sonnenhof - Björn Schulz Stiftung
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sonnenhof - Björn Schulz Stiftung
Jahre S onnenhof Hospiz für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene für Berlin und Brandenburg Inhalt 2 Editorial Jürgen Schulz 3 Grußwort Klaus Wowereit 4 Von der Idee zum stationären Kinderhospiz für Berlin und Brandenburg 6 24 Stunden Alltag im SONNENHOF 8 Die Jahre 2002 und 2003 im SONNENHOF 12 Was bedeutet Kinderhospizarbeit? 14 Die Jahre 2004 und 2005 16 10 Jahre SONNENHOF aus der Sicht einer Kinderkrankenschwester 18 Unser Pflegeleitbild 20 Die Jahre 2006 und 2007 22 Der Arzt im Kinderhospiz 24 Die pädagogische Begleitung im SONNENHOF 26 Die Jahre 2008 und 2009 28 Kunst- und Musiktherapie 30 Die Jahre 2010 und 2011 32 Abschieds- und Trauerrituale 34 Aromatherapie 36 Ausblick auf 2012 und später 38 Hinter den Kulissen 1 Editorial Im Dezember 2002 haben wir endlich unser Kinderhospiz SONNENHOF in Berlin-Pankow eröffnet. Bis dahin war es ein langer und steiniger Weg. Auf den nächsten Seiten dieser Broschüre möchten wir Ihnen die Entwicklung des SONNENHOFes vorstellen. Wir haben viele Familien über mehrere Jahre begleitet, die zum Kraft tanken Gäste im SONNENHOF waren. Ein stationäres Kinderhospiz ist eine Herberge am Weg der lebensbedrohlich oder -verkürzend erkrankten Kinder und ihrer Familien. Wir haben sie immer wieder gern bei uns aufgenommen, hier werden sie professionell begleitet. Wenn Familien, die ihr schwerst krankes Kind pflegen in Not geraten, bekommen sie bei uns immer eine verlässliche Unterstützung. Auch nach dem Tod ihres Kindes finden die Familien bei uns Zeit und Raum für ihre Trauer. Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht, wenn es um die besonderen Belange der Kinder in der palliativen Begleitung geht. Es gibt einen gesetzlichen Anspruch auf Hospizversorgung. Ein großer Erfolg wurde 2009 errungen. Seitdem fällt der Eigenanteil für die Eltern weg und ist nicht mehr von der Pflegestufe des Kindes abhängig. Trotzdem ist die finanzielle Absicherung noch immer nicht ausreichend geregelt. 2 Unsere Mitarbeiter wurden regelmäßig fachlich weitergebildet, zusätzliche Therapeuten eingestellt, eine Ärztin ist täglich präsent. Wir alle müssen uns mit Fragen zu den Themen Sterben, Tod und Trauer auseinandersetzen. Wir wollen die Wünsche unserer Gäste erkennen und für ihre Fragen offen sein. Das ist auch für unser Team nicht immer einfach. Wir sind eine kleine familiäre Einrichtung und wollen das auch nach der Erweiterung auf 16 Gästezimmer bleiben. Wir werden den Familien mit Wärme, Sensibilität und Aufrichtigkeit zur Seite stehen – und das, so lange sie uns brauchen. In unserem neuen Haus, das im Spätsommer 2012 fertig wird, finden die Familien zusätzliche Therapieräume, ein großes und gemütliches Gemeinschaftswohnzimmer, zwei neue Elternappartements sowie die Räume für das Kindertrauerzentrum. Wir werden unsere Angebote an den Bedürfnissen der Familien ausrichten. Dafür benötigen wir weiterhin die Unterstützung von Freunden, Förderern und Sponsoren, die uns seit vielen Jahren begleiten – aber auch von denen, die neu hinzu gekommen sind. Ihr Jürgen Schulz, Vorstand Grußwort des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit Der SONNENHOF feiert sein zehnjähriges Bestehen. Herzlichen Glückwunsch zu diesem besonderen Jubiläum! Ein besonderes Jubiläum ist es, weil Jürgen Schulz und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter mit dem Aufbau des Sonnenhofes vor einem Jahrzehnt Neuland betraten. Die Einrichtung in Pankow zählt zu den ersten Kinderhospizen überhaupt in Deutschland. Es ist das Verdienst dieser beispielgebenden Initiative, eine Anlaufstelle für Familien mit schwerst- und unheilbar kranken Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen geschaffen zu haben, die ihnen Geborgenheit und Zuwendung gibt. Der SONNENHOF ist für sie da. Hier können sie gemeinsam Kraft tanken. Hier werden Schmerzen gelindert und Familien entlastet. Hier ist Raum, um Wünsche zu erfüllen und einen wichtigen Teil der verbleibenden Lebenszeit zu genießen. unsere Gesellschaft und unser Gesundheitswesen bereichern, ganz besonders wenn es um einen würdevollen Umgang mit Krankheit und Tod geht. Im SONNENHOF wird viel gespielt und gelacht. Das macht die besondere Atmosphäre dieses Hauses aus. Und so wünsche ich allen Beteiligten auch zum 10. Geburtstag des SONNENHOFes viel Freude am Feiern, allen Gästen eine möglichst unbeschwerte Zeit mit liebevoller Begleitung im SONNENHOF und dem Haus wie der ganzen BJÖRN SCHULZ STIFTUNG alles Gute beim Ausbau und für die zukünftige Arbeit zum Wohle der ihnen anvertrauten Familien. Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin Der SONNENHOF steht im Zentrum der Arbeit der BJÖRN SCHULZ STIFTUNG. Hervorgegangen ist sie einst aus der Initiative betroffener Familien. Ermöglicht wird die Arbeit des SONNENHOFes von einer großen Zahl von Spenderinnen und Spendern. Und so zeigt die Entwicklung der Stiftung mit dem SONNENHOF und den vielen ehrenamtlichen Familienhelferinnen und -helfern, wie sehr Selbsthilfe und freiwilliges Engagement 3 Von der Idee zum stationären Kinderhospiz für Berlin und Brandenburg Seit 1983 unterstützten und begleiteten Mitglieder des Vereins KINDERHILFE BerlinBrandenburg e. V. Familien mit einem an Leukämie oder einem Tumor erkrankten Kind oder Jugendlichen. Aus dieser Erfahrung heraus konnte festgestellt werden, dass die Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen noch verbessert werden kann. Auch erhielten immer mehr Familien eine andere lebensverkürzende Diagnose für ihr Kind – oft Krankheiten, die wenig erforscht und bekannt waren. Nicht immer und für jede Familie ist die Station in der Klinik der richtige Ort zum Sterben. Der Garten im Jahr 2000 4 Aus diesem Grund wurde im Jahr 1996 die BJÖRN SCHULZ STIFTUNG gegründet, um den vielen Familien, die nach der Wende auch zu begleiten waren, zu unterstützen. Dies erfolgte mit dem deutschlandweit ersten ambulanten Kinderhospizdienst, unseren FAMILIENBEGLEITERN, die seit 1997 erfolgreich arbeiten. Danach wurde der Aufbau des stationären Hospizes in Angriff genommen. Das Konzept des Hospizes stammt aus Großbritannien. Durch einen Besuch im Acorn’s Hospice in Birmingham lernten die damals aktiven Stiftungsmitglieder die dort erarbeiteten Grundsätze der Kinderhospizarbeit kennen. Diese wurden nach Deutschland mitgebracht, mit dem Ziel, die Kinderhospizarbeit hier in Deutschland nach britischem Modell aufzubauen. So wurde begonnen, eine Konzeption für eines der ersten Kinderhospize in Deutschland zu erarbeiten. Dabei wurde von Beginn an beachtet, dass entsprechend der Grundsätze der Kinderhospizarbeit, die Begleitung von der Diagnosestellung an bis über den Tod des Der Garten im Jahr 2012 erkrankten Kindes oder Jugendlichen hinaus gewährleistet werden sollte. Dies konnte auch bedeuten, dass die Erkrankten älter als 18 Jahre wurden. Aus diesem Grund, erhielt das Hospiz einen Namenszug, der sämtliche in der pädiatrischen Palliative Care Versorgten erfassen sollte: SONNENHOF – Hospiz für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Auf der Suche nach einem verkehrsgünstig gelegenen, ruhigen und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der zukünftigen Gäste ausgelegten Gebäudes, wurden mehrere entdeckt. Die Entscheidung fiel auf das ehemalige jüdische Kinderheim in der WilhelmWolff-Straße in Pankow. Es wurden viele Spenden akquiriert, aber leider erhielt das Haus keine Unterstützung von offiziellen Stellen, woraus resultierte, dass Fördermittel nicht genehmigt wurden. Eine Begründung dafür war, dass in den Entstehungsjahren angezweifelt wurde, dass in Berlin überhaupt ein stationäres Kinderhospiz nötig wäre. Zusätzlich handelte es sich ganz einfach um ein unbekanntes neues Angebot, welches noch nicht in der Sozialgesetzgebung berücksichtigt wurde. Im Dezember 2002 konnte das Haus nach umfangreichen Umbaumaßnahmen mit insgesamt zwölf Gästezimmern und drei Elternappartements eröffnet werden. 5 24 Stunden Alltag im SONNENHOF Es ist noch dunkel draußen, doch im SONNENHOF brennt ein Licht. Eine Kerze wurde im Aufenthaltsraum angezündet. Ein Symbol für uns, dass ein Leben endete. Betroffenheit ist in den Gesichtern des Frühdienstes zu erkennen, neben der gewohnten Arbeit, werden die Eltern und Angehörigen in ihrer Trauer und beim Abschied von ihrem Kind begleitet. Auch die Kollegen nehmen Abschied. Nach der Übergabe vom Nachtdienst werden die Medikamente für unsere derzeit elf Gäste gestellt und die Nahrung gerichtet. Es ist die einzige Zeit, die im Tagesablauf der Gäste festgelegt ist. Dann beginnt der Kampf um die Badewanne, klar dass die Frühaufsteher im Vorteil sind. Von den Eltern wissen wir, wann ihre Kinder zu Hause aufstehen. Die „Langschläfer“ genießen nach dem Aufwachen eine Aromawaschung mit Ganzkörpermassage oder freuen sich über eine schnelle Dusche. Langsam treffen sich alle am Frühstücktisch, der von unseren Hauswirtschaftsmitarbeitern liebevoll gedeckt wurde. Am Wochenende übernehmen diese Aufgabe gern die ehrenamtlichen Mitarbeiter. Sie, unsere Familien und die Mitarbeiter sind sich einig, dass unser gemeinsames Frühstück am schönsten ist. Oft kommt Jürgen Schulz, unser Vorstand, mit dazu. Es viel wird gelacht und manchmal über das Fernsehprogramm von gestern abend geschimpft. So gestärkt kann man auch die Physio- und Ergotherapie überstehen, die heute, weil das Wetter so schön ist, im Garten stattfindet. Nachdem die Gäste körperlich aktiv waren, freuen sie sich auf den Musiktherapeuten, der auf dem Klangbett für Entspannung sorgt. Auch die kreative Seite kommt nicht zu kurz, mit der Kunsttherapeutin können die Gäste und ihre Geschwister der Fantasie freien Lauf lassen. Ein gemeinsames Frühstück gibt es jeden Morgen 6 Während der Therapiezeit kommt die Ärztin vorbei, sie schaut nach den Kindern und Jugendlichen und bespricht mit den Eltern oder Mitarbeitern aktuelle Probleme. Während der Mittagsruhe wird der Frühdienst vom Spätdienst abgelöst. Der Nachmittag startet, indem ein bekanntes Gesicht den SONNENHOF betritt. Einer unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter freut sich wie jede Woche auf „seinen Gast“. Beide sind ein eingespieltes Team und wollen gleich ins Bewegungsbad, um zu planschen. Ein anderer Gast genießt mit seiner Familie die gemeinsame Zeit auf dem Wasserbett im Snoezelenraum. Alle anderen nutzen den schönen Garten und machen die Nestschaukel unsicher. Im Strandkorb kann man gut mit den Meerschweinchen aus dem Streichelzoo kuscheln, während im Hintergrund ein Esel schreit. Leider ist der zu groß für den Strandkorb, aber man darf ja ins Gehege zu ihm, damit auch er seine Streicheleinheiten bekommt. Der Tag neigt sich dem Ende, aber das gemeinsame Abendbrot darf nicht fehlen. Weil das Wetter so schön ist, wird gegrillt und ein Vater wird sofort zum Grillmeister. Nachdem alle satt sind, kommt die Müdigkeit und ein Gast nach dem nächsten möchte ins Bett. Also heißt es Zähne geputzt, frisch gemacht und ab in die Koje. Beim Vorlesen oder Hörspiel hören, kehrt langsam Ruhe ein. Schnell wird noch von den Mitarbeitern aufgeräumt, während die Eltern der Gäste sich auf die Terrasse zurückziehen, um den Tag ausklingen zu lassen. Zu ihnen kommen auch die Eltern, die den ganzen Tag zum Abschied von ihrem Kind genutzt haben und sich nun gern mit den anderen Eltern austauschen wollen. Um 22.00 Uhr kommt der Nachtdienst, der den Schlaf unserer Schützlinge bewacht. Antje Neumann, Kinderkrankenschwester 7 Die Jahre 2002 und 2003 im SONNENHOF Das Jahr 2002 stand im Zeichen der Eröffnung des ersten Kinderhospizes im Osten Deutschlands am 17.12.2002. Das Haus in der Wilhelm-Wolff-Straße wurde mit viel Aufwand umgebaut und abgestimmt auf die Bedürfnisse schwerkranker Kinder, Jugendlicher, junger Erwachsener und ihrer Familien eingerichtet, ein Konzept für die Arbeit erstellt. Mit der Idee wurde Neuland betreten, was aus den Schwierigkeiten, gerade in den ersten Jahren des Bestehens, ersichtlich wurde. Das Angebot war noch weitestgehend unbekannt. In den Kliniken herrschten Vorbehalte, die Patienten an eine Einrichtung ohne ärztliche Leitung zu übergeben bzw. wurde die Notwendigkeit dieser Versorgungsleistung angezweifelt. Für Eltern beinhaltete der Begriff Hospiz, dass ihr Kind in diesem Haus sterben würde. Aus diesem Grund bestand gerade in den Jahren 2002 und 2003 die Haupttätigkeit darin, der Öffentlichkeit die Grundsätze der Kinderhospizarbeit und das Kinderhospiz SONNENHOF durch viele Veranstaltungen, Vorträge, im Haus gedrehte Reportagen und Führungen bekannt zu machen und den betroffenen Familien die Hemmschwelle zu nehmen, ihnen zu vermitteln, dass sie durch die Angebote des Kinderhospizes in dem oft anstrengenden Alltag mit ihrem schwerkranken Kind Entlastung erfahren können. Ein Angebot in diesem Zusammenhang war der „Offene Familientreff“, der seit Mitte 2003 im Gemeinschaftsraum des Hospizes angeboten wurde. Hier erhielten Familien die Möglichkeit, bei einem Kaffee Kontakt zum SONNENHOF, zu seinen Mitarbeitern und zu anderen betroffenen Familien aufzunehmen und konnten dabei ihre bestehenden Ängste überwinden. Neben professionellen Versorgern und bei betroffenen Familien gab es auch auf der Ebene der Kostenträger Probleme. In dem im Jahr 1998 in das Sozialgesetzbuch V eingeführten § 39a war die besondere Versorgung von lebensbedrohlich und lebensverkürzend erkrankten Kindern und Jugendlichen nicht berücksichtigt. So wurden häufig für die Familien, die an einer Aufnahme im SONNENHOF interessiert waren, die Kosten des Aufenthaltes nicht übernommen, wenn das Kind nicht an einer der im § 39a 8 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 Als der SONNENHOF sein 1. Sommerfest im August 2003 feierte, wurden einige Frauen aus unserem Patchworkverein eingeladen, um Bettdecken, Kissen und selbst gestrickte Söckchen zu übergeben. Viele Besucher kamen zum Sommerfest und ich nutzte die Zeit, mich mit einer Mitarbeiterin zu unterhalten, die für Ehrenamtliche warb. Von ihr erfuhr ich, dass für die Hauswirtschaft Hilfe gesucht wird. Das kam mir sehr entgegen, da ich seit Frühjahr Rentnerin war. Ich kam ab sofort immer freitags zum Bügeln und Blumen gießen. Im Gemeinschaftswohnzimmer fand der Offene Familientreff statt. Ich habe beim Tisch decken und Kaffee kochen geholfen. Der Kuchen wurde noch selbst gebacken. Mittlerweile wird er ja gespendet. Das war eine schöne Zeit. Ich lernte die Familien näher kennen und wusste von ihren Sorgen und Nöten mit den kranken oder verstorbenen Kindern. Ich freute mich mit ihnen, wenn es noch einmal Nachwuchs gab. In meinem Leben außerhalb des SONNENHOFes habe ich wenig Gelegenheit, das Leben mit seinen Schattenseiten so hautnah zu spüren. Deswegen komme ich auch immer noch her. Inzwischen hat sich durch den Umbau soviel verändert, dass ich mich auf das Mangeln am Freitag beschränke. Ich hoffe sehr, dass ich noch lange mitverfolgen kann, wie es mit dem SONNENHOF weiter gehen wird und wünsche ihm segensreiche Jahre, er wird sehr gebraucht. Uta Spott, Ehrenamtliche Mitarbeiterin 9 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 für die Hospizversorgung vorgesehenen Erkrankungen litt. Aufgrund der anfänglichen Vorbehalte bzw. Schwierigkeiten entwickelte sich die Belegung in den ersten Jahren des Bestehens sehr zögerlich. Im Frühjahr 2003 wurden die ersten Gäste im SONNENHOF aufgenommen. Zu Beginn konnten maximal die sechs Zimmer der unteren Etage des Hospizes belegt werden. Im 2. Quartal 2003 wurden insgesamt acht Kinder und Jugendliche im Alter von 9 Monaten bis 17 Jahren aufgenommen. Zur Versorgung der Gäste wurde zunehmend mehr Personal eingestellt. So war bereits zu Beginn des Jahres 2002 eine Pflegedienstleitung in der Planung und Vorbereitung der Eröffnung des Kinderhospizes tätig. Alle weiteren Personen, die in dieser Phase involviert waren, engagierten sich ehrenamtlich. Erst zum Ende des Jahres 2002, also kurz vor der Eröffnung, kamen die stellvertretende Pflegedienstleitung und zwei Pflegefachkräfte dazu. Ab Januar 2003 stand ein komplettes Team bereit. Dazu gehörten neben der Pflegedienstleitung Pflegefachkräfte, eine Hauswirtschaftskraft, jeweils eine Sozialarbeiterin und ein Psychologe, die beide bei Bedarf angefordert werden konnten und einen Tag in der Woche für die Familien präsent waren. Im Verlauf des Jahres 2003 wurden 10 „Glück ist ein Schmetterling. Jag ihm nach und er entwischt dir, setz dich hin, und er lässt sich auf deiner Schulter nieder.“ Anthony de Mello weitere Pflegefachkräfte eingestellt. Seit Betriebsbeginn waren ehrenamtliche Helfer in das Team des SONNENHOFes integriert, und zwar sowohl in der Begleitung und Versorgung der Gäste als auch in der Hauswirtschaft. Auch Therapeuten (Musik- und Kunsttherapie) unterstützten das Team in den ersten Betriebsjahren rein auf ehrenamtlicher Basis. Die ärztliche Versorgung der Gäste erfolgte durch die behandelnden Kinderärzte, sich ehrenamtlich engagierende Mediziner, die ansonsten in Kliniken tätig waren, und einen Kinderarzt, der eine Praxis in der Nähe betrieb. „Im Frühjahr 2002 hörte ich zum ersten Mal vom SONNENHOF. In Berlin sollte ein Kinderhospiz eröffnet werden. Ich zögerte nicht lange und schickte meine Bewerbung los. Leider erhielt ich kurze Zeit später Post, dass der Eröffnungstermin noch nicht steht und noch keine Schwestern eingestellt werden. Ich blieb aber dran, kündigte meine Arbeit in Kiel und zog nach Berlin, um vorübergehend in einem Kinderintensivpflegedienst zu arbeiten. Zwei Wochen nach meinem Umzug wurde ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und am 1.12.2002 startete mein erster Arbeitstag im SONNENHOF. Die erste Zeit war geprägt von den Baumaßnahmen, der Organisation der Eröffnungsfeier, dem OPI-Konzept, vielen Fortbildungsmaßnahmen, den Einkäufen der Utensilien, die für die Versorgung der Gäste notwendig waren, dem Kennenlernen im Team, der Öffentlichkeitsarbeit. Die ersten Wochen und Monate zogen ins Land und nur zögerlich durften wir die ersten Kinder im SONNENHOF begrüßen. Die Atmosphäre war von Beginn an wohnlich, gemütlich und so ganz anders als in einer Klinik. Mit den Gästen wurde gekuschelt, gesungen, geschwommen und geschlemmt – eine gute Zeit! Leider packte mich das Heimweh und es zog mich wieder an die See, wo ich die Chance bekam, die ambulante Versorgung von lebensverkürzt erkrankten Kindern aufzubauen. Ich freue mich allerdings jederzeit, wenn ich Neuigkeiten vom SONNENHOF höre und wünsche allen auch für die nächsten zehn Jahre viel Energie und weiterhin Spaß an der Arbeit!“ Ehemalige Kinderkrankenschwester im SONNENHOF 11 Was bedeutet Kinderhospizarbeit? Im Gegensatz zu Hospizen für Erwachsene, die ihren Gästen nur für die letzte Lebensphase offen stehen, unterstützt die Arbeit der Kinderhospize die gesamte Familie des lebensverkürzend erkrankten Kindes. schen Phasen – ist die gesamte Familie einer permanenten Belastung ausgesetzt. Die Erholung der Eltern und die Zuwendung für die Geschwister kommen durch die intensive Pflege des Kindes zu Hause oft zu kurz. Unsere Arbeit beginnt im Idealfall mit dem Zeitpunkt der Diagnose, begleitet die Familien bis zum Tod des Kindes und über viele Jahre darüber hinaus. Die Möglichkeit zur Entlastung der Familie bieten die stationären Kinderhospize, die unter anderem zu diesem Zweck eingerichtet wurden. Durch einen Aufenthalt der gesamten Familie können die Eltern mal wieder eine Nacht durchschlafen oder sich eine gewisse Zeit ausschließlich um die Geschwister kümmern. In der Zeit wird das erkrankte Kind vom Pflegepersonal und Pädagogen gepflegt, beschäftigt, gefördert und betreut. Besonders bei Kindern ist es häufig schwierig, eine endgültige Diagnose zu stellen und auch eine definitive Einschätzung der Lebenserwartung zu geben. Durch die Gewissheit, dass die Erkrankung tödlich verlaufen wird – mit guten, aber oft auch kriti- Timmy und seine Mama im Jahr 2003 im SONNENHOF 12 Die stationäre Kinderhospizarbeit ist ein Angebot für die ganze Familie, um etwas Normalität zu erfahren und gemeinsame Zeit zu finden. Die Geschwister genießen es, wenn ihre Eltern einfach nur mit ihnen gemeinsam frühstücken oder im Garten spielen, so dass es auch manchmal der Wunsch der gesunden Kinder ist, mal wieder ins Kinderhospiz zu gehen. Zum Glück sind Mehrfachaufenthalte für lebensverkürzend erkrankte Kinder und ihre Familien möglich. Wenn sich dann die Familie dafür entscheidet, sich bei Eintritt in die letzte Lebensphase durch das stationäre Kinderhospiz begleiten zu lassen, kommt sie in eine vertraute Umgebung, in der es vorher schon viele schöne gemeinsame Erfahrungen gab, die dann auch Bestandteil der Erinnerung an ihr verstorbenes Kind sein werden. Timmy und seine Mama heute Wir haben das erste Mal im Radio vom SONNENHOF gehört, da war alles noch Baustelle. Wir haben uns trotzdem alles angesehen – und unser Timmy gehörte gemeinsam mit uns zu den ersten Gästen des Hauses. Der SONNENHOF bedeutet mir auch heute noch sehr viel. Die Familien und Mitarbeiter sind für Timmy und mich wie eine Familie geworden, in der auch die Krankheit meines Kindes selbstverständlich dazugehört. Hier ist alles so normal und es gibt immer einen anregenden Austausch unter den Eltern. Deshalb ist mir auch der Offene Familientreff sehr wichtig. Jana Arndt, Stellvertretende Pflegedienstleitung Daniela Rühling 13 Die Jahre 2004 und 2005 Im Jahr 2004 wurde das Angebot des SONNENHOFes bekannter und von den Familien zunehmend genutzt. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) verfasste ein Gutachten, aus dem hervorging, dass die lebensbedrohlichen und lebensverkürzenden Erkrankungen zu den Diagnosen gehören, mit denen Erkrankte im Kinderhospiz aufgenommen werden können. Dieses führte zu einer zunehmenden Belegung und dazu, dass Kosten von den Krankenkassen eher übernommen wurden. Für den Alltag im SONNENHOF war ein wesentlicher Aspekt des Jahres 2004, dass der wunderschöne Garten fertiggestellt wurde und genutzt werden konnte. Hier wurde dann auch das bereits zweite Sommerfest und im Dezember zum „Geburtstag“ des SONNENHOFes der Christkindlmarkt gefeiert. Eine weitere Feierlichkeit stellte der im Jahr 2004 zum ersten Mal veranstaltete Erinnerungstag dar. Zu diesem Tag werden die Familien zu einer überkonfessionellen Feier eingeladen, die in Begleitung der BJÖRN SCHULZ STIFTUNG ein Kind verloren haben. Der Offene Familientreff konnte aufgrund der zunehmenden Belegung im Hospiz nicht mehr im Gemeinschaftsraum stattfinden und zog deshalb zuerst in den Wintergarten und dann in das Gartenhaus, wo sich bis heute die Familien regelmäßig einmal in der Woche treffen. Auch im Jahr 2004 wurden nur sechs Zimmer des Hospizes belegt. Im ersten Quartal wurden 13 Gäste im SONNENHOF aufgenommen, im zweiten 15, im dritten 18 und im vierten 22. Da einige der Gäste mehrfach in den SONNENHOF kamen, betrug die Gesamtzahl der Gäste 45. Die Finanzierung der Aufenthalte erfolgte bei 29 von ihnen über den § 39a SGB V und bei 16 über die §§ 39 und 42 SGB XI. Die durchschnittliche Auslastung betrug 72,6 %. 2005 wurde die obere Etage des Hospizes in Betrieb genommen und damit die Bettenkapazität im Verlauf des Jahres von sechs auf zwölf gesteigert. Die durchschnittliche Belegung betrug in diesem Jahr 50 %. Im Jahr 2005 erhielt die erste Heilerziehungspflegerin, nachdem sie ihre Ausbildung im SONNENHOF abgeschlossen hatte, eine Festanstellung. Damit hielt die Berufsgruppe der Pädagogen als fester Bestandteil Einzug in 14 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 das Team. Aufgrund der guten Erfahrungen mit Zivildienstleistenden in der BJÖRN SCHULZ STIFTUNG, wurden diese ab April 2004 auch im SONNENHOF eingesetzt. Sie waren eine Bereicherung für das Team, da die jungen Männer, insbesondere für die jugendlichen männlichen Gäste und für die Geschwister, besondere Ansprechpartner waren. Und ebenfalls ab 2004 erhielten Praktikanten aus den unterschiedlichsten Berufsrichtungen bzw. Studiengängen die Möglichkeit, ihren Einsatz im SONNENHOF zu absolvieren. Dieses waren z. B. Sozialarbeiter/-pädagogen, Rehabilitationspädagogen, Musikund Kunsttherapeuten, Heilpädagogen und Heilerziehungspfleger. Eine weitere Entscheidung im Jahr 2004 war, auch Auszubildenden aus der Gesundheitsund Kinderkrankenpflege bzw. der Gesundheits- und Krankenpflege einen Einsatz im Kinderhospiz zu ermöglichen. Zu Beginn waren dies Wahleinsätze, im weiteren Verlauf entstanden feste Kooperationen mit den Ausbildungsstätten, die ihren Auszubildenden dann anbieten konnten, ihren Palliativeinsatz im SONNENHOF zu absolvieren. Um die Qualität der Ausbildung zu gewährleisten und eine Anerkennung als Ausbildungseinrichtung zu erhalten, wurden zwei Kolleginnen aus dem Pflegeteam zur Praxisanleiterin weitergebildet. 15 10 Jahre SONNENHOF aus der Sicht einer Kinderkrankenschwester Als ich am 1. April 2004 meine Arbeit im SONNENHOF begann, waren mir zwei Dinge klar. Erstens: Im Bereich der klassischen Kinderklinik hatte ich im Laufe meines bisherigen Berufslebens alle Spezialabteilungen kennen gelernt. Ich wollte eine Arbeit, in der ich das ganze breite Spektrum dieses Wissens einbringen konnte. Zweitens: Gerade zu Anfang des Millenniums schüttelten die diversen Gesundheitsreformen unseren Berufsstand in einer Weise durch, die mir klar machte, dass die Zukunft der engagierten und ganzheitlichen Pflege sehr kranker Kinder nicht in der Klinik zu suchen war. Also suchte ich im SONNENHOF – und wurde fündig! Mein erster Sommer im SONNENHOF – das scheint Lichtjahre zurück! Ich begann in einem Pflegeteam, aus dem mir eine andere Kollegin sagte: „Ich bin in ein Nest gefallen.“ Dieses Nest polsterten wir mit Hingabe für die etwa vier bis sechs Kinder, die wir in dieser Zeit zu betreuen hatten. Da war die Achtjährige, ein schwerst mehrfach behindertes Kind mit Atemproblemen, die aus einer anderen Kindereinrichtung zum Sterben zu uns gekommen war – und heute noch unser Gast ist. Ich denke an die quirlige und lebenslustige Jugendliche mit Mukoviszidose, die so schwer vom Durchhalten ihrer Therapiemaßnahmen zu überzeugen war – vielleicht, weil sie wusste, wie wenig Zeit ihr noch blieb und sie diese lieber zum Leben 16 nutzen wollte. Da war das Brüderpaar, die beide mit einer schwersten neurodegenerativen Erkrankung zu kämpfen hatten – der stille ältere und der laut gegen sein Schicksal anschreiende jüngere, der trotz des innovativen Therapieversuchs, nach dem er zu uns kam, zwei Jahre später zu Hause starb. Sein älterer Bruder, der für diese Therapie schon zu weit in seiner Krankheit fortgeschritten war, ist im Sommer 2012 verstorben. Solche Erfahrungen gehören zum Leben und Arbeiten im SONNENHOF – auch in den frühen Jahren. Den stärksten Eindruck hat aus der ersten Zeit wohl die Familie hinterlassen, die eine Zeit lang mit drei von der vorerwähnten neurodegenerativen Erkrankung betroffenen Söhnen bei uns lebte – immer zwischen der Kinderklinik der Charité und uns hin- und hereilend. Von drei Söhnen haben sie einen behalten dürfen. Da war das blitzgescheite Mädchen mit der zentralen Gefäßerkrankung, die in 2004 öfter mal kam – erst krabbelnd, dann hinter uns her laufend und redend wie ein Buch. Was wohl aus ihr geworden ist? Da ist das Mädchen mit der schweren neurodegenerativen Erkrankung, dessen Schwester schon daran verstorben war, als sie als Neunjährige das erste Mal zu uns kam. Wir haben sie lange begleitet bis auch sie 2009 verstorben ist. Aus dem Bereich der jungen Erwachsenen ist uns aus dieser Zeit die hoch gewachsene Afrikanerin in Erinnerung, der die Zeichen ihrer fortgeschrittenen AIDS-Erkrankung nichts von ihrer natürlichen Würde nehmen konnten, bis sie im Spätsommer bei uns verstarb. Andere Kinder und Jugendliche kommen hinzu und füllen den Bilderbogen – unvergessen und doch schon so fern. Die Zeit der Infusionsbäume und Beatmungsgeräte kam erst später – Oximaten hatten wir immerhin schon. Obwohl ich die technischen Möglichkeiten nicht missen möchte, haben wir auch in der davon relativ freieren Anfangszeit viel Herzblut investiert, gute und engagierte Pflegearbeit geleistet, sind an unsere Grenzen gekommen und daran über sie hinaus gewachsen. Cordula Stork, Kinderkrankenschwester 17 Unser Pflegeleitbild „Ein Boot kommt nicht voran, wenn jeder auf seine Art rudert.“ Afrikanisches Sprichwort Pflegeleitbilder sollen der Ausgangspunkt des gemeinsamen Handelns sein und allen Mitarbeitern Orientierung bieten. Erstellt von der Leitung des Hauses, wird es mitunter an die Wand gehängt und dann vom Mitarbeiter erwartet, sich damit zu identifizieren. Im SONNENHOF war das anders. Wir haben uns für die Bottom-up Methode entschieden, das heißt, unser Team hat das Leitbild gemeinsam entwickelt. So sind wir in der Lage, das Pflegeleitbild als lebendiges Instrument zu nutzen. Jeder Mitarbeiter soll sich darin wiederfinden. Es stellt eine Orientierungs- und Organisationshilfe dar. Um eine hohe Akzeptanz zu erreichen stellten wir eine Projektgruppe zusammen, die die Leitsätze entwickelte. Diese wurden jeweils dem Team vorgestellt, diskutiert und überarbeitet. Der Prozess nahm deutlich mehr Zeit in Anspruch als wir anfangs dachten, und dennoch sind wir überzeugt, den richtigen Weg gegangen zu sein. Entstanden sind zwölf Leitsätze, an denen sich unsere Arbeit ausrichtet: 18 • Wir stellen den Menschen als eigenständige und individuelle Person in den Mittelpunkt unseres Handelns, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Spiritualität und Weltanschauung. • Es ist unser Ziel, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsenen mit lebensbegrenzenden Erkrankungen, sowie deren Familien ganzheitlich zu begleiten, zu betreuen und zu pflegen. Dabei ist es uns ein besonderes Anliegen, Familie als System zu begreifen und als solches zu stärken. • Es ist unser Bestreben, unseren Gästen ein würdevolles, selbstbestimmtes und erfülltes Leben bis zum Tod zu ermöglichen • Wir wollen ein Zuhause sein, in dem sie liebevolle Zuwendung und kompetente Pflege erfahren. • Es ist das Grundprinzip unseres Handelns, die Fähigkeiten unserer Gäste solange wie möglich zu erhalten, zu fördern und zu unterstützen. • Es ist unser Verständnis von Palliative Care, Sterben als Teil des Lebens zu betrachten und unseren Gästen größtmögliche Schmerzfreiheit zu bieten. Die lebensbejahende Grundidee schließt aktive Sterbehilfe aus. • Es ist unser Angebot, den Familien die Gestaltung ihres ganz persönlichen Abschieds zu ermöglichen und ihnen auch über den Tod hinaus mit unserem interdisziplinären Team bei der Trauerbegleitung zur Seite zu stehen. • Es ist uns ein großes Anliegen, als Teil der Gesellschaft wahrgenommen zu werden. Wir zeigen Präsenz und Offenheit nach außen und sind daran interessiert, ehrenamtliche Mitarbeiter für uns zu gewinnen und in unsere Arbeit einzubeziehen. Das Team beim gemeinsamen Floßbau • Wir arbeiten im multiprofessionellen Team zusammen mit Ärzten, Therapeuten, Seelsorgern und Sozialarbeitern. Wir unterstützen uns gegenseitig, akzeptieren unsere Grenzen, unsere Stärken und Schwächen. Wir arbeiten und kommunizieren offen miteinander. Teamgespräche und Supervision sind ein fester Bestandteil. Um dieser Aufgabe gewachsen zu sein, erweitern und aktualisieren wir unsere Qualifikationsgrundlagen durch regelmäßige Fort- und Weiterbildungen. • Wir beteiligen uns aktiv an einer qualifizierten Ausbildung der bei uns Lernenden. • Die Wirksamkeit und Qualität unserer Angebote werden kontinuierlich überprüft. Die gemeinsame Entwicklung von Qualitätsrichtlinien ist Bestandteil der Teamarbeit. „Wir können dem Leben nicht mehr Tage, aber den Tagen mehr Leben geben.“ Cicely Saunders • Die Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen anderer Berufsgruppen, Kliniken und weiterer Institutionen sind wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit. 19 Die Jahre 2006 und 2007 Fünf Jahre besteht der SONNENHOF nunmehr und so mancher Raum ruft nach einem neuen Anstrich. Die Arbeit hat sich weiterentwickelt, wir haben dazugelernt. Und wir haben immer ein offenes Ohr und Auge für die Wünsche, Anregungen und Bedürfnisse der Familien und ein etabliertes Vorschlagswesen für die Mitarbeiter. Und so kam es, dass unser Snoezelenraum neu gestaltet wurde. Der Gemeinschaftsraum wurde umgestaltet und mit einer Ruhe- und Wohlfühlinsel für unsere kleinen und großen Gäste versehen. Die Zimmer haben durch die aktive Unterstützung einer unserer Spon- Unser „Raum der Stille“ 20 soren einen neuen Farbanstrich erhalten. Und dann entstand die Idee, einen „Raum der Stille“ einzurichten. Gesagt – getan: im Sommer wurde unser „Raum der Stille“ feierlich eingeweiht. An dieser Stelle sei allen Danke gesagt – den Mitarbeitern, die mit viel Engagement und Herzblut besprechen, planen und die Ärmel hochkrempeln und mitarbeiten, aber auch den Menschen, die uns mit den nötigen finanziellen Mitteln unterstützen, ohne die es einfach nicht geht. 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 Das Jahr 2006 war für mich das schlimmste Jahr meines Lebens. Meine Tochter Miriam hat den Kampf gegen den Krebs für immer verloren. Sie war 23 Jahre alt. Die letzten 14 Tage durfte ich ganz intensiv mit ihr im SONNENHOF verbringen. Miriam war in einem freundlichen hellen und liebevoll eingerichtetem Zimmer untergebracht. Kleine, für Miriam wichtig gewordene Gegenstände konnten wir sogar von zu Hause mitbringen. Für mich stand ein Elternzimmer zur Verfügung. Beide wurden wir herzlich aufgenommen. In jeder Beziehung war das gesamte SONNENHOF-Team bemüht, meiner Tochter in ihrer Abschiedsphase alle Wünsche von den Augen abzulesen, denn selber mitteilen konnte sie sich nicht mehr. Ich weiß auch, dass es ihnen ganz wichtig war, Miriam so zu behandeln, dass sie möglichst wenig Schmerz erleiden musste. An besonders schönen Tagen wurde sie z.B. mit ihrem Bett in den Wintergarten gefahren, damit sie noch etwas von der Natur Miriam mitbekommt. Ganz besonders beeindruckt hatte mich, dass wir meiner Miriam ihre kleine Hündin Melinda in den Arm legen durften. An ihren Tränen haben wir gesehen, dass sie Melinda noch einmal gespürt hat. Es ist nicht leicht, das eigene Kind leiden zu sehen, nicht helfen zu können und das mit der Gewissheit, das es bald sterben wird. Meine Kraft war einfach am Ende. Und immer wieder haben mich die Schwestern unterstützt, mit mir lange einfühlsame Gespräche geführt oder mit mir nachts am Bett meiner Tochter gesessen, ja, sie haben auch einfach versucht, mir meine Angst zu nehmen. Ich möchte mich hier im Nachhinein für die gute und liebevolle Pflege meiner Miriam aber auch für die Geduld und das Einfühlungsvermögen ganz herzlich bedanken. Auch noch heute, nach sechs Jahren, fühle ich mich ganz fest mit dem SONNENHOF verbunden und besuche jeden Freitag den Offenen Familientreff. Hier kann ich mich mit anderen betroffenen Eltern austauschen, mit ihnen über unsere Kinder reden, lachen und auch weinen. Zitat einer Mutter 21 Unsere Kinderärztin Dr. Kerstin Lieber, Pädiatrische Palliativmedizinerin Kerstin Lieber hat ihre Facharztausbildung als Kinderärztin an der Charité Mitte absolviert. In den Wendezeiten lernte sie Jürgen Schulz kennen und kurz nach seiner Eröffnung auch den SONNENHOF. Sie arbeitete damals in der Kinderonkologischen und -kardiologischen Rehabilitationsklinik in Wandlitz bei Berlin. Danach ging sie an die Universitätskinderklinik Bonn und erwarb die Zusatzbezeichnung „Palliativmedizin“. Bereits dort entstanden erste Ideen zu einem Projekt, das jetzt „Spezialisierte Ambulante Pädiatrische Pallivversorgung“ (SAPPV) heißt. Es geht um die häusliche Betreuung lebensverkürzend erkrankter Kinder. Dieses Konzept wurde in der BJÖRN SCHULZ STIFTUNG in Zusammenarbeit mit der Kinderklinik der Charité weiter entwickelt. Der SONNENHOF ist ein wichtiges Bindeglied zwischen klinischer und häuslicher Versorgung schwer kranker Kinder. Die Aufgaben eines Kinderhospizes unterscheiden sich grundsätzlich von denen eines Erwachsenenhospizes, denn bei uns beginnt die Begleitung mit Diagnosestellung und geht über den Tod des Kindes hinaus. Im Hospiz erhalten die Eltern zusätzliche Kompetenzen bei der Begleitung ihrer Kinder bis zum Lebensende, sie werden unterstützt von Ärzten, Kinderkrankenpflegern, Pädagogen und Sozialarbeitern. 22 Kerstin Lieber wühlte die Mediendiskussion um das Pro und Kontra eines Kinderhospizes in Berlin auf und regte sie an, den SONNENHOF kennenzulernen. Durch eine eigene Erkrankung hat sie erfahren, wie wichtig ein Netzwerk aus Medizin, Therapeuten, Familie und Freundeskreis ist. Aber sie musste auch erkennen, wie unterschiedlich sich die Versorgung und Begleitung Erwachsener im Vergleich zu Kindern – insbesondere in der Onkologie – darstellt. „Ich möchte unsere Patienten und ihre Familien nicht allein lassen, wenn sie unsere Unterstützung brauchen. Dafür stehen wir mit unserem Team Tag und Nacht zur Verfügung. Meine Familie trägt das mit, wir haben dazu ein Einvernehmen gefunden“, sagt Kerstin Lieber über ihre Motivation. „Die Familien werden für einen kurzen oder auch längeren Zeitraum ein Teil meines Lebens, wir teilen ein Stück Privatsphäre miteinander.“ Ein Motto prägt ihre Arbeit: Wenn Familien in Not sind, müssen sie unsere Verlässlichkeit haben. Sie sagt: „Wir arbeiten immer mit Familien in Ausnahmesituationen. Es gibt so viele verschiedene Krankheitsbilder, mit denen wir zu tun haben – dafür gibt es häufig keine Leitlinien und Lehrbücher. Es ist für eine Familie nicht auszuhalten, zu wissen, dass das eigene Kind stirbt. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod hat Kerstin Lieber schon in den 80er Jahren auf der Kinderonkologie kennen gelernt. Damals sind viele Kinder stationär gestorben, die Sterbebegleitung gehörte dazu. In der Kinderonkologie gab es viel Unterstützung von außen. Aber auch in anderen Bereichen der Pädiatrie starben Kinder an weniger bekannten Krankheiten. Diese Kinder haben keine Lobby. Durch den medizinischen Fortschritt werden Kinder mit angeborenen schweren Erkrankungen immer älter. Das heisst auch, dass der Zeitraum und die Intensität der Begleitung zunimmt. Und auch die Entscheidung zwischen Lebensqualität und Dauer des Lebens wird immer komplizierter. Solche Entscheidungen erfordern eine intensive Kenntnis des Patienten und seiner Familie sowie der medizinischen Möglichkeiten. Deshalb ist diese Arbeit nie eine Einzelleistung – sondern immer eine Arbeit in einem Team mit vielen Professionen und Erfahrungen. Zu den ärztlichen Aufgaben gehört der Anfang und das Ende des Lebens. Jeder gehört dahin, wo seine Stärken liegen. Denn die Patienten können sich ihre Krankheit nicht aussuchen.“ Und so kam Kerstin Lieber freiwillig und ehrenamtlich im Jahr 2006 in den SONNENHOF und hat hier eine anspruchsvolle Tätigkeit gefunden. Seit 2007 ist sie in Teilzeit fest angestellt und seit 2008 mit einer Vollzeitstelle. Dr. Kerstin Lieber Ehrenamtlich ist Kerstin Lieber seit 1993 Vorstandsmitglied in dem Verein „Hilfe für krebskranke Tschernobylkinder“. Diese krebskranken Kinder kamen zur Akuttherapie nach Berlin und auch zur Rehabilitation in die Brandenburgklinik nach Wandlitz. „Bei einigen haben wir eine intensive Sterbebegleitung im Team geleistet, andere haben heute selbst gesunde Kinder.“ „Mein Traum ist es, Lebensqualität bei schwerst kranken Kindern und Jugendlichen zu erhalten, sichtbar zu machen und ihnen Selbstbestimmung zu ermöglichen.“ Im SONNENHOF kann Kerstin Lieber ihren beruflichen Traum leben. 23 Die pädagogische Begleitung im Kinderhospiz SONNENHOF Die pädagogische Begleitung im Kinderhospiz SONNENHOF wird stark durch die Individualität des Gastes geprägt, der mit seinen Bedürfnissen und Wünschen einzigartig ist und klar im Vordergrund steht. Unser Ziel ist es, pädagogische Bedürfnisse zu erkennen und in den Alltag einzubauen: gezielte Wahrnehmungsförderung, Förderpläne und strukturierte Tagesabläufe in enger Zusammenarbeit mit den Ergo-, Physio-, Musik- und Kunsttherapeuten, aber auch Kuscheln und Einfach-nur-da-sein und gemeinsame Zeit im Snoezelenraum verbringen – alles ist möglich. Wir setzen in der Förderung unterschiedliche Materialien Vorweihnachtliches Plätzchen backen 24 aus der heilpädagogischen Arbeit sowie natürliche Mittel (beispielsweise Wasser, Kastanien oder Erbsen) ein, um Wahrnehmungsbereiche anzusprechen und unseren kleinen und großen Gästen Abwechslung zum anstrengenden Alltag mit ihrer Erkrankung zu bieten. Auch Ausflüge in kleinen Gruppen oder mit dem einzelnen Gast in Kinos, zu Konzerten oder zu einem Eishockeyspiel gehören zu unserer Arbeit – eben genau die Dinge, die der Gast sich wünscht, um sich im Kinderhospiz SONNENHOF wohlzufühlen. Wir ermöglichen zudem auch eine bedarfsgerechte Betreuung über Aktionen und Angebote hinaus und schaffen eine enge Begleitung ohne einen großen Wechsel der Bezugspersonen am Tag. Hier können ganz spezielle Wünsche geäußert und oft auch realisiert werden, junge Erwachsene oder Jugendliche haben die Möglichkeit, ganz offen über utopische Träume zu sprechen. Der Pädagoge ist hier auch Ansprechpartner, steht für Gespräche bereit, gibt Denkanstöße und ist oftmals auch der Tröster. Gerade im Vier-Augen-Gespräch gibt es viele Momente, in denen eine enge Begleitung, aber auch ein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt des Rückzugs nötig ist. Unsere Arbeit richtet sich nach den Wünschen des Gastes und seiner Familie. Ganz wichtig ist uns das Gespräch mit den Eltern und anderen Angehörigen. So bauen wir Verständnis auf und schaffen ein Grundvertrauen zwischen Angehörigen, Gast und den Pädagogen des SONNENHOFes. Neben der Begleitung des Gastes werden, wenn die Familie es sich wünscht, während des Aufenthaltes im Kinderhospiz und auch innerhalb anderer Einrichtungen der BJÖRN SCHULZ STIFTUNG die Geschwister mitbetreut. Hier findet das einzelne, indirekt von der Krankheit betroffene Kind Gehör und Aufmerksamkeit in vielerlei Hinsicht. Zudem arbeiten wir eng mit den Pflegekräften des SONNENHOFes, ehrenamtlichen FAMILIENBEGLEITERN und Einzelfallhelfern zusammen, die auch einen großen Teil der pädagogische Begleitung übernehmen. Liebes Team vom SONNENHOF , nochmals vielen, vielen Dank für die liebevolle Unterstützung in der schwersten Zeit , die wir durchmachen mussten, bei der leider nicht zu heilenden Krankheit unserer kleinen „Püppi“ Kaja Ira! Auch für die tolle , innige und aufrichtige Hilfe, die Sie unseren Kindern zukommen ließen! Weiterhin viel Erfolg und Kraft für Ihre tolle Arbeit wünschen Ihnen Doris und Gunter Johannsen, Nils Groß, Pädagogische Leitung Großeltern 25 Die Jahre 2008 und 2009 Besonders in den Ferienzeiten, an die viele unserer Familien gebunden sind, können wir nicht immer den gewünschten freien Pflegeplatz für die 28 Tage im Jahr zur Entlastung anbieten. Einige Gäste konnten so maximal zwei Wochen bei uns bleiben. Das ist eindeutig zu wenig. Und so begannen wir mit der Planung des Ausbaus unseres SONNENHOFes. zungsangeboten der BJÖRN SCHULZ STIFTUNG, wie beispielsweise der Sozialmedizinischen Nachsorge, kommt es erneut zu Bewegungen in der Personalstruktur. Unser Personalstamm im Pflegebereich des SONNENHOFes konnte um einige Pflegekräfte erweitert werden. Dieser Zuwachs fordert jeden Einzelnen bei der Einarbeitung und Einbindung der neuen Kollegen in unser Team. Bedingt durch die steigenden Belegungszahlen, aber auch durch den Wechsel von Personal zu neu entstandenen Unterstüt- Im Mai 2009 übernimmt Pia Heinreich die Pflegedienstleitung im SONNENHOF. „Ich bin mir der großen Verantwortung dieser Vorstand Jürgen Schulz bedankt sich bei den Ehrenamtlichen nach getaner Arbeit 26 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 Aufgabe bewusst und freue mich jeden Tag, mich dieser Herausforderung zu stellen“, sagt sie. Bereits während der letzten Jahre meiner Dienszeit war es mein Wunsch, mich Auch die Anzahl der ehrenamtlichen Mitarbeiter wächst in diesen Jahren stetig. Sie werden speziell für ihren Einsatz im SONNENHOF an einem Wochenende hausintern geschult. Die Koordination und Betreuung unserer „Engel im Einsatz“ wurde in die Hände von zwei Kolleginnen des SONNENHOFes gelegt. So kann die Einarbeitung und die Einsatzplanung – vor allem für die Hauswirtschaft an den Wochenenden – ganz individuell nach den Wünschen und freien Kapazitäten der Ehrenamtlichen erfolgen, die fast alle voll berufstätig sind. Die Ehrenamtlichen sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken – sie bereiten nicht nur kulinarische Freuden – sie waschen, bügeln, putzen und verzaubern unseren Gästen den Alltag und sind auch immer wieder gern gesehene Gesprächspartner. Ihnen gilt seit vielen Jahren unser Dank – sie sind wunderbar. nach meiner Pensionierung sozial zu en- Wir alle unterliegen einem ständigen Wandel und so gilt es stets, immer wieder neu seinen Platz zu suchen und zu finden. Das gilt für die Menschen, die wir begleiten ebenso, wie für uns alle. mehr als bereichert. Ich freue mich auf gagieren. Nach einem kurzen Intermezzo bei der Berliner Stadtmission machte mich meine Familie auf die Arbeit der BJÖRN SCHULZ STIFTUNG mit dazugehörigem Kinderhospiz SONNENHOF aufmerksam. Nach einer kurzen Zeit im administrativen Bereich der Stiftung wechselte ich dann als ehrenamtlicher MItarbeiter in den SONNENHOF. Das ist nun bereits 3 Jahre her und ich habe meine Entscheidung zu keiner Zeit bereut. Im Gegenteil, die „Arbeit“ mit den Gästen des SONNENHOFes und den Schwestern und Pflegern hat mir neue Horizonte eröffnet und mein Leben weitere Jahre der Zusammenarbeit in dieser wunderbaren Einrichtung. Markus Antonius, Ehrenamtlicher Mitarbeiter 27 Kunst- und Musiktherapie „Heilen bedeutet nicht, das Alte heraufzuholen, sondern vielmehr das Neue zu gestalten. Es bedeutet nicht, das Negative zu bestätigen, sondern vielmehr, es durch das Positive auszugleichen.“ Maurice Friedmann 28 In den ersten Jahren gab es im SONNENHOF ehrenamtliche Angebote für Musik- und Kunsttherapie oder musisch begabte Pflegekräfte übernahmen den Part. Seit einigen Jahren werden diese Stellen über Spenden finanziert, da diese Therapieformen bei unseren Kindern und ihren Familien sehr gut nachgefragt sind und sich positiv auf sie ausgewirkt haben. Mirco Pagels, Musiktherapeut im Wintergarten Kunst- sowie Musiktherapie ersetzen die Kommunikation durch Sprache, die Gefühle werden durch Bilder oder Musik zum Ausdruck gebracht. Es können tief verborgene Emotionen angerührt werden, Spannungen gelöst und die Konzentration kann sich verbessern. Wir alle wissen, wie schnell Sprache an ihre Grenzen stößt und wie oft wir nicht in der Lage sind, dass sagen zu können, was wir sagen wollen. Besonders bei Menschen, die nicht mehr miteinander kommunizieren können, werden durch diese Ausdrucksformen neue Möglichkeiten geschaffen, sich zu artikulieren. Diese therapeutischen Angebote der BJÖRN SCHULZ STIFTUNG wenden sich sowohl an die Gäste des SONNENHOFes selbst, als auch an ihre nächsten Angehörigen, vor allem an die Eltern und Geschwister. Unsere Gäste werden in jeder Hinsicht gestärkt, unterstützt und liebevoll begleitet. Für Eltern und Geschwister können diese Angebote sowohl einen wertvollen Beitrag zur Entspannung, Entlastung und Stärkung der eigenen Kraftressourcen leisten, als auch bei Ängsten, Nervosität, Depressionen oder beispielsweise Beziehungsproblemen intensiv psychotherapeutische Prozesse begleiten. Musik- und Kunsttherapie gehören nicht zu den Regelleistungen der Krankenkassen in Deutschland. 29 Die Jahre 2010 und 2011 „Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit und neues Leben blüht aus den Ruinen.“ Friedrich Schiller aus „Wilhelm Tell“ Die konkrete Planung unseres Erweiterungsbaus auf dem Reißbrett nahm Gestalt an und es ging ab Dezember 2010 daran, die Umzüge verschiedener Abteilungen und die Übergangslösungen für die Bauzeit zu planen. Das bedeutete zum Beispiel, die Küche des SONNENHOFes zog in unser Gartenhaus um. Eine kleine Ersatzküche auf der zweiten Etage musste eingerichtet werden. Im August 2011 war es dann soweit. Der Abriss begann. Da wir nun keinen Gemeinschaftsraum mehr hatten, wurde der Wintergarten dafür umfunktioniert. Der Abrissbagger begann Stück für Stück unser bestehendes Gebäude abzureissen, um dem Neuen zu weichen. Es war schon ein komisches Gefühl zu sehen, wie alles nach und nach verschwand, was so manche Erinnerung barg. Bei allem Baubetrieb lief unser Alltag im Hospiz weiter. Jeder trug dazu bei, dass sich unsere Familien weiter wohlfühlen. Die Zahl der Gästezimmer reduzierte sich auf zehn 30 Nach einer Lebertransplantation war Gülcan vorübergehend im SONNENHOF Zimmer und so konnten wir die wohlige Atmosphäre beibehalten. Ebenso konnten wir unsere therapeutischen Angebote erweitern, dafür neue Mitarbeiter gewinnen und unser Team erweitern. Mit viel Engagement und Humor haben wir die mitunter schwierigen Situationen gemeistert. „Der Mensch ist die beste Medizin des Menschen.“ Aus Nigeria 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 Ein paar Stunden im SONNENHOF… Seit etwa einem Jahr habe ich eine feste Verabredung. Einmal in der Woche verbringe ich den Vormittag mit „meinem“ SONNENHOF-Kind. Es sind ganz besondere Momente, in denen das ruhelose Alltagsleben zurücktritt und wertvolle Zeit ganz bewusst erfahrbar wird. Hier geht es geht nicht um Ziele und Pläne, die zu erreichen sind – es geht darum, den Tag gemeinsam zu genießen, Freude zu schenken und einfach nur da zu sein. Manchmal ist es ein ausgedehntes Wohlfühl-Programm während der Körperpflege, bei dem ich die pflegende Schwester unterstützen kann, manchmal ein Spaziergang oder Zeit im wunderschönen Garten des Hauses. Aber das Wichtigste ist immer eine ausgedehnte Zeit zum Kuscheln! Es ist kaum zu beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn so ein kleines Kerlchen diese Zeit genießt und sich auf die Nähe so vertrauensvoll einlässt. Gerade da wo verbale Kommunikation nicht möglich ist, wird aus dieser „Kuschelzeit“ eine ganz besondere Art des Gesprächs. Es ist für mich eine echte Bereicherung diese Erfahrungen machen zu dürfen. Kenne ich doch aus dem früheren Arbeitsleben den Alltag auf einer Kinderstation. Zeit, auf einen Patienten ganz individuell eingehen zu können, ist einfach nicht verfügbar. Das ist belastend für die kleinen Patienten und das Pflegepersonal. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier meine Zeit ehrenamtlich einsetzen kann und wenn ich erlebe, dass es gut war, wieder dagewesen zu sein, ist es nicht nur ein Gewinn für „mein“ Kind, sondern auch für mich. Ines Wichert, Ehrenamtliche Physiotherapeutin 31 Abschieds- und Trauerrituale „Auch das ist Kunst, ... aus ein paar sonnenhellen Tagen sich so viel Licht ins Herz zu tragen, dass, wenn der Sommer längst verweht, das Leuchten immer noch besteht.“ Johann Wolfgang von Goethe Sonnige Tage gibt es reichlich im SONNENHOF. Doch auch die schattigen Tage sind ein Teil des Lebens und finden hier einen ganz besonderen Platz. Wenn sich der Gesundheitszustand eines lebensverkürzend erkrankten Gastes verschlechtert und ein Versterben absehbar erscheint, ist es wichtig, dass die gesamte Familie das geliebte Kind auf seinem letzten Weg begleiten kann und näher zusammen rückt, um die letzten Tage gemeinsam miteinander verbringen zu können. In diesen Momenten sind die Familien und ihre Angehörigen nicht allein, sondern können immer jemanden um sich wissen, der für sie da ist, sich Zeit nimmt und sie auf ihrem schweren Weg unterstützt. Der SONNENHOF begleitet die Familien, wenn die Zeit des Abschiednehmens gekommen ist und wenn sie den Verlust Schritt für Schritt als Realität annehmen lernen müssen. Hier erhalten diese Familien die Möglichkeit, intensiv Abschied zu nehmen. Sie selbst entscheiden, wie viel Zeit sie dafür benötigen und wie sie diesen Abschied gestalten möchten. Bestimmte Rituale können die Familien dabei unterstützen, sollen diese aber auch ermutigen ihre Trauer individuell auszuleben und die letzten Tage mit dem Verstorbenen so zu gestalten, wie sie es für wichtig erleben. Für die Angehörigen ist es von großer Bedeutung, dass es einen Platz gibt, der auch nach dem irdischen Leben des geliebten Menschen erhalten bleibt und die Spuren, die dieser Mensch im Leben hinterlassen hat, nicht in Vergessenheit geraten lässt. Der Garten der Erinnerung ist ein solcher Ort. Im Erinnerungsteich steht jeder Stein für einen verstorbenes Kind. Durch die 32 individuell gestalteten Steine bleibt ein Stück Persönlichkeit dieser Menschen erhalten. Im Sonnenrad funkeln selbst an schattigen Tagen kleine Lichter wie helle Sterne am Himmelszelt und erinnern an diese Kinder und Jugendlichen. Dies ist ein Ort, an den die Familien und Freunde immer wieder zurückkehren und ihrer Trauer und ihren Erinnerungen freien Lauf lassen können. Der alljährliche Erinnerungstag ist sowohl für die Angehörigen, als auch für die Mitarbeiter ein wichtiger Tag im Jahr. Gemeinsam wird an die Zeit mit dem geliebten Menschen zurückgedacht, um diesen getrauert aber auch über die sonnenhellen Tage berichtet und das Leuchten der gemeinsamen Zeit erneut entfacht. Je mehr Menschen zu diesem Netz des Erinnerns beitragen, desto weniger muss am Schmerz festgehalten werden, da es stärkere Formen des Gedenkens gibt. Über mehrere Jahre hinweg erleben alle Beteiligten auf diese Weise, wie sich die Trauer wandelt. Rebecca Vandrey, Dipl. Heilpädagogin und Trauerbegleiterin 33 Aromatherapie IM SONNENHOF setzten wir auch auf Aromatherapie. Durch die Anwendung ätherischer Öle sollen Körper, Geist und Seele auf eine positive Art beeinflusst werden. „Kein Tag ist glücklich ohne Wohlgerüche.“ Arabisches Sprichwort Einige unserer bewährten Rezepte finden Sie hier. Vor der Anwendung fragen Sie bitte einen erfahrenen Aromatherapeuten. Aromatherapie bei Alltagsbeschwerden Mundgeruch • 1-2 Tropfen Basilikumöl in 1 Glas lauwarmes Wasser geben und damit gurgeln Schlafstörungen • 1-2 Tropfen Lavendel- oder 1-2 Tropfen Rosenholzöl auf das Kopfkissen geben – zur Inhalation Schweißfüße • 1-3 Tropfen Muskatellersalbei und 1 Eßlöffel Honig in ausreichend Wasser für ein Fußbad zubereiten 34 Stressabbau • 2-3 Neroli- oder 3-4 Palmarosatropfen in die Duftlampe geben Insektenstiche • 1-2 Tropfen Geraniumöl und 4-5 Tropfen Jojobaöl vermischen und als Einreibung verwenden Pflegerezepte für Jugendliche und Erwachsene Schlafprobleme im Aromastein Dosierung für Vollbäder: • 3 Tropfen römische Kamille • 3 Tropfen Bergamotte • 2 Tropfen Lavendel • Erwachsene: 7-10 Tropfen • Kinder zwischen 6 und 12 Jahren: 2-3 Tropfen Wohlfühlmischung: in 50 ml Basisöl Für Kinder eignen sich nur sehr wenige Öle: • • • • 6 Tropfen Tonka 6 Tropfen Zeder Tropfen Orange Tropfen Lavendel • Lavendel, Mandarine rot, Vanille und Benzoe Dosierung für Fußbäder: • 6-7 Tropfen • Bei Fußpilz sollte Lavendel-, Teebaumoder Thymianöl mit dabei sein Pflegerezepte für Säuglinge und Kleinkinder “Tue Deinem Körper Gutes, damit Deine Seele Lust hat, darin zu wohnen!“ Teresa von Ávila Blähungen Anwendungsbereiche: • 3 Monats-Kolliken • Obstipation nach Operation Baucheinreibung: • • • • 1-30 ml Basisöl 1 Tropfen Anis 1 Tropfen Fenchel süß 1 Tropfen Lavendel Heidrun Barthelmai, Krankenschwester 35 Ausblick auf 2012 und später Endlich ist es soweit, die Fertigstellung unseres Neubaus ist in Sicht und das Team hat Spaß daran, den neuen Zimmern und Räumen ein eigenes Gesicht zu geben. Viele kreative Ideen mit der Liebe zum Detail werden sich im neuen Haus wieder finden. Wir freuen uns, zukünftig mehr Familien die Möglichkeit eines Aufenthaltes im SONNENHOF zu ermöglichen. Dafür haben wir vier neue Gästezimmer sowie zwei weitere Elternappartements zur Verfügung. Wir werden auch unser interdisziplinäres Team aufstocken, das derzeit aus Kinderpalliativärzten, Kinderkrankenpflegern, Pädagogen, Psychologen und Sozialarbeitern besteht. Kurzfristig freuen wir uns alle ganz besonders, wieder viel Platz zu haben. Der neue Gemeinschschaftsraum bietet Raum für gemeinsame Aktivitäten, aber auch Rückzugsmöglichkeiten zum Kuscheln und Spielen. Die Angebote im pädagogischen Bereich Mirco Pagels, Musiktherapeut im Wintergarten So wird der neue Gemeinschaftsraum aussehen 36 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 können aufgrund der dazugewonnenen Räumlichkeiten erhöht werden. So werden wir zukünftig beispielsweise die Geschwisterbetreuung ausbauen. Ebenso werden wir die Kreativangebote erweitern. Es wird Gruppenangebote für Angehörige geben wie Nähen, Basteln, Tonarbeiten und vieles mehr. Unser Engagement bleibt weiterhin ungebremst, wenn es darum geht, die Situation für unsere Familien zu verbessern. Die stationäre Hospizversorgung ist eine Leistung, auf die Menschen einen gesetzlichen Anspruch haben und dennoch gibt es immer wieder ungerechtfertigte Ablehnungen. Weiterhin sind unsere Kosten in Höhe von 60 % durch Spenden abgedeckt und nur die verbleibenden 40 % durch die verantwortlichen Kostenträger. Die Finanzierung von Kinderhospizen muss sich deutlich verbessern! Das Team des SONNENHOFes realisiert den hohen Anspruch an die aufwendige Pflege von Gästen, die beispielsweise dauerhaft auf ein Beatmungsgerät angewiesen sind. Das erfordert einen hohen Anspruch an die Pflege. Alle Leistungen der Grund- und Behandlungspflege werden „rund-um-dieUhr“ erbracht. Für die fachgerechte Pflege und Versorgung wird stets qualifiziertes und speziell geschultes Fachpersonal aus unterschiedlichen Bereichen benötigt. Der Abriss im September 2011 In den kommenden Jahren wird der Fachkräftemangel weiter zunehmen. Das stellt uns vor eine große Aufgabe, denn wir möchten auch weiterhin ein stabiles Team führen. Mit einer gesundheitsfördernden Mitarbeiterführung wollen wir erreichen, dass sich unsere Mitarbeiter wohl fühlen und eine hohe Zufriedenheit in ihrer Arbeit erreichen. Denn nur so werden wir auch die hohen Ansprüche an die Pflege unser Gäste erfüllen können. 37 Hinter den Kulissen Hospizarbeit ist immer eine gemeinsame Aufgabe von der Familie mit dem gesamten Team. Unser Team setzt sich aus Berufsgruppen der Pflege, Pädagogik, Medizin, Therapie und Psychologie zusammen. Wir arbeiten stets unter dem Aspekt: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. Jeder Einzelne gibt ein Stück von sich und trägt zum Gelingen unserer Arbeit bei. Jeder im Team ist wichtig und wird im Team gebraucht – der Ehrenamtliche, der mit einem Kind spazieren geht ebenso wie die Hauswirtschaftskraft. Der Alltag hält immer wieder Herausforderungen bereit, die wir gemeinsam angehen. Trotz langjähriger Berufserfahrung, hoher fachlicher und sozialer Kompetenzen werden uns Grenzen aufgezeigt. Ohne den unermüdlichen Einsatz aller Berufsgruppen wären diese nicht zu überwinden. Es klingt zunächst sehr einleuchtend: Unser Ziel ist es die höchstmögliche Lebensqualität bis zum Lebensende zu erhalten. Aber es gibt keine Selbstverständlichkeit im Denken und in der Auseinandersetzung mit unheilbaren Erkrankungen, Sterben und Tod. Stellen Sie sich vor: Ihr Kind ist gesund geboren, hat sich zunächst normal entwickelt, es lernte sprechen, laufen, selbständig zu essen und vieles mehr. Und dann – nach 38 und nach verliert es all diese erworbenen Fähigkeiten. Es vergehen viele Monate bis Eltern die Diagnose erfahren: eine unheilbare Stoffwechselerkrankung, die zu einem frühen Tod führen wird – aber niemand weiß wann. Das Kind leidet zusätzlich an Krampfanfällen, es leidet immer wieder unter schweren Atemwegsinfekten und vieles mehr. So steht das Kind immer wieder an der Schwelle zwischen Leben und Tod. Seine Familie durchlebt immer wieder eine Achterbahn der Gefühle – Bangen, Freude, Wut, Verzweiflung, Trauer, aber auch immer wieder Hoffen. Wie wird – kann – darf sich das Kind entscheiden? So hat jedes Kind seine eigene Geschichte. Wir müssen immer wieder individuell und ganzheitlich sehen, was das Kind und seine Familie braucht. Das bedarf vieler Gespräche mit der Familie und regelmäßige Fallsupervisionen mit allen beteiligten Kollegen. Jeder bei uns achtet auf den anderen. Wir arbeiten partnerschaftlich mit Respekt und Vertrauen dem anderen gegenüber. Jeder fühlt sich angenommen und gehört. Was braucht ein Team noch? Es macht wirklich Spaß zu sehen mit welch einer Freude, Engagement und Fröhlichkeit der Alltag gestaltet wird. Da wird spontan entschieden: “Wir könnten doch morgen Waffeln backen. Wer bringt was mit?“ oder: Man macht sich Gedanken, was man für die anstehende Taufe eines Gastes schenken könnte. Dann sind da noch die Feste im Jahreskreis. Ob Ostern oder Weihnachten – es sind immer Tage, die einen ganz besonderen Zauber in sich tragen. Es ist eben wie zuhause: man feiert, lacht und man weint gemeinsam. Art, wie beispielsweise die feuchtfröhliche Fahrt auf dem selbstgebauten Floß oder die Fahrt mit der Draisine durch das verschneite Märkisch-Oder-Land. Es schweißt zusammen und man ist gestärkt für neue Herausforderungen. Aber bei all diesen doch auch sehr emotional belegten Themen dürfen wir die Professionalität nicht vergessen. Der SONNENHOF muss wie jede andere Pflegeeinrichtungen eine Vielzahl rechtlicher Anforderungen erfüllen und auch eine stetige Weiterentwicklung des Qualitätsmanagements macht auch bei uns nicht Halt. Aber was wäre ein Team ohne Selbstpflege. Dazu gehören Erfahrungen ganz anderer Pia Heinreich, Pflegedienstleitung 39 Unsere Spendenkonten Impressum Berliner Sparkasse Konto-Nr. 78 000 8006, BLZ 100 500 00 Herausgeber: © BJÖRN SCHULZ STIFTUNG 2012 Wilhelm-Wolff-Straße 38 13156 Berlin PAX-Bank Konto-Nr. 600 787 8018, BLZ 370 601 93 Ihre Spende ist steuerlich abzugsfähig. Ab einer Spendenhöhe von 5 Euro erhalten Sie von uns bei Angabe der vollständigen Adresse eine Zuwendungsbestätigung, die Sie bei Ihrer Steuererklärung geltend machen können. Vorstand: Jürgen Schulz Telefon: 030 398998-50 Telefax: 030 398998-99 E-Mail: [email protected] Internet: www.bjoern-schulz-stiftung.de Redaktion: Jürgen Schulz, Claudia Dinse, Sabine Sebayang Fotos: BJÖRN SCHULZ STIFTUNG, Christopher Häring, Norbert Haftka, privat Grafik: Norbert Haftka Druck: Das Druckteam, Berlin Auflage: 10.000 Exemplare Die BJÖRN SCHULZ STIFTUNG ist seit 2006 Träger des DZI-Spendensiegels. Es zertifiziert den korrekten Umgang mit Spendengeldern. 40 Redaktionsschluss: August 2012 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012