Rassismus und Nationalismus, der sich unter anderem durch PEGIDA, die aktuellen Wahlerfolge der AfD und viele rassistische Angriffe und Brandanschläge auf Flüchtlingsheime zeigt. (GWR-Red.) „Ihr Heuchler, die ihr euch Demokraten und Humanisten schimpft, aber für eine Verschärfung des Asylrechts stimmt – ich wünsche euch einen Aufenthalt in einem von Bomben zerfetzten Land, ohne Trinkwasser, Strom und medizinische Hilfe, eine Trennung von euren Familien, die Angst und den Schrecken. Ich wünsche euch die Strapazen der Flucht, die Ausbeutung der Schlepper, die es nur gibt, weil ihr eine direkte und legale Einreise verbaut. Ihr seid Feiglinge, die vor dem Mob der Rassisten und völkischen Stimmungsmacher zurückweichen, weil ihr den Popularitätsverlust fürchtet. Behauptet später nicht, dass ihr nicht gewusst habt, was ihr tut.“ (1) Besser fühlen durch Nationalgefühl – die Erhöhung des eigenen Seins durch nationale/völkische Identität hat Hochkonjunktur. Selbstaufwertung durch nationalistisches „Wir“-Gefühl wirkt stabilisierend, aufbauend fürs schwache, in seiner Befindlichkeit bedrohte Ich. Gründe, in die wohlfeile völkisch-nationale deutsche Befindlichkeit zu driften, hat offensichtlich nicht nur der klassische Einfach-Nazi, der sich besser fühlt, indem er sich als Mitglied einer „überlegenen Rasse“ definiert. Die Stabilisierung des angeschlagenen Selbstwerts durch nationale Zugehörigkeitsgefühle ist längst zum Massenphänomen geworden. „Wir-sind-dasVolk“-Parolen werden zum patriotischen Mentalkleister, der emotional zusammenpappt und Gemeinsamkeit beschwört. Ein System, das den Menschen über die Einbindung in den sozialen Mainstream Halt, Sicherheit und soziale Gemeinschaft zu vermitteln versteht, erzeugt im Umkehrschluss Angst und Unsicherheit, sobald die Position in der Mitte der Gesellschaft gefährdet erscheint. In Zeiten ökonomischer Verschärfung, wachsender Konkurrenz und ausgedünnter sozialer Sicherungssysteme passiert genau dies – in gesteigertem Maß und massenhaft. Dieser Effekt zeigt sich nicht nur auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, wo ganze Regionen ökonomisch abgehängt aufgegeben haben auf blühende Landschaften zu warten, sondern eben überall, wo Entfremdung, Sinnentleerung und Konkurrenzverhalten nicht mehr durch Konsummöglichkeit und Teilhabe am Höher-Schneller-Weiter kompensiert und belohnt werden. Die Enttäuschung und die Angst vor Deklassierung können individuell verarbeitet werden. Fortsetzung auf Seite 10 Vertuschte Atomunfälle Steuergelder für das Restrisiko Im März 2016 wurde bekannt, dass es im französischen Fessenheim bereits vor zwei Jahren einen vertuschten, schwerwiegenden Atomunfall gab. Trotzdem regt sich auch 30 Jahre nach dem SuperGAU von Tschernobyl und fünf Jahre nach Beginn der Atomkatastrophe in Fukushima derzeit kaum Widerstand gegen die internationale Atomstaatspolitik. Eine Analyse von GWR-Mitherausgeberin Cécile Lecomte. (GWR-Red.) Fünf Jahre nach Fukushima scheint das Thema Atomkraft die Massen nicht mehr zu bewegen. Die Kundgebungen und Demos zum Jahrestag der Katastrophe haben lediglich ein paar Tausend Menschen auf die Straße gebracht. Viele Menschen begnügen sich mit der Illusion eines deutschen Atomausstiegs, die PolitikerInnen glänzen mit NIMBY-Mentalität (1), indem sie gegen störanfällige AKW auf der anderen Seite der Grenze in Belgien und Frankreich schimpfen – ohne dabei die eigene Verantwortung beim Namen zu nennen. Mit der Förderung der Atomkraft unter dem Deckmantel der „Forschung“, mit unbefristet weiter laufenden Atomanlagen wie der Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau und der Brennelementefabrik Lingen, mit der Versorgung von Atomanlagen dienenden Atomtransporten trägt Deutschland zum weltweiten Bau und Betrieb von Atomanlagen bei. Die „heimischen“ AKW sind darüber hinaus nicht weniger gefährlich! Vertuschter Zwischenfall im AKW Fessenheim Als deutsche JournalistInnen vor wenigen Wochen die Vertuschung eines Beinahe-GAU aus dem Jahr 2014 im französischen AKW Fessenheim öffentlich machten, zeigten sich die Bundesumweltministerin und die verantwortlichen PolitikerInnen der Fessenheim nahen Bundesländer empört. Sie forderten die Abschaltung des AKW – ohne dabei zu erwähnen, dass Deutschland seit Jahren zu dessen Weiterbetrieb beiträgt: Das AKW Fessenheim wird – wie viele AKW in Frankreich und Belgien – u.a. mit Brennelementen aus der Atomfabrik Lingen versorgt. Über den Hamburger Hafen verkehrt das Uranerzkonzentrat, das anschließend in Frankreich verarbeitet wird und als Rohstoff für die Versorgung der Atomanlagen dient. Doch weder der rot-grüne Hamburger Senat noch die rot-grüne niedersächsische Regierung noch die schwarz-rote Bundesregierung sind bereit, Atomanlagen und Transporte zu stoppen. Hinzu kommt der Verdacht, dass beim Ausstiegsgesetz nach Fukushima absichtlich gepfuscht wurde, um das Gesetz juristisch durch die Konzerne angreifbar zu machen. (2) Das Ganze hört sich noch absurder an, wenn man sich den Diskurs der VertreterInnen der Regierung im aktuell laufenden Verfahren um die Schadenersatzforderung der Atomunternehmen vor dem Bundesverfassungsgericht anschaut. Man habe die acht Meiler nach Fukushima abschalten lassen müssen, weil die Atomkatastrophe gezeigt habe, dass das Restrisiko Atomkraft nicht beherrschbar sei. Fortsetzung auf Seite 15