Berufsbild Helden der Altstadt Ab in die Mitte! Citymanager locken

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Berufsbild Helden der Altstadt Ab in die Mitte! Citymanager locken
Berufsbild
Helden der Altstadt
Ab in die Mitte! Citymanager locken Kunden zurück ins Zentrum
Von Georg Etscheit
Die noble Barocksilhouette kündet vom einstigen Ruf Dresdens als „Elbflorenz“. Doch
wenige Schritte hinter dem Elbufer klaffen immer noch riesige Löcher in der vom
Bombenkrieg verwüsteten Innenstadtlandschaft. Nur langsam füllen sich die Brachen auf der
Altstadtseite mit mal mehr, mal weniger gelungenen Neubauten. Trotz unübersehbarer
Fortschritte, wie dem fast abgeschlossenen Wiederaufbau der Frauenkirche, ist das alte
Dresdner Zentrum noch kein rechter Ort zum müßigen Verweilen, zum Flanieren und
Bummeln geworden.
Für einen Citymanager wie Raimund Wördemann eine Herausforderung. „Wir mussten erst
einmal ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es die Dresdner City überhaupt gibt“ sagt er. Um
mehr Leute in die Innenstadt zu locken, schuf er eine eigene Zeitungsbeilage, in denen die
Vorzüge des Zentrums rund um Prager Straße, Alt- und Neumarkt gepriesen wurden. Er
organisierte eine „lange Einkaufsnacht“ und eine Nacht mit abgefahrenen
Tanzveranstaltungen in der Tiefgarage eines Kaufhauses oder im Siebziger-Jahre-Ambiente
des Kulturpalastes. Mit Politikern verbündete er sich gegen neue Einkaufszentren am
Stadtrand, holte Händler, Makler, Immobilieneigentümer an einen Tisch. Schließlich
kümmerte er sich um das allgegenwärtige Verkehrschaos – und mit seinem Projekt der „CityStewards“, die als wandelnde Wegweiser und Kummerkasten dienen, machte er sogar
bundesweit Furore.
Aufgabe eines City- oder Stadtmanagers ist es, die von den attraktiven Einkaufszentren auf
der „grünen Wiese“ bedrängten Innenstädte vor der Verödung zu bewahren. Als „Lobbyist“
für die City vermittelt er zwischen den gesellschaftlichen Gruppen einer Kommune, versucht
Politik, Verwaltung, Handelskonzerne, Privatleute und Medien zu gemeinsamem Handeln zu
bewegen. In Zeiten sinkender Konsumneigung und harten Standortwettbewerbs setzten
zunehmend auch kleinere Städte auf das Instrument eines modernen kommunalen Marketings,
beobachtet Florian Birk, Vorsitzender der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing
Deutschland (BCSD).
In den achtziger Jahren nahmen die ersten Citymanager in Deutschland ihre Arbeit auf.
Mittlerweile gebe es bundesweit etwa 500 institutionalisierte City- und
Stadtmarketinginitiativen in öffentlich-privater Partnerschaft, schätzt Birk. Meist sind sie als
eingetragene Vereine organisiert. In Dresden gehören zu den 75 Mitgliedern neben der Stadt
Dresden zahlreiche Händler, Tourismusunternehmen, Immobilienmakler und
Projektentwickler und sogar eine Kirchengemeinde. Mit ihren Beiträgen finanzieren die
Mitglieder nur den Arbeitsplatz des Citymanagers und ein kleines Büro. Das Geld für die
einzelnen Projekte muss sich Wördemann bei Sponsoren selbst besorgen. „Man muss auf der
Glatze Locken drehen können“, sagt der 38-Jährige. Andere Citymanager verfügen über einen
festen Etat, vor allem dann, wenn sie einer GmbH oder AG vorstehen. Immer häufiger werden
Stadtmarketing-Organisationen zurzeit in rechtlich eigenständige Gesellschaften überführt.
Wenn die Kommunen dann Tätigkeiten „outsourcen“, bekommen sie auch schon mal
öffentliche Aufgaben übertragen, zum Beispiel die Parkraumbewirtschaftung. Diese „zweite
Professionalisierungswelle“ lasse den Bedarf an Fachkräften steigen, meint Roland Wölfel,
Geschäftsführer der Cima GmbH für Stadt- und Regionalentwicklung, einem der größten
Anbieter in Deutschland.
Das relativ junge, weitgehend ungeregelte Berufsfeld des Stadtmanagers lockt viele
Quereinsteiger. Auch Wördemann kam auf Umwegen zu seinem Dresdner Job. Der studierte
Kulturwissenschaftler hatte vor seiner Dresdner Anstellung für das Münchner Goethe-Institut
die Inlandsstandorte weltweit vermarktet. Andere Citymanager sind Geografen oder
Betriebswirte, Touristiker oder Verwaltungsfachleute. Sie müssen Organisationstalent und
Verhandlungsgeschick, aber auch politisches Gespür mitbringen. „Man sollte mit dem
Oberbürgermeister genauso gut klarkommen wie mit den Bürgern am Stammtisch“, sagt
Wölfel. Oft müsse ein Citymanager zwischen konkurrierenden Parteien vermitteln.
Reibungsverluste bleiben nicht aus. Wördemann kennt den ständigen Erfolgsdruck und das
Gefühl, zwischen allen Stühlen zu sitzen. Sehr wichtig sei es, sich hundertprozentig mit dem
gewählten Standort zu identifizieren. Die eigene Heimatstadt solle es aber besser nicht sein –
wegen der nötigen Unabhängigkeit.
Die Arbeit eines Citymanagers lernt man meist in der Praxis als training on the job,
idealerweise als Assistent eines erfahrenen Kollegen. Das Institut für City- und
Regionalmanagement in Ingolstadt bietet berufsbegleitende Wochenendkurse, in denen das
nötige Handwerkszeug vermittelt wird – von wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen,
Stadtplanung und Wirtschaftsförderung bis hin zu Stadtmarketing und Public Relations. Die
Ausbildung dauert zwei Jahre und kostet 4000 Euro. Wer teilnehmen will, muss ein
abgeschlossenes Studium in VWL, BWL, Jura, Verwaltungswissenschaft, Geografie,
Architektur, Sozial- oder Kommunikationswissenschaften oder eine mindestens dreijährige
einschlägige Berufspraxis vorweisen.
Wenn man es einmal zum Citymanager gebracht hat, sollte man nicht auf seinem Sessel
kleben bleiben. Maximal fünf Jahre seien genug an einem Ort, rät Wördemann. „Man darf
nicht berechenbar werden, wenn man den Laden in Schwung halten will.“ Er selbst will im
Sommer nach drei Jahren in Dresden die Segel streichen. Um die einheitliche
Weihnachtsbeleuchtung für die Innenstadt, die Wördemann seit längerem vorbereitet, wird
sich dann sein Nachfolger kümmern müssen.
(c) DIE ZEIT 24.04.2003 Nr.18

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