Ausgabe 1977 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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Ausgabe 1977 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
W 3828 F
HÖH ENZOLLERISCHE
HEIMAT
Herausgegeben o o m
Hohenzollerltchen Gefchlchteoerein
27. Jahrgang
Nr. i / M ä r z 1977
Pfarrkirche St Nikolaus in Feldhausen
Hochaltarblatt
„Vision des hl. Antonius von Padua". Ölbild von Franz Joseph Spiegier, 1740
FRITZ SCHEERER
Von unseren Dörfern am Albrand in der fränkisdien Zeit
Von den Dörfern des frühen Mittelalters wissen wir verhältnismäßig wenig. Die Quellen fließen erst im späteren
Mittelalter reichlicher. In unserer Gegend gehen die
schriftlichen Quellen nicht über das 8. Jahrhundert zurück. Bis gegen 700 sind wir so gut wie ganz auf Bodenfunde aus Reihengräberfeldern angewiesen. Von etwa
700 an treten dann die Grabfunde zurück und hören
bald ganz auf. Dafür werden die schriftlichen Quellen
redseliger, zunächst spärlich, aber gegen Ende des Jahrhunderts umso reichlicher. Mit dem Ausgang der Karolingerzeit versiegen sie wieder über ein Jahrhundert fast
vollständig.
Zunächst sind wir auf die klösterlichen Urkundensammlungen angewiesen. Besonders reiches Material, das auf
viele Dinge Licht wirft, liefern uns die Klöster Lorsch
und St. Gallen. Die Urkundenschätze des Klosters
Lorsch sind im Codex Laureshamensis durch Karl
Glöckner (3 Bände 1929-1936) vortrefflich dargeboten
und erläutert worden, die des Klosters St. Gallen von H.
Wartmann im Urkundenbuch der Abtei St. Gallen (2
Bände, 1863). Sie liefern Orts- und Personennamen und
geben Auskunft über Rechtsverhältnisse, über Besitz,
Wirtschaft, Verwaltung. Wenn es auch kleine und kleinste Mosaiksteinchen sind, was die Urkunden liefern, und
von Vollständigkeit keine Rede sein kann, so müssen wir
sie doch zusammenlesen und zusammensetzen, um einigermaßen ein Bild von den früheren Zuständen zu bekommen. Allerdings erfahren wir immer nur von solchen
Leuten, die etwas von ihrer Habe an die Kirche schenkten, und in den meisten Fällen lernen wir auch bei ihnen
nur einen Teil ihres ganzen Besitzes kennen.
Von den Alamannen wurde bei der Landnahme nach
260 nur das offene Land besiedelt, das nicht von Wald
bedeckt, sondern schon zur Römerzeit landwirtschaftlich
genutzt war. Neuland wurde erst später gerodet. Da die
Alamannen vorwiegend Viehzüchter waren, wurde unsere Albgegend von ihnen bevorzugt besiedelt. So finden
wir in unserer Gegend von Tuttlingen bis Pfullingen viele -ingen-Orte (Spaichingen, Böttingen . . . Engstingen).
In der Regel lehnten sich die neuen Siedlungen nicht an
die römischen an. Dagegen hat die römische Grenze zwischen Obergermanien und Rätien unter Umständen eine
Rolle gespielt. Ungefähr auf dieser Grenze verlief eine
Römerstraße, die Prof. Nägele den „Alblimes" nannte.
Sie verband die römischen Kastellorte (Laiz, Burladingen, Gomadingen, Urspring an der Lone usw.)
Zwischen Münsingen und dem Kastell Gomadingen finden
sich an ihrer Stelle die Flurnamen „Gemauerter Weg"
und „Hochgesträß". Die alamannischen Gaugrenzen
lehnten sich an diesen Straßenzug an (s. unten). Links
und rechts dieser Alblimesstraße finden sich viele -ingenOrte (Blättringen, Benzingen, Winterlingen, Burladingen, Ringingen, Salmendingen, Melchingen, Erpfingen,
Undingen, Willmandingen, Genkingen, Groß- und Kleinengstingen, Gomadingen, Münsingen usw.), um nur die
wichtigsten zu nennen.
Zunächst werden diese Siedlungen kleine weilerartige
Orte mit eigenen Gräberfeldern gewesen sein. Im Verlauf des 6. und 7. Jahrhunderts wachsen diese ältesten
Siedlungen und vergrößern sich die Höfegruppen langsam zu Dörfern. H. Stoll hat dies anschaulich an dem
Gräberfeld zu Hailfingen im Gäu nachgewiesen 2. Man
mußte nach 496, nach dem großen politischen Rückschlag mit den Franken, im Lande bleiben, mußte heimisch werden und sich redlich nähren. Die Folgen sieht
man u. a. in der Anlage neuer Siedlungen, das auch an2
dere Wirtschaftsformen voraussetzt. Jetzt gingen die
Alamannen zu intensiverem Ackerbau über.
Das Vorbild für den entwickelteren Ackerbau gaben die
Franken, die ihn in Gallien kennengelernt hatten. Neue
Gedanken und Reformen strömten ein. Am Anfang des
8. Jahrhunderts tauchte die Hufe auf und bürgerte sich
allmählich ein. „Die Hufe, das Gut des abhängigen Bauern, von einer gewissen einheitlichen Größe und Zusammensetzung und mit bestimmten Abgaben und Diensten
an den Herrn belastet, kommt von Westen herüber"
(Heinrich Dannenbauer 3). Die Feldmark wurde in die
künstliche Ordnung der Gewannflur gepreßt. „Hufe und
Gewannflur dienen der besseren Einteilung des grundherrlichen Landes" (Dannenbauer).
Die nun einsetzenden Urkunden der Klöster Lorsch und
St. Gallen zeigen die Dörfer voll von Bauern, die adeligen Herren gehören, diesen zinsen und von ihnen verschenkt werden. Die Besitzer reicher Herrenhöfe findet
man in Adelsgräbern bestattet, wo sie mitunter neben
der von ihnen gestifteten Kirche im Schmuck ihrer Waffen und Kostbarkeiten ihre letzte Ruhe gefunden haben
(Burgfelden, Gammertingen, Pfullingen usw.). Die silbervergoldete Gewandspange mit Tierornamenten und
Spiralmustern aus dem alamannischen Frauengrab südlich Tübingen, die wahrscheinlich aus England stammt,
kann nur einer reichen adeligen Frau gehört haben (1931
ausgegraben). Oder wenn in dem bekannten Gräberfeld
von Oberflacht (beim Lupfen und Karpfen) unter anderem kunstvollem Gerät die Überreste einer Leier oder
Harfe gefunden wurden, so handelt es sich um die Hinterlassenschaft eines Herrn, an dessen Hof als Zeitvertreib der Heldengesang gepflegt wurde 4. Es gibt keinen
Zweifel, daß die Dörfer zum Teil von abhängigen Bauern der mittleren oder größeren Grundherren bewohnt
waren.
Die
-heim-Siedlungen
Wir finden gewisse Zusammenballungen von -heim-Siedlungen von Tuttlingen mit seiner Martinskirche in Richtung des einstigen Königshofes Rottweil (Weilheim,
Rietheim, Dürbheim, Balgheim, Talheim, Aixheim) und
auf den Höhen des Großen Heubergs (Gosheim, Bubsheim, Königsheim, Egesheim, Ensisheim (abg.) Obernheim, Hartheim, Ober- und Unterdigisheim). Hier liegt
nahe, an eine staatlich geplante und gelenkte Besiedlung
durch die Franken zur Sicherung der Straße nach Rottweil zu denken.
768 werden in Digisheim von einem reichen Herrn namens Amalbert, der auch in der Baar reichen Besitz hatte, acht namentlich genannte servi (Hörige: Waltharius,
Lallo, Panzo, Zutta, Anno, Nuno, Tuto und Utriho, der
letztere hat einen fremdklingenden Namen) mit ihren
Familien (mindestens 20 Personen) samt ihren Huben
dem Kloster St. Gallen geschenkt. Als Zeuge wird bei
dem wichtigen Schenkungsakt ein servus Paldrich aufgeführt 5 . Das Verhältnis zwischen dem Herrn und den
Hörigen scheint also gut gewesen zu sein.
Ähnlich häufen sich größtenteils abgegangene -heimOrte in einer Siedlungslücke bei der um 1250 gegründeten Stadt Schömberg. Hier erscheinen sechs Orte wie
nach einem Plan vermessen angelegt. In der Mitte liegen
die abgegangenen Nordheim (Flurnamen „Northen"
oder „Norden" beiderseits der Straße Schömberg-Neukirch) und Südheim (heute Domäne Sonthof), parallel
dazu im Schlichemtal Altheim (abg. „Altschömberg" mit
Hallstattkeramik
der Schwäbischen
Alb. Rot getönt, mit silbrig-schwarzen
Graphitstreifen
bemalt und mit weiß eingelegten
geometrischen
Mustern reich verziert,
gehört die Hallstattkeramik
Südwestdeutschlands
zu
den
qualitätsvollsten
Erzeugnissen
vorzeitlicher
Töpferkunst.
8. bis 7. Jahrhundert
v. Chr
(mit freundlicher
Genehmigung
des Jan Thorbecke
Verlags
Sigmaringen)
einer Peterskirche) und Holzheim (abg., nur noch die
Mühle erhalten), auf der anderen Seite Epfenheim (heute
Zepfenhan) und Neukirch 0 . Sontheim hatte bis 1838
eine eigene Markung (1262 Suntheim) und bis 1841 eine
Martinskirche. Der Grund für den Abgang des Dorfes
dürfte der Ubergang der Siedlung an das Cisterzienserfrauenkloster Rottenmünster sein, das sie in einem Klostergutshof umwandelte. Wir haben also hier einen ähnlichen Vorgang wie bei dem Dorf Alaholfingen = Elfingen durch die „Bauernlegen" des Cisterzienserklosters
Maulbronn zur Gutsherrschaft Elfingerhof.
In Holzheim erhielt das Kloster St. Gallen 785 („Hoolzhaim") Güter geschenkt. Höfe und die Mühle gingen im
13. und 14. Jahrhundert an verschiedene Herren über.
Wie Suntheim, Altheim und Nordheim wurde auch der
Ort Holzheim von der Marktsiedlung Schömberg aufgesogen. Nur Zepfenhan konnte sich behaupten. Es war in
der planmäßigen Verteilung das „Westheim". In seinem
Ortsnamen Epfenheim steckt der Personennamen Epfo
wie in dem Königshof Epfendorf im Neckartal. Aus „Zu
Epfenheim" entwickelte sich der Namen Zepfenhan.
Auch die Gruppierung dieser Orte spricht für die alte
Ansicht, daß diese -heim-Siedlungen fränkische Gründungen sind.
Kirchen mit fränkischem
Patrozinium
An den Grenzen von Obergermanien und Rätien oder in
ihrer Nähe treffen wir viele Kirchen, die dem fränkischen Kirchenheiligen Martin geweiht sind. Besonders
häufen sie sich an der Alblimesstraße (Ringingen, Großengstingen, Gomadingen, Dapfen, Münsingen, Zainingen). Diese Kirchen wurden vom alamannischen Hochadel nach merowingischem Vorbild angelegt, weil der
Adel die Grenzgegenden in seinem eigenen Besitz hatte
(s. Jänichen Nr. 1). Sie wurden auf hochadeligem Boden gebaut und waren zugleich eine Dokumentation des
Grenzanspruchs gegenüber dem Adel der Nachbarschaft.
Es war ein Vorrecht der Führungsschicht, die Grenzbezirke für sich zu beanspruchen. So kann der Anspruch
im Pfullichgau für die alamannische Zeit nachgewiesen
werden, weil der Berg, der sich bei Kleinengstingen neben
der Römerstraße erhebt, „Pfullenberg" heißt. Das kann
nur so gedeutet werden, daß diese Grenzgegend im Besitz des Pfullinger Hochadels war.
Peter Gößler unterscheidet Urmartinskirchen und sekundäre Martinskirchen 7. Eine Urmartinskirche wurde von
einem Hochadeligen errichtet, wahrscheinlich als Holzbau in der Zeit zwischen 650 und 750 auf dem Kirchplatz zu Pfullingen, auf der künstlich erhöhten „Planie".
1914 wurde auf der Nordseite der Kirche ein alamannisches Einzelgrab aus dem Anfang des 7. Jahrhunderts
freigelegt 8. Das Grab enthielt wertvolle Beigaben, darunter eine mit zwei goldenen Nägeln verzierte Lanzenspitze und einen eisernen Buckel eines Holzschildes, der
mit Silberblech eingefaßt und mit 32 Silbernägeln beschlagen war. Gößler vermutet, daß hier der Kirchenstifter begraben wurde. Dabei läßt er offen, ob man in
ihm einen alamannischen Adelsherrn sehen will, dessen
Herrschaft der fränkische Hausmeier konfisziert hatte
3
oder schon einen fränkischen Centenar, der dorthin gesetzt worden ist. Freie Leute sind hier noch in der staufischen Zeit bezeugt; um 1500 wird auch noch das
Schrannengericht an offener freier Königsstraße gehalten.
Das heutige Klein-Engstingen führte früher den Namen
Frei-Engstingen. 783 wird erstmals ein „Aniginstingen"
genannt. Die Pfarrkirche im benachbarten Großengstingen hat als Patron St. Martin, was erstmals 1275 bezeugt
ist. In einem Reihengräberfeld fand man u. a. als Beigabe eines der seltenen Wurfbeile, eine sogenannte „Franziska", d. h. ein fränkisches Beil. Die Martinskirche in
Gomadingen wird schon 1180 erwähnt. Auf einer Flußterrasse der Lauter erhebt sich auf einer beherrschenden
Bergzunge die Martinskirche des Dorfes Dapfen, die wegen der einsamen Lage als Feldkirche angenommen wird,
die den Mittelpunkt für die umliegenden Orte bildete.
Erst später schlossen sich die Siedlungen an 9.
Die Martinskirche in Trochtelfingen ist die Mutterkirche
für die Filialen Hörschwag, Steinhilben, Meidelstetten
und Wilsingen. St. Martin ist hier zwar urkundlich erst
1368 nachzuweisen. Doch steht fest, daß die Pfarrkirche
eine alte Martinskirche ist, denn der heilige Martin ist auf
dem Stadtsiegel von Trochtelfingen, das von 1322 bis
1755 verwendet wurde 10.
Die Zaininger, Ringinger und öschinger Martinskirchen
werden 1275 erstmals erwähnt. Die Siedlung Niederhechingen, deren Markung 1413 mit der von Hechingen
vereinigt w u r d e n , hatte in der Martinskirche ihren
kirchlichen Mittelpunkt. Sie ist wahrscheinlich sogar
Pfarrkirche gewesen. Noch im Hagenschen Lagerbuch ist
von einem Kirchhof die Rede, der allerdings damals
nicht benützt wurde.
Die Ebinger Pfarrkirche St. Martin, die über einem alamannischen Gräberfeld errichtet ist und zu der ein
großer Sprengel gehörte, ist erst spät bezeugt 12 . Aller
Wahrscheinlichkeit nach ist sie aber die älteste Kirche
der weiteren Umgebung.
Durch den Altkreis Balingen zog eine Provinzgrenze in
Nordost-Südwestrichtung quer durch. Und auch an ihr
sind zwei Martinskirchen festzustellen: Isingen und Sonthof (s. oben). Die Isinger Martinskirche dürfte lange
vor der ersten Nennung Isingens (786) bestanden haben.
Ihre Gründung ist für das 7., spätestens das 8. Jahrhundert anzusetzen. Dafür spricht auch ihr großer Zehntund Pfarrsprengel, zu dem mit einiger Sicherheit neben
Rosenfeld, Steinbrunnen (abg.) und Erlaheim auch Binsdorf und Bubenhofen (abg.) und vermutlich noch andere
Orte gehörten.
Das Patronat St. Dionysius in Schlatt, 1275 erstmals genannt, scheint direkt auf fränkischen Einfluß hinzuweisen, wie auch das westfränkische Patrozinium St. Leodegar (von Autun) in Gammertingen. Bestimmte Sonderheiten wie die Sonderstellung von 12 Huben, Steuerfreiheit usw. sprechen bei Ostdorf für eine planmäßige fränkische Ansiedlung. Dafür spricht ferner, daß die Ostdorfer Kirche als die einzige in Württemberg dem westfränkischen Heiligen Medardus geweiht ist. Dabei besteht
zwar die Möglichkeit, daß sie erst in der Mitte des 9.
Jahrhunderts gestiftet wurde, als Judith von Friaul 863
in Balingen begütert und ihr Vetter Karlmann Abt des
Medardusklosters Soissons (866-873) war.
Fränkische Herren und welsche Siedler
In der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts bringen die karolingischen Hausmeier die fränkische Oberhoheit in
Alamannien immer nachdrücklicher zur Geltung, bis sie
schließlich in der Mitte des 8. Jahrhunderts (746 das Ge4
richt von Cannstatt) das Land völlig ihrem Reich einverleiben. Dies wird vor allem in der Verwaltung des
Landes sichtbar (s. unten). Überall werden Grafen, die
zum Teil Franken sind, als Vertreter des Königs tätig.
Der einheimische Adel ist zwar nicht ganz ausgerottet;
es finden sich sogar Familien weiterhin im Besitz ihrer
reichen Güter oder gehen Mitglieder von ihnen Ehen mit
fränkischen Herrengeschlechtern ein. Eine der Gemahlinnen Karl des Großen, Hildegard, stammte aus dem alten
alamannischen Herzogshaus. Ihr Bruder, Graf Gerold
kann 786 reiche Schenkungen an St. Gallen machen.
Doch an die wichtigsten Stellen setzen die Franken ihre
eigenen Landsleute. So taucht 789 in Rottweil ein Graf
Ratolf auf, wahrscheinlich ein naher Verwandter des
Königshauses, der große Vollmachten hatte. In Balingen
(Judith, Tochter Eberhards von Friaul und der Königstochter Gisela) und am mittleren Neckar sind die fränkischen Unruochinger im Besitz von Gütern. Das Geschlecht stammt aus dem Niederfränkischen, wo die Familie noch im 11. Jahrhundert Grafschaften besitzt 13 .
Damit sind hier nur zwei Beispiele genannt, die aber bedeutend vermehrt werden könnten.
Selbstverständlich ist in den meisten Fällen der Graf
nicht allein gekommen. Er hat ein beträchtliches Gefolge
seiner Landsleute mitgebracht, da in dem unterworfenen
Land durch große Konfiskationen, die nach dem Sturz
des alamannischen Herzogtums über widerspenstige und
unzuverlässige Adelsfamilien ergingen, genügend Güter
zur Verfügung standen.
Die fränkischen Herren brachten unfreie Bauern, Walchen, Welsche, aus dem Westen nach Schwaben, u. a.
auch in unsere Gegend. In der Umgebung von Balingen,
Tailfingen und Münsingen finden wir verschiedene
Waldstetten, deren Name auf die schon 793 erwähnte
Grundform „Walahstetten" zurückgeht (s. unten), deuten also auf Welsche hin, d. h. auf Romanen. So auch
der Name Waldsee im Oberland.
Das älteste Reihengräberfeld (Ende 6. Jahrhundert) bei
Balingen liegt östlich der Eyach bei der einstigen Hirschbrauerei, von dem 1880 und früher mehrere Gräber freigelegt und u. a. alamannische Spathen und Saxe geborgen wurden. In dieser Gegend findet sich auch der Flurnamen „Waldstetten" (1543 „Walstetten"), was auf die
Besiedlung mit Welschen hindeutet. Die Gehöftgruppe
wurde der Kern des Dorfes Balingen um die Friedhofkirche. Wurden hier Welsche angesiedelt, nachdem die
Inhaber der alamannischen Hofgruppen in fremdes Land
verpflanzt waren? Wir finden im Ostfränkischen und
Bayrischen Schwabenorte, in Frankreich schwäbische
Ortschaften, so zwischen Soissons und Laon auf dem Gebiet gehäuften Königsgutes (s. oben Judith).
Waldstetten, Ortsteil von Weilstetten, wird erstmals 793
als „Walahstetti" erwähnt, als Graf Berthold neben vielen andern Gütern auch hier Güter an das Kloster
St. Gallen schenkte 14. Der heutige Namen Waldstetten
setzte sich erst nach 1500 durch. Der Ortsname deutet
auf eine Ansiedlung von Welschen hin. Nachdem im benachbarten Weilheim („Heimgarten") aus dem späten
7. Jahrhundert Gräber mit beschrifteten Gegenständen
und eine Riemenzunge mit einem Psalmvers (Psalm
91, 11) aufgedeckt wurden, dürfte der Bestattete Christ
gewesen sein und könnte seine Bestattung ins 8. Jahrhundert fallen.
Hinter dem „Hohenberg" („Hochberg") bei Tailfingen
findet sich das „Walental". Dort lag einst eine Bauernsiedlung Waldstetten, älter „Walstetten", die wohl schon
sehr früh abgegangen ist. Sie ist nur noch aus den Flurnamen „Walstettertal" (1454, 1531) und „Waldstettertal" (1716) zu schließen 16. Die Siedlung mag im Hochmittelalter als Burgweiler für die benachbarte Burg ge-
dient haben. Hinter dem Hohenberg schlossen sich viele
zehntfreie Güter an, die einen Sonderbezirk bildeten.
Auch die Münsinger Gegend hatte zwei Waldstetten, die
heutigen ödenwaldstetten und Dürrenwaldstetten, die
1497 an das Kloster Zwiefalten kamen, das seine beiden
„Walichstetten" (um 1100) durch vorgesetztes „Öden"
und „Dürren" unterschied, Bezeichnungen, die vom wasserreichen Achtal aus verständlich sind. In ödenwaldstetten wird mehrmals eine Martinskirche erwähnt, die
aber abgegangen sein muß. 1161 erscheint Rudolf von
Walstetten als Zeuge, als Albert II. von Gammertingen
in „Trundolvingen" einen Streit zwischen den Pfarrkirchen von Offenhausen und Kohlstetten über den Zehnten in Bernloch schlichtete le . Nördlich von Bernloch
gibt es einen „Walenberg" (1394 „Walchenberg"). Auch
diese „Walah"-Orte verdanken ihren Namen wahrscheinlich einer Neuansiedlung von Welschen in merowingischer Zeit. Überzeugend wurde dies für Oberbaden
von Fr. Kuhn nachgewiesen: „Die Walchen-Orte Oberbadens" im 38. Jahrbuch der Schweizer Gesellschaft für
Vorgeschichte, 1947.
Ein besonders glücklicher Zufall liefert uns sogar die Bestätigung dafür, daß fränkische Herren Romanen ins
alamannische Land gebracht haben. In Willmandingen
auf der Reutlinger Alb schenkt ein Herr am 10. Juli 772
im „Ruothaus" oder „Ruotahi" eine von ihm zu Ehren
des hl. Gallus „im Gau Burichincas" im Orte Willmandingen erbaute Kirche mit 31 Leibeigenen, 8 Wohnhäusern und 12 Huben Land dem Kloster St. Gallen 17. Die
Unfreien, Männer, Frauen und Kinder, sind mit Namen
aufgezählt und diese Namen sind merkwürdig. Sie sehen
nämlich ganz anders aus, als was man sonst in alamannischen Urkunden findet. Frauennamen wie Wolfagde,
Ahalagde, Leupagde wie auch Fratusinta, Hinolobe sind
in Alamannien vollkommen fremd, genau so Männernamen wie Tankrad, Ricarius, Arichis usw. Namen solcher
Art findet man häufig in der Gegend von Paris und
Reims. Leider ist der Schenker nicht sicher greifbar; fest
steht aber, daß diese Willmandinger Bauern keine Einheimischen sind, sondern Leute, die aus dem Westen, aus
Gallien hierher verpflanzt worden sind.
Am 1. August 773 schenkte derselbe Wohltäter, diesmal
„Rodtaus" und „Rodtahi" geschrieben, der Willmandinger Kirche zwei weitere Höfe mit allem, was dazu gehörte an Feld, Wiesen, Weiden, Wegen, Häusern, Gebäuden und Einwohnern, wodurch sich die Zahl der dieser
Kirche bzw. dem Kloster St. Gallen geschenkten Leibeigenen auf 42 erhöhte 18. Diese Urkunde ist u. a. bezeugt
von einem Bleon, der auch in Lorscher Urkunden erwähnt wird (s. unten).
Schenkungen an die Klöster Lorsch und St. Gallen
Nach einer Urkunde vom 17. September 772 schenkte
ein Bleon und sein Sohn Otto in „Burchinger marca et in
Burlaidingen (Burladingen) et in Megingen (Mayingen)
et in Merioldingen (Mertingen) et in Mulichingen (Melchingen) et Willimundingen (Willmandingen) et Gancgingen (Genkingen) et Gauzolfingen (Gauselfingen) quiquid habere videmur" dem Benediktinerkloster Lorsch
an der Bergstraße, das im Jahr 754 durch Graf Chancor
gegründet wurde 19. Die Heimat des Gründers der Abtei
ist der Haspengau, die Gegend von Lüttich, also das
Stammland des karolingischen Hauses. Chancor war einer der wichtigsten fränkischen Beamten, der mit der
Eingliederung Alamanniens in das Frankenreich betraut
war 20.
Zwei der genannten Orte, Mayingen und Mertingen,
sind abgegangen. Mayingen lag auf der heutigen Burladinger Markung. 1356 löste der Zollerngraf die beiden
Orte Burladingen und Mayingen wieder ein, die an Hans
von Salbadingen versetzt waren 21. 1386 verkaufte Graf
Ostertag von Zollern an Georg Truchseß von Ringingen
und Swenger von Lichtenstein Burladingen „und och
Mayingen daz Wiler, daz zu dem vorgenannten Dorf
Burladingen gehöret" 21a . 1392 erhält Kloster Mariaberg
von Heinrich Spät, genannt Schierberg, und seinem Sohn
ein Gut zu Mayingen 22. Noch im Bickelspergschen Lagerbuch von 1435 wird das Vogtrecht zu Mayingen aufgeführt.
Mertingen wird noch in einer Urkunde von 1486 erwähnt 23. Die Markung dieses Ortes ging in der Markung Stetten u. Holstein auf, wo im Urbarheft für den
zollerischen Anteil von Stetten der Flurnamen „Mürtingen" für einen Wald von etwa 250 Jauchert vorkommt 2 4 . Dann heißt es 1545 bei einer Rodung:
„12 Jauchert, so von dem Wald Mertingen geräumt".
Unter marca des 8. Jahrhunderts ist nicht eine Gemeindemarkung im heutigen Sinne gemeint, sondern „Grenze" und „Bezirk" für den Nutzungsbereich an Feld und
Wald oder auch ein größerer Bezirk, der seinen Namen
von einem zentralen Ort erhalten hat 2 5 . Einen solchen
Bezirk bildete wohl die „Burchinger marca".
Das Kloster Lorsch war schon 772 karolingisches Reichskloster, das unter königlichem Schutz stand und bedeutende Privilegien hatte. Es wurde Grablege der karolingischen Könige (Ludwig der Deutsche, Ludwig d. J.
usw.). St. Gallen trat erst im 9. Jahrhundert in den Kreis
der Reichsklöster. Nach Überführung der Nazariusreliquien nach Lorsch übte die Abtei eine besondere religiöse Anziehungskraft aus. Dies zeigt sich auch in dem raschen Anwachsen der Schenkungen, wie es von keinem
ostfränkischen Kloster jener Zeit bekannt ist. Im Codex
Laureshamensis sind über 3000 Schenkungen verzeichnet.
Allein in Münsingen wurden während 40 Jahren insgesamt 12 Mansen (Wohnstätten), 13 Huben (Bauernhöfe
mit Grundstücken) und 122 Mancipien (Unfreie) geschenkt 26. Ein Waldo schenkte dort 770 (n. 3220) in
Münsinger und Auinger Markung 80 jurnales (Tagewerke) Ackerland, Wiesen mit 100 Fuhren Ertrag, dazu je
eine Kirche in Trailfingen und Seeburg.
Sehr alt sind die Beziehungen von Erpfingen zu Kloster
Lorsch. 775 gab ein Kleriker Irminsbert eine der Maria
geweihte „basilika" und 13 Leibeigne in „Herpfinger
marca" dem Kloster. Man nimmt an, daß die bei der
Grabung 1964 zutage gekommenen Mauerreste und
Scherben von der 775 erwähnten Kirche stammen, die
Maria und dem im Kloster Lorsch verehrten Heiligen
Nabor geweiht ist 27. 7 77 und 778 sind weitere Schenkungen in Erpfingen an das Kloster Lorsch, dann auch
in Mertingen und anderen Orten. 788 ist Lorsch in Großengstingen begütert (n. 3304).
Ein Lambert (n. 3243), ein Altwin persbyter (n. 3253),
der auch in „Taha", marca Empfingen begütert ist, und
ein Herolt (n. 3241/48) machen Schenkungen in „Dalaheimer marca" in der Hattenhuntare, die in der Hauptsache die Steinlachorte umfaßte. Bis 843 erfolgen in Talheim Schenkungen an Lorsch, zuletzt auch die Kirche.
774 ist Lorsch in Mössingen begütert. Einen Schwerpunkt an Besitz hat das Kloster im Neckarknie bei Horb
u. a. auf Empfinger marca (n. 3265), in Glatten usw. (s.
auch Heimatk. Blätter 1970, Nr. 12 „Glatt und Glatten"
von Dr.Stettner), auf den aber hier nicht weiter eingegangen werden kann.
Der Besitz des Klosters Lorsch erstreckt sich vom Niederrhein bis in die Schweiz, von Lothringen bis nach Bayern. Bergfelden, Kreis Rottweil, hat wie Epfendorf
und Oberndorf eine Remigiuskirche, Mühlheim a. Bach
eine der seltenen Kilianskirchen. Beide sind spezifische
Heilige der Franken und ihrer Missionare.
5
In einer Reihe von Orten hat neben dem Kloster Lorsch
auch das Kloster St. Gallen bedeutenden Besitz erworben
(s. oben Willmandingen, Genkingen, Mössingen). Einige
Orte haben daher auch Galluskirchen, so Hönau, Hausen a. d. Lauchert (722-806 Schenkungen an St. Gallen), Frommern, Truchtelfingen usw.
In Genkingen und Undingen, hart an dem Nordrand der
Alb, gaben 776 ein Willefrit und ein Hariold Besitz an
St. Gallen, wobei der letztere aber die Kirche in Genkingen ausnahm 28. Die Urkunde von 806 ist in „Undinga
in pago Purichinga" ausgestellt und u. a. vom damaligen
Grafen des Gaues, dem nach dem Cod. Lauresh. 3640
schon 778 als Graf des Burichingagaues vorkommenden
Ercanpert bezeugt. Unter den Zeugen finden sich Cadaloh und Thruant. Cadaloh war fränkischer Reichsbeamter aus dem linksrheinischen Gebiet, 817 war er „comis".
Er war der Sohn des Grafen Berthold, der 793 in 25 Orten an St. Gallen eine reiche Schenkung machte, vor allem im Baiinger und Ebinger Raum (Heselwangen, Endingen, Frommern . . . Ebingen, Lautlingen, Tailfingen
usw., bis hinüber zur Neckarburg unterhalb Rottweil).
Die geschenkten Güter erhielt er als „Prekarie" (im Lehensverhältnis) wieder zurück 29.
786 machte Graf Gerold in Nagaltuna (Nagold) in
15 Orten der „Perihtilinpara" (Bertholdsbaar) eine große
Schenkung an St. Gallen u. a. in „Bisingun" (Bisingen),
„Hahingun" (Hechingen), „Wassingun" (Wessingen),
„Usingun" (Isingen), „Tormoatingun" (Dormettingen).
Hechingen war spätestens 789 der Hattenhuntare zugewiesen, während Bisingen zur Grafschaft des Berthold
(780-803) und Cunthard (817-820) gekommen war.
In den wenigsten Fällen kann festgestellt werden, wie
lange die Orte im Besitz der Klöster St. Gallen und
Lorsch geblieben sind, da von der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts an die urkundlichen Nachrichten bis nach der
Jahrtausendwende fast völlig versiegen.
Der Besitzbereich des Klosters St. Gallen beschränkte
sich im Gegensatz zu dem des Klosters Lorsch auf den
alamannischen Raum. Außer Cannstatt überschritt
St. Gallen den Neckar nach Norden nicht. Wie schon
oben ausgeführt, trat auch St. Gallen erst im 9. Jahrhundert in den Kreis der Reichsklöster. Im Burichinggau begegnen sich die beiden Klöster. Es überschneiden sich
hier die Einflußgebiete wie bei Horb im Neckarknie der
beiden großen und bedeutenden Klöster. R. Seigel untersucht in „Glatt und Glatten" (s. Nr. 25) die Stifter und
weist überzeugend nach, daß die Schenker an Lorsch in
der Hauptsache dem mittleren und kleineren Adel angehören, denen in den Dörfern der Grundbesitz mit von
ihnen abhängigen Bauern gehört, die sie zusammen mit
dem Boden verschenken können. Warum so große Schenkungen an Lorsch erfolgten, da doch St. Gallen und die
Reichenau viel näher lagen, können nur Vermutungen
angestellt werden. Wohl wird die Verehrung des spätrömischen Heiligen Nazarius adlige Grundbesitzer, die
vielleicht Franken waren, angezogen haben. Oder wollten die alamannischen Schenker zu den neuen Herren
des Landes eine Verbindung schaffen oder ihnen Reverenz erweisen?
Bei den großen Schenkungen der Grafen Gerold (786,
797) und Berthold (793) dürfte die Furcht vor Konfiskationen ihrer Güter durch den König oder seine Beauftragten eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben 30.
759 war der Abt des Klosters St. Gallen, Othmar, der
die im 7. Jahrhundert gegründete Galluszelle zum Kloster ausgebaut hatte, Gegner der Franken. Er wurde daher abgesetzt und bei Stein am Rhein gefangen gehalten
und wurde durch Abt Johannes ersetzt, der zugleich Abt
von Reichenau und Bischof von Konstanz war. St. Gal6
len kam dadurch unter fränkischen Einfluß. Nun konnten auch die Schenkungen reichlicher fließen.
Politische Gliederung
Aus den Schenkungsurkunden ergeben sich einige Anzeichen für die politische Zugehörigkeit der Dörfer und die
politische Einteilung des Landes. Offenbar wurde in der
2. Hälfte des 8. und in der 1. des 9. Jahrhunderts die ursprünglich zwei großen Baaren, die West- oder Bertholdsbaar (bis zur Lauchert) und die Ost- oder Folcholtsbaar (um den Bussen und Marchtal) in kleinere
Grafschaftsbezirke aufgelöst. Dabei ist unsicher, ob der
772 bis 806 genannte pagus Burichinga auf der Albhochfläche südlich des Roßbergs, in dem die heutigen Orte
Burladingen, Melchingen, Willmandingen, Undingen,
Genkingen, Erpfingen, Meidelstetten, Gauselfingen und
die abgegangenen Mayingen und Mertingen gelegen bezeichnet werden und zu dem wahrscheinlich auch das
Killertal gehörte, von der Bertholdsbaar oder der Folcholtsbaar abgetrennt wurde. Fest steht nur, daß die
Grenze zwischen Pfullichgau und Burichinga bei der
Haidkapelle verlief und bis in die neueste Zeit herein
verschiedene Grenzen bildete.
Westlich der Römerstraße Laiz-Burladingen wurde um
800 die Grafschaft Scherra geschaffen (854 pagus Scerra) 81. Der regelmäßige Block aus der Zeit des Grafen
Karamann (797-834) gab später die Grundlage ab für
die Grafschaft Oberhohenberg. In dem unter der Burg
Hohenberg liegenden Schörzingen wird sich ein Herrenhof befunden haben, auf dem 791 und 805 Urkunden
ausgestellt wurden (791 Act. Scarcingas) 32.
Noch Jahrhunderte später werden Orte dieses Raumes
als „uf der Scheer" liegend bezeichnet, so 1064 Dürrwangen, Burgfelden, Ebingen, Tailfingen und Onstmettingen. Die Beispiele ließen sich noch vermehren. Harthausen hat heute noch den Zusatz „auf der Scheer"
(schon 1454).
In der fränkischen Zeit hat sich nicht nur die Bevölkerung vermehrt, die Zahl der Siedlungen zugenommen,
eine entwickeltere Wirtschaftsform sich verbreitet, sondern auch die fränkische Verwaltung ihren Einzug gehalten, die die Grundlage der politischen Ordnung des
Mittelalters geworden ist. Dabei hat auch die Zusammensetzung der Bevölkerung durch Eingriffe des fränkischen Staates starke Veränderungen erfahren.
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Hans Jänichen,
D e r Alblimes und die alemannische Gaueinteilung, Bl. d. Schwab. Albvereins 1951, S. 1 f f .
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betrachtet, Zeitschr. f. Württ. Landesgeschichte 1942.
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in der fränkischen Zeit, Z W L G 1954, S. 16 f f .
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Oberamtsbeschreibung
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Wappenbuch d. Kreises Sigmaringen, S. 55.
Mon. Zollerana I, N r . 546.
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Wartmann
I, 126.
H. Bizer, Tailfinger Heimatbuch.
O A B Münsingen.
Wart. 66 und 70.
Wart. 14 und 68
JOSEF H A U G
Kloster u n d
Klosterkirche Rangendingen
Die Renovierung des ehem. Frauenklosters in Rangendingen ist abgeschlossen. Das markante Gebäude dient
heute als Rathaus mit modernster Inneneinrichtung,
während die Fassaden stilecht renoviert und erhalten
wurden. Die am ehemaligen Kloster angebaute Kirche
wurde äußerlich vollständig renoviert, während das Innere der Klosterkirche in nächster Zukunft einer gründlichen Renovation unterzogen werden soll. Eine Bürgerinitiative hat einen Förderverein zur Innenrenovierung
der Klosterkirche gegründet. Der Förderverein hat sich
unter der Führung seines 1. Vorsitzenden Gallus Dieringer zum Ziel gesetzt, die Restaurierung ideell und finanziell zu fördern und möglichst viele Mitbürger für dieses
Ziel zu gewinnen. Aus diesem Anlaß wurde wiederholt
über die Geschichte von Kloster und Kirche referiert,
unter anderem in einer Sendung des Süddeutschen Rundfunks. Der nachstehende Beitrag erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, doch möchte er zum besseren
Verständnis der wechselvollen Geschichte dieser ehrwürdigen barocken Gebäude beitragen.
Zwr Geschichte des Frauenklosters in Rangendingen
Das Dominikanerinnenkloster in Rangendingen ist aus
einer Beghinenniederlassung entstanden. Es wurde gegründet um 1302 von dem Ritter Hans Heinrich von
Lindach, für den lt. Jahrtagsbuch von 1466 jedes Jahr
am 14. Februar (Hilaritag) ein Jahrtag mit Brotalmosen
abgehalten werden sollte. Der Jahrtag für den edlen Ritter Hans Heinrich von Lindach, der dem Kloster durch
Schenkung von Wald, Wiesen und Feld viel Gutes getan
hatte, für ihn, seine Hausfrau, seine Kinder, Vorfahren
und Nachkommen, wurde von dem Pfarrherrn, zwei
Kaplänen und zwei auswärtigen Geistlichen mit Vesper,
Vigil und zwei Ämter gehalten, wozu der Heilige (Heiligenpflege) ein schwarzes Tuch „darspraiten" und vier
Kerzen aufstecken mußte. Wenn einige obere Geistliche
nicht anwesend waren, sollte deren Präsenzgeld (3 Schilling und 4 x 9 Pfennig), das aus Konrad Broschen Haus
zu liefern war, den Armen gegeben werden, und die gesamte Einwohnerschaft bekam auf Kosten der Gemeindekasse ein Laible Brot. Dies wurde bis etwa im Jahre
1861 auch so gehalten.
Für das späte Mittelalter kann angenommen werden,
daß die Zahl der Klosterfrauen erheblich zurückging
19
Cod. Laur. 3275 (in folg. n . . . ) .
Irmgard
Dienemann-Dietrich,
D e r fränkische A d e l im
8. Jahrhundert in Alemannien, Vortr. u. Forschungen 1955.
21
Mon. Zoll. I N r . 330.
21a
F H D A Sigmaringen R 75 K 10 F 23.
12
Zollerische H e i m a t 1937 N r . 11.
23
FUB VI 209/4.
24
F H D A Sigm. R 137 K 40 F 24 N r . 24 und 42.
25
R. Seigel, Glatt und Glatten, H o h e n z . Jahreshefte 1966.
26
O A B Münsingen
27
Grabungsbericht Dr. Fehr 1965.
28
W U B I 65.
29
R. Sprandel,
D a s Kloster St. Gallen, Forsch, z. oberrheinischen Landesgeschichte.
30
S. N r . 29.
31
Näheres in „Baar und Huntari" v . H. Jänichen,
Vortr. u.
Forschungen 1952, S. 8 8 - 9 4 .
32
Wart. 122.
20
Klosterkirche
in Rangendingen
Foto:
].
Hang
und das Kloster zeitweise aufgelöst war, bis Graf Eitel
Friedrich III.
zu
Beginn
seiner
Regierungszeit
(1576-1605) das Kloster nach einem Jahrtagsstiftungsbrief vom Jahre 1604 neu aufrichtete.
Die Ordensprovinz des Predigerordens teilte am 26. August 1596 dem Grafen Eitel Friedrich mit, daß er wegen
der Wohltaten, die er den Klöstern Stetten und Rangendingen erwiesen habe, teilhabe an allen Verdiensten und
Gebeten des Ordens Der Klause waren auf Grund eines Freiheitsbriefes des Grafen Eitel Friedrich vom Jahre
1604 folgende Privilegien verliehen: Befreiung des Klosters von allen Lasten in Rangendingen; das gesamte
Vieh durfte auf Wun- und Wald getrieben werden und
sämtliche Güter waren von allen Auflagen, Frondiensten
und sonstigen Beschwernissen befreit. Diese Befreiung
hatte Kraft für alle Zeiten und bedeutete, da die Schwestern keine sonstigen Einkommensbezüge hatten, für das
Kloster eine wesentliche Erleichterung ihrer wirtschaftlichen Lage. Sofern die Schwestern neuen Besitz erwarben,
hatten sie hierfür die Lasten wie die Bürger zu tragen.
Die Ordensschwestern sollten täglich für die Herrschaft
beten und sich ihrer Freiheiten, die von niemandem geschmälert werden durften, freuen 2 . Laut Aufstellung
der Güter in dem genannten Freiheitsbrief verfügte das
Kloster in Rangendingen über ansehnlichen Besitz, der
durch Stiftungen und Zuwendungen des öftern erweitert
wurde. Am 8. November 1636 entlehnte die Gemeinde
Rangendingen von dem Konvent 200 Gulden. Statt der
Zinsen übernahm die Gemeinde die Frondienste, die das
7
Bild
des S. Heinrich
Suso in der Klosterkirche
Rangendingen
Foto: J. Haug
Kloster zu damaliger Zeit zu leisten hatte. Bis zum Jahre
1710 hatte die Gemeinde teilweise noch höhere Beträge
beim Konvent geliehen, was die Wohlhabenheit des Klosters in der damaligen Zeit deutlich macht. Unter anderem wurde im Jahre 1652 ein Erweiterungsbau erstellt.
Die Besitzungen erreichten einen Umfang, der weit über
die Gemarkungsgrenzen von Rangendingen hinausging.
Am 21. Juni 1689 verkaufte Fürst Friedrich Wilhelm
dem Frauenkloster Rangendingen vier Höfe in Weilheim
um 2000 fl. Weitere Besitzungen waren in Gruol, Thanheim, Erlaheim, Wachendorf, Frommenhausen und der
Seehof bei Haigerloch.
Klosterkirche zum Hl. Kreuz in Rangendingen
Schon im Jahre 1596 erhielt der Schreiner Michael
Lorch aus Haigerloch den Auftrag, für die Klause in
Rangendingen für 33 fl Möbel zu liefern, darunter das
Gestühl in der Kirche und den Tritt in der Kapelle vor
dem Altar, ein Beweis, daß das Kloster schon damals
eine eigene Kirche bzw. Kapelle hatte. Sicher erhob sich
an der Stelle der heutigen Klosterkirche auch ein Bau
der hochgotischen Periode und sicher war auch ihre Ausstattung sehr wertvoll. Landeskonservator Laur (der
Baumeister der Rangendinger Pfarrkirche) schrieb 1928
bei der Renovierung der Klosterkirche zu dieser ehemaligen Kirche: „Wo die gotischen Skulpturen der >Alten<
Kirche hingekommen sind, läßt sich nicht mehr sagen.
Sie scheinen unbefugterweise eine nach der andern verkauft worden zu sein. Auch das schön geschnitzte Emporegitter war schon in den Händen eines Altertumshändlers, ist aber durch mein Dazwischentreten noch gerettet
worden. Alles andere war schon vor meinem Amtsantritt
verschwunden."
Über den Bau und Bauzeit der jetzigen Klosterkirche ist
nichts Urkundliches auffindbar.
Am 16. August 1754 erteilte Fürstbischof Franz Conrad
von Konstanz dem Kloster die Genehmigung für die
Haltung eines vom Bischof geweihten Altares. Am
8
8. November des gleichen Jahres gab der Fürstbischof
dem Kloster das Recht zur Haltung und Verehrung des
Allerheiligsten, vor einer bei Tag und Nacht brennenden
Lampe und unter Vorbehalt der pfarrlichen Rechte. Von
diesem Zeitpunkt ab war demnach die neuerbaute Kirche für den Gottesdienst benutzbar. Die Bauarbeiten
dauerten doch noch geraume Zeit, wie aus späteren Anmerkungen hervorging.
Das Langhaus der Klosterkirche ist 12 m lang und 8 m
breit. Der eingezogene Dreisechstelchor hat 7 auf 5 m.
Wie bei den meisten Frauen-Klöstern ragt die Empore,
auf der sich eine Orgel befand, sehr weit in das Schiff
herein, abschließend mit einem feingeschnitzten Gitter.
Drei Barockaltäre, eine schöne Kanzel im gleichen Stil
und Stuckornamente von bester Form gereichen der Kirche zur Zierde.
Der Hochaltar zeigt ein wertvolles Altarblatt des Gekreuzigten, dessen Körper fein und zart in hell und dunkel durchmodelliert ist; die Seitenaltäre sind aus naturfarbenem Holz, kraftvoll und sicher geschnitzt.
Der Nebenaltar der Evangelienseite ist als Rosenkranzaltar gestaltet. Das Altarbild zeigt die Rosenkranzübergabe durch die Gottesmutter an den hl. Dominikus und an
die hl. Katharina von Siena, eine der namhaftesten Vertreterinnen des weiblichen Ordens der Dominikanerinnen. Auf dem rechten Seitenaltar sieht man das Bildnis
des hl. Thomas von Aquin.
In der Klosterkirche sind ferner folgende Heilige auf
Ölgemälden mit geschnitztem Barockrahmen dargestellt:
Aus dem Jesuitenorden der hl. Aloisius und der hl. Stanislaus; aus dem Dominikanerorden über den Seitenaltären der hl. Petrus, Märtyrer und der hl. Vinzen Verrius, der selige Papst Benedikt XI. und Papst Pius V.,
weiter der hl. Peter Conzalez sowie der selige Heinrich
Suso. Es ist dies das einzige Bildnis dieses Heiligen in unserer engeren Heimat Hohenzollern. Deckengemälde
fehlen. Den Turm ersetzt ein Dachreiter, in dem sich
zwei Glocken befanden, die im Kriege abgeliefert werden mußten. Unter der Kirche befindet sich eine Krypta,
in der die Ordensfrauen bis zum Jahre 1771 ihre letzte
Ruhestätte fanden. Seitenaltäre und Emporengitter werden J. G. Weckenmann zugeschrieben (Laur).
Die Altarblätter der Seitenaltäre mit ihren Beziehungen
auf den Ordensstifter stehen an Wert den Hochaltarbildern weit nach. Dafür ist dasjenige des linken Seitenaltares sowie die Bilder mit dem Namen des Künstlers.
F. C. Lederer 1754 bezeichnet. Das Blatt des rechten
Altares ist eine Kopie des ursprünglichen Bildes, das
Hofmaler Bregenzer, Sigmaringen, anfertigte. Das Hochaltarbild restaurierte Maler Steidle, Sigmaringen. Eine
Signatur des eigentlichen Künstlers wurde trotz genauer
Untersuchungen nicht gefunden. Das dunkle, geschnitzte
Gestühl in Chor und Schiff, das schöne Gitter, die Gewölbestukkaturen, die Fenster mit den Butzenscheiben
ergeben einen Raum der Unberührtheit, von Stimmung
und Formensprache, wie wir sie nicht oft in unserer Heimat finden. Durch den Kirchenbau geriet das Kloster in
erhebliche Geldnot.
Auf Grund des Reichsdeputationshauptschlusses, wurde
auch das Kloster in Rangendingen aufgehoben und sein
Besitz dem Fürsten von Hohenzollern-Hechingen zuerkannt. Die Chronik schreibt hierüber: „Anno 1804 wurde das hiesige Frauenkloster unter der Regierung seiner
hochfürstlichen Durchlaucht Hermann Friedrich Otto
aufgehoben, die Gerätschaften und Güter an In- und
Auswärtige verkauft, die Kirche aber der hiesigen Bürgerschaft gnädigst überlassen. Die Klosterfrauen, so noch
fünf waren, sind am 18. September durch einen Herrschaftswagen nach Stetten bei Hechingen in das dortige
Beichtigerhaus abgeführt worden." Im Jahre 1807 er-
warb die Gemeinde das Klostergebäude für 1600 fl. Ab
1813 diente es zur Unterbringung der Schule und der
Lehrerwohnungen. Im mittleren Stockwerk war nach
Auszug der Schule bis heute das Rathaus.
Umbau und Renovierung des eigentlichen Klostergebäudes durch die Gemeinde Rangendingen wurde im vergangenen Jahre abgeschlossen. Ferner ist die Außenre-
staurierung der Klosterkirche beendet, während die
gründliche und stilechte Erneuerung des Innern noch
auszuführen ist.
1
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Fürstl. Hausarchiv R 78 F 1
Fürstl. Archiv R 78 F. 232
JOSEF MÜHLEBACH
Die preußischen Regierungspräsidenten in HohenzoIIern
Ein bedeutsamer Abschnitt in der Geschichte Hohenzollerns ist die Ära von 1850 bis 1945. Im Jahr 1849 haben
Fürst Konstantin von Hohenzollern-Hechingen und
Fürst Carl-Anton von Hohenzollern-Sigmaringen mit
Staatsvertrag vom 7. Dezember 1849 ihre Fürstentümer
an die Krone Preußens abgetreten. Die Abtretung ist am
1. April 1850 wirksam geworden. Damit begann die
preußische Zeit für die beiden bis dahin - seit 1806 selbständigen Fürstentümer, jetzt zusammengeschlossen
als „Hohenzollernsche Lande" in den Regierungsbezirk
Sigmaringen. Aus verwaltungstechnischen und personellen Gründen konnte die preußische Verwaltungsorganisation in vollem Umfang nicht schon am 1. April 1850
in Kraft treten. Die beiden - vorher Fürstlichen - Regierungen blieben bis 1852 bestehen: in Hechingen unter
dem Präsidenten Albert von Frank, in Sigmaringen unter dem Präsidenten Anton von Sallwürk (geb. 1806).
Herr von Sallwürk hat 1850 die Schrift „Die Vereinigung der Fürstenthümer HohenzoIIern mit dem Königreich Preussen" herausgebracht. (Ein Sohn des Fürstlich
Hohenzollernschen Regierungspräsidenten A. von Sallwürk, Ernst von Sallwürk, war Badischer Staatsrat und
hochangesehener „letzter der bedeutenden Staatsmänner
aus der Glanzzeit einer großzügigen, echt liberalen
Schulleitung. - „Der Badische Staatsrat Ernst von Sallwürk." In Heft 3/1976 der Zeitschrift „Badische Heimat.")
Neben oder besser gesagt über den beiden Übergangspräsidenten Albert von Frank und Anton von Sallwürk
stand ab 1. April 1850 der Königlich Preußische Kommissarius als Regierungspräsident für Gesamt-Hohenzollern. Das Ende der preußischen Ära (1945) soll zum Anlaß genommen werden, in einer knappen Dokumentation
eine Darstellung der preußischen Regierungspräsidenten
zu versuchen, soweit die archivalischen Unterlagen eine
solche Darstellung erlauben.
Freiherr von Spiegel-Borlinghausen
(1850 bis 1852)
Adolf Karl Freiherr von Spiegel von und zu Peckelsheim aus dem Hause Borlinghausen (Kreis Warburg),
dort am 1. November 1792 als Sohn eines Rittergutsbesitzers geboren, war der erste preußische Regierungspräsident in Sigmaringen. Seinen aktiven Militärdienst, in
dem er sich gleichzeitig auf den Verwaltungsdienst vorbereitete, beendete er 1829 als Major. Nach erfolgreicher
Ablegung des Landratsexamens wurde ihm 1831 die
kommissarische Verwaltung des Kreises Paderborn übertragen, der die Ernennung zum Landrat zum 16. Januar
1832 folgte. Aber ehe er seine Fähigkeit zum Landrat
richtig entfalten konnte, wurde er im März 1834 als Regierungspräsident nach Koblenz berufen. 1837 erfolgte
seine Ernennung zum Regierungspräsidenten in Düsseldorf. 1849 wurde Freiherr von Spiegel-Borlinghausen in
den einstweiligen Ruhestand versetzt, weil er nach Meinung des Staatsministeriums im Revolutionsjahr 1848
nicht entschlossen genug aufgetreten war. Zum 1. April
1850 wurde er dann vom Preußischen Innenministerium
als Königlicher Kommissarius und damit als Regierungspräsident für die Hohenzollerischen Lande nach Sigmaringen berufen. In dieser Eigenschaft vollzog er - als
erste wichtige Handlung - am 6. April 1850 die Übernahme des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen und
am 8. April 1850 die Übernahme des Fürstentums Hohenzollern-Hechingen auf das Land Preußen. Aber erst
1852 wurden die beiden Regierungen in Hechingen und
Sigmaringen, die auch nach der Übergabe bestanden hatten, aufgelöst. Dem Königlichen Kommissarius Freiherrn
von Spiegel war nur eine kurze Tätigkeit in HohenzoIIern beschieden. Schon wenige Monate nach seinem
Amtsantritt erkrankte er so schwer, daß eine Vertretung
bestellt werden mußte, die in Gestalt der Königlichen
Immediatkommission die Amtsgeschäfte führte. Ihr gehörten an der letzte Hohenzollern-Sigmaringische Regierungspräsident Anton von Sallwürk als Vorsitzender
und zwei preußische Beamte, Regierungsrat Beyer und
Staatsanwalt Giesecke. Freiherr von Spiegel starb am 26.
April 1852 im 60. Lebensjahr und wurde auf dem Hedinger Friedhof in Sigmaringen beigesetzt.
Graf von Villers (1852 bis 1853)
Nachfolger des Freiherrn von Spiegel-Borlinghausen als
Königlicher Kommissarius und Regierungspräsident war
ab 1852 Marquis Ludwig Viktor von Villers, Graf von
Grinocourt. Mit seinem Amtsantritt wurde die Immediatkommission aufgelöst. Unter diesem zweiten preußischen Regierungspräsidenten wurde 1852 die Frage des
Regierungssitzes endgültig entschieden. Maßgebend für
die Entscheidung war die Wohnungsfrage: Sigmaringen
konnte - im Gegensatz zu Hechingen - die erforderlichen Wohnungen für die Dienstkräfte der Regierung zur
Verfügung stellen. Graf von Villers blieb nur kurze Zeit
im Amt. Schon 1853 verließ er Sigmaringen, um zunächst als stellvertretender Regierungspräsident bei der
Regierung Minden, ab 1862 ebenfalls als stellvertretender Regierungspräsident bei der Regierung Koblenz und
von 1875 bis 1881 als Regierungspräsident in Frankfurt/
Oder zu wirken. Dort ist Marquis Ludwig Viktor von
Villers am 3. April 1881 gestorben.
Robert von Sydow (1853 bis 1859)
Herr Robert von Sydow, Wirklicher Geheimer Rat und
Gesandter bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
war Regierungspräsident in Sigmaringen vom 18. Mai
1853 bis 26. März 1859. In seine Amtszeit fiel eine besondere diplomatische Mission in einem außenpolitischen
Streitfall, der bei aller Geringfügigkeit beinahe einen
Krieg ausgelöst hätte. Es ging um die Auseinandersetzung zwischen dem Preußischen Könighaus und der
Schweizerischen Eidgenossenschaft in der Neuenburger
Frage. Der Kanton Neuenburg, auch Neuchatel genannt,
9
war 1707 durch verwandtschaftliche Beziehungen an das
Preußische Königshaus gefallen. Als Preußen der
Schweiz gegenüber seine Rechte an Neuenburg geltend
machte, wehrte sich die Schweiz, und nur dem diplomatischen Geschick des Herrn von Sydow, der Gesandter
bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft war, war es
zu danken, daß die Streitfrage durch einen gütlichen
Vergleich beigelegt wurde: Preußen verzichtete auf seine
Rechte an Neuenburg.
Im übrigen hatte Herr von Sydow in seiner sechs Jahre
währenden Tätigkeit in Hohenzollern als Regierungspräsident mehr als seine nur kurzfristig amtierenden Vorgänger Gelegenheit, sich die Wertschätzung der hohenzollerischen Bevölkerung zu erwerben. In seiner weiteren
dienstlichen Laufbahn war er ab 1859 Königlich Preußischer Kammerherr beim Preußischen Staatsministerium
und Preußischer Gesandter in Kassel, ab 1861 Wirklicher Geheimer Rat und Bevollmächtigter Minister beim
Bundestag in Frankfurt, ab 1868 Mitglied des Preußischen Herrenhauses, ab 1873 Landrat in Görlitz im Regierungsbezirk Liegnitz. Zuletzt war Robert von Sydow
ab 1878 Verwaltungsgerichtsdirektor bei der Regierung
in Liegnitz in Niederschlesien.
Seydel (1859 bis 1862)
Dem Herrn Robert von Sydow folgte im Jahre 1859 als
Regierungspräsident Herr Seydel. Er ist, Sohn einer alten Beamtenfamilie, in Berlin geboren und war vor seiner Berufung nach Hohenzollern in verschiedenen höheren Beamtenstellen, zuletzt als Geheimer Oberfinanzrat
beim Preußischen Ministerium der Finanzen tätig.
Gleichzeitig war er Mitglied der Centrai-Kommission
für die Angelegenheiten der Rentenbanken beim Preußischen Landwirtschaftsministerium in Berlin. Im Jahre
1848 hat er der Deutschen Nationalversammlung in
Frankfurt/Main angehört. Im März 1859 wurde Herr
Seydel zum Regierungspräsidenten in Sigmaringen ernannt. Er hat sich aber als Berliner offensichtlich in der
provinziellen Kleinstadt nicht heimisch gefühlt. Er wirkte hier nur drei Jahre - bis zum Frühjahr 1862. In seiner Geburts- und Heimatstadt wurde Herr Seydel im
April 1862 vom Magistrat der Stadt Berlin mit 74 von
91 Stimmen zum Oberbürgermeister gewählt. Seine Tätigkeit als Oberbürgermeister endete im Jahre 1870.
Die Geschäfte der Regierung Sigmaringen führte vom
Frühjahr 1862 bis Juli 1863 Regierungsrat Hermann
Graaf als stellvertretender Regierungspräsident.
Herr von Blumenthal (1863 bis 1874)
Herr von Blumenthal, geboren um 1803 in Potsdam, ist
nach Abschluß seines juristischen Studiums am 27. März
als Auskultator in den Staatsdienst eingetreten. 1831 war
er Kammergerichtsassessor und ab 1832 Regierungsassessor. Von 1833 ab war er als Regierungsrat bei den Regierungen Cöslin und Königsberg, von 1835 ab als Oberregierungsrat und Abteilungsdezernent bei der Regierung
Königsberg beschäftigt. Im Jahre 1841 wurde Herr von
Blumenthal zum Präsidenten der Regierung Danzig ernannt. Am 1. Juli 1863 hat er das Amt des Regierungspräsidenten in Sigmaringen angetreten. In der AntrittsBekanntmachung (Reg. Amtsblatt Sigmaringen Nr. 27/
1863) schreibt von Blumenthal: „Ich verspreche, mein
Amt zu verwalten in unverbrüchlicher Treue gegen unsern Allergnädigsten König und Herrn, mit gewissenhafter Beobachtung der Verfassung und der übrigen bestehenden Gesetze, Gerechtigkeit und Wohlwollen zu üben,
und mir das Wohl des Bezirks nach Kräften angelegen
sein zu lassen." Präsident von Blumenthal wirkte in FIohenzollern erfolgreich bis zu seiner Zurruhesetzung Ende
September 1874 - nach einer Dienstzeit im Staatsdienst
10
von nahezu 48 Jahren. Bei seinem Eintritt in den Ruhestand verlegte er seinen Wohnsitz von Sigmaringen nach
Potsdam.
Hermann Graaf (1874 bis 1887)
Nachfolger des Herrn von Blumenthal als Regierungspräsident war Johann Hermann Graaf, geboren am 2.
November 1811. Nach Beendigung des juristischen Studiums ist er am 8. November 1833 als Oberlandesgerichts-Auskultator in den Staatsdienst eingetreten. Ab
1839 war er Gerichtsassessor, ab 1843 Regierungsassessor
und ab 1847 bei der Regierung Marienwerder Regierungsrat. Im Jahre 1853 wurde er als Regierungsrat an
die Regierung Sigmaringen versetzt. Von 1862 an war
Hermann Graaf stellvertretender Regierungspräsident.
Im Jahre 1864, nach zehneinhalbjähriger Wirksamkeit in
Hohenzollern, erfolgte seine Ernennung zum Oberregierungsrat unter Berufung zum Dezernenten der Finanzabteilung bei der Regierung Bromberg. Zum 26. Oktober
1874 wurde H. Graaf vorläufig, zum 15. Dezember
1874 endgültig zum Regierungspräsidenten in Sigmaringen ernannt. Er bekleidete dieses Amt bis zu seiner von
ihm selbst beantragten Zurruhesetzung am 30. April
1887. Bei seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst erhielt Hermann Graaf wegen seiner hohen Verdienste den
Titel „Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat" mit dem
Rang eines Rates Erster Klasse. Kurz vor seinem Wegzug nach Münster in Westfalen veröffentlichte er, zuletzt mit dem Ehrenbürgerrecht der Stadt Sigmaringen
ausgezeichnet, in Hohenzollerischen Tageszeitungen einen Abschiedsgruß an die Bevölkerung Hohenzollerns,
in dem es unter anderem heißt: „Ich nehme einen unauslöschlichen, wohltuenden Eindruck von meinem in
dienstlicher Beziehung hier niemals getrübten Aufenthalt
von nahezu 24 Jahren mit in den Ruhestand, in den
Abend meines Lebens." H. Graaf ist am 2. März 1891 in
Münster gestorben.
Freiherr Adolf Frank von Fürstenwerth (1887 bis 1893)
Gustav Adolf Freiherr Frank von Fürstenwerth, Sproß
einer hochangesehenen Hechinger Familie, ist am 16.
April 1833 geboren. Er war der einzige Regierungspräsident, der aus Hohenzollern stammte. Auch er ist wie
sein Vorgänger nach Abschluß des juristischen Studiums
(1856) als Auskultator in den Staatsdienst eingetreten.
(Der Auskultator wurde 1869 vom Referendar abgelöst).
Im Jahre 1862 erfolgte, nachdem Freiherr von Frank die
zweite Staatsprüfung mit Auszeichnung bestanden hatte,
seine Ernennung zum Regierungsassessor bei der Regierung Frankfurt/Oder, er war dann ein Jahr bei der Bundestags-Gesandtschaft in Frankfurt/Main, dann bei der
Regierung Bromberg und später bei der Regierung Stettin tätig. In dieser Zeit hat er sich auch als Soldat bewährt und 1864 am Sturm auf die Düppeler Schanzen
teilgenommen. 1868 wurde er kommissarisch und 1869
endgültig zum Oberamtmann in Hechingen ernannt.
1877 schied Freiherr von Frank in Hechingen aus, um
als Regierungsrat eine Stelle bei der Regierung Breslau
anzutreten. Der Tätigkeit in Breslau folgte 1879 eine
solche beim Oberpräsidium in Schleswig. Nach seiner
Ernennung zum Oberregierungsrat wurde dem Freiherrn
von Frank die Direktion der Abteilung des Inneren bei
der Regierung in Schleswig übertragen.
Vom 6. Mai 1887 bis Ende 1893 war er Regierungspräsident in Hohenzollern. Auf Drängen nationaler Kreise
ließ er sich trotz gesundheitlicher Behinderung 1893 als
Hohenzollerischer Kandidat für den Reichstag aufstellen, nachdem er schon 1869 als einer der beiden hohenzollerischen Vertreter in das Preußische Abgeordnetenhaus gewählt worden war. Freiherr Adolf Frank von
Fürstenwerth ist am 6. Dezember 1893 in Hechingen gestorben. Die Nachrufe für ihn rühmen seine hohe Befähigung, seine charakterlichen Vorzüge, seine Energie und
seine nie ermüdende Initiative, Eigenschaften, die auch
andere Mitglieder der Familie vor ihm in hohe Stellungen, u. a. als Kanzler und Regierungspräsident im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen, ausgezeichnet hatten.
Franz von Schwartz (1894 bis 1898)
Franz Albert Maria Schwartz ist als Sohn des Majors im
Generalstab Albert Schwartz am 18. Januar 1839 in
Münster in Westfalen geboren. Der Vater Albert
Schwartz hatte sich bei der Belagerung von Metz im
deutsch-französischen Krieg 1870/71 besondere Verdienste erworben und ist dafür geadelt worden. Nach Beendigung des juristischen Studiums, dem er sich an den
Universitäten Berlin und Heidelberg widmete, war
Franz von Schwartz wie folgt tätig: als Auskultator ab
1861 bei der Regierung Magdeburg, als Regierungsassessor ebenfalls in Magdeburg ab 1866, als Assessor ab 1867
bei der Regierung Königsberg, ab 1868 bei der Regierung Gumbinnen, 1869 bis 1872 bei der Regierung Sigmaringen, dann ab 1873 zunächst ebenfalls als Assessor
und ab 1876 als Regierungsrat bei der Regierung Merseburg, ab 1877 als solcher bei der Regierung Magdeburg,
ab 1889 als Oberregierungsrat bei der Regierung Wiesbaden und ab 1891 als Verwaltungsgerichtsdirektor und
stellvertretender Regierungspräsident in Stettin. Zum 20.
April 1894 wurde Franz von Schwartz zum Regierungspräsidenten in Sigmaringen ernannt. Er blieb in dieser
Stellung bis zu seiner von ihm selbst beantragten Zurruhesetzung Ende Februar 1898. Beim Eintritt in den Ruhestand fanden seine hohen Verdienste im Wirken um
das öffentliche Wohl und seine vorbildlichen Charaktereigenschaften gebührende Anerkennung.
Karl von Oertzen (1898 bis 1899)
Karl Friedrich von Oertzen, Sohn des Großherzoglich
Mecklenburgischen Staatsministers von Oertzen, ist am
22. Januar 1844 geboren. Nach seinem juristischen Studium trat er im November 1867 als Gerichtsauskultator
in den preußischen Staatsdienst ein. Vom Oktober 1873
an war er als Gerichtsassessor in den Bezirken der damaligen Appelationsgerichte zu Breslau und Frankfurt/
Oder beschäftigt. Von Juli 1875 bis März 1879 stand er
im Dienst des Auswärtigen Amtes und zwar beim Generalkonsulat in London und beim Konsulat in Konstantinopel. Ab 1877 während des Russisch-Türkischen Krieges war er Verwalter des Konsulats Rustschuk. Nach Ernennung zum Regierungsrat im Jahre 1882 war Karl
von Oertzen Landrat in Grevenbroich, ab 1889 Landrat
in Hannover. 1895 schied er, freiwillig, aus dem Staatsdienst aus, um Kabinettsminister im Fürstentum LippeDetmold zu werden. Er blieb in dieser Stellung nur bis
1898. Auf seine Bewerbung wurde Karl von Oertzen nach Wiedereintritt in den preußischen Staatsdienst vom Innenministerium zum Regierungspräsidenten in
Sigmaringen ernannt. Seine Tätigkeit in Hohenzollern
endete schon im folgenden Jahr, bevor er sein Amt zur
vollen Entfaltung bringen konnte. Auf seinen Antrag
wurde Karl von Oertzen mit Kabinetts-Order vom 16.
November 1899 als Regierungspräsident an die Regierung Lüneburg versetzt. Der aktive Dienst des Regierungspräsidenten von Oertzen in Lüneburg endete mit
dessen Zurruhesetzung im Jahre 1909.
Franz Graf von Brühl (1899 bis 1919)
Franz Graf von Brühl ist am 1. November 1852 in Pforten, Kreis Sorau, Regierungsbezirk Frankfurt/Oder, geboren. Nach dem im Oktober 1875 abgelegten ersten ju-
ristischen Staatsexamen war er zunächst als Referendar
bei Staats- und Gerichtsbehörden beschäftigt, leistete
zwischenzeitlich seinen Militärdienst ab und bestand
1882 die große juristische Staatsprüfung. Anschließend
war er beim Amtsgericht Forst, Regierungsbezirk Frankfurt/Oder, als Gerichtsassessor beschäftigt. Zum 1. Juli
1883 wurde ihm die kommissarische Verwaltung des
Oberamts Gammertingen übertragen. Seine endgültige
Ernennung zum Oberamtmann in Gammertingen erfolgte zum 1. April 1884. Zum 1. Februar 1885 wurde Graf
von Brühl zum kommissarischen Landrat des Kreises
Daun im Regierungsbezirk Trier berufen. Endgültig zum
Landrat in Daun ernannt wurde er im Oktober 1886. Im
März 1889 wurde er Landrat des Kreises Koblenz und
zugleich Polizeidirektor der Stadt Koblenz. Am 1. Mai
1896 kam er als Verwaltungsgerichtsdirektor und stellvertretender Regierungspräsident zur Preußischen Regierung in Sigmaringen. Nach seiner endgültigen Ernennung zum Regierungspräsidenten leitete er die Geschäfte
der Preußischen Regierung in Sigmaringen vom 14. November 1889 bis 30. September 1919. Unter allen Regierungspräsidenten in Sigmaringen hat Graf von Brühl die
längste Dienstzeit aufzuweisen. In seiner sehr erfolgreichen Tätigkeit widmete er sich allen förderungswürdigen
Anliegen des Regierungsbezirkes; großes Interesse wandte er der Landwirtschaft zu, die nach den Ablösungen
um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf besondere Hilfe
angewiesen war. Graf von Brühl verbrachte seinen Ruhestand in Freiburg, wo er am 28. Januar 1928 gestorben ist. Eine Tochter des Grafen von Brühl lebt als Ärztin in Freiburg.
Dr. Emil Beizer (1919 bis 1926)
Emil Beizer ist am 18. März 1860 in Baden-Baden geboren. Die Ahnen der Familie Beizer (Belser) stammen aus
Gruol. Nach seiner juristischen Ausbildung war er ab
1892 Gerichtsassessor in Haiger loch und Hechingen, ab
1895 Amtsrichter in Sigmaringen. Der temperamentvolle, tüchtige, gewandte und anpassungsfähige Badener aus
der Weltkurstadt verstand es, bald die Sympathie der
hohenzollerischen Bevölkerung zu gewinnen. 1899 wurde
Dr. Beizer zum ersten Mal in den hohenzollerischen
Kommunallandtag gewählt. Von 1902 bis 1918 war er
ununterbrochen stellvertretender Vorsitzender des Kommunallandtages und Landesausschusses. Am 18. November 1918 übernahm er die Führung der laufenden Geschäfte beim Landeskommunalverband der Hohenzollerischen Lande. Am 26. April 1919 wurde er vom Kommunallandtag zum Vorsitzenden gewählt. Dr. Beizer, ein
gewandter Redner und Parlamentarier, hat als Zentrumspolitiker von 1903 bis 1913 dem preußischen Landtag,
von 1906 bis 1918 dem deutschen Reichstag, 1919 der
verfassunggebenden preußischen
Landesversammlung
und von 1922 an dem preußischen Staatsrat als Vertreter der Hohenzollerischen Lande angehört. Zum 1. Oktober 1919 wurde er vom Preußischen Minister des Inneren zum Regierungspräsidenten in Sigmaringen ernannt.
Als Jurist und Parlamentarier mit reichen, umfassenden
Erfahrungen und als gründlicher Kenner der hohenzollerischen Verhältnisse konnte er besonders erfolgreich für
Hohenzollern wirken. Als erster Beamter des Regierungsbezirks betrachtete er sich immer nur als Diener des
Volkes. Als profilierter Zentrumspolitiker bekannte sich
Dr. Beizer seinen Beamten und der Bevölkerung gegenüber
als entscheidener Verfechter freiheitlicher Gesinnung. In
der Zeit nach dem ersten Weltkrieg war Dr. Beizer im
schwäbischen Raum eine der ersten Persönlichkeiten des
öffentlichen Lebens, der in ihren persönlichen Überlegungen die Bildung eines überregionalen Staatsgebietes
„Großschwaben" vorschwebte. Dr. Beizer ist, hochgell
ehrt, am 31. März 1926 als Regierungspräsident in den
Ruhestand getreten und am 18. September 1930 in Sigmaringen gestorben.
Alfons Scherer (1926 bis 1931)
Alfons Scherer, in Straßburg geboren am 10. August
1885, stand nach Ablegung der beiden juristischen
Staatsprüfungen von 1913 bis 1917 als Regierungsassessor im elsäßisch-lothringischen Landesdienst. Im Mai
1917 wurde er, 32 Jahre alt, zum Bürgermeister in
Schlettstadt gewählt. Nach dem ersten Weltkrieg, aus
Elsaß-Lothringen vertrieben, war er zunächst in der
Reichsfinanzverwaltung tätig, aus der er am 1. Mai 1920
in die preußische Staatsverwaltung als Regierungsrat
übertrat. Am 10. Juli 1922 wurde er im preußischen
Staatsdienst zum Oberregierungsrat und am 1. April
1923 zum Regierungsdirektor ernannt. Im November
1923 wurde A. Scherer dem stellvertretenden Regierungspräsidenten für Wiesbaden in Frankfurt/Main zur
vorübergehenden Verwendung zugeteilt. Zum 1. September 1924 erfolgte seine Ernennung zum Regierungsvizepräsident bei der Regierung Wiesbaden und zum 1. Mai
1926 seine Ernennung zum Regierungspräsidenten in
Sigmaringen.
Fünfeinhalb Jahre lang leitete Präsident Scherer die Regierungsgeschäfte in Hohenzollern. Er rechtfertigte in
dieser Zeit seinen Ruf als außerordentlich tüchtiger Beamter. Unermüdliche Arbeitskraft, Energie und Gewissenhaftigkeit waren ihm in hohem Maße eigen. Die Angelegenheiten und Anliegen der hohenzollerischen Bevölkerung fanden in ihm einen eifrigen Sachwalter und
erfolgreichen Förderer. Klar ausgeprägt waren seine Gesinnung und Haltung als überzeugter Demokrat. Die
Dienstzeit des Präsidenten Scherer endete am 31. August
1931 mit dessen vorläufiger Versetzung in den Ruhestand. Im Jahre 1933 wurde A. Scherer, eben wegen seiner demokratischen Haltung, unter dem Nationalsozialismus in den dauernden Ruhestand versetzt. Nach dem
zweiten Weltkrieg fand er im Jahre 1945 kurzfristig
Verwendung als Leiter der Spruchkammer für das Säuberungsverfahren in Rüdesheim. Seine konzilianten Entscheidungen aber nahm die amerikanische Besatzungsbehörde zum Anlaß, ihn von dieser Stelle abzuberufen. Regierungspräsident Scherer lebte dann seinen schriftstellerischen Neigungen bis zu seinem Tod am 3. März 1964.
Dr. für. Heinrich Brand (1931 bis 1933)
Als Sohn eines Kaufmanns ist Heinrich Brand am 9. Juli
1887 in Wesel am Niederrhein geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften, das er mit dem Referendar- und Assessorexamen und mit der Promotion abschloß, sowie nach dem Kriegsdienst während des ersten
Weltkrieges, zu dem er sich freiwillig gemeldet hat, wurde er 1920 Regierungsassessor bei der Regierung Düsseldorf. Der kurzfristigen Tätigkeit in Düsseldorf folgte
seine Berufung ins Preußische Ministerium des Inneren
in Berlin als Hilfsarbeiter der Personalabteilung. 1921
wurde er Regierungsrat, 1923 Ministerialrat, 1926 Ministerialdirigent und 1927 Ministerialdirektor. Zum 1. Oktober 1931 wurde ihm die Stelle des Regierungspräsidenten in Sigmaringen übertragen. Durch seine praktische
Arbeit, die der Förderung von Landwirtschaft, Gewerbe
und Industrie galt, ebenso durch die von ihm mit großer
Tatkraft betriebene Organisation des Winterhilfswerkes
des deutschen Volkes errang Dr. Brand in kurzer Zeit
die ungeteilte Achtung und das Vertrauen der Bevölkerung der Hohenzollerischen Lande. Umso größer war die
Bestürzung, als Dr. Brand im Februar 1933, also kurz
nach der Machtergreifung durch Hitler - 30. Januar
1933 - vom Preußischen Staatsministerium in den
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einstweiligen Ruhestand versetzt wurde. Die endgültige
Zurruhesetzung erfolgte zum 31. Dezember 1933. Allen
Bemühungen aus dem Volk, die Maßnahme gegen Dr.
Brand rückgängig zu machen, blieb der Erfolg versagt.
Dr. Brand wurde ein Opfer seiner politischen Haltung
und Überzeugung. Nach dem zweiten Weltkrieg hat,
Mitte Februar 1950, Bundeskanzler Dr. Adenauer Dr.
Heinrich Brand mit der Wahrnehmung der Geschäfte
des Bundespresseamtes beauftragt. Dieses Amt hat die
Aufgabe, die Verbindung zwischen der Bundesregierung
und der Presse und damit der deutschen und der Weltöffentlichkeit herzustellen. Dr. Brand schied aber schon
im November auf seinen Wunsch aus dem Bundespresseamt wieder aus und wurde, ebenfalls auf seinen Wunsch
wieder eine Verwaltungsaufgabe übernehmen zu wollen,
zum 15. Dezember 1950 zum Regierungspräsidenten in
Aachen ernannt. H. Brand ist 1953 in den Ruhestand getreten und nach langer Krankheit am 28. Januar 1971
im Alter von 83 Jahren gestorben.
Dr. für. Carl Simons (1931 bis 1939)
Carl Simons ist am 30. Januar 1877 in Neuß, Regierungsbezirk Düsseldorf, geboren. Dem Besuch des Gymnasiums in Bonn folgte das Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten Freiburg, Berlin und Bonn.
1901 legte C. Simons die erste, 1907 die große juristische
Staatsprüfung ab. Am ersten Weltkrieg nahm er als Rittmeister der Reserve das Dragoner-Regiments 14 teil.
1917 wurde er reklamiert und zum Landrat des EifelMosel-Kreises Wittlich ernannt. Mit seiner Familie 1923
von der französischen Besatzungsbehörde ausgewiesen,
kam Dr. Simons nach kurzfristigen Beschäftigungen bei
preußischen Regierungen als Oberregierungsrat an das
Oberpräsidium in Kassel. Zum 27. Februar 1933 erhielt
er vom Preußischen Minister des Inneren die kommissarische Verwaltung der Stelle des Regierungspräsidenten
in Sigmaringen übertragen. Die endgültige Ernennung
zum Regierungspräsidenten erfolgte Anfang Juni 1933.
Dr. Simons hat während seiner Dienstzeit in Sigmaringen sehr erfolgreich für die Hohenzollerischen Lande gewirkt. Besonders tatkräftig hat er sich für die Förderung
des Handels und Gewerbes, ebenso aber auch für die
Landwirtschaft eingesetzt. Bei den zuständigen Berliner
Dienststellen hat er in diesem Streben bedeutungsvolle
Förderungsmaßnahmen erwirken können. Ende Juli 1939
ist Dr. Simons auf seinen Antrag, der auf seine innere Ablehnung des nationalsozialistischen Systems zurückging,
in den Ruhestand versetzt worden. Er starb, 83 Jahre
alt, am 20. November 1960 in Wiesbaden.
Dr. jur. Hermann Darsen (1940 bis 1941)
Hermann Darsen ist als Sohn des Konter-Admirals Z. D.
Karl Darsen am 14. Januar 1892 in Charlottenburg geboren. Das Studium der Rechtswissenschaft schloß er mit
dem Referendarexamen 1912 und mit der Assessorprüfung 1920 ab. Am ersten Weltkrieg nahm er als Frontsoldat teil. Aus seiner dienstlichen Laufbahn seien folgende Daten angeführt: 1912 bis 1920 Referendar bei
mehreren Amtsgerichten und Regierungsstellen, 1920 bis
1921 Regierungsassessor bei zwei staatlichen Dienststellen, 1. Oktober 1921 Regierungsrat bei der Freien Stadt
Danzig, Mai 1926 Regierungsrat beim Polizeipräsidium
Danzig, November 1927 Regierungsrat beim Senat der
Stadt Danzig, Mai 1934 Oberregierungsrat beim Oberpräsidium Koblenz, Mai 1935 Oberregierungsrat beim
Oberpräsidium Magdeburg, 1936 Vizepräsident bei der
Regierung Merseburg, 1938 Vizepräsident beim Oberpräsidium Stettin. Zum 1. August 1940 ist Dr. Darsen
zum Regierungspräsidenten in Sigmaringen ernannt worden. Es war ihm hier nur eine kurze Amtstätigkeit be-
schieden. Schon am 31. Juli 1941 ist er in Sigmaringen
gestorben. Im Nachruf der Regierung Sigmaringen ist
über sein Wirken als Regierungspräsident ausgeführt:
„Am 31. Juli 1941 verschied nach schwerer Krankheit
infolge eines Herzschlages Herr Regierungspräsident SSOberführer Dr. Hermann Darsen im Alter von 49 Jahren. In tiefer Trauer und Anteilnahme mit den Hinterbliebenen steht die Gefolgschaft der Regierung und der
ihr nachgeordneten Behörden an der Bahre dieses als
Mensch und Beamter hervorragenden Mannes. In der
kurzen Zeit seiner Amtstätigkeit als Präsident der Regierung Sigmaringen hat er es ebenso wie an allen Orten, in
denen er früher dienstlich tätig war, verstanden, bei seinen Mitarbeitern wie in der Bevölkerung sich Achtung
und Liebe zu erringen. Daß es ihm durch seine schwere
Krankheit nicht vergönnt war, seine großen Fähigkeiten
zum Wohle unseres Bezirkes in vollem Maße einzusetzen und daß der Tod schon so früh die Arbeit dieses hervorragenden Mannes beendet hat, erfüllt uns alle mit
großer Trauer. Wir werden seiner stets in treuer Anhänglichkeit gedenken."
Wilhelm Dreher (1942 bis 1945)
Wilhelm Dreher ist am 10. Januar 1892 in Ay an der Iiier (bei Neu-Ulm) geboren. Nach der Ausbildung für einen handwerklichen Beruf trat er 1910 in die Kriegsmarine ein. Zweieinhalb Jahre gehörte er dem Kreuzgeschwader Ostasien an. Anschließend war er in eine Torpedoschule eingegliedert; während des Weltkrieges
1914/1918 war er ununterbrochen im Einsatz auf Fernfahrten. Als Aktivist der damaligen politischen Bewegung in den zwanziger Jahren wurde W. Dreher 1928
Mitglied des Reichstages als Vertreter der NSDAP. 1933
wurde er Ehrenbürger, Ratsherr und Polizeidirektor der
Stadt Ulm. Zum 30. Januar 1942 wurde SS-Brigadeführer W. Dreher vom Führer Adolf Hitler zum kommissarischen Regierungspräsidenten in Hohenzollern ernannt.
Seine endgültige Ernennung erfolgte zum 1. Oktober
1942. Gleichzeitig war er aufgrund der damaligen Verwaltungsgesetzgebung Leiter des Hohenzollerischen Landeskommunalverbandes. Die dienstliche Tätigkeit des
Präsidenten Dreher, der 1944 nach Abberufung des Landesdirektors Karl Maier auch die laufenden Geschäfte
beim Landeskommunalverband übernommen hatte, stand
unter den Zeichen und Auswirkungen der Endphase des
Dritten Reiches und zweiten Weltkrieges. Sie endete
praktisch mit dem Einmarsch französischer Truppen (in
Sigmaringen am 22. April 1945). Hohenzollern wurde
unmittelbar nach dem Einmarsch Teil der französischen
Besatzungszone.
Im Juli 1945 wurde - übergangsweise - von der französischen Militärregierung, in deren Hand sich die gesamte Regierungsgewalt befand, ein „Präsident von Hohenzollern" (Klemens Moser) ernannt. Gleichzeitig wurde aber von französischer Seite klargestellt, daß die in
Tübingen neugebildete Landesverwaltung für Württemberg auch für den preußischen Regierungsbezirk Sigmaringen zuständig sei. Die französische Militärregierung
veranlaßte dann die Aufnahme des „Präsidenten von
Hohenzollern" in das am 16. Oktober eingerichtete
Staatssekretariat für das französisch besetzte Gebiet
Württembergs und Hohenzollerns. Damit war Hohenzollern verwaltungsmäßig an Südwürttemberg angeschlossen. Am 15. März 1946 wurde durch Rechtsordnung des Staatssekretariats die Behörde des Regierungspräsidenten in Sigmaringen förmlich aufgehoben.
Schrifttum
1. Akten des Staatsarchives Sigmaringen. V i e l f a c h sind die
Akten beim Wegzug v o n Regierungspräsidenten an deren neue
Dienststelle abgegeben worden. Sie sind daher heute nicht
mehr greifbar.
2. Amtsblatt der Preußischen Regierung Sigmaringen v o n 1852
bis 1944.
3. Tagesnachrichten in hohenzollerischen Tageszeitungen.
4. Walter Sauter: „Die Regierungspräsidenten in H o h e n z o l lern". Donau-Bodensee Zeitung N r . 251, 254, 255, 277 / 1942.
J O H A N N ADAM KRAUS
U r k u n d e z u m Grosselfinger Narrengericht
Bei den verschiedenen Beschreibungen des Grosselfinger
Narrengerichts (aufgezählt in der Hohenz. Bibliographie
Nr. 3987-4001) hat man bisher immer die Formen und
Teile dieses heimatverbundenen Fastnachtsspiels finden
können, aber niemals eine handfeste, über alle Zweifel
erhabene Urkunde, wie schon in Hohenzollerische Heimat 1962, 42-43 geklagt wurde. Da sich im Laufe der
Zeit das Spiel immer wieder änderte und neue Elemente
der Narretei aufnahm, hat man keinen Wert darauf gelegt, frühere Urkunden aufzubewahren. Besonders bedauerlich ist dies bei der Urkunde vom 16. Februar
1605. Endlich hat nun Herr Hans Landenberger, Grosselfingen, der über das Spiel im Jahr 1977 ein 30seitiges bebildertes Heft bei A. Conzelmann, Bisingen, herausgab,
auch eine Ablichtung einer wirklichen Urkunde aus dem
Jahr 1706 des damaligen Pfarrers mir zugestellt, die
zwar nicht das Spiel beschreibt, aber imstande ist, alle
etwaigen Zweifel über die Echtheit des Narrengerichts
zu zerstreuen:
Lectori salutem plurimam!
Demnach, daß durch ohngemeinen Eifer (das) allhiesige
Narren-Gericht zu Grosselfingen, hohenzollerischem
Marktflecken, drey sonderbare guethe Werkh zue hegster Ehre Gottes (zue Nachfolg eines ieden Christgläubigen Menschen) zue Heil und Wohlfahrth aller Lebendi-
gen und Abgestorbenen fundiert und gestiftet (hat), als:
Erstlich: mit Uebergebung in paratis pecuniis Capital 14
fl (Gulden) dem alhiesigen Gotteshauß vor ein Jahrdag
die Lunae post domincam Sexagesimae fir alle Incorporierte, lebendige und abgestorbene Mitglieder allhiesigen
Narrengerichts cum oblatione sub sacro de Requiem a
parocho loci zum halten. Secundo: auß ihrem eigenen
Costen pro pia memoria ein Creuz vor dem Berg zue
Gedächtnus Jesu Christi, der daran für uns alle gelitten
und gestorben, daran (uns) erlöset, aufgericht (haben).
Tertio: Ein Todtenfahnen, allen Abgestorbenen zum
Grab vorzutragen, in das Gotteshaus vermachet.
Also ist ihnen a parocho Loci juxta veteram et immemorialem consuetudinem ad recognitionem pro renovatione
versprochen und zuegesagt worden pro die Mercurii Cinerum ad oblationem soviele leichte Heller, als (es) Narren dies allhiesigen Narrengerichts (sambt ihren Eefrauen damit eingeschlossen), doch mit dieser Clausula und
Anhang, daß, so Herr Pfarrer dis Orts iuxta morem antiquum auf Fasnachtszeith bei den Narren und von den
Narren bey ihrem hochen und großen Gerichtstag sollt
ahngeklagt und umb ein Straf angezogen werden (wie
groß und hoch sie immer were) Er (der Herr Pfarrer)
sich mit diesem obbeditten leichten Hellern redemieren,
lösen, frey, ledig u. los machen khan, damit alle Straf
13
todt und ab sein soll und die Narren ahn ihm keine weitere pärtention haben sollen. Letztens ist ahnbei zu
merkhen, daß allhiesiges Narrengericht obligat und
schuldig (sey), ehe sie ihren großen Johrdag halten, bevohr von dem Pfarrer dis Orts gebührendermaßen Lizenz und Erlaubnus begehren sollen.
Zue Urkundt dessen bezeuget, underschrieben mit eigener Hand und Bettscchaft
Datum Grosselfingen, den 9 ten Tag des Monats Februarii 1706.
Joannes Georgius Sehr, Cammerarius et
parochus ibidem.
(Siegel)
(Später:)
Joannes Martinus Konig, ss. Theol.
Examinatus et approbatus, parochus
loci 19. Februar 1740
(Siegel)
(Später:)
Joannes Bapt. Jacobus
Hochschilt, jur utriusque cand.
paroch. loci, 12. Febr. 1741.
In heutigem Deutsch der Inhalt:
Der Pfarrer Johann Gg. Sehr von Grosselfingen beurkundet am 9. Februar 1706: Das Narrengericht daselbst
habe drei besondere gute Werke zur Ehre Gottes vollbracht: l ) M i t baren 17 Gulden in die Pfarrkirche auf
Montag vor Fastnachtssonntag für alle lebenden und
verstorbenen Mitglieder der Vereinigung eine Totenmesse mit Opfergang gestiftet. 2) Auf eigene Kosten vor
dem Berg ein Feldkreuz errichtet. 3) Eine kirchliche Totenfahne für die Beerdigungen angeschafft. Dafür habe
er als Ortspfarrer nach alter unvordenklicher
Gewohnheit zur Anerkennung und ihrer Ergötzung auf den
Aschermittwoch so viele leichte Heller als Gabe zugesagt, als das Narrengericht Mitglieder einschließlich der
Ehefrauen zähle. Dies gelte mit dem Vorbehalt, daß der
Pfarrer nach altem Brauch, falls er von den Narren bei
ihrem großen Gerichtstag in große oder niedere Strafe
geraten sollte, dann soll er mit den besagten leichten
Hellern davon frei gekauft sein und aller Strafe enthoben bleiben. Endlich ist das Narrengericht verpflichtet,
beim Pfarrer die Genehmigung zu ihrem großen Jahrtag
einzuholen. Diese Abmachung erneuerte 1740 der Ortsgeistliche Johann Martin König und 1741 der Nachfolger
Joh. Jak. Hochschilt.
Man sieht aus dem Schriftstück von 1706 unschwer, die
alte Überlieferung des Narrengerichts, wenn auch immer
wieder Änderungen und Erweiterungen vorkamen, wie
es bei einem Organismus eigentlich nicht verwunderlich
ist. Eine genaue Jahreszahl der Entstehung ist freilich zu
ersehen. Ganz klar tritt der kirchliche Charakter, bzw.
die Bindung an die Kirche hervor, was erklären kann,
warum in den zollerischen Strafprotokollen bisher kein
Eintrag über etwaige Mißbräuche zu finden war. Die
Grosselfinger Pfarrer haben offenbar den Volksbrauch
fest in den Händen behalten. Auffällig bleibt das Fehlen
des Krauthafens mit Speck, der vom Geistlichen zu liefern
ist. Es scheint ihm die Lieferung der „leichten Heller" an die
Narrengesellschaft vorausgegangen zu sein, die ja der
Pfarrer aus dem Opfergang der Gemeinde entnehmen
konnte. Bei Geldknappheit jedoch mag er lieber auf Erzeugnisse seiner eigenen Landwirtschaft zurückgegriffen
haben! Wichtig bleibt anzumerken: Der Herr Pfarrer
Sehr von 1706 war ein Grosselfinger Pfarrkind, geboren
laut Visitationsbericht ums Jahr 1647 am Orte selbst
und seit 1674 hier tätig. Somit hatte er einen guten
Uberblick über seine Gemeinde (die 1706 nur 400 Erwachsene [über 14 Jahre] zählte) und konnte aus eigener
Erfahrung und der Ortsüberlieferung schreiben, das
Narrengericht bestehe seit unfürdenklichen Zeiten! Diese
historische Tatsache stellt die Forschung endlich auf festen Grund, mögen auch Einzelheiten gewechselt haben,
wenn das Spiel immer gegenwartsbezogen bleiben sollte.
Da im Jahre 1612 neben dem Kirchenpatron S. Hubertus
auch der Pestpatron S. Sebastian als Neben-Schutzherr
genannt wird, ist das frühere Vorhandensein einer Pestbruderschaft wie in Nachbarorten nicht auszuschließen,
die dann mühelos in das religiös fundierte Spiel eingebaut werden konnte. Unter dem Geistl. Rat Heyse sind
die Bestimmungen nachweisbar umgeformt worden und
weitere Änderungen im Lauf der Jahrzehnte würden uns
nicht wundern, so z. B. die Vorverlegung der pfarrlichen
Gabe an die Narren vom Aschermittwoch in die Woche
zuvor, also v o r Beginn der kirchlichen Bußzeit!
G. R. Nikolaus Maier t
Am Fastnachtssonntag, dem 20. Februar 1977, ist nach
längerem Leiden der Geistliche Rat Nikolaus Maier, ehem.
Dekan u. Stadtpfarrer von Gammertingen, im 86. Lebensjahr in die Ewigkeit abberufen worden. Er stammte aus
altem, gläubigem, 400 Jahre nachweisbarem Bauerngeschlecht in Ringingen bei Burladingen. Am 25. März 1891
geboren, wurde er vom Ortspfarrer aufs Gymnasium und
Fidelishaus in Sigmaringen vorbereitet. Den Vater verlor
er schon 1905, seinen Bruder durch ein im Krieg zugezogenes Leiden 1922. Mutter und Schwester umsorgten seinen
Lebensweg. Nach dem Abitur besuchte er zum Theologiestudium die Universität Freiburg, wo neben den gewöhnlichen Fächern vor allem Professor Josef Sauer das
in ihm schlummernde Interesse an kirchlicher Kunst und
Volkskunde zu wecken verstand, das ihn zeitlebens nicht
losließ. Der 1. Weltkrieg rief ihn zu den Waffen, bis (als
Vizefeldwebel) eine eiternde Wunde ihn ins Lazarett
Gießen führte. Dort belegte er an der Universität sein
geliebtes Fach Geschichte. Die Kirchenbehörde rief ihn
nach St. Peter ins Priesterseminar und am 22. Juni 1918
konnte er in der Heimat seine Primiz feiern. Nach sieben Vikarsjahren in Glottertal, Emmendingen, Sigmarin14
gen und Hechingen bezog er im Februar 1925 das Kaplaneihaus in Straßberg, wo die Kirchen des Schmeientals mit ihren Kunstwerken und die trutzige Burg seine
Aufmerksamkeit erregten. Dort hat er auch den Berichterstatter voll Freude in die Gotteshäuser und auf das
Straßberger Schloß geführt, was vermutlich für diesen
der Anlaß wurde, sich später eingehend mit der Vergangenheit der ehemaligen Herrschaft Straßberg zu befassen. Nach zwei Jahren bezog Maier die Pfarrei Steinhofen und weiteren neun Jahren 1936 die Pfarrei Gammertingen, wo er 1950 Dekan (bis 1962), 1952 Geistlicher
Rat wurde und 1963 im Ruhestand sich in sein Eigenhäuschen zurückzog. Seine kirchlichen u. seelsorgerlichen
Verdienste wurden anderweitig gewürdigt. Schon als
Kaplan und dann als Pfarrer hat Maier seine vielen
volkskundlichen Beobachtungen und geschichtlichen Forschungen veröffentlicht, so im Hohenzollerischen Kalender, der Volkszeitung, dem „Zollerländle", im „Zoller",
in „Heimatklänge", später im „Hohenz. Jahresheft",
„Hohenzollerische Heimat", Freiburger Diözesanarchiv,
Lauchertzeitung usw. wie dies in der „Hohenzollerischen
Bibliographie" 1974 mit 36 Nummern verzeichnet ist.
Dabei war der Bogen seines Interesses weit gespannt:
Von den Prozessionen, Kirchengebäuden, Aussätzigenpflege u. Siechenhäusern zu Bauerhöfen, Rosenkranzbruderschaften, der Hochzeit Jan van Weerths im Straßberger Schloß, dem Leben der Fürstin Eugenie von Hohenzollern, Kirchenpatronen. Militärischem in Kirchenbüchern, Nachrufen von Geistlichen (Zembroth in Storzingen, Dimmler in Wilfingen) usw.
Seine Ikonographie (Bilderbericht) betr. den hl. Fidelis
von Sigmaringen ist leider nie fertig geworden. Man
sieht unschwer, daß sich Maier die Zeit für seine heimatkundlichen Beiträge seiner ausgedehnten Tätigkeit als
Pfarrer und Dekan geradezu abstehlen mußte. Am meisten ist ihm der hohenzollerische Geschichtsverein zu
Dank verpflichtet. Kaum hatten sich nach Ende des 2.
Weltkrieges und der Währungsumstellung die Verhältnisse wieder beruhigt, drängte er mit anderen Heimatfreunden auf Wiederherausgabe der heimatlichen Zeit-
schriften, die dann samt den neuen Statuten des Vereins
am 30. Juli 1948 nach Zustimmung der damaligen Militärregierung (!) beschlossen und er selbst zum Vorsitzenden berufen wurde, was er bis 1964 blieb. Dann konnte
1949 der erste Nachkriegsband der Hohenzollerischen
Jahreshefte (der 72. der ganzen Reihe) erscheinen. Maiers Hauptverdienst ist es auch, wenn in Zusammenarbeit
mit dem Oberlehrer Josef Wiest und dem Druckereibesitzer Sebastian Acker (beide in Gammertingen) am 1.
Januar 1951 das Kleinorgan „Hohenzollerische Heimat"
erscheinen konnte. Im Vorwort zur ersten Nummer hat
Maier seine Pläne und Absichten dargelegt, die bis heute
richtungweisend blieben. Der Hohenz. Geschichtsverein
hat daher in Würdigung seiner Verdienste dem Geistl.
Rat Nikolaus Maier an seinem Grab in Gammertingen
am 24. Februar 1977 durch den derzeitigen Vorsitzenden
Oberarchivrat Dr. Walter Bernhardt einen Kranz niederlegen lassen.
K.
WALTHER FRICK
Geschichte einer N o n n e
Maria Franziska Frick, 1762 bis 1784
Dem Kaufmann Franz Xaver Frick in Sigmaringen
gebar seine Frau Magdalena Knoll im Jahr 1762 eine
Tochter Maria Franziska. Der Vater hatte von seinem
Vater den ausgedehnten Handel und das Geschäft geerbt, das heute noch als Modegeschäft in der Stadt existiert. Wie sein Vater Johann Georg war auch er zeitweise Bürgermeister und half der damals (nur damals?)
der armen Stadt mit eigenem Vermögen, wo er konnte;
sogar die Straßen ließ er auf seine Kosten pflastern.
Das Mädchen, von dem die Rede ist, erkrankte mit
fünf und dann wieder mit zehn Jahren gefährlich; beim
zweiten Mal wurde sie durch einen Blutsturz „so liederlich und entkräftet", daß man sie mit den Sakramenten
versah. In der Nacht darauf hatte das Kind eine Vision:
ihr erschien das Jesuskind und sie meinte, es sagen zu
hören, sie werde gesund, wenn sie ins Kloster gehe. Das
gelobte das Kind der Erscheinung, und es wurde tatsächlich wieder gesund. - Doch kam die Krankheit wieder,
das Mädchen mußte des öfteren „Blut brechen", hielt das
aber vor ihren Eltern verborgen, damit sie nicht meinten, seine Konstitution sei zu schwach für das Klosterleben. Die Visionen häuften sich: sie sah deutlich vor sich
das flammende Herz Jesu, die Mutter Gottes, den heiligen Aloisius, ja ihren eigenen Schutzengel. Das ging so
durch Jahre, während derer Maria Franziska ihre Eltern
beständig bat, sie ins Kloster, nach Inzigkofen und nur
dorthin, gehen zu lassen. Als sie 18 Jahre alt war, willigten die Eltern ein, und da sie nicht nur sehr fromm waren, sondern auch sehr vermögend, stifteten sie das der
Tochter zugedachte Heiratsgut in einer Weise dem Kloster, die heute noch zu sehen ist: der Turmhelm auf der
Kirche von Inzigkofen, wie er heute da steht, ist diese
Stiftung.
Kaum eingekleidet, konnte sie ihre Kränklichkeit unter neuen, heftigen Anfällen nicht mehr verbergen. Man
holte den Doktor, der eine ernste Diagnose stellte; die
Mitschwestern rieten ihr, den geistlichen Stand wieder
zu verlassen, aber kaum ging es ihr wieder besser, nahm
sie Tag und Nacht unter vermutlich kaum erträglichen
Schmerzen und unter Erschöpfung am Chorgebet teil.
Bald darauf wurde es wieder so schlimm, daß die Eltern
kamen, um sie heimzuholen, bis sie wirklich gesund werde. Die junge Schwester jedoch, sie hatte den Klosternamen Maria Fidelis erhalten, weigerte sich: im Kloster
wolle sie leben und sterben. Man mußte sie ans „Redfenster" tragen, an dem Klosterinsassen mit ihren Angehörigen sprechen können, als ihre Eltern ein letztesmal kamen (was sie freilich nicht wußten, aber wohl ahnten).
- Im Kloster hatte man Erbarmen mit dem jungen
Mädchen, selbst der Visitator, der Beichtvater, wiederum
der Arzt und die Schwestern rieten ihr, sich doch nach
Hause holen zu lassen. Aber sie blieb standhaft, legte
1781 ihre ewigen Gelübde ab - es ging ihr wieder besser - und nahm am Gebet teil. Nach der Klosterchronik
von Inzigkofen, der wir hier folgen, hat Schwester Fidelis beinahe Unmenschliches geleistet in ihrem dauernden
Leiden. O f t konnte sie sich im Chor kaum rühren und,
offenbar vor Schmerzen, konnte sie kaum lesen, mußte
mit dem Finger die Worte festhalten, obwohl sie gut lesen gelernt hatte. Als sie endlich sterben mußte, merkte
sie es und sagte es auch, aber man hatte sie so oft so
elend gesehen, daß man es ihr nicht glaubte. Am anderen
Tag war sie tot, 22 Jahre alt. Am 21. Juli 1784 ist sie
nachmittags um drei gestorben. Ihren Klosternamen Fidelis erhielt sie vermutlich nicht nur deshalb, weil sie
Sigmaringerin und der Name „gerade frei war" - denn
es gibt in einem Orden nie zwei lebende Träger des gleichen Namens - sondern auch, weil der heilige Fidelis
zu ihrer Verwandtschaft gehörte: eine seiner Schwestern
ist eine Vorfahrin aller Fricks seit dem 17. Jahrhundert. - Sie liegt begraben in dem kleinen Klosterfriedhof hinter der Inzigkofener Kirche, sogar einige der alten Kreuze sind noch da, aber die Namenstäfelchen sind
längst verrostet. Auf einem konnte man vor 25 Jahren
noch bruchstückweise lesen: „tenebrae eam non compre.. .", die Stelle aus Jo 1, 1-14: und das Licht leuchtet
in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen.
Quellenangabe:
Dr. A l e x Frick „Chronik der Familie Frick",
handschriftlich.
15
Register 1976
60
32
19
26
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55
46
54
52
20
38
8
64
40
50
Ablach, V. Schulwesen
Baden-Württemberg, Museen (Buchbespr.)
Boll, Seelsorger v. B. am Zoller
Bommer Joh. Bapt., Maler i. Trochtelfingen
Feldhauser Barockaltäre
Gammertinger Post, 200 Jahre
Haigerloch, Eisenbahn
Harthausen a. d. Scher, aus
Hechingen, St. Luzius in H.
Hechinger Scharfrichter
Hettingen, aus der Geschichte
Hettingen, Hochzeit auf Schloß H.
Hohenz. Münzen (Buchbespr.)
Inneringen, die Nötenwang-Kapelle
Inneringen, die Dreifaltigkeits-Kapelle
Fidelis v o n Sigmaringen
Wer sich mit den Darstellungen der Heiligen in der
Kunst beschäftigt, wird überrascht sein zu erfahren, daß
der hl. Fidelis von Sigmaringen unter den Künstlern besonders beliebt ist. Auch die Volkskunst hat ihn immer
wieder als Motiv gewählt. Das alles ist einem prächtig
ausgestatteten, im Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen erschienenen Buch von Richard Schell zu entnehmen, das
den Titel trägt: „Fidelis von Sigmaringen (1577-1977).
Der Heilige in Darstellungen der Kunst aus vier Jahrhunderten".
Die katholische Kirche feiert 1977 den 400. Geburtstag
des Heiligen; denn Markus Roy, so hieß der hl. Fidelis
vor seinem Eintritt in den Kapuzinerorden, ist 1577 im
hohenzollerischen Sigmaringen an der Donau zur Welt
gekommen. Er war ein Sohn des Schultheißen Johannes
Roy, dessen Familie aus den Niederlanden stammte. Er
hatte sich nach dem Studium der Philosophie und beider
Rechte und nach der Aufgabe seiner Stellung als Advokat dem geistlichen Beruf zugewandt und war Kapuziner geworden. Als Fidelis von Sigmaringen ist er in die
Geschichte eingegangen: Sein Eifer in den Bemühungen,
die Menschen im reformierten Graubünden für die katholische Kirche zurückzugewinnen, erweckte den H a ß
seiner Gegner. So kam es zu seinem gewaltsamen Tod:
In Seewis im Prätigau, den die Österreicher militärisch
besetzt hatten - Pater Fidelis begleitete diese als Seelsorger von Feldkirch aus - , wurde er am 24. April 1622
erschlagen. Ein Jahrhundert später, 1729, wurde Fidelis
seliggesprochen und 1746 zur Ehre der Altäre erhoben.
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT
herausgegeben v o m Hohenzollerischen Geschichtsverein In Verbindung mit den Staatlichen Schulämtern. Verlag: H o h e n z o l l e rischer Geschichtsverein 748 Sigmaringen,
Karlstr. 3. D r u c k : M. Liehners H o f b u c h druckerei K G , 748 Sigmaringen, Karlstr. 10.
Die Zeitschrift,Hohenzollerische Heimat"
Ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie
will besonders die Bevölkerung in H o h e n zollern mit der Geschidite Ihrer H e i m a t
vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen audi populär gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres Landes.
Sie v e r ö f f e n t l . bevorzugt Beiträge, die im
Schulunterricht verwendet werden können.
Bezugspreis: 3,00 D M halbjährlich
Konten der „Hohenzollerischen H e i m a t " :
802 507 H o h e n z . Landesbank Sigmaringen
123 63 Postscheckamt Stuttgart
Die Autoren
dieser
Inzigkofen, Bild a. d. Chronik v.
Jungingen, 900 Jahre
Lauchert-Zeitung, zum 100. Geburtstag
Mariazell, Urspr. u. Entwicklung
Mengen, diesseits u. jenseits der Ablach
Pfullendorf, Denkmäler
Pfullendorf, Maria Schray
Rangendingener Auswanderer
Rangendinger Redensarten
Rottenburg/Neckar, St. Moritz (Buchbespr.)
Sigmaringen, das einstige „Chalet"
Sigmaringen, Gesch. d. Kloster Gorheim
Sigmaringen-Hechingen, Gymnasium Persönlichkeiten
Stein bei Hechingen, aus der Geschichte
Stein, Pfarrer-Liste (Richtigstellung)
Widmann Bakus, Schreiner in Hettingen
Winterlingen, Benzingen u. Harthausen
Haug,
13 u. 27
2
48
10
33
Seitdem wird der Heilige als Erstlingsmärtyrer der Congregatio de propaganda fide hoch verehrt. Er ist in seiner Heimat Sigmaringen Stadtheiliger und seit 1927
Landespatron Hohenzollerns.
260 Seiten mit 217 Abbildungen, darunter zehn farbigen.
17 x 24 cm. Leinen mit farbigem
Schutzumschlag.
DM 29.50.
Burgen in Gefahr
Da die Landesgruppe Baden-Württemberg der Deutschen
Burgenvereinigung soeben (das heißt in der März-Mitte)
erstmals ihre Jahreshauptversammlung im Kreis Sigmaringen abgehalten hat, nämlich in Saulgau, sei auch hier
auf eine Denkschrift dieser Landesgruppe hingewiesen.
Sie zählt, zum Teil mit Fotos, den erbarmungswürdigen
Zustand von rund 50 Schlössern und Burgen im Land
auf, die vor aller Augen zerfallen. Trotz der Milliarden,
die das reichste Land der Bundesrepublik seit Jahren für
alles Mögliche ausgibt, trotz der Beteuerungen, daß in
diesem Musterländle die Natur, der Erholungswert und
dies alles noch in Ordnung seien, stürzen Dächer ein, fallen Mauern. Man hätte sie mit vergleichsweise wenigen
Millionen alle erhalten können. - Hohenzollern ist mit
Hornstein und Falkenstein in dieser erbarmungswürdigen Aufzählung vertreten; um die letztere Ruinenburg
kümmert sich inzwischen immerhin lobenswerterweise
die neu gegründete „Aktion Ruinenschutz", von der in
dieser Zeitschrift schon die Rede war.
Nummer:
Fritz Scheerer, Rektor i. R.
A m Heuberg 42, 7460 Balingen
Josef
49
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17
31
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64
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30, 47
16
59
53
7451 Rangendingen
Josef Mählebach,
Landesverw.-Rat a. D.,
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Redaktionsausschuß:
Hubert Deck, Konrektor
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T e l e f o n (07471) 2 9 3 7
Walther Frick, Journalist
748 Sigmaringen, H o h e Tannen
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Johann Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R., die persönliche Meinung der Verfasser
wieder; diese zeldinen für den Inhalt
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Dr. med. Herbert Burkarth,
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Wir bitten unsere Leser, die „ H o h e n z o l lerische H e i m a t " weiter zu empfehlen.
W 3828 F
HÖH ENZOLLERISCHE
HEIMAT
ENTHAUPTUNG
JOHANNES
DES
Herausgegeben Dom
Hohenzollerifchen Gelchichteoerein
27. Jahrsang
TÄUFERS
Entwurf Zeichnung des Meinrad von Aw für das Deckengemälde
Bittelschieß.
Nr. 2 / J u l i 1977
in der Kirche
von
Foto: Karl und Faber
MANFRED H E R M A N N
Z u m Maler Franz A n t o n v o n A w (1672-1715) in Sigmaringen
Im Gegensatz zum vielbeschäftigten Rokokomaler Andreas Meinrad von Aw (1712-1792), dessen Kirchenfresken in Pfullendorf, Klosterwald, Haigerloch, Sigmaringen, Zwiefalten und Meßkirch zahlreiche Bewunderer
finden, blieb dessen Vater Franz Anton weitgehend unbeachtet. Selbst Auguste Wagner-Würz
die dem Sohn
eine ausführliche Arbeit widmete, charakterisierte ihn als
„einfachen Faßmaler" und ließ ihn nach einem langen
Leben nach 1755 sterben. Außer den beiden Altaraufträgen für das Frauenkloster Gorheim bei Sigmaringen von
1699/1700 kannte sie keine weiteren Werke. Die Folgerung, es könne sich bei ihm nur um einen unbedeutenden
Meister gehandelt haben, ließ sie unausgesprochen. Mehr zufällig zusammengekommene Notizen sollen helfen, Leben und Werk des Malers Gestalt gewinnen zu
lassen.
Am 26. August 1697 starb in Sigmaringen an Fieber und
Schüttelkrämpfen der „herrschaftl. Sigmaring. Laquay"
Johann Adam von Aw, der erste hier ansässige Vertreter
der Familie 2 . Wohl bald nach der Wiederherstellung des
im 30jährigen Krieg stark zerstörten Schlosses unter die
fürstliche Dienerschaft aufgenommen (um 1660), heiratete er am 22. April 1663 die Tochter Magdalena des Biersieders Jakob Orth. In dessen Haus (Marktplatz 28),
nicht im Schloß, wohnte das junge Paar, dem acht Kinder geschenkt wurden (4 Jungen und 4 Mädchen). Nach
dem Tod des Schwiegervaters verkaufte die Witwe Maria Bücheler Hans Adam am 16. August 1669 den halben
Hausanteil, den anderen gab sie 1671 ihrem Tochtermann Johann Dirheimer, einem Maurer aus Wasserburg
am Bodensee (1708 Bürgermeister).
Am 20. Juli 1672 wurde dem Paar der Sohn Franz Anton getauft, der sicher als Junge neben dem Haus auch
im Schloß aufwuchs. Dort gab es gewiß laufend Ausstattungsarbeiten durchzuführen, bei denen er manchem
Künstler begegnete. Bei welchem Maler der Vater den
Buben in die Lehre gab, wissen wir nicht. Mit 18 oder
19 Jahren ging der junge Mann auf die Wanderschaft,
bei der er wohl auch in der nächstgelegenen Werkstätte,
bei Jerg Ferdinand Veser (1652-1725) in Andelfingen
bei Riedlingen, vorbeischaute. Jedenfalls war Franz Anton von Aw 1695 wieder in der Heimatstadt.
In diesem Jahr stiftete der junge Fürst Meinrad II.
(1673-1715) in die Pfarrkirche Veringendorf zwei Seitenaltäre, an denen er das Hohenzollern-Sigmaringische
Wappen anbringen ließ 3. Nach dem Abbruch des romanischen Langhauses 1723 blieben sie unverändert erhalten, wurden jedoch 1887 an die Rückwände der Querhausarme versetzt. Jener auf der Nordseite - in der
Predellenkartusche mit 1695 datiert - zeigt in einem
großformatigen, oben rundbogig geschlossenen Tafelbild
mit schwerem Akanthus-Rahmen die sitzende Mutter
Anna. Rechts neben ihr steht die jugendliche Maria, die
sie in die hl. Schrift auf dem Schoß einführt; dahinter,
auf eine Steinbank gelehnt und die beiden betrachtend,
der hl. Joachim. Der rechte Bildteil wird mit einer Vorhangdraperie ausgefüllt, der linke gibt über eine Balustrade mit Vase hinweg den Blick frei auf eine Parklandschaft mit schloßartigem Gebäude. In den Gewändern herrschen blaue, grüne, ockerfarbene und kraftvoll
rote Töne vor; Vorhang und Parklandschaft sind grün
angelegt, der Himmel ist mit blaugrauen und orangen
Farben gemalt. Gewisse Schwächen des wohl jugendlichen Malers werden an der linken Hand der Mutter
18
Anna erkennbar, auch die Schritthaltung der Maria ist
nicht überzeugend gelungen. Im ganzen gesehen, lieferte
der Künstler ein ansprechendes Bild. - Weitaus größere
Schwächen enthält das dreipaßförmige Gemälde auf
Holz im Altaroberteil auf der Gegenseite mit der Darstellung der Flucht nach Ägypten. Neben Josef und dem
Esel mit Maria und Kind schreitet ein schützender Engel
einher. Sowohl die drei Gestalten wie das Tier sind recht
naiv wiedergegeben und nicht mehr als ein Gesellenstück. Vielleicht ist es auch früher als 1695 entstanden.
Die persönlichen Beziehungen des Stifters zu Franz Anton von Aw lassen dessen Autorschaft als sehr wahrscheinlich erscheinen.
Die Rechnungen der Frauenpflege von Maria Schray bei
Pfullendorf enthalten für 1694/95 eine Ausgabe von
4 fl „dem Maler von Sigmaringen" für das Fassen der
hl. Franziskus und Antonius, heute in der Vorhalle der
Pfullendorfer Friedhofskapelle.
In den gleichen Rechnungen für 1695/96 steht eine Ausgabe von 8 fl dem Maler von Sigmaringen für 2 FastenAntependien an den Seitenaltären ULF zu Maria
Schray 4. Beide Male kann es sich nur um Arbeiten von
Aws handeln, da wir zu dieser Zeit von keinem anderen
Maler in Sigmaringen wissen.
Drei Monate nach dem Tod des Vaters heiratete der ledige Malergesell Franz Anthoni von Aw die Tochter des
Biersieders Johann Georg Bannwarth am 24. November 1697. Aus dieser Ehe gingen sieben Kinder hervor,
drei Jungen und vier Mädchen (drei starben im Kindesalter). Bemerkenswerterweise stellte sich Fürst Meinrad
von Hohenzollern bei allen als Pate zur Verfügung, allerdings ließ er sich bei den Taufen jeweils durch Kammerherr Joachim Kolbinger vertreten. Patin war stets
die Untervögtin Magdalena Epplin geb. Gebhardtin.
Diese Beziehungen sprechen für ein enges Verhältnis des
Malers zum Schloß und für eine öftere Beschäftigung
durch den regierenden Fürsten. Ein Zeichen für die religiöse Einstellung des Elternhauses ist die Tatsache, daß
sich der 1700 geborene älteste Sohn Karl Anton für den
Priesterberuf entschied 5 .
Von weiteren Meisterarbeiten erfahren wir in der Chronik des Franziskanerinnenklosters Gorheim bei Sigmaringen®: „Um Martini 1699 ist der hl. Creütz altar, welcher herr Frantz Anton von Au, Burger und Mahler in
Sigmaringenstatt, zue fassen umb 48 fl verdingt gewesen,
von gemeltem Mahler gefasset und aufgerichtet worden,
zuem fassen dieses altars hat das convent hergeben 22 fl
und die Schwester Elisabeth Denjoni 10 fl. Die ybrige
16 fl hat gemelte schwester bey ihren befreindten und
bekhanten erbethlet.
1700 ist der S. Antony altar auch von dem Mahler
Frantz Anton von Au so ihm verdinget wäre umb 50 fl
den winter hindurch zue Sigmaringen auch gefasset und
im früling auffgericht worden, zue disem altar hat verehrt der resignierte herr Prälat zue Ottenbeyren 20 fl,
das übrige gäbe das convent darzue."
Nach der Aufhebung des Klosters Gorheim kamen beide
Altäre 1815 in die Pfarrkirche Harthausen a. d. Scher,
wo sie heute noch vorhanden sind. Allerdings hat der
Antonius-Altar sein Mittelbild eingebüßt. Beide besitzen
im Auszug ein Ovalgemälde von der Hand des Franz
Anton von Aw, der ehemalige Kreuzaltar (heute Sebastiansaltar) ein Bild Jakobus d. Ä., der ehemalige Antoniusaltar (heute Marienaltar) die Darstellung einer Fran-
Andelfinger Malers Jerg Ferdinand Veser (Feser), den
am 9. Dezember 1687 getauften Johann Joseph 9 (in Sigmaringen nur Joseph genannt), der ebenfalls das väterliche Handwerk ausübte. So gab sie den unversorgten
Kindern einen Vater und sicherte den Fortbestand der
Malerwerkstatt. Im übrigen hatte die Witwe schon am
6. November 1715 von Josef Staudinger das Haus 130
(Hinterm Rathaus 2) erworben 10 , ein Hinweis, daß
Franz Anton von Aw bereits tot war. Verlor die Witwe
ihre alte Wohnung und Werkstatt, die vielleicht zuvor
im Schloß gewesen sein könnte?
Was ist nach dem allzufrühen Tod des Vaters aus den
beiden weiteren Söhnen geworden? Es entsprach den Gepflogenheiten, daß der Stiefvater sie in dessen Handwerk einführte, als sie etwa das Alter von 14 Jahren erreichten.
Franz Joseph von Aw, getauft am 14. März 1704, ging
wohl um 1722 auf die Wanderschaft. Am 6. November 1730 ist er wieder in der Heimatstadt anläßlich einer
Taufe bezeugt, bei der er sich als Pate für den Sohn
Franz Joseph des Mathäus Gaßner zur Verfügung stellte.
Am 10. Juni 1731 schloß er vor seinem geistlichen Bruder Karl Anton mit Maria Antonia Kolbingerin, wohl
einer Tochter des Kammerherrn Joachim Kolbinger, die
Ehe. Aus dieser gingen vier Kinder hervor, zwei Buben
und zwei Mädchen, denen der Hofrat Franz Anton von
Raßler, am Fürstenhof eine Persönlichkeit, Pate war.
Franz Joseph von Aw, Maler und Adlerwirt, starb bereits mit 36 Jahren am 17. Mai 1740 an einem heftigen
Fieber. Uber seine künstlerische Tätigkeit ist bisher
nichts bekannt geworden.
Gemälde
des St.-Anna-Altares
Anton von Aw, 1695
in
Veringendorf
Foto:
von
Franz
M.
Hermann
Der jüngste Sohn Andreas Meinrad von Aw, getauft am
28. November 1712, verlor noch nicht dreijährig den
Vater und empfing durch Joseph Feser seine Malerausbildung. Er dürfte in dem Augenblick auf Wanderschaft
gegangen sein, als der ältere Bruder Franz Joseph wieder
in die Werkstatt zurückkehrte (um 1730). Am 16. Februar 1733 finden wir Meinrad - wohl aber nur für kurze
ziskanerin mit Rosenkranz, vor einem Kreuz knieend.
Beides sind schlichte Bilder ohne besondere Qualität,
dennoch gefällig ausgeführt.
Kleinere Arbeiten enthalten auch die Veringendorfer
Kirchenrechnungen 7 : 1698/99 wurden dem „Maler zue
Sigmaringen vor reparierung des rothen fahnen blads"
55 Kreuzer bezahlt. 1699/1702 wird unter N o l l V a
verzeichnet: „Lauth quittung dem Mahler zue Sigmaringen Franz Antoni v. Aw vor außbesserung eines fahnen
blatts bezalt 45 Kreuzer." Ferner: „Ao 1703 dem Mahler zue Sigmaringen undt dem schreiner von fronstetten
(= Georg Göttling) vor die 2 portal zue beeden altären
zu mahlen und zu machen L:q: bezalt 9 fl 45 xr." In der
Tat scheinen Faßarbeiten den Großteil der Beschäftigung
von Aws ausgemacht zu haben, zumal um oder kurz
nach 1700 nicht allzuviele Altäre entstanden, da die
meisten Kirchen nach den Schäden des 30jährigen Krieges in den 70er und 80er Jahren des 17. Jahrhunderts
Neuausstattungen erhalten hatten.
Schließlich sei noch aus Harthausen-Scher ein Eintrag
aus den dortigen Kirchenrechnungen von 1715/16 genannt 8 : „Jtem der Malierin von Sigmaringen fir 5 bilder zu Mallen geben nach laut deß beylags - 1 fl." Zu
diesem Zeitpunkt war der Maler offensichtlich schon tot.
Leider besteht für diese Zeit das Sigmaringer Totenbuch
nur noch aus einzelnen Blättern, die große Lücken ausweisen. Wohl im Herbst 1715 nahm der Tod dem Maler
den Pinsel aus der Hand. Denn am 1. Februar 1716 heiratete die Witwe Franziska Bannwarth den Sohn des
Gemälde
des hl. Apostels
altar in der Pfarrkirche
von Aw, 1699
Jakobus
d. Ä. am rechten
SeitenHarthausen/Seh.
von Franz
Anton
Foto: M.
Hermann
19
Zeit - daheim, als er bei der Taufe des Franz, Sohn von
Jakob Klingler, Pate war. Um 1738 befand sich der jugendliche Maler in Riedlingen, am 27. Februar 1740
nennt ihn das Sigmaringer Taufbuch als Pate bei Wendelin des Franz Gayer. Um diese Zeit übernahm er wohl
die väterliche Werkstatt, der Name des Malers Feser erscheint nun nicht mehr. Überdies starb die Mutter Franziska Bannwarth am 24. Juni 1740.
Aus dieser kurzen Lebens- und Werkskizze wird deutlich, daß dem Maler Franz Anton von Aw nur ein bescheidener Rang im Konzert der damaligen Künstler zugebilligt werden kann. In die 20 Jahre seiner Schaffenszeit fielen wohl kaum große Aufträge, durch die er sich
hätte Ruhm erwerben können. Das meiste von seiner
Hand ist wohl nicht erhalten geblieben. Dennoch soll er
im 900. Jubiläumsjahr der Stadt Sigmaringen nicht vergessen sein.
Anmerkungen:
1
2
Auguste Wagner-Würz,
Meinrad von A w - Leben und Werk
des süddeutschen Rokokomalers, Hechingen 1936.
Totenbuch der Pfarrei St. Johann in Sigmaringen (im dortigen Pfarrarchiv) 1 6 2 2 - 1 7 1 6 .
3
W. Genzmer
(Hrsg.), Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns
- Bd. II. Kreis Sigmaringen, Stuttgart 1948, 384 N r . 3 und 4.
4
Johann Schupp, H o h z . Regesten aus den Pfullendorfer Archiven, H o h z . Jahrshft. Bd. 11 1951, N r . 1250 u. 1251.
5
6
7
8
9
10
1721 an der Univ. Freiburg/Br. immatrikuliert (Praenob. Dnus.Carolus Antonius ab A u w Simeringanus Suevus
theol. spec.mor.) H H 1966, 56. Längere Zeit Kaplan in
Veringendorf, wurde er am 21. April 1745 von Freiherr X a ver Jos. Valentin Speth von Z w i e f a l t e n zu Hettingen auf
die Pfarrei Kettenacker präsentiert. D o r t förderte er vor allem die Verehrung des hl. Fidelis von Sigmaringen. Gestorben am 7. März 1757 und nach seinem Wunsch unter dem
Haupteingang der alten Kettenacker Pfarrkirche begraben.
D a s Totenbuch rühmt ihn als »sehr eifrigen Seelsorger«, der
als guter Hirt seine geschwächten Kräfte nicht schonte. Bei
der Beerdigung war auch zugegen der »wohledle Herr
Meinrad von A w , des Verstorbenen Bruder und hervorragender Maler«.
In Mtlgn. d. Ver. f. Gesch. Hohenzollerns 61. Jhg. 1930, 7 f.
Im P f - A r c h . Veringenstadt.
Im P f - A r c h . Harthausen-Scher.
T a u f - , Ehe- u. Totenbuch A n d e l f i n g e n im dort. P f - A r c h .
Alex
Frick,
Häuserbuch
der Stadt Sigmaringen,
im
Fürstl. H o h z . Domänenarch.
ALEXANDER SCHULZ
Die Kirche v o n Bittelschieß u n d eine n e u entdeckte Entwurfszeichnung
des Andreas M e i n r a d v o n A w
Der Neubau der Kirche in Bittelschieß im Jahre 1758 ist
eng mit der Errichtung der Sigmaringer Pfarrkirche St.
Johann verbunden. Nicht nur die gleiche Erbauungszeit
ist beiden gemeinsam, auch die ausführenden Künstler
waren dieselben.
Der damalige Pfarrer von Hausen a. Andelsbach, Viktor
Hollenstein, zu dessen Sprengel auch Bittelschieß gehörte, stammte aus Lustnau in Vorarlberg. Dies war Grund
genug, seinen Landsmann, den Baumeister Job. Martin
Ilg aus Dornbirn (1706-1770), für die Bauleitung der
neu zu erbauenden Pfarrkirche von Sigmaringen zu
empfehlen. Durch Vermittlung des Hohenemser Rats
und Oberamtmanns Franz Josef von Wocher in Rankweil, der zu einem Teil das Patronat über Hausen innehatte, erhielt dieser Architekt den Auftrag. Uber ihn
und den Zimmermeister Hans Jakob Stoffler meinte jedoch Fürst Joseph Friedrich in Haigerloch ziemlich bissig: „Die Zwey männer Siehe ich vor einen gutten maurer- und Zimmermaister ahn, im übrigen aber in architectur vor keine Hexenmaister; hätte ich es früher gewußt, so würdte ein andtern Mann hergesteiltet haben,
undt vielleicht umb wäniger gelt, oder wänigst nit
mehr." Das Urteil war zu hart, denn Joh. Martin Ilg,
der zu der Vorarlberger Baumeisterschule gehörte, meisterte die schwierige Aufgabe, die Sigmaringer Pfarrkirche am Hang unterhalb des Schlosses zu bauen, recht
gut. Während nun der Bau der Sigmaringer Pfarrkirche
seiner Vollendung entgegen ging, wurde auf Veranlassung des Hofkanzlers H. von Stader, des ehemaligen
Herren von Bittelschieß, auch in diesem Dorf eine Kirche errichtet, nachdem ein älterer Bau abgerissen worden
war. Im folgenden Jahr, 1759, baute Joh. Martin Ilg
noch die Kirche im Nachbarort Rulfingen.
Wenn auch nicht archivalisch gesichert, so legen doch
Vergleiche die Vermutung nahe, daß der für die Sigmaringer Pfarrkirche tätige Stukkator Johann
Jakob
Schwarzmann
(1729-1784) auch in Bittelschieß die
20
geistvollen Stukkaturen geschaffen hat. Zuvor hatte er
die beiden Kirchen in Pfullendorf St. Jakob und Maria
Schray in den Jahren 1750 und 1751 ausgeschmückt, sowie in Kloster Wald (1751/53) gearbeitet.
Durch Signaturen belegt ist der Schöpfer der malerischen Ausstattung, der Sigmaringer Maler Andreas
Meinrad von Aw. 1712 als Sohn des Faßmalers Franz
Anton von Aw in Sigmaringen geboren, wuchs er nach
dem Tode seines Vaters (1715) bei seinem Stiefvater Josef Feser auf und erhielt dort wie sein älterer Bruder
Franz Josef (1704-1740) seine erste Ausbildung im Malerhandwerk. Um 1738 war er in Riedlingen beschäftigt,
einer Stadt, die damals die beiden berühmten Maler
Franz Josef Spiegier und Josef Ignaz Wegscheider beherbergte. Ab 1740 weilte er wieder in seiner Vaterstadt,
wo er 1742 heiratete und 1754 sowie 1760 das Amt des
Stadtschultheißen bekleidete. Gegen seinen Willen wurde
er 1774 Ochsenwirt, da er das Gasthaus von der schwerverschuldeten Besitzerin übernehmen mußte. Seine Fresken befinden sich in Harthausen a. d. Scher (1741), in
Haigerloch (1748 und 1755), Pfullendorf (1751/52),
Kloster Wald (1752), Langenenslingen (1754), Zwiefalten (1764), Meßkirch (1774), Otterswang (1778), Rot a.
d. Rot (1780) und in Hechingen (1782). Die letzten zehn
Jahre seines Lebens schuf er keine Werke mehr. Andreas
Meinrad von Aw starb 1792.
Die Kirche von Bittelschieß besteht aus einem rechteckigen Langhaus mit eingezogenem dreiseitig geschlossenem
Chor. An der Evangelienseite befindet sich die Sakristei,
über der sich ein Oratorium mit zwei korbbogigen Arkaden gegen den Chor hin öffnet. Langhaus und Chor tragen flache, verputzte Holztonnen mit Stichkappen. Die
Mittelspiegel beider Decken sind heute mit Bildern von
August Braun aus Wangen versehen, die bei der Wiederherstellung der Kirche in den Jahren 1933/34 neu gemalt wurden. Ebenso stammt das Hochaltarbild von
demselben Maler. Nur die beiden Seitenaltarblätter sind
noch von Andreas Meinrad von Aw erhalten und stammen laut Datierung des Bildes auf der Epistelseite, der
Darstellung der 14 Nothelfer, aus dem Jahre 1760.
Das Innere der Kirche bewahrte die Geschlossenheit des
Gesamteindrucks durch das ganze 19. Jahrhundert hindurch, und noch heute besticht es durch seine harmonischen Verhältnisse und die feine Ausführung der Stukkaturen. Lediglich die ursprünglichen Deckengemälde und
das Hochaltarbild existieren nicht mehr. Sie fielen dem
großen Erdbeben vom Jahre 1911 zum Opfer. Die anderen Schäden konnten, wenn auch jetzt noch Risse davon
zeugen, später wieder ausgebessert werden.
Gingen die Deckenfresken auch unwiederbringlich verloren, so vermittelt wenigstens eine erst neulich im Kunsthandel aufgefundene Entwurfszeichnung zum Hauptgemälde im Langhaus eine gewisse Vorstellung von dem
ursprünglichen Aussehen. Es handelt sich um eine aquarellierte Federzeichnung im Format von etwa 39:34 cm,
die signiert und datiert ist: „A. Meinrad von Aw Ao
1758". Auf der Rückseite ist sie von alter Hand beschriftet: „Plafond der Kirche zu Bittelschieß." Daß es
sich um einen Entwurf handelt, der zur Ausführung bestimmt war, zeigt die Quadrierung, die dazu diente, das
Bild maßstabsgetreu auf die Decke zu übertragen. Interesse verdient auch das Thema der Darstellung, welche
eine Enthauptung Johannes des Täufers zeigt, was in einer Kirche, die dem hl. Kilian geweiht ist, nicht ohne
weiteres zu erwarten ist. (Folgerichtig zeigt auch das
neue Deckenbild von A. Braun im Langhaus den hl. Kilian mit seinen Begleitern, den Heiligen Kolonan und
Totnan.)
In einem vierpaßförmigen Oval spielt sich vor einer
Schloßkulisse auf einer Freitreppe, die als Podest dient,
das dramatische Geschehen ab. Der Scherge ist im Begriffe, das Haupt des Johannes, dessen Körper auf den
Stufen niedergestreckt liegt, auf eine Schüssel zu legen,
welche eine der drei Dienerinnen bereithält, um sie der
aufrecht dastehenden Salome darzureichen. Im unteren
Bilddrittel verfolgen drei Soldaten sowie ein Bettler mit
Hund das grausige Schauspiel, während von oben zwei
Engel und ein Putto niederschweben, um Johannes den
Lohn seines Märtyrertodes, die Palme zu überbringen.
Die Bewegungen aller Personen weisen auf das Haupt
des Täufers, das zusammen mit der Königstochter die
Bildmitte bestimmt. Mit ihrer zurückhaltend verwendeten Hintergrundarchitektur und der noch zaghaft angedeuteten Natur im Vordergrund steht die neuaufgefundene Federzeichnung am Beginn der letzten Phase des
Spätbarocks.
Sigmaringen und Bittelschieß, das eine die fürstliche Residenzstadt, das andere eine schlichte Landgemeinde, haben in ihren Kirchen eines gemeinsam, nämlich die vom
Geist des Spätbarocks geprägte Gesinnung, die, von den
gleichen Künstlern geschaffen, zwei in Architektur und
Ausstattung in sich geschlossene, heitere Kunstwerke entstehen ließ.
Literatur
Auguste Wagner-Würz,
Meinrad v o n A w . Leben und Werk eines süddeutschen Rokokomalers, Hechingen 1936.
Walter Genzmer
(Hrsg.), D i e Kunstdenkmäler Hohenzollerns.
Bd. II: Kreis Sigmaringen, Stuttgart 1948, S. 9 3 - 9 5 .
Manfred
Hermann,
Sigmaringen. St. Johann, Schnell, Kunstführer N r . 209, 2. Auflage, München-Zürich 1976.
Karl
u.
Faber,
München, Katalog zur A u k t i o n
145,
26.-28. 5. 1977, N r . 354.
K. W. STEIM
Im G r ü n d u n g s j a h r ein Student aus Haigerloch
500 Jahre Universität
Tübingen / Studenten
aus Hechingen und Haigerloch
Die Universität Tübingen feiert in diesem Jahr ihr 500jähriges Bestehen. In diesen 500 Jahren haben viele hundert Studenten aus dem Bereich des früheren Kreises
Hechingen dort studiert. Von besonderem Interesse dürfte sein, daß bereits im Gründungsjahr 1477 sich ein
Haigerlocher Student in Tübingen einschrieb: Wernherus
Grusinger.
Die Matrikeln der Universität Tübingen verzeichnen
allein aus der Zeit von 1477 bis 1600 eine ganz beachtliche Zahl von Studenten aus dem Mittelbereich Hechingen. Es sind fast 70, für die damalige Zeit beachtlich viele. Das Schulwesen war also im Mittelalter auch
bei uns nicht so schlecht, wie oft angenommen. Es sind
lediglich - eigentlich naturgemäß, wenn man die Aktenlage betrachtet - wenig Nachrichten schulischer
Art aus dieser Zeit überliefert. Der erste Lehrer aus
Haigerloch ist zum Beispiel erst für das Jahr 1472 überliefert.
Auf den Haigerlocher Studenten Wernherus Grusinger
der Jahre 1477/78 folgte bereits ein weiterer aus Haigerloch im Jahre 1484: Conradus Swartz (Schwarz).
1497 schrieb sich Hainricus Sinintz ein. 1501 kamen aus
Haigerloch Hermannus Fulhaber und ein gewisser Laurencius. Für das 16. Jahrhundert ist dann noch ein Student namens Johannes Eckenfelder (1573) aus Haigerloch überliefert.
Entsprechend der Größe der Stadt Hechingen waren es
hier natürlich mehr Studenten. Sie können hier nicht
einzeln aufgezählt werden. Als erste studierten in Tübingen Conradus Scriptoris (Schreiber) 1482, Johannes
Sellatoris 1483. Leonardus Ernst 1493 und Caspar Fabri
im Jahre 1497.
Der erste Grosselfinger Student war im Jahre 1491 Ulricus Ulin. Aus Hausen i. K. schrieb sich 1483 Balthasar
Lorch ein. Ein Johannes Owingensis kam 1522 von
Owingen an die Alma Mater in Tübingen. Rangendingen war schon 1572 mit einem Studenten Conradus
Strobel vertreten.
1482 studierte Georgius Planck aus Sickingen und 1538
Burghardus Coquus aus Stetten bei Haigerloch. Aus
Weilheim zogen 1572 die beiden Johannes Jacobus
Beutterus und Philippus Beutterus (Beuter, Brüder) als
Studenten in Tübingen ein. Auch die Alb war schon
bald in Tübingen vertreten. Viele Studenten kamen
hier aus Melchingen: 1500 Eberhardus Fogel, 1510 Albertus Kruss (späterer Weihbischof in Brixen), 1519
Georgius Dolinger, 1551 Georgius Imele (Emele), 1583
Johannes Sartor und 1598 Balthasarus Gockel. Die Gemeinde Ringingen stellte im genannten Zeitraum die
meisten Studenten ihres Bereichs: 1485 Georgius
Truchsäss, 1511 Jochim Truchsäss, Georgius Truchsäss
und 1512 Mathias Scheblin und Georgius Wint. 1526
Johannes Hauch, 1508 Jakobus Hegner, 1547 Diepoldus
Ostertag. Aus Salmendingen studierte Ludovicus Amelin 1522.
21
K. W. STEIM
HohenzoIIern und die StaufeivAusstellung
Die große Ausstellung „Die Zeit der Staufer" in Stuttgart ist zu Ende gegangen. Sicher haben auch viele
Kunst- und Geschichtsfreunde aus HohenzoIIern die
Ausstellung besucht und nach „heimischen" Kunstgegenständen gesucht. Sie wurden aber etwas enttäuscht. Zwei
Münzen aus einem Münzfeld in Owingen, ein Siegel des
Herzogs Heinrich von Schwaben aus dem Fürstlichen
Archiv und ein Aachener Kruzifixus vom Fürstlichen
Museum aus Sigmaringen, Schachfiguren aus dem „Alten
Schloß" bei Gammertingen und eine Münze der Grafen
von Sigmaringen-Helfenstein waren ausgestellt.
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Gammertinger
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Stuttgart
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und
Schachfiguren
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Staufer-
Die hohenzollerischen Städte gelten nicht als Staufergründungen, hier liegen auch keine Burgen dieses Geschlechts, das in den letzten Monaten eine so beachtliche
Aufwertung erfahren hat. Dennoch wäre es falsch anzunehmen, in den früheren Landkreisen Hechingen und
Sigmaringen, die die Hohenzollerischen Lande bildeten,
gebe es keine ältesten Geschichtszeugen aus der Zeit der
Staufer. Die älteste Kirche Hohenzollerns, die Pfarrkirche in Veringendorf, wurde zwischen 1100 und 1150 erbaut und gehört zu den wenigen Beispielen des schwäbisch-konstanzischen Kirchentyps: eine querschifflose
Basilika mit halbkreisförmig geschlossenem Hauptchorraum und seitlich daran angebauten zwei Osttürmen.
Von der wohl ebenfalls im 12. Jahrhundert an der Stelle
einer noch älteren Michaelskirche erbauten Michaelskapelle auf Burg HohenzoIIern sind noch drei Reliefplatten
vorhanden, die salische Kunstmerkmale aufweisen. Staufisch ist schließlich die Weilerkirche in Owingen, ehema22
Im 12. und 13. Jahrhundert, also in der Stauferzeit,
wurden die meisten hohenzollerischen Städte angelegt,
Hechingen, Haigerloch, Trochtelfingen, Gammertingen,
Hetlingen, Veringenstadt und Sigmaringen, das derzeit
gar seine 900-Jahrfeier begehen kann.
Die spätstaufische Kunst des 13. Jahrhunderts ist in HohenzoIIern durch Werke der Baukunst, der Glasmalerei
und der Plastik vertreten. Aus dieser Zeit stammt die
ehemalige Klosterkirche in Stetten bei Hechingen, deren
von Graf Friedrich dem Erlauchten gestiftete Glasfenster
im letzten Jahrhundert in der Michaelskapelle der Burg
HohenzoIIern. eingesetzt wurden. Weitere Fenster befinden sich heute in mehreren Museen. Auch ein Kruzifixus
von Veringendorf ist als Spitzenwerk des späten 13.
Jahrhunderts anzusehen. Mehr Kunstwerke des höfischlyrischen Plastikstils, der zu Beginn des 14. Jahrhunderts
die ritterliche Kunst der Staufer ablöste, sind dann in
HohenzoIIern vertreten.
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lige Pfarrkirche des verschwundenen Dorfes Oberowingen. Das Langhaus stammt aus der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts. In der staufischen Art aus Quadermauerwerk mit kräftigen Bossen und breitem Randschlag ausgeführt sind der Römerturm in Haigerloch,
letzter Rest einer ehemaligen Burg, der Bergfried der
Burg Dietfurt und der Sigmaringer Schloßturm.
Nicht vergessen werden sollte hier das Haus HohenzoIIern selbst. Die Grafschaft Zollern, die dem Lande den
Namen gegeben hat, war spätestens seit dem 11. Jahrhundert im Besitz des Zollerngeschlechts. 1061 werden
bekanntlich die beiden ersten Zollergrafen erwähnt. Das
ganze 12. Jahrhundert befanden sich diese Grafen im
Brennpunkt des politischen Geschehens, bei Kreuzzügen
und im Gefolge der staufischen Kaiser. Graf Friedrich I.
von Zollern gelangte 1192 durch Heirat in den Besitz
der Burggrafschaft Nürnberg und wurde - wohl infolge seiner guten Beziehungen zum staufischen Kaiserhause
- im selben Jahr zum Burggrafen von Nürnberg ernannt. Friedrich war ständiger Begleiter des Kaisers
Heinrich VI. und wurde zum Begründer der frankischen
Linie der Zollern, die über die Markgrafen- und Kurfürstenwürde von Brandenburg auf den preußischen Königsthron und den deutschen Kaiserthron kam.
Die wichtigsten Ausstellungsstücke mit einem Bezug zu
HohenzoIIern auf der Staufer-Ausstellung in Stuttgart
waren: eine Urkunde aus dem Fürstlich-Hohenzollerischen Haus- und Domänenarchiv Sigmaringen mit anhängendem Wachssiegel des Herzogs Heinrich von
Schwaben (1216-1220). Aus der Hohenz. Kunstsammlung in Sigmaringen kam ein Kruzifixus aus Aachen um
1215 aus Bronze. Acht Schachfiguren aus Knochen oder
Hirschhorn geschnitzt, wahrscheinlich aus dem 12. Jahrhundert, stammten aus Gammertingen. Sie wurden bei
der archäologischen Untersuchung des Burgstalls „Altes
Schloß" bei Gammertingen gefunden.
Unter den zahlreich ausgestellten Münzen befanden sich
Exemplare aus HohenzoIIern, so ein Hirschbrakteat
(nach links schreitender Hirsch), der dem Grafen Gottfried II. von Sigmaringen-Helfenstein (um 1250) zugeschrieben wird. Zu sehen waren schließlich zwei sogenannte Tübinger Pfennige der gleichnamigen Grafen aus
dem 12./13. Jahrhundert. Sie stammen aus einem Münzfund in Owingen.
JOSEF F. GRONER
D a s Gremlich^Haus
beim O b e r e n Tor in Pfullendorf
Schicksale eines alten Adelshofes
Eigentümer und Bewohner
Die Junker von Gremiich
Ihre Verbundenheit
mit der Stadt
Die Renovierung des ehemaligen Adelshofes beim Oberen Tor in Pfullendorf, Pfarrhofgasse 21, gibt Gelegenheit, der Geschichte des Hauses, seinen Bewohnern und
seinem baulichen Wandel, etwas nachzugehen.
Die Junker von Gremiich oder Grämlich, denen ein
grämlich aussehender Vorfahr zu ihrem sonderbaren Familiennamen verholfen hatte, sind seine ersten bekannten
Bewohner und, außer den Grafen von Pfullendorf, überhaupt das älteste nachweisbare Herrengeschlecht der
Stadt. Bereits zur Zeit der Stadtgründung erscheinen ein
Friedrich (1216) und Heinrich (1228) Gremiich auf Urkunden der Staufer, zu deren Herrschaftsgebiet die ehemalige Grafschaft Pfullendorf ja gehörte.
Die Familie breitete sich in Stadt und Land bis zur Donau und in die Bodenseegegend, meist mit reichem
Grund- und Bodenbesitz, rasch aus 1 . Leider läßt sich
kein befriedigender Stammbaum aufstellen, weil die Verwandtschaftsbeziehungen unter den vielen bekannten
Personen nur unzureichend oder überhaupt nicht angegeben sind. Die Verwirrung steigert sich noch dadurch,
daß sich die gleichen Namen (vor allem Heinrich, Hans
und Konrad) dauernd wiederholen. Eines aber läßt sich
mit Sicherheit sagen: die Gremiich waren tüchtige Leute.
Sie haben zwischen 1257 und 1500 nicht weniger als
dreizehn Ammänner (oberste Richter) und Bürgermeister 2 gestellt und sich überhaupt wie kein anderes Geschlecht um die Stadt verdient gemacht. Außer den hohen städtischen Würdenträgern, die zum Teil auch in der
Reichspolitik tätig waren, brachte die Familie eine Reihe
von Geistlichen hervor 3, und zwei weiblichen Mitgliedern, beide Anna mit Namen, ist es gelungen, um das
Jahr 1500 Äbtissinnenmacht und -würde in Heiligkreuztal (Zisterzienserinnenabtei bei Riedlingen) zu erlangen.
Es ist daher recht und billig sowie dem Anlaß entsprechend, den Namen Gremiich in Verbindung mit ihrem
einstigen Wohnsitz wieder aufleben zu lassen und ihnen
so ein Denkmal der Erinnerung und Dankbarkeit zu setzen.
Der Älteste aus der Sippe, der sich als Bewohner des
Hauses beim Oberen Tor genau nachweisen läßt, ist ein
Heinrich Gremiich. Er stellte am 12. Juli 1435 eine Urkunde aus, die nichts anderes ist als eine Alimentenverschreibung. Er hatte nämlich, wie er ausdrücklich bekennt, von seiner „Kellerin" Anna Münch ein uneheliches Kind rrjit Namen Gretel. In der Urkunde vermacht
er nun der Mutter beziehungsweise nach deren etwaigem
Tod dieser Gretel 100 Pfund Pfennig in „guter Konstanzer Währung" und setzt als Garantie dafür sein „Hus
und Hofraiti ze Pfullendorf by dem oberen tor gelegen"
ein. Das war also 1435, und es ist anzunehmen, daß dieser Gremiich damals ein junger Mann war (vielleicht ist
es der gleiche, der 1450 Bürgermeister wurde), also etwa
1410 geboren sein mag. Entsprechend diesen Jahreszahlen darf man den Bau seines Hauses, den er wohl von
seinem Vater geerbt hatte, mindestens noch ins ausgehende 14. Jahrhundert zurückdatieren.
Außer mit ihrem Haus beim Oberen Tor sind die Gremiich auch noch auf andere Weise in der Stadt gegenwärtig. Für das alte Heilig-Geist-Spital,
dessen mächtige
Anlage heute noch beherrschend auf dem Marktplatz
steht („Deutscher Kaiser" und Geschäft Stadelhofer),
stiftete ein Herman Gremiich nach dem Brand von 1285
eine beträchtliche Summe für den Wiederaufbau.
Eine besondere Erinnerung an das alte Adelsgeschlecht
bilden das Kaplaneigebäude St. Johann von 1734 in der
Pfarrhofgasse 9 an der Stadtmauer 4 und das kleine
Ovalbild oben am Dreikönigsaltar in der Stadtkirche
mit dem Motiv der Taufe Christi durch Johannes. Im
Jahre 1375 nämlich stifteten Hermann Gremiich und
seine Schwägerin, eine Geborene von Elchingen, die Johannes-Baptista-Pfründe,
mit deren Mitteln ein Kaplan
für die Stadtseelsorge unterhalten werden konnte. Der
Altar dieser Stiftung stand schon damals in der Ecke
zwischen Turmwand und Chorbogen. 1745 wurde er in
barocker Form erneuert, und als weitere Patrone kamen
damals noch die Dreikönige hinzu, die dann den ursprünglichen Stiftungsheiligen etwas verdrängten, zumal
Franz Joseph Spiegier die ganze Aufmerksamkeit für
sein großartiges Dreikönigsbild in Anspruch nimmt. Die
Inflation nach dem 1. Weltkrieg hat die GremiichPfründe natürlich völlig aufgezehrt, und so sind Wort
und Sache inzwischen verschwunden.
Auch das Gegenstück zum Dreikönigsaltar birgt eine Erinnerung an einen Gremiich, nämlich an Hans-Ludwig,
der zwischen 1465 und 1480 in mehreren Urkunden auftritt. Als Liebhaber des Bogen- oder Armbrustschießens
gründete er 1471 zusammen mit sechs Pfullendorfer Bürgern, von denen drei weitere ebenfalls jene Schießkünste
pflegten, die St. Sebastiansbruderschaft, also eine fromme Schützengilde. Bürgermeister und Stadtrat stellten
sich hinter das Anliegen der Gründer, und so erhielt die
Bruderschaft noch im gleichen Jahr die kirchliche Bestätigung durch den Bischof von Konstanz, nachdem auch
der zuständige Pfarrer, nämlich der Abt von Königsbronn und dessen hiesiger Verweser, Michael Setzing,
zugestimmt hatten. 1497 endlich war von den Mitgliedern der Bruderschaft, die auch Frauen aufnahm, das
nötige Geld zusammengetragen worden, um in der
23
Pfarrkirche einen Sebastiansaltar mit dazugehöriger
Pfründe für den Unterhalt eines Bruderschaftskaplans zu
errichten. Zu den besonderen Pflichten dieses Geistlichen
gehörte es, jeweils am Mittwoch in der Frühe ein Amt
zu singen. Später wurde der Sebastiansaltar zum besonderen Zufluchtsort in Zeiten der Pest (1541, 1566, 1628).
Die hilflose Menschheit fühlte sich von diesen schrecklichen Seuchen wie von einem Hagel hinterhältig abgeschossener Pfeile überfallen, und so suchten sie in ihrem
frommen Sinn beim pfeildurchbohrten St. Sebastian Hilfe gegen den Schrecken der „Pestpfeile". Wenn so ein
„grosser Sterbend" hereinbrach, erhob sich auch ein großes Beten am St. Sebastiansaltar, und es dauerte fort bis
in die allerneueste Zeit. Erst in unseren Tagen ließ man,
wie so manches andere, auch die Tradition der ältesten
Bruderschaft der Stadt einschlafen. - 1745 erhielt der
St. Sebastiansaltar seine heutige Gestalt, und Franz Joseph Spiegier malte auch dazu ein großes, echt barockes
Bild: Die hl. Irene pflegt die Wunden des Märtyrers Sebastian. Hinter ihm sieht der Pfullendorfer auch heute
noch den Armbrustschützen Hans Ludwig von Gremiich.
Verstummt ist inzwischen auch das Todesangst-ChristiLäuten, das Johann, der letzte Gremiich, 1659 gestiftet
hatte 5 . - Unauffällig weisen zwei letzte Erinnerungszeichen an die verdienstvolle Familie hin: die holzgeschnitzten Wappentafeln an den Pfeilern zu beiden Seiten des Hochaltars in der Stadtkirche (Wappentier: ein
aufsteigender Steinbock) 6. Die eine kündet vom Tod des
Jakob Gremiich von Jungingen zu Bittelschieß, wohnhaft in Pfullendorf, gestorben 1612, die andere ist seiner
Gemahlin, einer Euphrosina von Ramingen, gewidmet,
gestorben 1629. Bald danach erlosch mit dem erwähnten
Johann Gremiich von Jungingen, der am 22. Juni 1664
in Pfullendorf starb, das uralte Geschlecht 7.
Die von
Hornstein
Franz Andreas Rogg zählt in seiner Stadtchronik (1774)
als Bewohner nach den Gremiich die von Hornstein auf,
leider ohne nähere Angabe. Die umfangreiche Familiengeschichte dieses von der Burg Hornstein bei Bingen im
Laucherttal stammenden Geschlechts kennt nur vier Buben mit Namen Hornstein, die um 1525 die Pfullendorfer Lateinschule besuchten. Wahrscheinlich wohnten sie
im Haus der Gremiich, denen sie durch Heiraten ihrer
Vorfahren verwandtschaftlich verbunden waren.
Die Barone von Hafner und ihre
Verwandten
Als nächste Familie nennt Rogg die Barone von Hafner
von und zu Bittelschieß. Diese geadelten Bürger kamen
durch Heirat der Anna Gremiich von Jungingen, einer
der letzten ihres Stammes, mit dem Hohenzollerischen
Rat der Grafschaft Veringen Dr. jur. utr. Jeremias Zenker (ab 1628 mit Adelstitel) in die Stadt. Dessen Tochter
Apollonia nämlich war die 1. Ehefrau des Johann von
Hafner, der Römischen Kaiserlichen Majestät und des
Kurfürsten von Bayern Oberstleutnant. Hafner hatte
von den Gremiich auch das halbe Bittelschieß übernommen und konnte 1667 vom Bischof von Konstanz noch
die andere Hälfte dieses Dorfes hinzuerwerben. Nach
dem Tod Apollonias 1665 heiratete er noch im gleichen
Jahr in zweiter Ehe Elisabeth von Deuring von Hohentann (gest. 1703, begraben in der Stadtkirche „vor dem
Chorgätter"). Aus dieser Verbindung ging der Sohn
Franz hervor (1669-1746), der sich eine Schweizerin,
Maria
Anna
Franziska
Blarer
von
Wartensee
(1665-1746), zur Frau nahm. 1680 war sein Vater Johann gestorben und in der Stadtkirche vor dem Gremlich-Altar (Dreikönigsaltar) beigesetzt worden. Seine
Mutter Elisabeth schloß drei Jahre später nochmals eine
Ehe, und zwar mit dem Baron Sigmund von Schellen24
berg. Dieser Ehe entsproß 1683 eine Maria Anna. Ihrem
Mann Johann Heinrich von Kern gelang es gegen den
Widerstand der Baronin Maria Anna von Hafner endlich 1715, sich im Gremlich-Haus festzusetzen. Mit Leodegar von Hafner, dem Sohn des Franz von Hafner,
verschwindet die Familie aus der Stadt.
In Sigmaringer Hände und zurück
Leodegar verkaufte nämlich das Gremlich-Haus samt
dem Bittelschießer Besitz im Jahr 1752 für 32 000 Gulden an den Fürstlichen Hofkanzler von Sigmaringen Johann Baptist von Staader, Edlen von Adelsheim (seit
1736). Danach zog er mit seiner Frau nach Frankental in
der Pfalz, wo sie beide starben.
Von Staaders Nachfolgern 8 erwarb 1843 Landwirt und
Bierbrauer Nepomuk
Rossknecht
(1812-1865) das
Haus mit der nördlich daneben liegenden Scheuer (1932
abgebrannt) und den großen Hofplatz. An die Südseite
baute er ein Brauereigebäude mit hohen Fenstern und einem Industriekamin, das dem Obertorturm eine recht
seltsame Konkurrenz machte. Am alten Bau prangte
dann die Inschrift „Brauerei Löwen", und das Innere erfüllte sich mit der Fröhlichkeit biertrinkender Gäste 9.
So blieb es auch unter Nepomuks Sohn Josef
(1847-1906) und dessen Sohn Fritz (1881-1956), bis
1909 die Brauerei Zur Hölle, Radolfzell, in das Unternehmen einstieg, es schließlich ganz übernahm und am
21. Juni 1911 an den Spitalfonds verkaufte. Danach
verschwand das Hochkamin aus der Stadtsilhouette. Das
Brauhaus wurde in Familienwohnungen umgewandelt
(1968 im Zuge einer besseren Führung der Hauptstraße
abgebrochen) 10 . Das Erdgeschoß und der 1. Stock des
alten Hauses dienten sodann als Wohnraum für Bedienstete des Spitals, während der 2. Stock als Pfründnerheim Verwendung fand. Der heruntergekommene Zustand des Anwesens erforderte immer dringlicher eine
entscheidende Lösung 11. Die Vorstellungen des staatlichen Denkmalamtes setzten sich schließlich durch, und
so wurde eine fachgerechte Erneuerung im Hinblick auf
die Verwendung als Schulgebäude (Teil des Gymnasiums) 1976 in Angriff genommen und im Frühjahr 1977
glücklich zu Ende geführt.
Der Bau
Zwei Bauperioden
Eindrucksvoller denn je steht nun, nach vollendeter Außen- und Innenrenovation, das Gremlich-Haus an seinem erhabenen Platz beim Oberen Tor. Das Gebäude
ragt nicht nur durch seine Lage, Form und Größe, sondern vor allem durch seine solide Bauweise hervor. Es ist
das einzige Privathaus in Pfullendorf aus alter Zeit, das
ganz aus Stein gebaut wurde. Nicht nur die Stellung der
Familie Gremiich (von der manche Mitglieder noch andere Häuser der Stadt bewohnten), sondern auch diese
gefährdetste Stelle der Festung Pfullendorf legte eine
solch gediegene Bauweise nahe. Tatsächlich wurden
feindliche Angriffe im Lauf der Geschichte fast immer
gegen das Obere Tor herangetragen. Die östliche Längsfront des Gebäudes bildet zugleich einen Teil der Stadtmauer, der dort allerdings noch ein breiter Wassergraben
zum Schutz vorgelagert war. Die Stadtmauer zog sich
dann - wie man jetzt bei der Renovation durch eine
kleine Aufmauerung andeutete - bis zum Turm hin.
Man kann sich leicht die harmonische Geschlossenheit
der ganzen städtebaulichen Landschaft beim Oberen Tor
vorstellen, hätte man die Mauer, unter Aussparung eines
Durchgangbogens für den Verkehr, bis zum Turm hin
weitergeführt und so den ursprünglichen Zustand einigermaßen wieder hergestellt. Uber den Wehrgang stiegen
früher die Verteidiger bei Gefahr zu jenem hochstehen-
den spitzbogigen Pförtchen hinauf, um dann auf dem
hohen Turm ihren Beobachterposten einzunehmen.
Als der alte Verputz 1976 große Lücken zeigte und
schließlich ganz herabgeschlagen war, sah man an den
gelblichen Molasse-Ecksteinen gegen den Turm hin deutlich, daß der Bau in früheren Zeiten nicht so breit war
wie heute 12. Die originale Gestalt des Hauses wie überhaupt die bauliche Gesamtanlage an der ganzen Oberstadtbegrenzung ist auf den beiden Bildern "hinten im
Schiff von Maria Schray, dem Schwedenbild (renoviert
1715) und der Votivtafel Walter (1742), recht hübsch
dargestellt. Wie man auf dem Schwedenbild und übrigens auch auf dem bekannten Augsburger Kupferstich
der Stadt von 1720 feststellen kann, war das Haus einst
mit einem Satteldach bedeckt, und am Südgiebel zeigte
es eine Fachwerkkonstruktion (sicher auch am Nordgiebel) 13. Das Innere brauchen wir uns für jene frühe Zeit
nicht allzu großartig vorzustellen: gekalkte Wände, Balkendecken, als Einrichtung eine Anzahl strohgefüllter
Bettladen, Tische, Stühle, Truhen, alles recht massiv,
vielleicht da und dort an der Wand ein Ahnenbild und
im Erdgeschoß natürlich die rauchgeschwärzte Küche
mit dem nötigen Inventar an Kupferkesseln und Geschirr.
Der Erweiterungsanbau
im Zeitalter des Barock
Jedenfalls entstand erst durch die Erweiterung um zwei
Fensterbreiten zum Turm hin und dann durch die Stuckausstattung im Inneren die feudale Erscheinung eines barocken Herrenhauses. Ohne einer archäologischen Untersuchung des Gemäuers vorzugreifen, läßt sich sagen, daß
der Anbau entsprechend den oben erwähnten Bildern
nicht vor 1720 ausgeführt worden sein kann, jedoch
1742 fertig war, denn das Votivbild Walter, das Meinrad von Au in diesem Jahr gemalt hatte, zeigt das
Gremlich-Haus bereits mit einem Walmdach (die Stadtansicht auf diesem Ölgemälde ist zwar in der Zeichnung
recht ungenau, doch die Dachkonstruktion des GremiichHauses läßt an Klarheit nichts zu wünschen übrig). Die
repräsentative Erweiterung im Geiste des Barock erfolgte demnach zur Zeit, als Franz von Hafner Besitzer des
Hauses bzw. des „Hofes" war, wie man damals sagte.
Vielleicht hat Baron von Schellenberg, der junge Stiefvater Hafners, dabei finanziell kräftig mitgeholfen. Dieser Herr scheint kapitalkräftig und auch spendefreudig
gewesen zu sein. Der Stadtkirche vermachte er jedenfalls
einen schönen Augsburger silbervergoldeten Meßkelch.
Unglücklicherweise ist das Meisterzeichen ausgebrochen,
und in der Wappenplakette im Fuß des Kelches steht
zwar der Name Schellenberg und die fromme, orthographisch nicht ganz vollkommene Bitte „Sacerdos Dei memendo mei" (Priester Gottes, gedenke mein), doch die
Jahreszahl fehlt leider. Die Beteiligung der Familie von
Schellenberg am Erweiterungsbau scheint so deutlich und
eindrucksvoll gewesen zu sein, daß man das Anwesen
daraufhin kurzweg „Schellenberger Hof" nannte. Auch
Rogg berichtet darüber 1774, als alles schon längst in
andere Hände gekommen war, unter dem Titel „Schellenberger Hof". Und bis zur Generation der jetzigen
Pfullendorfer Großväter war diese Bezeichnung noch
durchaus bekannt und gebräuchlich.
sogenannten Rokoko, einer spielerischen Ausstattungskunst, die in unserer Gegend etwa um 1740 einsetzt und
durch Johann Jakob Schwarzmann (1729-1784) im
Chor der Stadtkirche und in Maria Schray (1750 und
1751) sowie etwa in Bittelschieß, Wald, Sigmaringen
und Meßkirch ihren überwältigenden Ausdruck fand.
Die Stuckaturen im Gremlich-Haus sind freilich völlig
anderer Art. Sie zeigen nicht die rauschende Pracht, leidenschaftliche Wucht und piatische Fülle des jugendlichen Vorarlbergers (vgl. Kirchenführer von St. Jakob),
sondern sprechen eine äußerst zurückhaltende Sprache.
Nur wenig erhaben und feingliedrig treten sie mit ihrer
sehr disziplinierten Ornamentik aus der Stuckfläche heraus. Man muß schon scharf hinsehen, um die zarte Linienführung der kleinen Kompositionen zu erkennen. Es
ist darum auch nicht verwunderlich, daß sie beinah verschwunden waren, nachdem einige Weißelschichten ihre
Konturen verwischt hatten, und darum dem Unverstand
und der Unachtsamkeit verfielen. Von Schwarzmann
können die Stuckaturen also nicht stammen, wie man,
verleitet durch die irrige Annahme, der Künstler habe
jahrzehntelang in Pfullendorf gewohnt 14, schon vermuten zu dürfen meinte. Auch in die zwar gedämpften,
doch immer noch recht schwungvollen späteren Schaffensperioden des Meisters (vgl. Schussenried, Meßkirch)
lassen sich die Stuckarbeiten im Gremlich-Haus wegen
ihrer völlig anderen Handschrift nicht einordnen. Daß
Schwarzmann später noch einmal nach Pfullendorf zurückgekehrt wäre, ist sehr unwahrscheinlich. Das erneute
Auftreten eines Mannes, der mit 21 Jahren in der Stadt
seinen ersten großen Künstlerruhm erworben hatte,
könnte dem Chronisten Rogg nicht entgangen sein. Andererseits bemerkt Rogg nach der Erwähnung des Kaufes
durch den Herrn von Staader 1752, dieser habe „hernach den Hoff renovieret und herrlich hergestellt". Darf
man diese Worte des sonst sehr schlicht berichtenden
Rogg nicht als Hinweis dafür nehmen, daß der Fürstlich
Sigmaringische, soeben in den Adelsstand erhobene Hofkanzler, der für den Kauf des Pfullendorfer Hofes die
schöne Summe von 32 000 Gulden hinlegen konnte, auch
noch imstande war, anschließend für die „herrliche Herstellung" durch eine zeitgemäße Stuckierung aufzukommen? Dabei muß man annehmen, daß er die Stuckatoren, die den verfeinerten Stil adliger Herrschaftshäuser
beherrschten, über seinen amtlichen Bekanntenkreis beibrachte. Ein ausgesprochener Fachmann auf diesem Gebiet könnte wahrscheinlich auf irgendwo vorhandene
Parallelen hinweisen und so die Frage nach Herkunft
und Meister der Stuckaturen beim Oberen Tor anhand
stilistischer Kriterien beantworten. Ob man bei diesen
Überlegungen nicht auch an die Kaplanei St. Johann
denken darf? Die Stuckausstattung dort läßt sich durchaus mit der des Gremlich-Hauses vergleichen, doch
scheint sie etwas älter und von gröberer Hand zu sein
(die Kaplanei wurde 1734 erbaut). Johann Schupp will
hier den Pfullendorfer Stuckator Franz Xaver Guhl
(geb. 1735) ins Gespräch bringen. Für die Kaplanei mag
man ihn in Erwägung ziehen, doch für einen Stuckierungsauftrag Staaders kurz nach 1752 war er noch zu
jung. Guhl wirkte 1786 bei der Renovierung des Rathauses mit, doch damals arbeitete er schon klassizistisch.
Die Stuckierung der Innenräume
Das Gremlich-Haus,
Reichsstadt
ein kleines Prunkstück
der alten
Ist man mit der Datierung des Erweiterungsbaus für die
Zeit zwischen 1720 und 1742 einverstanden, so lassen
sich auch die Stuckaturen im Inneren (Eingangshalle,
Treppenläufe, Flur, Wohnzimmerdecken, soweit noch
vorhanden) einigermaßen zeitlich festlegen. Rein stilmäßig stammen sie aus der spätbarocken Kunstepoche, dem
Wie dem allem auch sei, die Pfullendorfer können froh
sein, daß sie in letzter Minute noch den traditionsreichen
und großartigen Bau des Gremlich-Hauses gerettet haben und in seinen glücklich erhaltenen Stuckaturen ein
einzigartiges Kunstwerk besitzen. Wer Sinn für Kulturgeschichte hat, wird es besonders als Denkmal der feuda25
len Vergangenheit unserer Stadt schätzen. Deutlicher
denn je bildet das Haus nun einen hervorragenden
Punkt im Gesamtbild der Stadt und i eckt in jedem, der
von irgendwoher auf es zugeht, ein freudige Überraschung. Von jetzt an ist es für die beren Klassen des
Gymnasiums bestimmt. So steht es
;derum im Zeichen
einer höheren Kultur, der die alten Gremiich schon vor
vielen Jahrhunderten auf ihre Weise gedient haben.
Hinweise:
Allgemeines
Lexikon
der bildenden
Künstler,
Bd. 30. Leipzig
1936.
Archiv
der Stadt Pjullendorj.
Pfullendorf (Gemeindeverwaltung), Karlsruhe Generallandesarchiv.
Denkmalpflege
in Baden-Württemberg
5 (1976) 1 2 0 / 1 2 1 :
Kulturförderungsprogramm hilft der Denkmalpflege, 11.
Frick, Walther: D a s weiße und das graue Kloster und der alte
»Löwen«. Wie man in Pfullendorf Denkmäler pflegt. H o henzollerische H e i m a t 26 (1976) 1 5 - 1 6 .
Groner, Josef: St. Jakob Pfullendorf (Kirchenführer). Schnell
und Steiner, München-Zürich 1976.
Pfullendorf, Königlich-staufische Stadt. Konstanz 1971.
Hornstein-Grüningen,
Edward
von: Die von Hornstein und
Hertenstein. Konstanz 1911.
Kindler
von Knobloch,
Julius:
Oberbadisches Geschlechterbuch, Bd. I. Heidelberg 1898.
Mühlebach,
Josef: Bittelschieß. Aus der Geschichte eines D o r fes. Hohenzollerische H e i m a t 23 (1973) 2 2 - 2 4 .
Rogg, Franz Andreas:
Locus triumphalis 1774 (Chronik der
Stadt Pfullendorf). Handschriftlich (Archiv der Stadt P f u l lendorf, Pfullendorf).
Schmid,
Karl:
Graf Rudolf von Pfullendorf und Kaiser
Friedrich I. Freiburg i. Brsg. 1954.
Schupp, Johann:
Künstler und Kunsthandwerker der Reichsstadt Pfullendorf. Selbstverlag des Verf. 1952.
D i e Freie Reichsstadt Pfullendorf und ihre Geschlechter.
Stadt Pfullendorf 1964.
Denkwürdigkeiten der Stadt Pfullendorf. Karlsruhe 1967.
Staatsarchiv
Sigmaringen.
Anmerkungen:
1 Der Erwerb neuen Grundbesitzes hat sich häufig in einer
Erweiterung des Adelsnamens niedergeschlagen, so e t w a :
Gremiich von Bittelschieß (seit 1429), von Hasenweiler, von
Zusdorf, von Menningen, von Krauchenwies, von Sandegg
(Schweiz). N a c h der ehelichen Verbindung mit der Erbtochter von Jungingen 1480 erscheint der N a m e »Gremiich
von Jungingen".
2
Bürgermeister treten erstmals mit der Zunftordnung von
1383 auf. D a m a l s wurde die Feudalordnung in der Stadt
durch ein demokratisches System friedlich abgelöst. D i e früheren Ammänner, die bislang die Stadt regierten und zugleich Recht sprachen, mußten sich fortan mit der rein richterlichen Funktion zufrieden geben.
Deutung des Ortsnamens
Heiligenzimmern
Der Ort hieß ursprünglich „Zimbern in horgun". Der
erste Teil des Ortsnamens kommt von horg, horgen =
sumpfig, also Wohnort am Sumpf, was zur Niederung,
in welcher Heiligenzimmern liegt, paßt.
Der zweite Teil des Ortsnamens wird von Holz (daher
Zimmermann) abgeleitet, Zimmern soviel als Häuserheim oder von dem Volksstamm der Zimbern, die sich
hierzulande niedergelassen und zahlreiche Orte dieses
Namens gegründet haben sollen.
Heiligenzimmern wird im Jahre 1034 zum erstenmal
urkundlich erwähnt und zwar in einer Urkunde, die im
Altarstein in Heiligenzimmern im Jahre 1847 aufgefunden wurde. Dieselbe befindet sich im Pfarrarchiv in
Haigerloch. Schon 1304 war Heiligenzimmern ein
Pfarrdorf und hatte früher einen eigenen Adel, wobei
ein Ritter Werner, genannt Simmerli, im Jahre 1269 als
Zeuge bei den Grafen von Hohenberg auftritt. G. W.
26
3
Im höheren Klerus ist nur ein Gremlich-Domherr von
Konstanz auszumachen. Sonst finden sich unter den Gremlich-Geistlichen z. B. ein Pfarrer von Linz und einer von
Zell a. A.
4
D a s ursprüngliche Gremlich'sche Kaplaneihaus befand sich
in der Hauptstr. N r . 3 beim Oberen Tor.
5
D i e Einziehung der Kirchenglocken in den Weltkriegen
war der äußere Anlaß für das Verstummen dieses Geläutes.
1795 ließ die Stadt eine neue »Todesangst-Christi-Glocke«
mit spätbarocker Ornamentik gießen. Sie wurde 1942 für
Kriegszwecke beschlagnahmt, kam jedoch 1945, etwas beschädigt, zurück, ohne jedoch ihre traditionelle Funktion
wiederzuerlangen.
6
Weitere Gremlich-Wappen finden sich an der Sakristeitüre
von Einhart und in der Kirche von Menningen. Vgl. auch
Karl Obser in Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 70 (1916)
1 9 3 - 2 0 2 , (Gremlich-Wappen in Salem).
' Dieser letzte Gremiich starb im H a u s A m Alten Spital N r .
2 (heute Geschäft Paul Kaufhold).
8
Johann Baptist von Staader starb 1783. Unter seinem Sohn
Adolf kam der Bittelschießer Besitz an das Fürstentum Sigmaringen (1787). Wie es mit dem Gremlich-Haus bis zur
Übernahme durch die Rossknecht 1843 genau weiterging,
läßt sich augenblicklich nicht ausmachen.
9
Der Malermeister und Amateurkünstler Matthäus H o f mann, Pfullendorf, hat die damalige »Brauerei Löwen« in
einem Ölbild festgehalten.
10
Praktisch waren hier mittellose oder wenig bemittelte alte
Männer untergebracht.
11
Das H a u s befand sich 1976 in einem äußerst desolaten Zustand, weil seit der Übernahme durch den Spitalfonds 1911
keine durchgreifende Renovation mehr vorgenommen wurde. Man trug sich sogar mit dem Gedanken, es abzureißen
und auf dem Platz ein Warenhaus zu errichten. D e m D a zwischentreten des staatlichen Denkmalamtes ist es zu verdanken, daß der alte Bau erhalten blieb.
12
D a ß der heutige K o m p l e x aus zwei Teilen, die verschiedenen Epochen angehören, besteht, ist evident. Als Baujahr
einfach „um 1700" anzugeben, ist darum nicht zulässig
(vgl. A d o l f Schahl: Kunstbrevier Oberschwaben).
13
D a s Schwedenbild stammt also aus der Zeit vor 1715, dem
Motiv nach zu schließen noch aus dem 17. Jahrhundert.
1715 hätte das H a u s entsprechend der damaligen Stilrichtung z w a r bereits ein Walmdach tragen können, doch ist
dies nicht anzunehmen, sonst hätte der Renovator die Satteldachform und das Giebelfachwerk nicht so auffallend
deutlich herausgehoben. Diese Annahme wird durch den
späteren Augsburger Kupferstich (Stadtansicht 1720) bestätigt.
14
Schwarzmann wurde 1729 in Schnifis (Vorarlberg) geboren
und ist 1784 dort auch gestorben. Er stammte aus einer angesehenen und wohlhabenden Familie. N e b e n seiner künstlerischen Tätigkeit übte er in seiner H e i m a t die Funktion eines Amtmannes im Gerichtsbezirk Jagdtberg aus.
Brunnenheilige im Narrenhäs
Unter diesem Titel erschien im Verlag des Südkurier in
Konstanz ein Buch über Narrenbrunnen und närrisches
Wasserbrauchtum einst und heute. Tatsächlich hat das
närrische Brauchtum an vielen Orten mit Wasser und
Brunnen zu tun. Man denke nur, um in Hohenzollern zu
bleiben, an das Bräuteln in Sigmaringen oder das Grosselfinger Narrengericht. So ist es kein Wunder, daß sich
an vielen Fasnachtsorten im schwäbisch-alemannischen
Raum die Narrenzunft ein Denkmal in Form eines Narrenbrunnens gesetzt hat. Der Verfasser, Hans-Günther
Bäurer aus Stockach beschreibt nicht nur über 40 Narrenbrunnen, sondern berichtet eingehend über das zugehörige örtliche Brauchtum und dessen Geschichte. So ist
das Buch eine Fundgrube für Freunde der Volkskunde,
insbesondere des schwäbisch-alemannischen Fasnachtsbrauchtums (204 Seiten mit 17 farbigen und 28 einfarbigen Abbildungen, DM 29.50).
B
MANFRED H E R M A N N
Die T h u m u n d Taxissche Postablage
Burladingen
Der Burladinger Postablagestempel auf Brief oder Marke wird ab und zu auf einer Auktion angeboten; meistens ist dann das Los mit einem relativ teuren Preis
ausgezeichnet. Ist der Stempel auf Grund des damaligen
Postumfangs tatsächlich selten?
Burladingen, heute eine bedeutende Industriegemeinde
mit mehr als 10 000 Einwohnern war noch vor 100
Jahren ein relativ armer, bescheidener Ort. Seit dem
Mittelalter gehörte er zur Grafschaft bzw. zum Fürstentum Hohenzollern-Hechingen. Durch Errichtung
einer kaiserlichen Poststation am 1. 10. 1756 in Hechingen, am Postkurs Stuttgart-Schaffhausen, war das Fürstentum an den Postverkehr angeschlossen. 1776 erklärte sich der Fürst von Thum und Taxis bereit, auf der
Strecke Hechingen über Gammertingen nach Riedlingen eine Extrapost einzurichten, um eine Verbindung
mit dem Schwäbischen Oberland herzustellen. Diese
führte auch durch Burladingen. Allerdings gab es keine
Gelegenheit, der Extrapost Briefe mitzugeben. Bis zum
Jahre 1845 wurde die gesamte Post zwischen Gammertingen und Hechingen von einem privaten fahrenden
Boten erledigt.
Erst seit dem 1. 1. 1845 verkehrte zweimal wöchentlich
zwischen Hechingen und Sigmaringen ein Eilwagen,
der neben Personen auch Briefe und Pakete beförderte.
Damit war auch Burladingen an das Postnetz angeschlossen. Unterm 15. Oktober 1853 wurde durch die
Regierung in Sigmaringen bekannt gegeben, daß zwischen den einzelnen Poststellen auch in verschiedenen
Unterwegsorten Personen auf freie Plätze des durchpassierenden Eilwagens oder der Beichaise eingeschrieben werden können, natürlich gegen Entrichtung des
Personengeldes. In Burladingen war dies bei Hirschwirt
Stehle möglich.
Durch Initiative des Vorstandes des Sigmaringer Postamtes, General-Postdirektionssekretär Wilcke, wurde
am l . J u n i 1858 eine tägliche Personenpostverbindung
zwischen Sigmaringen und Hechingen eingerichtet.
Gleichzeitig traten an diesem Kurs eine Reihe von
Briefsammelstellen (Kollektionen) in Tätigkeit: in Veringenstadt, in Hettingen und in Burladingen. Der Postkollektor, der in Burladingen dem Postamt Hechingen
unterstand, nahm also Briefe entgegen, versah sie mit
Briefmarken und brachte auf ihnen den zweizeiligen
Kastenstempel H E C H I N G E N - B U R L A D I N G E N an,
unter handschriftlicher Beifügung des Datums. Dann
gab er die Postsachen dem durchpassierenden Postwagen nach Sigmaringen oder Hechingen mit. Dagegen
befaßte sich der Kollektor nie mit der Zustellung von
Briefen.
Der 3 6 x 1 1 mm messende, stets in Schwarz abgeschlagene Kastenstempel, besitzt gegenüber anderen eine Eigenart: Seine vier Ecken sind abgeschrägt. In der Zeit
der Postkollektion wurde er offensichtlich stets auf der
Marke und nicht, wie vorgeschrieben, daneben verwendet. Die Gebrauchsdaten des Kollektionsstempels lassen
sich exakt angeben: vom 1. 6. 1858 bis zum 19. 4. 1864.
Postmeister Ernst Thierbach von Sigmaringen, Postkommissar der Hohenzollerischen Lande, bemühte sich
ab 1863, jeden Ort, auch den kleinsten Weiler, durch
sogenannte Landpost zu erreichen. So trat auch in Burladingen am 20. April 1864 eine Postablage in Tätigkeit,
die das Provisorium der Briefsammelstelle ablöste. Von
Burladingen aus wurde am Dienstag, Donnerstag und
• '
Burladinger
stempel
Postablagestempel
und
Hechinger
Nummern-
Samstag der Weiler Hermannsdorf durch den Landpostboten begangen. Später kam noch der Ort Gauselfingen dazu, der ursprünglich von Gammertingen aus
betreut wurde. Eigentlich müßte in beiden Gemeinden
ein Briefkasten mit einem einzeiligen Rahmenstempel
vorhanden gewesen sein. Leider wurden noch nie Abdrücke davon gefunden. Postablagebesorger war der
Kaufmann Cornel Pfister, dessen schwungvolle Unterschrift wir heute noch auf Postscheinen bewundern. Er
verwandte auch weiterhin den einstigen Kollektionsstempel, doch setzte er ihn jeweils vorschriftsmäßig neben die Marken, die in Hechingen mit dem Nummernstempel „305" entwertet wurden. Während der ganzen
Postablagezeit wurde der Zweizeiler im Kasten nie
durch einen Datumstempel ersetzt, wie das in Veringenstadt, Jungingen und Krauchenwies geschah. Eigenartigerweise stempelte Pfister die angekommene Post
zunächst nie auf der Rückseite (wie das sonst üblich
war), so daß der Burladinger Postablagestempel anderen gegenüber wesentlich seltener ist, zumal das Posteinzugsgebiet relativ klein blieb. Erst als die Thum und
Taxispost am 1. Juli 1867 an Preußen überging, finden
wir im September und Oktober den Ablagestempel
auch auf der Rückseite der Briefe.
Mit dem Ubergang der Post an Preußen wurde Burladingen, wie alle anderen Postablagen zu einer Postexpedition II. Klasse. Noch gab es eine Zeitlang weiter den
zweizeiligen Kastenstempel (letztes Verwendungsdatum
in meiner Sammlung der 11.10.67), dann wurde er
durch den neuen Expeditionsstempel, Einkreiser mit
vollem Datum und Stundenangabe, abgelöst. Als erstes
Datum besitze ich einen Stempel vom 22. 10. 1867; er
wurde bis in die Mitte der achtziger Jahre hinein verwendet. Übrigens sind Marken der Preußenzeit mit Ablage und Expeditionsstempel von Burladingen gleich
selten. Das Postamt Hechingen hat den Burladinger Ablagestempel im Oktober 1867 eingezogen, aber nicht
vernichtet. Man entfernte die zweite Zeile (Burladingen) und verwendete den Stempel im Innendienst und
auf Postscheinen weiter. Daß es sich um den ehemaligen Burladinger Stempel handelte, erkennt man an den
abgeschrägten Ecken.
Quellen
und Literatur:
Thele, Geschichte des Postwesens in
den Hohenzollerischen Landen, Berlin 1912; Amtsblätter der
Königlich-Preußischen Regierung in Sigmaringen 1 8 5 3 - 7 0 ;
Alfred
Rist, T h u m und Taxis in Hohenzollern in RheinLahn-Bote 1965 und 1966.
27
J O H A N N ADAM KRAUS
Die Seelsorger v o n Z i m m e r n bei Hechingen
Vorbemerkung: Das Dorf Zimmern, neuestens mit der
Gemeinde Bisingen vereinigt, war lange Zeit Filiale der
Pfarrei Steinhofen. Von 1134-56 wohnte Graf Gottfried, ein Bruder des Zollergrafen Egino, auf dem Bürgle
zu Zimmern, von dem heute nur der Flurname übrig ist.
Am 13. Dezember 1765 wurde durch den Cardinalbischof Franz Konrad von Rodt zu Konstanz ein Benefizium dahier bestätigt, das dann 1873 zur Pfarrei erhoben ist. Doch sind erst seit 1819 eigene Seelsorger bekannt.
1 1819-21
Konrad
Volm,
geb.
Hechingen
21. 12. 1796, Priester 1819. Er ging 1821 nach Hausen i. Kill., 1839 nach Weilheim und starb in Hechingen am 31. 3. 1877.
2 1821-23
Hermann
Milden,
geb.
Hechingen
7. 6. 1798, Pr. 1820; 1823 Pfr. in Stetten u. Holst.,
t 26. 5. 1870 ( H J H 1955,96).
3 1823-28 Josef Anton
Reiner, geb. Hechingen
5. 1. 1795, Pr. 1821; Vik. Hechingen, 1823 Benefiziat
i. Zimmern, 1828 Pfv. Stein, 1828 Owingen, gest.
14. 4. 1858.
4 1828 Aushilfe: Anton
Seitz,
geb. Hechingen
21.8.1796, Pr. 1821; 1826-33 Pfr. i. Thanheim,
dann entlassen.
5 1828-30 Hermann Friedr. Bulach seit 23. Mai; geb.
Hechingen 8.9.1801, Pr. 1824, Vik. Hechingen,
Kapl. Zimmern, 1830 Stadtpfr. Hechingen, 1841 Dekan, Beirat der Fürstin Eugenie; f 1- Mai 1857.
6 1830-31 Wunibald Gsell, geb. Thanheim 7.4. 1801,
Pr. 1828; Vik. Hechingen, 1831 Pfr. Wilflingen,
1853 Dettensee, 1858 Fischingen; f 18. 6. 1882.
7 1831-39
Lorenz
Schweinler,
geb.
Hechingen
3. 8. 1803, Pr. 1828; Vik. Möhringen u. Hechingen,
1830 Kapl. Steinhofen, 1839 Pfr. Hausen/Kill.; gest.
12. 3. 1882.
8 1839 Aushilfe durch den Vik. Werner von Weilheim
seit 5. Juli.
9 1839-42 t Josef Harer, geb. Weilheim 25.9.1806;
Pr. seit 15. 8. 39, ist 21. 4. 41 krank. Es helfen aus
Blumenstetter von Boll, Coop. Klaffschenkel - Hechingen, und J. B. Diebold - Thanheim. In Wessingen helfen Pfr. Volm - Weilheim und Vik. Gottfr.
Pfister - Steinhofen. Harer starb am 20. 8. 1842.
10 1842 seit 20. 8.: Vik. Job. Bapt. Blöchlinger, kommt
aber schon 17. Sept. nach Steinhofen.
11 1842-54 Gottfried Pfister seit 18. 10., geb. Hechingen 7.5.1811, Pr. 1826; Vik. Rangendingen 1863
Pfr. Burladingen, 1870 Heiligenzimmern; gest.
25. 5. 1887. Im Jahr 1854 hat er getauscht mit:
12 1854-55 Johann Birkle, bisher Jungingen; geb.
Rangendingen 22.5. 1823. Pr. 1847; geht am
11. Aug. 55 nach Heiligenzimmern, 1857 Krauchenwies, später krank nach Isny, f 25. 5. 1886.
13 1855-56 Hermenegild Fechter, seit 18. Nov.; geb.
Hart 23.4.1828, Pr. 1854, bish. Vik. Burladingen;
starb in Hechingen am 22. 8. 56 an Lungentuberkulose.
14 1856-57. Am 18. August wird als Verw. angewiesen
Christian Eger, bisher in Jungnau, kommt aber jahrsdarauf als Kplv. nach Gammertingen.
15 1857-69
f
Konrad
Braun,
geb.
Thalheim
16.9.1829, Pr. 1854; bish. Coopr. in Hechingen,
wird durch Fürst Karl Anton präsentiert am 28. Juli.
Stirbt nach 12 Jahren an Blutsturz am 20. 1. 1869.
16 1869-70 Verw. Josef
Klotz,
geb. Weilheim
13.4. 1840, Pr. 1866; bisher in Hetlingen, geht 1870
28
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
ans Pfv. nach Bisingen, 1875 Hartheim b. Meßkirch,
1877 Menningen, 1888 Heiligenzimmern, gest.
6. 8. 1899.
1870-71 Tryphon
Krom, geb. Sigmaringendorf
10. 11. 1836, kommt hierher von Bietenhausen am
30. 8. 70, geht jahrsdarauf nach Levertsweiler, gest.
21. 3. 1906.
1871-85 Eugen Jung, geb. Sigmaringen 6. 6. 1846,
Pr. 1869, bisher Kplv. in Veringendorf, wird nach
Examen am 23. 4. 73 als erster Pfarrer dahier investiert, geht 16.11.85 nach Stein, dann Harthausen,
zuletzt seit 1894 Pfr. Bingen, f 17. 11. 1899.
1885-86 Verw. Vinzens Hellstern, bish. Vik. in Urberg, kommt 23. 9. 86 nach Ostrach.
1887-96 August Bailer, bish. Pfv. Grosselfingen,
kommt 27. 4. an, invest. 15. 11. 87, geb. Sigmaringen
2.10.1860, geht von hier nach Sigmaringendorf, gest.
8. 1. 1906.
1896-97 Verw. Johann Gg. Hagmann, bish. Sigmaringendorf, geb. Braunenweiler (Wtbg) 30. 9. 67, Pr.
1893; ging 1897 nach Diessen, später Dogern, gest.
6. 7. 1933 i. Bonlanden (Wtbg).
1897-1904 Josef Ant. Weber, bish. Pfv. Salmendingen, geb. Hechingen 8.4.1866, Pr. 1890; invest.
17. 8. 1897, geht nervenleidend 1904 als Kpl. nach
Heigerloch, verzichtet auf die Pfarrei erst 7. 11. 07;
gest. Hechingen 25. 2. 1929. 1902 halfen Franziskaner von Gorheim aus.
1902-03 Aushilfe: Hermann Herz, bish. Rektor i.
Moselweis b. Koblenz, geb. Weildorf 19. 4. 1874, Pr.
1899; ist später Pfr. i. Dettlingen, invest. 1912, gest.
3. 4. 1946.
1903-04 Verw. Ferdinand Haussler, bisher Vik.
Bruchsal, geb. Bietenhausen 12. 3. 1875, Pr. 1910;
geht 18. 10. 04 nach Boll, 1916 Neufra, 1937 Levertsweiler, 1951 pens. Mengen, f 4. 7. 1961.
1904-20 Verw. seit 18. 10.: Eugen Mößner, bish.
Veringendorf, geb. Colmar 15.9. 1877, Pr. 1901;
präs. 18. 4. 08, invest. 8. 6. 08; geht 15. 12. 1920 nach
Mindersdorf, Ruhestand
1932;
f
Hechingen
27. 10. 1938. Wessingen wurde 1913 von Weilheim
nach Zimmern umgepfarrt.
1920-29 Karl Miller, bisher i. Stein, geb. Bingen
26.2.1886, Pr. 1911; invest. 26.3.22, ging 1929
nach Harthausen/Sch. f Sigmaringen 14. 4. 40.
1929-38 Wilhelm Dreher, bish. Vik. Rotenfels, geb.
Frohnstetten 17.6.91; Pr. 1921; invest. 24.11.29;
ging 10. 8. 38 nach Veringenstadt, inv. 13. 5. 40; ging
1950 nach Weilheim, 1953 Ruhestand Sigmaringen,
gest. 11.4. 1960.
1938-41 Sebastian Maier, bish. Vik. B-Baden; geb.
Ringingen 4. 7. 06, Pr. 1931; ging 1941 als Pfr. nach
Langenenslingen, 1948 Sigmaringen, später Oberkirch b. Solothurn, 1975 Ruhestand i. Heidenheim
(Wtbg).
1941 Mai 3.: August Seiler, bish. i. Müllen, geb. BBaden 10. 6. 01, Pr. 1929; ging bald nach Gutmadingen, wo er 30. 10. 1960 starb.
1941-47, hier seit 21. Juni: August Kälble, bish.
Neulußheim, geb. Fussbach 3.1.03, Pr. 1930; ging
1947 nach Neuhausen/Villg., später Tiergarten (Bd.),
wo er 19. 4. 1960 starb.
1947 Wilhelm Topp, bish. Vik. Villingen, geb. Sigmaringen 28. 11. 1912. Pr. 1937; hier seit 23.4.47,
invest. 18. 5. 1947. Genialer Musiker! Ad multos annos!
J O H A N N ADAM KRAUS
Zur B o h n e r z g e w i n n u n g auf der Alb
Im Jahr 1975 erschien im Verlag Acker KG in Gammertingen (bzw. Gemeindeverwaltung Veringenstadt) ein
50seitiges Heftchen von Dr. Erwin Zillenbiller mit dem
Titel „Bohnerzgewinnung auf der Schwäbischen Alb"
mit Tabellen und Zeichnungen. Der Verfasser stützt sich
hauptsächlich auf Überlieferungen der Leute und Akten
des Staatsarchivs Sigmaringen sowie auf J. Maiers Aufsatz über das Hüttenwerk Laucherthal im Hohenz. Jahresheft 1956. Maier hat die Bohnerzgewinnung in Inneringen auch im Heimatbuch der Gemeinde 1966, 245 ff.
behandelt und in der 1975 erschienenen „Bibliographie
der hohenzollerischen Geschichte" werden S. 286-287
etwa 37 frühere Arbeiten über dieses Thema aufgeführt,
welche alle das hohenzollerische Gebiet betreffen. Im
15. Jahrhundert bestand an Stelle der jetzigen (stillgelegten) Burladinger Mühle eine Föhlin- oder Funkenschmiede (im Gegensatz zu einer Kaltschmiede) und im
18. Jahrhundert auch eine solche am Ausgang des Bittelschießer Täles. Auf dem Felsen der vorderen Burgstelle
„Falken" bei Burladingen fanden sich Eisenschlacken
vom ehemaligen Blau-Ofen des Burgschmieds und in
Nähe des Monkberges bei Salmendingen werden 1530
die „Bläwinen" genannt, die wohl der Verarbeitung des
Bohnerzes dienten. Entgangen ist Herrn Zillenbiller die
Nachricht über einen Erzofen bei Veringenstadt von
1730, von dem heute noch der Flurname „Beim Hammer" zeugt. Damals hat der Sigmaringer Fürst für die
Arbeiter des Gießofens beim Bischof zu Konstanz die
Dispens vom Sonntagsgebot erwirkt ( H H 1958, 64). Bei
Rangendingen gab es an der Starzel im Jahre 1544 eine
Flur „Beim Hammerschläglin".
Seit uralter Zeit haben die Schmiede in sog. Rennfeuern
oder Blauöfen aus Erzen der Alb auf einfachste Weise
mittels Holzkohlenfeuer das Eisen ausgeschmolzen und
dann verarbeitet. In Ringingen zeugen noch viele „ErzIöcher" von dem kostbaren Metall, so im Eisenloch
(1524 erw.), in Bäbeloch, Burrenhäule, Kästlesbühl
(oberhalb Ruine Ringelstein), Käppelestaig und Hälschloch. Von Ende des 17. Jahrhunderts an lieferte man das
in Erzwäschen gereinigte Bohnerz in die Hütten- oder
„Bergwerke" Thiergarten a. d. Donau, 1710 Laucherthal
und auch Friedrichstal. Beschreibungen einer solchen
Wäsche finden sich in Albv. Blätt. 1912, 406 und in ZilIenbillers Schriftchen. Beim Waschen in großen Rührpfannen sank das Erz zu Boden, die Erde aber löste sich
und wurde mit dem Wasser abgelassen. In Ringingen befanden sich laut Angaben des 1938 verstorbenen Steinhauers Karl Dietrich solche Erzwäschen am Mettenbergbrunnen hinter Eisenloch, am Eck vom Bäbeloch, am Eiselocher Weg, am Langenrain, bei Großbrunnen, an
Raißles Häldele und bei's Kipfen Kreuz unter Hälschloch. Nach der alten O / A Beschreibung Riedlingen
(1827, 63) bestand um 1820 eine Abmachung zwischen
Württemberg und HohenzoIIern-Sigmaringen, wonach
die Ringinger Erze nach Friedrichstal (b. Freudenstadt!),
die Egelfinger und Emerfelder Erze nach Laucherthal
zollfrei geliefert werden durften.
Im Jahre 1811 wurde von der Sigmaringer Regierung
(Amtsblatt 12. Sept.) eine Erzgräberordnung erlassen.
Das Meßkircher Forstamt, das noch lange für Ringingen
zuständig war, erlaubte am 7. Juli 1827 das Graben im
Gemeindewald am Weg ins sog. Adamsteich (zwischen
Burrenhäule und den Privatwäldern). Die Löcher mußten
nachher wieder zugefüllt und Bäumchen gesetzt werden.
Von jedem Kübel zahlten die Gräber der Gemeinde einen
Kreuzer, wenn das Erz im Lande blieb, dagegen wenn es
ins Ausland ging, zwei Kreuzer als Bodenzins. Als Graber
um 1817-30 sind bekannt: Math. Freudemann (Hs. 88),
Anton Beck (28), Anton Kraus (89), Egid Hohner (86b),
Franz Faigle (118), Math. Rueß (131), Andrä Dieter
(86a) und Philipp Dieter (32). Wieviel eigentlich Erz gefördert wurde, ist nicht gesagt, doch nahm die Gemeinde
im Jahre 1837 an Erzkübelgeldern 112 Gulden und 32
Kreuzer ein. Im Steuerkataster von 1847 stehen als Graber mit je 100 fl Steuerkapital erwähnt: Anton Beck,
Philipp und Jordan Dieter, später noch Franz Faigle, die
ans Hüttenwerk Thiergarten verkauften. Doch waren
die Transportkosten vom Verdienst abzurechnen.
Eigentümlicherweise ziehen sich die Erzadern fast immer
in west-östlicher Richtung hin, und erreichten im Eisenloch eine große Tiefe von angeblich 30 und mehr Metern! Manchmal findet man auch eherne Schnecken,
bzw. Abdrücke von Meeresschnecken, z. B. am Talwieser
Weg und in Bräuneschmack auf den Äckern. Im Jahre
1857 ging das Gerede, man wolle nächstens in Burladingen eine Eisenschmelze bauen. Die Gemeinde Ringingen
erließ am 25. August 1862 eine Erzgräberordnung: „1.
Gesuche um Grab-Erlaubnis auf Gemeindegrund sind
ans Bürgermeisteramt zu richten, das die Erlaubnisscheine ausstellt. Das Erzsuchen darf in der Regel nur mit
dem Erzbohrer geschehen. Wo auf steinigem Grund dies
nicht möglich ist, bedarf es zu Grabungen mit Hacke und
Schaufel einer weiteren Erlaubnis. 2. Ist Erz gefunden
worden, so wird dem Gräber ein Platz zum Aufhäufen
angewiesen. Leere Gruben und Löcher sind alsbald zuzufüllen. 3. Bäume und Sträucher dürfen nur mit Genehmigung des Waldschützen umgemacht werden und gehören der Gemeinde. 4. Der „Erzgrund" darf bei Geldstrafe von Vs bis 5 fl nur auf ausdrücklich hierzu gestatteten
Wegen abgeführt werden. 5. Halb geleerte Gruben sind
nicht im Stich zu lassen. Für den technischen Ausbau der
Gruben (Sprießen etc.) wird die Gemeinde einen geeigneten Mann als Aufseher bestellen. 6. Sollten die Hüttenwerke einen inspizierenden Techniker fordern, so ist dies
lediglich Sache der Interessierten. 7. Ausbeutete Gruben
müssen dem Bürgermeister gemeldet werden, das er auf
Zufüllung drängen kann. Wird die Frist der Einebnung
nicht erfüllt, so wird dies von der Gemeinde auf Kosten
des betr. Gräbers besorgt. 8. Den Aufsichtspersonen ist
im allem Folge zu leisten. 9. Die Höhe des Kübelgeldes
als Entschädigung an die Gemeinde wird vom Gemeinderat festgesetzt werden. Das hohenzollerische Hüttenwerk Laucherthal zieht bei der Abrechnung dieses Kübelgeld für die Gemeinde sofort mit ab. 10. Jeder Erzgräber muß diese Bestimmungen unterschreiben."
Noch im Dezember 1871 erlangte Jordan Dieter die Befugnis, auf dem Burren nach Sand oder Erz zu suchen,
doch mit der Auflage, die Löcher wieder zuzufüllen.
Eng mit dem Erzgraben verbunden war das Köhlerhandwerk, das in Ringingen bis 1914 noch von den Schmieden betrieben wurde. Schon 1404 gabs daselbst den Familiennamen Kohler. Kohlplatten bestanden a) in Saien
unterm Siechenbrünnle, b) auf der Hagenwies am Dannemer- oder Burladinger Weg, c) auf dem Kälberwasen
im Buckental unterm Ringelstein, d) bei der Flur Ziegelhütte, e) unweit des Bildstocks St. Johannes von Stetten
im unteren Teil des Kirchholzes. Schmied Josef Dorn
legte um 1912/13 zwischen den beiden Käppelestaigen
29
eine Kohlhütte an. In den Jahren 1735-37 sind aus den
Herrschaftswäldern zu Ringingen ins „Bergwerk" Thiergarten 1571 Bergklafter Holz verkohlt worden, das
Klafter zu 50 kr, also zu 1309 fl 10 kr. Als man 1748
den Martin Hipp (Hs. 99) ertappte, wie er im Herrschaftswald einen Stamm Holz zum Verkohlen fällte,
wurde er zur Strafe eine Stunde in den Spanischen mantel gesteckt (umgedrehte Tonne mit Loch für den Kopf!)
und mußte dem Melchinger Jäger (Förster) Johann Georg Bogenschütz 24 Kreuzer bezahlen. Heute zeugen nur
noch die Erzlöcher von der mühseligen Arbeit der Erzschürfer.
J O H A N N WANNENMACHER
Ein hartes Auswandererschicksal
Josef Gehweiler aus Grüningen bei Riedlingen schreibt 1855 aus Amerika einen Brief an seine Frau
Mein Auswandererbrief aus Amerika in Heft 4 der „Hohenzollerischen Heimat" vom Dezember 1976 hat vielseitiges Interesse gefunden. Neben verschiedenen Zuschriften ist mir u. a. von einem Bezieher der „Hohenz.
Heimat" aus Grüningen b. Riedlingen nachstehender
Auswandererbrief zur Veröffentlichung zugegangen.
Hierzu sei folgendes bemerkt:
Josef Gehweiler aus Grüningen war Schreiner und betrieb nebenbei eine kleine Landwirtschaft. Bei der Ablösung hatte er noch ein Drittel eines großen Bauernhauses
übernommen. Wie bekannt ist, waren aber die Fünfziger
Jahre des letzten Jahrhunderts sehr schlechte Jahre.
Trotz allen Fleißes war es Gehweiler nicht möglich, sein
Anwesen zu erhalten und seine Familie zu ernähren.
Dazu kam noch großes persönliches Unglück. Von sechs
Kindern waren in wenigen Jahren fünf gestorben. Wie
soviele in damaliger Zeit entschloß sich dann Gehweiler
zur Auswanderung. Da aber seine Frau damit nicht einverstanden war, verließ er im Oktober 1854 heimlich
seinen Ort und begab sich notgedrungen auf den Weg
nach Amerika. Welch hartes Schicksal ihn aber zuerst
traf, berichtet er in einem Brief vom März 1855 an seine
Frau in Grüningen, die dann mit dem einzigen Kinde
doch noch auswanderte und ihrem Manne nach Amerika
nachfolgte.
„Seneca Falls State of Newyork of Amerika, den 18.
März 1855
Theure Gattin!
Ich grüße Dich erstens und alle, die an unserem Schicksal teilgenommen haben, und wünsche, daß Euch mein
Schreiben in bester Gesundheit antreffe, so wie ich es
wirklich auch bin.
Mit bangem Herzen schreibe ich Dir diesen Brief, denn
es ist bald ein halbes Jahr, daß ich von Dir fort bin und
Ihr seitdem keine Antwort mehr von mir erhalten habt.
Indem ich Dir von Straßburg aus schrieb. Wenn ich
nach New York komme, so schreibe ich gleich. Allein
die Sache ging ganz anders als ichs mir vorstellte, und
was sollte ich schreiben. Wie es mir ging, das wollte ich
nicht und schreibe es auch jetzt noch nicht, denn ich
weiß ja noch nicht, ob Du mein Schreiben annimmst
oder nicht. Ich will zuerst eine Antwort haben von Dir,
wie es Dir ging und jetzt geht, und was man auch mit
unserem Hauswesen angefangen hat, wie Du stehst mit
Bruder und Schwager. Es geht mir immer vor, als sei jemand aus unserer Familie gestorben. - Schreibe mir
gleich, so wie Du den Brief hast, dann werde ich auch
sogleich wieder schreiben und Dir etwas Geld schicken,
Du wirst's brauchen können. Auch werde ich dann
schreiben wie es mir ging von Straßburg bis den 2. Februar 1855 - nicht gut. Darum schreib ich nicht. Auch
wußte ich nicht, wohin ich Deine Antwort adressieren
30
sollte, weil ich keine Arbeit hatte. Den 21. Oktober
(1854) ist unser Schiff namens „Kohedes" abgesegelt und
den 15. Dezember sind wir in New York angelandet.
Hatten sehr schlechtes Wetter, Schiffbruch und viel
Sturm - wie ich nächstes Mal schreiben werde. Und Wer und was war Schuld, daß es mir so schlecht ging
auf dem Wasser und hier in Amerika bis am 2. Februar? Ich selbst, weil ich in dieser Jahreszeit mit so wenig
Geld fort ging, kurz, mancher würde unterlegen sein,
wenn er in meiner Lage gewesen wäre. Den 15. Oktober,
an der Kirchweih hatte ich noch 3 Kreuzer und sollte
nach Amerika. Vom 15. Oktober die Kleider nicht mehr
vom Leib bis am 2. Februar, den ganzen Winter unter
freiem Himmel und später unter einem Dach übernachtet. Was mich dadurch traf, werde ich das nächste Mal
schreiben. Auch die Sitten und Gebräuche von Amerika,
wie ich hier her kam ohne Geld, das muß ich schreiben,
daß ich alle Tage Gott gedankt habe, daß Du nicht hier
warst, und hätte Dich recht notwendig brauchen können. Allein hier ohne Geld war es ein jämmerliches Leben hier in Amerika. Es waren in New York diesen
Winter 35 000 arbeitslose Menschen, dazu kamen vom
15. Dezember an noch 13 700 Einwanderer, von denen
bis im Januar die meisten in New York blieben und kein
Geld hatten. Wenn eine Familie mit 5-6 Personen auch
noch 150 fl (Gulden) hatte, das war nichts, denn es ist
sehr teuer in Amerika dieses Jahr. Die Person kostet alle
Tag ein Thaler (Dollar). Das ist 2 fl 30 xr (2 Gulden 30
Kreuzer) deutsches Geld. Kinder wurden von den Eltern
verlassen und Eltern von den Kindern, Männer von
Frauen und Frauen von Männern, so daß keiner vom anderen mehr weißt und sich findet. Kinder wurden von
Müttern in fremde Häuser verstellt und gingen fort, wie
ich dann später genau schreiben werde. Ich habe schon
vieles erfahren hier in Amerika in kurzer Zeit. Mancher
täuscht sich sehr nach Amerika zu gehen, weil er sich
immer nur das Gute vorstellt und vom Bösen nichts hören mag, darum auch nichts glaubt, was man schreibt. Was ich aber das nächste Mal schreibe. - es mag sein,
von was es will, es ist die Wahrheit und glaubt es sicherlich! Den 2. Februar kam ich vor ein schönes Haus an
der Straße nach Buffallo und fragte um Warck (Work),
das ist Arbeit auf deutsch. Es war niemand da als eine
Frau. Sie ging mit mir in einen Schopf (Schuppen), gab
mir eine Säge, dann mußte ich Holz sägen. Als sie sah,
daß ich's gut kann, ging sie und richtete mir zu Essen.
Dieweil kam der Herr nach Hause, sah mir auch zu und
ging. Man holte mich zum Essen. Jetzt sollte ich immer
reden und konnte nicht englisch, und sie nicht deutsch.
Es waren nur 2 Personen, sonst hatten sie niemand. - 1
Pferd, 2 Kühe und 12 Schafe, 1 Schwein und 27 Hühner
ist ihr Hab. Nach dem Essen mußte ich wieder sägen
und dann den ganzen Monat, wußte aber nicht was ich
bekomme. Am 25. Februar kam ein Herr gefahren, dann
einer gelaufen. Ich mußte in das Zimmer kommen. Jetzt
wurde gedollmetschtt. Der eine konnte deutsch. Es war
eine bestellte Sache. Mein Herr, bei welchem ich arbeitete, rekommandierte mich zu seinem Bruder, weil er weiters niemand braucht und gab mit 4 Thaler (Dollar) Dann sollte ich mich verdingen zu diesem Herrn, wo ich
wirklich bin. Das tat ich nicht. Ein Jahr - war mir zu
lang, da machten wir es auf Monat aus. Er gibt mir im
März 8 Thaler, den April 10 Thaler, im Mai 10 Taler,
Juni 12 Taler, Juli 12 Taler, August 12 Taler, September
10 Taler, Oktober 10 Taler, November 8 Taler, Dezember 7 Taler, Januar 7 Taler, Februar 7 Taler. Alle Monat ausbezahlt. - Dieser Farmer ist Doktor, der erste in
dieser Gegend, ganz gut studiert. In Deutschland wäre
er soviel als der Doktor Vogel in Riedlingen. Bei diesem
Herrn habe ich 2 Pferde, 2 Maulesel, 6 Kühe, 10 Schafe.
Ich habe aber nicht länger im Sinn zu bleiben bis Mai
oder längstens bis 1. Juni. Darum schreibe mir gleich,
damit ich nicht gehindert werde. Wenn ich Geld habe, so
kaufe ich mir Werkzeug zur Profession. Hier muß jeder
sein eigenes Werkzeug haben, dann habe ich pro Tag
10-12 Schilling, das ist deutsches Geld (3 Gulden 6
Kreuzer - 3 Gulden 42 Kreuzer). Mein Werkzeug das
ich mit habe, kann ich hier nicht brauchen. In dieser Gegend ist alles Amerikanisch und Englisch. Ich weiß eine
einzelne deutsche Familie. Mein Herr u. Frau sind geborene Amerikaner. Ich kann noch sehr wenig englisch verstehen tu ich schon ziemlich. Das ist aber schwer: Arbeiten und nichts verstehen. Kein Wort reden mit keinem Menschen. Wenn jemand nach Amerika geht vom
Ort Grüningen: Ich arbeite in Seneca Falls, meine Farm
steht an der Eisenbahn nach Buffalo, sie geht durch den
Hof. Die Adresse habt Ihr auf dem Couvert von meinem
Herrn an mich. Tut den Brief, den ihr schreibt in das
Couvert und schickt mir ihn durch die Post so schnell als
möglich. Ich endige mein Schreiben für diesmal und bin
in der Hoffnung eine baldige Antwort zu erwarten.
Schreibe auch die Neuigkeiten, auch wie es mit dem
Krieg steht. Laß schreiben. Besonders weiß ich niemand
nichts zu schreiben, weil ich so unverhofft fort bin.
Doch mag es stehen wie es will, grüße ich von Herzen
meinen Bruder Konrad, Hw. Pfarrer Cammerer, Schwa-
ger Härter, sie möchten mir verzeihen, es ist geschehen.
Ich werde gut machen was noch fehlt, diesen Sommer,
wenn mich Gott gesund erhält, wie ich es jetzt bin.
Teure Gattin! - Besonders muß ich Dich ermahnen.
Bete alle Tage zu Gott. Du hast Zeit und Gelegenheit
zum Beten, daß mich Gott gesund erhält. Ich habe jetzt
den Sieg erhalten, den ich sehnlichst gewünscht habe.
Damit es uns soll wieder besser gehen. Es hat mich aber
viele Seufzer, ja sogar viele Tränen gekostet, denn es
ging mir so schlecht. Ich war krank 32 Tage auf dem
Schiff, nachher wurde ich krätzig, dann bekam ich so
viel Leiß (Läuse), es war ungeheuer, von Irländern, kurz
das nächste Mal werde ich es nach der Ordnung schreiben, wie es mir ging. Daß Du wirst auch viel haben
durchmachen müssen, samt Bruder glaube ich auch,
durch mein Fortgehen, es ist aber geschehen und nicht
mehr zu ändern. Habe Acht auf das Kind, wenn es noch
lebt. Gesehen im Traum habe ich es schon oft, wie auch
noch den Franziskus viel öfters als in der Heimat. Wenn
ich einmal eine Antwort habe, wie es Dir geht, dann
wollen wir sehen wie wir es machen mit dem Amerika
gehen. Ist alles verkauft so lasse ich Dir freien Willen,
wenn aber nicht, so gib ich meinen Rat, dann könnt Ihr
es überlegen, was zu tun ist. Jetzt kann ich noch keinen
geben.
Grüße mir auch den Schneider Mayer und die Jagdpächter, den Sauter und Siskus Ruß, wie auch die Gefattern
Gertrauda Sauter, den Gefatter J. Gehweiler und
Schultheiß Rehm. Der Bruder Konrad soll Dir beistehen,
wie auch Schwager Härter. Ich werde sie dafür belohnen. Bis jetzt konnte ich nichts tun, da ich nichts hatte.
Wie meine Kleider aussehen, will ich gar nicht schreiben.
Man sollte glauben es wär nicht möglich, daß sie soviel
ausgehalten haben, jetzt aber geht es mir gut, wenn ich
gesund bleibe. Bleibet also nocheinmal gesund. Habet
sonst keine unnötigen Sorgen wegen mir. Schreiben werde ich alle 3 Monate. Du kannst schreiben so oft Du
willst. Es ist mir allzeit willkommen. Du magst brauchen, was Du willst, Not sollst Du keine haben.
Ich verbleibe allzeit Dein getreuer Gatte
Josef Gehweiler
WALTHER FRICK
Hohenzollern b e k a m auch einen großen See
Der Illmensee gehört jetzt zum Kreis Sigmaringen
Der Begriff Hohenzollern steht in der Überschrift
dieser Zeilen bewußt in Gänsefüßchen, denn er ist, im
Sinn dessen, was die „HohenzoIIerische Heimat" pflegt,
schillernd geworden: wir haben in den letzten Ausgaben
über den Wildenstein, Meßkirch, Mengen und Pfullendorf geschrieben - Saulgau steht noch aus; alles keine
hohenzollerische Städte und Plätze, aber durch die
Kreisreform zu Sigmaringen gekommen. Die Problematik beschäftigt den Geschichtsverein schon die ganze Zeit
über, seitdem die Reform verwirklicht wurde. Man weiß
auch und hat darüber gesprochen, daß möglicherweise
der Name des Vereins und dieser Zeitschrift einmal zu
ändern sein wird. Unter diesem Vorzeichen also ist der
Illmensee quasi zu Hohenzollern gekommen und verdient, hier ebenfalls einmal dargestellt zu werden. Den Soldaten des Zweiten Weltkriegs fällt natürlich sofort ein, daß es einen gleichen See, mit einem 1 geschrieben, in Rußland gibt, um den lange schwere Kämpfe
tobten, und es ist kein Zufall, sondern Absicht, daß es in
Illmensee, Kreis Sigmaringen, seit Jahren ein Denkmal
gibt für die Toten vom großen Ilmensee. Alle Jahre wenigstens einmal treffen sich die Uberlebenden jener
Kämpfe zu einer Feierstunde und zum Gedenken an diesem Mal. Das hat übrigens zu einer Berichtigung der
Kreisreform geführt, was hier auch erwähnt werden
darf: Der Bürgermeister von Illmensee, Franz Xaver
Reis, und sein Gemeinderat fanden es nicht passend, daß
bis auf wenige Meter an das Mahnmal heran sich die Badegäste lagerten, aber er konnte lange nichts machen,
denn die Kreisgrenze Sigmaringen/Ravensburg geht fast
genau an dem Gedenkstein vorbei. Schließlich erreichte
Illmensee aber doch, daß der Kreis Ravensburg an den
Kreis Sigmaringen, hier an die Gemeinde Illmensee, einen Streifen Wiese abtrat. Damit konnte Illmensee einen
kleinen Sperrbezirk um das Mahnmal schaffen.
Der See selber hat zwei Geschwister, den Ruschwei31
ler See, kaum tausend Meter entfernt im Nordwesten,
und dahinter noch einen kleinen Weiher, und seit einigen
Jahren ist das die heimliche Riviera Oberschwabens geworden, was nichts anderes heißt, als daß vieles gebaut
wurde, von dem manches besser unterblieben wäre. Es
gibt hier sogar einen Segelclub, es gibt eine Menge
Zweithäuser, und die Meinungen zwischen verspätetem
Umweltschutz und den Interessen von Bauherren stoßen
gelegentlich hart aufeinander. Noch vor zwanzig Jahren
waren die beiden Seen eher ein Geheimtyp, und der Ort
Illmensee hatte zwar schon lange einige Gasthäuser, die
für den Ort viel zu groß wären, wenn nicht schon lange
Fremde gekommen wären, war aber doch immer noch
ein kleines Bauern- und Fischerdorf, wie seit Jahrhunderten. Die geschriebenen Urkunden reichen bis 1275 zurück, wo Illmensee erstmals erwähnt wird und zwar als
Pfarrei; die Urkunden der Spatenforschung reichen in
die jüngere Steinzeit/Horgen-Kultur. - Im 13. Jahrhundert gab es den üblichen Ortsadel, der sich „von Illmensee" schrieb und später in Überlingen einsaß. Ihre
Nachfolger wurden Herren von Hasenstein, wobei 1285
ein Burkhard von Hasenstein seinen Anteil an Illmensee
an das Kloster Salem verkaufte. Der Burgstall von Illmensee ging mit dem übrigen Dorfteil an das (noch heute bestehende) Spital von Pfullendorf im Jahre 1387. Interessant ist, daß in der zugehörigen Urkunde bereits die
Flurnamen in deutscher Sprache erscheinen. Und nun
wird die Geschichte Illmensees sogar mit einem Hauch
von Zollerischem umgeben, denn 1325 überträgt ein Ritter Swaenger von Lichtenstein, der zum Gefolge der
Grafen von Zollern gehört, dem Kloster Salem zwei
Fischlehen am See. Das eine bebaut einer namens
Guntram, das andere ein Bäldlin. Das sind die ersten bekannten Namen von Bewohnern Illmensees.
Jedermann kennt die große Bedeutung des Fisches als
Nahrungsmittel im Mittelalter, wo es soviele Fasttage
gab, namentlich in den Klöstern. Es gab um Klöster und
Städte herum künstliche Fischweiher von einem Umfang,
den wir kaum mehr erahnen; um wieviel mehr mußte
ein solches Gottesgeschenk wie ein (heute noch) fischreicher See erscheinen. - Die Hälfte des Sees war zollerisches Lehen damals, in der Hand des genannten Swaenger, der es 1327 an Salem übertrug als Seelgerät. Das
Kloster verpflichtete sich, allen seinen Mönchen an den
drei „heiligen Abenden" (die Vorabende von Weihnachten, Ostern und Pfingsten) „drei ehrbare Dienst von Fischen" vorzusetzen, das heißt heute: drei anständige
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT
herausgegeben v o m Hohenzollerischen Geschichtsverein in Verbindung mit den Staatlichen Schulämtern. Verlag: H o h e n z o l l e rischer Geschichtsverein 748 Sigmaringen,
Karlstr. 3. D r u c k : M. Liehners H o f b u c h druckerei K G , 748 Sigmaringen, Karlstr. 10.
D i e Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat"
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie
will besonders die Bevölkerung in H o h e n zollern mit der Geschichte ihrer H e i m a t
vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres Landes.
Sie veröffentl. bevorzugt Beiträge, die im
Schulunterricht verwendet werden können.
Bezugspreis: 3,00 D M halbjährlich
Konten der „Hohenzollerischen H e i m a t " :
802 507 H o h e n z . Landesbank Sigmaringen
123 63 Postscheckamt Stuttgart
Die Autoren
dieser
Portionen. - Die andere Hälfte des Sees kam an die
Grafen von Werdenberg - auch das ist schließlich weit
hergeholt noch ein Hauch von Zollern - und an ihre
Rechtsnachfolger, die Fürstenberger. Noch 1803 war der
See auf diese Weise geteilt. Bemerkenswert ist, daß das
Dorf Illmensee durch die Jahrhunderte bis ins 19. hinein
immer kleiner wurde. Im Jahre 1353 zählte es 30 Häuser, im Jahre 1811 sind es nur noch 25. Was den so lange
Zeit Pfullendorfischen Teil angeht, scheint sich auch da
zu bewahrheiten, was man vom Spital ohnehin weiß:
mit ihm war gut gschirren. Das Spital war immer sehr
sozial gerichtet und drückte seine Untertanen nicht.
Aus Hohenzollern erreicht man Illmensee über Pfullendorf. Von dort fährt man weiter nach Heiligenberg,
aber nur bis Denkingen, wo die Abfahrt ausgeschildert
ist. Nach wenigen Kilometern erreicht man erst den Ort
Ruschweiler und gleich darauf Illmensee. Wenn man
nicht gerade im Sommer kommt, wo der etwa tausend
Meter lange und an der breitesten Stelle rund 500 Meter
breite See von Badenden wimmelt, gerät man an ein
Kleinod von Landschaft. Teils vom Wald begrenzt fast darf man sagen: bekränzt - teils von Feldern liegt
der See da, wobei der Illmensee schöner in der Landschaft eingebettet ist als der Ruschweiler - aber das ist
natürlich Ansichtssache.
IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII
Berichtigung zur Pfarrliste Boll
Zu H H 1976, 20 Nr. 42: Seit der Abberufung des Verwesers Klaus Hagele im Oktober 1972 ist die Seelsorge
dem H. H. Stadtpfarrer Dr. Theodor Seeger in Hechingen aufgetragen und wird praktisch durch seinen Kaplan
H. H. Hans-Peter Jäger ausgeübt. Gb. Freiburg 5. 10.
3 8 ; Pr. 7. 5. 70.
Die Anweisung des Klaus Fritz wurde gleich zurückgenommen und er schied aus. Der Pensionär H. H. Rudolf
Reiser aus Gammertingen wohnte lediglich vom 1. 10. 74
bis März 1976 im Pfarrhaus Boll, jetzt aber in Illmensee.
(Freundliche Mitteilung von H. H. Kaplan Jäger anläßlich der Wiedereröffnung der Wallfahrtskirche Mariazell
am 1. Mai 1977, nach siebenjähriger Schließung und
gründlicher Erneuerung als Folge eines Erdbebens.)
Nummer:
Walther Trick, Journalist,
H o h e Tannen, 7480 Sigmaringen
Schriftleitung:
D r . med. Herbert Burkarth,
7487 Gammertingen
Redaktionsausschuß:
Prof. Dr. J.
Groner,
A d o l f - K o l p i n g - S t r . 17, 7798 Pfullendorf
Hubert Deck, Konrektor
745 Hechingen, Tübinger Straße 28
Telefon (07471) 2937
Pfarrer Manfred
Hermann,
7451 N e u f r a / H o h e n z .
Walther Frick, Journalist
748 Sigmaringen, H o h e Tannen
Telefon (07571) 8341
Johann Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R., D i e mit N a m e n versehenen Artikel geben
Badstraße 2, 7800 Freiburg/Br.
die persönliche Meinung der Verfasser
wieder; diese zeichnen für den Inhalt
Dr. Alexander
Schulz, Kunsthistoriker,
der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen
der Schriftleitung sind als solche geReutlinger Straße 73, 7900 U l m 10
kennzeichnet.
K. W. Steim, Pressereferent beim
Manuskripte und Besprechungsexemplare
Regierungspräsidium, 7400 Tübingen
werden an die Adresse des Schriftleiters
oder Redaktionsausschusses erbeten.
Johann Wannenmacher,
Schulrat i. R.,
Wir bitten unsere Leser, die „ H o h e n z o l lerische H e i m a t " weiter zu empfehlen.
Goethestraße, 7487 Gammertingen
W 3828 F
HÖH ENZOLLERISCHE
HEIMÄT
Sigmaringen
Lithograpme
Herauegegeben oom
Hohenzollerifdien Getchichtaoerein
27. J a h r g a n g
von S. Lütz
Nr. 3 / S c p t e m b e r 1977
nach C. A. von Mayenfisch,
1832
GREGOR RICHTER
Sigmaringen 1077 * Ein Beitrag zur Problematik der Erstnennung v o n O r t e n
Die Jahrhundertfeiern von Orten und Ortsteilen haben
ihren guten Sinn. Sie geben Anlaß, über die geschichtliche Entwicklung Besinnung zu halten, den zurückgelegten Weg verständnisvoll und kritisch nachzuzeichnen und Maßstäbe für die Beurteilung der Gegenwart zu
gewinnen.
Naturgemäß wächst der Stolz der Bürger mit der Zahl
der Jahrhunderte, auf die man sich berufen kann. Dabei
sollte jedoch nicht übersehen werden, daß nicht selten
der Zufall eine Rolle spielte, ob eine Siedlung früher
oder später mit einer schriftlichen Erwähnung bedacht
wurde. Überhaupt können mit solchen Quellenbelegen
manche Probleme verbunden sein, die sich allein durch
quellenkritische Analysen lösen lassen.
Am Beispiel von Sigmaringen, das 1977 das neunhundertste Jubiläum seiner ersten schriftlichen Erwähnung
begeht, läßt sich die Problematik gut erkennen, wie einige Hintergrundinformationen verdeutlichen.
Wie längst bekannt, ist von Sigmaringen in einer schriftlichen Belegstelle erstmals in Form einer, ja eigentlich
mehrerer chronikalischer Nachrichten die Rede.
Wie schon Sebastian Locher 1867 dargestellt und mit
Textauszügen belegt h a t e r w ä h n t e der Annalenschreiber Berthold, es hätte König Rudolf 1077 eine Burg an
der Donau belagert. Es ist zu ergänzen, auch das Chronikon eines gewissen Bernold 2 berichtet darüber. Den
Namen der Burg erfährt man jedoch erst aus der Petershausener Chronik 3. Der Petershausener Bericht erzählt,
die Herzöge Alemanniens hätten im März 1077 Rudolf
von Rheinfelden zum Gegenkönig gewählt, obwohl König Heinrich IV. noch am Leben war. Der Gegenkönig
sei Ostern in der Nähe von Augsburg gewesen und „von
dort zog König Rudolf nach der Burg Sigimaringin und
belagerte sie". Als der Belagerer von der Herankunft seines Gegners König Heinrich hörte, der mit einem Heer
nahte, „um die Festung zu entsetzen, zog er ab und ging
nach Sachsen." Inhaltlich übereinstimmend berichtet die
Fortsetzung der St. Galler Chronik über den Vorfall 4 .
Die so doppelt bezeugte und mit sicherer Wahrscheinlichkeit auch in den Quellen Bertolds und Bernolds auf
Sigmaringen bezogene Belagerung könnte als historisch
unanfechtbares Faktum gelten, ließen nicht Zeit und
Umstände der Niederschrift unserer Quellen einige
Zweifel aufkommen. Denn nach den wissenschaftlichen
Textausgaben entstammen lediglich die Annalen Bertolds
und das Chronikon Bernolds der Feder von Zeitgenossen
der geschilderten Vorgänge. Die Petershausener Chronik
entstand aber erst um die Mitte des 12. Jahrhunderts, die
St. Galler Notiz sogar noch ein halbes Jahrhundert später.
Liegen demnach zwischen den Ereignissen und der erstmaligen Bezeichnung des Belagerungsplatzes als Burg
Sigmaringen an sechs Jahrzehnte, so muß man zumindest
die Frage aufwerfen, wie weit dann überhaupt noch
Glaubwürdigkeit besteht, überspitzt gefragt, ob Sigmaringen zu Recht in diesem Jahr den 900. Jahrtag seiner
Ersterwähnung feiern durfte.
Die Zweifel lassen sich im vorliegenden Fall sicher zerstreuen: Die Tatsache einer Belagerung in diesem Raum
braucht nach den zweimaligen Angaben darüber in den
unverdächtigen und zeitlich nahen Quellen Bertolds und
Bernolds nicht infragegestellt zu werden. Da mittelalterliche Annalen und Chroniken in Kopie oder sonstwie
späteren Geschichtsschreibern zugänglich geworden sind,
was die oft wörtlich übereinstimmenden Textstellen mit
älteren Aufzeichnungen beweisen, deshalb ist die Annahme berechtigt, der Petershausener und über ihn der St.
Galler Chronist hätten Kenntnis von den Einträgen Bertolds und Bernolds besessen. Die Ortsangabe zu der Belagerung von Sigmaringen muß aber aufgrund anderer
Uberlieferungen möglich gewesen sein. Hier nun möchten wieder Bedenken aufkommen, da ja zur Zeit der Abfassung der Petershausener Quelle nur noch hochbetagte
Gewährsleute am Leben gewesen sein können, die eigene
Erinnerungen an die Vorgänge von 1077 besaßen und
leicht Irrtümern oder Verwechslungen erlegen wären.
Solche Einwände verlieren jedoch an Gewicht, wenn
man sich vergegenwärtigt, daß es sich beim Jahr 1077
um kein gewöhnliches Jahr handelte. So wie sich die
Jahre 1933 oder 1945 noch heute, nachdem längst Jahrzehnte vergangen sind, als Orientierungszeiten für Maßnahmen und Ereignisse von allen anderen Jahren abheben, so war und ist es mit 1077, ist ja das Bild vom
Gang nach Canossa für eine wenig rühmliche Unterwerfung noch immer gebräuchlich. Dieses Bild aber geht auf
einen Vorfall von 1077 zurück.
Wie wir uns erinnern, erlangte 1077 der Investiturstreit
seinen Höhepunkt, in dem es um die wichtige Frage
ging, ob weltliche Herren über kirchliche Stellen bestimmen, und etwa der König die Reichsbischöfe einsetzen
dürfte, oder ob dies allein Sache kirchlicher Instanzen
sei. König Heinrich IV. hatte sich über entsprechende
päpstliche Verfügungen hinweggesetzt, was ihm den
Bannfluch einbrachte. Als daraufhin eine päpstlich ge34
sonnene Partei mit der Absetzung drohte und Papst Gregor VII. sich schon unterwegs nach Deutschland befand,
da mußte sich der König zum Nachgeben bequemen. In
Canossa traf er den Papst, der den drängenden Bitten
des als Büßer auftretenden Königs nachgab und ihn vom
Bann löste. Dennoch wählten deutsche Gegner Heinrichs
IV. im Frühjahr 1077 Rudolf von Rheinfelden zum Gegenkönig, eben jenen Rudolf, der die Burg Sigmaringen
belagerte.
Die Ereignisse von 1077 waren also durchaus so herausragend, daß sie einen Orientierungspunkt abgaben.
Überdies werden die Kämpfe zwischen dem rechtmäßigen und dem von der Opposition gewählten König auch
sonst bezeugt und paßt die Belagerung einer offensichtlich von Anhängern Heinrichs IV. besetzten Burg in das
Bild dieser Auseinandersetzungen.
Man ist versucht, die erwähnten Umstände als bezeichnend dafür anzusehen, daß in der 900jährigen Geschichte Sigmaringens nicht nur gute Zeiten geherrscht haben.
Weit gefehlt. Wie schon am Beginn der durch Quellen
belegbaren Epoche, so war es auch später immer wieder,
indem sich die allgemeinen Verhältnisse naturgemäß auf
die Siedlungen des betroffenen Raumes auswirkten. Es
galt dies nicht nur für kriegerische Auseinandersetzungen, sondern ebenso für Seuchen, Hungersnöte und Krisen, aber, und dies glücklicherweise, es galt dies nicht
minder für Blütezeiten, ohne die es keine Fortexistenz
und keine Weiterentwicklung gegeben hätte.
Fragt man, was eine Erstnennung für die Geschichte eines Ortes, und somit, was die chronikalischen Nachrichten über Sigmaringen im Jahr 1077 bedeuten, so fällt die
Antwort ebenso kurz wie ernüchternd aus, lautet sie
doch: wenig. Auf keinen Fall darf man sie mit einer
Gründungsurkunde verwechseln. In unserem konkreten
Fall ist dies von vornherein klar, mußte doch die Burg
Sigmaringen schon vorhanden sein, ehe sie belagert und
somit Gegenstand einer chronikalischen Notiz wurde.
Erste Nennungen werden mehr oder weniger dem Zufall
verdankt, wenn in den Orten eine Schenkung gemacht,
eine Urkunde ausgestellt oder sonst etwas getan oder
vermerkt wurde, was einen schriftlichen Beleg erforderte
bzw. wie im Falle von Sigmaringen für Wert gehalten
worden ist, darüber eine Mitteilung zu machen.
Wer also historisch weiter zurückgehen will, als die
schriftlichen Zeugnisse reichen, der muß andere Quellen
befragen. Im Raum um Sigmaringen ist von großer
Wichtigkeit, daß es sich um eine Gegend handelt, die
schon früh die Alemannen in Besitz nahmen und besiedelten.
Wie wir uns erinnern, durchbrach der Stamm der
Schwaben oder Alemannen im 3. Jahrhundert den nördlich der Alb verlaufenen römischen Limes und nahm er
das Land bis zum Bodensee, später noch darüber hinaus,
in Besitz. Die Landnahmezeit bis zum 6. Jahrhundert
ließ die Alemannen vornehmlich in den klimatisch begünstigten fruchtbaren Flußtälern und Niederungen ansässig werden 5. Ein erstes Anzeichen für Niederlassungen aus dieser frühen siedlungsgeschichtlichen Epoche
liefern die Ortsnamen auf ingen und heim. Wir brauchen
uns nur zu vergegenwärtigen, wie viele solcher Ingenoder Heim-Orte sich in unserer Gegend finden lassen,
um mit einem Blick zu erkennen, hier liegt frühe alemannische Besiedlung vor. Dies gilt unbeschadet der
Tatsache, daß andere, ebenfalls frühe Namensformen
wie Laiz begegnen. Die namenkundlichen Rückschlüsse
aus Ingen- und Heim-Orten lassen sich oft durch Bodenfunde, vornehmlich durch alemannische Gräberfunde,
eindrucksvoll bestätigen. Hier mag lediglich an die Funde im Sigmaringer Stadtbezirk Hedingen erinnert werden.
Sigmaringen,
Schloß
und Stadt
auf einem
Meisterbrief
Doch Ausnahmen bestätigen die Regel, und Sigmaringen
ist eine solche Ausnahme. Trotz der Ingenendung handelt es sich hier nämlich nicht um eine alt-alemannische
Siedlung. Solche sind im heutigen inneren Stadtgebiet
vielmehr gewesen Hedingen, Brenzkofen und Gorheim.
Auch einen echten alemannischen Sigmaringen-Ort hat
es gegeben, und zwar das jetzige Sigmaringendorf. Da
die Ingen-Siedlungen meist mit einem Personennamen
verbunden waren, müssen wir den Alemannen Sigmar als
Herrn von Sigmaringendorf annehmen, das demnach
weit älter als die Stadt und für sie namengebend war.
Der Weg ist leicht zu verfolgen. Ein mittelalterlicher
Adliger, der sich nach Sigmaringen, dem heutigen Dorf,
nannte und wohl auch dort saß, folgte vor 1077 dem
Zuge der Zeit und erbaute sich an einem strategisch günstigen Platz eine Höhenburg, die sich leicht verteidigen
ließ. Der Name des Erbauers übertrug sich auf seine
Burg, auf die Burg Sigmaringen.
Wie es gar nicht so selten vorkam und beispielsweise
noch in Veringenstadt anzutreffen ist, bildete die Burg
den Ausgangspunkt für eine neue Siedlung, die teils aus
älteren Markungen herausgelöst werden mußte, teils diese aufsog. In Sigmaringen hatten die schon genannten
Altsiedlungen Hedingen, Brenzkofen und Gorheim Markungsteile herzugeben, bis sie dann, vermutlich im 14.
Jahrhundert, ganz in der inzwischen zur Stadt gewordenen neuen Siedlung aufgingen e .
Die ersten Quellenbelege zu Sigmaringen nennen die
Burg, nicht die dörfliche und städtische Siedlung. Mit
Fug und Recht kann man daher auch vom 900jährigen
Jubiläum des Schlosses Sigmaringen sprechen, das auf
diese Burg zurückzuverfolgen ist. Naturgemäß hat die
Bestimmung verschiedentlich im Laufe der Jahrhunderte
gewechselt, so daß es sich von der mittelalterlichen
Wehranlage zum Residenzschloß entwicklen konnte, was
bauliche Konsequenzen zur Folge haben mußte. Der
Zahn der Zeit, Brandkatastrophen und geänderte Stilauffassungen taten ein übriges, um das heutige Schloß
mit Bauresten und Baubestandteilen aus neun Jahrhunderten in der jetzigen Gestalt entstehen zu lassen 7.
Augsburger
Kupferstich
nach F. Wetz,
1803
Ist so das Jubiläum der Burg durchaus gerechtfertigt, so
gilt dies nicht minder für die Stadt. Erstnennungen sind
ja lediglich Fixpunkte eines Nachweises, daß von da an
schriftlich bezeugte Siedlungsansätze vorhanden waren,
sie lassen nur in den seltensten Fällen Rückschlüsse auf
die seinerzeitige Größe der jeweiligen Siedlung zu, und
die auf solchen Zeugnissen fußenden Jubiläen knüpfen
lediglich an die entsprechenden Daten an. Im übrigen
haben die Burg und später das Schloß Sigmaringen bis in
die Gegenwart mit der Stadt in einer so engen Wechselbeziehung gestanden, daß ihre Geschichte nicht sinnvoll
zu trennen wäre. Schloß und Stadt blicken gemeinsam
auf eine 900jährige Tradition zurück. Das Jubiläumsjahr
konnte Anlaß geben, sich dies erneut bewußt zu machen.
D i e Abbildungen auf Seite 33, 35 und 37 sind, mit freundlicher Genehmigung des Verlages, dem Band »Hohenzollern in
alten Ansichten«, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen, entnommen.
1
Mitteil. Gesch. in H o h e n z . 1. Gedruckt: Monumenta Germaniae Historica, scriptorum V 1844, S. 294.
2
Monumenta, ebda, S. 434.
3
D i e Chronik des Klosters Petershausen, hrsg. v. Otto
Feger
(Schwäbische Chroniken der Stauferzeit Bd. 3) Thorbecke
Verlag, 1956, S. 112 f.
4
Monumenta Germaniae Historica, scriptorum II, 1839, S.
156.
5
Vgl. Karten I V 1 - 2 des in Lieferungen erscheinenden
Werkes Historischer Atlas v o n Baden-Württemberg, hgg.
v o n der Kommission für gesch. Landeskunde in BadenWürttemberg in Verbindung mit dem Landesvermessungsamt Baden-Württemberg, die Beiworte zu den genannten
Karten enthalten noch wichtige Literaturangaben.
6
Vgl. den Artikel „Sigmaringen" v o n E. Stemmler
im
„Handbuch der historischen Stätten Deutschlands" Band V I
Baden-Württemberg, Stuttgart 1965, mit weiteren Literaturangaben, ferner die von der Stadt zur 900-Jahrfeier herausgegebene Festschrift, Sigmaringen 1977.
7
Vgl. Walter Kaufhold
und Rudolf
Seigel, Schloß Sigmaringen. Geschichte, Beschreibung, Führung, Tübingen 1968.
35
WALTHER FRICK
900 Jahre Sigmaringen * Ausklang u n d Nachklänge
Sigmaringen hat sein 900-Jahrfest gefeiert, bis auf einen
geringen Rest von Herbstveranstaltungen. Diese Behauptung ist inkorrekt, und daraus hat man auch kein Hehl
gemacht: nicht Sigmaringen ist 900 Jahre alt, sondern
die Burg wird zum Jahr 1077 erstmals erwähnt. Als
Kaiser Heinrich seinen berühmten Gang nach Canossa
tat, versuchte sein Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden
etliche feste Plätze zu erobern, darunter Sigmaringen; es
gelang ihm nicht. Da bekannt ist, daß Sigmaringendorf
älter ist als Sigmaringen, und daß auf d i e s e Siedlung
die berühmte alemannische -ingen-Formel paßt (der Ort
den die Sigmar- ingen bewohnen), und weil ferner so gut
wie sicher ist, daß in Sigmaringendorf keine Burg stand,
ist wohl mit dem „Castrum" der früheste Vorläufer des
Sigmaringer Schlosses gemeint. Das ist nicht der Gegenstand dieser Betrachtung, man lese dies alles genau nach
in der Festschrift der Stadt, die den gleichen Titel trägt
wie diese Zeilen.
Die Stadt ist erst rund 200 Jahre später urkundlich wieder faßbar, aber ihre heutige Verwaltung, Vertretung
und Bürgerschaft hat - wohl auch zu Recht, andere
machen es auch so - jenes Datum von 1077 zum Anlaß
genommen, ein Fest zu feiern. Was von ihm materiell
bleibt, sei an dieser Stelle jedem Heimatfreund empfohlen; es ist die schon genannte Schrift, zu erwerben für
acht Mark bei der Stadtverwaltung, und die Jubiläumsmedaille in verschiedener Ausfertigung. Sie ist gut gelungen, man kann sie bei den Banken in der Stadt kaufen.
Darüber hinaus werden Spätere auch vielleicht Zeitungsausschnitte lesen und Fotos betrachten.
Das Fest zeichnete sich dadurch aus, daß es k e i n Fest
war, jedenfalls nicht in dem Sinn, daß Sigmaringen
einen Festakt, einen Festumzug, eine Festwoche üblichen
Zuschnitts gefeiert hätte. Man entschloß sich, auch aus
finanziellen Erwägungen, eine lange Reihe Veranstaltungen über eine lange Zeit zu verteilen. Das sollte den
Vorteil haben - und hatte ihn auch - , daß das Fest
ständig am Leben blieb. Es gab aber dennoch ein Kernstück, die Ausstellung im Staatsarchiv über die Geschichte der Stadt, eingeleitet durch eine festliche Stunde im
Beisein von Regierungspräsident Dr. Max Gögler und
dem Leiter des Staatlichen Archivwesens im Land, Dr.
Günter Haselier. Wie es nicht anders sein kann, wenn
man das Glück hat, ein Staatsarchiv im Ort zu haben,
das auch das Stadtarchiv betreut, war die Ausstellung
vorzüglich. Aber das gleiche Prädikat verdienen die
verschiedenen Vorträge zum Thema an verschiedenen
Abenden, und - freilich in ganz anderem Sinn - verdient es die noch zu sehende Ausstellung im Runden
Turm, Sigmaringen in alten Bildern. Bürgermeister Rudolf Kuhn, um treffende Charakterisierungen nie verlegen, traf den Nagel auf den Kopf, wenn er sie als den
„Nachtisch" zum Fest bezeichnete. Was da aus Sigmaringer Familien- und aus Stadtbesitz, teils auch von auswärtigen Leihgebern zusammenkam, hat es in ganz Hohenzollern noch nicht gegeben. Wie die Stadt einst aussah, wie vieles abgerissen oder umgebaut wurde, welche
Menschen einst hier lebten, die unsereins noch als Kinder
kannte, das war für die Menge der Bürger vielleicht das
Schönste an der ganzen Feier.
Darüber hinaus ließ die Stadt alles unter der 900-Jahrflagge segeln, was irgend sonst ohnehin veranstaltet worden wäre: Judo-Schaukämpfe und das Fischerstechen,
Fußballspiele und musikalische Abende, darunter zuletzt
eine Aufführung der Carmina burana in historischen
Kostümen vor dem Schloß; den Tanz um den Stadtbrunnen, Standkonzerte und Feuerwerk. Allerdings hatten
die Vereine der Stadt doch einiges mehr ins Jahresprogramm aufgenommen als in einem normalen Jahr, und
so ergab sich bis zum Ferienbeginn im Sommer ein dichtgedrängtes 900-Jahr-Programm.
Es gab natürlich Kritik; viele Bürger vermißten im Lauf
des Jahres, trotz der Fülle des Gebotenen, einen wirklichen Festmittelpunkt. Man dachte an das nahe Mengen,
wo vor einiger Zeit bei ähnlichem Anlaß die ganze
Stadtgeschichte, mit Mann und Roß und Wagen stundenlang vor tausenden von Besuchern defilierte. Aber
dann ist eben an zwei, drei Tagen, mit Festakt, Empfängen und Kinderfest, das ganze Ereignis abgefeiert. Auf
die Weise, wie Sigmaringen es machte, sind die Eindrükke aber vielleicht doch nachhaltiger. Vielleicht ist auch
die seit 25 Jahren so ungleichmäßige, so stark angewachsene und erheblicher Fluktuation unterworfene Bürgerschaft der Stadt ein wenig enger zusammengewachsen.
Aber darüber kann man kein Urteil abgeben, das kann
man nur mit dem schwäbischen Ausdruck andeuten: „'s
wuut se weise!"
FRITZ SCHEERER
Pfarrei u n d mittelalterliche Stadt Haigerloch
Unsere Städte sind in den meisten Fällen nicht gewachsen, sondern gegründet; es sind künstliche Gründungen
einer bestimmten Periode, die in der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts beginnt und bis in die zweite Hälfte
des 14. Jahrhunderts andauert. Selten wurde eine schon
vorher bestehende Siedlung in eine Stadt umgewandelt
oder zur Stadt erhoben, in unserer Gegend nur Binsdorf
(Zollern), Scheer (Grafen von Montfort), Tübingen
(Pfalzgrafen). Unsere Städte sind größtenteils Neuanlagen auf einer vorher unbewohnten Stelle. Manche wurden in unmittelbarem Anschluß oder ganz in der Nachbarschaft angelegt (Ebingen, Gammertingen, Hettingen),
andere in größerer Entfernung (Balingen, Hechingen,
36
Oberndorf usw.), aber jeweils wurde der Name der
vorher bestehenden Dorfsiedlung übernommen. Seltener
sind die Fälle, daß eine Stadt „aus wilder Wurzel" erwuchs oder vom namengebenden Dorf in die eigene
Markung oder in andere Markungen hineingesetzt wurde
(Rosenfeld, Haigerloch, Sigmaringen). Diese haben keine
Dörfer gleichen Namens zum Vorgänger.
Die Städte wurden gegründet von den damaligen Trägern, Inhabern der Staatsgewalt, vom hohen Adel. Groß
ist die Zahl der staufischen Gründungen, wie Heilbronn,
Eßlingen, Reutlingen, Biberach u. a. Die Zähringer und
die Herzöge von Teck gründeten in unserer Gegend Rosenfeld, Dornhan, Oberndorf. Die Grafen von Zollern
Haigerloch.
Stahlstich
von
S. ]. Davis nach
Louis Mayer, 1836
sind die Gründer von Hechingen, Balingen, Schömberg
und Binsdorf und die Hohenberger u. a. von Ebingen,
Haigerloch, Rottenburg. Es gibt kaum ein Hochadelsgeschlecht jener Zeit, das nicht noch heute durch eine
Stadt vertreten wäre.
Zur Zeit der Städtegründungen bestand längst eine feste
kirchliche Einteilung des Landes, ein System von begrenzten Pfarreien. Die Pfarreiorganisation unserer Gegend ist durch den Liber decimationis, in einem Zehntsteuerbuch des Bistums Konstanz von 1275 faßbar, in
dem die Geistlichen sechs Jahre lang zu einer Kreuzzugssteuer veranlagt wurden. Die kirchliche Organisation
war wohl schon um 1100 gefestigt. Die Pfarreien waren
in Dekanaten, Archidiakonaten und schließlich im Bistum Konstanz zusammengefaßt. Jedes Dorf kannte seine
Pfarrkirche, zu der es gehörte. Durch die Städtegründungen sollte die Einteilung möglichst wenig gestört
werden.
Wie sich nun das Verhältnis zwischen Pfarrei und Stadt
entwickelt hat, soll in folgendem vor allem an Haigerloch gezeigt werden. In den Kirchensprengeln, die wir
von 1275 an kennenlernen, sind vor allem die Heiligen
der Pfarrkirchen Zeugen für die vorangegangene Zeit, die
zum Teil bis in die Anfänge der Missionierung zurückreichen. Die erste Kirche unserer Gegend, die erstmals
urkundlich erwähnt wird, ist laut einer Urkunde von
795 die ursprünglich St. Peter geweihte in Rangendingen
An diese machte ein „Heriker" (Höriger) eine
Schenkung. Doch 802 erwirbt das Kloster St. Gallen Besitzungen im O r t 2 . Damit wird St. Gallus Patron der
Kirche. Wie Hans Jänichen für Dürrwangen und Tailfingen, die ebenfalls Peterskirchen und die benachbarten
Frommern und Truchtelfingen Galluskirchen haben, beweisen konnte, sind diese Peterskirchen um 700-750,
die Galluskirchen um 800 entstanden 3. So dürften auch
die Peterskirchen in Rangendingen und Weildorf um
diese Zeit gegründet worden sein. Sie zählen neben der
ehemaligen Pfarrkirche St. Martin in Niederhechingen
(heute „Friedrichstraße") zu den ältesten der Gegend.
Weildorf
Weildorf wird erstmals urkundlich 786 erwähnt, als
Graf Gerold zu Nagold u. a. auch in „Wildorof" allen
seinen Besitz an das Kloster St. Gallen schenkt 4 . Das
Kloster St. Georgen erhielt 1095 durch Chunenmundus
und seine Brüder „totum praedium quod habuerunt apud
villam Wildorf ciciter duos Mansus (2 Mansen) 5, die
1438 an Konrad von Bubenhofen verkauft wurden.
Auch das Kloster Kirchberg war in Weildorf begütert.
Die erste kirchliche Nachricht, in der erstmals ein Pfarrer in Weildorf erwähnt wird, stammt aus dem Jahre
1237: Pfarrer R. von Weildorf war Zeuge bei Graf
Burkhard III. von Hohenberg. Nach dem Liber decimationus hatte Weildorf einen Plebanus (Leutpriester), der
zu 40 Pfund Tübinger Währung veranschlagt war, also
jährlich 4 Pfd. Steuern zahlen mußte, und einen Vikar
mit 13 Pfd. Die Vikarie wurde später nach Gruol verlegt. Die Pfarrei Weildorf war demnach gut dotiert. Wir
finden deshalb 1260 den Grafen Diepold von Hohenberg
als Pfarrer, der einen Gütertausch mit dem Kloster
Kirchberg vornahm, und um 1380 den Grafen Albrecht
von Hohenberg als Rektor in Weildorf 6.
Im Liber quartarum von 1324 gibt Weildorf dem Dekanat den Namen. Nach den Kapitelsstatuten von 1489
zählte die Pfarrei zu den größten. Gruol, Bittelbronn,
Hospach und die Oberstadt Haigerloch (s. unten) waren
Filialen von Weildorf. Die Toten von Hospach wurden
in Weildorf beerdigt (Flurnamen „Totenweg"). Die in
Weildorf begüterten Ritter von Welelingen (Wellendingen), Berchtold und sein Bruder Konrad, stifteten 1299
in die Kirche zu Weildorf die Frühmesse St. Katharina 7.
Trillfingen
Trillfingen wird im Liber decinationis erstmals urkundlich erwähnt („Trühelingen"). Der Plebanus hatte ein
Einkommen von 25 Pfd. Tübinger. Die Kirche war St.
Valentin geweiht. Nach dem Mortuarium von 1417 gehörte Trillfingen zu den mittleren Pfarreien. Zur Pfarrei
gehörte vom Haigerlocher Sprengel alles, was auf der
rechten Seite der Eyach lag, also auch die Unterstadt
Haigerloch. Schon 1467 wird eine Frühmeßpfründe St.
Maria erwähnt 8 . Die Übersiedlung des Pfarrers von
Trillfingen nach Haigerloch scheint am Ende des 15.
oder Anfang des 16. Jahrhunderts erfolgt zu sein. Die
Geistlichen Hans Hauck (1475), Andreas Nadler (1529)
und Hans Knecht (1535) werden nach Hodler (S. 797)
37
noch Kirchherren bzw. Pfarrer und Dekan zu Tailfingen genannt, während 1546 Gall Schweizer bereits Pfarrer der Unterstadt Haigerloch heißt. Der Goßzehnt,
Kleinzehnt und Lebender Zehnt in Trillfingen stand dem
Pfarrer zu und damit auch in der Unterstadt Haigerloch, während in Weildorf und in der Oberstadt Haigerloch der Großzehnt Zollern zustand 9 und nur Kleinzehnt und Lebender Zehnt dem Pfarrer. 1547 heißt es:
„Item was im Etther wechst, gehört der Zehnden dem
Pfarrer in der Oberstadt zu". Es handelte sich in der
Hauptsache um Wiesen und Gärten.
Die Stadt Haigerloch
Haigerloch bestand anfangs aus zwei Burgen und zwei
Siedlungen. Der Name wird erstmals in der Notitia fundationis des Klosters St. Georgen 1095 erwähnt. In „Castro (Burg) Heigerloch super reliquis martyris St. Georgii" wird die Übergabe von Gütern bei Wilflingen am
Fuße des Oberhohenbergs an das Kloster von einer Anzahl Adeligen bezeugt, u. a. von Arnold von Owingen,
Arnold von Kirchberg, Adalbert von Weildorf und
Mangold von Anhausen (abg. im Eyachtal bei Ostdorf).
Gründer mindestens einer der Burgen waren die Grafen
von Haigerloch (ca. 1080-1101 Adalbert von Haigerloch). Adalberts Bruder war Bruno von Wieseneck
(1096-1126), Domherr von Straßburg, der zwischen
1115 und 1118 das Kloster St. Märgen im Schwarzwald
gründete. In einem Nekrolog (Totenbuch) ist Brunos Todestag eingetragen. Im selben Buch ist auch der Herr
von St. Peter in Weildorf, Graf Wetzel von Haigerloch,
eingetragen, sowie die Leutpriester Albert und Heinrich
von Weildorf. Die Grafen von Haigerloch wurden von
den Hohenbergern beerbt 10 .
Wie das Stadtbild heute noch zwei unterschiedliche Bestandteile aufweist, von denen der eine Unterstadt (im
Talkessel am Fuße des Schloßbergs) und der andere
Oberstadt (auf der Bergzunge) genannt wird, waren ursprünglich zwei Siedlungen, die sich an eine Burg anlehnten. Beide Siedlungen entwickelten sich zu besonderen bürgerlichen Gemeinden und haben im 13. Jahrhundert von den Hohenbergern Stadtrechte erhalten. 1237
erscheinen als Zeugen „H. scultetus de haigerloch und cives in H." u . Der Minnesänger Albert II. von Hohenberg spricht in einer Urkunde von 1296 von einem
Haus, das Bertold von Wellendingen, sein Diener, in der
„neuen Stadt ze Haigerloch in dem Haage gebaut
hat" 12. Der Ausdruck „neue Stadt" bezieht sich auf die
Oberstadt. Noch im Jahre 1306 hat Haigerloch zwei besondere Gemeinden und Schultheißen 13 . Ursula, die
Witwe des Grafen Hugo von Hohenberg, erhielt 1354
als Pfänder Ebingen und Haigerloch die Burg und die
obere und niedere Stadt 1 4 .
Der sogenannte „Römerturm" ist der Bergfried einer in
seiner Nähe gestandenen Burg. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts (1392) kommen noch „zwo Statt" und „zwo
bürg" vor, später ist nur noch von einer Burg, vom
„sloß", von „unserem sloß" die Rede, also von dem
Schloß auf der rechten Eyachseite. Im 15. Jahrhundert
sind beide Städte vereinigt.
Haigerloch hatte im Mittelalter keine eigene Pfarrei. Die
Einwohner der Oberstadt (links der Eyach) waren nach
Weildorf, die der Unterstadt (rechts der Eyach) nach
Trillfingen eingepfarrt. Die erste kirchliche Nachricht
von Haigerloch stammt aus dem Jahre 1237. In diesem
Jahr wird ein „Ulricus plebanus de Haygerloch" und
1245 ein Dekan in Haigerloch erwähnt, während sich
Diepold (s. oben), ein Verwandter Graf Alberts von Hohenberg, 1260 Hirt und Leutpriester in Weildorf
nennt 1 5 . Diese urkundlichen Nachrichten könnten den
38
Eindruck erwecken, daß Haigerloch schon im 13. Jahrhundert eine Pfarrei gehabt habe. Doch wie in vielen anderen Fällen, wurden hier Dorfpfarrer, die noch eine
Stadt zu versorgen hatten, fälschlich Pfarrer der Stadt
genannt. Denn im Liber decimationis (1275), im Liber
bannalium (1324), im Liber marcarium (1360-1370)
und noch im Haigerlocher Kapitelsstatut von 1417 wird
in Haigerloch kein Pfarrer erwähnt, dagegen sind die
Pfarreien Weildorf und Trillfingen aufgeführt. Bis gegen
1530 nennen sich viele Pfarrer nach den beiden Mutterkirchen. Sie zogen aber wahrscheinlich schon vorher in
die Stadt. Pfarrer Epplin schreibt 1673, daß Haigerloch
schon vor 80 oder 90 Jahren das Domizil des Pfarrers
von Weildorf gewesen sei i e . Das Dekanat Weildorf und
das Dekanat Haigerloch dürfte von demselben Pfarrer
versehen worden sein, nur haben die Schreiber das einemal den rechtlichen Sitz, ein andermal den faktischen
Sitz verwendet, so daß manchmal vom „Oberpferer" (in
Haigerloch statt in Weildorf) und vom „Unterpfarrer"
(statt in Trillfingen) die Rede war. Das ius parochiale
blieb in Wirklichkeit in den Dörfern und die Pfarrer
verblieben im Besitz ihrer dortigen Pfründen. Die Zeit
der Übersiedlung der Pfarrer ist nicht näher bekannt.
Die Kirche der Unterstadt zu St. Nikolaus ist erstmals
in einem Ablaßbrief bezeugt (fälschlich „ecclesia parochialis in inferioni Haigerloch" genannt) und ist mit
einer Frühmesse versehen (St. Katharina) und der Pfründe
St. Sigismund (1437), die vor 1470 mit der Hofkaplanei
vereinigt wurde. In den Investiturprotokollen von 1437
wird die Nikolauskapelle eine Filiale der Pfarrkirche
Trillfingen genannt, ist aber 1463, 1468 und 1469 ebenda als eccl. parochialis (Pfarrkirche) ausgewiesen.
In einer Urkunde von 1369 ist vom hl. Ulrich der Oberstadt die Rede. Auch in Urkunden von 1379, 1392,
1468, 1498 wird die Kapelle erwähnt. Sie stand östlich
vom sog. Römerturm. Die Quellen zeigen auch bei St.
Ulrich ein starkes Überwiegen der ecclesia, meist mit
dem Zusatz parochialis. Der Sprachgebrauch Pfarrkirche
muß also mit der Zeit stark ins Wanken geraten sein, da
der Pfarrer Domizilwechsel nach Haigerloch vorgenommen hatte. Man sprach bald nicht mehr von den Pfarreien Weildorf und Trillfingen, sondern vom Pfarrer in der
Oberstadt und der Unterstadt (s. oben). Selbst in kirchlichen Urkunden schloß man sich diesem Sprachgebrauch
an. In der Folgezeit ist es oft zu Streitigkeiten gekommen, vor allem zwischen den Haigerlochern und den
Weildorfern. Erst in einem Eintrag in den Investiturprotokollen von 1490 wird Weildorf wieder als Pfarrkirche
und die Kapelle der Oberstadt als Filiale bezeichnet. Der
Streit flammte nach dem Dreißigjährigen Krieg nochmals auf, besonders unter dem Pfarrer Epplin. Es wurde
jedoch 1683 endgültig Ordnung geschaffen, indem die
Schloßkirche (1584-1607 erbaut) zur alleinigen Pfarrkirche für ganz Haigerloch und die beiden Dörfer Weildorf und Trillfingen Filialen wurden. Schon 1613 hatte
die Gräfin Katharina angeordnet, daß in der Schloßkirche „alle Tage Amt und Vesper gehalten und stets in der
Stadt sechs Priester sein sollen": der Pfarrer und der
Hofkaplan, ein Helfer des Pfarrers in Trillfingen, 2
Frühmesser und die Nachprediger für die andern hiesigen Kirchen und ein Priester für Weildorf und Bittelbronn 17. Endlich 1683 konnte der Generalvikar des Bistums Konstanz bestätigen, „daß die schönste und geräumigste Kirche, die bisher von curata gewesen sei, zur
Pfarrkirche erhoben und die andern Kirchen für alle
Zeit mit jener verbunden". Die Schloßkirche war damit
zur Haupt- und einzigen Pfarrkirche erhoben.
Die „Union" von 1683 hatte aber auch ihre Mängel, vor
allem die Abhängigkeit der Dörfer Weildorf und Trill-
fingen. Diese waren daher bestrebt, wieder eigene Seelsorger in ihrem Dorf zu haben, was dann 1719 teilweise
durch Vikare erreicht wurde. Über die getroffenen Vereinbarungen für Haigerloch, Trillfingen, Weildorf und
Bittelbronn, Hospach, Imnau und Höfendorf sei auf das
auführliche Kapitel der „Errichtung der Pfarrei Haigerloch (Union)" von F. X. Hodler in „Geschichte des
Oberamts Haigerloch" (1928) Seite 445-455 verwiesen.
Balingen
Zum Vergleich sollen nur noch kurz die Verhältnisse in
Balingen angeführt werden. Die Pfarrkirche für Balingen war bis nach der Reformation die heutige Friedhofkirche, im einstigen Dorf Balingen rechts der Eyach. Um
1250 wurde von dem Grafen Friedrich von Zollern ein
geeignetes Gelände links der Eyach für die Stadt gewählt, in der innerhalb der Mauern eine Filialkapelle,
St. Nikolaus, errichtet wurde, die mit einer Frühmesse
ausgestattet war. Als diese Kapelle baufällig wurde, er1
Urkundenbuch (UB) St. Gallen I N r . 139.
U B St. Gallen I N r . 160.
3
H . Jänichen, Burgfelden ein Herrschaftssitz des 7. Jahrhunderts, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte,
1952, S. 4 9 / 5 0 .
4
U B St. Gallen I N r . 108.
5
N o t i t i a fundationis Mon. St. Georgen N r . 97.
6
Schmid, Urkundenbuch N r . 40 und 41.
7
Monumenta Hohenbergica (Mon. H ö h . ) N r . 171.
8
Investiturprotokolle.
2
teilte 1443 der Konstanzer Generalvikar die Erlaubnis,
diese Kapelle abzubrechen und einen stattlichen Bau innerhalb der Stadt, die heutige Evang. Stadtkirche, zu erstellen, auf die dann die Rechte der Pfarrkirche übergingen. Der Name des Dorfes wurde auf die Stadt übertragen. Zum Pfarrverband gehörte bis 1500 als Filiale nur
Heselwangen. Eine päpstliche oder bischöfliche Genehmigung über die Verlegung der Pfarrechte an die Stadtkirche wurde nie erteilt. Es kann deshalb auch kein Datum angegeben werden, von dem ab die Stadt-Kirche de
jure als Parochie anzusprechen ist. Das Kirchenvolk des
15. und vor allem des 16. Jahrhunderts hat anscheinend
nach den juristischen Förmlichkeiten nicht viel gefragt.
In die neue Kirche wurden Altäre gestiftet und Jahrtage
zum eigenen Seelenheil und dem der Verwandten (1501
Rübersche, 1502 Arnoldsche Stiftung). Vom Pfarrer
wurde erwartet, daß er den Gottesdienst recht ausrichten
und Trost für die mannigfachen Nöte spenden konnte.
9
F H D A R 378 K 28 F 1 N r . 1.
H . Jänichen, Hohenzollerische Jahreshefte 1961, S. 10 f f .
11
Mon. H ö h . N r . 29 S. 13.
12
F. X . Hodler, Geschichte des Oberamts Haigerloch, 1928
S. 376.
13
Ebd. S. 432.
14
Mon. H ö h . N r . 513, S. 458.
15
Ebd. N r . 29, 31 und 40.
16
H o d l e r S. 439.
17
Ebd. S. 446.
10
HUBERT DEURINGER
G e d a n k e n z u m Erntedankbrauchtum
Das Leben auf dem Dorf - nicht nur im schwäbischen
- hatte in vergangener Zeit seine festen und überlieferten Formen, die wir Brauchtum und Sitte nennen.
Es sind noch keine 50 Jahre her, da war es überall auf
den Dörfern noch Sitte und Brauch, den gesamten Jahresablauf in fester Gemeinschaft zu würdigen und zu feiern.
Waren es im heute so sehr abgewerteten Mittelalter und
Spätmittelalter bis zu 150 Tage im Jahr, in denen das
Volk seine kirchlichen und weltlichen Feste feierte, so
waren es auch noch bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges ausgewogene Ruhetage, an denen mannigfaltige Festesfreuden das Volk, und hier meine ich insbesondere
das Bauernvolk, genoß.
Hier ist aber nur Platz, etwas über den Sommer, die
Ernte und das Erntedankfest im schwäbischen Dorf zu
plaudern.
Der Sommer ist und war für die Bauern immer die
schwerste Zeit. Eine Arbeit drängte die andere, damit
kein Gewitterregen oder sonstige Unbill die abgemähte
Habe verderbe. Als der Bauer noch seine Saat mit der
Hand auswarf, machte er zuvor auf die Saatfrucht das
Kreuzzeichen als Sinnbild für seine Gottesfurcht. Denn
heilig war diese Handlung, zu der auch die Stille der
Natur gehörte. Ebenso schweigsam gingen einst die
Schnitter an ihre Arbeit, denn sie wollten die Sprache
des knisternden, goldgelben Korns hören, das ihnen
Sinnbild und Abbild der einstmals geheiligten Sonne
war. Den ersten Schnitt durfte nur der Bauer selbst tun.
Dann folgten die Frau und die Kinder, denn Gesinde
gab es in der Regel im kleinbäuerlichen Schwaben nicht.
So schneidet die Familie Gasse um Gasse in das Korn,
bis der ganze Acker abgemäht ist. Das dauerte oft viele
Stunden - je nach Größe der Parzellen - und so war
es die Regel, daß man sehr früh morgens - und meist
ohne Frühstück - auf das Feld ging.
Oft, wenn man um 4 oder '/25 in der Früh geweckt
wurde, hörte man schon auf der Straße das „gog-goggog-gog" der Wetzsteine im hohlen, gewässerten Kompf
und die gemächlichen Schritte der Schnitter, die schon
immer die ewigen Frühaufsteher im Dorfe waren. Das
brachte meine Mutter oft in Harnisch, denn sie meinte
immer, die Letzte zu sein. Wenn wir Kinder nicht schulfrei oder Ferien hatten, mußten wir oft vom Acker heim
und in die Schule rennen. Inzwischen stand bereits die
Sonne hoch am Himmel, und der Schweiß floß in Strömen. War man immer noch nicht fertig, gab es jetzt eine
Frühstückspause. Die Mutter holte aus ihrem Korb
Speck, hartgekochte Eier, Milch oder g'schtand'ne Milch,
wohlschmeckendes Bauernbrot, und für den Vater Most
oder Bier. Dann wurde ein schattiges Plätzchen zum
Ausruhen gesucht, und wenn keine Bäume standen, wurden die ausgezogenen Kittel über Gabeln und Rechen als
Schattenspender gehängt.
Göttliche Stille war überall, nur der Hochsommer sang
in all seinen vertrauten Melodien!
Stand die Frucht, so konnte sie mit der Flügelsense geschnitten werden, was den mühseligen Arbeitsgang des
„Sammletelegens" ersparte. Meist aber war die damals
noch langhalmige Frucht gefallen und mußte mühsam
mit der normalen Grassense geschnitten werden, wobei
man sehr sorgsam aufpaßte, daß man ja keine Ährenköpfe abschnitt, sonst gab es ein Donnerwetter vom Vater. Das geschnittene Getreide lag dann auf einer sogenannten „Schnur" dick übereinander und mußte in einem
extra Arbeitsgang mit der Sichel zusammengefaßt
und sorgsam auf eine schön ausgerichtete und dünn ausgelegte „Sammlet" verlegt werden, von der aus dann die
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Weiterbearbeitung mit dem Rechen zum „Häuflemachen" und der Sichel zum „Eintragen" in die Garbe erfolgen konnte. Hatte man Pech mit einer Regenperiode,
so mußte der geschnittene Acker oft mehrmals von der
Sammlet weg — Halm für Halm — mit dem Rechenstiel
umgedreht werden.
Gewiß, es war harte - und für uns Kinder oft sehr harte - Arbeit, aber das Gefühl des Sinnvollen, des Erhabenen durchdrang jung und alt. Jeder Landmensch war
in all seinen Arbeitsgängen direkt mit dem Boden und
den Erntefrüchten körperlich verbunden. Von der Aussaat bis zur Ernte, ja sogar beim Dreschen des Getreides,
beim Gang zur Mühle und allen Nebenarbeiten, wie
etwa beim Füttern seines Viehes, hatte er direkte Berührung mit dem Lohn all seiner Arbeit das ganze Jahr hindurch, und deshalb war er durchdrungen von der Danksagung an seinen Herrgott für die erhaltene Nahrung.
Um die Jahrhundertwende noch schmückte der Bauer
sein Gerät mit Bändern und Blumen, wenn er zum ersten
Erntegang antrat. Der erste Getreidehampfel wurde mit
der Sichel geschnitten und bekam einen Ehrenplatz das
ganze Jahr hindurch im häuslichen Herrgottswinkel. Zur
Neuaussaat im darauffolgenden Jahr wurden Fruchtkörner daraus verwendet, damit auch die neue Ernte gut
werde.
reichliches Essen und Tanz folgten. Im Schwarzwald
setzte man auf den letzten Wagen ein Kind mit einem
Strauß in der Hand, aber auch eine Frauensperson, die
man Erntegans nannte! Dieser wurde zur allgemeinen
Belustigung ein rotes Sacktuch umgebunden, und allerlei
Schnickschnack und lustige Derbheiten waren ausgelassene Begleitmusik. Im Oberland wurde auf dem letzten
Wagen eine mit Kuchen und Würsten geschmückte Tanne oder Birke heimgeführt, die sich die Dorfjugend im
edlen Wettstreit verdienen konnte. Später, als die Eitelkeit auch in die Dörfer einzog und keine Jungfrau mehr
die Erntegans sein wollte, schmückte man auch den letzten Wagen mit einer Puppe in Menschengestalt.
Alle diese schönen alten Bräuche entstammen dem selben
Wunsch: Der Geist des Wachstums, der in den Feldern
umgeht, zieht sich vor den Schnittern zurück. Deshalb
werden Halme stehen gelassen oder Glückshämpfele im
Herrgottswinkel oder am Scheunentor aufbewahrt, in
denen sich dieser gute Geist bis zur nächsten Ernte aufhalten kann.
Viel könnte hier noch über das Mystische und Mythologische im Erntebrauchtum erzählt werden.
War die Ernte glücklich im Barnd und im „Kräch" verstaut, sah man überall frohe Gesichter, und das Festen
blieb nicht aus. Für die Kinder, die mitgeholfen haben,
Schon beim Aussäen legten unsere Altvorderen größten war der Erntedanksonntag ein ganz großer Freudentag,
Wert auf alte Bräuche. So wurde im Schwäbischen bei denn vom Vater bekam man ein für damalige Zeiten zunehmendem Mond und zweckmäßig an einem Don- und doch sind es erst 30, 40 Jahre her — horrendes
nerstag in ungerader Stunde mit dem Säen begonnen. Geldgeschenk: nicht nur die sonst üblichen Roten oder
Wenn seit der letzten Ernte jemand im Hause verstorben Groschen, sondern ein Silberstück, in der Regel 5 RM.
war, so wurde die Saatfrucht nicht durch die Haustüre, Diese hob man sich auf für die Kirbe, für den Martinesondern durch die Stalltüre getragen. — Als Sätuch ver- markt und für Weihnachten. Ein Teil jedoch wurde sofort
wendete man gerne ein weißes Tischtuch, namentlich das verputzt, und überall sah man in den dorfnahen BaumTuch, von dem die Fasnetsküchle gegessen wurden. — wiesen — ja, damals spielte sich das Glück der Kinder noch
Beim Einfüllen des Saatgutes stand der Bauer mit dem unter Gottes Sonne ab, und kein Fernsehen und sonstige
Gesicht nach Osten gewandt, nahm seine Kappe ab und Fragwürdigkeiten bis hin zu den unseligen Diskotheken
begann die Arbeit unter Anrufung der drei höchsten Na- zerstörten den schönen Dorfsonntag - hehlinge zigamen oder mit dem Wort: „Das walte Gott." - Um Vö- rettlepfaffende Buben, die ebenso verstohlen zur Bierflagel oder Ungeziefer vom Acker abzuhalten, streute man sche griffen! Dinge, die niemals zu einem Problem der
ihnen an den vier Ecken je eine Handvoll Samen. - In damaligen Erziehung wurden, weil sich Erwachsene
manchen Orten begann die Getreideernte mit einer Ern- u n d Kinder sehr wohl der Verbotswidrigkeit bewußt
tebetstunde, bei der die erste reife Garbe auf den Altar waren.
gestellt wurde. Der letzte Schnitter wurde mit einem Für die Burschen und Mädchen, aber auch für die Alten
Spottnamen belegt, wie etwa „Mockel" oder „Erntesau" spielte die Dorfmusik auf dem Tanzplatz im Freien oder
und wurde in eine Garbe gebunden! - In noch früherer auch im geschmückten Wirtshaussaal zum Tanz auf,
Zeit, als das Korn noch mit der Sichel geschnitten wur- denn damals gab es auch in der bäuerlichen Musik eine
de, nahm man Zuflucht zu allerlei geheimnisvollen Mit- gültige Einheit für jung und alt. Kein Pop und Pep, kein
teln gegen das zu fürchtende Kreuzweh. - Alte Bauern- Beat und Soul, sondern Walzer, Polka, Rheinländer und
sprüche für die Erntemonate August, September und Schottisch für jung und alt, wie es der Brauch war, und
Oktober:
wie es die Jungen von den Alten gelernt hatten. Die MuAugust: Kommt der Wind an Oswald aus dem Wald, no sikanten spielten um ihr Leben, und das stolze Bewußtsä bald; kommt er vom Gäu, no wart halt! - Septem- sein um das Geschaffene verband jung und alt, arm und
ber: Wenn der September noch donnern kann, setzen die reich zu fröhlicher Ausgelassenheit. Machte die Kapelle
Bäume viel Blüten an! - Oktober: An Ursula tus Kraut mal eine längere Atempause, um auch „zu ihrem Sach zu
kommen", sangen die Burschen den Spottvers:
heim, sonst schneit Simon und Jude drein!
Die Bräuche früherer Jahre, die auf guten Ausfall der
„Wo send dia Spielleut, Spielleut, daß ma's
Ernte zielen, sind mannigfaltig und alt. - So ließ man
net hairt?"
in verschiedenen Gegenden eine Handvoll Ähren auf
„Dia send en Krautgarta naus, do tonad se
dem Acker stehen und steckte einen buntgeschmückten
Grombira raus —
Maien dazwischen, den man mit den Halmen verband.
dort send die Spielleut, Spielleut, daß ma's net
Man nannte ihn den Erntemai. Er blieb das ganze Jahr
hairt?"
auf dem Felde stehen, wurde teilweise aber auch mit
„d'Spielleut send Lompa und spielet oms Geld
dem letzten Erntewagen heimgeführt und bis zur nächund wenn
sten Ernte außen am Scheunentor angenagelt (man verd'Spielleut net wäret, koi Freud auf dr Welt gleiche hier den noch lebendigen Brauch des Osterpalmwo send die Spielleut, Spielleut, daß ma's net
steckens in der Sigmaringer Gegend und in einigen Alhairt?"
penländern). Mit der Heimfahrt des ersten oder zumeist Und dann ging es weiter bis in die frühen Morgenstunletzten Erntewagens, die immer festlich geschmückt wa- den, die Tische bogen sich vor Bratenem und Gesottenem,
ren, waren oft Umzüge mit Musik verbunden, dem und oft spät in der Nacht hörten wir Kinder in den
40
Betten die Lieder, die diese Spätheimkehrer voll Innbrunst sangen - manchmal auch gröhlten - . wie etwa
„Weißt Du, wieviel Sternlein stehen", „Morga fruah,
wenn d'Sonna lacht - loo, loo, loodiri" oder „Goldne
Ähre, Du mußt fallen". - Erinnerungen an eine Zeit,
die nie mehr kommen wird.
Zur Nachernte gingen die Kleinhäusler - meistens Fabrikarbeiter, die keine Landwirtschaft hatten - zum
Ährenlesen, und besonders Fleißige brachten oft ganze
Zweiräderkarren voll Ährensäcke nach Hause. Ebenso
wie die Dorfkinder nach dem Gallustag in die Gärten
und Baumgärten gingen, um das noch hängende Obst
von den Bäumen zu „speagla" - wie hier der Volksmund sagt. Es war ungeschriebenes Gesetz, daß nach
diesem Tag alle Feldfrüchte vogelfrei waren und von jedermann abgeerntet werden durften.
Wochenlang nach der Ernte gab es geschlossene Stoppelfelder, denn man wollte die Erde erst einmal zur Ruhe
kommen lassen, bevor das Pflügen begann. Jetzt war die
Zeit der früheren Militärmanöver und der Einquartierungen, an der wir Jungen - und vor allem die Dorfmädchen, schon wegen des Manöverballs - so viel Freude hatten. Nun begann auch das bunte Bild des Drachensteigens mit selbstgefertigten Drachen. Von älteren
Burschen, die die Drachen kunstvoll fertigten, wurden
wir Jungen oft scherzweise zum Dorfkrämer geschickt,
um für 2 Pfennig „Hosendampf" zu holen, denn ohne
diesen würden die Drachen nicht steigen, wie sie uns
versicherten!
Bald auch hörte man in den Scheunen die Dreschflegel,
und auch hier gehörte zum festen Brauch, einen bestimmten Rhythmus anzuschlagen, der sich sogar in altem Spruchgut überliefert hat. Waren es der Drescher
drei, so wurde nach dem Rhythmus geschlagen: „. . . ghei
Heu ra, ghei Heu ra, ghei Heu ra." Waren es vier Drescher, klang es so: „Scheiß en Sack ond saug am Zipfl,
scheiß en Sack ond saug am Zipfl, scheiß en Sack ond
Zipfl." Bei fünfen gar klang es so: „Schultis, du Zipfl,
Schultis, du Zipfl, Schultis, du Zipfl." - Auch beim
Sensenwetzen hatte man einen Vierachteltakt, der so
ging: „. . . dr Wetz isch guat! dr Wetz isch guat! dr
Wetz isch guat." - Aber auch in der Mühle hörte der
Bauer altes Spruchgut, so etwa, wenn das Räderwerk im
Siebenachteltakt sprach: „. . . Es ist ein Dieb in der
Mühl! Es ist ein Dieb in der Mühl." Kam dann das
Mühlwerk besser in Gang, dann fragte die Mühle im
Fünfachteltakt: „. . . Wer ist der Dieb wohl? Wer ist der
Dieb wohl?" Und wenn dann das Mahlwerk auf vollen
Touren lief, hieß es im schnellsten Dreiachteltakt:
„. . . dr Müller! dr Müller! dr Müller! dr Müller!"
Aus Takt und Lautklang hörte das feine Ohr des naturverbundenen Menschen einen Sprachklang, formte die
Einbildungskraft Satz und Vers, gestaltete dichterische
Lust wie im Spiel, Reim und Lied, wobei die Weise aus
Klang, Hall und Widerhall entstand.
Die Volksfrömmigkeit unserer Ahnen trug viel dazu bei,
Bescheidenheit, Demut, Zufriedenheit und sittlichen Gehalt über Generationen hinweg zu bewahren. Lämmle
sagt: das Verhältnis des naiven Menschen zum Religiösen
und Göttlichen ist im Grunde genommen immer dasselbe
gewesen. Im Gegensatz zu den Auslegungen der Gottwisser, die sich immer und immer wieder ändern. Für alles hatte das Volk seine ihm persönlich nahestehenden
Heiligen, mit denen es auf Du und Du stand. Die Bauernheiligen und die 14 Nothelfer waren ihm vertraute
Gesellen und Helfer in seinem Bestreben nach einer reinen Welt, zu denen es Zuflucht nehmen konnte, wenn es
einmal das Glück verließ. Auch in seinem Glück, wenn
die Ernte wohlfeil zu Hause war, dankte es zuerst
s e i n e m Hausheiligen, und es ist daher nicht verwun-
derlich, wenn mancherorts die Jugend in der K i r c h e
Erntedanktänze hielt, die so recht davon Zeugnis ablegen, wie selbstverständlich einmal der bäuerliche Jahreskreislauf zwischen der Dorfgemeinschaft und der Dorfkirche gefeiert und gewürdigt wurde.
Was ist nun heute von all dieser Herrlichkeit geblieben?
In unserem heutigen Maibaum hat sich der ehemalige
Erntemaien recht sinnwidrig manifestiert. Der Bändertanz wird hie und da noch von einzelnen Trachtengruppen vorgeführt, lebendig ist er nicht mehr. Zur bloßen
Schaustellung geworden ist der Markgröninger Schäferlauf (ebenso wie das Ulmer Fischerstechen und der
Münchner Schefflertanz). Größtenteils ist das Erntedankfest verschmolzen mit der Kirchweih oder derKirbe.
Kein Sämann und kein Schnitter ist mehr zu sehen. Kein
Singen ist mehr im Dorf zu hören, und die Feierabendbank vor dem Bauernhaus ist nahezu verschwunden.
Kein Schmuck ziert mehr die letzte Garbe, denn es gibt
sie nicht mehr. Die Maschine beherrscht anonym das
Dorfgeschehen mit Hysterie, Rastlosigkeit und permanentem Lärm. Der Dämon Geld ist zum Maß aller Dinge geworden, und die Bauernheiligen hat die Kirche selber samt und sonders hinausgeschmissen. Der Individualismus des einmal stolzen Bauern wurde umerzogen in
Liberalismus, und das Hasten nach Mammon und Wohlleben erhitzt die Leidenschaften zu Mißgunst und Neid
- zur Auflösung der echten Dorfgemeinschaft. Wenn da
und dort noch ein Brauchtum erhalten ist, so ist es vereinzelt und ohne Bedeutung für das Ganze. Ungezählte
Brauchtümer sind tot - und Tote kann man nicht mehr
zum Leben erwecken, wie Georg Schmückle richtig sagte. Man hat versucht, verschwundenes Brauchtum wieder
einzuführen. Wo aber der Boden verdorrt ist, schlägt
nichts mehr Wurzeln. Jedes Brauchtum hat sein eigenes
Lebensgesetz, seine Voraussetzungen, es unterliegt dem
Gesetz vom Werden und Vergehen, wie alle Dinge auf
dieser Erde. Denn Brauchtum ist entstanden aus dem inneren Bedürfnis einer Gemeinschaft, als Ergebnis landschaftlicher, religiöser, charakterlicher Voraussetzungen,
als Folge des Gemeinschaftswillens und Gemeinschaftslebens - das kann nicht diktiert werden. Sitte kann man
nicht schaffen, sie muß sich selber bilden. Brauchtümer
kann man nicht erfinden, sie werden geboren. Wo die
Ehrfurcht schwindet vor dem Alten, da verwehen Sitte
und Brauchtum, da zerbricht das Gesetz der Form, das
tausendfältig Volk und Nation zusammenhält. Und
wenn heute noch einer der Alten einem dieser Bräuche
folgt, dann tut er es scheu und verstohlen, damit ihn seine verpopten Enkel nicht auslachen. Vorbei die Mystik
der 12 Rauhnächte, der vielen Lostage, all die vielen
Stallbräuche, vorbei die Danksagungen, die Baumbräuche, vorbei die ländlich-bescheidene Blasmusik, die Bräuche das ganze Jahr hindurch. Verschüttet sind die alten
Brauchtümer, und das Herz möchte einem darob bluten,
wenn man die Dinge weiß und das große Sterben mitansehen muß.
Alles wurde zum alten Eisen geworfen — ohne jeden
Ersatz. Unter dem Schlagwort „modern" und „weltoffen" wurden unsere Kinder umerzogen, damit ihnen alles
Gewachsene (und Nationale) altmodisch und lächerlich
erscheine. Aus der Furcht vor den bösen Geistern geschah das Schreckenläuten, der Lärm der Neujahrsnacht.
Mit dem Schwinden der Geisterfurcht, der Ehrfurcht
vor allem Unergründlichen blieb eine lärmende Gewohnheit zurück, die am Überdruß zugrunde gehen wird.
Nichts von alledem ist geblieben, und eine tödliche Langeweile und Überdrüssigkeit befällt die heutige Jugend
mit all ihren bekannten Erscheinungen. Aus dieser verwirrten und verunsicherten Welt aber werden die toten
Brauchtümer nicht wieder auferstehen.
41
STEPHAN WIEST
Ein hohenzollerischer Landpfarrer * hervorragender Meister der Beredsamkeit
Wilhelm Mercy 1798-1819 Pfarrer in Gruol
Unter den Geistlichen des Kapitels Haigerloch wie überhaupt des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts nimmt Wilhelm
Mercy, als Johann Nepomuk am 9.2. 1753 in Uberlingen geboren, einen besonderen Platz ein. Bei großer Gelehrsamkeit und vielseitiger Belesenheit stand er besonders im Rufe eines glänzenden Redners und Meisters der
Beredsamkeit. Dazu hatte ihn sein bisheriger Lebensweg
geführt: der frühere Prämonstratensermönch war in seinem Kloster Rot Lehrer der dortigen Studenten gewesen,
in Frankreich als Sprachlehrer geschätzt, im Allgäu ein
vielverlangter Gastprediger, bevor ihn Herzog Karl 1787
als Hofprediger nach Stuttgart berief; nach dessen Tode
war er von 1795 bis 1798 Stadtpfarrer in Stuttgart.
Dort „entwickelte sich Mercys Rednertalent in glänzender Weise. Seine Predigten wurden von Katholiken und
Protestanten eifrig besucht. Für den Herzog mußte er
auch die Reden verfassen, welche dieser mit Vorliebe an
seine Zöglinge hielt"
Fürst Anton Alois verlieh ihm
1798 die Pfarrei Gruol; er schätzte den gewandten
Geistlichen sehr hoch und schenkte ihm volles Vertrauen.
Ohne eine eigentliche Stellung bei der Regierung inne zu
haben, leitete Mercy in der Tat das Kirchen- und Schulwesen des Fürstentums. Auch in der Öffentlichkeit und
bei seinen Amtsbrüdern stand der ehemalige Hofprediger
in hohem Ansehen und war besonders als hervorragender
Kanzelredner anerkannt. In dieser Eigenschaft hatte er
aus seiner umfangreichen Kenntnis heraus „Grundsätze
der Beredsamkeit für junge Geistliche" aufgestellt, die
1810 in Ulm im Druck erschienen 2 . Der Konstanzer Generalvikar und nachmalige Bistumsverweser Ignaz Heinrich Freiherr von Wessenberg, der mit Mercy eng befreundet war, machte dem Autor der Schrift in einem
Brief ein dankbares Kompliment für das neue Geschenk
seiner literarischen Muse, die er bei dem Bildungsstand
der Geistlichen offenbar für wichtig hielt, denn er
schrieb: „Unsere Geistlichkeit vor Gelehrsamkeit zu
warnen, finde ich sehr unnöthig" 3 .
In seiner Schrift bejaht er als ersten Grundsatz die Meinung der Psychologen, daß man nur das recht verstehe,
was man durch sich selbst erlernt habe und führt dazu
aus seinem eigenen Bildungsgang an: „Vor mehr als vierzig Jahren, in der Barbarey des Zuchthauses, das man
Schule nannte, und in der Finsternis der alten Lehrart nicht erzogen, nur herangewachsen - mußte ich mich
durch eigene Bildung ohne Führer, ohne Wink für die
Kanzel vorbereiten" 2 > s - 1 0 . Für die eigene Vorbereitung fordert er rechtzeitige Auswahl des zu behandelnden Themas und gründliche Bearbeitung desselben:
„Schon am Sonntag Abend (1 Woche vor der Predigt)
bestimmt sich der Anfänger zu seiner Materie" 2> s- 51 .
Dabei wünscht er reale Betrachtung: „Mit Idealen geschieht nichts, oder wird wenig ausgerichtet, der Zweck
muß erreichbar und das Auge auf ein Objekt geheftet
sein" 2. S- 89. Intensive und rechtzeitige Beschäftigung
mit dem Inhalt der Kanzelrede setzt innere Gesammeltheit einer abgeschlossenen Persönlichkeit voraus, wie er
sie in seiner zurückgezogenen Lebensweise selbst darstellte. Seinen jungen Kollegen gab er dazu den Rat eines
Zeitgenossen weiter, der „zur Glückseligkeit des Lebens
ein starkes Schloß an seine Stube forderte. Im Schöße
der Einsamkeit erhalten wir die Originalität unseres Geistes, hohe Gedanken und Muth" 2< s- 55 . Als Quellen eigener Einsichten und sprachlicher Förderung bieten
42
sich immer wieder die alten Klassiker an, deren eifriges
Studium immer wieder warm empfohlen wird: „In der
Elocution gebührt die Palme Griechen und Römern. Wir
müssen also die Klassiker, die wir - noch Schulknaben
- erklärten und nicht verstanden, als Männer wieder
aus dem Staube hervorwühlen, um ihre Schönheiten einzusehen und zu empfinden. Ille se profecisse sciat, cui
Cicero valde placebit (Quintilius)" 2 > s - 3 6 . So wie er
selbst viel studierte, belesen und mit der schönen Literatur ebenso vertraut war wie mit den Wissenschaften, erwartete er auch für seine jungen Amtsgenossen davon
geistige Anregung und sprachlichen Gewinn: „Die
Dichtkunst muß uns die Sprache in unsere Gewalt geben,
muß unseren Gedanken Schwung, Licht und Farbe leihen und uns in den Stand setzen, den großen Inhalt in
einem gefälligen Gewand darzustellen. Et prodesse volunt et delectare poetae (Horaz). Das ist auch die Aufgabe des Redners" 2> s- 37 . Beschäftigung mit Dichtern
und Denkern regt auch die notwendige Phantasie an:
„Einen Reichthum der Einbildungskraft muß jeder Prediger besitzen, um sich klar, deutlich und stark auszusprechen, und den Aspekt, wo es nützlich ist, rege zu
machen" 2> s- 38 . Ausdrucksreichtum und Wahl der richtigen Worte war Mercy eine wichtige Voraussetzung für
den Erfolg eines Redners: „Wisset Ihr nicht, daß nicht
nur die Stärke des Beweises, sondern auch die Wahl des
Ausdrucks Pflicht eines Redners ist" 2- s- 52 . Gute Formulierungen anderer soll man sich merken und für eigene
Verwendung bereit halten: „In was immer für einem
Buch dir eine sich auszeichnende Stelle begegnet, eine
neue Ansicht, eine treffende Schilderung des menschlichen Herzens, ein Kernspruch etc., schreibe sie heraus
und setze dankbar den Namen des Autors hinzu" 2> s- 47 .
Das Merken des Autors eines Zitates schien ihm sehr
wichtig, denn „nur zu viel kommt es bey einer Maxime
darauf an, wer sie gesprochen hat" 2 > s - 1:l . So wie v.
Wessenberg in einem Brief an seinen Freund die Wahrheit als begehrteste Freundin preist - „amicus Socrates,
amicus Plato; magis amica veritas!" - so sollen Ziel der
Predigten Wahrheit und Tugend sein und alle Mittel
deren Verbreitung dienen: „Nichts schadet der Wahrheit und Tugend mehr, als ungeschickte Verteidigung" 2> s- 63 . Um das erstrebte Ziel zu erreichen, meint
der Verfasser: „Der Kunstgriff eines weltlichen Redners,
ein starkes Argument voranzuschicken, das seichte in
die Mitte zu stellen und mit dem stärksten zu schließen,
taugt nicht für den Prediger. Alle Gründe, die er bringt,
müssen überzeugen, alle Texte, die er anführt, entscheidend sein" 2- S- " 4 .
Die Predigt wie der gesamte Gottesdienst soll dem Gläubigen religiöse Anregung bringen und nicht politische
Botschaft oder Mittel der „Systemveränderung" sein:
„Das Christentum wendet sich unmittelbar an den Menschen, sucht keine andere Veränderung, als seines Inneren zu bewirken, und läßt der Welt ihren Gang. Unser
Herr hat von politischen Händeln seiner Zeit nicht ein
Wort gesprochen" 2> s- 67 . Dabei muß sich der Prediger in
seine Zuhörer hineindenken und ihre Vorstellungswelt
berücksichtigen: „Wir können keine anderen Leute bekommen, als uns die Welt giebt; wer kennt nicht die
heutige Erziehung?" 2> s - 8 7 . Dabei kannte er durchaus
das Los und die Mentalität seiner Zuhörer, die dem
Geistlichen sein Wirken nicht allzu leicht machen.
„Stark, beynahe herrisch ist ein Geistlicher" auf der Fol-
daran. Sagt doch der Apostel ,Ist Jemand unter euch
durch Leid gedrückt, er bete! Ist er froh, so singe er Loblieder!' Jak. 5,12. Unsere Bauern sind meist in dem ersteren Falle" 2> s- 60 .
Der erfahrene Redner warnt bei seinen Ratschlägen, von
Regeln für die Beredsamkeit alles zu erwarten; vielmehr
bedürfe es des eigenen Fleißes im Lesen und Formulieren,
denn „Die Beredsamkeit hat das Eigene, daß sie nicht
aus Regeln gelernt werden kann" 2> s - A u c h sieht er
die große Gefahr, der ein Prediger vor seiner aufnahmebereiten Zuhörerschaft gegenübergestellt ist: „Gefährlich
ist einem Jüngling die Kanzeltreppe, die ihn über das
Volk erhöht" 2 . S. 12.
Die inhaltsreiche Schrift scheint besonders bei dem
Freunde des Verfassers, Freiherrn von Wessenberg, eine
gute Beurteilung gefunden zu haben; denn in mehreren
Briefen anerkennt er die literarische Leistung und drängt
gleichzeitig den Pfarrer in Gruol, die Schrift des Kardinals Maury „Essai par l'éloquence de la chaire" umgearbeitet in deutscher Sprache herauszugeben, so am
12.2.1811: „ . . . e s müßte ganz frei umgearbeitet werden, um für deutsche Prediger eine nützliche Anleitung
zu werden. Sie sollten es unternehmen, Sie sind der
Mann d a z u " 3 ! Und wenig später am 8.3.1811: „Wie
sehr wünschte ich, daß Sie, mein wertester Freund, sich
dieser Arbeit unterziehen. Männer von Talent sollten
meines Erachtens immer in demjenigen Fach etwas Vorzügliches zu leisten trachten, worin sie am meisten Stärke besitzen" 3 .
Pfarrer
Wilhelm
Mercy
a. Hodler, Gesch. d. O A . Haigerloch, Bild N r . 221
ter des Beichtstuhles, im Dörrofen einer Landschule, vor
dem ekelhaften Bett eines wimmernden Kranken, beim
verpestenden Hauch eines langsam Sterbenden, beim
Schluchzen der Witwe, dem Jammer der Waisen, der
Armut, der Not, „wann er Bauern versöhnen soll, die
um eine Handvoll Gerste wie um den Besitz eines Königreiches hadern. Der allein hält den Sinkenden unter seiner Last empor, der das Verborgene sieht" 2• s - 1 2 . Immer
wieder erfolgt der Rat, den Zuhörer ernst zu nehmen
und auf sein Wesen einzugehen: „Studiere den Bauer! Im
konventionellen Leben gleichen sich alle Menschen; der
Charakter des Bauern ist mannigfaltig und verwickelt.
Unser Beruf gibt uns täglich Anlaß, ihn besser kennen zu
lernen. Bald finden wir an ihm ein ungezogenes Kind,
bald einen Weisen. Er bedürfte manchmal nur einer reineren Sprache, um seine Regeln, aus dem gemeinen Leben aufgegriffen, einem Philosophen in den Mund zu legen" 2> s- 58 . Mercy kennt die Bauern auf seinen Kirchenbänken, er weiß, was sie bewegt und drückt; darum versteht er auch ihr Verhalten im Gottesdienst: „Ich fasse
leicht, warum der Bauer - ich meyne den größten Teil,
Besitzer kleiner Gütchen, Tagelöhner - in der Kirche
nicht singen will. Er überläßt es den Chorknaben, die
des Lebens Mühe nicht kennen, und nimmt keinen Teil
Berücksichtigt man neben den rednerischen Fähigkeiten
noch die Aufgeschlossenheit Mercys für den Geist der
Aufklärung, seine bedeutende Stellung in der Wessenbergischen Schule, sein Eintreten für die Bereinigung des
Gottesdienstes von allen Überladungen sowie für die
Förderung der Bildung und Schule auf dem Lande, die
Einführung der Pockenschutzimpfung und sein soziales
Bemühen um die Bekämpfung der Armut als der Hauptursache der Demoralisation des Landvolkes, so ist es ersichtlich, daß seine Stellung weit aus der seiner Mitbrüder herausragte. Hodlers Feststellung ist daher verständlich, daß der Pfarrhof in Gruol zu Mercys Zeiten ein
Sammelpunkt nicht nur der Geistlichen, sondern auch
der gelehrten und vornehmen Welt aus weiter Ferne war
und Professoren, hohe Beamte, adelige Damen und Herren zu ihm auf Besuch kamen, zu dem schlichten Landpfarrer, den seine Verehrer den „christlichen Philosophen" nannten!
Quellen:
1
Franz Xaver
Hodler,
„Geschichte des Oberamts Haigerloch" - Selbstverlag des Kreisausschusses Hechingen 1928,
S.738-743
2
Wilhelm
Mercy,
„Grundsätze der Beredsamkeit für junge
Geistliche" - U l m 1810 - Hohenzollerische Landesbücherei H e c h i n g e n V 221
3
Briefe v.
Wasenbergs
an Pfarrer Mercy
in
Gruol
1802-1820, Abschriften von Hubert
Knaupp
im Pfarrarchiv von Gruol
J O H A N N ADAM KRAUS
Die Seelsorger v o n Kettenacker
Vorbemerkung: Da das deutsche Wort „Acker" vom lateinischen agere = „(Vieh)treiben" abgeleitet ist, dürfte
der Ortsname Kettenacker soviel bedeuten als Trift oder
Weidefeld eines Mannes Ketto. Die älteste Nachricht
über den Ort, der neuestens zur Gemeinde Gammertingen
geschlagen wurde, stammt aus dem Kloster Salem. Am 6.
November 1194 besaß dieses Cisterzienserkloster die
Kirche und den Zehnten samt einem Hof zu „Ketenach", und damit das Pfarrbesetzungsrecht (WUB
2,307). Doch war dies am 7. Juni 1193 noch nicht der
Fall (ebenda S. 292). Der Besitz wechselte jedoch. Denn
im Jahre 1300 ging der Kirchensatz (Patronatsrecht!)
von Kettenacker zusammen mit der Burg Jungingen vom
Johanniterorden an den Grafen Eberhard von Wirtem43
berg über durch Tausch (WUB 11). Bei diesem Hause
war es noch bei der Landesteilung im Jahre 1442, ging
aber 1474 an Hans von Bubenhofen (W. Reg. 6234) und
1524 von den Bubenhofen samt der Herrschaft Gammertingen an die Herren Speth über, 1827 dann durch Kauf
an Hohenzollern-Sigmaringen. Im kirchlichen Zehntbuch von 1275 wird zwar die Pfarrei Kettenacker erwähnt, war aber so arm, daß der ungenannte Pfarrer
keinen Kreuzzugszehnten zu geben brauchte . . .
Folgende Seelsorger sind urkundlich nachzuweisen:
1.1325 Januar 21: Henricus Krum, Leutpriester oder
Plebanus ( H J H 1962, 62).
2. 1420 Sept. 26: Pfarrer ist Henricus Galerus, genannt
Huet, Neffe des Zwiefalter Abtes Georg Eger aus Tigerfeld (Schmiedsfamilie). Er stiftete in Zwiefalten
einen Jahrtag mit einer Wiese zu Geisingen
(Zwief. U. 556).
3. 1436 Juni 27: Udalricus May, Pfarr-Rektor zu K.,
nimmt Absenz und ein Verweser wird bestellt, ebenso am 17. Juli 1437 (Krebs 738).
4.1445 Nov. 21: Nikodemus Rotter, Plebanus, zahlt
am 27. Nov. 8 fl. Erstfrüchte seiner Pfründe an den
Bischof von Konstanz.
5. 1450: Daniel Winschenk, zahlt ebenso am 16. April
8 fl.
6. 1458: Konrad Nupfer, ebenso am 25. Januar.
7.1461 Tanuar 21: zahlt der neue Pfarrer Johannes
Kötzlin (Keczlin) als Erstfrüchte 6 fl. Er wird noch
1482 hier erwähnt. Im Jahre 1467 erhielt er die Erlaubnis, für seine ruinöse Kirche in der Diözese zu
kollektieren.
8. 1492: Konrad Johannes Fink zahlte als Plebanus am
7. Sept. 1494 als Erstfrüchte 8 fl. Im Jahre 1503
wurde die Pfarrei Kettenacker dem neuen Kollegiatstift Hettingen durch die Herren von Bubenhofen
einverleibt.
9. 1504: Der hiesige Leutpriester Nikolaus Michael Himelrich zahlt am 6. Mai als Erstfrüchte 10 fl.
10. 1520-24 Nikolaus Spengler. Als Leutpriester erhält
er 1522 auf 1 Jahr Abwesenheits-Urlaub. Das Hetlinger Stift scheint nicht mehr bestanden zu haben
(FDA 1950, 154-178).
11. 1554 Mitverwaltung durch den Feldhauser Pfarrer
Georg Hass.
12. ca. 1573 Pfarrer Johann Conrad Saup in Feldhausen,
gebürtig von Konstanz.
13. 1580-84 Mitversehen vom Feldhauser Pfarrer Johann Schaupp, identisch mit obigem Joh. Saup, Constantiensis.
14. 1603 Simon N.
15. 1612-14 Ulrich Rättich aus Sigmaringen, wohl
identisch mit dem 1616 hier genannten Pfarrer Ulrich Zutias aus Sigmaringen.
16. 1616 Johannes Glattis, Pfarrer, von Kettenacker gebürtig.
17. 1620-22 Johannes Selg von Obermarchtal, prokl.
am 23. Sept., invest. am 20. Januar 1621 (ZfhohG
89, 142), resignierte 1622.
18. 1622-24 Johann Jak. Gotterbarm, prokl. 28. Mai,
invest. 29. Juli.
19. 1624-26 Valentin Bölzlin von Ehingen, ging nach
Hausen i. Kill.
20. 1626-29 Johann Hemmerlin.
21. 1629-33 t Martin Hugo, starb hier, wohl an Pest,
die damals grassierte.
22. 1633-35 f Michael Oth, ebenso!
23. 1635-39 Mg. Georg Bölzlin. Zog im letztgenannten
Jahr weg, und „hat sich der Pfarrei niemand angenommen und auch kein Einkommen mehr vorhanden"! Im Jahre 1659 am 19. Juli hat der Konstanzer
44
Weihbischof Georg Sigismund Müller den Martinsaltar (wohl Hochaltar) geweiht, und die Reliquien S.
Victorini et Antoninae eingelegt. Im Jahre 1661 ist
die Feldkapelle St. Georg ruinös, wird 1700 von der
Herrschaft Speth renoviert.
24. 1664-67 f Sebastian Heinrich Conrad, Uraniensis,
d. h. aus Altdorf i. d. Schweiz, starb hier (Zfhoh. G.
1966, 155).
25. 1667-75 Vitus Sayn, präs. 20. Mai, invest. 26. 3. 68,
geb. 1599 in Chur, starb in K. am 27. Juli 1675.
26. 1675-77 Stephan Hoffartner
(Hassferter?), präs.
1.8.75, prokl. 19.9. invest. 22.11. Er ist 1681 in
Andelfingen (Zfhoh. G. 1966 No 282.)
27. 1677-93 Michael Gaugel, präs. 17.6., invest.
5. 8. 77.
28. 1693-97 Johann Friedr. Schaller, präs. 4.7.; prokl.
14. 7.; Erstfrüchte 10 fl. 54 kr.
29. 1697-1720 Johann Gg. Dürrheimer, präs. 28. 8.;
prokl. 4. 9.
30. 1722-31 Josef Wetzel (irrig: Vogel) aus Neufra,
präs. 24. 3.; prokl. 17. 10. Ging nach Hettingen, wo
er 1739 starb.
31. 1731-45 Jakob Heinrich Häusel (Heisel) aus Hechingen, geb. 1702. Hat im Jahre 1745 hier 256 Seelen, starb am 11.3. 1745.
32. 1746-57 Carl Anton von Ow aus Sigmaringen, geb.
13. 1. 1700.
33. 1757-63 Christian
Stoß aus Riedlingen, geb.
3. 2. 16; war 1755 Kaplan in Riedlingen gewesen.
34. 1763-66 Johann Michael Arzeth aus Zwiefaltendorf, geb. 1. 5. 34; ist 1767 Kaplan in Fridingen
(Kap. Wurmlingen).
35. 1766-77 Jakob Mattes aus Kolbingen, geb. 7. 5. 33;
ging nach Feldhausen, wo er am 6. 11. 99 starb.
36. 1777-91 Karl Anton Reiser aus Gammertingen, geb.
1. 9. 41; wechselte nach Gammertingen.
37. 1792-97 Johann Bapt. Rudolf aus Feldhausen, geb.
16. 6. 52, starb 45jährig 21. 8. 97.
38. 1798-1810 Martin Stähle aus dem Elsaß wegen der
französischen Revolution geflohen. Geb. zu Winzenheim b. Kolmar. Erhielt 1810 einen Ruf nach Straßburg.
39. 1810-25 Johann Nep. Reiser aus Baach, geb. 1776,
ord. 1800, gest. in Neufra 1852 (FDA 17,21).
40. 1825-28 von Feldhauser Pfarrer Johann Nep. Müller versehen.
41. 1828-33 Vitalis Stengel aus Stetten b. Haig., gest.
1854 (FDA 17,28).
42. 1833-46 Johann Nep. Weihrauch aus Haigerloch,
gest. 1869 (FDA 17,84).
43. 1846-53 Roman Hohl, aus Hippetsweiler, geb.
1788, starb hier 1853 (FDA 17,23).
44. 1854-60 David Fechter aus Hart, 1816-98 (FDA
1901,289).
45.1860-61 Rudolf Mayer aus Hechingen, 1833-1905
(FDA 1906,69).
46. 1862 Dr. Josef Rud. Stockner aus Brixen, 1812-65,
t in Ablach 1865 (FDA 17).
47. 1863-78 Christian Eger aus Imnau, geb. 26.8.01;
ord. 21. 9. 26, invest. 10. 2. 63, t 31. 8. 78.
48. 1879-82 von Feldhausen aus verwaltet.
49. 1882-1904 f Mathias Flad aus Killer, 1835-1904
(FDA 1906,57).
50. 1905-47
t
Adam
Beuter
aus
Tailfingen,
1876-1947 (FDA 1951,207).
51. 1947-72 f Johann Locher aus Stetten u. Holst., geb.
6. 12. 96; gest. 9. 3. 1972. Baute Kirche und Pfarrhaus neu.
52. 1972-75 von Feldhausen aus versehen durch Stephan Bienias, geb. 10. 12. 1929 in Derschau (Oppeln), kam am 16. 4. 75 nach 7519 Eppingen-Richen.
53. 1975- Herbert
Hoffmann,
geb.
Wittgendorf
10.1.1911, ord. 30.7.39; kam als Pensionär von
Ketsch her am 1. 5. 74, wurde am 1. 10. 75 zum Verweser ernannt. Ad multos annos!
J O H A N N ADAM KRAUS
Nachträge z u „Burgstellen u n d Adel in Hohenzollern"
Als Anhang zur Nr. 4 oder „Hohenzollerischen Heimat" 1969 erschienen 12 Seiten Angaben über ehemalige Ortsadelige und verschwundene Burgsitze, soweit
man von solchen bis dahin Kunde hatte. Inzwischen
fanden sich weitere Daten, die hiermit nachgetragen
seien. Bei der Literatur ist noch zu nennen: E. Schmell,
Historische Zeitschrift 1945, Heft 2.
Achberg: Ein Heinrich v. A. zum Jahr 1239 findet sich
in Mitt. 3, 39.
Affelstetten bei Jungnau: Eine genauere Zusammenstellung liegt für die H H vor. In Apfelstetten im Lautertal
ist nach der OA-Beschreibung Münsingen 1912, kein
Ortsadel festzustellen. Unser Weiler A. ging 1355 mit
Jungnau, Blätteringen etc. von Burkart von Jungingen
kaufweise an die Frau des Wolfgang von Jungingen
über, 1367 an die Herren von Reischach und blieb dann
bei Jungnau (Mitt. 60, 56 f).
Beerstein hieß 1605 die Burgstelle auf dem Hausener
Kapf am Burladinger Tiefental, früher vermutlich Berstein (von Bär oder Eber). Die Burg scheint schon im
13. Jh. mit Erscheinen der Johanniter in JungentalStarzeln abgegangen zu sein ( H H 1970, 41; Albv. 1933,
9f).
Benzingen: Zu dessen Herren ist jetzt H H 1974, 40 zu
vergleichen.
Betra hatte ebenfalls Ortsadel: Ums J. 1100 schenkte
ein Budo von Betharah auf Veranlassung des Edelfreien
Swigger von Isenburg dem Kl. Hirsau fünf Huben zu
Weissach (Vaihingen). Bubo war Swiggers Vasall, die
Oberherrschaft über diese 5 Höfe schenkte letzterer
dazu (Cod. Hirsaug. 68 b).
Bietenhausen ist im Verzeichnis zu tilgen, denn der von
Hodler zu 1240 genannte Hogo von Betenhusen gehörte nach Bettenhausen b. Sulz.
Bisingen: Der Adel v. B. beginnend mit Werner 1188
(FUB I, S. 71) und Rudolf 1200 ist dargetan in H H
1971, 119.
Bittelschießer Täle: Die Burg ist schon 1490 Burgstall
genannt, also unbewohnt. Der freistehende Fels scheint
damals Erstein geheißen zu sein.
Burladingen: Daten zum Schlößle im Dorf 1512 und
1612 finden sich in H H 1969, 41.
Burre (Burrau) bei Wald war wohl den Herren von
Reischach zugehörig. Eberhard v. R. verkaufte am
5. 6. 1241 seinen Burgstall Borre ans Kloster Wald ( H H
1953, 38 und vor allem 1973, 25).
Dettensee wurde in H H 1969, 49-55 behandelt.
Dettingen: Vgl. Mitt. 15, 1 Seite 49 und 12, 14.
Dietershofen hatte ebenfalls Adel. Eine Burgstelle ist
nicht mehr zu erkennen. Am 14. Jan. 1284 sind Burkart
und Eberhard v. D. in einer Walder Urkunde genannt
(Sigm. R. 75, 502). Im J. 1304 bürgen Burkhart und seine Frau Adelheid mit dem Sohn Albrecht für dessen
minderjährigen Geschwister Berthold, Heinrich, Katharina, Agnes. Ein anderer Burkart erscheint 1339, 1340
(Knobloch I, 227).
Dietfurt. Vgl. Koobl. I, 227 u. Albv. 1894, 67.
Empfingen: Ein Heinrich v. Empf. zu 1188 (FUB I. 70),
Konrad v. E. 1304.
Gauselfingen: Die Ruine Leckstein (Schlößle) wäre
richtiger Lägstein zu schreiben; das bedeutet nach
M. Buck „Stein an der Halde" ( H H 1970, 43).
Glatt: Der 1246 genannte Berthold de Glate (Mitt.
3, 42) dürfte dem alten Ortsadel zugehört haben. Im J.
1296 erscheint dann hier ein Kunz der Nüwenegg von
Glatte (Hodler 400).
Grosselfingen: Die Hainburg mit Kapelle wurde in H H
1975, 24-26 besprochen. Ein Weiler Hagenbach findet
sich 1344 (Mon. Zoll. I. S. 163).
Habstal hatte ebenfalls Adel: Burkart 1281 (Mitt. 3,72;
11,30).
Haigerloch: Außer den vorzollerischen Grafen erscheint auch Niederadel: 1225 ( H H 1971, 69).
Hamburgs neuer Besitzer: Architekt Werner K. Hahn
in Haigerloch.
Hausen i. Kill, siehe Beerstein.
Heggelbach (Gmde Oberndorf, bad. Pfarrei Billafingen) hatte 1169-1600 nachweisbaren Adel des Namens
Häckels- oder Hägglinsbach, dessen Burgstelle durch
die heutige Georgskapelle markiert ist. Burkart
1169-89; Hermann 1223, Burkart u. Eberhard Gebrüder 1240-78 bzw. 1296; Burkart bis 1302; Hans
1501-16. Wappen: In weißem Schild zwei blaue Querbalken (Adolf Futterer, Heimatbuch Billafingen 1934,
212 f; Knobloch 2, 5-7).
Imnau ist ebenfalls nachzutragen: Um 1325 findet sich
ein Ulrich von Ymmenowe und ein Maier (villicus eines
hohenbergischen Hofes) de Ymmenowe (Hodler 774).
Am 7. März 1330 nennt Albrecht von Stetten, genannt
der Ganusser, seine Mutter Sophie selig, seinen Großvater Albrecht von Imnowe und dessen Gattin Diemut
selig (Kirchbg. U 296; H H 1971, 128).
Inneringen: Außer der adeligen Guta v. I. (erwähnt am
Ende des Nachtrags von 1969) fanden sich um 1300
eine Gisela mit Sohn Rudolf von Inneringen, die dem
Kl. Heiligkreuztal einen Hof zu Fridingen abkaufen
(WUB 11,340). Die stark veränderte Umgebung der
Kreuzkapelle am Ortsrand ist höchst burgverdächtig!
Langenenslingen: Schon um 1150 treffen wir einen
Hermann v. Enslingen im Rotulus Sanpetrinus, im
J. 1241 einen Ulrich v. E. (WUB 4, 12).
Levertsweiler: Von der ehemaligen Burg Laiterberg
waren nach E. Schnell im J. 1845 noch Wälle und Gräben zu sehen.
Lichtenstein bei Neufra: Als Stammburg nachgewiesen:
H H 1973, 36-37.
Magenbuch: Von der alten Burg östlich des Dorfes waren 1845 noch Baureste zu sehen (E. Schnell).
Melchingen: Bereits um 1100 ein Adilbert v. Mälchingen (Zwief. Chronik). Als letzter des Stammes starb
1504 der Johanniterkomtur Ber v. M. in Basel ( H H
1972, 135; Vier Aeste des einen Stammes: Hohz. Ztg.
8. Mai 1972). Die Reste der Burg werden 1976 f konserviert.
45
Neckarhausen: Vergangenheit des Ortes: H H 1973, 12.
Im J. 1246 ist ein Ritter Konrad von Husen Zeuge in
einer zu Empfingen ausgestellten Urkunde (WUB 4,
132 f).
Rangendingen:
Adel und Burg wurden in H H
1970, 30 f behandelt. „Heinrich von Lindach" schon daselbst 1962, 15/ 16 und im Schwarz. Boten vom
18. 3. 1971 beleuchtet.
Reischach: Als erster erscheint 1191 Ulrich v. R. H H
1973, 25; Knobloch 3, 474. Vgl. Borre.
Riedetsweiler: Im J. 1264 tauchen 2 Brüder auf: Marquard und Heinrich von Riozenwiler, die ans Kl. Salem
ihre Lehen in Bözenhart verkaufen. Marquard ist auch
1273 Zeuge einer Urkunde der Grafen von Heiligenberg (Knobl. 3, 529)
Ringingen: Zu den ältesten Herren ist H H 1972, 58
beizuziehen.
Rulfingen: Ein Albert v. R. wird 1286 genannt (Mitt.
3,79).
Schmeihen: Die Burg ist 1334 hohenbergisches Lehen.
Laut Rottweiler UB führt 1342 Heinrich von Schmiechen im Schild den Kopf und Rumpf eines Bären (AIberti 2,697). Anna v. S. Gattin des Hans von Salbadingen führte 1357 einen Lindenzweig (?) im Schild. Im
J. 1391 ist Eberhard von Husen (Donautal), Sohn des
in Sigmaringen seßhaft gewesenen Hugo v. H., Besitzer
des Dorfes Smiechen mit Zubehör, will es im Fall der
Kinderlosigkeit an die Brüder Hans und Stubenberg
von Stuben, Söhne seines Oheims Ulrich von Stuben selig, vermachen. Im J. 1411 hat Eberhard von Husen,
Märklins Sohn, bei der Teilung mit seinem Bruder Erhard v. H. vom Vater das Burgstall Schmeyhen samt
Mühlstatt erhalten. Im J. 1497 ist Sixt von Husen der
Besitzer geworden (Schriften Bodensee, 1889, Heft 18).
Schnatren hieß die zweite Erpfinger Burg auf dem Berg
gegen Holnstein. Auf ihr saßen die Salmendinger.
Spöck: Ein Rudgerus genannt Specker wird 1285 von
Schnell erwähnt.
Steinhofen: Adel und Burgstelle sind in H H 1972, 47
behandelt.
Stetten b. Haig.: Die adeligen Vertreter von Stetten
finden sich unter Haigerlocher Bürgern in H H 1971,
70-72. Ihr Sitz war vielleicht der 1438 vom Kloster St.
Georgen an Konrad von Bubenhofen veräußerte Kayhof (befestigter Hof).
Tafertsweiler: Im J. 1274 saß ein Conradus de Tageprechteswilare auf einem Salemer Hof zu Ostrach
(Schnell 1845, 2,95). Oder war er bürgerlich?
Thalheim b. Meßkirch: Das Schlößle, wohl anstelle einer früheren Burg, wird schon 1635 ruinös genannt
(Mitt. 31,123). Ein Konrad v. T. 1265, 1285 (WUB
10,63 und 11,511). Wolfrad 1292, Konrad 1305 (FUB
5,207).
Thanheim: Überlegungen zu Adel u. Burg: Hohz. Ztg.
Nr. 288 vom 13. Dez. 1974.
Wehrstein: Zusammenstellung der Herren: H H 1972,
44; 1973, 5.
Zell (Boll): Zur Burg der Schenken v. Zell, später von
Stauffenberg, siehe H H . 1976, 19-20.
Uwe Ziegler: Verwaltungs-, Wirtschafts- und Sozialstruktur Hohenzollerns im 19. Jahrhundert.
(Arbeiten
zur Landeskunde
Hohenzollerns,
Heft
13, 1976)
238 Seiten.
maßnahmen unterhalb der Ebene politischer und legislativer Entscheidungen im Konkreten zu verfolgen.
Die Arbeit ist in drei große Abschnitte gegliedert. Der
erste beschreibt die gesellschaftliche und wirtschaftliche
Struktur der beiden Fürstentümer Hechingen und Sigmaringen während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1806 bis 1850). Behandelt werden in beiden Ländern parallel u. a. die Bereiche Bevölkerung, Staatsverfassung und -Verwaltung, Kirche, Schule, Wirtschaft,
Landwirtschaft und Agrarreform. Im zweiten Teil beschreibt der Verfasser die durch den Übergang in preußische Staatshoheit eingetretenen Veränderungen in
Staatsverwaltung, Wirtschaft und Landwirtschaft in
dem durch die Zusammenlegung der beiden Fürstentümer gebildeten Regierungsbezirk Sigmaringen. Der als
Anhang bezeichnete dritte Teil, der umfangmäßig die
Hälfte der Gesamtuntersuchung ausmacht, besteht aus
Zusammenstellungen von quantitativen Daten zu verschiedenen Bereichen der Agrarstruktur und Agrarreform: Er bringt Übersichten über Gemarkungsgrößen,
landwirtschaftliche Nutzflächen und Betriebsgrößen, Bevölkerungs- und Grundbesitzverteilung, herrschaftlichen
Zehntertrag, Fronen und Getreidepreise in den beiden
Fürstentümern bzw. im Regierungsbezirk und schließlich
als Schwerpunkt eine nach Dörfern angeordnete Aufschlüsselung von Höhe und Verteilung der Geldsummen,
welche die Bauern für die Ablösung ihrer Lasten an die
Berechtigten (vorwiegend die Fürsten von HohenzollernHechingen und -Sigmaringen, Thum und Taxis, Fürstenberg, die zuständigen Pfarreien und Heiligenpflegen, der
Studienfonds Sigmaringen) bezahlten.
Hier liegt eine Studie vor, die sowohl den Charakter
eines Nachschlagwerkes besitzt, als auch gleichzeitig übersichtlich aufbereitetes Datenmaterial zur vertieften Erforschung der Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Einzelfall und im übergreifenden Vergleich zur Verfügung
stellt. Erstmals wird dem Leser hier eine zusammenfas-
Die vorliegende Arbeit, eine bei Prof. Decker-Hauff am
Institut für geschichtliche Landeskunde und historische
Hilfswissenschaften in Tübingen angefertigte Dissertation, geht von der Frage aus, in welcher Weise die eigentümliche staatsrechtliche und politische Stellung Hohenzollerns - 1806 überlebten die beiden Kleinstaaten Hohenzollern-Hechingen und -Sigmaringen in untypischer
Weise das Ende des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, 1850 gingen sie an den Staat Preußen
über, die wirtschaftliche Dominanz des sigmaringischen
Fürstenhauses blieb aber bestehen - sich auf Verfassung,
Verwaltung, Wirtschaft und Sozialstruktur dieses Landes
auswirkte. In den Vordergrund rückt der Verfasser dabei die Agrarreformen, unter denen die Ablösung und
Aufhebung der noch aus dem Mittelalter stammenden
feudalen Bindungen und bäuerlichen Lasten, wie herrschaftliche Leiherechte an Grund und Boden, Leibeigenschaft, Fronen, Zehnte, Weiderechte usw. zu verstehen
ist. Dafür nennt der Verfasser zwei Gründe: Zum einen
war Hohenzollern auch im ganzen 19. Jahrhundert noch
ein so gut wie ausschließlich agrarisch geprägtes Gebiet,
in dem der Landwirtschaft auf wirtschaftlichem und sozialem Sektor die ausschlaggebende Rolle zukam. Zum
anderen bot die räumliche wie quellenmäßige Überschaubarkeit Hohenzollerns die Möglichkeit, die konkreten sozialen Folgen dieser Agrarreformen differenziert
und zugleich beispielhaft für ein ganzes Land umfassend
zu analysieren. Der letztgenannte Grund ist das hauptsächlichste Anliegen des Verfassers: Im Gegensatz zu der
vorherrschenden Tendenz der bisherigen Forschung sucht
er die Voraussetzungen und Auswirkungen der Reform46
sende Darstellung der Verwaltungseinrichtungen Hohenzollerns im 19. Jahrhundert in die Hand gegeben, ein
schon längst überfälliges Desiderat, ohne das eine Aufarbeitung des bisher in Hohenzollern nur in Teilsaspekten
erforschten 19. Jahrhunderts nicht möglich ist. Die sehr
knappe, abrißartige Beschreibung der staatlichen Institutionen führt an einigen wenigen Stellen zwar zu verkürzten und daher mißverständlichen Aussagen — so
war die Trennung von Verwaltung und Rechtsprechung
in den beiden Fürstentümern vor dem Übergang an
Preußen noch nicht völlig durchgeführt (S. 85), vielmehr
bestand in Hohenzollern-Sigmaringen in den unteren Instanzen, in Hohenzollern-Hechingen in den oberen die
Verbindung von Justiz und Exekutive bis 1852 fort; in
der Städteordnung für das sigmaringische Fürstentum
von 1810 bestand das Stadtgericht aus dem Schultheiß
und zwei Ratsmitgliedern, während das vom Verfasser
als Gericht bezeichnete Gremium aus den vier höchstbesteuerten Bürgern und zwei freigewählten Abgeordneten
(S. 45) tatsächlich der Bürgerausschuß war - sie gewährleistet aber die straffe Systematik und schnelle Benutzbarkeit des Werkes. Von ganz besonderem Interesse
ist die in den Kapiteln Wirtschaft zusammengetragene
Aufstellung von Industrieunternehmen in den beiden
Fürstentümern und später im Regierungsbezirk, die Darstellung der letztlich gescheiterten gewerblichen Förderungsmaßnahmen durch Preußen und der Beurteilung
von Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur und Mentalität der hohenzollerischen Einwohner durch den preußischen Kommerzienrat und schlesischen Industriellen Reichenheim 1854. In dem der Landwirtschaft und den
Agrarreformen gewidmeten Kapiteln wird ein Abriß der
Struktur und Verfassung der Landwirtschaft gegeben,
der von der Viehzucht über landwirtschaftliche Nutzflächen und Besitzverteilung zwischen Herrschaft, Gemeinde und Bauer bis zur Zusammenstellung der mannigfachen Abhängigkeitsformen des Einwohners von den verschiedenen Herrschaften, der damit verbundenen Abgaben und Lasten sowie den politischen, gesetzlichen und
finanziellen Modalitäten ihrer Ablösung reicht. In den
diese Fakten konkretisierenden Tabellen, die aus einer
immensen Fülle von Archivalien erarbeitet wurden, wird
wichtigstes Material, in Datenform aufbereitet, leicht
greifbar und benutzbar angeboten als Ausgangsbasis und
Quellenreservoir für weitere Untersuchungen auf dem
Gebiet der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umstrukturierung im 19. Jahrhundert. Hier erfährt man anhand von Zahlenbelegen endlich Konkretes über das
Ausmaß der finanziellen Belastungen der pflichtigen Gemeinden durch die Ablösungssummen und über den Kapitalzuwachs in der Hand der Berechtigten. Letzterer
wurde von der durch fideikommissarische Gesetzgebung
behinderten fürstlichen Hofkammer in Sigmaringen
nicht in Industrieunternehmen investiert, sondern lediglich wiederum in Grund und Boden angelegt und dies sogar größtenteils außerhalb des Landes. Daher entfiel
nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung Hohenzollerns, die durch das von seinen Einwohnern aufgebrachte
Kapital möglich gewesen wäre, vielmehr wurde dieses
Geld dem Land sogar weitgehend entzogen.
Diese Arbeit zeigt einmal mehr, wie grundlegend wichtig
und für die Forschung entscheidend weiterführend regionalgeschichtliche Spezialuntersuchungen auf landeshistorischer Ebene sind.
Maren Kuhn-Rehfus
WALTHER FRICK
Als noch das Holz im O f e n krachte
Noch in den dreißiger Jahren gab der Hausmeister
im Landeshaus, dem Sitz der hohenzollerischen Kommunalverwaltung, zu bestimmten Zeiten Buchenasche aus.
Die Abnehmer waren Sigmaringer Hausfrauen, die daraus noch Waschlauge herstellten, als es schon lange Persil
gab. Um dieselbe Zeit auch sah man im Frühjahr die
ganze Karlstraße entlang endlose Holzbeigen stehen, alle
bestimmt, den zahlreichen Behörden dort „einzuheizen".
Gar nicht zu reden von den privaten Haushaltungen.
Scherzweise sagt man noch heute in Sigmaringen, nur
d e r sei ein wirklich alter Sigmaringer, dessen Vater
noch das Bürgerholz bezog; es wurde 1935 oder 36 abgeschafft. Nicht aber die Holzfeuerung. Noch bis in die
50er Jahre kamen die Fuhrleute von Schmeien oder
Laiz, von Jungnau und Krauchenwies mit Holz angefahren, nach Lichtmeß beginnend, und sowie es ein bißchen wärmer wurde, ratterten die Holzsägen. Bis in dieses Jahrhundert gab es aber auch noch Männer, die ihren
Lebensunterhalt mit Holzsägen verdienten und die tagaus tagein mit ihrem galgenförmigen Sägeapparat hantierten, bei dem ein Gegengewicht die Arbeit des Hinund Herstoßens etwas erleichterte. - Selbst die Kohlen
zogen allgemein und in größerer Menge erst mit der
Eisenbahn ein.
Im Zeitalter vollautomatischer ö l - oder Gasheizungen und wohl bald auch der Wärmepumpen und Sonnenkollektoren gerät die dominierende Rolle des Holzes
als Brennstoff fast in Vergessenheit. Holz wird heute
zwar wieder häufiger verbrannt, aber in offenen Kaminen; weniger zum Heizen, als um eine unterschwellige
Sehnsucht nach der einstigen Gemütlichkeit zu befriedi-
gen. Holzrechte, Holzfrevel, Streit um Nutzungen, Sorge vor dem Abtrieb von Wäldern durch zuviel Entnahme, das füllt nicht nur Bände in den Archiven, sondern
hat auch in den zahlreichen Märchen sich niedergeschlagen, in denen arme Leute Holz sammeln und wo Hänsel
und Gretel der Hexe das Feuer schüren müssen. Holz
war aber auch eine regelmäßige Einkommensquelle für
die vielen Kleinbauern, zumal im waldreichen Hohenzollern. Ein hartes Brot, bei dem sogar der, der die Härte
mildern wollte, gelegentlich verspottet wurde: der aus
Melchingen stammende, vieljährige Sigmaringer Forstamtmann Franz Faigle efzählte, daß er als erster Hütten kaufte, mit einem Ofen drin, damit die Holzfäller
sich aufwärmen und ihr Mittagessen genießen konnten.
Das wollten sie zunächst nicht, sie waren an das offene
Feuer gewöhnt. Heute haben diese Hütten sogar Räder,
und ohne sie würde wahrscheinlich keiner mehr zum
Holzmachen gehen. Selbst die Akustik beim Holzmachen hat sich geändert. Früher hörte man da Axtschläge
und das gleichmäßige Rätsch-rätsch der Zweimannsägen.
Heute werden sogar die dünnsten Äste, nicht zu reden
von den Stämmen, nur noch mit der Motorsäge geschnitten. Ein Holzarbeiter leistet das Vielfache dessen, was
noch sein Vater in den kurzen Tagen zwischen Allerheiligen und Lichtmeß zustande brachte. Denn das ist die
Zeit des Holzmachens gewesen, nach „Fabian und Sebastian aber fangen die Bäume zu saften an" (20. Januar),
und da wurde das Sägen mühsamer. Die Motorsäge
kümmert das nicht mehr, die Holzarbeit geht, Durchforstungen eingeschlossen, fast durch das ganze Jahr. War
das Holz dann vor dem Haus angekommen, mußte es
47
aber erst ofenfertig gemacht werden, und das war auf
dem Land eine rechte Großvaterarbeit. Der hatte Zeit
dazu, auf dem Feld schafften die Jüngeren, und er hatte
Monate vor sich, bis er fertig sein mußte. Erst wenn alles
im „Holzstall" sauber aufgestapelt war, durfte der Winter kommen. Der Spruch, daß „Brennholz dreimal warm
macht" hatte seine Gültigkeit: erst beim Schlagen im
Wald, dann beim Zerkleinern und Aufbeigen - und das
zweimal: zum Trocknen und dann im Holzstall - und
schließlich im Ofen.
Holz wuchs immer, und man darf wohl sagen, daß
auch in Zeiten, wo Mißwachs den Schmalhans an den
Herd stellte, doch wenigstens niemand frieren mußte.
Der Sigmaringer Leibarzt Dr. Franz Xaver Mezler wetterte zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht schlecht über
die Untertanen, die fast das ganze Jahr über ihre Stuben
seiner Meinung nach unsinnig heizten. Aber der Ofen
mußte nicht nur heizen, er trocknete auch Wäsche an
den umlaufenden Stangen in der Stube, zumal wenn man
Kleinkinder hatte und Windeln zum Trocknen (man
roch es wohl auch). Daneben hingen Handtücher und
Socken, und das Ganze gab manchmal schon einen elenden Mief. In Bauernhäusern wurden nur Küche und Stube geheizt, oft genug mit dem Herd allein, dessen Hitze
man in den Kachelofen auf der anderen Mauerseite leitete. Die Heizweise hat sogar die Sprache aufbewahrt:
was geheizt werden kann, nennt man Stube, vom lateinischen stufa für Ofen. Die ungeheizten Räume waren die
Kammern, schwäbisch richtiger ausgesprochen, die
Kahmern. Holz heizte allerdings auch das Back- und wo
vorhanden das Waschhäusle, mindestens aber die transportablen Waschöfen im Freien, die man auch nicht
mehr sieht. Nur der Bruder dieses Waschofens, der für
das Schweinefutter, den gibt es noch, wo er nicht durch
den eleganten „Kartoffeldämpfer" mit Elektroheizung
verdrängt wurde. Und nicht zu vergessen die Zweitfunktion, die hochwichtige: der Rauch beizte den Speck,
nachdem die Kartoffeln „durch die Sau gejagt" waren.
Um solchermaßen das Feuer zu nützen, waren nicht einmal die Rathäuser zu schade, wie man an dem gewaltigen Rauchkamin im Veringenstädter Rathaus noch sieht.
Wärme mußte man sich mit Schweiß erst verdienen,
wir sagten es schon. Dafür aber kam dem Feuer im Herd
und im Ofen auch eine Bedeutung über das Materielle
hinaus zu, die es gleich hinter das Brot stellte. Wer „eigenen Rauch" hatte, galt als Bürger, das heißt, wer ein
Haus oder doch eine Wohnung bewohnte. Man berechnete eine Einwohnerschaft nach „Seelen" und zugleich
nach den Feuerstellen. Und weil man meist nur einen
Raum heizte, mußte sich Familie und Gesinde dort auch
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT
herausgegeben v o m Hohenzollerischen Geschichtsverein in Verbindung mit den Staatlichen Schulämtern. Verlag: H o h e n z o l l e rischer Geschichtsverein 748 Sigmaringen,
Karlstr. 3. D r u c k : M. Liehners H o f b u c h druckerei KG, 748 Sigmaringen, Karlstr. 10.
D i e Zeitschrift „ H o b e n z o l l e r i s c h e
Heimat"
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie
will besonders die Bevölkerung in H o h e n zollern mit der Geschichte ihrer H e i m a t
vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres Landes.
Sie veröffentl. bevorzugt Beiträge, die im
Schulunterricht verwendet werden können.
Bezugspreis: 3,00 D M halbjährlich
Konten der „Hohenzollerischen Heimat":
802 507 H o h e n z . Landesbank Sigmaringen
123 63 Postscheckamt Stuttgart
Die Autoren
dieser
aufhalten, trocken gesagt. In Wahrheit wuchs und wucherte am Ofen oder am Herd die ganze Großmutter-,
Gespenstergeschichten- und Spinnstuben-Poesie. Man
kann sich unschwer vorstellen, daß es beim Heimweg
durch stockdunkle Gassen, ohne Peitschenmasten und
Autos denen elend gruselte, die kurz zuvor noch Geschichten von schwarzen Hunden ohne Köpfe gehört
hatten, vom wilden Heer und von Ungeheuerlichkeiten
auf Kreuzwegen. - Wenn auf dem Land auch heute
noch viel mit Holz geheizt wird wie seit je, dann allerdings nicht um der Poesie wegen, sondern aus praktischer Erwägung: viele haben noch Allmend-Anteile am
Holz, viele eigenen Wald oder doch die Möglichkeit,
Holz selber zu schlagen und heimzuführen. Es gibt noch
viele Nebenher- oder Garnichtmehr-Bauern, die dennoch
ihren „Bulldog" und einen Wagen behalten haben, nur
um Holz holen zu können. Es gibt ja gelegentlich auch
Ölkrisen, wie wir inzwischen wissen.
Museen in Baden-Württemberg
Nachdem in knapp einem Jahr dieser Museumsführer
vergriffen war, erschien nun die zweite, ergänzte und erweiterte Auflage ( 1 9 7 7 ) . Während die erste Auflage 346
Museen enthält, stellt die Neuauflage schon 397 Museen
aller Art vor. Es sind nicht nur Kunst- und Heimatmuseen, sondern eine Vielzahl technischer und Spezialmuseen. Wer z. B. einen bestimmten Künstler sucht, kann sich
im Namenregister leicht informieren, wo er dessen Werke findet. Wünschenswert wäre auch ein Sachregister,
denn die Übersicht über die Thematik der Museen im
Anhang genügt nicht. So gibt es z. B. Uhren nicht nur
im Uhrenmuseum in Furtwangen, sondern auch in Villingen-Schwenningen, Triberg usw. Oder wer würde
z. B. einen dendrochronologischen Kalender mit Originalhölzern ausgerechnet im Franziskanermuseum Villingen suchen. Das handliche Büchlein in Plastikeinband ist
mit zahlreichen Bildern ausgestattet. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart und Aalen. Preis DM 22 -
Aus fremdem Besitz
Von Stephan Wiest, Hechingen, erschien im Badenia
Verlag ein kleines Büchlein: Übereinstimmende, vergleichende, gegensätzliche Aussprüche und Meinungen zu
Schule, sowie Unterricht, Bildung und Beruf. Der Verfasser hat viele hundert Zitate zu den verschiedensten
Themen gesammelt. Eine anregende Lektüre für besinnliche Stunden.
Nummer:
Dr. Gregor Richter,
Staatsarchivdirektor
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen
Schriftleitung:
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Walther Frick, Journalist
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Die mit N a m e n versehenen Artikel geben
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der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen
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Dr. Maren Kuhn-Rehfus,
Staatsarchivrätin Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzollerische H e i m a t " weiter zu empfehlen.
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen
W 3828 F
HÖH ENZOLLERISCHE
HEIMAT
* *
Herauegegeben o o m
Hohenzolleritchen Gefchichteoerein
27. J a h r g a n g
Nr. 4 / D e z e m b e r 1977
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Die Anbetung
der Hirten
in Burladingen-Melchingen
*
im Stall von Bethlehem - Deckenfresko
- von Franz Ferdinand Dent, 1769.
im Chor der St.
Stephans-Kirche
Foto: M. Hermann
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Eine gesegnete Weihnacht und, ein gutes Neues Jahr
*
wünscht ihren Lesern die „Hohenzollerische Heimat"
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GREGOR RICHTER
Sigmaringen im Mittelalter - Ein Beitrag z u m Verhältnis Stadtherr u n d Stadt
Die 900-Jahrfeier der Stadt Sigmaringen im Jahr 1977
gab Anlaß, sich mit der Geschichte der Stadt im Mittelalter zu beschäftigen. Dabei war auch auf das Verhältnis
Stadtherrschaft und Stadt einzugehen.
Die Erstnennung zum Jahr 1077 1 erwähnt lediglich das
Castellum Sigimaringin, gibt jedoch über dessen Anlage
und Ausdehnung keinerlei Hinweis. Möglicherweise
gruppierten sich schon 1077 um die Burg einige Hütten
oder Häuser, die sich nach und nach zu einem regelrechten Burgflecken und schließlich zu einer stadtgerechten
Siedlung vermehrten. In Sigmaringen ist aber auf jeden
Fall mit einer längeren Periode langsamen Wachstums zu
rechnen, da es sich ja nicht um eine planmäßige Stadtgründung handelte, wie man sie etwa für die sogenannten Zähringerstädte annimmt. Freiburg i. Br., Rottweil
oder Villingen werden zu ihnen gezählt. Als übereinstimmendes Merkmal nimmt man bei diesen den Stadtgrundriß mit planmäßig angelegten Straßen an einem
Achsenkreuz an 2.
So geometrisch planmäßig ging es in Sigmaringen ohne
Zweifel nicht zu. Es bot sich dafür auch gar kein Anlaß,
weil zunächst überhaupt nur ein kleiner Bereich nördlich
der heutigen Fürst-Wilhelm-Straße vorhanden war und
eine Erweiterung bis zur Antonstraße erst im 15. Jahrhundert nötig wurde.
Die nach heutigen Begriffen kleine Siedlung erlangte
dennoch den Rang einer Stadt. Zwar ist sowohl unbekannt, welcher Ortsherr die Stadterhebung erwirkte als
auch wann dies eigentlich geschah, doch lassen einige
Anzeichen den Schluß zu, es müßte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gewesen sein. Viel Glaubwürdigkeit besitzt die Annahme, es hätten die Grafen v.
Hirschberg die Stadterhebung bewirkt und ihr eigenes
Wappentier ihrer Stadt zum Wahrzeichen verliehen 3 .
Wäre dies auch eine einleuchtende Erklärung für die
Aufnahme des Hirschs im Sigmaringer Stadtwappen und
Stadtsiegel, so muß doch wiederholt werden, daß es Beweise dafür nicht gibt und etwa die Vermutung nicht zu
widerlegen ist, die im 13. Jahrhundert tatsächlich als
Herrschaftsinhaber begegnenden Grafen von Helfenstein
hätten die Stadterhebung vorgenommen. Fehlen darüber
Quellen, so lassen sich immerhin Vermutungen anstellen,
weshalb eine von der Größe her so unbedeutende Siedlung in die Gelegenheit gesetzt worden ist, Stadt zu werden.
Es ist dazu ein Wort zur Rolle der Stadt im Mittelalter
zu sagen. Gemeinhin läßt sich die Stadt des Mittelalters
als eine Siedlung bezeichnen, die eine gewisse Befestigung, später regelmäßig in Form einer Stadtmauer, aufweist, Marktbefugnis besitzt und nach städtischem Sonderrecht verwaltet wird. Oft dürfen in der Stadt nur in
Zünften organisierte Gewerbe betrieben werden, und der
städtische Bürger genießt im Regelfall Freiheit von der
Leibeigenschaft, was den allgemein bekannten Satz entstehen ließ: Stadtluft macht frei.
Damit konnte es für den Stadtbürger von Belang sein,
welche Rechtsnormen in seiner Stadt galten, und überhaupt Wichtigkeit erlangen, ob man in einer Stadt oder
in einem Dorf wohnte. Wer städtisches zunftmäßiges
Gewerbe treiben wollte, mußte sich eben in einer Stadt
niederlassen. Das in Sigmaringen geltende, wenigstens
seit dem 14. Jahrhundert faßbare Stadtrecht ist seinem
50
Inhalt nach bekannt, wir brauchen darauf nur zu verweisen 4. Es ist nicht ohne Reiz, zu lesen, wie sich aus
der Gesamtheit der männlichen Bürger ein Stadtrat entwickelte, der Verwaltungs- und Rechtsprechungsfunktionen ausübte. Daß der Schultheiß nach dem erneuerten
Stadtrecht von 1460 von der Gemeinde gewählt wurde,
ist im Vergleich mit anderen Städten durchaus erwähnenswert, hatte doch beispielsweise die Gemeinde der
Stadt Haigerloch nach dem Stadtbuch von 1457 kein
Wahlrecht für den Schultheißen, den dort der Stadtherr
ernannte.
Die rechtliche und wirtschaftliche Sonderstellung der
Stadt gegenüber dem flachen Land brachte nicht nur den
Stadtbürgern, sondern nicht minder den Stadtherren
Vorteile.
Nicht umsonst haben die Staufer beim Ausbau ihrer
Herrschaft im Reich zahlreiche Städte gegründet bzw.
unter ihre Herrschaft gebracht 5, wovon sich mit Mengen, Pfullendorf und Saulgau drei Beispiele ganz aus der
Nähe von Sigmaringen finden lassen. Als befestigter Ort
bot die Stadt den Inhabern der Herrschaft und deren
bewaffneten Kräften in Kriegszeiten Schutz und Rückhalt, zumindest die Möglichkeit der Verteidigung. Handel und Gewerbe kamen der Herrschaft wie dem Umland zu Gute, und nicht selten bildete die Stadt das Verwaltungszentrum der Landesherrschaft, die ihren diesbezüglichen materiellen und unterkunftsmäßigen Bedarf
allein in einer Burg nicht mehr zu befriedigen vermochte. Oft entwickelten sich daraus Residenzen, wie es ja
wenigstens zeitweise in Sigmaringen bereits im Mittelalter der Fall war.
Solche Rücksichten mögen in Sigmaringen bei der Erhebung zur Stadt ihre Rolle gespielt haben. Interessant ist
dann auch der Zeitpunkt, zu dem die Stadterhebung erfolgte. Man darf wohl als sicher gelten lassen, daß dies
um die Mitte oder am Beginn der zweiten Hälfte des
13. Jahrhunderts geschah 6 . Das aber fällt in die Zeit, in
der das Geschlecht der Staufer erlosch und das Herzogtum Schwaben verwaiste. Aus vielen Beispielen ist bekannt, wie das Fehlen einer Herzogsgewalt die zahlreichen Grafen und Herren ermunterte und es ihnen
schließlich auch ermöglichte, ihre Herrschaft auszubauen
und die volle Landeshoheit zu erlangen, die in Herzogtümern der Herzog beanspruchte.
Beim Ausbau einer Landesherrschaft konnte der Rückhalt in Städten durchaus von Vorteil sein. So möchte
man in der Absicht, die Herrschaft zu stärken und auszubauen, einen Grund sehen dafür, daß die in Anlehnung an die Burg entstandene, bis dahin aber nur bescheiden gewachsene Siedlung Sigmaringen um die Mitte
des 13. Jahrhunderts in den Rang einer Stadt erhoben
worden ist.
Wie weit die Stadt Sigmaringen solche vermutete Erwartungen erfüllt hat, läßt sich nicht nachprüfen. Zieht man
Rückschlüsse aus der späteren Entwicklung und bedenkt
man, wie langsam auch später sich das Wachstum vollzog, so möchte man keinen durchschlagenden Erfolg annehmen.
Die Gründe dürften auf mehreren Gebieten zu suchen
sein.
Zunächst mußte sich auswirken, daß sich in der Nachbarschaft die Rivalen um die Macht behaupteten, ob dies
Sigmaringen.
Schloß
und Stadt
vom
Mühlberg
aus. Ölbild,
Mitte
nun die Herren von Zimmern in Meßkirch oder die
Truchsessen von Waldburg in Scheer und Friedberg oder
die Habsburger waren. Bei der Langlebigkeit dieser Familien bot sich noch nicht einmal die Möglichkeit, größere Herrschaften im Erbgang oder durch Kauf zu erwerben, wie es etwa Württemberg nach dem Erlöschen
der Grafen v. Calw nach 1260 und später immer wieder
gelang. Zum anderen wirkte sich in Sigmaringen der
häufige Besitzerwechsel aus.
Nachdem seit dem 12. Jahrhundert die Inhaber genauer
zu fassen sind, lassen sich die Grafen von Spitzenberg und
Helfenstein sicher, die von Hirschberg vermutlich, dann
wieder mit Sicherheit die Grafen von Montfort zwischen
dem Ausgang des 12. Jahrhunderts und 1290 als Stadtherren verfolgen. 1290 erwarb das Haus Habsburg Stadt
und Herrschaft Sigmaringen, die es aber schon 1325 an
Württemberg verpfändete. 1399 verpfändete Württemberg diesen Pfandbesitz seinerseits an die Grafen von
Werdenberg, die 1459 daran das Eigentum erlangten und
bis zum Erlöschen der Herrschaftsfamilie der Werdenberger 1534 Stadtherren blieben.
Neben der Tatsache des häufigen Besitzwechsels mußte
sich für die Weiterentwicklung der Stadt Sigmaringen
nachteilig auswirken, daß sie sich seit dem Übergang an
Habsburg 1290 lange in einer Art Randlage, nie eigentlich im Zentrum der Territorialherrschaft befand. Für
Habsburg mit seinen vielen Herrschaftstiteln vom Elsaß
bis Vorarlberg besaß Sigmaringen keineswegs eine das
Wachstum und die Position fördernde Zentralfunktion.
Nicht anders für Württemberg, das bis zur Weitergabe
der Pfandherrschaft immerhin drei Generationen bestimmend war. Und selbst unter den Werdenbergern war
Sigmaringen keineswegs stets die einzige begünstigte Residenz, fand es doch in Trochtelfingen und Heiligenberg
Konkurrenten.
Immerhin fällt in die Herrschaftszeit der Grafen von
Werdenberg die schon erwähnte Stadterweiterung bis
zur Antonstraße, dazu noch die erneute bzw. erweiterte
Ummauerung unter Einschluß der Neuanlage bis zur
Antonstraße, wovon der Runde Turm noch als sichtbares
18. Jh.
F. Bibliothek
Sigmaringen
Zeichen steht. Die Grafen von Werdenberg ließen ferner
das Rathaus errichten, dessen eine Hälfte zunächst ihnen
gehörte, die sie aber 1454 der Stadt schenkten, die nun
Eigentümerin des ganzen Rathauses war. Offenbar
konnte man es sich damals leisten und herrschte eine gewisse Baufreudigkeit vor, denn es fällt noch die Schloßerweiterung in die Herrschaftszeit der Werdenberger,
die außerdem eine neue Johanneskapelle bauen ließen
neben dem Schloß, wohl am Platz der heutigen Johanneskirche.
Damals muß nach allem die Stadt einen großen Aufschwung genommen haben, sie befand sich eben jetzt
nicht mehr in der Randlage des Territoriums und erhielt
unter den Werdenbergern mehr den Charakter einer
Residenz.
Diesen verlor sie zunächst wieder nach dem Anfall im
Jahr 1535 an Hohenzollern, nachdem 1534 das Geschlecht der Werdenberger erloschen war. Erst nach der
Landesteilung von 1576 wurde Sigmaringen wieder zum
Sitz eines Herrschergeschlechtes.
War es also nicht gleichgültig, in welcher geographischen
und politischen Position sich eine Stadt innerhalb des
übrigen Machtbereichs ihres Herrn befand, so darf man
dem Verhältnis Stadt und Stadtherrschaft eine wichtige
Rolle bei der Entwicklung eines solchen Gemeinwesens
zusprechen.
Bei Sigmaringen begegnete schon der Ausdruck Stadt
und Herrschaft. Sigmaringen bildete nämlich für einen
Umlandbereich den Verwaltungsmittelpunkt. Noch im
12. Jahrhundert kam die Bezeichnung Grafschaft Sigmaringen auf. Ihrer Ausdehnung nach handelte es sich jedoch um ein unbedeutendes Gebiet. Zwischen Inzigkofen
und Sigmaringendorf einerseits und Bingen und Hedingen andererseits lag der eigentliche Schwerpunkt. Krauchenwies wurde beispielsweise erst 1595 durch Graf Karl
von Hohenzollern erworben.
Die Grafschaft Veringen gehörte zwar im Spätmittelalter immer dem gleichen Herrscherhaus, rechtlich und
verwaltungsmäßig war sie aber ein eigenes Gebilde, das
nicht zur Grafschaft Sigmaringen gehörte.
51
Städte, Herrschaften und Grafschaften konnten nun geradezu zu Handelsobjekten ihrer Herren werden. Bei
Sigmaringen traf dies seit dem 13. Jahrhundert zu, wie
die Verpfändungen von Habsburg an Württemberg und
von diesem an die Grafen von Werdenberg eindeutig belegen. Erst der Eigentumsübergang an die Grafen von
Werdenberg änderte dies 1459.
Wenigstens in rechtlicher Hinsicht muß der öftere Herrschaftswechsel für eine Stadt nicht von Nachteil gewesen
sein. Wie sich für Haigerloch feststellen läßt, das ebenfalls mehrmals als Pfand versetzt worden ist, gelang dabei sogar eine besondere Rechtsicherung, indem die Stadt
sich von den Pfandherren immer wieder bestätigen lassen
konnte, ihre alten Rechte seien zu wahren 7 . Ähnlich
war es in Sigmaringen. In der Urkunde über die Verpfändung von Burg und Stadt Sigmaringen machte etwa
1399 8 Graf Eberhard von Württemberg dem Grafen
Eberhard von Werdenberg als neuem Pfandherrn die
Auflage, Leute und Güter über ihre gewöhnlichen Steuern, Zinse und Dienste nicht zu beschweren, was im
Klartext heißt, die Untertanen durften weder höhere
Abgaben noch vermehrte Fronleistungen auferlegt erhalten. Vielleicht sollten wir uns an diesem Beispiel einmal
klar machen, daß mittelalterliche Untertanen keineswegs
rechtlos und der Willkür der Herren ausgesetzt gewesen
sind. Gerade das überlieferte Recht, das Herkommen,
wie man es nannte, fand besonderen Schutz. Verstöße
dagegen galten als Rechtsbruch. Mit der Errichtung des
Reichskammergerichts am Ende des 15. Jahrhunderts
und damit am Ausgang des Mittelalters schuf sich das
Reich sogar eine Instanz, die bestimmungsgemäß auch
Rechtsverstöße von Herrschaftsinhabern gegenüber ihren
Untertanen zu behandeln hatte.
Der Begriff vom finsteren Mittelalter ist, wenn nicht
überhaupt falsch, zumindest einseitig, man braucht nicht
nur an die angedeutenen Rechtsverhältnisse zu denken,
sondern kann einbeziehen die Hochblüten der romanischen und gotischen Kunstepochen mit ihren monumentalen Baudenkmalen, den Figuren und Gemälden bis hin
zu sakralen Gefäßen und Bedarfsgegenständen, wie sie
etwa in der Stuttgarter Stauferausstellung zu sehen und
zu bewundern waren. Dort erhielt man auch Einblicke
in das hochstehend geistige Leben der Zeit, das sich in
der äußeren Gestaltgebung, nicht minder aber in den Inhalten der imponierenden mittelalterlichen Bucherzeugnisse ablesen läßt. Allenfalls im Strafrecht mit seiner
Grausamkeit, das sich zeigt im Blenden der Augen, dem
Abhacken von Händen, dem Herausschneiden der Zunge
und der Brandmarkung des Gesichtes, allenfalls darin
und im Fehderecht, das das Raubrittertum begünstigte,
treten Erscheinungen mittelalterlicher Wirklichkeit ins
Blickfeld, die ohne Beschönigung mit finster zu beschreiben wären.
Kehren wir zur Stadt Sigmaringen und dem Verhältnis
zur Stadtherrschaft zurück, so ist neben der Rolle als
Herrschaftssitz, als Verwaltungsmittelpunkt und als verpfänd- und verkaufbares Wertobjekt noch eine andere
Seite anzusprechen, die den Nutzen der Stadt für den
Stadtherrn erkennen läßt, es ist dies die Bürgschaftsfähigkeit.
Wie wir sahen, brachte die werdenbergische Herrschaft
im 15. Jahrhundert für Sigmaringen einen beachtlichen
Aufschwung, der sich aus der regen Bautätigkeit ablesen
läßt. Andererseits zogen die Grafen zwischen 1460 und
1522 wenigstens fünfmal die Stadt zu Bürgschaften heran».
Wenn ein Privatmann Kredite aufnahm, konnte er seine
Liegenschaften dafür als Sicherheit setzen. Der Territo52
rialherr hatte aber sogar ganze Herrschaften oder einzelne Orte anzubieten, nur geschah dies dann im Regelfall auf dem Wege der Pfandschaft, bei der es dem
Pfandinhaber gestattet war, die Herrschaft auszuüben
und alle Steuern, sonstige Abgaben und Dienstleistungen
anzunehmen, was gewissermaßen die Verzinsung der
überlassenen Summe ausmachte.
Anders verfuhr man bei den Bürgschaften. In den fünf
mit Quellen belegten Fällen liehen sich die Grafen von
Werdenberg einen gewissen Betrag Geld. Da sie offensichtlich nicht ein Pfand zur Nutzung überlassen wollten, andererseits aber wohl den Gläubigern gegenüber für
ihre Personen nicht genügend Sicherheit boten, ließen
sie, „Schultheiß, Bürgermeister, Richter und alle Bürger
der Stadt Sigmaringen" als Mitschuldner eintragen, was
allem Anschein nach nötig war, um die Kreditfähigkeit
zu beweisen.
Ob es bei der bloßen Bürgschaftszusage blieb oder die
Stadt auch die auf 5 °/o angesetzten Zinsen für die zwischen 300 fl und 1200 fl hohen Schuldbeträge mitzutragen hatte, läßt sich nicht genau feststellen. Als am Rande interessant sei erwähnt, daß unter den Gläubigern
zweimal Adlige begegnen, nämlich Dietrich von Plieningen 1460 und Jörg von Werenwag 1501, dreimal aber
Bürger aus Städten der Umgebung, und zwar 1467 Eberhard Mäsli aus Rottweil, 1473 Märcklin Toeschelmann
aus Veringenstadt und 1522 Peter Mäßlin aus Konstanz.
Es bleibt unklar, ob der Rottweiler Bürger Mäsli und
der Konstanzer Peter Mäßlin der gleichen Familie angehörten, die zutreffendenfalls über mehrere Jahrzehnte
Gläubiger der Grafen von Werdenberg gewesen wäre.
Im ganzen bestand, so läßt sich folgern, eine Wechselbeziehung zwischen Stadt und Herrschaft: Der Herrschaft
verdankte die Siedlung ihre Ausstattung mit Sonderrecht, von ihr konnte sie ihren Charakter als Verteidigungs-, Verwaltungs- oder Residenzart erhalten. Von ihr
war sie aber auch abhängig bis hin zum meßbaren
Pfand- und Verkaufsobjekt.
Die Geschichte der Stadt Sigmaringen liefert dafür eindrucksvolle Beispiele.
D i e Abbildung auf Seite 51 ist, mit freundlicher Genehmigung
des Verlages, dem Band „Hohenzollern in alten Ansichten",
Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen, entnommen, ebenso die
Abbildung auf Seite 57 dem Bildband „Hechingen".
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Vgl. G. Richter, Sigmaringen 1077. Ein Beitrag zur Problematik der Erstnennung v o n Ort, in: H H 3 / 1 9 7 7 .
Zum Problem der Zähringer Städte vgl. die Beiträge von
H.-W.
Klewitz
und B. Schwineköper
in der Zeitschrift
„Schau-ins-Land" 8 4 / 8 5 1 9 6 6 - 6 7 .
So / . A. Kraus, Rätselraten um das Stadtwappen und die
Grafen von Sigmaringen, in: H ö h . Jahreshefte 1 1 / 1 9 5 1 ; dagegen aber H.-M.
Maurer,
D i e hochadligen Herren von
N e u f f e n und von Sperberseck im 12. Jahrhundert, in:
Zeitschr. f. württ. Landesgeschichte 2 5 / 1 9 6 6 , besonders
S. 108 f.
Vgl. Bibliographie der hohenz. Geschichte, S. 77, ferner den
Beitrag von Maren
Kuhn-Rehfus
in der Festschrift der
Stadt Sigmaringen zur 900-Jahrfeier.
Vgl. H.-M. Schwarzmaier,
D i e H e i m a t der Staufer, Sigmaringen 1976, S. 54 ff.
Vgl. Artikel „Sigmaringen" von E. Stemmler
im „Handbuch
der historischen Stätten Deutschlands" Band V I BadenWürttemberg, Stuttgart 1965.
Darüber wird eine eigene Untersuchung vorzulegen sein.
Staatsarchiv Sigmaringen Bestand H o 80.
Sämtliche Urkunden darüber Staatsarchiv Sigm., Dep. 1
Stadtarchiv.
HANS PETER MÜLLER
Die Einzugsliste des G e m e i n e n Pfennigs v o n 1497 im Landkapitel Haigerloch
Auf dem Wormser Reichstag des Jahres 1495 ist ein
„Ewiger Landfrieden" verkündet und die Einrichtung
des Reichskammergerichts als obersters Reichsgericht beschlossen worden. Zur Deckung der Unkosten dieses Gerichts wurde von den Ständen eine Reichssteuer, der
„Gemeine Pfennig", bewilligt. Diesen mußten, wie der
Name sagt, alle Personen im Reich, ob geistlich oder
weltlich, ob Mann oder Frau, sofern sie 15 Jahre alt waren, entrichten. Grundlage der Besteuerung war das Vermögen, wobei die Renten mit dem 2ofachen Betrag kapitalisiert wurden. Die Ausschreibung sah nur 4 Vermögensgrenzen vor: wer 1000 Gulden (fl) hatte, zahlte 1 fl,
und wer 500 fl hatte, zahlte 1 h fl. Wer auf über 1000 fl
kam, zahlte über 1 fl „soviel sein Andacht ist", und wer
unter 500 fl blieb, brauchte nur '/24 fl zu zahlen. Der
Gemeine Pfennig war zunächst auf 4 Jahre befristet,
wurde aber aufgrund der fehlenden Reichsfinanzverwaltung und geringer Erträge nicht verlängert.
Im Archiv der ehemaligen Reichsstadt Frankfurt a. M.,
die bis 1527 Sitz des Reichskammergerichts war, haben
sich mehrere Einzugslisten des Gemeinen Pfennigs erhalten, darunter diejenigen über den Klerus des Bistums
Konstanz. Im Folgenden soll nun die Liste über das
Landkapitel Haigerloch aus dem Jahre 1497 wiedergegeben und erläutert werden 1 . Nach Auskunft eines guten
Kenners der hohenzollerischen Kirchengeschichte, Johann Adam Kraus, füllt die Liste personengeschichtlich
insofern eine Lücke, als die bischöflichen Investiturprotokolle und Annatenregister für diesen Zeitraum nicht
vollständig sind. Sie bieten auch eine Ergänzung zu den
bischöflichen Subsidienregistern, die für das Landkapitel
Haigerloch aus den Jahren 1468 sowie 1485/86 und
1508 vorliegen. Diese Register über eine 5prozentige
Einkommenssteuer sind bereits von F. X. Hodler in seiner Haigerlocher Oberamtsbeschreibung eingehend behandelt worden 2.
Registrum subsidii regalis Capituli Haigerloch (1497)
Balingen
hat
gibt
Pleb. N. N.
100 fl u. m. 1 fl
Kapl. Martinus Götz
35 1b
8 ß
Kapl. Petrus Gäbelin
33 1b
8 ß
Kapl. Hainricus Spiegel
33 1b
9 d
Kapl. Michael Aichalder
31 lb
15 ß
Kapl. Johannes Pflumer
31 lb
8 ß
Kapl. Johannes Bretzing
31 lb u.m.
1 lb 8 ß
Kapl. Eberhardus Rieber
28 lb
8 ß
28 lb
Kapl. Johannes Ginther
8 ß
Adj. Bartholomeus Höllstain
7 d
Bergfelden
Pleb. Johannes Malkast
50 lb
16 ß
Kapl. Fabianus Hösch
34 1b
4 ß
Prim. Anthonius Hagen
30 lb
3 ß
Adj. Mag. Jacobus Kramer
7 d M.
Bieringen
Pleb. Rudolfus Rielin
50 lb
15 ß 8 h
Kapl. Berchtoldus Kaltmaiger 35 lb
2 ß
Bierlingen
Pleb. Melchior Ower
801b
Va fl
= 15 ß 8
Bietenhausen
Pleb. Johannes Ryser
56 lb u. m. 15 ß 8 h
Kapl. Georius Judas
16 1b
2 ß
Binsdorf
Pleb. Oswaldus
Kapl. Eberhardus Gresser
Kan. Georius Klöwi
Börstingen
Kapl. Johannes Sidlin
Bubenhofen
Pleb. Johannes
Dettensee
Kapl. Mathias Scherer
Empfingen
Vik. Martinus Finsterbach
Kapl. Johannes Cümanni
Engstlatt
Pleb. Johannes Molitoris
Erzingen
Vik. Conradus Maiger
Felldorf
Kapl. Johannes Egloff
Fischingen
Kapl. Andreas Bosch
Geislingen
Vik. Ludowicus Haugk
Kapl. Conradus Erlar
Kapl. Hainricus Gugel
Kapl. Jacobus Brombis
Kapl. Sebastianus Köner
Gruol
Vik. Udalricus Kutzenbach
Ober-Gruol
Kapl. Johannes Wechinger
Ober-Haigerloch
Kapl. Burckhardus
Unter-Haigerloch
Kapl. Udalricus Seuw
Haigerloch-Schloß
Kapl. Andreas Koler
Heiligenzimmern
Pleb. Johannes Rentz
Höfendorf
Kapl. Petrus Brenner
Holzhausen
Kapl. Conradus Schwiger
Hospach
Kapl. Conradus Zimmerman
Imnau
Kapl. Leonhardus Buman
hingen
Prim. Martinus
Mühlheim a. B.
Kapl. Wernherus Schmid
Mühringen
Kapl. Bernhardus Tischlin
Nordstetten
Pleb. Albertus Maiger
Kapl. Johannes Lor
Ostdorf
Vik. Mag. Martinus Lew
Kapl. Albertus Zymmerman
Owingen
Pleb. Mag. Petrus Flander
Kapl. Caspar
50 lb u. m. 18 ß
8 ß
35 1b
8 ß
35 1b
35 1b
15 ß 8 h
50 lb u. m. 15 ß
30 1b
70 lb u. m.
30 lb
15 ß 8 h
1 fl
3 ß
36 1b
15 ß 8 h
501b
15 ß
35 1b
15 ß 8 h
40 lb
15 ß
401b
40 lb
371b
33 1b
20 lb
15 ß 8 h
10 ß
15'/ 2 fs. »/!• h
8d
8 dM.
40 lb
18 ß
501b
17 ß
20 lb
2ß
371b
15 ß 8 h
36 lb u. m. 15 ß 8 h
40 lb
16 ß
36 lb u. m. 15 ß 8 h
24 lb
2 ß
20 lb
2 ß
24 lb
2 ß
20 lb
8 d
35 1b
7 ß
24 lb
2 ß
501b
32 1b
20 lb
40 lb
15 ß 8 h
3 ß
8 d
9 d
50 lb u. m. 18 ß
20 lb
2 ß
53
Renfrizhausen
Kapl. Cristianus Koch
Rosenfeld
Pleb. Georius Setzlin
Kapl. Caspar Butz
Prim. Petrus Sar
Adj. Caspar
Prb. Jacobus Wittendorff
Stetten
Pleb. Johannes Rych
Sulz
Kapl. Mag. Petrus Pflüger
Kapl. Mag. Conradus Cüni
Kapl. Fabianus Schwiger
Adj. Conradus Welcker
Trillfingen
Pleb. Johannes Erwin
Kapl. Bernhardus
Adj. Georius Peter
VÖhringen
Pleb. Jodocus Fridel
Kapl. Mauritius Schitz
Kapl. Sigismundus
Wachendorf
Pleb. N. N., Kämmerer
Weildorf
Pleb. Udalricus Berger
Kapl. Hainricus Findnutz
Bernstein
Franziskaner-Bruderhaus
Kirchberg
Dominikaner-Frauenkloster
Klausen
Balingen, obere Klause
Balingen, untere Klause
Bergfelden
Binsdorf
Engstlatt
Erzingen
Geislingen
Gruol
Haigerloch
Heiligenzimmern
Nordstetten
Stetten
Sul/
Weildorf
30 lb
3V2 ß
50 lb u. m. 15 ß 8 h
33 lb u. m. 15 ß 8 h
7 d M. = 8 d
25 lb
8d
8d
70 lb u.m.
1 fl
40 lb
14 ß M.
= 15 ß 8 h
40 lb u. m. 15 ß
23 lb
2ß
8d
50 lb u. m.
28 lb
1 fl
3ß
8d
38 lb
38 1b
28 lb
16 ß
4 ß M.
3ß
50 lb
18 ß
60 lb u. m. 1 lb
28 lb u. m. 15 ß 8 h
18 ß M.
= 1 lb
gibt nichts
3ß 3h
15 ß
6 ß 5h
1 fl
3V2 ß M.
=4 ß 1h
14 d M.
5 ß
15 ß
18 ß
7ß- 4h
15 ß 1 d
12 ß
1 lb
15 ß
Erläuterungen
Die Liste stammt, wie aus der Endabrechnung hervorgeht, von der Hand des Dekans und Pfarrers in Binsdorf
Oswald Fabri (Schmid). Die Steuer ist an 5 Tagen zwischen dem 27. Februar und 6 März 1497 in den einzelnen Teilen des Kapitels von jeweils einem Geistlichen
zusammen mit dem Pedell eingezogen worden. Erfaßt
wurden, wie die Überschrift besagt, der Klerus und andere geistliche Personen, womit die Klosterinsassen gemeint sind. Insgesamt werden 75 Kleriker in 36 Orten
aufgeführt und zwar 17 Plebane und 4 Vikare, 43 Kapläne und 3 Frühmesser (Primissarius), ferner 5 Adjutoren und 2 Presbister. Die meisten Geistlichen saßen in
Balingen, wo es neben dem Pleban noch 8 Kapläne und
einen Adjutor gab. Rosenfeld und Geislingen brachten es
immerhin noch auf jeweils 5 Geistliche. In Haigerloch
gab es dagegen nur 3 Kapläne, einen auf dem Schloß, in
der Oberstadt und in der Unterstadt. Von den beiden
54
Klöstern im Kapitel, dem Dominikanerinnenkloster
Kirchberg und dem benachbarten Franziskaner-Bruderhaus Bernstein war ersteres von der Steuer befreit. Am
Schluß der Liste stehen die 14 Klausen, deren Insassenzahl wir aber nicht kennen, da die Klausnerinnen anscheinend nicht einzeln besteuert wurden.
Unter jedem Geistlichen stehen zwei Einträge, einmal
sein Einkommen und zum andern seine Abgabe. Was die
Einkünfte betrifft, so stimmen diese zumeist mit den
Summen überein, die in den eingangs erwähnten Subsidienregistern stehen. Auf die unterschiedliche Dotierung
der einzelnen Pfründen ist bereits Hodler ausführlich
eingegangen. Zu den reichsten Pfarreien zählten danach
Balingen mit 100 fl oder 140 Pfund (lb) Heller, Bierlingen mit 80 lb sowie Empfingen und Stetten mit 70 lb.
Die Kaplaneien brachten dagegen ihren Inhabern in der
Regel nur zwischen 20 und 30 lb ein. Diese Einkünfte
sind also mit dem 20fachen Betrag kapitalisiert worden.
Bei den meisten war dies anscheinend das einzige was
versteuert werden konnte, denn nur bei 17 Geistlichen
wird besonders vermerkt, daß sie darüber hinaus noch
andere Güter und Einkünfte hatten.
Bevor wir die Abgaben näher betrachten, muß kurz auf
die Münzverhältnisse eingegangen werden, da in verschiedenen Währungen gerechnet wurde. Nach der württembergischen Währung kamen auf den Gulden 28 Schilling (ß), was in der Liste mit „Müntz" (M.) gekennzeichnet wurde. Für die Abgabe von V* fl zog man demnach 14 ß ein und für V24 fl den Betrag von 7 Pfennig
(d), was 14 Heller (h) entsprach. Nun sind die Angaben
des Dekans aber in Haigerlocher Währung gemacht worden, wo auf einen Gulden 31 ß 3 h kamen. Für V2 fl
wurde aufgerundet 15 ß 8 h und für 1/24 fl ebenfalls aufgerundet 8 d eingezogen. Wenn wir nun die Abgaben der
einzelnen Geistlichen anschauen, so fällt auf, daß nicht
überall die obengenannten Abgabesätze erscheinen,
sondern mehrere Beträge dazwischen liegen. Man hat
also annähernd eine prozentuale Vermögensabgabe von
1 Promille geleistet.
Von den 75 Geistlichen zahlten nur 4 den Betrag von
1 fl, und zwar die Pfarrer von Balingen, Empfingen, Stetten und Tailfingen. Insgesamt 25 Geistliche zahlten den
Betrag von V2 fl, während weitere 7 zwischen diesen beiden Beträgen lagen. Weniger als V2 fl zahlten also die
übrigen 39 Geistlichen. Darunter waren wiederum 13,
die den Mindestbetrag von V24 fl entrichteten. Eigenartig ist auch der Einziehungsmodus bei den Klausen, die
insgesamt 8 lb weniger 1 d ablieferten. Im einzelnen bewegten sich die Beträge zwischen 1 fl und 14 d M. Das
auffallende dabei ist, daß diese Abgaben genau mit denen des Subsidienregisters von 1468 übereinstimmen.
Kommen wir nun noch auf die Endabrechnung der Einzugsliste. Der Dekan hat von den Klerikern und Klausnerinnen insgesamt 55 lb weniger 15 d Haigerlocher
Währung eingenommen. Davon gingen erhebliche Auslagen für die 5 Kollektoren und den Pedell sowie für den
Dekan selber ab. Unterm Strich blieben dann nur noch
33 lb 3 ß 9 h übrig, wofür der Dekan 20 Goldgulden
und eine Krone ablieferte 3 .
Interessant wäre ein Vergleich mit den Vermögensverhältnissen der weltlichen Personen, doch haben wir keine
derartigen Listen für unsere Gegend. Es liegen lediglich
summarische Verzeichnisse für die württembergischen
Ämter und Klöster vor sowie eine Einzugsliste für die
Dörfer des Klosters Bebenhausen 4 . Von den teilweise
zum Haigerlocher Kapitel gehörenden Ämtern zahlte
Balingen 146 lb 3 h, Rosenfeld 71 lb 13 ß 10 h und Sulz
40 fl. Von den Bewohnern der Bebenhäuser Dörfer zahl-
te die überwiegende Mehrzahl den Mindestbetrag von
7 d, was auch für die Landbevölkerung im Haigerlocher
Kapitel zugetroffen haben dürfte.
1
R S N 2449, V, 8,
die Erhebung des
archiv Frankfurt
vereins der dt.
S. 328 f f .
fol. 91r-96r; vgl. R. Jung, D i e Akten über
gemeinen Pfennigs von 1495 ff. im Stadta. M., in: Korrespondenzblatt des GesamtGeschichts- und Altertumsvereine 1909,
2
3
4
F. X . Hodler, Geschichte des Oberamts Haigerloch, hg. v o n
N . Müller, Hechingen 1928, S. 203 f f .
Mit „corana" ist wohl eine französische Krone gemeint, die
demnach IV4 fl Wert gewesen wäre.
P.-J. Schuler, D i e Einzugsliste der Gemeinen Pfennigs v o n
1497 im H e r z o g t u m Württemberg, in: Beiträge zur Süddt.
Münzgeschichte, 1976, S. 101 f f . ; J. Sydow,
Einzugslisten
des Gemeine Pfennigs aus den D ö r f e r n des Klosters Bubenhausen, in: Der Sülchgau, Jg. 1969, S. 35 ff.
J O H A N N ADAM KRAUS
Die Seelsorger v o n O w i n g e n
Vorbemerkungen:
1. Das auf einen Personennamen Owo zurückgehende,
wohl im 5./6. Jahrhundert n. Chr. entstandene Dorf
Owingen (früher Ober- u. Unterowingen) bei Haigerloch taucht erstmals 1094/95 mit dem Namen zweier
Ritter auf: Swicker und Arnold von Owingen. Erster
schenkte dem Kloster St. Georgen im Schwarzwald einen
Hof zu (Heiligen-)Zimmern und der zweite war auf der
Burg Haigerloch am 10. Januar 1095 Zeuge einer Schenkung. Das Pfingstfest (29. Mai) des Jahres 1132 sollte für
unser Dorf von besonderer Bedeutung werden. Damals
trat ein edelfreier Kriegsmann Heinrich von Stauphenberg, dessen Heimatburg wir nicht kennen, ins Benediktinerkloster des Hl. Georg im Schwarzwald als Mönch
ein und schenkte bei diesem Anlaß über dem St. Georgsaltar daselbst u. a. in Owingen und Isingen 16 Bauerngüter (Gründungsbericht d. Kl.: Zeitschr. f. Gesch. d.
Oberrh. 1858, 217 f.).
Zweifellos verdankt Owingen diesem Kloster St. Georgen seinen Patron der Weilerkirche in Oberowingen und
vermutlich auch diesen Kirchenbau selber, der nach dem
Baustil in die Mitte des 12. Jahrhunderts zurückreicht.
2. Der 1971 bei einem Besuch in Melchingen verstorbene, bis dato in Burladingen im Ruhestande lebende Pfarrer Josef Riegger von Schlatt, der 1919-60 in Owingen
als Seelsorger wirkte, hat 1935 in „Heimatklänge" des
„Zoller" eine Teilliste seiner Vorgänger in Owingen veröffentlicht. Dazu konnten im Laufe der Jahre noch Ergänzungen gefunden werden. So sei die bekannte Reihe
hier dargeboten. Der namentlich unbekannte Leutpriester des Jahres 1275 hat laut eidlicher Aussage 55 Pfund
Rottweiler Heller Einkommen gehabt und bezahlte den
Kreuzzugszehnten zum Teil in Rottweiler, teils in Tübinger Währung.
1 Ca. 1300-03 Conradus N., Kammerer, war am
15. Mai 1303 Dekan (Kirchb. Urk. 797).
2 1303? Burkart von Rüthi, soll schon 10 Tage darauf,
also am 25. Mai 1303, als Dekan zu Owingen genannt
sein, was Zweifel erregt (Schmid, Urk. Hohenbergica
N. 199).
3 1314 Jan. 12: Dietrich N. Kirchherr zu O. (Kirchb.
U. 614).
4 1351 Juni 23: Dietrich N., Kirchherr, siegelt eine
Urkunde des Klosters Alpirsbach wegen des Kalthofers Hof zu Owingen (Glatz, Alpirsbach 293).
5 1367 Feb. 14: Hans von Bregenz (Württ. Reg. 8222)
5a Ca. 1385 soll ein Owinger Pfarrer Konrad als Kümmerer gestorben sein (Haigerlocher Priesterbruderschaftsbuch). Riegger faßte den Beinamen Kammerer
als Familiennamen auf. (Siehe Nr. 1).
6 1388 sei Pfarrer Johann Kirperger gestorben (Brudersch. Buch).
7 1399-1419 Berthold Holtschajt,
verhandelt 1419
für seinen Nachfolger betr. 30 fl Erstfrüchte an den
Bischof.
8 1419-42 Johann Heinrich Firer (Führer), Kirchrektor, soll am 18,1.20 die Erstfrüchte bezahlen, was
dann für ihn Petrus Herrenberg mit 20 fl tut.
9 1442-67 Berthold Winstain (war 1433 Pfr. in Leinstetten) wurde am 15. 6. 42 von Gr. Sigismund von
Hohenberg präsentiert, soll 80 fl Erstfrüchte zahlen,
erhält jedoch Ermäßigung auf Bitten den Gr. v. Wirtembg. Am 25. 3. 1465 bestätigte die bischöflich Behörde zu Konstanz die Frühmesse, die in die Kapelle
B. Maria Virg. et Stephani in Unterowingen gestiftet
und durch Johann und Konrad von Bubenhofen,
auch Vogt, Ortsrichter und Gemeinde Ober- und
Unterowingen dotiert ist. Am 17. Okt. 1438 hatte
nämlich Abt Heinrich und der Konvent von St. Georgen an Konrad von Bubenhofen all seine Besitzungen zu Owingen, Stetten (doch hier ohne den Kirchensatz-Pfarrbesetzungsrecht) und Weildorf um
1700 rh. fl verkauft (Zollerheimat 1940, 1-3).
10 1465-88 Konrad Eberler von Gruol (der seit
9. 7. 62 in Freiburg studierte) wird am 4. Mai 65 als
Pfarrer für Owingen proklamiert da die Pfründe frei
ist durch Rücktritt des Berthold Winstain, präsentiert von Gr. Sigismund v. Hohenberg. Investitur am
21. Mai. Da Eberler seinen Vorgänger verhalten
muß, wird die Erstfrucht von 80 auf 15 fl ermäßigt.
10a 1466 Juni 17 wird der Akolyt Heinrich Hutter aus
Geislingen auf die Marienkaplanei Unterowingen
durch den genannten Grafen präsentiert.
11 1466 Dez. 17 Johann Grym wird auf dieselbe Pfründe eingesetzt, präs. durch den genannten Grafen.
12 Vor 1487 hat Johann Senff aus Grosselfingen auf die
gen. Marienkaplanei in Unterowingen verzichtet.
(An Pauli Bekehrung 1470 trat Gr. Sigismund v. Hohenberg an den Grafen Jos Nikiaus von Zollern seinen Kirchensatz sowie Korn und Heugilten zu
Owingen und 10 Mit Korn und 5 Mit Haber jährl.
vom Wessinger Zehnten mit allen Rechten ab (Kernler).
13 Um 1487 erhält die Marienkaplanei ein Magister
Konrad Cuni.
14 1487 Nov. 27: Konrad Hainburger aus Grosselfingen
wird auf die Marienkaplanei Unterowingen durch
Johann Heinrich von Bubenhofen präsentiert.
15 1488-95 Lienhard Oettinger, wird, am 28. 8. 88 als
Pfarrer präsentiert durch Kaspar von Klingenberg
namens seiner Schwester Margarethe, verwitwete von
Bubenhofen und der Edelknechte Johann Heinrich
und Vitus von Bubenhofen. Er wird investiert am
23. September und soll am 30. d. M. als Erstfrüchte
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80 fl bezahlen. Auf Bitten der Genannten werden
ihm 40 nachgelassen. Der Unterowinger Frühmesser
Konrad Hainburger geht von seiner Kapelle BMV,
st. Stephani und Jakobi am 27. Okt. 88 als Pfarrer
nach Grosselfingen.
1488 folgt als Kaplan für den Hainburger ein Sebastian Bucher, präs. durch Johann Heinrich von Bubenhofen.
1495-1500 Mg. Petrus Flander aus Gammertingen
(stud. 1489 in Tübingen, wo er 1494 Magister der
freien Künste wurde).
1503—? Hainrich Staymetz, soll am 18. 3. als Erstfrüchte 80 fl zahlen, erhielt jedoch die Hälfte ermäßigt.
bis 1520 Eberhard Becht, plebanus in Owingen (unseres?) erhielt am 24. Juni 1520 Absenzerlaubnis. Der
Nachfolger Mg. Thomas Ott (Nr. 24) zahlt 1521 als
Erstfrüchte 40 fl.
1524 resignierte Vitus Walter auf die Marien- und
Hainburger Kaplanei.
1524 April 13: Johannes Piscatoris (Fischer) folgt
auf die Marien- u. Stephanskaplanei, präsentiert
durch den Konstanzer Kanoniker Johann Heinrich
von Bubenhofen, sowie Wolfgang und Johann Jakob
von Bubenhofen.
1524 Juni 14: Kaspar Pflanzer wird auf die Kaplanei zu Owingen präsentiert, die zum Schloß Homburg (Hainbuerg) gestiftet ist, präsentiert durch Johann von Weitingen zu Homburg (Hainburg), investiert 2. 7. 24.
c. 1528 stirbt Mg. Heinrich N. Pfarrer (Brudersch.
Buch; Jahr unsicher!)
1521-43 Mg. Thomas Ott, tritt im letztgenannten
Jahr zurück von der Pfarrei.
1544-50 t Jakob Müller aus Horb, wird am
1. Sept. proklamiert und investiert, stirbt nach 6 Jahren.
1551 Balthasar Ott wird am 3. Dezb. 51 als Leutpriester genannt.
1553 Johannes N. erhielt am 25. Mai auf 1 Jahr den
Verwaltungsauftrag für die Pfarrei Owingen bei
Haig. (Zeitschr. hohz. Gesch. 1966, 176 Nov. 30)
Bis 1561 wirkt hier David Würt, und resigniert
dann.
1561 f Joachim Stock, präs. durch Gr. Carl v. Zollern, invest. 2. 10. 1561.
1569 Antonius Braun ist in diesem Jahr präsentiert
worden, zahlt im Jahr darauf die Erstfrüchte mit
40 fl.
Sebastian Thum 1574 ebnso (beide sind jedoch für
unser Owingen unsicher!)
1583-84 f Michael Dreitier (Trigler), war 1580-83
in Burladingen, schon 1560 Kaplan in Fridingen b.
Riedl., seit 24. 6. 83 in Owingen Pfarrer, starb im
Juli 1584 dahier.
1585-87 Sebastian Filier.
1587-90 Jakobus P f a f f . (Vgl. Hexenprozesse „Heimatklänge" 1935, 62).
1590-1605 f Martinus Rauch aus Pfullendorf, zunächst Verweser, als Pfarrer proklamiert 26. Mai 93;
invest. erst. 3. April 1598 mit 47 Jahren. Er ließ die
Pfarrkirche St. Georg in Oberowingen renovieren
(Inschrift: M R 1598). In Unterowingen bestand ehemals eine Kreuzkapelle, erwähnt 1528 (am oberen
Ortsrand gegenüber dem spät. Kinderhaus) und die
Kapelle BMV und Jakobus, die Ende des 17. Jh.
dann als Neubau wiedererstand. Im J. 1601 beschwert sich Pfr. Rauch, er sei in großer Sorge wegen
der Kessler, Spengler und Gartenknechte (Gesindel!),
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da er auf der Einöde wohnen und hausen müsse.
Wenn er den fahrenden Leuten nicht gleich ihren
Willen tue, würden sie aufdringlich, überrennen und
schädigen ihn. Er bittet, falls der Heilige es vermöge,
einen neuen Pfarrhof ins Dorf hinab bauen zu dürfen. Von Hechingen bedeutete man ihm, er soll sich
von seiner geistlichen Obrigkeit die Erlaubnis geben
lassen, den Pfarrhof von der Kirche weg zu verändern (Zollerheimat 1940, 10). Rauch starb am
20. April 1605 (Hohz. Heimat 1963, 13 rechts!)
1605-08 Mg. Melchior Seitz von Herbertshofen (b.
Ebingen), studierte 1600 in Freiburg, ging nach 3
Jahren als Kanoniker nach Hechingen und wurde
dort 1612 Stadtpfarrer (vgl. von hier an: „Heimatklänge 1935, 62.)
1608-12 Mg. Stephan Strobel aus Hechingen, war
1588-1605 in Hechingen Kanoniker gewesen, ging
1612 nach Grosselfingen.
1612—36 Johann Wanner aus Munderkingen, ging
dann nach Oberhaigerloch, wo er als Pensionär noch
1671 lebte.
1636-39 Mg. Jakobus Knaus (nicht Kraus!) aus
Veringendorf, bisher Pfr. in Benzingen, wurde
16. 4. 36 präsentiert. Nach Riegger sei er in der
Kriegszeit nach Haigerloch geflüchtet, wo er
24. 3. 39 starb und bei der Unterstadtkirche sein
Grab fand.
1639-40 half Pfr. Rudolf Fries von Stetten b. Haig.
aus.
1640-42 Magnus Segesser aus Weildorf, blieb nur 2
Jahre und ging nach Grosselfingen.
1642-68 Mg. Johann Michael Herzog aus Rottenburg, war 1634 in Glatt, 1637 in Stetten b. Haig.,
starb am 28. 3. 68 und wurde in der Weilerkirche
beigesetzt (Riegger). Bei der Visitation im J. 1651
gab der Pfarrer an: „Er sei 37 Jahre alt, Priester seit
9 Jahren, studierte in Würzburg und Ingolstadt, besitze auch die Frühmeßpfründe, die seit langem mit
der Pfarrpfründe verbunden sei. Er habe 160 Kommunikanten (über 14 J) wozu noch etwa 100 Kinder
kommen. Es sind hier 2 Kirchen: die Pfarrkirche außerhalb des Dorfes, gut im Stand und mit Paramenten versehen. Die Frühmeßkirche im Unter-Dorf ist
gut im Bau, der seh Jungfrau Maria geweiht. Derzeit
wird hier das Allerheiligste aufbewahrt; wegen der
Andersgläubigen kann dieses und der Taufstein nicht
in der Pfarrkirche sein. Im Bedarfsfall weiht der
Pfarrer das Taufwasser, da auch im Dorf keines ist.
Das Pfarrhaus steht bei der Pfarrkirche droben außerhalb des Dorfes, ist aber am Zusammenfallen.
Dem Pfarrer ist unten ein Haus zugewiesen im Dorf,
das obere steht leer. Ein Frühmeßhaus ist nicht mehr
vorhanden. Nur im Sommer wird der Gottesdienst
an Sonn- und Feiertagen oben in der Pfarrkirche gehalten, sonst unten in der Frühmeßkirche. Christenlehre ist jeden Sonntag. Einen Schulmeister gibt es
nicht, auch kein Ewiges Licht vor dem Tabernakel.
Früher bestand im Dorf noch eine Hl. Kreuzkapelle,
die längst zerstört ist. Spuren sieht man noch davon." Im J. 1665 erfahren wir vom gleichen Pfarrer:
die Pfarrkirche sei dem hl. Georg, die Frühmeßkirche
dem hl. Jakobus geweiht (Maria also nur Ehrenpatronin.). („H. Heimat" 1952, 46)
44 Bis 1661 t Aushelfer Hans Jörg Hoffmaister aus
Rottenburg, war 1646 Pfr. in Boll, 1651 Verweser in
Grosself ingen. Starb vor dem 20. 11. 61, wo über seinen Nachlaß verhandelt wird.
45 1668-75 Franziskus Bürg (Bürck), Beamtensohn aus
Hechingen, präs. 5. April, prokl. 21.4., invest.
Die Weilerkirche
bei Owingen
aus dem 12.
Jahrhundert.
21. Juli 68. Seit 1668 sind die Standesbücher erhalten. 1671 wird ein Owinger Neupriester Michael
Koch erwähnt.
46 1675-1718 f Johann Michael Salzhuber aus Weilheim, gb. 1644, bisher Burladingen, hier seit 3. 4. 75
bis zum Tod 7. Okt. 1718. (Sein Bruder Joh. Heinrich war 1687-94 Pfr. in Gruol, ein Jakobus
S. 1683 Kaplan in Haigerloch.) Vom Bischof erhielt
er die Erlaubnis zum Abbruch der Frühmeßkapelle
und baute statt deren die neue Pfarrkirche St. Jakob
1697 (Vgl. H H 1952, 46). Im Anschluß an die
Kirchweihe vom 26. Okt. 1707 gibt der Pfarrer an:
„Die bisherige obere Kirche im Weiler hat 3 konsekrierte Altäre: Oberster Patron ist der hl. Märtyrer
Georg. Kirchweih wird am Sonntag nach Georgi gefeiert. Der Hochaltar ist geweiht zur Ehre der allerseligsten Jungfrau Maria, des hl. Georg, des Evang.
Johannes u. d. hl. Konrad. Der rechte Seitenaltar zur
Ehre des hl. Kreuzes (offenbar wegen der ehem.
Kreuzkapelle) und des hl. Sebastian und Barbara, der
linke Altar hat als Patrone st. Katharina, Josef und
Antonius von Padua." (Heimatkl. 1935, 63 und
1936, 17).
46a 1717 Vikar Jakob Bulach, geb. Hechingen 1690,
später 1730-53 + Pfr. in Rißtissen.
47 1718-31 f Carl Anton Sartori, geb. auf Burg Hohenzollern 1693 als Sohn eines fürstl. Leutnants, bisher schon hier Vikar, präs. 15. Okt., invest. 4. Nov. 18.
Er starb mit nur 38 Jahren am 8. Aug. 31, beerd.
beim Marienaltar. Am 7. Nov. 1728 starb der Hüter
der Weilerkirche: Eremit Johannes Essig aus Leidringen.
48 1731 Verw. Pater Wendelins aus dem Kl. St. Luzen,
half dem kranken Pfarrer aus, der die Jahre zuvor
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einen erbitterten Kampf mit der fürstl. Kanzlei um
die Freiheit der Untertanen führte.
1731-42 t Franz Anton Berger, geb. Hechingen
1696. Hat die Weilerkirche renoviert 1739. Starb am
1. Juli 42; 1737 legte er einen neuen Friedhof bei der
neuen Pfarrkirche im Dorf an. (Sein Bruder Markus
war 1728-57 Pfr. in Stein, dann in Steinhofen.)
1742-63 t Josef Anton Bröchin aus Rheinfelden
(Schweiz), geb. 1685, hatte 1745: 441 Kommunikanten, 60 Nichtkommunikanten, zus. 501 Seelen, in jenem Jahr 14 Taufen, 3 Tote, 2 Hochzeiten.
1753-79 Franz Ernst Kegele aus Straßburg, geb.
5. 9. 36; wurde entlassen.
1780-1805 t Bernhard Buochmüller aus Jungingen,
geb. 24. 8. 44; gestorben 15. Mai 1805.
1805-08 Verw. Johann Nep. Schiroth aus Hechingen, 14. 5. 1764; vorher seit 1797 in Thanheim.
1808-09 Verw. Franz Anton Reiner aus Hechingen,
geb. 4. 10. 1766, ord. 1791, war ab 1805 in Thanheim, 1809-48 Pfr. i. Steinhofen, f 18. 3. 48 dort.
1809-21 Sebastian Werner, geb. Hechingen 21.
Nov. 1748, ord. 1773, hier seit 2. Juni 09, resigniert
1821, starb in Hechingen 10. 1. 23.
1821-22 | Anton Haid aus Hechingen, bisher in
Hausen i. K., hier seit 26. Nov. 21, starb 13. April
1822.
57 1822-29 Ferdinand Wolf gang Funk aus Hechingen,
geb. 21.8.1782, ord. 19.9.05 als Franziskaner in
Hechingen an St. Luzen, hier seit 18. Juni 1822, 1814
Kanoniker in Hechingen, 1818 Pfr. in Thanheim,
ging 1829 nach Burladingen, wo er 5. 12. 1845 starb
(FDA 16,338).
ose
58 1829-58 t J f Anton Reiner aus Hechingen, geb.
5.6.1795, ord. 1821; hier seit 19.5.29, gest.
14. 4. 58. Seit 1854 Aushilfe durch Jesuiten aus Gorheim.
59 1858-59 Verw. Johann Langheinz aus der Diöz.
Rottenburg.
60 1859-72
Paul
Kohler
aus
Jungingen,
geb.
25. 3. 1800, ord. 1826, invest. 4. Aug. 59. War vorher
61
62
63
64
65
in Grosselfingen, war zuletzt Dekan, verzichtete auf
die Pfarrei am 4. Aug. 72, zog nach Jungingen, wo er
starb.
1872 Verw. Johann Nep. Kohler aus Haigerloch
(lebte 1839-1901: FDA 1916,18).
1873-88 Johann Nep. Winter aus Jungingen, geb.
11. 3. 1831, ord. 1856, invest. 24. 6. 73, starb in Ostrach 1. Nov. 1911 (FDA 1916,16).
1888-1905 Franz Xav. Fecht aus Krauchenwies,
geb. 11. Okt. 42, ord. 1869; invest. 30.7.88; war
dann bis 1909 in Inneringen, wo er am 23.4. starb
(FDA 1911,46).
1905-07 Karl Waldner aus Langenenslingen, geb.
4. 3. 74, ord. 4. 7. 99, vorher Kaplaneinverw. Gammertingen, in Owingen seit 19.1.05, kam 23.5.07
als Rektor ins Fidelishaus Sigmaringen, 1920 Studienrat am dortigen Gymnasium als Dr. theol.; starb
10. 6. 1932 (FDA 1936,31).
1907 Mai 23: Verw. Franz Pohl, bish. Pfv. in Sigmaringendorf, geb. 29.1.79, ord. 1902, kam am 28.
Nov. nach Jungingen, 1926 nach Langenenslingen,
wo er 8. 10. 37 starb (FDA 1941,13).
66 1907-19 Viktor
Ant.
Uher, geb. Sigmaringen
23.12.73, ord. 1897, invest. 12. Dez. 07; ging nach
Magenbuch, resig. 1934, starb Ostrach 2. 8.40 (FDA
1941).
67 1919-60 Josef Riegger aus Schlatt, geb. 11.3.86,
ord. 1911, invest. 24. Mai 1920; Ruhestand 1960 in
Burladingen, starb in Melchingen anläßl. eines Besuches: 12. April 1971. Erfolgreicher Heimatforscher!
68 1960-61 Karl Schiehr aus B-Baden, geb. 9. 12. 27,
ord. 1954; später Pfr. in Mundelfingen 1965, starb
21. 8. 73.
69 1961-74 Günter Langlotz aus Donaueschingen, geb.
13. 11. 04, ord. 1936 als Benediktiner in Beuron; invest. 1964. Ruhestand 1974 in Sasbachwalden. Baute
die moderne Kirche.
70 1974, seit 13. Februar: Verw. Josef Kovacs, geb.
5. Okt. 1921 in Soroksar in Ungarn, ord. 1948.
GEORG WALTER
D a s ehemalige Kloster Kirchberg
Seitwärts der Straße Renfrizhausen-Heiligenzimmern,
wo sie an ihrer höchsten Stelle für ein kurzes Stück aus
dem Walde austritt, liegt dicht geschlossen, einem mittelalterlichen Städtchen gleichend, das ehemalige Kloster
Kirchberg.
Schon lange vor der Gründung des Klosters Kirchberg
war daselbst ein Rittergeschlecht ansässig. Vermutlich
waren diese Ritter hohenbergische Dienstmannen und ihr
Burgbesitz Eigentum der Grafen von Hohenberg. Denn
Graf Albert II. von Hohenberg verkaufte im Jahre 1285
die Hälfte der Burg an seinen Schwager, den Kaiser Rudolf von Habsburg. Schon damals bestand in Kirchberg
bereits eine Klosterstiftung und wahrscheinlich ist die
Burg, die von 1285 an aus der Geschichte verschwindet,
ganz in dem Kloster aufgegangen.
Die ersten Nachrichten über das Kloster verdanken wir
dem noch vorhandenen „Schwesternbuch" von Kirchberg. Nach diesen Aufschrieben gingen schon im Jahre
1230 einige fromme Personen mit dem Plane um, ein
Kloster zu gründen, was auch teilweise zur Ausführung
kam.
58
Im Jahre 1237 überließ Graf Burkhard III. von Hohenberg den frommen Frauen, von denen die Gründung ausging, seinen Kirchberger Besitz, den „Wandbühl" für 50
Mark Silber. Als Stifterin dieses Frauenklosters nennt das
„Schwesternbuch" eine Frau Elisabetha Gräfin von Büren, außerdem werden die beiden leiblichen Schwestern
Williburgis und Kunigundis Gräfinnen von Hohenberg
benannt. Auf Bitten der Nonnen nahm Papst Jnnonanz IV. im Jahre 1245 das Kloster in seinen Schutz und
unterstellte es in aller rechtlichen Form dem Dominikanerorden. Vom Konvent wurde die Gräfin Williburgis
zur ersten Priorin gewählt. Neben den Vorteilen, welche
die päpstliche Gunst dem Kloster verschaffte, ließen auch
hervorragende Adelsgeschlechter demselben ihr Wohlwollen angedeihen, so daß es bald zu beträchtlichen Gütern, namhaften Einkünften und stattlichem Wohlstande
gelangte und um das Jahr 1470 seine größte Ausdehnung
erreichte.
Gegen Ende des 13. Jahrhunderts zählte das Kloster 80
Nonnen und es wehte nur adelige Luft in den Klosterräumen.
Große Schenkungen an das Kloster Kirchberg machten
die Grafen von Sulz, die Pfalzgrafen von Tübingen, die
Herren von Weitingen u. v. m. auf Grund ihrer dort untergebrachten (nicht angebrachten) Töchter. Nach und
nach sank das Kloster immer mehr zu einer Versorgungsanstalt für Töchter adeliger und vornehmer Familien herab und die klösterliche Zucht und Ordnung fiel
immer mehr aus dem Rahmen. Der Bauernkrieg von
1525, der auch vor den Klostermauern Kirchbergs nicht
halt machte, erbrachte den Nonnen wahrscheinlich keine
Besserung ihres Lebenwandels. Erst im Herbst des Jahres
1564, als 39 Dominikanerinnen aus Pforzheim nach
Kirchberg übersiedelten, blühte dort wieder Zucht und
Ordnung und kehrte auch Achtung und Ansehen wieder
ein.
Schweres Leid hatte das Kloster während des Dreißigjährigen Krieges zu erdulden. Räuberische Einfälle,
Plünderungen und Verwüstungen waren an der Tagesordnung. Trotz der schweren Heimsuchungen erholte
sich das Kloster rasch wieder und bereits 1688 konnte
man an den Umbau sämtlicher Klostergebäude herangehen.
Das mit einer Mauer umgebene ehemalige Kloster
schließt einen geräumigen Hofraum ein. Den Zugang der
ganzen Anlage ziert ein im Rokokostil ausgeführtes Portal, geziert mit dem Wappen und den Bildern der Gottesmutter. des hl. Dominikus und der hl. Katharina. Das
aus drei Stockwerken bestehende Kloster bildet mit seiner Kirche ein regelmäßiges Viereck, das den ehemaligen
Klostergarten umschließt, hinter dem sich der Friedhof
befindet. Der Nonnenfriedhof, mit seinen schmiedeeisernen Kreuzen, geschmückt mit Rosen und Ranken, atmet
noch heute tiefsten klösterlichen Frieden aus. Der Weg
zum Nonnenfriedhof führt über die Stätte, wo einst der
Süd- und der Ostflügel des Klosters standen. Davon ist
nichts übriggeblieben, als die zarten frühgotischen Arkaden des Kreuzganges. Der vordere, gegen den Hofraum
gekehrte langgestreckte Westflügel des eigentlichen Konventgebäudes ist, nach der Portalinschrift, im Jahre 1733
in einfachem Rokokostil erbaut worden.
Ein großes Tor führt in die weite Hallenkirche, der zwei
Kunststile ihre Siegel aufgedrückt haben. Während die
Gotik bei ihrer Geburt Pate stand, verlieh ihr der Barock
das Merkmal der Erneuerung und des Umbaues im Jahre
1688. Bildwerke von hohem Alter und künstlerischer
Gestaltung zieren das Gotteshaus.
Im Jahre 1805 ging Kirchberg den gleichen Weg wie das
naheliegende Kloster Bernstein bei Heiligenzimmern und
kam durch den Preßburger Frieden an Württemberg und
wurde wie alle übrigen Klöster am 11. Oktober 1806
aufgehoben.
1851 wurde dort eine Ackerbauschule gegründet, wobei
Jungmännern Gelegenheit gegeben war, sich als gründliche Landwirte auszubilden. Außer den landwirtschaftlich genutzten Gebäuden stand das Kloster über 150
Jahre leer, bis es 1958 zu einer Stätte für stille Einkehrtage, geistliche Wochen und Tagungen eingerichtet wurde. Seit dieser Zeit trägt das Kloster den Namen „Berneuchener Haus". Die ideale Lage in beruhigender Waldeinsamkeit war ausschlaggebend für die Wahl auf Kirchberg, das Ersatz bieten soll, für das im Krieg 1939-45
zerstörte Rittergut „Berneuchen" in der Neumark, von
dem Anfang der zwanziger Jahre die „Berneuchener Bewegung" ausging, mit dem Ziel einer inneren Erneuerung
der Kirche. So wie einst bei den Nonnen durch Jahrhunderte hindurch das Gebet zu den dafür vorgesehenen Tageszeiten nie verstummte, so wird auch heute wieder der
Tagesrhythmus durch das Ora et labora (Bete und arbeite) bestimmt.
K. W. STEIM
W e c k e n m a n n : Bildhauer u n d O c h s e n w i r t in Haigerloch
Der bekannte Künstler wurde vor 250 Jahren geboren.
Zu den großen Künstlern des Barock in Hohenzollern
zählt Johann Georg Weckenmann, der die meiste Zeit
seines Lebens in Haigerloch verbrachte und somit als
Haigerlocher gilt. Am 20. März 1727 wurde er in Uttenweiler geboren. Erstmals in Haigerloch genannt wird er
im Jahre 1751. Seit 1752 war er als Fürstlicher Hofbildhauer dort tätig. „Seine Ornamentik ist von eigener Prägung, wobei naturalistische Bildungen das reine Rocaille
weit überwuchern; der Ausdruck bei seinen figürlichen
Plastiken reicht von zarter Anmut zu bewegter Dramatik; seine Puttos sind von bezaubernder Lieblichkeit", so
schrieb Walter Genzmer vor Jahren in einem Buch über
Weckenmann.
Johann Georg Weckenmann wirkte besonders bei der
künstlerischer Gestaltung der St.-Anna-Kirche in Haigerloch mit. Er schuf die vier großen Plastiken in der
Kirche nebst den holzgeschnitzten Puttos und dem Portal; schließlich die zwölf Brustbilder auf der Umfassungsmauer. Dazu kommen zahlreiche Werke - vorwiegend in Hohenzollern.
Zwar lebte Weckenmann gleichzeitig wie der Haigerlocher berühmte Baumeister Christian Großbayer und arbeitete auch häufig mit ihm zusammen - zum Beispiel
in der St.-Anna-Kirche - , doch konnte er zu Lebzeiten
finanziell keine großen Sprünge machen. Großbayer dagegen gehörte damals zu den reichsten Männern Haigerlochs. In seinen letzten Lebensjahrzehnten kaufte Großbayer mehrere Häuser, darunter die Stadtmühle, und
eine Grundstück nach dem anderen.
Im Jahre 1751 tauchte Weckenmann offenbar erstmals
in Haigerloch auf. Er war damals 24 Jahre alt. Bereits
im folgenden Jahr wird er Fürstlicher Hofbildhauer genannt. Wiederum ein Jahr später heiratete er Franziska
Epple, die Tochter des Ochsenwirts Sebastian Epple
(auch Eblin geschrieben). Der Ochsenwirt war damals
offenbar verschuldet, da er in den Jahren zuvor zahlreiche Grundstücke verkauft hatte; auch die Stadt kaufte
mehrere seiner Grundstücke. Im Hochzeitsjahr 1753
übernahm Johann Georg Weckenmann auch die Gaststätte „Goldener Ochsen", die heute als „Schwanen"
noch eine Gastwirtschaft ist. Die am Gebäude angebrachte Sandsteinplastik mit Adam und Eva soll von
Weckenmann stammen, deutet aber nicht unbedingt darauf hin, daß diese Wirtschaft früher einmal „Paradies"
hieß, wie vermutet wurde; jedenfalls gibt es keinen Hinweis dafür.
Die Auswertung aller Kaufprotokolle der Stadt Haigerloch zu Lebzeiten von Johann Georg Weckenmann hat
59
ergeben, daß dieser nie ein Grundstück kaufte oder verkaufte, also wohl auch keines besaß. Das war für die damaligen Verhältnisse außergewöhnlich, da praktisch jeder Bürger in Haigerloch auch „Nebenerwerbslandwirt"
war. Schließlich war Weckenmann im Jahre 1780 allein
bei Georg Bürkle mit 1605 Gulden für gelieferten Wein
verschuldet und mußte einen Stock seines Hauses verpfänden. Er konnte die Wirtschaft aber doch halten und
verkaufte sie erst im Jahre 1790 an den Gruoler Engelwirt Christian Eger für 1450 Gulden in bar, acht Klafter Holz und sechs Sägeklötze. Zum „Ochsen" gehörten
damals eine Scheuer und auch ein Anbau auf dem Markt.
Sieben Kinder hatte Weckenmann, vier Söhne und drei
Töchter. Vier Kinder starben bald nach der Geburt. Als
einziges Kind verheiratete sich Johann Baptist Ulrich,
der ebenfalls „Kunstbildhauer" war. Er heiratete Josepha Elisabeth Lachenalle, die Tochter des französischen
Mundkochs des Herzogs Karl von Württemberg.
Johann Georg Weckenmann starb am 29. März 1795 in
Haigerloch. Er wurde auf dem Friedhof der Unterstadtkirche beigesetzt.
J O H A N N ADAM KRAUS
N e u e s zur Junginger Annakapelle
Im Heimatbuch zum 900jährigen Jubiläum der Gemeinde Jungingen hat Josef Schuler eingehend und warmherzig (S. 123-176) über Pfarrei, Kirche und die Kapellen
auf der Lehr und im ehemaligen Weiler ob Schlatt berichtet. Letztere ist 1806 abgegangen. Das kleine Heiligtum der hl. Anna auf der Lehr (auch Lör, Leer, Lair,
Layhr) taucht erstmals sicher in zwei Urkunden des Jahres 1500 auf, war jedoch damals zur Ehre Unserer Lieben Frau Maria errichtet. Die Flur Lehr geht wohl auf
altes lewari zurück, einer Mehrzahlform von le = Grabhügel. Tatsächlich wurden an diesem Platz zweiundzwanzig interessante Alemannengräber aufgedeckt, wie
Michael Lorch in Hohz. Heimat 1959, 54 und 1965, 23
mitgeteilt hat.
Erstmals hat nun Schuler im genannten Bericht
(S. 166 f.) von den zwei Urkunden des Sigmaringer
Staatsarchivs (Ho 1; bzw. Fürstlichen Archivs daselbst)
kurz Kunde gegeben. Da sie sehr aufschlußreich sind, sei
hier ergänzend der volle Inhalt wiedergegeben.
Es handelt sich zunächst um eine Urkunde aus Rom mit
dem Datum 3. April 1500 und 100 Tage Ablaß für die
Gläubigen aller Zukunft, die zur Reparation und Ausstattung der Kapelle beitragen. Ausgestellt ist sie von 2
Kardinalbischöfen Oliverius von Sabina und Jeronimus
von Preneste, dann den Kardinalpriestern der sieben Titelkirchen Roms: Dominikus an St. Klemens, Laurentius
an St. Cäcilia, Bernhardin an Hl. Kreuz von Jerusalem,
Raymund an St. Vitalis, Guillerin an St. Pudentiana,
Bartholomäus an St. Agnes und Johannes an St. Priska,
sowie den vier Kardinälen Franziskus an St. Eustach,
Raphael an St. Georg beim Goldenen Vlies, Friedrich an
St. Theodor und Julian an St. Sergius und Bacchus.
Sie gewähren den Ablaß für die Marienkapelle beim
Dorfe Jungingen (Diöz. Konstanz), für welche der „Laie
Johannes Schumacher senior" sich fromm einsetzte. Den
Ablaß (Nachlaß von zeitlichen Sündenstrafen) sollen die
Gläubigen erhalten, die zu den Baureparaturen mithelfen
oder zur Beschaffung von Büchern, Kelchen, Lichtern,
Schmuck oder anderm Notwendigem zum Gottesdienst
beitragen, damit die Christgläubigen aus Andachtsgründen zahlreich die Kapelle besuchen und zur Erhaltung
mithelfen. Die Kardinäle wollen damit den demütigen
Bitten des genannten „Laien Johannes Schumacher senior" entsprechen und gewähren den Ablaß im Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit und die Fürbitte der beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus allen wahrhaft
Reumütigen beiderlei Geschlechts, die gebeichtet haben
und das Heiligtum künftig jeweils an folgenden Tagen
besuchen: Mariä Lichtmeß (Mariä Reinigung: 2. Februar), Apostel Johannes, Barbara und Anna und am Wei60
hetag, je von der ersten Vesper (16 Uhr des Vortages)
bis zur zweiten Vesper einschließlich. Zum Zeugnis hierfür lassen die Aussteller ihre Siegel an das Schriftstück
anbringen, das gegeben wurde im Jahr 1500 n. Chr. am
3. Tag des Monats April unter dem Pontifikat des Papstes Alexander VI. in dessen 8. Jahr (Kopie im Fürstl.
Archiv Sigmaringen H 78, 198).
Diese Urkunde wurde am 13. Juli 1501 durch den Konstanzer Bischof Hugo von Hohenlandenberg bestätigt
und für die Besucher, Wallfahrer und Wohltäter zur Kapellenpflege noch weitere 40 Tage Ablaß für alle Zeiten
hinzugefügt (Fürstl. Arch. 78, 199).
Die zweite Urkunde des Staatsarchivs vom 26. Juli
1500, also dem Tag der hl. Anna, besagt: Der Bischof
Daniel Bellinensis hat heute im Dorf Jungingen zu der
Ehre der Heiligen Maria, Anna, Johannes Apostel, Barbara, Margaretha, Othilia und Antonius in der renovierten Kapelle einen Altar geweiht auf Bitten des Johannes
Sutor, und verleiht den Besuchern an den Patronstagen
und Spendern kraft der Vollmacht des zuständigen
Bischofs von Konstanz 40 Tage Ablaß. Es handelte sich
bei den Weihenden um den sonst von 1473 bis 1498 nachweisbaren Konstanzer Hilfsbischof Daniel Zehender mit
dem Titel „Bischof von Belluno", vielleicht der bei Venedig liegenden Bischofsstadt, die vermutlich damals nicht
besetzt war oder durch einen Vertreter verwaltet wurde.
In dem Schriftstück heißt er „Generalvikar in Pontifikalhandlungen des Bischofs Hugo von Konstanz".
Da der lateinische Text kalligraphisch schön verschnörkelt ist, war bei der ersten Lesung Schulers ein Irrtum
unterlaufen, indem er den Johannes Sutor als Pfarrer
ansah, der jedoch in der Junginger Pfarrliste fehlt. Tatsächlich ist der obige Laie Johannes Schumacher gemeint, dessen Name eben hier latinisiert als „Sutor" erscheint, nicht etwa der Johannes Calceatoris (Schuhmacher!), der im J. 1489 auf die Pfarrei Bietenhausen verzichtete. Die Familie Schuhmacher blühte im 16. Jahrhundert in Jungingen kräftig fort. Ein Kaspar Sch., vielleicht ein Enkel obigen Seniors, ließ sich 1537 als Clericus (mit niederen Weihen!) an der Freiburger Universität
einschreiben. Doch ist über ihn nichts weiter bekannt.
Ein Johannes Sutor wurde 1501 Pfarrer in Pfrungen bei
Saulgau (Krebs, Annaten Nr. 5876). Vielleicht wäre
ebenfalls ein „Junior" aus Jungingen, hierherzuziehen,
der sich für seinen Vater nach Rom gewandt hätte wegen der Kapelle auf der Lehr? Da diese im Jahr 1500 erneuert wurde, bezieht sich vermutlich die Nachricht
vom 18. Juli 1480 darauf, wonach dem Dekan des Landkapitels Trochtelfingen, zu dem Jungingen gehörte, für
die Kapelle dahier ein Tragaltar auf ein Jahr genehmigt
wurde (Krebs, Invest. S. 429). Die eigentliche Kirche
hieß schon 1483 vorausschauend „Pfarrkirche", obwohl
dieser Titel erst seit 1488 rechtens war, wo man Jungingen von der Mutterkirche Killer trennte. Ums Jahr 1745
wurde dann die bisherige Marienkapelle auf der Lehr
endgültig zu Annakapelle umbenannt. Die alte Annaselbdritt-Statue scheint nach obigem, entgegen meiner früheren Vermutung, tatsächlich ins 15. Jahrhundert zurückzugehen, und nicht umgearbeitet zu sein (H. H. 1960,
156), wie Schuler mit guten Gründen dartut.
J O H A N N ADAM KRAUS
D a s ehemalige Affelstetten a. d. Laudiert
In einer Urkunde des Generallandesarchivs Karlsruhe
vom 15. Juli 1333 findet sich ein adeliger „Kirchherr"
der Kapelle zu Inneringen mit Namen Heinrich von Affelstetten l . Vermutlich handelte es sich um die schon
1275 erwähnte Kapelle ULFrau, die heute Kreuzkapelle
(am Südrand des Dorfes) heißt, in deren unmittelbaren
Umgebung viele Bodenbewegungen zu erkennen sind.
Möglicherweise stand dort die Burg der früh abgegangenen Ortsherren. Der genannte Heinrich war wohl Geistlicher, obwohl in jener Zeit der Name Kirchherr auch
gelegentlich einen weltlichen Herrn der Kirche bedeuten
kann. Woher stammte nun seine Familie?
Man hat irrtümlich auf das Albdörflein Apfelstetten bei
Buttenhausen an der Lauter getippt, obwohl die Lösung
des Rätsels ganz nahe liegt, und sie schon 1870 vom fleißigen Forscher Sebastian Locher gegeben wurde 2 mit den
Worten: „Affelstetten war ein Oertchen zwischen Jungnau und Veringendorf, wo dieser Name noch als Flurname besteht". Im J. 1355 hieß Affelstetten noch Dorf,
dann 1367 und 1418 „Weiler mit einer Brücke", 1444 ist
von einem Hof die Rede. Gustav Hebeisen hat aus dem
Jungnauer Lagerbuch vom Jahr 1536 3 eine Menge
Grundstücke mitgeteilt, die zu Affelstetten lagen. Da ist
zwar nicht mehr die Rede von der (Lauchert-)Brücke,
aber vom Fischwasser daselbst, das anfängt oben zu Affelstetten am Brunnen (Quelle!) und hinabgeht bis zur
Jungnauer Mühle. Dann sind genannt: Ein Plätzle zu A.
zwischen Ludwig Fischers Hofstatt und der Gasse; 5
Hanfgärtie daselbst, eines zwischen der Gasse und Jakob
Grom, eines am Bachacker; 1 Hof des Michel Zimmermann (ob bewohnt?), 1 Gütle der Katharina Hecklin; 2
Gärten; 5 Mannsmad Wiesen in Einzelstücken an der
Lauchert, eine davon an der Gasse; 10 Jauchert einzelne
Äcker zu Affelstetten, eine davon an der Halde; 27 einzelne J Äcker im Affelstetter Feld; 5 J in Stücken an
dem Affelstetter Stig (d. i. Fußweg), eine davon am Veringer Weg; 2 J an oder auf der Staig (d. i. Fahrweg);
Stockacher, Mittelbühl, Blättringer Rain usw.
Nach Ed. Bercker 4 lag die abgegangene Siedlung etwa
1,5 km nordwestlich von Jungnau, also rechts der Lauchert. Von der zugehörigen Burg Affelstetten (auch Altes Schloß genannt) sieht man auf dem spitzen südlichen
Ausläufer des Veringerdorfer Kirchberges (der wohl an
anderer Stelle ehemals die älteste Pfarrkirche St. Michael
von Veringen getragen haben dürfte) noch einige wenige
Mauerreste auf dem ca. 45 m hohen Felsen zwischen der
Straße Veringendorf-Jungnau und dem von Westen
kommenden Fahrweg des sog. Tannentäles (Gemeinde
Jungnau). Die Stelle liegt 800 m südlich von Veringendorf, darf aber nicht verwechselt werden mit der schon
im Habsburger Urbar um 1312 genannten Altenburg
(bzw. „Zerbrochene Burg", bzw. „Castrum destructum
Veringen") 5 gegenüber, also östlich der Lauchert und
Landesbahn, 200 m südlich der Kirche. Diese Altenburg
war wohl um 1130 die ältere Veringerburg und Vorgängerin derjenigen über Veringenstadt.
Zingeler beschrieb im J. 1906 6 die Burgstelle Affelstetten also: „Steigt man von Südwesten an, so trifft man
auf den etwa 5 m tiefen Felsgraben. Der Felspfad steigt
dann steil zur Höhe hinan zu den Resten eines viereckigen Turmes und anstoßenden Wehrgang oder Wachthaus
auf dem nördlichen, dem Tal zugekehrten Felsgrat.
Mauerreste aus äußerst hartem Gußmörtel hergestellt,
sind auf der Nordostseite noch erkennbar. Der Wehrgang oder das Wachthaus lehnt sich südlich und westlich
an die höher stehenden Felsen an. Auf der höchsten Stelle des Felsgrates über dem Felsgraben sind auch noch
Spuren von Mauerwerk ersichtlich, das vielleicht einem
Turm angehörte." Zingeler hält die Affelstetter Herren
für Dienstmannen der Herren von Jungingen.
Der Name Affelstetten hat trotz gelegentlicher Schreibart Apphelstetten wohl weder mit Apfel, noch weniger
mit Affe etwas zu tun. Nach Michel Buck dürfte er vom
althochdeutschen Wort affa = Wasser oder Fluß (vordeutsch apa, apula) herzuleiten sein, also „Hofstätten am
Wasser" bedeuten. Über den Adel von Affelstetten (Apphelstetten) ist nur wenig und z. T. Strittiges überliefert.
Am 30. Juli 1308 finden wir einen Hermann von Affelstetten als Zeugen einer Salemer Urkunde der Grafen
Hugo von Werdenberg und Eberhard von Nellenburg
betr. ein Gut zu Neufrach 7 . Ebenso zeugte Hermann
v. A. am 6. Dezember 1313 für Berthold den Schiltauer
betr. den Schiltauer Fronhof zu Inneringen und am
20. Juni 1316 für denselben bezüglich anderer Güter zu
Inneringen 8 . Um 1332 muß Hermann gestorben sein.
Denn am 15. Juli 1333 schenkte Guta, seine Witwe und
beider Sohn, der eingangs genannte Heinrich von Affelstetten, als Kirchherr der Kapelle zu Inneringen, ihr Gesäß (d. i. Wohngebäude) zu Jungnau in dem Vorhof
(also im Schutzgebiet der dortigen Burg!), an die Pfleger
der Nikolauskirche zu Überlingen am Bodensee, als
Leibgeding 9 . Das Siegel dieses Heinrich v. A. zeigt einen aufgerichteten Affen 1 0 , der offenbar als redendes
Zeichen nach dem viel älteren Siedlungsnamen Affelstetten gewählt ist. Das fürstenbergische Urkundenbuch 1
nahm (nach einer Vierteldrehung des Siegels) einen auf
allen Vieren kriechenden Affen an, dessen Schwanz gestutzt ist, wie das Bild bei Knobloch 10 zeigt.
Andere Herren von Affelstetten (die urspr. Schreibung
ist teils nicht mehr bekannt) wollte man, wie gesagt, auf
das Dörflein Apfelstetten deuten. Die neue OA-Beschreibung Münsingen von 1912 kennt dort jedoch keinen
Adel, sondern verweist die in Beziehung zu den Klöstern
Blaubeuren, Reichenau und Zwiefalten vorkommenden
Herren dieses Namens nach dem hohenzollerischen Affelstetten bei Jungnau. So haben im J. 1320 die Gebrüder Friedrich, Ulrich und Joß (Jodokus) von Apfelstetten einen Hof Winnenden bei Seißen (Blaubeuren) um
30 Pfund Heller ans Kloster Blaubeuren v e r ä u ß e r t u .
Vier Jahre später, also 1324, verkauften die Brüder Johannes und Friedrich von Apfelstetten einen weiteren
Hof zu Winnenden demselben Kloster 12. Ein Albertus
61
bzw. Albrecht von Apfelstetten sei nach Frischlin im
Kloster Zwiefalten beerdigt und sein Wappen war in der
Vorhalle seit 1505 gemalt 13 . Der Nekolog dieses Klosters verzeichnet denn auch unterm 6. März (14. Jh.) den
Todestag des Laien Friedrich von Apphelstetten, ebenso
am 16. August den eines anderen jüngeren Friedrich von
Apphelstetten 14.
Der
Ottobeurer
Abt
Johannes
von
Affstetten
(1399-1400) scheint aus Affstädt bei Herrenberg gestammt zu haben?
Unter den Wohltätern des Klosters Reichenau verzeichnet Gallus Oheim um 1495 auch die Herren von Affelstetten mit ihrem (freilich apogryphen) Wappen und
sagt dazu: „Sie sind Freie gewesen", also ursprünglich
keine Vasallen 15 . Alberti zieht diese Stelle an 1 1 und
sagt: „Nach Gabelkofer zeigte dieses Wappen 3 Äpfel
2. 1 gestellt, die oberen 2 rot, der untere silbern, was
eine Schildteilung voraussetzen würde." Zweifellos handelt es sich jedoch hier um eine spätere Konstruktion
und wir haben an dem Affensiegle von 1333 festzuhalten. K. v. Knobloch 10 kennt noch ältere Herren von Apphelstetten und schreibt: Hermann der Pfaffe führt im
Siegel einen mit Kugeln (Äpfeln?) spielenden sitzenden
Affen, während seine Brüder, die Ritter Heinrich und
Friedrich die Dotzeler von Hagenau (Dotzeler-Witzling)
im Jahre 1295 ihr Stammwappen führten. Somit handel-
te es sich um Halbbrüder, offenbar aus dem Elsaß! Unsere Affelstetter hätten somit auch Beziehungen nach
Westen über den Rhein gehabt. Die etwas andere Gestaltung des Affenwappens ist m. E. unerheblich. Als letztes
Glied der Familie darf vielleicht der Converse (Klosterbruder) Johann Affenstetter gelten, der am 19. Dezember 1419 mit einem Priester bei der Allerheiligenkapelle
auf dem Gehrenberg bei Markdorf nachzuweisen ist lc .
I
Fürstenbg. UB 5, S. 390.
- Mitt. H o h z . 4,20.
3
Mitt. H o h z . 60,56 f.
4
Ed. Bercker, Kirchenpatrozinien i. Krs. Sigmaringen 1967,
80 und 149.
5
Ebenda 149.
6
Zingeler-Buck,
Zollerische Burgen 1906, 167.
7
Wie N o t e 2.
8
H o h z . H e i m a t 1960, 56 f.
9
F U B wie N o t e 1.
10
K. v. Knoblocb,
Oberbad. Geschl. Buch 1,4 mit Bild.
II
O. v. Alberti, Württb. Wappenbuch I, 22; Alte OA-Beschr.
Blaubeuren 1830, 214.
12
Alte OA-Beschr. Münsingen 1825, 119.
*3 König-Müller,
Z w i e f . Chronik 1941, 45.
14
Mon. Germ. Necrol. S. 246 u. 258.
15
Brandi, Quellen Reichenau 1890, II, 155, w o auf Albertis
Wappenbuch verwiesen wird.
18
F U B 6, S. 169.
J O H A N N WANNENMACHER
„Wanderpaß
für den Schuhmachergesellen
Konrad Strobel aus Rangendingen vom 12. April 1854
Ein alter Spruch lautet: „Wer das Jetzt verstehen will,
muß das Einst wissen!" Diese geschichtliche Wahrheit,
die auch heute wieder zur Geltung kommt, bestätigt
auch der Wanderpaß, der dem Gesellen Konrad Strobel
vom ehemaligen „Königlichen Oberamt Hechingen" ausgestellt worden ist. Welch strenge Bestimmungen damals
der Inhaber einzuhalten hatte, sind folgenden Kapiteln
des Passes zu entnehmen:
I. Wanderzeit
1. Jeder, welcher ein Handwerk ordentlich erlernt hat,
ist verpflichtet, wenigstens drei Jahre zu wandern,
widrigenfalls er zu gewärtigen hat, daß er weder zum
Meisterrecht noch zur Verheiratung zugelassen wird,
wenn nicht ganz erhebliche Gründe für eine Dispensation nachgewiesen werden. (Landesordnung von
1698 Titel 73)
seine Reise nur auf solche Städte und Ortschaften, wo
Meister von seinem Handwerk sich befinden, zu richten, an Orten, wo er Arbeit sucht, sich, wenn er solche nicht erhält, nicht über einen Tag, an anderen
Orten aber nicht über zwei Stunden des Tags, oder
nicht länger, als über Nacht ohne besondere obrigkeitliche Genehmigung zu verweilen, und an jedem
Ort, wo er einen Meister seines Handwerks trifft,
ohne in Arbeit zu treten, durch den Orts- oder Handwerksvorsteher beurkunden zu lassen, ob er Arbeit
gesucht und keine gefunden, oder ob und warum er
gar nicht nachgefragt und keine Arbeit genommen
habe; an Orten aber, wo er gearbeitet hat, bei seinem
Austritt über die Dauer der Arbeitszeit und über sein
Verhalten während derselben sowohl von dem Meister, dem er Gesellendienste geleistet hat, als von der
Ortsobrigkeit ein Zeugnis in das Wanderbuch einzutragen zu lassen.
2. Bei der erstmaligen Ausstellung eines Wanderbuches,
welche von dem Gesellen eines zünftigen Gewerbes
nachgesucht, hat derselbe entweder einen Lehrbrief in
Original oder beglaubigte Abschrift vorzulegen, oder
aber durch glaubwürdiges Zeugnis nachzuweisen, daß
und wie er auf unzünftige Weise (etwa durch den
Unterricht im Auslande, oder in einer Fabrik, oder
auch in einer hiezu eingerichteten öffentlichen Anstalt) die erforderliche Ausbildung in dem betreffenden Gewerbe sich verschafft oder die in einer zünftigen Lehre angefangene Ausbildung vollendet hat.
(Gewerbeordnung v. 7. April 1842)
Fälschungen der Einträge in das Wanderbuch würde
auf das Strengste bestraft werden. - Fremde Handwerksgesellen haben ihre Wanderbücher, wenn sie in
Arbeit treten, bei der Polizeibehörde für die Dauer
ihres Aufenthalts zu hinterlegen. Jeder Geselle ist angewiesen, auf sein Wanderbuch wohl Acht zu haben,
und solches bei jeder Obrigkeit zur Visierung vorzulegen. Kann ein Geselle glaubwürdig dartun, daß er
sein Wanderbuch ohne Verschulden verloren habe, so
soll ihm ein neues mit dem Beisatze der Veranlassung
erteilt werden.
3. Jeder Wandernde hat sich vor allem zweckwidrigen
Umherlaufen und besonders vor dem Betteln zu hüten, mit demjenigen, was er aus den Handwerksladen
oder Ortskassen als Zehrpfennig erhält zu begnügen,
Für das Wanderbuch nebst Stempel hat der Handwerksgeselle 26 Kreuzer, für die Ausfertigung aber 12
Kreuzer zu bezahlen.
(Regierungsverordnung 14. Febr. 1843)
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II. Besuch der Schule und des Religionsunterrichts
1. Die aus der gewöhnlichen Schule entlassenen Schüler sind verpflichtet, von ihrem vierzehnten bis zu ihrem gänzlich zurückgelegten zwanzigsten Jahre die
Sonntags- oder Wiederholungsschule zu besuchen.
Jünglinge, die aus eigenem Verschulden die Sonntagschule oder christliche Lehre leichtsinnig versäumen,
haben die Strafe dafür selbst zu entrichten, und sind
im Verweigerungsfalle solange mit Gefängnisstrafe zu
belegen, bis solches geschehen ist. Auch ist ihnen von
Seite der betreffenden Behörden der Betrieb eines öffentlichen Gewerbes oder die Erlaubnis zur Verehelichung so lange zu verweigern, bis sie zur Ordnung
zurückgekehrt sind, und sich über den empfangenen
Unterricht in Schule und Kirche durch Zeugnisse genügend ausgesprochen haben.
(Schulordnung vom 1. Juni 1833)
2. Mit höchster Entschließung wird hiermit angeordnet, daß bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe von 1
Gulden 30 Kr. den Gesuchen um Dispensation von
Vorschriften über Verehelichung künftig jedesmal die
erforderlichen Zeugnisse über den Besuch der Schule
und des Religionsunterrichtes und die darin enthaltenen Noten, sowie über das Alter, Vermögen und Leumund der Brautleute versiegelt beigelegt, und den Gesuchen um Dispensation von Vorschriften über die
Zulassung zur Meisterprüfung ebenso die Zeugnisse
über den Leumund und die Dauer der Wanderzeit der
Bittsteller angeschlossen werden soll.
(Bekanntmachung der Fürstl. Regierung
vom 29. Sept. 1846)
III. Unerlaubte Gesellen-Verbindungen etc. betreffend.
(Verordnung vom 24. Dez. 1840 - bzw. Beschluß
der deutschen Bundes-Versammlung v. 3. d. M.)
Sämtliche Regierungen vereinigen sich, übereinstimmende Maßregeln hinsichtlich derjenigen HandwerksGesellen zu treffen, welche durch Teilnahme an unerlaubten Gesellen-Verbindungen, Gesellen-Gerichten,
Verrufs-Erklärungen und dergleichen Mißbräuchen
gegen die Landesgesetze sich vergangen haben, und
zwar sollen:
1. den Handwerks-Gesellen, welche sich in einem
Bundesstaate, dem sie nicht durch Heimat angehören,
derlei Vergehen zu Schulden kommen lassen, nach deren Untersuchung und Bestrafung ihre Wanderbücher
oder Reisepässe abgenommen, in denselben die genau
zu bezeichnende Übertretung der Gesetze nebst den
verhängten Strafen bemerkt und diese Wanderbücher
oder Reisepässe an die Behörde der Heimat des betreffenden Gesellen gesendet werden.
2. Solche Handwerks-Gesellen sollen nach überstandener
Strafe mit gebundener Reiseroute in den Staat, woselbst sie ihre Heimat haben, gewiesen und dort unter
geeigneter Aufsicht gehalten, sonach in keinem anderen Bundesstaate zur Arbeit zugelassen werden. Ausnahmen von dieser Bestimmung werden nur dann
stattfinden, wenn die Regierung der Heimat eines solchen Handwerks-Gesellen sich durch dauerndes
Wohlverhalten desselben zur Erteilung eines neuen
Wanderbuches oder Reisepasses nach anderen Bundesstatten veranlaßt finden sollte.
3. Die Regierungen behalten sich vor, Verzeichnisse der
wegen jener Vergehen abgestraften und in die Heimat
zurückgewiesenen, so der ausnahmsweise zur Wanderung wieder zugelassenen Gesellen sich gegenseitig
mitzuteilen.
IV. Wanderung in Frankreich betreffend
Die Handwerker, welche in Frankreich wandern
wollen, haben sich nebst einem tadelfreien Passe mit
einem von der Regierung beurkundeten Heimatschein
zu versehen. Die Heimatscheine werden den Inhabern
an der französischen Grenze abgenommen und nach
Paris geschickt. Die Ämter haben deshalb einen genauen Personalbeschrieb beizufügen."
Zwischen dem „Einst" und „Jetzt" ist ein weiter Weg,
auf dem viel Steine des Anstoßes lagen. Deren Beseitigung hat allen Beteiligten im Laufe der Jahre Kampf,
viel Opfer und Mühe abverlangt.
D e k a n Gluitz schrieb ein Heimatbuch Veringen, das Dorf"
Dem Verfasser ist hohes Lob zu spenden. Der Dekan der
Region Hohenzollern-Meßkirch hat unter dem Titel
„Veringen, das Dorf" eine umfassende Darstellung der
Geschichte und Gegenwart von Veringendorf geschrieben. Das Buch ist eine willkommene Bereicherung der
von Jahrzehnt zu Jahrzehnt umfangreicher werdenden
Reihe solcher Darstellungen. Im nächsten Umkreis sind
hier außer diesem neuen Buch schon zwei zu nennen: Dr.
Johannes Maiers Werk über Inneringen und Dr. Erwin
Zillenbillers Arbeit über Veringenstadt.
Franz Gluitz hat in vielen Nächten und in Ferienwochen
dieses Buch geschrieben (das er auch noch selber finanziert) und sich damit ein bleibendes Verdienst gesichert.
Das Werk enthält alles, was man von einem Autor verlangen muß, der sich mit einer solchen Arbeit an die Öffentlichkeit wagt, und es ist interessant gestaltet. Schon
daß es zwei Seiten mit Faksimile-Wiedergaben aus der
„Schwäbischen Zeitung", Ausgabe Sigmaringen-Meßkirch, enthält mit Schlagzeilen und Artikeln zu jüngsten
Veringer Ereignissen, ist ungewöhnlich. Ebenso ungewöhnlich ist die Ausstattung mit ausgezeichneten Farbbildern von Hugo Maier in Furtwangen. Neu ist auch
die synchron-optische Zeittafel, aus der man zum Beispiel zum Jahr 1962 erfährt, daß damals das Konzil einberufen wurde, zugleich am Ort der langjährige Pfarrer
starb und eine neue Brücke gebaut wurde. Das geht so
rückwärts tausend Jahre weit bis zur Zeit von Kaiser
Heinrich I., als es bereits einen Veringer Grafen als Bischof von Konstanz gab.
Die Familienverhältnisse und die Geschichte der einzelnen Häuser, Handwerk und Gewerbe, örtliche Betriebe,
Flurnamen und Pendler, die Bautätigkeit und die Ordensleute, die aus der Gemeinde hervorgingen, sind Faktoren, die man in einem solchen Buch zwar erwartet, die
aber in diesem mit ganz besonderer Sorgfalt zusammengestellt wurden und sehr weit gefaßt sind, bis zu den
Auswanderern und sogar zu denen, die wiedergekommen
sind.
Ein sehr großes Verdienst ist das Festhalten der alten
Sprache, das der Autor mit Hilfe des jetzt 77jährigen
Alban Frank geleistet hat. Da finden sich alte Ausdrükke, deren Bedeutung schon viele Angehörige der heutigen
Generation nicht mehr wissen. So wird erklärt, warum
man früher nicht sagte „Kaffeetrinken", sondern „Kaf63
feeessen", was ein „Auser" einst war oder ein „Dilscheit", ein „Kiek" oder ein „Lotter", und noch hundert
andere solcher Begriffe tauchen auf. Auch die heimatlichen Dichter, deren Schöpfungen nie gedruckt wurden,
aber doch auch ihren Beitrag zu einer vielleicht über
tausendjährigen Dorfgeschichte geleistet haben, sind in
dem Buch nicht vergessen worden.
Schließlich wird daran erinnert, daß immerhin schon,
bevor man die Zollern kannte, die Grafen von Altshausen-Veringen große Bedeutung in Südwestdeutschland
hatten. Sie saßen mit aller Wahrscheinlichkeit auf einem
Veringendorfer Edelhof und gründeten die Kirche, eine
der ältesten im Land und die einzige zweitürmige Hohenzollerns. Von da an bis heute hat Franz Gluitz in einer auch äußerlich sehr ansprechenden Weise die Geschehnisse am Ort zusammengefaßt, wozu der Graphiker
Siegfried Bregenzer aus Veringendorf zahlreiche instruktive und zum Teil heitere Zeichnungen beigesteuert hat.
Walther Frick
Wenn heute das Land Baden-Württemberg sein silbernes
Jubiläum feiert, darf daran erinnert werden, daß schon
vor 55 Jahren ein Sigmaringer von dieser Idee träumte.
Im Hanfertal zu Sigmaringen wohnte 1922 Christian
Daikeler; vorher besaß er eine Druckerei in Gammertingen und gab die Lauchert-Zeitung heraus. Früher wurde
bei dem Nachfolger (Buchdruckerei Acker) die Hohenzollerische Heimat gedruckt. Als nach dem 1. Weltkrieg
die Idee eines Großschwabens auftauchte, griff er diese
Idee auf, und weil man sich damals schon um die Hauptstadt stritt, machte er den Vorschlag, Sigmaringen zur
Hauptstadt zu machen. Wie jeder echte Schwabe war er
aber auch begeisterter Albvereinler und so widmete er das
Gedicht dem Schwäbischen Albverein.
Großschwaben
Melodie: „Wohlauf die Luft geht frisch und rein"
1. Ein Wort ist jetzt in aller Mund,
Dies Wort es heißt: Groß-Schwaben!
Im Süden deutscher Landesmark
Woll'n sie ein Ganzes haben.
Es lebt noch in Erinnerung süß
Der Schwaben ferner Ahne,
Der trug bei jedem großen Streit
Voran die Reichssturmfahne. Valleri. . .
HOHENZOLLERISCHE
HEIMAT
hrsggbn. v o m H o h e n z .
Die Autoren
dieser
2. Jetzt wollen wieder Württemberg
Und Zollerland und Baden
Zusammentun sich als Verband
Und nennen sich Groß-Schwaben.
Doch fehlt's an inn'rer Einigkeit
Bei allen ihren Gaben.
Sie täten gern und können nicht
Sich einen in Groß-Schwaben.
3. Soll Stuttgart an dem Nesenbach,
Soll Karlsruh' nah am Rheine
Die neue Landeshauptstadt sein,
Die neue, feine, eine?
Wir guten Sigmaringer sind
Ob allem Streit erhaben:
Ernenne man doch Sigmars Stadt
Zur Hauptstadt von Groß-Schwaben.
4. In Württemberg, im Bayerland,
In Zollern und in Baden,
Da fußt der Schwäb'sche Albverein,
Er blühet in Groß-Schwaben.
Bei uns vom Schwäb'schen Albverein
Ist längst der Streit begraben:
Wir brauchens nicht! Wir haben schon,
Wir haben schon Groß-Schwaben!
Chr. Daikeler
Zur Pfarrerliste v o n Steinhofen
In der Hohenzollerischen Heimat 1972, S. 47 wurde die
ältere Liste der Pfarrer von Steinhofen mitgeteilt. Der
dort zum Jahr 1420 bis 1437 angegebene Pfarrer Heinrich Gunthart (den das Bisinger Heimatbuch irrig zu
1474 bringt) ist eines gewaltsamen Todes gestorben.
Schon in den Urkunden des Klosters Stetten hatte ich
Seite 128 als Anmerkung zur Urkunde 445 aus den Bischofsregesten von Konstanz mitgeteilt, aber bisher wieder übersehen: „Graf Eitelfriedrich von Zollern schrieb
am 10. Oktober 1436 an den Bischof Heinrich von Konstanz: Der ältere Volk von Weitingen tut den Klosterfrauen von Stetten Unrecht und der junge Völzlin (von
Weitingen) selig hat den Pfarrer und Kirchherrn von
Steinhofen namens Heinrich freventlich wegen Kirchengütern totgeschlagen". Es handelt sich um obigen Heinrich Gunthart. Im Jahr 1437 erscheint als Pfarrer dann
Conrad Zehender aus Freiburg.
J. A. Kraus
Nummer:
Schriftleitung:
Dr. med. Herbert Burkarth,
7487 Gammertingen (Telefon 0 7 5 7 4 / 3 2 9 )
Geschichtsverein. Walther Frick, Journalist,
Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsver- H o h e Tannen, 7480 Sigmaringen
Redaktionsausschuß:
ein, 7480 Sigmaringen, Karlstr. 3. D r u c k :
Walther Frick, Journalist,
M.
Liehners
Hofbuchdruckerei
KG, Johann Adam Kraus, Erzb. Archivar i.R., H o h e Tannen, 7480 Sigmaringen
Badstr. 2, 7800 Freiburg/Br.
(Tel. 0 7 5 7 1 / 8 3 4 1 )
7480 Sigmaringen, Karlstr. 10.
Manfred Hermann, Pfarrer,
Hans-Peter
Müller,
7451 N e u f r a / H o h e n z .
D i e Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat"
Weiherplatz 7, 7241 Empfingen
(Tel. 0 7 5 7 4 / 4 4 2 )
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie
will besonders die Bevölkerung in H o h e n zollern und der angrenzenden Landesteile
mit der Geschichte ihrer H e i m a t vertraut
machen. Sie bringt neben fachhistorischen
auch populär gehaltene Beiträge.
Dr. Gregor Richter,
Staatsarchivdirektor, D i e mit N a m e n versehenen Artikel geben
die persönliche Meinung der Verfasser
Karlstr. 3, 7480 Sigmaringen
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K. Werner Steim, Pressereferent beim
Schriftleitung sind als solche gekennRegierungspräsidium, 7400 Tübingen
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Georg
Walter,
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Schulrat i. R.,
802 507 H o h z . Landesbank Sigmaringen
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lerische H e i m a t " weiter zu empfehlen.
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