Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie 2020+ für Kärnten

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Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie 2020+ für Kärnten
Beschäftigungs- und
Qualifizierungsstrategie 2020+
für Kärnten
Impressum
Herausgeber: Land Kärnten
In Zusammenarbeit mit AMS Kärnten, Wirtschaftskammer Kärnten, Arbeiterkammer Kärnten, Industriellenvereinigung Kärnten,
Österreichischer Gewerkschaftsbund Kärnten
Koordination und Erstellung: IFA Kärnten, Unternehmensberatung GmbH
Textbeiträge von: Gerhard Genser, Gerhard Herbst, Günther Marx, Heinz Pichler, Otto Prantl, Wolfgang Pucher, Markus Steindl,
Peter Wedenig
Grafik und Layout: wagner graphic design
Klagenfurt im Mai 2015
INHALTSVERZEICHNIS
Inhaltsverzeichnis
1.Vorwort
6
2.Statements
8
3.Executive Summary11
4.Prozess der Strategieentwicklung13
5.Ausgangssituation für die Kärntner Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie 2020+18
6.Handlungsfeld
Jugendliche am Übergang Schule - Beruf25
6.1.Herausforderungen25
6.2. Strategische Ziele im Handlungsfeld A27
6.3.
Umfassende Berufs- und Bildungsorientierung
zur Unterstützung tragfähiger Bildungs- und Berufsentscheidungen27
6.3.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
27
6.3.2. Maßnahmenbeispiele zur Unterstützung des strategischen Zieles
28
6.3.2.1. Berufs- und Bildungsorientierung Kärnten am Übergang
6.4.
Schule - Beruf – Ausbildung
6.3.2.2. Berufsorientierungswochen 28
29
Prävention von Schul- und Ausbildungsabbrüchen30
6.4.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
30
6.4.2.Maßnahmenbeispiele zur Unterstützung des strategischen Ziels
31
6.4.2.1.Jugendcoaching
31
6.4.2.2 Coaching und Beratung für Lehrlinge und Lehrbetriebe
32
6.5.
Wiedereingliederung nach Schul- und Ausbildungsabbrüchen33
6.5.1 Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
33
6.5.2.Maßnahmenbeispiele zur Unterstützung des strategischen Ziels
34
6.5.2.1. Produktionsschulen 34
6.5.2.2.Überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA)
35
6.5.2.3. Nachholen eines Lehrabschlusses 35
6.5.2.4.Betreuung und Stabilisierung von „NEET“ und „Early School Leavers“
7. Handlungsfeld
im Rahmen sogenannter „Taschengeldprojekte“
36
Beschäftigung und Qualifizierung von Arbeitsuchenden38
7.1.Herausforderungen38
7.2. Strategische Ziele im Handlungsfeld B41
7.3.
Erhöhung der Arbeitsmarktchancen am „Ersten Arbeitsmarkt“
durch Beratung und Qualifizierung42
7.3.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
42
7.3.2. Maßnahmenbeispiele zur Unterstützung des strategischen Zieles
43
7.3.2.1. Beratungs- und Betreuungsprojekte(BBE)
43
7.3.2.2. Arbeitsstiftungen 43
7.4.
Erhöhung der Arbeitsmarktchancen am „Ersten Arbeitsmarkt“ durch Beschäftigung44
3
4
INHALTSVERZEICHNIS
7.4.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
44
7.4.2.Maßnahmenbeispiele zur Unterstützung des strategischen Zieles
46
7.4.2.1. Gemeinnützige Beschäftigungsprojekte 46
7.4.2.2.Förderung von Beschäftigungsverhältnissen 46
7.4.2.3. Regionale Angebote am „Zweiten Arbeitsmarkt“ 46
7.5.
Schaffung von Unterstützungsprogrammen für am Arbeitsmarkt
benachteiligte Zielgruppen47
7.5.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
47
7.5.2. Maßnahmenbeispiele zur Unterstützung des strategischen Zieles
47
7.5.2.1. Initiativen für MigrantInnen 47
7.5.2.2. Initiativen für Frauen und WiedereinsteigerInnen 48
7.5.2.3. Initiativen für Menschen mit Behinderungen
49
7.5.2.4. Initiativen für Langzeitarbeitslose
49
7.5.2.5. Initiativen für Ältere
49
7.6.
Verringerung beziehungsweise Vermeidung von „Working Poor“50
7.6.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
50
7.6.2. Maßnahmenbeispiele zur Unterstützung des strategischen Zieles
52
7.6.2.1. Nachholen von Bildungsabschlüssen
52
7.6.2.2. Verringerung der saisonalen Arbeitslosigkeit
52
7.6.2.3. Beschäftigungsprojekte und Maßnahmen für Alleinerzieherinnen
53
8. Handlungsfeld
Beschäftigung und Qualifizierung im unternehmerischen Umfeld54
8.1.Herausforderungen54
8.2. Strategische Ziele im Handlungsfeld C56
8.3.
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Kärntner Unternehmen
durch Qualifizierung von Beschäftigen56
8.3.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
56
8.3.2. Maßnahmenbeispiele zur Unterstützung des strategischen Zieles
57
8.3.2.1. Qualifizierungsförderung für Beschäftigte
des Arbeitsmarktservice (QBN, vormals QfB) 57
8.3.2.2. Qualifizierung für Betriebe durch das Land Kärnten 57
8.3.2.3. Bildungsförderung für ArbeitnehmerInnen 58
8.3.2.4.Fachkräfte im Tourismus
59
8.3.2.5. Fachkräfte im Gewerbe 59
8.3.2.6. Lehre mit Matura, Heimkostenförderung
59
8.4.
Stärkung der wirtschaftlichen Dynamik und Innovationsfähigkeit durch
Unterstützung von Kleinstunternehmen und Ein-Personen-Unternehmen (EPU)60
8.4.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
60
8.4.2.Maßnahmenbeispiele zur Unterstützung des strategischen Zieles
64
8.4.2.1. Beratung und Begleitung von EPU 64
8.4.2.2.Maßnahmen für stillgelegte/gescheiterte EPU 65
8.5.
Demografischer Wandel: Unterstützung der Betriebe
im Umgang mit älteren ArbeitnehmerInnen65
INHALTSVERZEICHNIS
8.5.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung 67
8.5.2.Maßnahmenbeispiele zur Unterstützung des strategischen Zieles
68
8.5.2.1. Kärntner Netzwerk Arbeit und Alter 68
8.5.2.2 Generationen im Arbeitsleben (GENIAL)
70
8.5.2.3.„fit2work“
70
9.Handlungsfeld
Beschäftigung und Qualifizierung im regionalen Kontext
5
71
9.1.Herausforderungen71
9.2. Strategische Ziele im Handlungsfeld D73
9.3.
Gegensteuerung zum Humankapitalverlust durch Abwanderung („Brain Drain“) 74
9.3.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
74
9.3.2. Maßnahmenbeispiele zur Unterstützung des strategischen Zieles
76
9.3.2.1. Chancen für junge AkademikerInnen
76
9.3.2.2. „Projekt pro Kärnten“
76
9.3.2.3. Stärkung der Innovationspotenziale in KMU – ein Beispiel aus Dänemark
77
9.4.
Erhaltung der Attraktivität des ländlichen Raumes
79
9.4.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
79
80
9.4.2. Maßnahmenbeispiele zur Unterstützung des strategischen Zieles
9.4.2.1. Mobilität 80
9.4.2.2.Regionale Bildungsangebote 80
10.Ausblick: Ein gemeinsamer Kärntner Weg 82
11. Literatur
83
Verzeichnis der Grafiken87
Verzeichnis der Tabellen88
6
VORWORT
LH Dr. Peter Kaiser, LHStv. in Dr. in Gaby Schaunig
1.Vorwort
Die Kärntner Landesregierung hat die Themenfelder Beschäftigung und Bildung im Regierungsprogramm als Hauptthemen definiert und
sich dazu bekannt, diese wichtigen Schwerpunkte auf breiter Basis mit größtmöglichem
Einsatz zu bearbeiten. Aufgrund der herausfordernden Situation im Bereich des Arbeitsmarktes hat das Land Kärnten ein Zeichen gesetzt
und alle relevanten Organisationen dazu eingeladen, an der Erstellung einer Arbeitsmarktstrategie mitzuarbeiten.
Die zentralen wirtschaftlichen, arbeitsmarktpolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen finden
sich nach Ausmaß und Ausprägung unterschiedlich in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wieder. Aus der Erkenntnis heraus, dass gravierender Handlungsbedarf gegeben ist, hat die Union für ihre
Förderpolitik 2014-2020 fünf strategische Handlungsbereiche definiert, die sich in den Strategien, Zielen
und Maßnahmen der Fonds-Förderprogramme der einzelnen EU-Mitgliedstaaten wiederfinden sollen:
• Beschäftigung, • Forschung, Entwicklung und Innovation, • Klimawandel und Energie, • Bildung, • Armut
und soziale Ausgrenzung.
Strategien, Ziele und Maßnahmen, die in diesen Handlungsbereichen gesetzt werden müssen, verflechten
die Handlungsbereiche, zumal sie alle eine Auswirkung auf die Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Gesellschaftsentwicklung haben. Hieraus leitet sich in der Umsetzung der Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie Kärnten 2020+ die große Herausforderung ab, zwischen allen Finanzierungs- und Förderungsinstanzen eine optimale Koordination und Abstimmung zu erzielen, damit größtmögliche Effekte generiert
werden können.
Eine gute und praxisorientierte Bildung ist die beste Basis für den Berufseinstieg, Weiterbildung ist Grundlage für eine nachhaltig positive Teilhabe an der Berufswelt, und eine hohe Beschäftigungsquote ist eine
wesentliche Maßnahme zum Schutz vor Armut und sozialer Ausgrenzung. Forschung und Entwicklung sind
notwendige Grundlagen für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und die Voraussetzung für die
Hebung von Innovations- und Wachstumspotenzialen, vor allem in regionalen Ökonomien wie Kärnten, in
denen neben der Industrie auch Klein- und Mittelbetriebe einen tragenden Faktor der Wirtschaftsstruktur
darstellen. Die Berücksichtigung des Klimawandels und der ressourceneffiziente Umgang mit Energie sind
relevante Voraussetzungen dafür, dass eine intakte Umwelt auch für zukünftige Generationen gesichert
werden kann. Darüber hinaus werden dadurch im Produktions- und Dienstleistungsbereich Wirtschaftsund Beschäftigungswachstumsimpulse generieren.
Um gemeinsam die Herausforderungen zu meistern, alle möglichen Ressourcen zu bündeln, haben in
Kärnten daher die Vertreterinnen und Vertreter der Sozialpartner, der Regionen, des Arbeitsmarktservice
sowie des Landes selbst auf die Kärntner Situation zugeschnittene Strategien, Ziele und Maßnahmen für
die vorliegende „Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie 2020+“ erarbeitet.
VORWORT
LH Dr. Peter Kaiser, LHStv. in Dr. in Gaby Schaunig
Die Herausforderungen, die wirtschafts-, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitisch bewältigt werden müssen, sind vielschichtig und gravierend. Es war und bleibt deswegen besonders wichtig, dass alle involvierten Organisationen und Instanzen zur Gestaltung der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Gesellschaftspolitik
im Lande gemeinsam an der Entwicklung dieser Strategie gearbeitet haben und weiterhin arbeiten werden.
Die vorliegende Strategie und die darin enthaltenen Ziele und Maßnahmen dürfen nicht als unveränderliche Handlungsanweisungen verstanden werden. Vielmehr soll diese jährlich evaluiert und adaptiert
­werden, da auch die arbeitsmarkt- und wirtschaftsspezifischen Rahmenbedingungen Änderungen unterliegen.
LH Dr. Peter Kaiser
Landeshauptmann
LHStv. in Dr. in Gaby Schaunig
Arbeitsmarktreferentin
7
8
STATEMENTS
AMS Kärnten, WK Kärnten
2.Statements
AMS Kärnten: Strategie 2020+
Eine politische Innovation im Land war die Einladung des Landeshauptmannes
Herr Dr. Peter Kaiser an die Sozialpartner und das Arbeitsmarktservice (AMS)
zur Teilnahme an den erweiterten Regierungssitzungen, die jedes Quartal
stattfinden. Das vorliegende Strategiepapier ist das Ergebnis dieser sinnhaften und effektiven Zusammenarbeit aller verantwortlichen Kräfte im Land.
Es ist unsere Aufgabe, Innovationen zur Entwicklung der Arbeitsmarktpolitik
voranzutreiben. Der Arbeitsmarkt befindet sich in starkem Umbruch. Manche
Berufsfelder laufen aus, neue kommen hinzu. Die demographische Entwicklung
und die technischen Errungenschaften, die ein neues Informations- und Kommunikationsverhalten erzeugen, verändern unsere Gesellschaft und prägen einen neuen Zeitgeist. In einigen
Jahren wird dieser andere Befindlichkeiten und Herausforderungen mit sich bringen, als dies heute der Fall
ist. Das AMS Kärnten wird auch dann für die Wirtschaft die Arbeitskräfte passgenau ausbilden und diese so
rasch als möglich vermitteln. Mit zertifizierten Ausbildungen, die mit den Anforderungen der Wirtschaft akkordieren, haben beide Seiten – Arbeitsuchende und Unternehmer/innen – bestmögliche Voraussetzungen.
Das AMS Kärnten wird weiterhin für diejenigen eintreten, die es ohne Unterstützung schwerer haben, in
Beschäftigung zu bleiben oder zu kommen. Denn Chancengleichheit hat für das AMS Kärnten ganz gewiss
auch in der Zukunft Priorität!
Franz Zewell
Landesgeschäftsführer AMS Kärnten
WK Kärnten: Mit Strategie für Fachkräfte der Zukunft
Einer der wichtigsten Standortfaktoren in einer modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft sind gut ausgebildete Mitarbeiter. Die prognostizierte demografische Entwicklung wird in Kärnten eine dauerhafte Veränderung der Altersstruktur der Erwerbspersonen und einen drastischen Rückgang der
potenziellen Arbeitskräfte bringen. Bis 2030 werden der Kärntner Wirtschaft
rund 40.000 Facharbeiter und Akademiker fehlen. Damit wird sich am Kärntner
Arbeitsmarkt der Wettbewerb der Unternehmen um gut qualifizierte Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen noch verschärfen. Der Faktor Arbeit wird zu einem limitierenden Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung Kärntens und damit eine der
größten Herausforderungen für Politik und Interessensvertretungen. Um den Wirtschaftsstandort Kärnten
nachhaltig zu sichern und auszubauen, setzt die Wirtschaftskammer Kärnten auf die aktive Gestaltung der
Arbeitsmarkt- und Standortpolitik. Dies gelingt nur durch eine enge Kooperation zwischen dem Land Kärnten, dem AMS und den Sozialpartnern. Wir werden in Kärnten nur erfolgreich sein, wenn diese Institutionen
eine gemeinsame Strategie entwickeln und die beschlossenen Maßnahmen entschlossen umsetzen.
Jürgen Mandl, MBA
Präsident der Wirtschaftskammer Kärnten
STATEMENTS
AK Kärnten, ÖGB Kärnten
9
AK Kärnten
Im Gefolge der weltweiten Finanzkrise und der europäischen Staatsschuldenkrise hat sich eine anhaltende Wachstumsschwäche der Wirtschaft etabliert.
Die massiven Beschäftigungsprobleme auf dem Arbeitsmarkt bedrohen auch
zunehmend die Existenzsicherung der Kärntner ArbeitnehmerInnen.
Die Entwicklung Kärntens zu einem wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort
mit zukunftsträchtigen Arbeitsplätzen erfordert das Zusammenspiel fast
aller Politikbereiche. Infrastrukturpolitik, Bildungs- und Familienpolitik, Wirt­
schafts­förderung etc. müssen koordiniert und vernetzt betrieben werden.
Für die Sicherung der heutigen und die Schaffung zukünftiger Arbeitsplätze
sind Politikbereiche, welche die Standortbedingungen für Unternehmen beeinflussen, bedeutend. Der
notwendige Strukturwandel der Kärntner Wirtschaft muss zügig vorangetrieben werden. Die Wettbewerbsfähigkeit der Kärntner Unternehmen und seiner ArbeitnehmerInnen muss gestärkt werden, um
Wachstum und Beschäftigung nachhaltig zu sichern.
Günther Goach
Präsident der AK Kärnten
ÖGB Kärnten
Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit politischer und gesellschaftlicher Institutionen ist gerade in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit besonders bedeutsam und wahrscheinlich auch der einzige Weg, um den komplexen Herausforderungen am Arbeitsmarkt mit innovativen Lösungsansätzen begegnen zu
­Kärnten bemüht, eine verstärkte Einbindung von Frauen und insbesondere älterer ArbeitnehmerInnen in den Arbeitsmarkt zu erzielen und mit effektiven
Maßnahmen vor allem der Langezeitarbeitslosigkeit entgegen zu wirken.
Durch die Implementierung von Berufs- und Bildungsorientierungsmaßnahmen sowie verstärkten Bemühungen hinsichtlich der Wiedereingliederung Jugendlicher nach Schul- und
Ausbildungsabbrüchen muss ein weiterer Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit in Kärnten verhindert werden. Aus der Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie Kärnten 2020+ sollen – wie schon in der Vergangenheit - Projekte hervorgehen, die die Rahmenbedingungen am Kärntner Arbeitsmarkt nachhaltig
verbessern und sowohl den Bedürfnissen von ArbeitnehmerInnen als auch jenen von Wirtschaft und Industrie Rechnung tragen. Durch die Vernetzung und Zusammenarbeit aller Partner können die Probleme
am Kärntner Arbeitsmarkt auch als Chance betrachtet und die Zukunft gemeinsam gestaltet werden.
Hermann Lipitsch
ÖGB Kärnten
© Jagoutz, k.k. können. Als Partner des Territorialen Beschäftigungspaktes ist der ÖGB
10
STATEMENTS
IV Kärnten
IV Kärnten
Kärnten ist ein unterschätztes Industrieland. Die Kärntner Industrie erwirtschaftet inklusive aller von ihr abhängigen Dienstleistungen rund 60 Prozent
der Wertschöpfung im Land und steht für 45 Prozent der Beschäftigten. Sie
strahlt also enorm stark in andere Branchen der Wirtschaft aus. Auf einen
­Arbeitsplatz direkt in der Industrie kommen 2,5 in angrenzenden Dienst­
leistungsberufen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Innovation. Bei
Forschung und Entwicklung ist Kärnten unter den Top 3, beim Anteil der in­
dustriellen Forschung sogar weit vor allen anderen Bundesländern. Innovation
schafft Beschäftigung und innovative Betriebe sind deutlich wettbewerbs­
fähiger.
Der internationale Wettbewerb und der quasi verordnete permanente Strukturwandel stellen enorme
­Anforderungen an unsere Aus- und Weiterbildungssysteme, weil sie ja auch schon den zukünftigen Bedarf
bedenken müssen. Die alljährliche Umfrage der Industriellenvereinigung Kärnten unter ihren Mitgliedern
nach den wichtigsten Standortfaktoren reiht schon länger die gut qualifizierten Mitarbeiter an der Spitze.
Es ist uns als Interessenvertretung der Industrie daher ein großes Anliegen, die Arbeitsmarktstrategie des
Landes Kärnten mit zu gestalten. Wir wollen sicherstellen, dass diese Strategie bestmöglich auf den
­kommenden Bedarf vorbereitet. Eine immer komplexere und kompetitivere Welt erfordert vielfältige und
gleichzeitig spezifische Qualifikationen. Unser schulisches Bildungssystem wie auch die Weiterbildungsangebote müssen flexibel und nahe an den wirtschaftlichen Erfordernissen Qualifizierung anbieten.
­Besonders wichtig sind dabei Fähigkeiten in den sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik,
Naturwissenschaften und Technik), welche noch stärker zu fördern sind. Gerade durch die „vierte
­
­in­dustrielle Revolution“ werden diese Qualifikationen noch dringender benötigt.
Unser Bundesland steht vor großen Herausforderungen: Die aktuelle Schulden- und Haftungskrise macht
umfassende Reformen in den Bereichen Gesundheit, Soziales und öffentliche Verwaltung unumgänglich.
Überdies signalisiert die prognostizierte demografische Entwicklung klar, dass sich Kärnten besonders für
die Zuwanderung qualifizierter Menschen fit machen muss. Die Rahmenbedingungen dafür und die nötige
Willkommenskultur müssen aufgebaut und gestärkt werden. Mit dem Carinthian International Club und
der International School Carinthia sind unter Mitwirkung der IV erste wichtige Initiativen dahingehend
gesetzt.
Mit der vorliegenden Arbeitsmarktstrategie ist ein Schritt in Richtung Schaffung und Sicherung von
­Arbeitsplätzen getan. Eine rasche und nachhaltige Umsetzung von Maßnahmen und Programmen sowie
die laufende Überwachung des Erfolgs dieser sind unbedingt geboten.
Christoph Kulterer
IV-Kärnten-Präsident
EXECUTIVE SUMMARY
3.Executive Summary
Mit der Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie Kärnten 2020+ nimmt Kärnten vorausschauend und
aktiv die Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft an und verknüpft die daraufhin abgestimmten
Ziele und Maßnahmen innerhalb eines längerfristigen Planungshorizontes.
Das Programm dient als strategische Leitlinie und Steuerungsinstrument der im Land Kärnten verantwortlichen Partner. Die operative Umsetzung der geplanten Maßnahmen soll im Rahmen der langfristig
­gelebten Partnerschaft des Territorialen Beschäftigungspaktes (TEP) für Kärnten erfolgen.
Leitziel
Nach einer eingehenden Analyse der gegenwärtigen Situation und der daraus resultierenden Herausforderungen für das Land Kärnten formulierten die Akteure der Kärntner Qualifizierungs- und Beschäftigungsstrategie 2020+ folgendes Leitziel:
„Die Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie 2020+ des Landes Kärnten umfasst unter Berücksichtigung der strategischen Ausrichtung der EU-Förderperiode 2014 – 2020 die Bündelung aller arbeitsmarktpolitischen Anstrengungen auf
• die Verringerung der Arbeitslosigkeit,
• die Sicherung der vorhandenen Arbeitsplätze,
• die Bekämpfung von Armut und
• die Vermeidung von Humankapitalverlust durch Abwanderung.“
Handlungsfelder und strategische Ziele
Daraus abgeleitet wurden vier für eine zukunftsweisende Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie in
Kärnten maßgebliche Handlungsfelder identifiziert und die dazugehörigen Strategien formuliert:
Handlungsfeld
Jugendliche am Übergang Schule - Beruf
•Strategische Ziele im Handlungsfeld
- Umfassende Berufsorientierung zur Unterstützung tragfähiger Bildungsund Berufsentscheidungen
- Prävention von Schul- und Ausbildungsabbrüchen
- Wiedereingliederung nach Schul- und Ausbildungsabbrüchen
Handlungsfeld
Beschäftigung und Qualifizierung für Arbeitsuchende
•Strategische Ziele im Handlungsfeld
- Erhöhung der Arbeitsmarktchancen am „Ersten Arbeitsmarkt“ durch
Beratung und Qualifizierung
- Erhöhung der Arbeitsmarktchancen am „Ersten Arbeitsmarkt“ durch Beschäftigung
- Schaffung von Unterstützungsprogrammen für am Arbeitsmarkt benachteiligte
Zielgruppen
- Verringerung beziehungsweise Vermeidung von „Working Poor“
11
12
EXECUTIVE SUMMARY
Handlungsfeld
Beschäftigung und Qualifizierung im unternehmerischen Umfeld
•Strategische Ziele im Handlungsfeld
- Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Kärntner Unternehmen durch Qualifizierung
von Beschäftigten
- Stärkung der wirtschaftlichen Dynamik und Innovationsfähigkeit durch Unterstützung
von Kleinstunternehmen und Ein-Personen-Unternehmen (EPU)
- Demografischer Wandel: Unterstützung der Betriebe im Umgang mit älteren
ArbeitnehmerInnen
Handlungsfeld
Beschäftigung und Qualifizierung im regionalen Kontext
•Strategische Ziele im Handlungsfeld
- Gegensteuerung zum Humankapitalverlust durch Abwanderung („Brain Drain“)
- Erhaltung der Attraktivität des ländlichen Raums
Aus dieser strategischen Positionierung werden die konkreten und an aktuelle Rahmenbedingungen angepassten Maßnahmen entwickelt.
PROZESS DER STRATEGIEENTWICKLUNG
Projektgenese
4.Prozess der Strategieentwicklung
Projektgenese
Im Jahr 1997 starteten in Kärnten erstmalig die Vorbereitungen zur Entwicklung einer Kooperation ­zwischen
dem Arbeitsmarktservice (AMS) und der Landesregierung im Rahmen des Territorialen Beschäftigungspaktes (TEP), welche im Jahr 1998 im Rahmen eines Vertrages abgesichert wurden. Neben den „Kernpartnern“ AMS und Land Kärnten wurden seit Anbeginn des TEP alle Sozialpartnerorganisationen, das Sozialministeriumservice (SMS), die für EU-Programme verantwortlichen Kompetenzzentren und ­Abteilungen
des Landes in die Entwicklung und Umsetzung der TEP-Programme eingebunden.
Ziel dieser Kooperation war und ist es, jeweils auf Jahresbasis ein auf Problemlagen und Bedürfnisse des
Kärntner Arbeitsmarktes zugeschnittenes Interventionsprogramm zu entwickeln, zu implementieren und
abzusichern. Diese Kooperation wurde bis 2013 im Rahmen des Kooperationsansatzes „Territorialer Beschäftigungspakt (TEP)“ durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) kofinanziert.
Obwohl die Kofinanzierung des Territorialen Beschäftigungspaktes durch den ESF im Rahmen der EU-Förderperiode 2014 - 2020 nicht mehr gegeben ist, setzen die Partnerorganisationen des TEP Kärnten die
bewährte Zusammenarbeit in dieser Struktur unter dem gleichen Namen fort.
Um sich den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen von Arbeitsmarkt und Wirtschaftslage zu stellen, haben sich die oben genannten AkteuerInnen unter Federführung des Landes Kärnten und des Arbeitsmarktservice Kärnten entschieden, eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie 2020+ zu entwickeln.
Dabei wurde wie schon im Rahmen des TEP die Strategieentwicklung als Beteiligungsprozess unter Einbindung von und in Abstimmung mit den wirtschafts- und arbeitsmarktrelevanten Organisationen durchgeführt. Mit diesem Konsultations- und Kooperationsansatz wurde Folgendes bezweckt:
• Schaffung eines gemeinsam vereinbarten Handlungsrahmens, der von allen AkteurInnen getragen wird, die für die Steuerung und die Gestaltung der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsentwicklung im Lande verantwortlich sind
• Bündelung von Ressourcen beziehungsweise maximale Nutzung von Synergie-Potenzialen der
einzelnen (EU-) Förderprogramme, mit denen in die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsentwicklung
interveniert wird
Für die Strategieentwicklung wurde ein eigener Arbeitskreis eingesetzt, dem entscheidungsbefugte
­VertreterInnen aus folgenden und auch am TEP beteiligten Organisationen angehören:
• Land Kärnten
• AMS Kärnten
• Arbeiterkammer Kärnten
• Wirtschaftskammer Kärnten
• Österreichischer Gewerkschaftsbund Kärnten
• Industriellenvereinigung Kärnten
Seitens des Amtes der Kärntner Landesregierung standen folgende Abteilungen als Gesprächspartner
zur ­Verfügung:
• Abt. 3, Kompetenzzentrum Landesentwicklung und Gemeinden
Bereich: Orts und Regionalentwicklung
13
14
PROZESS DER STRATEGIEENTWICKLUNG
Projektgenese
• Abt. 4, Kompetenzzentrum Soziales
Bereich: Sozial- und Entwicklungsplanung, Familie und Frauen
• Abt. 6, Kompetenzzentrum Bildung, Generationen und Kultur
Bereich: Arbeitsmarkt und Lehrlingswesen; Fachhochschulwesen
Bereich: Lebenslanges Lernen
• Abt. 10, Kompetenzzentrum Land- und Forstwirtschaft
Bereich Koordination des ländlichen Entwicklunsgprogrammes
Das Sozialministeriumservice Kärnten war ein wichtiger Ansprechpartner insbesondere für die Bereiche,
Investitionen in Bildung, Ausbildung und Berufsbildung für Kompetenzen und Lebenslanges Lernen (ESF
PA 3) sowie Übergangsmanagement Schule, Beruf, Produktionsschulen.
PROZESS DER STRATEGIEENTWICKLUNG
15
Kurzdokumentation der Abstimmungsgespräche
© LPD/fritzpress
Kurzdokumentation der Abstimmungsgespräche
13.05.2014: Start der Strategieentwicklung
Franz Pacher (WKK), LHStv.in Dr.in Gaby Schaunig, LH Dr. Peter Kaiser, Dr.in Claudia Mischensky (IV Kärnten),
Günther Goach (AK Kärnten), Franz Zewell (AMS Kärnten), Hermann Lipitsch (ÖGB Kärnten)
13.05.2014: Präsentation des Vorhabens im Rahmen einer Pressekonferenz
An diesem Tag haben sich Land Kärnten, AMS, WKK, AK, IV und ÖGB zu einer gemeinsamen und gezielten
Arbeitsmarktstrategie öffentlich bekannt und das Vorhaben im Spiegelsaal des Landes Kärnten präsentiert (siehe Gruppenfoto). Vereinbart wurde, dass eine gemeinsame Arbeitsmarktstrategie mit der Berücksichtigung der aktuellen und zukünftigen Anforderungen erarbeitet wird, welche Förderungen und EUProgramme so verknüpft, dass Forschung und Entwicklung gestärkt, Infrastruktur geschaffen und (Aus-)
Bildungsschwerpunkte auf die Anforderungen der Wirtschaft abgestimmt werden können. Die Arbeitsmarktstrategie soll darüber hinaus neue Impulse setzen in zentralen Themen wie dem Facharbeiterbedarf,
der Förderung des Arbeitsmarktes und der Forschung und Entwicklung sowie im Bereich der Bündelung
aller vorhandenen Förderschienen. Es wurde vereinbart, dies im Laufe des Jahres in Arbeitsgruppen zu
erarbeiten.
29.07.2014: Erste Arbeitsgruppensitzung
Dieser Sitzung vorausgehend wurde von VertreterInnen des Arbeitsmarktservice Kärnten, des Landes
Kärnten und der IFA Unternehmensberatung ein Dokument verfasst, das als Vorschlag beziehungsweise
als Diskussionsgrundlage für die weitere Entwicklung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie
2020+ für Kärnten im Rahmen des Territorialen Beschäftigungspaktes dienen sollte.
Als Gesamtstrategie wurde das Ziel „Schaffung einer institutionsübergreifenden Strategie unter Berücksichtigung der strategischen Ausrichtung der neuen EU-Förderperiode 2014 - 2020“ f­ ormuliert.
16
PROZESS DER STRATEGIEENTWICKLUNG
Kurzdokumentation der Abstimmungsgespräche
Diese soll zu einer Verringerung der Arbeitslosigkeit, zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze und zu
­einem Entgegenwirken der Armutsentwicklung beitragen. Diese Themenbereiche wurden in drei Säulen
(Arbeitsuchende – Unternehmen – Querschnittthemen) gegliedert. Jede Säule enthält Vorschläge für
­spezifische themenbezogene Handlungsfelder. Für jedes Handlungsfeld wurden kurz gefasste Diskussionsvorschläge zum Zweck der Ausformulierung spezifischer Einzelstrategien, Ziele und Maßnahmen
­vorgelegt.
15.09.2014: Zweite Arbeitsgruppensitzung
Im Vorfeld der Sitzung wurde den Mitgliedern der Arbeitsgruppe Zeit eingeräumt, eine Stellungnahme zu
den im vorigen Abschnitt genannten Diskussionsvorschlägen abzugeben, welche dann in dieser Arbeitsgruppensitzung erörtert wurden. Folgende Themenbereiche wurden von WK, IV und AK besonders angesprochen: Ein-Personen-Unternehmen (EPU), betriebsnahe Qualifizierung von Beschäftigten, „Rückhol­
aktion“ von HochschulabsolventInnen sowie die Berufswahl von Jugendlichen unter dem Aspekt von
„Entscheidungsfehlern“.
15.10.2014: Sitzung mit den Regionen beziehungsweise den Lokalen Aktionsgruppen (LAG)
Ziel dieser Sitzung war, das „working paper“ der Strategiegruppe den LAG vorzustellen und diesen daraufhin die Möglichkeit zu geben, ihre Anliegen aus der Sicht der Regionen zu formulieren. Darüber hinaus
wurde auch über fachliche Ergänzungen und die Nutzung von Synergien zwischen dem LEADER-Programm
und dem ESF-Programm gesprochen.
20.10.2014: Dritte Sitzung der Arbeitsgruppe
Inhalt der Gespräche waren:
• die Einarbeitung der geplanten Maßnahmen-Vorschläge der LAG-RegionalmanagerInnen
• die Einarbeitung der thematischen Schwerpunkte aller Institutionen in das bestehende Arbeitspapier in Richtung einer Adaptierung der Säulen und Handlungsfelder
• die Diskussion der geplanten quantifizierbaren Ziele und
• die Abstimmung der weiteren Vorgangsweise
25.11.2014: Abstimmung mit den Abteilungen 4 (Soziales) und 10 (Landwirtschaft)
In der Besprechung wurde von allen Beteiligten abgewogen, welche Kooperationsmöglichkeiten und Synergien (inhaltlich und finanziell) zukünftig zwischen den ELER-Leader, EFRE, ESF und nationalen Förderprogrammen des AMS und des KWF beziehungsweise AWS/BMWFW geschaffen werden könnten. Im
­Zentrum der Überlegung stand der Begriff der „Beschäftigungsrelevanz“.
Alle in dem skizzierten Arbeitsprozess vorgeschlagenen Strategien und Maßnahmen wurden unter Berück­
sichtigung der zur Verfügung stehenden budgetären Mittel und Möglichkeiten in das Strategiedokument
eingebunden.
PROZESS DER STRATEGIEENTWICKLUNG
Kurzdokumentation der Abstimmungsgespräche
Februar und März 2015: Formulierung der Beiträge
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle mitwirkenden Institutionen für die eingegangenen Beiträge und Formulierungsvorschläge. Die IFA Unternehmensberatung hat die Koordination übernommen
und die Redaktion der Beiträge durchgeführt. Das nun vorliegende Dokument ist das Ergebnis der Vorlage
mehrerer Entwürfe.
Für die oben angeführten Konsultationen und Abstimmungen sowie die Erarbeitung der Entwürfe war ein
„kleiner Strategiearbeitskreis“ bestehend aus VertreterInnen des Landes und des AMS mit Unterstützung
der IFA Unternehmensberatung verantwortlich.
Allen Beteiligten an dieser Strategieentwicklung ist bewusst, dass die aktuellen und zukünftigen Problemlagen am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft in Kärnten eine große Bandbreite an Maßnahmen erfordern.
Die finanziellen Rahmenbedingungen sind begrenzt. Neben effizientem Mitteleinsatz gilt es daher jene
Maßnahmen zu fördern, die die besten Effekte und nachhaltige Wirkung erzielen.
Diese Strategie wird sich daher auch den sicher ändernden Rahmenbedingungen des Wirtschafts- und
Arbeitsmarktes anpassen. Dem Strategiearbeitskreis obliegt daher eine regelmäßige Adaptierung,
­Schärfung und Ergänzung. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden in regelmäßigen Abständen
­gemeinsam abgestimmt und umgesetzt. Dies soll für die Kärntner Bevölkerung in sehr transpa­renter W
­ eise
auf www.ktn.gv.at/arbeitsmarktstrategie erfolgen.
Wir sind am Anfang eines gemeinsamen Weges
für eine positive Entwicklung des Kärntner Arbeitsmarktes.
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AUSGANGSSITUATION FÜR DIE KÄRNTNER BESCHÄFTIGUNGS- UND QUALIFIZIERUNGSSTRATEGIE 2020+
Demografische Veränderungen
5.Ausgangssituation für die Kärntner
Beschäftigungs- und Qualifizierungs strategie 2020+
Die gegenwärtige Situation in Kärnten ist von großen Herausforderungen geprägt, auf die auch im Rahmen
einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie 2020+ Antworten gegeben werden sollen.
Demografische Veränderungen
„Kärnten zählt österreichweit zu jenen Bundesländern, in welchen der demografische Wandel am weitesten fortgeschritten ist. So ist Kärnten das einzige Bundesland, welches bereits eine stagnierende Bevölkerungsentwicklung verzeichnet und in welchem – mit einem Anteil an Personen über 64 Jahren von 19,5 %
gemeinsam mit dem Burgenland – die Alterung der Bevölkerung am stärksten fortgeschritten ist.“ 1
So ist laut der nachfolgenden Tabelle der Landesstatistik die Bevölkerungsentwicklung in Kärnten seit
dem Jahr 1995 rückläufig. Betrug der Gesamtbevölkerungsstand im Bundesland 1995 noch 561.281, so
sank er im Jahr 2013 auf rund 555.000.
Tab. 1: Bevölkerungsentwicklung in Kärnten2
15 – 60 Jährige
60+
1995
346.649
112.449
2000
345.063
119.671
2005
342.327
129.408
2010
338.936
139.585
2013
334.277
145.867
Wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch wesentlich ist insbesondere der Umstand, dass der Anteil der
­Bevölkerungsgruppe im „Erwerbsalter“ stetig sinkt, während der Anteil der Bevölkerungsgruppe im Pensionsalter deutlich ansteigt.
Gemäß den längerfristigen Bevölkerungsprognosen werden sich diese Entwicklungen noch deutlich verschärfen. So ist beispielsweise für das Jahr 2030 ein Bevölkerungsrückgang auf 547.078 Personen
­prognostiziert, wobei der Anteil der 15 – 60 Jährigen auf nur noch ca. 277.000 Personen, jener der über
60 –Jährigen aber bereits auf über 200.000 geschätzt wird. 3
1 Aus Aigner-Walder Birgit, Bliem Markus Gilbert 2012: Demographie und Daseinsvorsorge in Kärnten. Herausforderungen und
­Lösungsansätze auf kommunaler Ebene; Studie gefördert durch den Kärntner Gemeindebund und die Landesgruppe Kärnten
des Österreichischen Städtebundes, Institut für Höhere Studien und Wissenschaftliche Forschung Kärnten, Klagenfurt, S. 88
2 Quelle: Statistik-Amt der Kärntner Landesregierung (Hg.) 2014: Statistisches Handbuch des Landes Kärnten 2014: 59. Jahrgang, Daten 2013; Heyn, Klagenfurt, S. 39
3 Vgl.: Statistik-Amt der Kärntner Landesregierung (Hg.) 2014: a.a.O., S. 44
AUSGANGSSITUATION FÜR DIE KÄRNTNER BESCHÄFTIGUNGS- UND QUALIFIZIERUNGSSTRATEGIE 2020+
Demografische Veränderungen
Abb. 1: Bevölkerungsentwicklung nach Bundesländern 2013 bis 2060, mittlere Variante4
Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Bevölkerungsprognose 2014. Erstellt am 12.11.2014
Neben den großen Herausforderungen für das Sozialversicherungs- und Pensionssystem wird diese Entwicklung auch massiv die Rahmenbedingungen für den regionalen Kärntner Arbeitsmarkt beeinflussen.
Als Folge des prognostizierten und stetig steigenden Bevölkerungsrückganges ist trotz aktuell hoher
­Arbeitslosigkeit in längerfristiger Betrachtung mit einem Mangel an vor allem hoch qualifizierten und spezialisierten Arbeitskräften zu rechnen.
Parallel dazu weist die Altersstruktur des Erwerbspotenzials eine deutliche Zunahme der über 49-Jährigen
auf. Daraus leitet sich im Sinne der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit durch entsprechende Anpassung
der Qualifikationsstruktur eine zunehmende Herausforderung im Bereich der Weiterbildung und Qualifizierung vor allem im Segment der „älteren ArbeitnehmerInnen“ ab.
4 Quelle online unter: http://www.statistik.at/web_de/wcmsprod/groups/b/documents/webobj/027334.gif [04.03.2015]
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20
AUSGANGSSITUATION FÜR DIE KÄRNTNER BESCHÄFTIGUNGS- UND QUALIFIZIERUNGSSTRATEGIE 2020+
Humankapitalverlust durch Abwanderung
Abb. 2: Bevölkerungsentwicklung in Kärnten im Haupterwerbsalter (15 bis 64 Jahre)
nach Altersgruppen
Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Bevölkerungsprognose 2014. Erstellt am 12.11.2014
Humankapitalverlust durch Abwanderung
Im Hinblick auf die Qualifikationsstruktur der Kärntner Erwerbsbevölkerung zeigt sich im Österreichvergleich, dass in Kärnten die mittlere Qualifikationsebene und dabei insbesondere die berufsbildenden Abschlüsse wie Lehre, BMS oder BHS stärker ausgeprägt sind. Umgekehrt sind die Anteile der Personen mit
höchstens Pflichtschulabschluss auf der einen Seite und AHS-Matura oder Hochschulabschluss auf der
anderen Seite etwas geringer als im österreichischen Durchschnitt. 5
5 Vgl.: ibw (Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft) 2012: Bildungsstruktur und Qualifikationsbedarf in Kärnten; Autoren:
Schmid Kurt, Gruber Benjamin, Petanovitsch Alexander, in: ibw Forschungsbericht Nr. 169: S. 43
AUSGANGSSITUATION FÜR DIE KÄRNTNER BESCHÄFTIGUNGS- UND QUALIFIZIERUNGSSTRATEGIE 2020+
Humankapitalverlust durch Abwanderung
Abb. 3: Unterschiede der formalen Bildungsabschlüsse zwischen Kärnten und Österreich im Zeitablauf:
Differenz der relativen Anteile nach höchstem Bildungsabschluss
Quelle: Statistik Austria, Volkszählungen und Mikrozensus 2010; ibw-Berechnungen
Anmerkung: Für Bevölkerung 15 Jahre und älter
Demgegenüber ist die MaturantInnenquote in Kärnten sogar etwas höher als im Bundesdurchschnitt. Trotzdem ist die Anzahl der von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen angestiegen – dies ­obwohl die Gesamtbevölkerung ebenfalls nicht wesentlich gestiegen ist. Die Ursachen sind vielschichtig unter anderem die Erhöhung
des faktischen Pensionsantrittsalters sowie die Erhöhung der Erwerbsquote. Dies schlägt sich deshalb nicht
in der formalen Qualifikationsstruktur der jüngeren Alterskohorte (20- bis 24-Jährige) mit Wohnsitz in Kärnten
nieder, weil viele Kärntner MaturantInnen aufgrund des in Kärnten eingeschränkten hochschulischen Bildungsangebotes sich entscheiden, ihren Bildungsweg an Hochschulen außerhalb Kärntens fortzusetzen.
Aus der Perspektive des Qualifikationsangebotes für den Wirtschaftsstandort Kärnten ergibt sich dadurch
ein sogenannter „BRAIN DRAIN“ 6, da weiterführende hochschulische Ausbildung außerhalb Kärntens
oftmals auch in einem dauerhaften „Wegzug“ formal hoch ausgebildeter KärntnerInnen resultiert. Auf der
anderen Seite plant einer Studie des Wissenschaftsministeriums zufolge von jenen KärntnerInnen, die
außerhalb Kärntens studierten, nur jeder achte (12,5 %) nach dem Studium eine Rückkehr nach Kärnten.
Rund ein Drittel wusste zwar noch nicht, ob sie wieder zurückkehren werden, es zeichnet sich aber insgesamt ein ausgeprägter „BRAIN DRAIN“ für Kärnten ab 7.
6 Der Begriff „Brain Drain“ kommt aus der Entwicklungspolitik und meint „die Emigration von Arbeitskräften, die dem Abwanderungsland Kenntnisse und Fertigkeiten, d. h. in den Menschen inkorporiertes Humankapital entzieht.“ (Gabler Wirtschaftslexikon, Internet: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/)
7 Martin Unger, Sarah Zaussinger, Lukas Dünser, Angelika Grabher 2010: Regionale Herkunft und Binnenmobilität der Studierenden; Zusatzbericht der Studierenden-Sozialerhebung 2009; Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft
und Forschung (BMWF), Wien
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AUSGANGSSITUATION FÜR DIE KÄRNTNER BESCHÄFTIGUNGS- UND QUALIFIZIERUNGSSTRATEGIE 2020+
„Wirtschaftsflaute“ und Arbeitslosigkeit
„Wirtschaftsflaute“ und Arbeitslosigkeit
Die in den Jahren 2008 und 2009 einsetzende und nahezu weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hatte
auf den österreichischen und dementsprechend auch auf den Kärntner Arbeitsmarkt schwerwiegende
Auswirkungen.
Zwar konnte sich die Wirtschaft im Zeitraum 2010/2011 kurzfristig erholen, in weiterer Folge jedoch waren
und sind die konjunkturellen Wachstumsperspektiven eher mäßig.
Insbesondere die Vernetzung der österreichischen Volkswirtschaft im globalen Kontext der Wirtschaft hat
zur Folge, dass im Zuge eines Konjunkturrückganges die Nachfrage nach Arbeitskräften zurückgeht.
Tab. 2: Arbeitslosenquoten in Kärnten und Österreich 8
2011
2012
2013
2014
2015***
Kärnten
8,9
9,1
10,2
10,8*
14,5
Österreich
6,7
7,0
7,6
8,4**
10,5
* aus Wibis Daten, www.kwf.at
** IHS Kärnten Konjunkturreport 14. Jg. Ausg. 4 Dez. 2014
*** AMS – Kärnten; Monatsbericht Jänner 2015
Es konnte zwar nach wie vor ein hoher Beschäftigungsstand gehalten werden, jedoch ist aufgrund des
steigenden Arbeitskräftepotenzials und einer verringerten Aufnahmefähigkeit des Beschäftigungsmarktes ein deutliches Ansteigen der Arbeitslosigkeit zu bemerken. Auffallend ist, dass die Anzahl der unselbständig Erwerbstätigen in Kärnten langfristig grundsätzlich ­stabil ist.
Geschlechtsspezifisch differenziert war die Zunahme in der Arbeitslosigkeit in den ersten Jahren nach Ausbruch der Krise männlich dominiert. Hauptursache war, dass vor allem männerdominierte Branchen wie
der Produktionsbereich oder die Arbeitskräfteüberlassung betroffen waren.
Die Einschätzungen hinsichtlich der künftigen Arbeitsmarktentwicklung sind daher angesichts der vorliegenden Rahmenbedingungen tendenziell pessimistisch.
Der Bestand an vorgemerkten Arbeitslosen wird demnach auch in den nächsten Jahren hoch bleiben, wobei dies durch die weiter oben skizzierten demografischen Veränderungen verstärkt wird.
So konnte zwar die Beschäftigungsquote von Älteren in den letzten Jahren gesteigert werden, diese ist
aber im internationalen und EU-Vergleich noch immer niedrig.
Ebenfalls stark zugenommen hat die Gruppe der Langzeitbeschäftigungslosen. Lange Absenz vom Arbeitsmarkt und die damit einhergehende Dequalifizierung und Mehrfachproblemlagen kennzeichnen diese Gruppe. Aus all diesen Entwicklungen heraus ergibt sich die Notwendigkeit, zum einen der Verfestigung
von Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken und zum anderen den Strukturwandel in der Nachfrage nach
­Arbeitskräften durch nachfrageorientierte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu unterstützen.
8 Quelle: IHS 2014: Wirtschaftsbericht des Landes Kärnten 2013, Wien, S. 21
AUSGANGSSITUATION FÜR DIE KÄRNTNER BESCHÄFTIGUNGS- UND QUALIFIZIERUNGSSTRATEGIE 2020+
Armut und Armutsgefährdung
Armut und Armutsgefährdung
Armut und damit verbundene soziale Ausgrenzung wird heute nicht mehr ausschließlich am „Rande der
Gesellschaft“ beobachtet, sondern immer häufiger auch in der sogenannten „sozialen Mitte“, was zu einer
Intensivierung der öffentlichen Armutsdebatte in den letzten Jahren führte.
Die jährlichen Erhebungen der Statistik Austria (EU-SILC) zeigen für das Bundesland Kärnten für die letzten neun Jahre unterschiedliche Einschätzungen. Ein deutlicher Anstieg der Zahl der armutsgefährdeten
Menschen wird im Referenzjahr 2011 mit einer Anzahl von 102.000 betroffenen KärntnerInnen ausgewiesen. Seitdem ist die Zahl der armutsgefährdeten Kärntnerinnen und Kärntner wieder gesunken, dennoch
ist die allgemeine Tendenz steigend. Armutsgefährdet nach EU-SILC sind ­Personen, die mit weniger als 60
Prozent des mittleren Einkommens der gesamten Bevölkerung auskommen müssen.
Abb. 4: Armutsgefährdung in Kärnten – Statistik Austria EU-SILC, Jahreswerte 2004 – 2013
Der Anteil jener, die unter der Armutsgefährdungsschwelle leben, wird für das Jahr 2013 mit 16,6 Prozent
angegeben. D
­ amit liegt Kärnten über dem österreichischen Durchschnitt (14,7 %) und liegt an drittletzter
Stelle vor Vorarlberg (17,1 %) und Wien (22,7 %). Armutsgefährdung trotz Arbeit ist oftmals auch mit Teilzeitarbeit verbunden. Die langfristige Entwicklung zeigt nach wie vor eine konstante Zunahme von Teilzeitarbeitsplätzen in Kärnten.
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AUSGANGSSITUATION FÜR DIE KÄRNTNER BESCHÄFTIGUNGS- UND QUALIFIZIERUNGSSTRATEGIE 2020+
Armut und Armutsgefährdung
Auf der Grundlage der skizzierten Entwicklungen und Herausforderungen im Bundesland Kärnten formulierten die am Strategieprozess beteiligten arbeitsmarktpolitischen Akteure folgendes Leitziel der ­Kärntner
Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie 2020+:
Die Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie 2020+ des Landes Kärnten umfasst unter Berück­
sichtigung der strategischen Ausrichtung der EU-Förderperiode 2014 – 2020 die Bündelung aller arbeitsmarktpolitischen Anstrengungen auf
• die Verringerung der Arbeitslosigkeit
• die Sicherung der vorhandenen Arbeitsplätze
• die Bekämpfung von Armut und
• die Vermeidung von Humankapitalverlust durch Abwanderung
Handlungsbedarf – Handlungsspielraum
Analysen und strategische Planungen, die einen gewissen Zeitraum in Anspruch nehmen, können naturgemäß von der Dynamik aktueller Ereignisse überholt werden. So wird auch die Umsetzung der Maßnahmen zur Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie 2020+ für Kärnten von der im Zuge der Hypo-/HetaKrise erfolgten Abstufung der Kreditwürdigkeit des Landes Kärnten und von den daraus resultierenden
Maßnahmen und den entsprechenden möglichen Budgetkorrekturen beeinflusst werden. Die an der Erarbeitung der Strategie beteiligten Institutionen haben sich im Rahmen der Arbeitsgruppensitzung am
6. Mai 2015 dazu bekannt, dass die strategische Zielsetzung angesichts der aktuellen Entwicklung wichtig
ist und bleibt; der Umsetzungszeitpunkt der Maßnahmen aufgrund der budgetären Rahmenbedingungen
aber möglicherweise verschoben wird.
2015 ist für unser Bundesland von großen Herausforderungen gekennzeichnet und es muss leider davon
ausgegangen werden, dass die aktuelle budgetäre Situation des Landes nachhaltige Auswirkungen auf
viele Bereiche der Landesverwaltung haben wird. Trotzdem und gerade deswegen müssen langfristige
strategische Ziele definiert werden, um mittel- und langfristig den Arbeits- und Wirtschaftsraum Kärnten
wieder attraktiv und zukunftsfähig zu gestalten.
HANDLUNGSFELD A: JUGENDLICHE AM ÜBERGANG SCHULE - BERUF
Herausforderungen
6.Handlungsfeld
Jugendliche am Übergang Schule – Beruf
6.1.Herausforderungen
Unter dem Titel „Jugendarbeitslosigkeit – Tragödie Europas“ schreibt Thomas Öchsner am 4.3.2013 in der
Onlineausgabe der Süddeutschen Zeitung folgenden Kommentar: „Wenn junge Leute arbeitslos werden
oder erst gar nicht den Einstieg ins Berufsleben finden, hinterlässt dies eine lebenslange Narbe. Nichts tun
zu können, nagt am Selbstvertrauen. Solche Menschen lernen erst spät, auf eigenen Füßen zu stehen. Und
selbst wenn sie irgendwann einen Job ergattert haben, ist ihr Risiko, bald wieder auf der Straße zu landen,
ein Leben lang wenig zu verdienen und später in die Altersarmut zu rutschen, besonders hoch. Dieses
Schicksal tragen derzeit Millionen Jugendliche von Lissabon bis Stockholm. Es ist die Tragödie Europas.“
Im Vergleich zu europäischen Ländern wie Spanien, Griechenland oder Portugal erscheint das Thema
­„Jugendarbeitslosigkeit“ in Österreich längst nicht so alarmierend und dramatisch. Während etwa in der
Gesamtheit der EU-Länder durchschnittlich 21,4 Prozent der Jugendlichen arbeitslos sind, sind in Österreich „bloß“ 9 Prozent der Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen zwischen 15 und 24 Jahren von Arbeitslosigkeit betroffen 9. Die Perspektive ändert sich allerdings, wenn man sich die absoluten Zahlen ansieht
und feststellt, dass es sich dabei um immerhin rund 50.000 (!) dieser jungen Menschen handelt, die in
Österreich von Arbeitslosigkeit betroffen sind. In Kärnten waren im Jänner 2015 laut AMS Statistik 4.106
Personen in der Altersklasse bis 24 Jahren als arbeitssuchend gemeldet. Die Situation, die Lebensumstände und die Zukunftsaussichten dieser Jugendlichen werden von der Arbeitslosigkeit fundamental beeinflusst und getrübt. Aus diesem Grund ist es Aufgabe der Politik, sich dieser Herausforderung grundlegend anzunehmen und aktiv gegenzusteuern. Erfreulich ist aber, dass die Dauer der Arbeitslosigkeit in dieser
Altersgruppe sehr kurz ist. Dies bedeutet, dass in dieser Altersgruppe überdurchschnittlich viele Personen
von Arbeitslosigkeit betroffen sind, aber die Integration in den Arbeitsmarkt sehr rasch möglich ist.
NEET (not in employment, education or training)
Die Gesamtthematik Jugend und Arbeit verschärft sich zusätzlich, wenn man berücksichtigt, dass die
Jugendarbeitslosenquote gemäß ihrem Definitionsmerkmal „aktive Schritte zur Arbeitsuche“ nur eine
begrenzte Aussagekraft über die tatsächliche Arbeitsmarktlage von Jugendlichen hat. Damit werden
etwa jene Jugendlichen nicht als arbeitslos wahrgenommen, die aufgrund der Aussichtslosigkeit am
Arbeitsmarkt keine Arbeit (mehr) suchen oder wegen Betreuungspflichten nicht unmittelbar verfügbar
sind. 10
Da die enge Definition der Arbeitslosigkeit dazu führen kann, speziell bei Jugendlichen das Problemausmaß zu unterschätzen, hat man sich in der internationalen Arbeitsmarktforschung auf den sogenannten
NEET-Indikator als Ergänzung zur Jugendarbeitslosenquote (Eurofund 2011) geeinigt:
„NEET steht für ‚not in employment, education or training‘ und bezeichnet Jugendliche, die weder im
Beschäftigungs- noch im (Aus-)Bildungssystem integriert sind und an keiner Trainingsmaßnahme
­
9 Zahlen aus 2014; Quelle: Eurostat Abfrage vom 30.01.2015; BMS
10Vgl.: Bacher Johann, Tamesberger Dennis, Leitgöb Heinz, Lankmayer Thomas 2013: NEET-Jugendliche: Eine neue arbeitsmarktpolitische Zielgruppe in Österreich, in WISO 4/2013, Nr. 103, Linz, S. 103-132.
25
26
HANDLUNGSFELD A: JUGENDLICHE AM ÜBERGANG SCHULE - BERUF
Herausforderungen
­teilnehmen. Die zugrundeliegende Annahme ist, dass mit diesem Indikator auch Jugendliche, die sich
schon ­weiter vom Arbeitsmarkt entfernt haben, erfasst werden können. Somit repräsentiert der NEET-Indikator in gewissem Sinn auch ein Maß für die soziale Ausgrenzung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, w
­ obei anzumerken ist, dass nicht jede/r NEET-Jugendliche von sozialer Ausgrenzung bedroht ist
und nicht alle sozial ausgegrenzten Jugendlichen durch den NEET-Indikator erfasst werden.“ 11
In einer vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMAS) in Auftrag gegebenen und 2014 veröffentlichten Studie wird gezeigt, dass in Österreich im Zeitraum von 2006 bis 2011 im
Durchschnitt rund 78.000 junge Menschen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren von Desintegration im Sinne
eines NEET-Status betroffen sind. Die Anzahl an NEET-Jugendlichen ist jedoch stark von der Konjunktur
abhängig und stieg beispielsweise in den Krisenjahren 2009 und 2010 deutlich an. Ein erhöhtes NEET-­
Risiko haben der Studie zufolge:
• frühe SchulabgängerInnen
• (weibliche) Jugendliche mit Betreuungspflichten
• Jugendliche mit Migrationshintergrund der 1. Generation
• Jugendliche, deren Eltern eine geringere Bildung haben
• Jugendliche ohne EU-Staatsbürgerschaft sowie
• Jugendliche, deren Eltern ein geringeres formales Bildungsniveau aufweisen 12
Die NEET-Gruppe ist in sich sehr heterogen und entsprechend vielfältig sind die Ursachen, Bedürfnis- und
Problemlagen. Als eine zentrale Hauptursache mit direkter Wirkung auf den NEET-Status konnte ein früher
Schulabgang identifiziert werden. Zur Senkung der NEET-Rate treten die StudienautorInnen für Strategien
gegen frühen Schulabbruch und für Maßnahmen ein, die an den individuellen Bedürfnissen der Jugendlichen ansetzen und niederschwellig sind. Des Weiteren werden Programme für (neue) Zielgruppen, Maßnahmen zur Vernetzung und Koordinierung relevanter AkteurInnen und Angebote auf regionaler Ebene
sowie eine Weiterentwicklung der aktiven Arbeitsmarktpolitik vorgeschlagen. 13
Die Gestaltung von Übergängen
Die Biografie heranwachsender Menschen ist durch zahlreiche Übergänge geprägt (z. B. durch den Übergang vom Kindes- ins Jugendalter, den Wechsel von der Schule in eine Berufsausbildung, die Loslösung
von den Eltern), die häufig als kritische Lebensereignisse erlebt werden, da es sich um sensible und mit
hoher Unsicherheit behaftete Phasen handelt.
Im Übergang vom Bildungs- in das Beschäftigungssystem resultiert eine besondere Komplexität zum einen aus der Vielfalt an Zuständigkeiten (Schule, Eltern, AMS, Beratungseinrichtungen etc.) und zum anderen aus einer Kette an vorgelagerten Qualifizierungsschritten und Entscheidungen, die für das Gelingen
der beruflichen Integration maßgeblich sind.
In diesem Dickicht von Institutionen, Möglichkeiten und Begrenzungen gelingt es einem Teil der Jugendlichen nicht, passende, an ihren Voraussetzungen, Zielen und Lebenslagen anknüpfende Wege und Anschlüsse zu finden.
Hierbei soll Übergangsmanagement ansetzen und alle Maßnahmen und Projekte umfassen, die Jugendliche am Übergang von der Schule zum Beruf beziehungsweise von der Schule zur Berufsausbildung unter11 Bacher e.a. 2013: a.a.O., S. 104
12 BMAS (Hg.) 2014: Studie zur Unterstützung der arbeitsmarktpolitischen Zielgruppe „NEET“ ISW – IBE – JKU, S. 12ff.;
Quelle: http://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/0/0/9/CH2247/CMS1318326022365/bmask_neet-studie.pdf
13 BMAS 2014 (Hg): a.a.O., S. 22ff
HANDLUNGSFELD A: JUGENDLICHE AM ÜBERGANG SCHULE - BERUF
A1: Umfassende Berufs- und Bildungsorientierung zur Unterstützung tragfähiger Bildungs- und Berufsentscheidungen
stützen und begleiten sollen. Vor allem geht es darum, dauerhaft vernetzte Strukturen zu schaffen, die
eine passgenaue Beratung, Betreuung, Orientierung, Bildung, Qualifizierung und Arbeitsmarktintegration
von Jugendlichen sicherstellen. In Konsequenz folgt daraus, die Schnittstellen der einzelnen Teilsysteme
und Angebote so zu optimieren, dass ausgegrenzte Jugendliche in das System integriert werden und von
Ausgrenzung gefährdete Jugendliche gar nicht erst aus dem System fallen und somit allen Jugendlichen
der Übergang von der Schule in den Beruf gelingt. Dabei ist Übergangsmanagement vor allem für benachteiligte Jugendliche mit besonderem Unterstützungsbedarf erforderlich. Diese brauchen intensive Unterstützung bei der Orientierung im Bildungs- und Ausbildungssystem.
6.2.Strategische Ziele im Handlungsfeld
Übergangsmanagement im Handlungsfeld Jugendliche umfasst demnach drei strategische Ziele und Maßnahmenbereiche:
Umfassende Berufs- und Bildungsorientierung zur Unterstützung
tragfähiger Bildungs- und Berufsentscheidungen
Prävention von Schul- und Ausbildungsabbrüchen
Wiedereingliederung nach Schul- und Ausbildungsabbrüchen
Zur Unterstützung der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen im Bereich des Übergangs Schule Beruf wurde eine aus Mitteln des Sozialministeriumservice finanzierte Steuerungsgruppe Übergang
­Schule - Beruf eingerichtet.
Ziel der Steuerungsgruppe ist insbesondere die Abstimmung der Vorgangsweisen der beteiligten Organisationen im Bereich der Schnittstelle „Übergang Schule - Beruf“. Ein Schwerpunkt der Sitzungen ist daher dem
regelmäßigen, gegenseitigen Informationsaustausch über bestehende und neue Angebote gewidmet.
Die Mitglieder der Steuerungsgruppe werden von folgenden Organisationen entsendet: Sozialministeriumservice Landesstelle Kärnten, Land Kärnten Abteilung 4 und 6, AMS Kärnten, AK Kärnten, WK Kärnten,
Landesschulrat Kärnten, ÖGB Kärnten, Regionale Koordination Kärnten
6.3.
Umfassende Berufs- und Bildungsorientierung
zur Unterstützung tragfähiger Bildungs- und Berufsentscheidungen
6.3.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
Die wirksamsten Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildungsabbruch sind jene, die darauf
abzielen, diese für die Zukunft einer Gesellschaft bedrohlichen Phänomene gar nicht erst aufkommen zu
lassen. Aus diesem Grund kommt dem Ansatz einer möglichst frühzeitigen und noch vor dem Eintritt ins
Erwerbsalter einsetzenden Berufs- und Bildungsorientierung besondere Bedeutung zu.
Bildungs- und Berufswegentscheidungen sind wichtige Lebensentscheidungen. Sie sollen entsprechend
den individuellen Interessen, Begabungen und Talenten, unabhängig vom familiären, sozialen und regionalen Hintergrund und unabhängig vom Geschlecht getroffen werden.
Bildungs- und Berufsorientierung versteht sich als bildungswirksame Begleitung und Unterstützung von
27
28
HANDLUNGSFELD A: JUGENDLICHE AM ÜBERGANG SCHULE - BERUF
A1: Umfassende Berufs- und Bildungsorientierung zur Unterstützung tragfähiger Bildungs- und Berufsentscheidungen
Schülerinnen und Schülern in ihrem individuellen Orientierungs- und Entwicklungsprozess. Sie enthält
neben informierenden Aspekten zu den wesentlichen Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen der
­Arbeits- und Wirtschaftswelt zu einem wesentlichen Anteil auch solche der Persönlichkeitsbildung.
Dabei ist es zunächst die Aufgabe der Schule, dass Grundkompetenzen wie die Fähigkeit zur Selbstre­
flexion, zur Informationsrecherche und -bewertung sowie zur Entscheidungsfähigkeit anhand gut begleiteter erster Bildungs- und Berufsentscheidungsprozesse erworben und gefestigt werden. Eingebettet in
die allgemeine Grundbildung muss die Schule den Jugendlichen neben Einsichten in wesentliche Bedingungen und Probleme der Arbeits- und Wirtschaftswelt vor allem auch eine grundlegende Orientierung
über ­Berufs- und Ausbildungswege ermöglichen.
Ein wesentlicher Bestandteil einer effizienten Berufs- und Bildungsorientierung ist darüber hinaus eine verstärkte Zusammenarbeit der Schule mit außerschulischen ExpertInnen und die Nutzung außerschulischer Lernorte. Berufs- und Bildungsorientierung braucht Realbegegnungen durch angeleitete Erkundungen der Bildungs-,
Arbeits- und Berufswelt. Auch der Zusammenarbeit mit den Eltern muss ein besonderer Stellenwert eingeräumt
werden, da diese auf die Bildungs- und Berufsentscheidungen ihrer Kinder maßgeblichen Einfluss ausüben.
Im Zuge der Bildungsexpansion und der zunehmenden Ausdifferenzierung von Bildungsangeboten kam es
allgemein zu einer Verlängerung der (Aus-)Bildungsphase und damit auch zur Anforderung, passende
­bildungs- und berufsorientierende Maßnahmen auf verschiedenen Bildungsebenen zu entwickeln.
Dazu zählen unter anderen:
- die flächendeckende Vernetzung von Schulen mit der (regionalen) Arbeits-
und (Aus-)Bildungswelt
- eine Unterstützungsstruktur für Berufsorientierungs-Lehrkräfte an Schulen,
- eine Unterstützungsstruktur für Eltern der Jugendlichen in den 7. und 8. Schulstufen
mit dem Ziel, Eltern in den Prozess der Bildungs- und Berufsinformation ihrer Kinder
stärker zu involvieren
- die Vernetzung von Lehrpersonen, Unternehmen und Ausbildungsinstitutionen
mit dem Effekt der Erhöhung der Berufsinformationskompetenz der Lehrenden
- eine Kompetenz- und Fähigkeitsanalyse sowie die Erstellung von Portfolios durch
gezielte Testung und Abklärung mit beruflichen Anforderungsdimensionen durch
Schulpsychologie, Test- und Ausbildungs­zentrum (TAZ) sowie Kompetenzberatung
6.3.2. Maßnahmenbeispiele
zur Unterstützung des strategischen Zieles
6.3.2.1. Berufs- und Bildungsorientierung Kärnten am Übergang Schule - Beruf – Ausbildung
Seit 1. September 2009 bietet die Berufs- und Bildungsorientierung Kärnten ihre Dienstleistungen in Form
von Projekten den Berufsorientierungs-Lehrkräften der 7. und 8. Schulstufen und den Eltern der SchülerInnen an. Ziel ist es, dass Jugendliche eine überlegte Berufs- und Bildungswahlentscheidung treffen können,
um damit in weiterer Folge Schul- und Lehrabbrüche zu verhindern. Die Angebote der Berufs- und Bildungsorientierung können von den Schulen, den Eltern und auch den Unternehmen freiwillig und kostenfrei in Anspruch genommen werden.
Angestellt beim Verein zur Förderung der Kärntner Arbeitsstiftungen arbeiten die MitarbeiterInnen ­regional
an den Standorten Wolfsberg, Klagenfurt, Villach und Spittal.
HANDLUNGSFELD A: JUGENDLICHE AM ÜBERGANG SCHULE - BERUF
A1: Umfassende Berufs- und Bildungsorientierung zur Unterstützung tragfähiger Bildungs- und Berufsentscheidungen
Angebote der Berufs- und Bildungsorientierung Kärnten:
• Ausbau und Pflege von regionalen Netzwerken zur Wirtschaft, Kontakte zu Unternehmen
• Arbeiten im Netzwerk Schule, Eltern, Wirtschaft, AMS, Berufs- und Ausbildungswesen
• Zugänge zu realen Erfahrungen in der Arbeitswelt
• Entwicklung und Organisation von Veranstaltungen und Aktivitäten
• Informationsknotenpunkte zum Thema Ausbildungs- und Berufswahl
• Drehscheibe für die Vermittlung von Informationen
• Elternarbeit
Nutzen für die Schulen und die Jugendlichen:
• Die Berufsorientierungslehrenden konzentrieren sich auf den Berufsorientierungsprozess im
Unterricht und erhalten Unterstützung für die Kontaktnahme der SchülerInnen mit der Berufsund Ausbildungspraxis.
• Durch die Intensivierung der Kontakte zwischen Schulen und Unternehmen erfolgt eine Öffnung
der Schulen nach außen, womit auch viele Gelegenheiten zu aktiver Öffentlichkeitsarbeit und
Präsentation verknüpft sind.
• Bessere Selbstkenntnis und klarere Vorstellungen über die Arbeitswelt bewirken informierte
und im Selbstwert gestärkte Jugendliche.
• Jugendliche, die zunehmend selbst Regie in ihren Berufswahlprozessen übernehmen lernen.
• Die Berufsorientierung als solche erfährt durch die erwähnten Projekte eine Erweiterung und
Vertiefung.
6.3.2.2. Berufsorientierungswochen
Für die nähere Zukunft ist angedacht, dass die Berufs- und Bildungsorientierung Kärnten das im Sommer
2014 in Wolfsberg erfolgreich durchgeführte Pilotprojekt „Berufe Camp“ in ihr Projektprogramm fix aufnimmt und in weiterer Folge an allen Standorten anbietet.
Berufe Camps als einwöchige Intensiv-Berufsorientierung bieten den teilnehmenden Jugendlichen im Alter
zwischen 13 und 15 Jahren (7. und 8. Schulstufe) realistische Eindrücke über Anforderungen und Perspektiven der Arbeitswelt und geben Einblick in den Berufsalltag.
Hierbei dürfen Jugendliche Berufe unterschiedlicher Branchen in Betrieben vor Ort kennenlernen und auch
ausprobieren. Nachmittagsprogramme mit erlebnispädagogischen Elementen stärken die sozialen Kompetenzen und erhöhen die Motivation der Jugendlichen. Im Rahmen einer Abschlussveranstaltung am
Ende der Woche präsentieren die Jugendlichen ihre mit angeleiteten Reflexionen verknüpften Informationen und Erfahrungen den Eltern sowie den mitwirkenden UnternehmensvertreterInnen. Sie erhalten ein
Zertifikat über die geleistete Projektarbeit, welches einer zukünftigen Bewerbungsmappe zugefügt werden kann.
Das erwähnte Pilotprojekt Berufe Camp wurde als intensive Berufsorientierungswoche während der Sommerferien durchgeführt. Durch die Distanz zum Schulalltag konnten die Jugendlichen Berufsorientierung
ausgeruht, motiviert und somit auch neu erfahren. Für die Eltern bot diese Durchführungsform ein sinnvolles Ferienangebot für ihre Kinder.
Andererseits könnte eine Berufsorientierungs-Woche als Berufe Camp organisiert auch während der
Schulunterrichtszeit durchgeführt werden, wodurch das Angebot allen SchülerInnen zugute käme, deren
Schulleitungen sich dafür ent­scheiden.
29
30
HANDLUNGSFELD A: JUGENDLICHE AM ÜBERGANG SCHULE - BERUF
A2: Prävention von Schul- und Ausbildungsabbrüchen
6.4.
Prävention von Schul- und Ausbildungsabbrüchen
6.4.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
Österreich gehört zu den Ländern in Europa mit den niedrigsten Quoten im Bereich des Schul- und Ausbildungsabbruchs. Trotzdem besteht Handlungsbedarf, da die Erfahrungen zeigen, dass Länder, die nicht
aktiv an der Senkung der Abbruchsquoten arbeiten, zurückfallen.
Der Anteil junger Menschen zwischen 18 und 24 Jahren, der keine Sekundarstufe II oder eine Lehre abgeschlossen hat und sich auch in keiner weiteren Ausbildung befindet, beträgt in Österreich 7,3 Prozent
(2013) und liegt damit deutlich unter dem von der EU mit 10 Prozent vorgegebenen Ziel. Damit liegt Österreich im europäischen Vergleich grundsätzlich gut. Dennoch fallen jährlich cirka 7.500 Jugendliche aus
dem Bil­dungssystem heraus, ohne die für eine erfolgreiche Berufslaufbahn erforderliche Minimalqualifikation erworben zu haben.
„Die Auswirkungen von frühzeitigem Schul- und Ausbildungsabbruch sind vielfältig. Sie beginnen im persönlichen Bereich mit Veränderungen im Selbstwirksamkeitserleben und in der Bildungsmotivation, spannen sich über die Lebens- und Berufs(un)zufriedenheit etc. und reichen in ihrer ganzen Tragweite bis in die
Volkswirtschaft hinein.“ 14 Jugendliche ohne abgeschlossene Schul- beziehungsweise Berufsausbildung
gehören so zu den mit dem größten Arbeitsmarktrisiko behafteten Gruppen in der Bevölkerung.
„Die aktuellen Herausforderungen sind
1. die großen Unterschiede in der Abbruchsgefährdung zwischen verschiedenen
Bevölkerungsgruppen in Österreich und damit die Gefahr einer weiteren Segregation,
2. die massiv schlechteren Chancen von SchulabbrecherInnen auf dem Arbeitsmarkt,
3. die hohen Folgekosten, die durch später anfallende Sozialleistungen direkt und durch reduziertes Wirtschaftswachstum indirekt messbar sind und somit aktives Handeln erfordern.“ 15
Ansatzpunkte zur Vermeidung von Schul- und Ausbildungsabbrüchen
Insbesondere hinsichtlich der Problematik von Schulabbrüchen weisen empirische Untersuchungen auf
die Bedeutung der Präventionsarbeit innerhalb der Schule hin. Dabei ist es wichtig, „LehrerInnen geeignete Methoden und Werkzeuge in die Hand zu geben, um Jugendliche in Bezug auf ihr Selbstwertgefühl, ihre
Bildungsaspiration sowie ihre Lern- und Leistungsmotivation zu unterstützen. SchülerInnen, die Gefahr
laufen, das Schulsystem frühzeitig und demotiviert zu verlassen, müssen frühzeitig erkannt werden. Dazu
benötigen Lehrende noch mehr als bisher Hintergrundwissen und professionelles Know-how, wie mit Ausgrenzungs- und Abbruchsgefährdung sowie Schulmüdigkeit umgegangen werden kann. Schulabbruch
wird damit auch zu einem Thema für die Weiterentwicklung der pädagogischen, didaktischen, beratenden
als auch schulentwicklerischen Arbeit an den einzelnen Schulstandorten.“ 16
Die bisherigen bildungs- und sozialpolitischen Ansätze zur Unterstützung von Jugendlichen beim Übergang vom Bildungs- ins Erwerbssystem setzen auf eine gezieltere Förderung, eine verbesserte Berufsinformation und -beratung sowie auf effizientere psychosoziale Unterstützungssysteme.
14Linde Susanne, Linde-Leimer Klaus 2014: Stop Dropout! Ein Früherkennungssystem zur Unterstützung von ausbildungsabbruchgefährdeten Lehrlingen und SchülerInnen, in: Putz Sabine, Sturm René 2014: Jugendliche und junge Erwachsene im
Fokus von aktiver Arbeitsmarktpolitik und Berufsorientierung; AMS report 107/108 Wien, S. 151
15 Linde Susanne, Linde-Leimer, Klaus 2014: “…damit niemand rausfällt!“ Grundlagen, Methoden und Werkzeuge für Schulen zur
Verhinderung von frühzeitigem (Aus-)Bildungsabbruch; im Auftrag des Bundesministerium für Bildung und Frauen; 2. Aufl.
Wien, S. 21
16 Linde Susanne, Linde-Leimer, Klaus 2014: a.a.O., S. 12
HANDLUNGSFELD A: JUGENDLICHE AM ÜBERGANG SCHULE - BERUF
A2: Prävention von Schul- und Ausbildungsabbrüchen
Für eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Ergänzung der Angebote im Bereich der Prävention von
Schul- und Ausbildungsabbrüchen ist darüber hinaus auf folgende Anforderungen Bedacht zu nehmen:
• Stärker als bislang müssen Maßnahmen und Medien der Berufsorientierung und -beratung auch
Konfliktfelder in der betrieblichen Ausbildung zum Gegenstand haben. Besonders wichtig sind
dazu Berufspraktika und eine Verstärkung der Programme zur Ermöglichung von Realbegegnungen durch Betriebserkundungen, Praktika und Ähnliches, wie dies im Projekt Bildungs- und Berufsorientierung Kärnten bereits umgesetzt wird (siehe Abschnitt 6.3.).
• Besonderes Augenmerk ist auf die Vermittlung von Fertigkeiten zur lebenslangen Berufswahlkompetenz, zur Einschätzung eigener Entwicklungspotenziale und zum lebenslangen Lernen zu legen.
• Eine wesentliche Aufgabe stellt sich im Bereich der frühzeitigen Diagnose sozialer Benachteiligungen und A
­ bbruchsgefährdungen. Damit lässt sich nur in einem engen Netzwerk mit den Lehrern, den Eltern und ­gegebenenfalls Sozialbetreuern erfolgreich umgehen. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang auch die besondere Bedeutung der Berufsschule und des Fachlehrpersonals für
die Früherkennung von Ausbildungsabbrüchen.
• Eine wichtige Aufgabe stellt sich auch durch die Notwendigkeit der Bereitstellung niederschwelliger Angebote für Jugendliche mit spezifischen Problemkonstellationen. Aus dieser Perspektive
erscheint es geboten, den Übergang von den angebotsorientierten Formen der Berufsorientierung in Schulen zu nachfrageorientierten (aufsuchenden) Beratungs- und Unterstützungsangeboten zu verstärken. 17
6.4.2. Maßnahmenbeispiele
zur Unterstützung des strategischen Zieles
Parallel zu den Orientierungs- und Präventionsmaßnahmen innerhalb des Schulsystems wurden österreichweit und in Kärnten während der letzten Jahre Anstrengungen unternommen, um über ein gezieltes
Orientierungs- und Beratungsangebot Bildungsabbrüche zu verhindern.
6.4.2.1. Jugendcoaching
Um den Bildungsstand und die Arbeitsmarktchancen von Jugendlichen zu verbessern, ist es notwendig,
frühzeitige Ausbildungsabbrüche zu verhindern, wobei individuelle Problemlagen den Zugang zu höherer
Bildung und Qualifikation häufig erschweren. Um solchen negativen Folgen entgegenzuwirken, wurde
vom Sozialministerium im Rahmen der sogenannten „Ausbildungsgarantie“ ein bundesweit zur Verfügung
gestelltes „Jugendcoaching“ entwickelt.
Darin enthalten ist ein längerfristiges Unterstützungsangebot, das auf die jeweilige Lebenssituation und
die persönlichen Bedürfnisse und Ressourcen der Jugendlichen zugeschnitten ist. Durch die Minimierung
von Problemlagen soll eine Stabilisierung erreicht und die Voraussetzungen für den Verbleib beziehungsweise die Wiedereingliederung in das (Aus-)Bildungssystem geschaffen werden.
Das Instrument des „Jugendcoaching“ richtet sich an Jugendliche ab dem individuellen 9. Schulbesuchsjahr bis zum Alter von 19 Jahren. Jugendliche mit einer Behinderung oder sonderpädagogischem Förderbedarf können das Programm bis zum 25. Lebensjahr in Anspruch nehmen. Unterstützung erhalten Jugendliche,
die gefährdet sind, die Schule abzubrechen oder keinen Abschluss erlangen können. In Form eines
17Vgl.: Bernd-Joachim Ertelt 2010: Prävention von Ausbildungsabbrüchen durch Berufsberatung; Mit Unterstützung des
­Programms für Lebenslanges Lernen der Europäischen Union DE/10/LLP-LdV/TOI/147301/2010-1-DE2-LEO05-05; S.5ff Quelle:
http://www.praelab hdba.eu/fileadmin/redaktion/Materialien/pvadb.pdf
31
32
HANDLUNGSFELD A: JUGENDLICHE AM ÜBERGANG SCHULE - BERUF
A2: Prävention von Schul- und Ausbildungsabbrüchen
­„Case-Managements“ findet eine Vernetzung von Familie, Schule und allen weiteren relevanten Organisationen und Personen statt. Auf Basis der erhobenen Stärken und Schwächen des/der betroffenen Jugendlichen wird ein Entwicklungsplan erstellt. Ein Abschlussbericht enthält konkrete Fördermaßnahmen,
­Qualifizierungsschritte sowie mittel- und langfristige Ziele.
Bereits vorliegende Evaluationen weisen darauf hin, dass die beabsichtigten Wirkungen erzielt werden
können: „Eine erste Evaluation durch das Institut für Höhere Studien (IHS) zeigte, dass die Zielgruppe gut
erreicht wurde und die Erfolgsquote bei 85 Prozent lag. In einzelnen Bereichen konnte eine signifikante
Verbesserung erreicht werden.“ 18
Ergänzend zu den von Bund und Land getragenen Initiativen gibt es noch mehrere sehr erfolgreiche Initiativen auf regionaler und kommunaler Ebene. Als eines der vielen Beispiele wird auf die Entwicklung der
„CARITAS-Lerncafes“ hingewiesen.
6.4.2.2. Coaching und Beratung für Lehrlinge und Lehrbetriebe 19
Ab Herbst 2015 ist das Lehrlings- und Lehrbetriebscoaching – ein neues Service, welches vom Wirtschaftsministerium und Sozialministerium initiiert wurde – österreichweit umgesetzt. Dieses Programm ergänzt
die bestehenden qualitätsbezogenen Förderinstrumente der betrieblichen Lehrstellenförderung (z. B. Ausbildungsverbünde, Weiterbildungen für Lehrlinge und Ausbilder, Kurse für lernschwache Lehrlinge, Vorbereitungskurse auf die Lehrabschlussprüfung).
Durch Beratung und ein spezielles Coaching wird den Lehrbetrieben und Lehrlingen ein umfassendes
­Angebot zur Verfügung gestellt. Dieses beinhaltet unter anderem:
• individuelle Beratung und Unterstützung zur Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen
• Verbesserung der konkreten Ausbildungssituation von Lehrlingen
• Absicherung des Ausbildungserfolges durch professionelle Coaches
Ziel der Maßnahme ist die Verhinderung von Lehrabbrüchen, die Steigerung der Qualität in der Lehrlingsausbildung und die Erhöhung der Chancen für eine erfolgreiche Berufsausbildung.
18 Steiner Mario, Pessl Gabriele u.a. 2013: Evaluierung „Jugendcoaching“, Studie im Auftrag des BMASK, Wien; zit. In: Kerler
Monira 2014: Jugendliche und junge Erwachsene im Übergang von der Ausbildung zum Beruf – Ausgangslage und Rahmen­
bedingungen in Österreich, in: Putz Sabine, Sturm René (Hg.) Jugendliche und junge Erwachsene im Fokus von aktiver Arbeitsmarktpolitik und Berufsorientierung, AMS report 107/108, Wien, S. 138
19 Vgl: https://www.wko.at/Content.Node/Service/Bildung-und-Lehre/Foerderungen/Foerderungen-Lehre/Lehrlingscoaching.html
HANDLUNGSFELD A: JUGENDLICHE AM ÜBERGANG SCHULE - BERUF
A3: Wiedereingliederung nach Schul- und Ausbildungsabbrüchen
6.5.
Wiedereingliederung nach Schul- und Ausbildungsabbrüchen
6.5.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
Neben den bereits im vorigen Kapitel geschilderten Ansätzen zur Prävention und frühzeitigen Intervention
gegen Schul- und Ausbildungsabbruch geht es hier um die Herausforderung und um entsprechende Maßnahmen zur Re-Integration von sogenannten NEET, also von Jugendlichen, die bereits aus dem Bildungsund Arbeitssystem ausgeschieden sind.
Für die Entwicklung von geeigneten Maßnahmen zur Senkung der Anzahl der NEET-Jugendlichen in ­Kärnten
sind zunächst Antworten auf folgende Fragestellungen zu finden:
• Wie sind die verschiedenen Untergruppen innerhalb der NEET-Jugendlichen zu erreichen?
• Wie müssen Angebote zur Heranführung der jungen Menschen an das Bildungssystem beziehungsweise an den Arbeitsmarkt ausgestaltet sein, um von diesen angenommen zu werden?
• Wie können innovative Instrumente bzw. Maßnahmen konzipiert werden, um junge, desorientierte Menschen anzusprechen und zu einer (Re-)Integration beizutragen? 20
Erfolgsfaktoren
Als allgemeine Erfolgsfaktoren gelten laut mehreren Studien niederschwellige, flexible, flächendeckende
und bedürfnisgerechte Maßnahmen:
„Die Angebote sind am wirksamsten, wenn sie auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt sind und die
Heterogenität der NEET-Jugendlichen berücksichtigen. Um jene Jugendlichen zu erreichen, die sich schon
länger in einer NEET-Situation befinden, sind insbesondere drei Faktoren für einen Erfolg relevant:
1. Die Angebote müssen differenziert ansetzen und der Lebenswelt beziehungsweise den Lebenslagen der/des Jugendlichen entsprechen.
2. Sie müssen engmaschig gestaltet sein, eine Kombination aus verschiedenen Teilen zur Deckung
komplexer Bedarfslagen enthalten und über Case-Management koordiniert sein.
3. Sie sollen Jugendliche in den Mittelpunkt stellen, sie mit ihren Meinungen und Bedürfnissen
ernst nehmen, ihnen auf Augenhöhe begegnen und möglichst partizipativ gestaltet sein (Bestärkung, Befähigung, Selbstbestimmung).“ 21
Ansatzpunkte zur Förderung der Wiedereingliederung von „NEET“
Eine wesentliche Voraussetzung zur schrittweisen (Re-)Integration von Jugendlichen, die bereits aus jeglichem Ausbildungs- beziehungsweise Beschäftigungszusammenhang ausgeschieden sind, ist deren Stabilisierung durch in sozialpädagogische Maßnahmen eingebettete „Inklusionsketten“. Wichtig dabei ist es
aber, dass die Jugendlichen nachhaltig eine Ansprechperson als Betreuer und Coach haben.
Maßnahmen für diese Zielgruppe sollen bestmöglich über entsprechende Netzwerkpartner verfügen, da
Personen dieser Zielgruppe nicht als arbeitsuchend gemeldet sind und weder in einer aktuellen Schüler-,
Lehrausbildungs- noch in einer AMS Datenbank erfasst sind.
Diese Angebote verknüpfen unterschiedliche Interventionen der Beratung, Betreuung, Qualifizierung und
Beschäftigung innerhalb eines „Case-Management-Ansatzes“. Damit soll sichergestellt werden, dass die
jeweiligen Unterstützungsangebote bedarfsgerecht zum erforderlichen Zeitpunkt verfügbar sind, wobei
20Vgl.: BMAS 2014 (Hg): a.a.O., S. 447ff
21 Bacher e.a. 2013: a.a.O., S. 121
33
34
HANDLUNGSFELD A: JUGENDLICHE AM ÜBERGANG SCHULE - BERUF
A3: Wiedereingliederung nach Schul- und Ausbildungsabbrüchen
auch bislang wenig erprobte Angebote eingesetzt werden, wie etwa stundenweise Beschäftigung. 22
Die bereits im vorigen Abschnitt erwähnten Maßnahmen im Bereich des Jugendcoaching verfolgen neben
ihrer präventiven Ausrichtung insbesondere auch das Ziel, bereits von Schul- oder Ausbildungsabbruch
betroffene Jugendliche bei der Rückkehr in einen Systemkontext zu unterstützen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ein Gelingen der Rückkehr ist die Ausdehnung der sozialpädagogischen Betreuung auf das Gesamtsystem Schule und Ausbildung.
Nur wenn LehrerInnen und Schul- beziehungsweise AusbildungskollegInnen eine „Willkommenskultur“
schaffen, werden NEET ihre Verunsicherung, das Schamgefühl und die Selbstzweifel, die der frühere Schulbzw. Ausbildungsabbruch bewirkt hat, überwinden können. Zur Sicherung der Stabilisierung des Wiedereinstiegs der NEET muss diese kontextbezogene sozialpädagogische Arbeit in einem angemessenen Zeitraum nach der Rückkehr fortgeführt werden.
Daneben bedarf es eines Ausbaus der Angebote im Bereich sozialpädagogischer Betreuung und Stabilisierung und darauf aufbauend von zielgruppenadäquaten Angeboten, um versäumte (Aus-) Bildungsabschlüsse nachholen zu können.
6.5.2. Maßnahmenbeispiele
zur Unterstützung des strategischen Zieles
6.5.2.1. Produktionsschulen
In den letzten Jahren hat sich bei der Analyse der bestehenden Angebote zur Unterstützung von Jugend­lichen
mit komplexen Vermittlungshindernissen gezeigt, dass ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Jugendlichen
trotz dieser Angebote nicht nachhaltig erreicht werden kann. Diese Jugendlichen benötigen neben dem bereits bewährten Angebot eine sehr individuelle Unterstützung je nach ihren persönlichen Voraussetzungen
und Fähigkeiten. Daher wurde ergänzend zu den Angeboten der integrativen Berufsausbildung ein niederschwelliges Qualifizierungsangebot in Form von Produktionsschulen entwickelt, um den Zugang zu einer
­Lehre beziehungsweise die Chancen auf einen positiven Abschluss der Lehrabschlussprüfung zu erhöhen.
Diese Form der Produktionsschulen werden österreichweit im Auftrag des Sozialministeriums vom Sozialministeriumservice umgesetzt, wobei die bisher vom AMS geförderten Produktionsschulen mit den Produktionsschulen des Sozialministeriumservice zukünftig in ein gemeinsames Förderinstrument zusammengefasst werden.
Die Produktionsschule des Sozialministeriumservice ist ein Angebot für ausgrenzungsgefährdete Jugend­
liche am Übergang von der Pflichtschule in eine weiterführende (Berufs-)Ausbildung oder in den Arbeitsmarkt. Kernzielgruppe sind Jugendliche, denen Basisqualifikationen sowie Fähigkeiten und Kompetenzen
fehlen, die für eine Anschlussfähigkeit an die Berufsschule und die Arbeitswelt unerlässlich sind. Im ­Rahmen
dieses Angebotes wird darüber hinaus versucht, Defizite der Jugendlichen im Bereich sozialer Kompetenzen
sowie basaler Kulturtechniken auszugleichen. Durch gezielte Unterstützungsleistungen ­sollen Jugendliche je
nach individuellem Entwicklungsbedarf bestmöglich gefördert und unterstützt ­werden.
Das Konzept der Produktionsschulen beinhaltet eine Kombination aus praxisorientierten Aufgaben mit
kognitiven Lernleistungen, die durch Module im Bereich soziales Lernen in der Gruppe und Sport ergänzt
werden. Neben dem praktischen Unterricht in Werkstätten direkt beim Bildungsträger werden auch
­Praktika in Betrieben, Berufsorientierungskurse und Bewerbungstrainings angeboten. Zusätzlich werden
22vgl. ESF operationelles Programm; Quelle: http://www.esf.at/esf/wp-content/uploads/ESF-OP_Version_4-3_18062014.pdf
HANDLUNGSFELD A: JUGENDLICHE AM ÜBERGANG SCHULE - BERUF
A3: Wiedereingliederung nach Schul- und Ausbildungsabbrüchen
die TeilnehmerInnen in Deutsch, Mathematik, EDV und Allgemeinwissen unterrichtet. Im Zentrum der
­Produktionsschulen steht die individuelle Planung und Begleitung des Entwicklungsprozesses der Jugendlichen durch Coaching.
Im Projekt enthalten ist auch eine sozialpädagogische Unterstützung mit der Aufgabe, neben der psychologischen Begleitung und dem persönlichen Problemfeldmanagement der Jugendlichen die Überleitung in
den Arbeitsmarkt oder die Rückführung in die schulische Ausbildung sicher zu stellen.
Die Besonderheit der Produktionsschulen liegt im pädagogischen Ansatz, der freies Lernen durch praktisches Tun und Handeln ermöglichen soll. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen erwerben beruflich
verwertbare Qualifikationen sowie personelle und soziale Kompetenzen mit dem Ziel der beruflichen und
sozialen Integration. In einer Produktionsschule werden Produkte und Dienstleistungen angeboten, die
am realen Markt nachgefragt werden. Durch die Bearbeitung der Aufträge wachsen die Motivation und das
Verständnis der TeilnehmerInnen, sich mit den arbeitsbezogenen Prozessen und Inhalten unmittelbar
­auseinanderzusetzen. Diese Erfahrungen wirken sich positiv auf das Selbstwertgefühl aus. Negative
­Erfahrungen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mit dem Abbruch der beruflichen Erstausbildung beziehungsweise mit dem Schulabbruch und mit der nicht geglückten Integration am Arbeitsmarkt
zusammenhängen, können so effizienter bearbeitet und transformiert werden.
6.5.2.2. Überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA)
Ziel der überbetrieblichen Lehrausbildung war und ist es, Jugendlichen, die nach Beendigung ihrer Schulpflicht oder nach einem Ausbildungsabbruch keine geeignete betriebliche Lehrstelle finden, Ausbildungsplätze in überbetrieblicher Form zur Verfügung zu stellen.
Das System der überbetrieblichen Lehrausbildung ist Teil der Ausbildungsgarantie des Bundes (seit 2008)
und wird als ebenbürtiger und regulärer Bestandteil des dualen Berufsausbildungssystems anerkannt.
Im Zentrum dieser Ausbildung stehen Jugendliche, die mittels vorangehenden Berufsorientierungsmodulen mit begleitenden Unterstützungsangeboten und Informationen über die jeweiligen Lehrberufe auf
­einen betrieblichen Ausbildungsplatz vermittelt werden sollen. Ist dies aus irgendwelchen Gründen nicht
möglich, kann die gesamte Lehrzeit und damit zusammenhängend auch die Lehrabschlussprüfung innerhalb der ÜBA absolviert werden.
Projekte mit einem sehr niederschwelligen Angebot sind die Basis für den Eintritt in die ÜBA, um auch
bisher vom Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personengruppen die Möglichkeit eines formalen (Teil-)Abschlusses zu ermöglichen.
6.5.2.3. Nachholen eines Lehrabschlusses
Nicht selten kommt die Einsicht, dass die Entscheidung für einen Schul- oder Ausbildungsabbruch nicht
die richtige war, erst nach einiger Zeit. Für den Fall, dass ein/e Jugendliche/r die Lehre ohne Ablegung der
Lehrabschlussprüfung beendet hat, gibt es die Möglichkeit, dies nachzuholen.
Für die Zulassung zu dieser Prüfung gibt es mehrere Varianten:
1. Wenn mindestens die Hälfte der Lehrzeit absolviert wurde, das Lehrverhältnis aufgelöst wurde
und etwa in Folge eines Konkurses keine Möglichkeit besteht, die Lehre abzuschließen.
2. Auch wenn keine Lehre gemacht wurde, kann nach Vollendung des 18. Lebensjahres eine Lehrabschlussprüfung unter der Voraussetzung abgelegt werden, dass der/die Betreffende nachweisen kann, dass im Laufe einer mindestens zweijährigen beruflich einschlägigen Tätigkeit alle
dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben wurden.
35
36
HANDLUNGSFELD A: JUGENDLICHE AM ÜBERGANG SCHULE - BERUF
A3: Wiedereingliederung nach Schul- und Ausbildungsabbrüchen
In manchen Lehrberufen gibt es eigene prüfungsvorbereitende Lehrgänge mit zumeist sehr unterschied­
licher Dauer. Diese werden von verschiedenen Bildungsträgern angeboten und sind kostenpflichtig, wobei
dafür auch Bildungsförderung des Landes Kärnten in Anspruch genommen werden kann.
Projekte, die die Vorbereitung zur außerordentlichen Lehrabschlussprüfung als zentrales Element aufweisen, sind wichtig, um den Jugendlichen den Eintritt in den 1. Arbeitsmarkt mit einem formalen Abschluss
zu ermöglichen.
Die Lehrabschlussprüfung selbst wird vor einer Kommission abgelegt. Sie unterscheidet sich in den
­Berechtigungen nicht von anderen Lehrabschlussprüfungen.
Die ausnahmsweise Zulassung zur Lehrabschlussprüfung muss bei der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer beantragt werden. Die Zulassung erfolgt mittels Bescheid. 23
6.5.2.4. Betreuung und Stabilisierung von „NEET“ und „Early School Leavers“
im Rahmen sogenannter „Taschengeldprojekte“
Unter Taschengeld-
24
oder TagelöhnerInnenprojekte 25, wie sie auch genannt werden, versteht man
­Arbeitsprojekte mit einem niederschwelligen Zugang zu Jugendlichen, um sie langsam an Tagesstrukturen
zu gewöhnen und ihnen einen betreuten Zugang zu öffentlichen Systemen und Organisationen zu bieten.
Im Folgenden werden die Projekte aus versicherungstechnischen Gründen sowie im Hinblick auf die Gewährung oder den Wegfall von Ansprüchen auf Unterstützungsleistungen (z.B. Arbeitslosenbezug oder
Mindestsicherung) als „arbeitstherapeutische Taschengeldprojekte“ bezeichnet.
Entscheidend für „Taschengeldprojekte“ sind der niederschwellige Zugang, die freiwillige und eigenverantwortliche Teilnahme an den Projekten, sinnstiftende Arbeitsinhalte und die sofort erfolgende, stundenweise Bezahlung der geleisteten Arbeitszeit. Die Projekte ermöglichen ein „Herantasten“ an Strukturen
und Arbeitstugenden, wie etwa Verlässlichkeit und Pünktlichkeit. Sie fördern den Arbeitswillen und die
Motivation der Jugendlichen und schaffen vor allem Bewusstsein für den „Wert“ von Arbeit und die Bedeutung einer möglichen Ausbildung. Neben dem Kennenlernen und der schrittweisen Erfüllung der Anforderungen der Arbeitswelt steht die Bewältigung von zumeist gegebenen und häufig multiplen Problemsituationen im Vordergrund. Die Bearbeitung und im besten Fall Lösung von Problemsituationen erfolgen
während der Taschengeldprojekte mit Unterstützung einer begleitenden und individuellen sozialpädagogischen Betreuung. Wenn es erforderlich ist, vermittelt diese an entsprechende Einrichtungen weiter.
Somit ist auch ein funktionierendes Netzwerk rund um die Taschengeldprojekte sehr wichtig, wie beispielsweise Kooperation und Abstimmung mit dem AMS, mit der Kinder- und Jugendhilfe, mit Jugendcoaching, Sozialministeriumservice, Gericht und Polizei und vieles mehr.
Bestehende „Taschengeldprojekte“ in Österreich, wie zum Beispiel „Job Ahoi“ 26 in Dornbirn, „tag.werk“ 27
in Graz, werden laut Erfahrungs-, Medienberichten und Auszeichnungen 28 sehr positiv bewertet und als
ausbaufähig beschrieben. Ähnliche Projekte könn(t)en auch in Kärnten passende Unterstützungsangebote für Jugendliche und insbesondere für NEET sein.
23Vgl. Webseite der ak-young: http://www.akyoung.at/artikel-2do-weiterbildung/schliess-ab.html
24Definition Taschengeld „kleinerer Geldbetrag, der jemandem, der selbst kein eigenes Geld hat […] regelmäßig gegeben wird“
(http://www.duden.de/rechtschreibung/Taschengeld [11.03.2015]).
25Definition Tagelohn: „(besonders in der Land- und Forstwirtschaft) nach Arbeitstagen berechneter [und täglich ausbezahlter]
Lohn“ (http://www.duden.de/rechtschreibung/Tagelohn [11.03.205]).
26Siehe auch http://www.ojad.at/angebot/jobahoi/ [11.03.2015].
27Siehe auch http://www.tagwerk.at/tagwerk/ [11.03.2015].
28Siehe auch http://www.heidenspass.cc/ [11.03.2015]. Graz: 1. Platz Deichmann Förderpreis 2007,
3. Platz ESF Innovations Award 2011)
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
A3: Wiedereingliederung nach Schul- und Ausbildungsabbrüchen
Ein Beispiel für die stundenweise Arbeit und Auszahlung eines „therapeutischen Taschengeldes“ in
­Kärnten sind die ­Arbeitsprojekte der „Streetwork Klagenfurt“ des Magistrats der Stadt Klagenfurt. Das
gemeinsame Merkmal der ­insgesamt heterogenen Zielgruppe dieser Arbeitsprojekte ist, dass diese
­Jugendlichen höherschwellige Einrichtungen nicht nutzen wollen oder können. Das betrifft SchulabbrecherInnen und SchulschwänzerInnen genauso wie arbeitslose, gewaltbereite, obdachlose, vorbestrafte, suchtkranke Jugendliche oder Jugendliche mit Gesellschaftskonflikten, Konflikten mit Eltern und Ähnliches. Die
Projekte sehen sich dem Ansatz einer aufsuchenden, nachgehenden, niederschwelligen und ressourcenschonenden Sozialarbeit verpflichtet und dauern durchschnittlich vier bis sechs Wochen.
Ziele sind:
• eine verbesserte Integration beziehungsweise Akzeptanz der Jugendlichen in der Gesellschaft
• die Stabilisierung in einem sozialen Netzwerk
• die Nutzung der individuellen Ressourcen durch Förderung der individuellen Fähigkeiten sowie
• die Verbesserung der finanziellen Situation und dadurch auch die Verminderung der Begleit­
kriminalität 29
Der nächste Schritt kann ein möglicher Eintritt in eine Aus- beziehungsweise Weiterbildung sein.
­Arbeitsprojekte der Streetwork Klagenfurt der letzten Jahre waren und sind unter anderen:
• HydrantArt: SprayerInnen kontrollieren und gestalten Hydranten in Zusammenarbeit mit den
Stadtwerken ­Klagenfurt, Wasserwerke
• Powerbuff: Entfernen von Graffitis in Zusammenarbeit mit dem Hochbauamt
• Anfertigung von Planentaschen
• Holy Banx: Renovierung von Kirchenbänken in Zusammenarbeit mit dem Amt für Denkmalschutz
Laut Streetwork Klagenfurt kommt es pro Jahr durchschnittlich zu 800 Einmal- oder Mehrfach-Kontakten
mit jungen M
­ enschen. Bei Aufstockung der finanziellen und personellen Ressourcen könnten weitere
­Projekte durchgeführt und die Betreuung der Jugendlichen ausgebaut werden. 30
29vgl. Streetwork Klagenfurt o.J.: 1 - 6
30Vgl. Streetwork Klagenfurt o.J.: 1 - 6
37
38
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
Herausforderungen
7.Handlungsfeld
Beschäftigung und Qualifizierung
von Arbeitsuchenden
7.1.Herausforderungen
Die Situation auf dem Arbeitsmarkt
Wie bereits in der Einleitung erwähnt wurde, hat sich im vergangenen Jahr die Lage am österreichischen
und insbesondere auch am Kärntner Arbeitsmarkt trotz einer noch zu Beginn des Jahres 2014 prognostizierten leichten Entspannung weiter verschärft.
„Im Jahresdurchschnitt 2014 wurde österreichweit mit einer Arbeitslosenquote von 8,4 Prozent ein Höhepunkt der Arbeitslosigkeit erreicht, der auch im laufenden Jahr auf diesem Niveau verbleiben wird; von
einer Trendumkehr kann frühestens im Verlauf des Jahres 2016 ausgegangen werden.“ 31
In Kärnten waren im Jahr 2014 im Durchschnitt 24.666 Personen als arbeitslos beim AMS gemeldet. Die
(noch vorläufige) Arbeitslosenquote betrug damit 10,8 %, was dem (nach Wien mit 11,6 %) zweithöchsten
Wert unter den österreichischen Bundesländern entspricht. 32 Die monatlich veröffentlichte Arbeitslosenstatistik des AMS weist für den Jänner 2015 in Kärnten sogar eine österreichweit höchste Arbeitslosen­
quote mit 14,5 Prozent aus, während diese im gesamten Bundesgebiet 10,5 Prozent beträgt. 33
Ältere Personen am Arbeitsmarkt
Vor allem bei den Älteren zeigen sich die Auswirkung des demografischen Wandels und das Ende der früher üblichen Frühpensionierungswellen deutlich. So waren einerseits noch nie so viele Menschen über 50
beschäftigt wie heute, andererseits waren aber auch noch nie so viele Ältere erfolglos auf Jobsuche (Abb.5).
Mehr als ein Viertel der Arbeitslosen in Kärnten (9.000 Personen) ist mittlerweile über 50 Jahre alt. Das
Alter allein ist aber nicht das Hauptproblem. Auch in der Generation der über 50-Jährigen ist vor allem die
Qualifikation ausschlaggebend dafür, ob die Menschen wieder in B
­ eschäftigung kommen oder nicht.
Um ältere Personen länger erfolgreich am Arbeitsleben zu halten müssen im Rahmen der LLL-Strategie
Maßnahmen für diese Zielgruppe entwickelt und umgesetzt werden, damit die Qualifikation dieser Personen den aktuellen Technischen Entwicklungen angepasst wird. Neben der notwendigen Bewusstseins­
bildung ist die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen für ältere ArbeitnehmerInnen zur raschen
Reintegration notwendig.
31 Robert Klinglmair 2014: Konjunkturreport; 14. Jg., Ausgabe 4, Dez. 2014; Institut für Höhere Studien Kärnten, Klagenfurt, S. 2
32 Vgl. Wibis Daten; Quelle: www.kwf.at
33 Vgl. Arbeitsmarktservice Kärnten 2015: Monatsbericht Jänner 2015, Klagenfurt;
Internet http://www.ams.at/_docs/mb_2015_01.pdf
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
Herausforderungen
Abb.5: Bestand an Arbeitslosen, Kärnten 1997 - 2014; nach Altersgrupen in absoluten Zahlen
Quelle: AMS Kärnten, Darstellung IFA Unternehmensberatung
Langzeitarbeitslosigkeit
Aufgrund der zentralen Bedeutung von Erwerbsarbeit in modernen Gesellschaften geht länger andauernde Arbeitslosigkeit mit zunehmenden Belastungen für die davon betroffenen Menschen einher. Bereits in
den 1930er-Jahren wurden die psychologischen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit untersucht, die bei
Langzeitarbeitslosen zur sogenannten „fatalistischen Anpassung“ führen. Kommt es in der Folge zur
­Überzeugung, keine Kontrolle mehr über die eigene Situation zu haben, dann erzeugt dies Resignation,
Passivität und Depression. 34
Je länger Arbeitslosigkeit andauert, desto höher wird das Risiko einer körperlichen und/oder psychischen
Erkrankung. Zudem neigen etwa zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen zu sozialer Isolation, beispielsweise
in Form einer Vermeidung von beruflichen und sozialen Kontakten. Häufig kommt es zu sogenannten
­„Multiproblemlagen“ im Sinne mehrfacher Belastungen, wie zum Beispiel Schulden- und Wohnungs­
problematiken. Empirisch belegt ist außerdem, dass arbeitslose Personen eher zu gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen neigen. Daraus resultiert in vielen Fällen eine sich selbst verstärkende Wechsel­
wirkung: Je länger die Dauer der Arbeitslosigkeit ist, desto eher treten die genannten Probleme auf; je
stärker die genannten Probleme aber auftreten, desto länger ist die zu vermutende Dauer der Arbeitslosigkeit. Dadurch kann es zu einer andauernden Verfestigung der Erwerbslosigkeit kommen. 35
In Österreich waren im Jahr 2013 177.995 Personen länger als 180 Tage arbeitslos, das sind rund 20 Prozent
aller von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Anstieg um
10 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, langzeitarbeitslos zu werden, steigt mit dem Alter aufgrund eingeschränkter Wiederbeschäftigungschancen stark an.
34 Vgl. Jahoda Marie, Lazarsfeld Paul Felix, Zeisel Hans 1933: Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über
die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit. Hirzel, Leipzig.
35Vgl.: Steiner Karin, Liebeswar Claudia 2014: Innovative Beratungsansätze für Langzeitarbeitslose; in: AMS Info 285, Arbeitsmarktservice Österreich (Hg.), Wien. S. 1f.
39
40
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
Herausforderungen
„Bei den Jugendlichen unter 25 Jahren lag der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Betroffenen bei
3,3 Prozent, im Haupterwerbsalter (25 bis 44 Jahre) stieg der Anteil auf über 20 Prozent und bei den über
45-Jährigen lag der Anteil bei knapp 30 Prozent. Personen mit ausschließlich Pflichtschulausbildung aber
auch AkademikerInnen sind in höherem Ausmaß von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen als Personen mit
einer Lehrausbildung, wobei in allen Bildungsniveaus ein Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit zu b
­ emerken
war.“ 36
Für Kärnten weist die Statistik des Arbeitsmarktservice im Jahr 2014 bei den über ein Jahr arbeitslosen
Personen einen Anteil von 7 Prozent an allen arbeitslos gemeldeten Personen aus, wonach Kärnten nach
Niederösterreich (10,1 %) an zweiter Stelle und deutlich über dem Bundesschnitt mit 3,9 Prozent liegt. 37
Saisonale Arbeitslosigkeit
Kärnten ist das Bundesland mit der höchsten Volatilität am Arbeitsmarkt. Während in den Sommermonaten die Arbeitslosenquote meist unter dem österreichischen Durchschnitt liegt, ist diese speziell in den
Monaten Dezember bis April überdurchschnittlich hoch. Dies ist aufgrund des hohen Anteils der Dienstnehmer in den Bereichen Bau/Baunebengewerbe und Tourismus/Gastronomie zurückzuführen. Standardmaßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik haben hier bisher keine optimale Wirkung gezeigt – dies
­zuletzt auch aufgrund von Einstellungszusagen und eines „Gewöhnungseffektes“ der Betroffenen. Aufgrund der damit verbundenen hohen volkswirtschaftlichen Kosten und der Gefahr, dass die Betroffenen
als „Working Poor“ armutsgefährdet sind gilt es für diese Personengruppe innovative und zielgruppen­
angepasste Maßnahmen und Projekte zu entwickeln. Da dieses Problem strukturell bedingt ist, bedarf es
­speziell in diesem Bereich einer gemeinsamen Entwicklung und Umsetzung mit allen beteiligten Institu­
tionen.
Strategien gegen Arbeitslosigkeit
Ein wesentlicher Ausgangspunkt für Interventionen im Handlungsfeld Arbeitsuchende ist die empirisch
vielfach belegte Aussage, wonach formal gering qualifizierte Personen am Arbeitsmarkt über vergleichsweise sehr schlechte Chancen verfügen. Als formal gering Qualifizierte gelten Personen, die keinen über
die Pflichtschule hinausgehenden Schul- oder Lehrabschluss haben. Sie sind um ein Vielfaches häufiger
arbeitslos als Personen mit Lehrabschluss beziehungsweise mit mittleren oder höheren Schulabschlüssen. So hatte Ende Jänner 2015 knapp die Hälfte (46,2 %) aller beim AMS in Österreich vorgemerkten Arbeitsuchenden maximal einen Pflichtschulabschluss vorzuweisen, während der Anteil dieser Gruppierung
innerhalb der Gesamtbevölkerung laut Mikrozensus Erhebung aus dem Jahr 2011 lediglich 22 Prozent betrug. Im Zuge der in den letzten Jahren stetig gestiegenen Arbeitsanforderungen hat sich die Arbeitsmarktlage der gering Qualifizierten zusätzlich verschlechtert.
Im Wirtschaftsbericht des Landes Kärnten 2013 des Instituts für Höhere Studien (IHS) werden ausgehend
von den sich aus demografischen Veränderungen ergebenden Anforderungen zentrale Ansatzpunkte für
die Beschäftigung und Qualifizierung im Handlungsfeld Arbeitsuchende benannt:
„In Anbetracht des sich vollziehenden demographischen Wandels in Kärnten muss es gelingen, Talente in
der Region unabhängig von der sozialen und kulturellen Herkunft möglichst vollständig zu nutzen.“ 38
36AMS Österreich (Hg.) 2014: Arbeitsmarktlage 2013; Verfasserinnen: Grieger Nadine, Csarmann Judith, Wien, S. 24
37 Quelle: http://www.ams.at/ueber-ams/medien/arbeitsmarktdaten/berichte-auswertungen
38IHS 2014: a.a.O., S.22
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
Strategische Ziele im Handlungsfeld B
• Ein wesentlicher Faktor dabei ist angesichts des weiteren Strukturwandels zu höheren technologischen Aktivitäten mit entsprechenden Anforderungen an die Menschen, den Anteil von gering
qualifizierten beziehungsweise bildungsbenachteiligten Personen zu reduzieren.
• Des Weiteren sind weitergehende Maßnahmen zu erarbeiten, um die bereits „abseits stehenden“
Geringqualifizierten durch Weiterbildungsangebote zu erreichen und deren Höher- bzw. ReQualifizierung anzuregen.
• Auch dem System der Lehrlingsausbildung stehen beträchtliche Herausforderungen durch den
demografischen Wandel bevor. Ein möglicher Ansatzpunkt muss dabei sein, die vertikale Durchlässigkeit des Bildungssystems (beispielsweise Lehre mit Matura) zu erhöhen, die Lehrlings­
ausbildung zu fördern und das Image der Lehrlinge aufzuwerten sowie zur Verbesserung der
Bildungschancen benachteiligter Gruppen beizutragen.
• Darüber hinaus sind auch verstärkte Bemühungen zur besseren Integration von Jugendlichen mit
nicht deutscher Muttersprache zu berücksichtigen. Die hohe Wahrscheinlichkeit von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, bildungsbenachteiligt zu werden, und deren geringe Präsenz
im Lehrlingssystem müssen Anlass für neue Initiativen sein. 39
In dieser Auflistung von Handlungsansätzen aktiver Arbeitsmarktpolitik widerspiegelt sich auch eine in
den letzten Jahren in den hochentwickelten Ländern verstärkt zu beobachtende Aufmerksamkeit auf Benachteiligungen im Bildungsprozess und im Zugang zum Arbeitsmarkt.
„Inklusion nicht nur von behinderten Menschen wurde immer mehr gefordert und teilweise auch verwirklicht. Inklusion wird immer häufiger als generelles Prinzip einer modernen Gesellschaft gesehen, die durch
Globalisierung und Migration charakterisiert ist. Dies erfordert eine Umverteilung von Ressourcen und ist
ein eminent politisches Thema.“ 40
Dementsprechend nehmen auch die auf verschiedene Segmente des Kärntner Arbeitsmarktes gerichteten
Ziele und Maßnahmen der Qualifizierungs- und Beschäftigungsstrategie 2020+ auf die Situation und Anliegen von im Bildungs- und Erwerbssystem benachteiligten Personengruppen besonders Bedacht.
7.2. Strategische Ziele im Handlungsfeld
Aus den im vorherigen Abschnitt dargestellten Herausforderungen und Problemlagen leiten sich die nachfolgenden strategischen Ziele ab:
Erhöhung der Arbeitsmarktchancen am „Ersten Arbeitsmarkt“ durch Beratung und
Qualifizierung
Erhöhung der Arbeitsmarktchancen am „Ersten Arbeitsmarkt“ durch Beschäftigung
Schaffung von Unterstützungsprogrammen für am Arbeitsmarkt benachteiligte Zielgruppen
Verringerung beziehungsweise Vermeidung von „Working Poor“
39 Vgl.: IHS 2014: a.a.O., S. 22ff
40BMUKK (Hg.) 2012: Professionalisierung von Lehrerinnen und Lehrern im Bereich der Prävention und Intervention von Schulund Ausbildungsabbruch. Entwicklung einer auf der Theorie von P. Bourdieu und internationalen geprüften Modellen
­beruhenden Konzeption; wss. Leitung: Nairz-Wirth Erna; Wien, S. 3f.
41
42
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
B1: Erhöhung der Arbeitsmarktchancen am „Ersten Arbeitsmarkt“ durch Beratung und Qualifizierung
7.3.
Erhöhung der Arbeitsmarktchancen
am „Ersten Arbeitsmarkt“ durch Beratung und Qualifizierung
7.3.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
Wirtschaftlicher Strukturwandel vollzieht sich permanent. Er bietet Unternehmen und MitarbeiterInnen
vielfältige ­Chancen und stellt sie vor neue Herausforderungen. Der Verlust von Arbeitsplätzen ist ebenso
eine stetige Begleiterscheinung dieses Umwandlungsprozesses wie auch die Suche nach Arbeitskräften
mit neuen Qualifikationsprofilen. Diese ­Zusammenhänge lassen in Zentralräumen und peripheren Gebieten eines Bundeslandes unterschiedliche kurz- und langfristige Spuren in den regionalen und lokalen Wirtschaftsstrukturen und Arbeitsmarktsegmenten zurück. Die Folgewirkungen dieser fortdauernden Wandlungsprozesse erfordern kreative und innovative Interventionsinstrumente, um auf die Art, den Umfang und
die Dauer der unterschiedlichen Problemlagen beziehungsweise Herausforderungen reagieren zu k­ önnen.
Die Dynamik von Arbeitsmarktangebot und -nachfrage hat in den letzten Jahren abgenommen und die
Betroffenheit bei den Arbeitslosen ist gestiegen. Es ist daher besonders wichtig, Arbeitsuchende, die nicht
sofort einen Arbeitsplatz finden, mit passenden Aus- und Weiterbildungsangeboten zu unterstützen.
Schulungen tragen dazu bei, arbeitslose Personen so individuell wie möglich auf den Wiedereinstieg in
den Arbeitsmarkt vorzubereiten.
In vielen Fällen sind die Ursachen für das Scheitern von Vermittlungsbemühungen Qualifikationsdefizite.
Maßnahmen der Berufsvorbereitung und der beruflichen Aus- und Weiterbildung zählen daher zu den
wichtigsten vermittlungsunterstützenden Instrumenten einer aktiven Arbeitsmarktpolitik. Die Schwerpunkte von Qualifizierungsmaßnahmen liegen zum einen in der Weiterbildung im erlernten Beruf und zum
anderen im Erwerb von Spezialkenntnissen beziehungsweise in einer Höherqualifizierung. All diese Maßnahmen werden kontinuierlich weiterentwickelt und den aktuellen Erfordernissen des Arbeitsmarktes angepasst. Ziel ist es, die Nachhaltigkeit von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu erhöhen. Parallel zu
den angesprochenen Qualifizierungsmaßnahmen gilt es aber auch, für bestimmte Personengruppen den
­Einstieg in die Beschäftigung zu ermöglichen. Um betriebliche Einstellungsbarrieren abzubauen, werden
Eingliederungsbeihilfen gewährt. Die betriebliche Eingliederungsbeihilfe wird als Zuschuss zu den Personalkosten gewährt.
Ansatzpunkte zur Beschäftigung und Qualifizierung von Arbeitsuchenden
Gerade Arbeitsuchende ohne Berufsabschluss haben es immer schwerer, wieder Arbeit zu finden. Deshalb
muss in ­zertifizierte und nachhaltige Fachkurse investiert werden. Zusätzlich sind besonders für Personen, die
langjährig beschäftigt waren, Individualcoachings, Bewerbungstrainings und Berufsorientierung w
­ ichtig.
Im technischen Bereich, beispielsweise in der Metall- und Elektrobranche, sind die Chancen auf Arbeit sehr
hoch und es ist prognostiziert, dass der Bedarf künftig weiter steigen wird. Auch Frauen sind in der Technik
sehr gefragt, weshalb auch auf diese Zielgruppe ein besonderes Augenmerk unter dem Aspekt von Ausbildungen für „Frauen in die Technik“ gelegt werden muss.
Für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, die ihren Beruf nicht mehr ausüben können, bietet
zum Beispiel das Programm des AMS Kurse für die berufliche Rehabilitation an. Im Jahr 2014 haben mehr
als 45 Prozent der KursteilnehmerInnen einen Arbeitsplatz erhalten. Das zeigt, dass trotz schwieriger
­Bedingungen am Arbeitsmarkt Weiterbildung die beste Strategie ist, um Arbeitslosigkeit zu beenden und
um das Risiko, arbeitslos zu werden, zu senken.
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
B1: Erhöhung der Arbeitsmarktchancen am „Ersten Arbeitsmarkt“ durch Beratung und Qualifizierung
Das AMS setzt 2015 rund 68,9 Millionen Euro für Qualifizierungskurse und Beratungen ein und bietet 395
Kurse für rund 9.200 TeilnehmerInnen an. Besondere Schwerpunkte werden vom AMS jedes Jahr gesetzt,
etwa für Jugendliche bis 25, für ältere Arbeitslose über 45 Jahre sowie spezielle Fachausbildungen. Das
AMS kauft dabei vor allem jene Schulungen ein, bei denen breite Nachfrage besteht und die der Wirtschaftssituation angepasst sind.
Der arbeitsmarktpolitische Erfolg der Schulungsaktivitäten und die Statistiken belegen die Notwendigkeit
des Angebotes und der Durchführung von Höherqualifizierungen und Weiterbildungen. Eine Weiterbildung
beziehungsweise eine berufliche Höherqualifizierung ist aus den oben genannten Aspekten eine Investition in die Zukunft, und dieser Bereich sollte daher auch weiterhin eine große Bedeutung haben.
Ansatzpunkt Beratung
Information und Beratung stellen vielfach eine wichtige Starthilfe für eine erfolgreiche Integration in den
Arbeitsmarkt dar. Aus diesem Grund wurden spezialisierte Beratungsstellen eingerichtet, die die unterschiedlichen Hintergründe und Problemlagen arbeitsuchender Personen erfassen und gemeinsam mit den
Betroffenen einer Lösung zuführen.
7.3.2. Maßnahmenbeispiele
zur Unterstützung des strategischen Zieles
7.3.2.1. Beratungs- und Betreuungsprojekte (BBE)
Im Rahmen von BBE-Projekten werden von Trägerorganisationen unterschiedliche Beratungs- und Betreuungsangebote für AMS-KundInnen erbracht. Die Beratungs- und Betreuungseinrichtungen (BBE) arbeiten im
Auftrag des AMS, ergänzen deren bestehende Dienstleistungen und sind auf 12 Monate befristet. A
­ bhängig
von den Zielgruppen orientieren sich alle erbrachten Leistungen immer an einem der folgenden Ziele:
• Erhöhung der Vermittlungsfähigkeit der beratenen/betreuten Personen
• Durchführung spezifischer Vermittlungstätigkeiten mittels spezieller Methoden
• Unterstützung der beruflichen Integration und Sicherung von Beschäftigungsverhältnissen
• Unterstützungsleistungen für SchülerInnen oder
• Unterstützung beim Zugang zu beruflicher Aus- und Weiterbildung
7.3.2.2. Arbeitsstiftungen
Arbeitsstiftungen bieten Lösungen für Probleme und Herausforderungen, die sowohl im Bereich der
­Nachfrage als auch auf der Seite des Angebotes an Arbeitskräften entstehen. Darüber hinaus sind Arbeitsstiftungen in der Lage, rasch und flexibel auf regionale Bedarfe und unterschiedliche Ausprägungen der
Strukturwandlungsprozesse durch Bereitstellung verschiedener Typen von Arbeitsstiftungen zu reagieren:
ArbeitnehmerInnen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, können in einer Outplacementstiftung (Unternehmensstiftung) optimal für eine Rückkehr ins Berufsleben vorbereitet werden. Gleichzeitig wahrt ein Unternehmen, das Arbeitskräfte „freisetzt“, seine soziale Verantwortlichkeit, wenn es die Aufnahme der von
Kündigungen betroffenen MitarbeiterInnen in eine Stiftung durch die Übernahme eines Teiles der Kosten
für Reintegrationsmaßnahmen (mit-)ermöglicht.
Im Falle einer Insolvenz oder eines Konkurses eines Unternehmens können davon betroffene ArbeitnehmerInnen in einer Insolvenzstiftung aufgefangen werden.
43
44
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
B2: Erhöhung der Arbeitsmarktchancen am „Ersten Arbeitsmarkt“ durch Beschäftigung
Regionalstiftungen bieten vom Arbeitsplatzverlust bedrohten ArbeitnehmerInnen von Unternehmen, für
die eine Unternehmensstiftung auf Grund der Betriebsgröße oder einer geringen Zahl an „Freisetzungen“
nicht in Frage kommt, eine Weiterbildung sowie eine Wiedereinstiegsperspektive.
Für ArbeitnehmerInnen, die bereits ihren Arbeitsplatz verloren haben und wegen der konjunkturellen
­Situation mit geringen Erfolgsaussichten auf Arbeitsuche sind, können in Zielgruppenstiftungen Aus- und
Weiterbildungen und in der Folge neue Berufseinstiegschancen geboten werden.
Finden Unternehmen mit auf spezifische Qualifikationsprofile gerichteter Arbeitskräftenachfrage im vorhandenen A
­ rbeitskräfteanbot keine geeigneten Fachkräfte, dann bieten Implacementstiftungen eine
­Lösung. In diesem Stiftungstypus können auf die Anforderungen des Arbeitsplatzes im Unternehmen ausgerichtete und auf das bestehende Qualifikationsprofil potenzieller KandidatInnen abgestimmte Aus- und
Weiterbildungen realisiert werden. Ziel ist die sorgfältige Entwicklung und Umsetzung individuell abgestimmter Integrationsprozesse in ein Arbeitsverhältnis.
7.4.
Erhöhung der Arbeitsmarktchancen
am „Ersten Arbeitsmarkt“ durch Beschäftigung
7.4.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
Trotz den im europäischen Vergleich noch relativ günstigen Arbeitslosenzahlen stellen auch in Österreich und
insbesondere in Kärnten die fehlende Dynamik des Arbeitsmarktes und die Veränderungen der Erwerbsarbeit
eine große Herausforderung für die politische Gestaltung dar. Immer häufiger haben auch hierzulande Menschen Schwierigkeiten, sich am Arbeitsmarkt zu behaupten. Viele Arbeitsplätze bieten keine dauerhafte Beschäftigung mehr. Das Phänomen der Working Poor („arbeitenden Armen”), also jener Personen, die trotz Erwerbstätigkeit ihre Existenz nicht ausreichend sichern können, ist auch bei uns im Steigen begriffen.
Flexibilisierung und atypische Beschäftigungsverhältnissen sind ebenso Teil der Entwicklung wie diskontinuierliche und prekäre Erwerbsbiografien von Menschen, die zwischen Gelegenheitsjobs und Arbeitslosigkeit hin und
her pendeln müssen.
Weitgehend Konsens herrscht darüber, dass Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft neben der Existenzsicherung auch eine integrierende Funktion hat und dass sie maßgeblicher Faktor für gesellschaftliche Teilhabe ist.
Aktive Arbeitsmarktpolitik
Das Instrumentarium zur Förderung der Integration von Personen mit Vermittlungsschwierigkeiten in das
Beschäftigungssystem ist im Bereich der sogenannten aktiven Arbeitsmarktpolitik gebündelt.
Die aktive Arbeitsmarktpolitik versucht, durch gezielte Maßnahmen die Geschehnisse auf dem Arbeitsmarkt
im Sinne einer besseren Funktionsfähigkeit des Marktes zu beeinflussen. Sie tut dies unter anderem durch:
• Erhöhung der Transparenz des Marktes durch Verarbeitung verschiedener Informationen m
­ ithilfe
modernster Informationstechnologie: Jobmatching, Berufsinformationen und Beratung
• Unterstützung der Anpassung der Berufsqualifikationen der Arbeitskräfte an die Erfordernisse
des Marktes durch Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung
• Förderung der Mobilität der Arbeitskräfte (z. B. durch Hilfe bei der Suche nach einer Kinder­
betreuung)
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
B2: Erhöhung der Arbeitsmarktchancen am „Ersten Arbeitsmarkt“ durch Beschäftigung
• Unterstützung bei der Bewältigung persönlicher Probleme (z. B. Sucht, Schulden, Wohnungslosig­
keit, körperliche oder geistige Behinderungen), die das berufliche Fortkommen behindern sowie durch
• befristet subventionierte Beschäftigung zur Erleichterung des Einstiegs in den Beruf durch Einstellungsbeihilfen
Die aktive Arbeitsmarktpolitik identifiziert Zielgruppen, deren spezifische Probleme auf dem Arbeitsmarkt
bereits sichtbar geworden sind. Zu den Vermittlungshemmnissen dieser Personen zählen unter anderem:
• Langzeitarbeitslosigkeit
• mangelnde Sprachkenntnisse
• fehlende oder veraltete Qualifikationen
• höheres Alter
• geistige oder körperliche Behinderungen
• Abwesenheit vom Arbeitsmarkt während der Kindererziehung
• Sucht (Alkohol, Medikamente, illegale Drogen) 41
Die aktive Arbeitsmarktpolitik in Österreich gliedert sich in drei Maßnahmenarten: Beschäftigung,
­Qualifizierung und Unterstützung. Der Schwerpunkt liegt im internationalen Vergleich eindeutig auf
­Qualifizierungen, wobei dieser Bereich rund zwei Drittel des AMS-Förderbudgets und beinahe drei Viertel
der neu geförderten Personen umfasst. Dementsprechend entfallen die größten Kostenanteile auf
­Bildungsmaßnahmen, mit großem Abstand gefolgt von Eingliederungsbeihilfen, Beihilfen zur Deckung
des Lebensunterhaltes und Sozialökonomischen Betrieben.
Mehr als ein Drittel aller arbeitslos gemeldeten Personen (41 % der Frauen, 32 % der Männer bzw. 36 %
gesamt) werden in eine Förderung einbezogen. Erhöht wurde der aktive Mitteleinsatz in den letzten Jahren
vor allem für auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Gruppen, insbesondere MigrantInnen, Jugendliche,
­Ältere sowie Menschen mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen. 42
Ansatzpunkte zur Erhöhung der Arbeitsmarktchancen für „schwer vermittelbare“ Personen
Für sogenannte „schwer vermittelbaren“ Personen, die noch nicht auf Arbeitsplätze des sogenannten
„Ersten Arbeitsmarktes“ vermittelbar sind, gibt es Arbeitsplätze bei gemeinnützigen Trägern. Personen
erhalten dadurch eine befristete Beschäftigungsmöglichkeit mit dem Ziel, sie auf den „Ersten Arbeitsmarkt“ zu vermitteln. Darüber hinaus ist anzumerken, dass diese Personen oft in gesellschaftlich wichtigen Bereichen beschäftigt werden. Diese zeitlich befristete Förderung hat sowohl eine Initialfunktion als
auch eine Transitfunktion. Im Zuge der Initialfunktion kann die Förderungsmaßnahme dem Beschäftigungsträger die Möglichkeit eröffnen, nach Ablauf der Zeit die Person im Rahmen eines regulären Dienstverhältnisses weiter zu beschäftigen. Bei Projekten, die Transitarbeitsplätze anbieten (z. B. Sozialöko­
nomische Betriebe), geht es darum, nach Beendigung des befristeten Dienstverhältnisses den Übergang
in den „Ersten Arbeitsmarkt“ zu e
­ rleichtern.
41 Vgl. Website des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMAS) Quelle: http://www.sozialministerium.at/site/Arbeit/Arbeitsmarkt/Passive_aktive_und_aktivierende_Arbeitsmarktpolitik
42Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Sektion VI/INT/3 (Hg.) 2012: Aktive Arbeitsmarktpolitik in
Österreich 1994 – 2012; Redaktion/Autoren: Valerie Bösch, Tanja Jandl-Gartner, Robert Jellasitz, Ingrid Nagl, Sigrid Röhrich,
Johannes Schweighofer; Wien, S. 4
45
46
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
B2: Erhöhung der Arbeitsmarktchancen am „Ersten Arbeitsmarkt“ durch Beschäftigung
7.4.2. Maßnahmenbeispiele
zur Unterstützung des strategischen Zieles
7.4.2.1. Gemeinnützige Beschäftigungsprojekte
Gemeinnützige Beschäftigungsprojekte sind Non-Profit-Organisationen und stellen Produkte her oder
bieten Dienstleistungen an, an denen ein öffentliches oder gemeinnütziges Interesse besteht. Dieses Interesse zeigt sich unter anderem an der finanziellen Beteiligung öffentlicher oder gemeinnütziger Auftraggeber. Die Tätigkeitsbereiche von Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten kommen der Allgemeinheit zugute und tragen zur Erreichung regionaler und kommunaler Ziele bei.
Das vorrangige Ziel dieser Projekte ist die Integration von am Arbeitsmarkt benachteiligten Personen. Dies
soll durch die Bereitstellung von relativ geschützten, befristeten Arbeitsplätzen mit laufender sozialpädagogischer Begleitung ermöglicht werden. Während der Zeit im Beschäftigungsprojekt sollen einerseits
Vermittlungshemmnisse abgebaut werden und andererseits den Personen die Gelegenheit gegeben werden, eine sinnvolle Tätigkeit zu verrichten, die gesellschaftlich anerkannt ist. Grundsätzlich stehen bei
diesen Tätigkeiten einfache handwerkliche Aufgaben, die eventuell auch leicht an- beziehungsweise erlernbar sind, im Vordergrund. Beispielsweise sind dies Arbeiten im Garten- und Grünpflegebereich,
­Wartungs- beziehungsweise Renovierungsarbeiten von Wanderwegen, an Burgen und Ruinen sowie
­Arbeiten im haushaltsnahen Sektor und im Bereich Küche und Gastronomie.
Die Auswahl und Zusammensetzung der TeilnehmerInnen an dieser Maßnahme ist zwischen der Landesgeschäftsstelle des AMS Kärnten, der jeweiligen Regionalen Geschäftsstelle und dem Projektträger zu vereinbaren.
7.4.2.2. Förderung von Beschäftigungsverhältnissen
Zur Unterstützung der Eingliederung beziehungsweise Wiedereingliederung von am Arbeitsmarkt benachteiligten Arbeitsuchenden in den „Ersten Arbeitsmarkt“ können zeitlich befristete, personenbezogene Förderungen für die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden. Darunter fallen vor allem
die sogenannte Eingliederungsbeihilfe, die Kombilohnbeihilfe oder aber auch die Beihilfe für Ein-Personen-Unternehmen, welche beabsichtigen, vollversicherungspflichtige Dienstverhältnisse einzugehen.
Bei sozialen Unternehmen wie Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten und Sozialökonomischen Betrieben werden für Personen, welche noch nicht direkt auf den „Ersten Arbeitsmarkt“ vermittelt werden können (Transitarbeitskräfte), die Lohnkosten zum überwiegenden Anteil gefördert.
7.4.2.3. Regionale Angebote am „Zweiten Arbeitsmarkt“
Beschäftigungsprojekte sind insbesondere für Personengruppen mit Vermittlungshindernissen wichtig, um
am Arbeitsleben teilnehmen zu können. Beispielsweise können niedrig qualifizierte Langzeitarbeitslose oftmals nur über ein Qualifizierungsprogramm verbunden mit konkreten Beschäftigungsprojekten w
­ ieder in den
„Ersten Arbeitsmarkt“ integriert werden. Um den regionalen Bedürfnissen des Arbeitsmarktes zu entsprechen,
soll auch zukünftig das Angebot dieser Maßnahmen in den Regionen zur Verfügung g
­ estellt werden. Die Entwicklung von Beschäftigungsprojekten für spezifische Zielgruppen in den R
­ egionen soll auf die regionalen
Bedürfnisse abgestimmt werden. Dabei beinhalten die Themen Nahversorgung, Mobilität, Dienstleistung und
regionale Qualifizierungsangebote sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Beispielsweise könnte in
ländlichen Regionen das Fehlen von Nahversorgern für die ­Bevölkerung durch die Entwicklung von Märkten
mit regionalen Produkten sowohl für die einheimische ­Bevölkerung als auch für Touristen aus Sicht des
­Arbeitsmarktes und der regionalen Entwicklung ein Geschäftsfeld für Beschäftigungsprojekte werden.
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
B3: Schaffung von Unterstützungsprogrammen für am Arbeitsmarkt benachteiligte Zielgruppen
7.5.
Schaffung von Unterstützungsprogrammen für
am Arbeitsmarkt benachteiligte Zielgruppen
7.5.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
Die steigenden Qualifikationsanforderungen auf der einen Seite und die relative Zunahme von Personen
mit besonderen Problemkonstellationen innerhalb der Gruppe der Arbeitsuchenden auf der anderen Seite
erfordern eine differenzierte Arbeitsmarktstrategie. Neben der Heranführung von Arbeitsuchenden an bestehende Arbeitsplätze im Bereich des sogenannten „Ersten Arbeitsmarktes“ durch entsprechende arbeitsmarktpolitische Maßnahmen gewinnt die Bereitstellung niedrigschwelliger Beschäftigung zur Ermöglichung von Entwicklungschancen im Rahmen einer dauerhaften finanziellen Absicherung wachsende
Bedeutung.
Angebote für den sogenannten „Zweiten“ und „Dritten“ Arbeitsmarkt, die neue Beschäftigungsfelder erschließen oder die Erprobung neuer zielgruppengerechter erwerbs- und lernorientierter Pilotprojekte ermöglichen, fallen unter dieses Maßnahmenpaket.
Die Unterteilung in einen „Zweiten“ und in einen „Dritten Arbeitsmarkt“ begründet sich aus einem abgestuften Grad an Transferfähigkeit solcherart geförderter Arbeitsplätze.
„Der sogenannte Dritte Arbeitsmarkt oder Ersatzarbeitsmarkt bietet mit Hilfe staatlicher Förderungen
­dauerhaft geförderte Arbeitsplätze und somit einen geschützten Bereich für jene Menschen, die am
­regulären Arbeitsmarkt keine Chance auf Beschäftigung haben. Die geschützten Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sind ein Beispiel für diesen Bereich.“ 43
7.5.2. Maßnahmenbeispiele
zur Unterstützung des strategischen Zieles
7.5.2.1. Initiativen für MigrantInnen
Mit der gegenwärtigen und auch in Zukunft zu erwartenden globalen Zunahme von Wanderungsbewegungen werden Migration und Integration zu zentralen Merkmalen der Sozialstrukturen in modernen Gesellschaften.
Auch in Kärnten lebten mit Stichtag 1.1.2014 bereits 65.400 Personen ausländischer Herkunft im Bundesland, was einem Anteil von 11,9 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. 52 Prozent der MigrantInnen
stammten aus EU-Staaten, dem EWR (Europäischer Wirtschaftsraum und der Schweiz. Die am stärksten
vertretenen Nationen waren Deutschland, Bosnien und Herzegowina sowie Kroatien. Im Bezirk Villach
(Stadt) war der Anteil der MigrantInnen mit 19 Prozent am höchsten.
Im Bundesländervergleich liegt Kärnten an der 7.Stelle.
43 Quelle: Bundesdachverband für Soziale Unternehmen in: www.bdv.at
47
48
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
B3: Schaffung von Unterstützungsprogrammen für am Arbeitsmarkt benachteiligte Zielgruppen
Tab. 3: Bevölkerung mit Migrationshintergrund nach Bundesländern (Jahresdurchschnitt 2013) 44
Bundesland
Bevölkerung in
Privathaushalten
Migrationshintergrund
zusammen
Zuwanderer der
1. Generation
Zuwanderer der
2. Generation
zusammen in %
in 1.000
Österreich
8.374,8
1.625,2
1.197,1
428,2
19,4
9
Burgenland
284,7
31,7
24,2
7,5
11,1
8
Steiermark
1.200,1
136,6
102,5
34,1
11,4
7
Kärnten
550,7
65,4
50,6
14,8
11,9
6
Niederösterreich
1.603,5
207,3
149,1
58,2
12,9
5
Oberösterreich
1.399,9
209,3
149,1
60,1
14,9
4
Tirol
710,3
126,3
97,6
28,8
17,8
3
Salzburg
525,7
101,5
75,9
25,6
19,3
2
Vorarlberg
370,0
81,3
57,4
23,8
22,0
1
Wien
1.730,0
665,9
490,6
175,3
38,5
Insbesondere im Hinblick auf Jugendliche mit Migrationshintergrund weist Klinglmair darauf hin, dass neben der Berücksichtigung formaler Bildungsabschlüsse das Problem der „Bildungsarmut“ im Sinne mangelnder Kompetenzen am Ende der Pflichtschule nicht unterschätzt werden dürfe. „Denn nicht nur ein
frühzeitiges Verlassen des Bildungssystems gilt als problematisch. Bei einer Vielzahl von SchülerInnen –
speziell mit Migrationshintergrund – werden auch deutliche Mängel in den Grundkompetenzen festgestellt, wie Auswertungen der letzten PISA-Tests zeigen.“ 45
Für eine gelingende Integration von zugewanderten Menschen sind der Erwerb der deutschen Sprache,
von Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben, Rechnen sowie Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) eine nicht ersetzbare Voraussetzung. Das schrittweise Heranführen an den Erwerb der Grundkompetenzen beziehungsweise an Beschäftigungsmöglichkeiten setzt neben den oben angesprochenen
­Bildungsangeboten des Länder-Bund-Förderprogrammes auch Angebote der Beratung und Betreuung
­voraus. Nur in einer gut ausgewogenen Kombination von Beratung, Bildung und Betreuung kann dieser
Zielgruppe die Integration in einem ersten Schritt gelingen. Darauf aufbauend sind Bildungsangebote
­erforderlich, die einerseits die jeweilige Arbeitsmarktsituation und andererseits die vorhandenen Potenziale
der Zielgruppe berücksichtigen.
7.5.2.2. Initiativen für Frauen und WiedereinsteigerInnen
Die geschlechtsspezifische Verteilung von Männern und Frauen in den verschiedenen Berufsgruppen
­( horizontale Segregation) bleibt weiterhin hoch. Überwiegend von Frauen werden Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich, im Gesundheits- und Sozialwesen, in der Beherbergung und Gastronomie sowie in der
öffentlichen Verwaltung besetzt. Um der Segregation auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken und die
Beschäftigungschancen von Frauen zu erhöhen, wird eine Reihe von frauenspezifischen Maßnahmen
44Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung (Durchschnitt aller Wochen eines Jahres). Erstellt am
02.05.2014. Bevölkerung in Privathaushalten. - Zur Definition Migrationshintergrund siehe „Recommendations for the 2010
censuses of population and housing“, Seite 90, der United Nations Economic Commisson for Europe (UNECE; siehe
www.unece.org/stats/documents/2010.00.census.htm). Von Personen mit Migrationshintergrund wurden beide Elternteile
im Ausland geboren, wobei Angehörige der Ersten Generation selbst im Ausland geboren wurden und Personen der Zweiten
Generation in Österreich zur Welt gekommen sind.
45 Klinglmair Robert 2015: S. 2 mit Bezug auf OECD 2014b
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
B3: Schaffung von Unterstützungsprogrammen für am Arbeitsmarkt benachteiligte Zielgruppen
­gesetzt. Insbesondere die Gruppe der WiedereinsteigerInnen – in erster Linie nach Familienkarenz – soll
durch eine aktive und fördernde Haltung und durch entsprechende Informations- und Beratungsangebote
bei der Planung und Rückkehr in den Beruf unterstützt werden.
Innerhalb dieser Gruppierung sollen vor allem alleinerziehende junge Frauen in den Fokus von Integrationsaktivitäten gerückt werden, die weder in Ausbildung noch in Beschäftigung sind und die vielfach auch
von keiner der relevanten Institutionen (z. B. AMS, SMS, Schulbehörden) erfasst werden.
Für die Sensibilisierung, das Erreichen und die Qualifizierung dieser Zielgruppe sind geeignete Methoden
des Aufsuchens, passgenaue Bildungsangebote, die auch das Betreuen von Kindern berücksichtigen, zu
entwickeln. Bereits vorhandene, kostenlose Bildungsangebote wie das Erwerben der Grundkompetenzen
Lesen, Schreiben, Rechnen, Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) oder das Nachholen
von Pflichtschulabschlüssen stellt das Länder-Bund-Förderprogramm „Initiative Erwachsenenbildung“
zur Verfügung.
7.5.2.3. Initiativen für Menschen mit Behinderungen
Primäres Ziel der Betreuung von Personen mit Behinderungen ist deren Integration in „reguläre“ Beschäftigungsverhältnisse zum Zweck der eigenständigen Existenzsicherung. Die Beschäftigungschancen auf
dem „Ersten Arbeitsmarkt“ sind jedoch eingeschränkt. Das wichtigste Reintegrationsinstrument ist die
Qualifizierung. Die Orientierungs- und Ausbildungsmöglichkeiten in den beruflichen Rehabilitationszentren fungieren in diesem Sinne als wichtige Partner, um das Ziel einer Arbeitsmarktintegration zu unter­
stützen.
Die Möglichkeit zu einer befristeten Beschäftigung soll vor allem der Stabilisierung dienen, um auf die
Arbeitssituation in der freien Wirtschaft vorzubereiten. Menschen mit einer schweren Behinderung soll mit
dem Instrument der persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz die Möglichkeit geboten werden, die erforderliche personale Unterstützung zu erhalten, welche zur Ausübung der beruflichen Tätigkeiten oder der
­Absolvierung einer Ausbildung erforderlich ist.
7.5.2.4. Initiativen für Langzeitarbeitslose
Um die Wiedereingliederungschancen von Langzeitarbeitslosen zu erhöhen, wird insbesondere für die
Aus- und Weiterbildung, für Beschäftigungsprojekte und für Beschäftigung in Betrieben finanzielle Hilfe
zur Verfügung gestellt. Dabei dient die Einbindung von lokalen Akteuren wie Gemeinden oder gemein­
nützige Vereine dazu, alternative Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten.
7.5.2.5. Initiativen für Ältere
Beschäftigte, die nach vielen Jahren im Erwerbsleben und wenige Jahre vor dem erwarteten Pensions­
antritt, oftmals völlig unvorbereitet – z. B. auf Grund einer Insolvenz des bisherigen Dienstgebers –
­arbeitslos werden, sind mit dieser Situation zumeist auch psychisch sehr stark belastet. Da damit oft
ein Verlust des Selbstwertgefühls verbunden ist, bedürfen diese Personen neben der formalen Quali­
fikation und der allgemeinen Beratung bei der Reintegration in den Arbeitsmarkt einer besonderen
­sozialpädagogischen und psychologischen Betreuung.
Als sehr erfolgreiches Pilotprojekt im Rahmend des ESF wurde das Projekt „Arbeitslust statt Wartefrust“
für diese Zielgruppe umgesetzt. Aufbauend auf die Ergebnisse dieser Initiative sollen weitere Maßnahmen
für diese Zielgruppe entwickelt werden.
49
50
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
B4: Verringerung beziehungsweise Vermeidung von „Working Poor“
7.6.
Verringerung beziehungsweise Vermeidung
von „Working Poor“
7.6.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
In einem Überschneidungsbereich zwischen den Handlungsfeldern Arbeitsuchende und unternehmerisches Umfeld zeigte sich auch innerhalb der hoch entwickelten Länder, im ­Hinblick auf die Struktur der von
Armut betroffenen Personen, ein mit der Bezeichnung „Working Poor“ versehenes Phänomen. Damit ist
gemeint, dass Armut nicht mehr nur traditionell marginalisierte Gruppen betrifft, sondern zunehmend
auch Personen, die in den Arbeitsmarkt integriert sind. Armut bei aufrechtem Erwerbsverhältnis bezieht
sich aber nicht nur auf ökonomische Faktoren, sondern umfasst auch Einschränkungen in der kulturellen
Teilhabe, den sozialen Beziehungen sowie im Bereich der Gesundheit.
„Working Poor“ meint demnach, dass ein Normalarbeitsverhältnis für einen nicht unerheblichen Anteil der
erwerbstätigen Bevölkerung keine ausreichende Existenzsicherung mehr bietet.
Die Ursachen für dieses Phänomen können zu einem bedeutenden Teil auf strukturelle Veränderungen
des Arbeitsmarktes zurückgeführt werden. Dabei sind folgende Entwicklungen maßgeblich:
• wachsende Nachfrage nach hoch qualifizierten bei sinkender Nachfrage nach niedrig qualifizierten Arbeitskräften
• Verschiebungen und Polarisierung in den Berufsstrukturen
• Anstieg der Arbeitslosigkeit allgemein bei gleichzeitiger Verfestigung von struktureller Arbeitslosigkeit,
• Spreizung der Löhne und sinkende Reallöhne für niedrig Qualifizierte
• Zurückdrängen des Normalarbeitsverhältnisses zu Gunsten atypischer Beschäftigungsformen
• wachsender Druck durch Globalisierung auf kleine und mittelständische Firmen
Darüber hinaus sind auch demografische Veränderungen sowie rechtliche und institutionelle Reformen für
die Zunahme von „Working Poor“ maßgeblich:
• die Alterung der Gesellschaft im Allgemeinen und der Erwerbsbevölkerung im Besonderen
• die Zunahme der Beschäftigung von Frauen einhergehend mit einem Ausbau der Teilzeitarbeit
• eine Aufweichung der Kollektivverträge und die Zunahme von Jobs, die nicht nach Tarif entlohnt werden
• eine „Verbetrieblichung“ der Arbeitsbeziehungen
• steigende Abgabenquote, insbesondere der Sozialabgaben
• die Kürzung von Bildungs- und Qualifizierungsprogrammen
Ein steigendes Risiko, trotz aufrechter Erwerbsarbeit unter die Armutsgrenze zu fallen, haben vor allem:
• Frauen (in Teilzeitbeschäftigung)
• Personen in Berufen mit niedrigen Qualifikationsanforderungen
• Beschäftigte in Kleinbetrieben
• Beschäftigte in der Landwirtschaft
• in den personenbezogenen Dienstleistungen
• Personen mit Migrationshintergrund
• Paare mit drei oder mehr Kindern sowie
• AlleinerzieherInnen
• saisonal Beschäftigte 46
46Vgl.: Verwiebe, Roland, Fritsch Nina-Sophie 2011: Working Poor: Trotz Einkommen kein Auskommen. Trend- und Strukturanalysen für Österreich im europäischen Kontext. SWS-Rundschau 51 (1): S. 5-23.
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
B4: Verringerung beziehungsweise Vermeidung von „Working Poor“
Rund ein Viertel der als „Working Poor“ bezeichneten Personen befindet sich laut EU-SILC 2011 Erhebung
der Statistik Austria in einer prekären Beschäftigungsform: Selbst wenn je nach Haushaltszusammensetzung die Möglichkeit besteht, dass die Einkommen anderer Haushaltsmitglieder Einkommen aus prekären
Beschäftigungsverhältnissen ausgleichen, ist die überdurchschnittlich hohe Armutsgefährdung der Betroffenen ersichtlich. Von den nicht armutsgefährdeten Erwerbstätigen ist mit 9 Prozent nur ein kleinerer
Teil prekär beschäftigt. Ein niedriges Einkommen (von unter zwei Drittel des Medianstundenlohns) haben
rund 22 Prozent der „Working Poor“ und 10 Prozent der nicht armutsgefährdeten Erwerbstätigen. 47
Tab. 4: „Working Poor“ nach Haushaltstyp in Österreich
Erwerbstätige im Erwerbsalter*
Gesamt
in 1.000
Insgesamt
Nicht armutsgefährdet
Armutsgefährdet „Working Poor“
in 1.000
Anteil in %
in 1.000
Anteil in %
Quote in %
3.667
3.470
100
198
100
5
Alleinlebende Männer
317
291
8
(27)
(14)
(8)
Alleinlebende Frauen
252
233
7
(19)
(10)
(8)
1.381
1.340
39
41
21
3
89
77
2
11
6
13
Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder
Ein-Eltern-Haushalte
Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind
781
753
22
28
14
4
Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder
584
546
16
37
19
6
Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder
191
162
5
30
15
15
Haushalte mit Pension
72
68
2
(5)
(3)
( 6)
Quelle: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
„Working Poor“: Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren und armitsgefährdet sind.
* Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren.
Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen. Sind in der Randverteilung
weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vorhanden, wird geklammert.
Gegenstrategien zur Ausweitung des beschriebenen Phänomens der „Working Poor“ sind entsprechend
der komplexen und vernetzten Ursachen sowohl auf struktureller beziehungsweise sozialpolitischer Ebene als auch auf der Ebene arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen mit Hilfe angepasster Beratungs- und Qualifizierungsangebote anzusetzen.
Ansatzpunkte zur Verringerung beziehungsweise Vermeidung von „Working Poor“
Grundvoraussetzungen für die Umsetzung dieser Strategie sind zunächst die Identifikation von „Working
Poor“ sowie die Absicherung und Ausweitung der Beschäftigung.
Da das Phänomen „Working Poor“, wie erwähnt wurde, auf strukturelle Veränderungen am Arbeitsmarkt,
in der Bevölkerungsentwicklung, in rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zurückzuführen ist, müssen Gegenstrategien ebenfalls auf solch weitgespannter Ebene ansetzen. Insbesondere
­erscheinen sozialpolitische Maßnahmen im Bereich der Erhöhung beziehungsweise der Einführung von
Mindestlöhnen, der Verbesserung der Durchsetzung von Mindeststandards bei atypischer Beschäftigung
(Leiharbeit) beziehungsweise des Ausbaus familienpolitischer Sozialleistungen erforderlich. 48
47 Vgl. Statistik Austria, EU-SILC 2011: Übersicht 18
48 Vgl.: Andreas Riesenfelder, Susanne Schelepa, Ina Matt 2011: Bestandsaufnahme von SozialhilfebezieherInnen mit parallelem
Erwerbseinkommen; finanziert aus den Mitteln des waff, Projektkoordination: Bruno Schernhammer, Dezember 2011, S. 5
51
52
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
B4: Verringerung beziehungsweise Vermeidung von „Working Poor“
Neben diesen strukturellen Maßnahmen in vorgelagerten Systemen werden folgende kurz- und mittelfristigen Maßnahmen angestrebt:
• Schaffung eines verbesserten Zugangs zu Qualifizierungsangeboten (inklusive einer besonderen Beratung) für „Working Poor“ und Anpassung der Qualifizierungsangebote an Personen mit
multiplen Problemlagen.
• Schaffung eines spezifischen Beratungsangebotes nach dem Prinzip des „Case Managements“
für Personen mit komplexen Problemlagen. Dabei ist besonderes Augenmerk auf die Unterstützung von Handlungsfähigkeit bei gesundheitlichen Problemen, auf Schuldenregulierung und die
Behebung akuter Wohnprobleme zu richten.
• Eine auf Vermittlungsunterstützung konzentrierte Beratung ist darüber hinaus für die Unterstützung von Veränderungsmotivation bei geringen Vermittlungseinschränkungen sinnvoll.
• Ein verbesserter Zugang zu Gesundheitsberatung und -förderung beziehungsweise zu Rehabilitation für „Working Poor“ insbesondere für Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen.
7.6.2.Maßnahmenbeispiele
zur Unterstützung des strategischen Zieles
7.6.2.1. Nachholen von Bildungsabschlüssen
Eine wichtige Maßnahme im Bereich der Verringerung von „Working Poor“ beinhaltet die Möglichkeit, kostenlos grundlegende Abschlüsse nachzuholen und damit auch im Erwachsenenalter Grundkompetenzen
sicherzustellen.
Das Länder-Bund-Förderprogramm „Initiative Erwachsenenbildung“ (Basisbildung, Nachholen von Pflichtschulabschlüssen) bietet bildungsbenachteiligten (erwachsenen) Personen in Kärnten die Gelegenheit,
ihre Grundkompetenzen, wie Lesen, Schreiben, Rechnen und IKT, für den aktuellen und auch den zukünftigen Arbeitsplatz kostenlos zu erwerben und weiter zu entwickeln, um damit auch ihre Arbeitsmarktchancen zu erhöhen. In diesem Zusammenhang sind in der vergangenen Förderperiode (2012-2014) regionale
Umsetzungsstrukturen entstanden. Durch das Übernehmen von Bildungsaufgaben von Vereinen könnten
diese Umsetzungsstrukturen weiter ausgebaut werden. Eine gelungene und nachhaltige Umsetzung setzt
überdies eine professionelle Prozessbegleitung voraus.
7.6.2.2. Verringerung der saisonalen Arbeitslosigkeit
Der Kärntner Arbeitsmarkt ist gekennzeichnet von einer hohen unterjährigen Volatilität im Bereich der Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote liegt in den Wintermonaten traditionell wesentlich über den Vergleichswerten der Sommermonate. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass in Kärnten viele
Beschäftigte in der Tourismusbranche sowie im Bau- und Baunebengewerbe tätig sind. Von dieser saisonalen Arbeitslosigkeit besonders betroffen sind niedrig qualifizierte Personen und Hilfskräfte. Dies führt
in zahlreichen Fällen durch die Einkommensverluste dazu, dass diese Personen trotz Beschäftigung als
„Working Poor“ über kein existenzsicherndes Einkommen verfügen.
Durch gezielte Qualifikationsmaßnahmen sollen Teilqualifizierungen und fehlende formale Abschlüsse
nachgeholt werden. Dadurch soll ferner die Basis für eine saisonverlängernde Beschäftigung oder – wenn
möglich – eine Ganzjahresbeschäftigung erreichbar sein.
Bereits im Jahr 2014 wurde in Form eines Pilotprojektes eine berufsbegleitende Qualifizierung für Beschäftigte in der Gastronomie und Hotellerie begonnen.
HANDLUNGSFELD B: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG VON ARBEITSUCHENDEN
B4: Verringerung beziehungsweise Vermeidung von „Working Poor“
Die Tourismusbetriebe in Kärnten (Sparte Hotellerie und Gastronomie) sind hinsichtlich der Beschäftigtenzahlen wichtige Dienstgeber. Über 18.000 Beschäftigte und weitere 5.000 geringfügig Beschäftigte
waren mit Stichtag 31.8.2014 in diesen Bereichen in Kärnten tätig. Unter den in diesen Betrieben Beschäftigten sind mit einem Anteil von mehr als 65 Prozent überdurchschnittlich viele Frauen. Darüber hinaus
fungieren zahlreiche Unternehmen der Tourismus- und Hotelleriebranche als Ausbildungsbetriebe im
­Rahmen der Lehrlingsausbildung.
Die Konkurrenz gegenüber anderen Märkten ist sowohl im Sommer- als auch im Wintertourismus groß. So
hat die Mobilität der Gäste durch den boomenden Flugreiseverkehr in den letzten 30 – 40 Jahren extrem
zugenommen. Um gegenüber „Billiganbietern“ auch zukünftig konkurrenzfähig zu bleiben, muss die
­Strategie im Tourismus vor allem auf den Faktor „Qualität“ gerichtet sein.
In der Tourismusbranche als traditionellem Dienstleistungsbereich ist daher entscheidend, dass neben
einer guten Ausstattung die Beziehung beziehungsweise der Umgang zwischen den Gästen und den
­Beschäftigten in den Betrieben ebenfalls von hoher Qualität ist. Dazu zählt generell Freundlichkeit, wobei
auch zumindest Basiskenntnisse in der jeweiligen Sprache der Gäste eine Voraussetzung für längerfristige
Kundenbindung darstellen.
Die Höherqualifizierung der ArbeitnehmerInnen ist daher ein zentrales Anliegen, um die Arbeitsplätze im
Tourismus in Kärnten nachhaltig abzusichern.
Zentrale Kernkompetenzen stellen neben den Fachkompetenzen die Qualifikation im Fremdsprachen­
bereich dar. Die Entwicklung und Umsetzung von Schulungsmaßnahmen für Beschäftigte in der Tourismusbranche soll dabei berücksichtigen, dass diese Qualifizierungsangebote in den jeweiligen Tourismusregionen stattfinden.
In ähnlicher Weise gilt es auch gegen die Arbeitslosigkeit – speziell in den Wintermonaten - im Baugewerbe- beziehungsweise im Baunebengewerbe gegenzusteuern. So bieten das AMS - Kärnten, die Landes­
innung Bau der Wirtschaftskammer Kärnten sowie die Gewerkschaft Bau-Holz Kärnten beschäftigungs­
losen Personen spezielle Qualifizierungsmaßnahmen an. Zielgruppe für die vom AMS beauftragten und
von BFI, WIFI und Bauakademie durchgeführten Kurse sind beschäftigungslose Personen aus dem Bauund Baunebengewerbe, sowohl Hilfs- als auch Fachkräfte. Diese sollen die Winterzeit sinnvoll zur Höherqualifikation nützen, um danach bessere Chancen am Arbeitsmarkt zu haben. Die Kursmaßnahmen ­reichen
von CAD-Schulungen über Turmdrehkran-führerInnen-Ausbildungen bis hin zu Polierausbildungen. Des
Weiteren gibt es Förderungen für Bauhandwerker in den Bauhandwerkerschulen. 49
7.6.2.3. Beschäftigungsprojekte und Maßnahmen für Alleinerzieherinnen
Alleinerhaltende bzw. Alleinerziehende Frauen sind oftmals betroffen von Teilzeitjobs, atypischen
­Beschäftigungsverhältnissen und Hilfstätigkeiten. Damit verbunden sind neben den Herausforderungen
der Kindererziehung eine meist geringe Entlohnung und die Bedrohung von „Working Poor“. Standardqualifizierungsangebote sind oftmals regional nicht gegeben beziehungsweise können von den Betroffenen
aus persönlichen Gründen (Kindererziehung etc.) nicht genutzt werden und häufig ist auch das Arbeitsplatzangebot aufgrund der verringerten Mobilität der Betroffenen nur eingeschränkt nutzbar. Hier gilt es
auf diese Zielgruppe besonders abgestimmte Maßnahmen zu entwickeln, um sowohl den Betroffenen
aber auch deren Angehörigen (Kinder!) Perspektiven und Wege aus der Armut zu bieten.
49Vgl. ÖGB Presseaussendung; Quelle: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20101007_OTS0287/gbh-kaernten-gezielte-massnahmen-gegen-die-winterarbeitslosigkeit-am-bau
53
54
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
Herausforderungen
8.Handlungsfeld
Beschäftigung und Qualifizierung
im unternehmerischen Umfeld
8.1.Herausforderungen
Die Entwicklung des Kärntner Arbeitsmarktes zeigt leider eine klare Wachstumsdifferenz zwischen ­Kärnten
und dem gesamtösterreichischen Durchschnitt auf. 50
„Diese liegt zu einem guten Teil darin begründet, dass Kärnten als exportorientiertes Bundesland traditionell stärker hin zu den südeuropäischen Exportmärkten, allen voran Italien, orientiert ist. Doch sind gerade diese Länder aktuell mit einer negativen bis klar verhaltenen Wirtschaftsentwicklung konfrontiert.
­E xportzuwächse wurden 2012 dort registriert, wo Kärnten tendenziell geringere Exportanteile aufweist
(Schweiz, Vereinigte Staaten). Andererseits war das Jahr 2013 in Kärnten von einer Zahl an größeren Insolvenzen geprägt, die zum Teil als Spätfolge der Wirtschaftskrise 2009 zu sehen sind. Darunter befanden
sich die Griffner Haus AG, die Bäckerei Legat, die MAGE Gehring GmbH, die a-Print Bogen- und Rollen­
offset Druck GmbH sowie die ELAN Sportartikelerzeugungs- und Handelsgesellschaft. Zudem kommen
noch die österreichweiten Insolvenzen der ALPINE Bau GmbH sowie der Drogeriekette Dayli respektive
­Schlecker hinzu.
In den meisten Fällen konnten jedoch Betriebsübernahmen realisiert werden und somit zumindest ein Teil
der Beschäftigten und Produktionskapazitäten gehalten werden.“ 51
Die Bedeutung von Klein- und Mittelbetrieben (KMU)
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bilden das Rückgrat der Unternehmenslandschaft und haben
­damit wesentlichen Einfluss auf die Wirtschaftsstruktur. Dies gilt für die gesamte Europäische Union
­sowie für Österreich und vor allem auch für Kärnten, wo der Anteil von KMU besonders ausgeprägt ist. Im
Jahr 2011 waren in Kärnten 20.201 KMU gemeldet, was einem Anteil von knapp 7 Prozent aller öster­
reichischen KMU entspricht. Dabei ist der Anteil von Klein- und Kleinstbetrieben mit einer Beschäftigtenzahl von 1 bis 9 Personen mit 82,4 Prozent sogar etwas über dem österreichischen Durchschnitt (81,9 %). 52
„Kleine und mittlere Unternehmen dominieren die österreichische Wirtschaft: Sie erwirtschaften 63 Prozent
des gesamten Umsatzerlöses in Österreich, beschäftigen 67 Prozent aller MitarbeiterInnen und repräsentieren 99,6 Prozent aller Unternehmen.“ 53
Industrie 4.0:
Die „vierte industrielle Revolution“ erfasst alle Produktions- und Dienstleistungsbetriebe.
Die Entwicklung geht vor allem von Kärntens wichtigstem Handelspartner Deutschland aus. In der dortigen Plattform Industrie 4.0 wurde sie folgendermaßen definiert:
50vgl. Jahresbericht 2013 des Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds zum Thema Beschäftigung- und Arbeitsmarkt
51 KWF Jahresbericht 2013, Ziel 2 EU Förderprogramm für Kärnten 2007 -2013; Das Jahr 2013, S. 7ff in: www.kwf.at
52Quelle: WKO: Klein- und Mittelbetriebe in Österreich; statistische Daten zu KMU
https://www.wko.at/Content.Node/Interessenvertretung/ZahlenDatenFakten/Klein-_und_Mittelbetriebe_in_Oesterreich.html
53Quelle: WKO: Klein- und Mittelbetriebe in a.a.O.
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
Herausforderungen
„Der Begriff Industrie 4.0 steht für die vierte industrielle Revolution, eine neue Stufe der Organisation und
Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette über den Lebenszyklus von Produkten. Dieser Zyklus orientiert sich an zunehmend individualisierten Kundenwünschen und erstreckt sich von der Idee, dem Auftrag über die Entwicklung und Fertigung, die Auslieferung eines Produkts an den Endkunden bis hin zum
Recycling, einschließlich der damit verbundenen Dienstleistungen. Basis ist die Verfügbarkeit aller relevanten Informationen in Echtzeit durch Vernetzung aller an der Wertschöpfung beteiligten Instanzen sowie
die Fähigkeit, aus den Daten den zu jedem Zeitpunkt optimalen Wertschöpfungsfluss abzuleiten. Durch
die Verbindung von Menschen, Objekten und Systemen entstehen dynamische, echtzeitoptimierte und
selbst organisierende, unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke, die sich nach unterschiedlichen Kriterien wie bspw. Kosten, Verfügbarkeit und Ressourcenverbrauch optimieren lassen.“
Für Kärnten bedeutet das enorme Herausforderungen für alle Betriebe, die die neuesten Erkenntnisse aus
der Informations- und Kommunikationstechnologie in ihren Produktions- und Dienstleistungsprozesse
umsetzen. Grundvoraussetzung dafür ist eine flächendeckende Infrastruktur (Breitbandnetze!) und die
massive Höherqualifizierung vieler Arbeitskräfte, da die zu bedienenden Systeme immer komplexer
­werden.
Entwicklung des Erwerbspotenzials in Kärnten
Wie in den meisten anderen Staaten der EU zeigt die österreichische und auch die Kärntner Bevölkerungspyramide eine zunehmende Alterung der Bevölkerung. Seit Mitte der 1970er Jahre ist ein Rückgang der
Geburtenrate zu verzeichnen, wobei diverse Zuwanderungsströme, insbesondere im Zusammenhang mit
der Jugoslawienkrise, sowohl die Bevölkerungsverluste insgesamt als auch die Tendenz zur Überalterung
zum Teil kompensieren konnten.
Das Erwerbspotenzial als die Gesamtheit der Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 Jahren ist seit den
1970er-Jahren sukzessive angestiegen und erreichte im Jahr 2003 mit rund 375.000 Personen einen Höhepunkt. Seitdem ist ein zunächst geringfügiger Rückgang beobachtbar, der sich zukünftig deutlich verstärken wird. Gemäß dem Hauptszenario der Statistik Austria Bevölkerungsprojektion wird das Kärntner Erwerbspotenzial im Jahr 2030 rund 330.000 Personen betragen, was einem Rückgang von rund 10 Prozent
gegenüber dem heutigen Stand entspricht. Die Altersstruktur des Erwerbspotenzials weist zudem eine
deutliche Zunahme der über 49-Jährigen auf. Daraus lässt sich auch eine zunehmende Bedeutung im Bereich der Weiterbildung im Segment der „älteren ArbeitnehmerInnen“ als Ansatzpunkt für die Erneuerung
der Qualifikationsstruktur ableiten. 54
Im Hinblick auf das Qualifikationsniveau innerhalb der Erwerbsbevölkerung wird laut Prognose
„der Anteil der Personen, die formale Bildungsabschlüsse ohne Matura vorweisen, zwar zurückgehen, mit
gegenwärtig rund 78 Prozent sowie 70 Prozent im Jahr 2021 und 61 Prozent im Jahr 2031 aber weiterhin
sehr hoch bleiben. Man kann davon ausgehen, dass gerade für diese Gruppe die Bedeutung der Anpassungs-, aber auch Höherqualifizierung durch Weiterbildung ein wesentlicher Faktor ihrer ‚Employability‘
sein wird.“ 55
54Vgl. IBW 2012: a.a.O., S. 40
55IBW 2012: a.a.O., S. 42
55
56
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C1: Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Kärntner Unternehmen durch Qualifizierung von Beschäftigten
8.2.Strategische Ziele im Handlungsfeld
Aus der Bestandsaufnahme im vorigen Abschnitt ergeben sich drei wesentliche strategische Zielsetzungen im Handlungsfeld „unternehmerisches Umfeld“:
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Kärntner Unternehmen durch Qualifizierung
von Beschäftigten
Stärkung der wirtschaftlichen Dynamik und Innovationsfähigkeit durch Unterstützung
von Kleinstunternehmen und Ein-Personen-Unternehmen (EPU)
Demografischer Wandel: Unterstützung der Betriebe im Umgang mit älteren
ArbeitnehmerInnen
In den Kapiteln 8.3. bis 8.5. werden diese näher beschrieben.
8.3.
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der
Kärntner Unternehmen durch Qualifizierung von Beschäftigten
8.3.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
Die bereits aufgezeigte Alterungsentwicklung des Erwerbspotenzials beinhaltet nicht zuletzt vielfältige
Herausforderungen in Bezug auf die Aufrechterhaltung von Motivation, Gesundheit und daher gerade
auch hinsichtlich des Generationen-Managements der Unternehmen. Eine besonders hohe Bedeutung
kommt dabei auch der Anpassungsqualifizierung und somit den kontinuierlichen Weiterbildungsprozessen von Beschäftigten zu.
„So sind laut Schätzungen des europäischen Arbeitgeberverbandes UNICE (2000) auf EU-Ebene etwa 80
Prozent der eingesetzten Technologien nicht älter als 10 Jahre – dagegen wurden etwa 80 Prozent der
­beruflichen Aus- und Weiterbildungsleistungen vor mehr als 10 Jahren getätigt. Dies bedeutet aber, dass
der überwiegende Teil der berufsrelevanten Kenntnisse und Fertigkeiten zu einem Zeitpunkt vermittelt
wurde (und daher auch auf einen technologischen Stand bezogen ist), der nicht dem aktuellen technologischen Entwicklungsniveau entspricht.“ 56
Für Kärnten gehen die StudienautorInnen des ibw von einer ähnlichen Konstellation aus, da bei der Hälfte
der Kärntner Erwerbstätigen im Produktionssektor der Zeitpunkt, zu dem sie ihren höchsten formalen
Bildungsabschluss erzielten, 19 Jahre oder sogar noch länger zurückliegt. „Bei etwa 70 Prozent aller im
Kärntner Produktionssektor Beschäftigten liegt der formal höchste Ausbildungsabschluss mehr als 10 Jahre
zurück.“ 57
Gleichzeitig ist zu beachten, dass angesichts von technologischer Entwicklung und zunehmender Internationalisierung aktualisierte Qualifikationen und Kompetenzen von MitarbeiterInnen die wesentlichen
­Faktoren für den Erfolg und die Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen darstellen.
Ansatzpunkte im Bereich der Qualifizierung von Beschäftigten
Neben der Zielgruppe der Arbeitsuchenden werden auch in Beschäftigung stehende Personen durch unterschiedliche Förderprogramme und Fördergeber zur Höherqualifizierung adressiert.
56IBW 2012 a.a.O., S77
57IBW 2012 a.a.O., S. 77f
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C1: Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Kärntner Unternehmen durch Qualifizierung von Beschäftigten
8.3.2. Maßnahmenbeispiele
zur Unterstützung des strategischen Zieles
8.3.2.1. Qualifizierungsförderung für Beschäftigte des Arbeitsmarktservice (QBN, vormals QfB)
Das Arbeitsmarktservice bietet maßgeschneiderte Instrumente zur Personalentwicklung an. Das Arbeitsmarktservice (AMS) fördert mit dieser Beihilfe die Kosten für Weiterbildungen von gering qualifizierten
und älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, um diese stärker in betriebliche Weiterbildungs­
aktivitäten einzubeziehen. Damit sollen die Beschäftigungsfähigkeit und Arbeitsplatzsicherheit sowie die
Berufslaufbahn und Einkommenssituation dieser Personengruppe verbessert werden.
Sofern die Ausbildung zu einem vom AMS vordefinierten arbeitsmarktpolitischen Ziel beiträgt, sind
­folgende Personen förderbar:
ArbeitnehmerInnen mit höchstens Pflichtschulabschluss, ArbeitnehmerInnen mit Lehrabschluss beziehungsweise Abschluss einer Berufsbildenden mittleren Schule, ArbeitnehmerInnen mit höherer Ausbildung als Pflichtschulabschluss, die das 45. Lebensjahr vollendet haben.
8.3.2.2. Qualifizierung für Betriebe durch das Land Kärnten
Das Land Kärnten fördert in seinem zur AMS Qualifizierungsförderung für Beschäftigte komplementären
Förderungsprogramm ausschließlich die Weiterbildung von MitarbeiterInnen in Verbindung mit einer
­Betriebsneuansiedlung/Standorterweiterung in Kärnten und/oder einer nachweisbaren Produkt- oder
Technologieinnovation. Förderwerber sind somit die Betriebe und nicht die Personen. Innerhalb dieses
Programmes werden Frauen mit zumindest Maturaabschluss und Männer mit zumindest abgeschlossener
Lehre bis zu einer Altersgrenze von 45 Jahren gefördert.
Mit der Qualifizierungsförderung unterstützt das Land Kärnten wichtige Maßnahmen für jene Betriebe und
MitarbeiterInnen, die erkannt haben, wie wichtig die ständige Weiterbildung im Sinne der Aufrechterhaltung ihrer Beschäftigungsfähigkeit ist.
Darüber hinaus unterstützt auch der Kärntner Wirtschaftsförderungs Fonds (KWF) Fort- und Weiter­
bildungsaktivitäten von UnternehmerInnen, zum Beispiel im Rahmen des „Kleinstunternehmer­pro­gramms“.
Qualifizierung bei Betriebsansiedlung
Ein wichtiger Aspekt geplanter Wirtschaftsentwicklung bezieht sich auf den Bereich Betriebsansiedlungen
und Betriebsstandorte. Ziel dabei ist es, Betriebe, die sich in Kärnten ansiedeln beziehungsweise ihren
Standort erweitern wollen, zu unterstützen und ihnen damit den Start zu erleichtern. Das Land Kärnten
fördert in seinem Komplementärprogramm zum AMS ausschließlich die Weiterbildung von MitarbeiterInnen in Verbindung mit einer Betriebsneuansiedlung/ Standorterweiterung in Kärnten und/oder einer nachweisbaren Produkt- oder Technologieinnovation. Förderwerber sind somit ausschließlich die Betriebe und
nicht die Personen.
Qualifizierung für den Einsatz neuer Technologien
Die langfristigen und strategischen wirtschaftspolitischen Ziele für Kärnten sind in der von der Landes­
regierung beschlossenen „Vision Kärnten 2020“ dargelegt. Dabei wird der Schwerpunkt auf Innovationen
als Quellen der Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit sowie des wirtschaftlichen Wachstums einer Region
gelegt. Die Planung und Ausrichtung der Förderungen erfolgt auf der Basis dieses Strategiepapiers in
­Absprache mit dem KWF, dem AMS und weiteren Förderstellen.
57
58
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C1: Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Kärntner Unternehmen durch Qualifizierung von Beschäftigten
Durch die EU-Erweiterung liegt Kärnten in einer wirtschafts-, wachstums- und innovationsstarken Region.
In Kärnten gibt es viele Unternehmen in den Bereichen Mikroelektronik, Informations- und Kommunika­
tions­technologien und nachhaltige Technologien. Die förderpolitische Zielsetzung lautet dahingehend,
­geeignete Rahmenbedingungen für die innerbetriebliche Forschung zu schaffen, Kooperationen zu stärken
und dadurch die Innovationsfähigkeit der Unternehmen zu steigern.
Die Strategie des Landes Kärnten sieht vor, die Innovationsneigung wie auch die Quote der Forschung und
Entwicklung insbesondere bei Klein- und Mittelbetrieben zu erhöhen. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit
der Unternehmen zu erhöhen und die Technologieführerschaft in den ausgewählten Bereichen zu erreichen. Die Qualifizierungsförderung ist darauf ausgelegt, Forschung und Entwicklung zu fördern.
8.3.2.3. Bildungsförderung für ArbeitnehmerInnen
Das Land Kärnten leistet im Rahmen der ArbeitnehmerInnenförderung diverse Transferleistungen. Diese
reichen von der Förderung der Errichtung und des Betriebes von Lehrwerkstätten über Wohnkosten­
zuschüsse für Lehrlinge bis hin zu einer Förderung der Umschulung und Weiterbildung von ArbeitnehmerInnen. Die gesetzliche Grundlage der Arbeitnehmerförderung des Landes Kärnten bildet das Kärntner
Arbeitnehmer- und Weiterbildungsförderungsgesetz (K-AWFG) sowie die auf dessen Grundlage basierende Richtlinie der Kärntner Landesregierung zur Gewährung von Förderungsmitteln im Rahmen des K-AWFG
über die Förderung von ArbeitnehmerInnen und Weiterbildung in Kärnten.
Ziel des K-AWFG ist es, die Teilnahme der in Kärnten wohnhaften ArbeitnehmerInnen an der fortschreitenden Entwicklung der österreichischen Volkswirtschaft zu sichern, entstehende Nachteile und Belastungen
auszugleichen sowie die Mobilität und Weiterbildung der ArbeitnehmerInnen zu fördern.
Zur Erreichung dieses Zieles unterstützt das Land Kärnten Maßnahmen, um die Nachteile und Belastungen
der ArbeitnehmerInnen durch die Arbeitsmarktstruktur und sonstigen Ursachen auszugleichen oder zu
vermeiden.
Ein wesentlicher Punkt ist die Förderung der berufsbezogenen Qualifizierung und Weiterbildung von
­ArbeitnehmerInnen.
Um die Herausforderungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels besser bewältigen zu
können, soll die Weiterbildung lebensbegleitend gefördert werden. Insbesondere soll es laufend Verbesserungen und einen Ausbau der Mobilität der Kärntner ArbeitnehmerInnen geben. Dabei sollen zunehmend auch Umweltaspekte mitberücksichtigt werden. Im Bereich der Bildungsförderung gilt es außerdem,
eine Schwerpunktsetzung vorzunehmen, um auf diese Weise gezielt Schwachstellen des Arbeitsmarktes
kompensieren zu können.
Das Land Kärnten bekennt sich zur gemeinsamen Weiterentwicklung der Kärntner Arbeitnehmerförderung.
Damit soll gewährleistet bleiben, dass die Teilnahme der in Kärnten wohnhaften ArbeitnehmerInnen an der
fortschreitenden Entwicklung der österreichischen Volkswirtschaft gesichert bleibt.
Qualifizierungsförderung für niedrig Qualifizierte
In einigen Branchen (z. B. in der Baubranche) erwerben niedrig qualifizierte beziehungsweise bildungs­
ferne Personen (Hilfskräfte) häufig Qualifikationen oder Teile davon informell. Im Rahmen von bereits erprobten Methoden können diese (nicht zertifizierten) Kompetenzen formal anerkannt werden und daran
anknüpfend kann den adressierten Personen, etwa nach einer ergänzenden Aus- und Weiterbildung, die
Möglichkeit eines Berufs- beziehungsweise Lehrabschlusses gegeben werden. Damit könnte ein Beitrag
gegen den vielzitierten Fachkräftemangel geleistet werden, der auch zu einer Höherqualifizierung von ­­an-
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C1: Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Kärntner Unternehmen durch Qualifizierung von Beschäftigten
und ungelernten Hilfskräften führt. Im Fall von fehlenden Grundkompetenzen könnte das Länder-Bund-Förderprogramm „Initiative Erwachsenenbildung“ die entsprechenden Bildungsmaßnahmen kostenlos anbieten.
8.3.2.4. Fachkräfte im Tourismus
Bedingt durch den demografischen Wandel ist mittel- bis langfristig von einem steigenden Bedarf an Fachkräften im Tourismus auszugehen. Dieses Beschäftigungssegment enthält insbesondere für BerufseinsteigerInnen große Chancen, da in dieser Branche das Zahlenverhältnis von Lehrstellenangeboten zu Lehrstellensuchenden für die zuletzt genannten sehr günstig ist. Der hohe Bedarf an jungen Fachkräften soll
als Chance für jene Jugendlichen genutzt werden, die beim Ersteinstieg in das Berufsleben (noch) nicht Fuß
fassen konnten. Durch lehrvorbereitende Maßnahmen, durch das Nachholen von formalen Bildungsabschlüssen und durch konkrete Arbeitsprojekte sollen Jugendliche „fit“ für die Lehre im Tourismus gemacht
werden. Die hohe Nachfrage in der Gastronomie und Hotellerie ist eine Chance für unsere Jugend speziell
in ländlichen Regionen.
8.3.2.5. Fachkräfte im Gewerbe
Facharbeiterausbildung verbindet man traditionell auch mit der Ausbildung im Handwerk und Gewerbe.
Neben der in den letzten Jahren sogar steigenden Lehrlingsausbildung in den Kärntner Industriebetrieben
bilden auch viele Klein- und Mittelbetriebe als Lehrbetriebe die FacharbeiterInnen von morgen aus. Die
Vorstellung von der Berufswelt ist bei Jugendlich der 8. und 9. Schulstufe oftmals anders ausgebildet als
bei Erwachsenen. Trotz der zahlreichen Maßnahmen im Bereich der Bildungs- und Berufsorientierung fehlen häufig konkrete Vorstellungen über die Realität der Berufswelt. Das Nachholen von formalen Abschlüssen im dualen Ausbildungssystem soll sogenannten „Early School Leavers“ und Personen, die der Gruppe
der „NEET“ zugeordnet sind, ermöglicht werden. Junge Menschen haben eine Zukunft, sowohl im Zentralraum als auch in den Regionen. Das Angebot einer „Zweiten Chance“ soll einen ehestmöglichen Einstieg
in die Berufswelt sicherstellen. Damit verbunden ist darüber hinaus, dass der Fachkräftebedarf trotz der
allgemeinen demografischen Entwicklung nachhaltig erfüllt werden kann.
8.3.2.6. Lehre mit Matura, Heimkostenförderung
Das Land Kärnten hat im Rahmen des dualen Ausbildungsweges der Lehre im Schuljahr 2005/06 das Pilotprojekt „Lehre mit Matura“ gestartet. Das Ausbildungskonzept wurde unter der Leitung des Landesschulrates für Kärnten gemeinsam mit dem Amt der Kärntner Landesregierung und der Fachberufsschule
St. Veit an der Glan erstellt. Das Konzept sah vor, dass ergänzend zur dualen Berufsausbildung auch Vorbereitungslehrgänge für die Berufsreifeprüfung während der Ausbildungszeit besucht werden können.
Damit soll Jugendlichen ermöglicht werden, innerhalb von vier Jahren sowohl einen Lehrberuf als auch die
Berufsreifeprüfung zu absolvieren. Gestartet wurde das Projekt in der Fachberufsschule Spittal an der
Drau mit der SPAR-Akademie und in der Fachberufsschule St. Veit an der Glan mit den Lehrberufen im
­Bereich Metall sowie dem Lehrberuf VerwaltungsassistentIn.
Die guten Erfahrungswerte an den zwei Standorten gaben den Anlass, das Ausbildungsmodell mit dem
Schuljahr 2007/08 auszuweiten und die „Lehre mit Matura“ flächendeckend und kostenlos für alle Lehrberufe in Kärnten anzubieten. Die Finanzierung kam zu diesem Zeitpunkt zur Gänze aus den Ressourcen des
Landes Kärnten. Aufgrund einiger Erneuerungen im Berufsreifeprüfungsgesetz im Jahr 2008 und des n
­ euen
Förderprogramms des BM „Berufsmatura: Lehre mit Reifeprüfung“ wurde das Kärntner Pilotprojekt „Lehre
mit Matura“ den Richtlinien entsprechend adaptiert und als fixes Modell in Kärnten institutio­nalisiert.
59
60
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C2: Stärkung d. wirtschaftl. Dynamik u. Innovationsfähigkeit durch Unterstützung v. Kleinstunternehmen u. Ein-Personen-Unternehmen (EPU)
Die duale Ausbildung ist ein zentrales Anliegen um den Fachkräftebedarf in Kärnten nachhaltig abzu­
sichern. Die Lehrabschlussprüfung verbunden mit der Berufsreifeprüfung ist ein wichtiger Schritt zur
Durchlässigkeit von Ausbildungssystemen. Damit stehen den Facharbeitern unmittelbar weitergehende
formale Ausbildungsabschlüsse (Hochschule etc.) offen.
Die Heimkostenförderung unterstützt Jugendliche, die für den Aufenthalt in den Fachberufsschulen ­vorüber­­gehend einen Heimplatz benötigen. Insbesondere Jugendlichen aus einkommensschwachen ­Familien soll
damit die Ausbildung in den gewünschten Berufen erleichtert werden.
8.4.
Stärkung der wirtschaftlichen Dynamik und Innovations
fähigkeit durch Unterstützung von Kleinstunternehmen und
Ein-Personen-Unternehmen (EPU)
8.4.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
Unternehmensgründungen als „Wirtschaftsmotor“
Vor allem in Zeiten einer angespannten Arbeitsmarktlage findet das Potenzial neu gegründeter Betriebe,
zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, eine besondere Beachtung. So wurde in den letzten Jahren dem
Thema Unternehmensgründung vor allem aus wirtschafts- und regionalpolitischem Blickwinkel eine wachsende Aufmerksamkeit zuteil, wobei viele Anstrengungen und Hoffnungen in das Gründungsgeschehen
gelegt werden. Von verschiedener Seite wird dem Thema Unternehmensgründungen eine Schlüsselrolle
für die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Volkswirtschaft zugeschrieben, da Gründungen Wachstum
und Beschäftigung schaffen würden.
So findet sich in der Aussage des Wirtschaftsblattes vom 3. Februar 2013 folgende Passage:
„Die Neugründungen heuer bringen direkt und über Folgeeffekte 8,7 Milliarden e an Wertschöpfung, was
2,8 Prozent des BIP entspricht. Auch der Beschäftigungseffekt ist enorm spürbar: Je neu gegründetem
Unternehmen entstehen sieben neue Arbeitsplätze – 3,1 direkt und der Rest durch Vorleistungsverflechtungen sowie Kaufkrafteffekte. Bezogen auf die Gründerstatistik werden also 2014 knapp 200.000 Arbeitsplätze den Neugründungen des Jahres 2013 zu verdanken sein ...“
Diesen optimistischen Einschätzungen entsprechen zunächst auch die Zahlen, die sowohl in Österreich
insgesamt als auch in Kärnten steigende Gründungszahlen ausweisen:
Tab. 5: Unternehmensgründungen in Österreich und Kärnten zwischen 1993 und 201358
Österreich
Kärnten
1993
2003
2013
14.613
28.322
36.947
990
1.725
2.515
Die Tabelle zeigt, dass sich die Gründungszahlen im Zeitraum von 20 Jahren sowohl in Österreich als auch
in Kärnten nahezu verdreifacht haben, wobei die Zunahme in Kärnten geringfügig stärker ausfiel.
„Das Gründungsgeschehen zeigte sich in Kärnten 2013 äußerst dynamisch. Die Gründungsintensität ist mit
4,5 Unternehmensgründungen je 1.000 Einwohner klar gestiegen und lag knapp über der österreichweiten
58Quelle: WKO: Gründungsstatistik; in: http://wko.at/statistik/Extranet/Neugr/ng2013v-gesamt.pdf
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C2: Stärkung d. wirtschaftl. Dynamik u. Innovationsfähigkeit durch Unterstützung v. Kleinstunternehmen u. Ein-Personen-Unternehmen (EPU)
Gründungsintensität von 4,4. Nach Bezirken zeigte sich mit 515 Neugründungen und einer Gründungsintensität
von 5,4 Gründungen je 1.000 Einwohner Klagenfurt (Stadt) erneut als gründungsstark. Die ­höchste Gründungsintensität wies Wolfsberg mit 299 Neugründungen und 5,6 Neugründungen je 1.000 Einwohner aus.“ 59
Das Gründungsgeschehen als differenziertes Phänomen
In sich ist das Gründungsgeschehen aber ein durchaus differenziertes Phänomen, wobei vor allem die Zahl
der sogenannten Ein-Personen-Unternehmen zunimmt, also derjenigen Selbständigen, die ohne weitere
Beschäftigte in ihren Wirtschaftsbetrieben tätig sind.
Abb. 6: Statistik zur Unternehmensdemografie
Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Statistik zur Unternehmensdemografie. Stand der Daten: Juni 2014. Erstellt am 15.07.2014
Um entsprechende über einen Einzelarbeitsplatz hinausgehende Effekte am Arbeitsmarkt zu bewirken,
müsste es den EPU gelingen, zunächst den eigenen Fortbestand in der Selbstständigkeit zu sichern, darauf aufbauend Wachstumspotenziale zu nutzen und in der Folge zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.
Dahingehende Einschätzungen seitens der GründerInnen selbst fallen sehr zurückhaltend aus. Für K
­ ärnten
erhob die Wirtschaftskammer einen Anteil von 28 Prozent der EPU, die in Erwägung zogen, MitarbeiterInnen einzustellen. 43 Prozent planten keine Erweiterung ihrer Geschäftstätigkeit und der Zahl ihrer MitarbeiterInnen und 15 Prozent gaben an, ihr Unternehmen schließen zu müssen. 60 Daraus ergibt sich, dass
die zunehmende Tendenz zu den Ein-Personen-Unternehmen trotz hoher Gründungsdynamik dazu führt,
dass die Erwartungen im Hinblick auf die Ausweitung der Beschäftigung kaum in dem in verschiedenen
­Medienberichten genannten Ausmaß erfüllt werden können. Dem entspricht auch, dass die Zahl der mit
einer Unternehmensgründung entstehenden Arbeitsplätze anteilsmäßig zurückgeht.
59KWF Jahresbericht 2013: S.9, in: http://www.kwf.at/downloads/deutsch/Jahresberichte/KWF_Das_Jahr_2013.pdf
60Wirtschaftskammer Kärnten 2012: EPU, Ein-Personen-Unternehmen, Klagenfurt, S. 3
61
62
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C2: Stärkung d. wirtschaftl. Dynamik u. Innovationsfähigkeit durch Unterstützung v. Kleinstunternehmen u. Ein-Personen-Unternehmen (EPU)
Nachhaltigkeit von Gründungen
Viele Gründer weisen eine zehn- oder 15-jährige Berufserfahrung auf, haben Kontakte und wagen den
Sprung, sich selbstständig zu machen. Je besser Kontakte und Eigenkapitalausstattung sind, desto größer
ist auch die Chance, auf dem Markt zu überleben. In den ersten drei Jahren entscheidet sich im Regelfall,
ob sich ein Unternehmen durchsetzt. Während knapp 80 Prozent der neugegründeten Unternehmen die
ersten drei Jahre überstehen, scheitert das restliche Fünftel der Neugründungen im Verlauf dieses
­kritischen Zeitraumes.
Besonders gefährdet sind aufgrund meist dürftiger personeller und finanzieller Ressourcen Klein- und
Kleinstunternehmen. Nachfolgende Grafik gibt eine Übersicht über die Schwierigkeiten und deren ­Ausmaß,
mit denen sich GründerInnen unmittelbar nach vollzogenem Schritt in die Selbstständigkeit konfrontiert
sehen:
Abb 7: Schwierigkeiten in der Gründungsphase 61
61 Quelle: L&R Datafile ‚Befragung UGP 2013‘, 2013; gewichtete Stichprobe; Interviews n=837; n miss=2;
Wirtschaftsabschnitt und Rechtsform: Teilgruppen mit einer Größe von n<26 werden nicht dargestellt;
Arbeitszeit/Woche: nur aktuelle aktive UnternehmerInnen, n=676, n miss=12
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C2: Stärkung d. wirtschaftl. Dynamik u. Innovationsfähigkeit durch Unterstützung v. Kleinstunternehmen u. Ein-Personen-Unternehmen (EPU)
Auffällig ist weiterhin die enorme Heterogenität der Selbstständigkeit mit Blick auf Wirtschaftssektoren,
Arbeitszeiten und Einkommen. „Die Spanne reicht von überdurchschnittlich privilegierten Sozialpositionen einerseits bis in armutsnahe Bereiche andererseits. Auch das Phänomen der Mehrfachbeschäftigung
spielt eine Rolle.“ 62 Bögenhold und Fachinger 63 erkennen fünf in ihren Auswirkungen zusammenhängende
und problematische Trends im Gründungsgeschehen der letzten Jahre:
Zunahme der Mikroselbstständigkeit
Steigender Anteil der „Kleinstselbstständigen“ (Solo-Selbstständige ohne weitere Beschäftigte in ihren
wirtschaftlichen Unternehmungen) innerhalb der Gesamtzahl der neugegründeten Unternehmen.
Erhöhte Unstetigkeit
Zunehmend häufigere Wechsel zwischen abhängiger und selbstständiger Beschäftigung sowie auch
­zwischen Arbeits- und Auftragslosigkeit. Hier entstehen tendenziell neue Formen von Erwerbskarrieren,
die ein hohes Maß an Unsicherheit verbunden mit einem teilweise hohen materiellen Risiko beinhalten.
Destandardisierung und Mobilität
Darunter verstehen die Autoren große Unterschiede hinsichtlich der Soziallagen der selbstständig
­Erwerbstätigen, die beispielsweise in einer großen Bandbreite der wöchentlichen Arbeitszeiten zum
­Ausdruck kommen. So liegen einerseits viele Arbeitszeiten im Bereich von deutlich mehr als 40 Wochen­
stunden, andererseits finden sich auch erhebliche Anteile von nur einigen wenigen Wochenstunden.
Erwerbshybridisierung
Damit ist gemeint, dass parallel zu den verschiedenen Phasen von abhängiger Erwerbstätigkeit und
Selbstständigkeit auch Mehrfachbeschäftigungen und Kombinationen verschiedener Anstellungsverhältnisse zeitgleich vorzufinden sind.
Erwerbsprekarisierung
Unter Erwerbsprekarisierung verstehen die Autoren, dass die Einkommen aus Erwerbsarbeit in Armuts­
nähe sind. Es muss dabei auch berücksichtigt werden, dass die Einkommensspreizung erheblich ist, nämlich von Kleinsteinkommen bis zu weit überdurchschnittlichen Einkommen. Es ist zu vermuten, dass eine
­beträchtliche Zahl der „neuen Selbstständigen“ zum Kreise derer gehören dürfte, aus denen sich in Folge
von Prekarisierung erheblich gestiegene Insolvenzen rekrutieren.
Teile dieser Erwerbstätigen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Phänomen des „Working
Poor“, so dass sich unter anderem die Frage stellt, inwieweit bei dieser Form von Selbstständigkeit ­Formen
eines modernen Tagelöhnertums zu beobachten sind.
Prinzipiell lässt sich konstatieren, dass eine erhebliche Zunahme sozialer Mobilität in die und aus der
­Erwerbskategorie der Selbstständigkeit vorliegt.
62IfS Discussion Paper 01/2012 Unternehmertum: Unterschiedliche Facetten selbstständiger Berufstätigkeit Dieter Bögenhold
und Uwe Fachinger, Website des Instituts für Soziologie der AAU Klagenfurt, www.aau.at
63Bögenhold Dieter, Fachinger Uwe: a.a.O. Operationelles Programm des ESF 2014 - 2020, Prioritätsachse 2: a.a.O.
63
64
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C2: Stärkung d. wirtschaftl. Dynamik u. Innovationsfähigkeit durch Unterstützung v. Kleinstunternehmen u. Ein-Personen-Unternehmen (EPU)
Ansatzpunkte zur Unterstützung von EPU
Aus vielen Studien weiß man, dass gerade die ersten Jahre nach dem Gründungsschritt entscheidend für
die weiteren Überlebenschancen vieler neu gegründeter Unternehmen sind. „Bisherige Unterstützungs­
angebote fokussieren vorwiegend auf die Phase der Unternehmensgründung. Treten später Probleme auf
und ist die Existenzsicherung nicht mehr durch die selbstständige Tätigkeit gewährleistet, dann fehlen
arbeitsmarktpolitische Unterstützungsangebote.“
64
Die Bewältigung der Hürden und Schwierigkeiten
­(siehe Abb. 7) hängt in einem großen Ausmaß von den Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der
­GründerInnen selbst ab, darüber hinaus sind aber auch Umfang und Inhalt der verfügbaren Beratungsund Unterstützungsangebote nicht zu vernachlässigen. Insbesondere sollte ein inhaltlich differenziertes
Coachingprogramm nach der Gründung dazu beitragen, die Überlebenswahrscheinlichkeit von EPU zu
­erhöhen. Dass ein bestimmter Prozentsatz der neu gegründeten Unternehmen nach gewisser Zeit wieder
stillgelegt werden muss, kann viele Gründe haben und ist auch durch begleitende Unterstützungsmaß­
nahmen nicht gänzlich zu verhindern.
Mit der Stilllegung eines EPU stehen die GründerInnen in der Folge häufig ohne existenzsichernde
­Beschäftigung da. Verschärft wird diese Situation durch den Umstand, dass vielfach kein Anspruch auf
Bezug der Arbeitslosenunterstützung gegeben ist. Damit die Betroffenen aus den Erfahrungen eine positive Lehre ziehen, darüber hinaus einen aussichtsreichen Plan für einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt ent­wickeln oder eventuell eine verbesserte Neugründung vornehmen können, sind spezifische Auffangmaßnahmen notwendig. Ähnlich formulieren auch die AutorInnen des IHS – POLICY BRIEF, Nr. 9,
August 2014 ihre Aufforderung, sich um eine Verbesserung des Images der UnternehmerInnen in der Gesellschaft zu bemühen: „Wesentlich dabei ist, dass das soziale Stigma des Scheiterns in Zukunft verstärkt
durch eine Kultur der zweiten Chance ersetzt wird.“ 65
8.4.2.Maßnahmenbeispiele
zur Unterstützung des strategischen Zieles
8.4.2.1. Beratung und Begleitung von EPU
Die Programme auf Bundes und Landesebene für EPU und Kleinstunternehmen sind meist auf die Gründungsphase konzipiert. Viele dieser Unternehmen befinden sich jedoch am 3 – 5 Jahr nach der Gründung
in einer kritischen Phase. Durch die Entwicklung von Maßnahmen, die insbesondere Beratungselemente
aber auch den Aufbau von Netzwerken enthalten, sollen folgende Ziele erreicht werden:
• Verhinderung eines frühzeitigen Scheiterns von EPU-(Neu)Gründungen
• Verlängerung des Fortbestandes bestehender EPU
• Sicherstellung eines bedarfsgerechten Beratungs- und Begleitungsangebotes für bestehende
und neu gegründete EPU
• Abstimmung von durch unterschiedliche Organisationen gewährten Fördermöglichkeiten für
EPU (Investitionen, Qualifizierung, Beratung, Begleitung)
• Spezifische Weiterbildungsangebote im Bereich der häufig fehlenden kaufmännischen Kennt­nisse.
Zwar sind die Beratungsangebote für GründerInnen zumeist gut aufgebaut, häufig fehlt es jedoch
64Operationelles Programm des ESF 2014 - 2020, Prioritätsachse 2: a.a.O.
65Christian Keuschnigg, Brigitte Ecker, Richard Sellner 2014: IHS – POLICY BRIEF, Nr. 9, August 2014
Bildung, Innovation und Strukturwandel für eine Spitzenstellung Österreichs, Wien.
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C3: Demografischer Wandel – Unterstützung der Betriebe im Umgang mit älteren ArbeitnehmerInnen
an günstigen und zeitlich flexiblen Kursangeboten im Bereich der kaufmännischen Kenntnisse.
Sinnvoll erscheint die Entwicklung eines „Gründerkollegs“, in dem innerhalb weniger ­Wochen relevantes Wissen im Bereich Kalkulation, Aufzeichnungen, Buchhaltung etc. erworben werden könnte.
8.4.2.2. Maßnahmen für stillgelegte/gescheiterte EPU
Gescheiterte Ein-Personen-Unternehmen und Personen aus atypischen Beschäftigungsverhältnissen
sind verstärkt von Armut bedroht, da sie oftmals auch keine kurzfristigen Sozialtransferleistungen erhalten. Bei der Entwicklung der Maßnahmenprogramme muss ergänzend berücksichtigt werden, dass diese
Personen auch oftmals nicht als aktiv arbeitsuchend erfasst sind.
Folgende Ziele gilt es zu erreichen:
• eine (berufliche) Aus- und Weiterbildung mit anschließendem Wechsel beziehungsweise Rückkehr in eine unselbstständige Beschäftigung
• nach entsprechender Analyse der prinzipiellen Tragfähigkeit der Geschäftsidee eventuell ein
Neustart mit Hilfe der unter 8.4.2.1 angeführten Unterstützungsangebote
8.5.
Demografischer Wandel – Unterstützung der Betriebe
im Umgang mit älteren ArbeitnehmerInnen
Die Auswirkungen des demografischen Wandels sind auf allen Ebenen der Gesellschaft spürbar. Das Bundesland Kärnten ist davon in besonderer Weise betroffen. So zählte Kärnten zu Beginn des Jahres 2012 mit
einem Wert von 19,5 Prozent zu jenen Bundesländern mit dem höchsten Anteil an Personen über 64 Jahren. 66
Im Gegenzug kommt es nach der mittleren Variante der Bevölkerungsprognose von 2012 bis 2030 zu ­einem
Rückgang des Anteils der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (20-64 Jahre) von 60,9 auf 54,7 Prozent
und jenem der unter 20-Jährigen von 19,5 auf 17,5 Prozent.
Im Bereich der älteren ArbeitnehmerInnen sind ebenfalls massive Veränderungen zu erwarten:
Laut Prognosen werden ab dem Jahr 2015 über die Hälfte der erwerbstätigen Personen in Österreich über
40 Jahre alt sein. 67 In den letzten 12 Jahren ist in Österreich der Anteil der Quote Erwerbstätiger ebenfalls
im Alter von 55 bis 64 Jahre um 16,4 Prozent gestiegen
68
und belief sich im Jahr 2013 auf 44,9 Prozent.
Dieser Wert liegt unter dem EU(27)-Schnitt von 50,3 Prozent. 69 Neben demografischen Gründen wirkt sich
auch der eingeschränkte Zugang zu Frühpensionierungen aus. Noch nie waren so viele Menschen über 50
beschäftigt wie heute.
66vgl. Statistik Austria, 2012, eigene Berechnungen
67vgl. Statistik Austria 2015
68Anstieg der Zahlen im Vergleich Österreich 2001 mit 28,5 % auf 2013 mit 44,9 %, im Vergleich zum EU (27)-Schnitt 2001 mit
37,7 % auf 2013 mit 50,3 % (vgl. Eurostat 2014: o.S.)
69vgl. Eurostat 2014
65
66
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C3: Demografischer Wandel – Unterstützung der Betriebe im Umgang mit älteren ArbeitnehmerInnen
Abb. 8: Bestand unselbstständig Beschäftigter (45+ im Detail) Kärnten 2000 - 2014 in absoluten Zahlen
Quelle: Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) und Hauptverband der Sozialversicherungsträger Österreich (HVS),
Darstellung IFA Unternehmensberatung
Diese Veränderungen in Bezug auf die Altersstruktur der (Erwerbs-)Bevölkerung erfordert nicht nur ein
politisches, sondern auch ein gesellschaftliches Umdenken. Menschen werden zukünftig länger als bisher
erwerbstätig sein müssen.
Somit gilt es sowohl auf politischer Ebene (Gesetzesanpassungen) als auch auf betrieblicher Ebene
­(Personalpolitik) Maßnahmen zu setzen, damit es künftig gelingt,
• ältere ArbeitnehmerInnen länger gesund in Beschäftigung zu halten,
• ältere ArbeitnehmerInnen in Beschäftigung zu bringen.
Vor allem Unternehmen benötigen entsprechende Unterstützungsangebote, um die Qualität und die
­Quantität des Humankapitals in Kärnten längerfristig halten zu können.
Im folgenden Kapitel wird speziell der Umgang mit älteren ArbeitnehmerInnen, also das aktive und
­gesunde Altern im Betrieb, und die dafür notwendigen Maßnahmen näher behandelt.
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C3: Demografischer Wandel – Unterstützung der Betriebe im Umgang mit älteren ArbeitnehmerInnen
8.5.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
Um das Ziel, ältere ArbeitnehmerInnen gesund und aktiv in Beschäftigung zu halten zu erreichen, müssen
auf politischer und betrieblicher Ebene entsprechende Unterstützungsmaßnahmen und -angebote für
­Unternehmen bereitgestellt werden.
Beispiele für Maßnahmen auf politischer Ebene:
• Maßnahmen im Bereich Beschäftigungsförderung Älterer: Bundesprogramm
„Förderinitiative 50+“
• Präventive Arbeitsmarktpolitik: Beratung von Betrieben und DienstnehmerInnen
(z. B. Projekt fit2work) und Qualifizierungsförderung für Beschäftigte (45+)
Beispiele für Maßnahmen auf betrieblicher Ebene
„Arbeit alleine erhält die Arbeitsfähigkeit nicht!“ 70
Im Hinblick auf das Altern der Erwerbsbevölkerung wird die Schaffung von alter(n)sgerechten Arbeits­
plätzen und Arbeitszeiten immer weiter in den Mittelpunkt rücken. Diesen Fragestellungen sollte demgemäß auch in der betrieblichen Personalpolitik verstärkte Aufmerksamkeit eingeräumt werden.
Zentrales Thema ist, MitarbeiterInnen aktiv und gesund in Beschäftigung zu halten. Dies erfordert eine
Personalpolitik, die auf die Lebenszyklen und auch auf die Integration beeinträchtigter ArbeitnehmerInnen nach Langzeitkrankenständen in den betrieblichen Alltag ausgerichtet ist. Ebenfalls müssen das Bewusstsein für die Vorzüge und die Anforderungen älterer ArbeitnehmerInnen und der Umgang mit diesen
geschärft werden: Ältere ArbeitnehmerInnen zeichnen sich durch ein Mehr an Erfahrung, Fertigkeiten und
Zuverlässigkeit aus, aber sie haben im Vergleich zu jüngeren Generationen geringere kognitive Fähig­
keiten, geringere Flexibilität und ein geringeres Maß an Lern- und Innovationsbereitschaft. 71 In Anlehnung
an bereits bestehende Beispiele gelingender Integration unterschiedlicher Beschäftigtengruppen im
­Unternehmen, sollte betriebliche Personalpolitik generell die ArbeitnehmerInnen ihren Vorzügen und
­Anforderungen entsprechend einsetzen, um sie dort auch mit den Fertigkeiten und Fähigkeiten der
­jüngeren Generation zu kombinieren.
Zu den wichtigsten Inhalten einer alter(n)sgerechten Personalpolitik zählen neben einer ausgewogenen
Altersstruktur in Unternehmen folgende Handlungsfelder und entsprechende Instrumente:
• Altersstrukturanalyse
• Bindung und Qualifizierung Älterer
(regelmäßige MitarbeiterInnengespräche, kontinuierliche Weiterbildungspolitik)
• Laufbahnplanung (vertikale vs. horizontale Karrierewege)
• flexible Erwerbsmodelle
• Gesundheitsförderung
• Wissenstransfer zwischen jungen und älteren ArbeitnehmerInnen
• Aufbau Informations- oder Wissenspools
• Entwicklung alter(n)sgerechter Beschäftigungs- und Tätigkeitsfelder
• Bildung altersgemischter Teams (Transfer von explizitem und implizitem Wissen)
• Tandem-, MentorInnen- und Coachingmodelle 72
70 Zitat, Prof. Dr. Juhani Ilmarinen
71 vgl. Schimany 2003
72 vgl. u. a. Aigner-Walder 2013: S. 30
67
68
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C3: Demografischer Wandel – Unterstützung der Betriebe im Umgang mit älteren ArbeitnehmerInnen
Um diese Inhalte einer alter(n)sgerechten Personalpolitik umsetzen zu können, bedarf es erfahrener Personalverantwortlicher und Angeboten, sowie Beratung und Information von Unternehmen zu diesem Thema. Des Weiteren ist ein überbetrieblicher Austausch ein wichtiges Instrument, um gute Ansätze zum
Thema Generationenmanagement sichtbar zu machen und zu verbreiten. (Netzwerkaktivitäten: siehe
­Abschnitt 8.5.2.1.)
8.5.2.Maßnahmenbeispiele
zur Unterstützung des strategischen Zieles
Um das strategische Ziel zu erreichen, ältere ArbeitnehmerInnen in Beschäftigung zu halten und das Erwerbspotenzial in Kärnten zu sichern, müssen auf politischer und betrieblicher Ebene entsprechende Unterstützungsmaßnahmen und -angebote für Unternehmen gesetzt werden.
Einige Maßnahmen im Bereich der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit älterer Personen werden auch in den
Handlungsfeldern B und D beschrieben. Im Bereich des Handlungsfeldes C stehen vor allem die Prävention
und die Bewusstseinsbildung im Vordergrund.
8.5.2.1. Kärntner Netzwerk Arbeit und Alter
In Kärnten wurde im Rahmen des Territorialen Beschäftigungspaktes (TEP) Kärnten bereits frühzeitig auf
die Entwicklungen im Bereich älterer ArbeitnehmerInnen reagiert und die Einrichtung einer Steuerungsgruppe sowie eines Netzwerkes zum Thema „Arbeit und Alter“ veranlasst. Seit 2007 wird mit der Hilfe
­eines 3-Säulen-Modells an der Begleitung der Folgewirkungen des demographischen Wandels gearbeitet.
Interventionen erfolgen in drei Bereichen:
• Sensibilisierung und Vernetzung von ExpertInnen in Kärnten
• Entwicklung und Implementierung innovativer arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Integra­
tion älterer Arbeitsuchender
• Beratung von älteren Beschäftigten sowie ArbeitgeberInnen
Sensibilisierung und Vernetzung von ExpertInnen in Kärnten
Im Bereich der Sensibilisierung und Vernetzung war der erste Schritt die Gründung eines Netzwerkes von
ExpertInnen aus allen öffentlichen Organisationen. Dieser Kreis wurde um verantwortliche Personen aus
dem Human-Ressource-Bereich der größten Kärntner Unternehmen mit Berührungspunkten zum Thema
„Arbeit und Alter“ erweitert.
Ziel der Aktivitäten innerhalb der Säule 1 ist die Nutzung des Netzwerkes als Plattform für einen Informations- und Know-how-Transfer. Regelmäßig stattfindende Fachveranstaltungen, zu denen nationale und
internationale ReferentInnen eingeladen werden, dienen als Impulsgeber für Innovationen. Im Rahmen
dieser Fachveranstaltungen wird für einen Diskurs zwischen Forschung, Politik und Arbeitswelt zum Thema „Arbeit und Alter“ gesorgt.
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C3: Demografischer Wandel – Unterstützung der Betriebe im Umgang mit älteren ArbeitnehmerInnen
Auch künftig werden sich die NetzwerkpartnerInnen im Rahmen der Veranstaltungen unter anderem folgenden Fragestellungen widmen:
• Wie müssen Arbeit und Arbeitsbedingungen beschaffen sein,
dass sie alters- und alternsgerecht sind?
• Was können Unternehmen jetzt tun, um trotz des demografischen
Wandels weiterhin wettbewerbsfähig und innovativ zu bleiben?
• Wie können Betriebe das Fach- und Erfahrungswissen der
älteren ArbeitnehmerInnen sichern und nutzen?
Mit den Vernetzungsaktivitäten sollen folgende Ziele erreicht werden:
• gemeinsam die gesetzten Impulse nutzen und nachhaltige Veränderung in der Wertehaltung und
im Verhalten von UnternehmerInnen und Beschäftigten bewirken
• die Instrumente zu Age- und Generationenmanagement möglichst vielen MultiplikatorInnen
­zugänglich machen
• die begonnene Entwicklung von präventiven Ansätzen zur Vermeidung von Altersarbeitslosigkeit, sozialer Ausgrenzung sowie krankheitsbedingtem frühzeitigen Ausscheiden aus dem
­Erwerbsleben vorantreiben und dadurch die Beschäftigungsquote älterer ArbeitnehmerInnen in
Kärnten mittel- und langfristig steigern
Entwicklung und Implementierung innovativer
arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Integration älterer Arbeitsuchender
Neben den Bundesprogrammen für ältere Arbeitslose sind neue, innovative Ansätze erforderlich, um ältere Arbeitslose in Beschäftigung zu bringen. Vor allem Personen, denen nur wenige Jahre bis zum Pensionsantritt fehlen, und ältere Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen sind mit den bestehenden Förderprogrammen nur sehr schwer am „Ersten Arbeitsmarkt“ vermittelbar.
Im Rahmen der Säule 2 werden im Auftrag des TEP durch AMS und Land Kärnten neue, innovative Maßnahmen im Sinne eines „In-Beschäftigung-Bringens von älteren Arbeitsuchenden“ nach Wirksamkeit und Erfolgspotenzialen analysiert, konzipiert sowie in der Umsetzung beraten und begleitet.
Beratung von älteren Beschäftigten sowie ArbeitgeberInnen
Wie bereits dargelegt wurde, steigt infolge des demografischen Wandels das Durchschnittsalter der
­Belegschaften in den Betrieben. Für die Unternehmen stellt sich damit die Herausforderung, Arbeit
„alter(n)sgerecht“ zu gestalten. Viele Betriebe sind sich ihrer Verantwortung für ältere MitarbeiterInnen
bewusst, sind aber mit der Thematik überfordert. Diese Säule stützt die Information über aktuelle Entwicklungen und Maßnahmen im Bereich des Generationenmanagements durch folgende Aktivitäten:
• Recherche aktueller Studien, Instrumente und Projekte zum Thema „Arbeitsfähigkeit erhalten“
• aktive Verteilung dieser Informationen an MultiplikatorInnen
(Sozialpartner, Betriebsräte, Führungskräfte, Personalverantwortliche etc.)
• Öffentlichkeitsarbeit (z. B. Artikel in AK- und WK-Zeitungen)
• Erstellung eines Förderratgebers
69
70
HANDLUNGSFELD C: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM UNTERNEHMERISCHEN UMFELD
C3: Demografischer Wandel – Unterstützung der Betriebe im Umgang mit älteren ArbeitnehmerInnen
8.5.2.2. Generationen im Arbeitsleben (GENIAL)
Das Projekt GENIAL wurde 2009 vom Land Kärnten initiiert mit dem Ziel, die Zusammenarbeit der Generationen am Arbeitsplatz zu fördern. Im Mittelpunkt stehen die ­Erhaltung, Unterstützung und Verbesserung
der Leistungsfähigkeit von MitarbeiterInnen in heimischen Betrieben. Durch gezielte Maßnahmen soll die
Leistungsfähigkeit von jüngeren und älteren MitarbeiterInnen in Betrieben unterstützt werden, um so die
Produktivität am Arbeitsplatz und auch die Zufriedenheit der MitarbeiterInnen zu steigern. Im Rahmen des
Projektes finden Workshops und Schulungen statt, die sich „maßgeschneidert“ an einer Ist-Stand-Analyse
des Betriebes orientieren. Auf Basis der erhobenen Daten werden die jeweils zu setzenden Maßnahmen
stetig erweitert und den Bedürfnissen angepasst. Nach zwei Jahren der Umsetzung erfolgt eine Evaluierung der Wirksamkeit, um entsprechende Anpassungen vorzunehmen und motiviert weiterzuarbeiten.
8.5.2.3. „fit2work“
Das „sekundärpräventive“ Programm „fit2work“ ist seit 2013 mit 40 Beratungsstellen in allen Bundesländern vertreten und bietet für Personen und Betriebe kostenlose Information, Beratung und Unterstützung
bei allen Fragen zu Arbeit und Gesundheit. Zentrale Ziele von „fit2work“ sind der Erhalt und die nach­
haltige Verbesserung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit von ArbeitnehmerInnen sowie die Verhinderung von krankheitsbedingt vorzeitigem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben.
HANDLUNGSFELD D: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM REGIONALEN KONTEXT
Herausforderungen
9.Handlungsfeld
Beschäftigung und Qualifizierung
im regionalen Kontext
9.1.Herausforderungen
Demografische Veränderungen
Der bereits im Eingangskapitel erwähnte und sich in Kärnten mit besonderer Dynamik vollziehende demografische Wandel wird im ländlichen Raum durch Abwanderungsströme aus peripheren Gebieten ins
Stadtumland massiv verstärkt. Die Folgen sind ein im Vergleich zu städtischen Räumen viel höherer Bevölkerungsrückgang sowie eine Überalterung der peripheren Gemeinden.
Die nachfolgende Grafik zeigt, dass im Zeitraum zwischen 2003 bis 2012 vor allem die ländlichen Bezirke
Bevölkerungsverluste zu verzeichnen hatten, während die größeren Städte und deren Umlandgebiete
­(sogenannte „Speckgürtel“) sogar Bevölkerungsgewinne aufwiesen.
Abb. 9: Bevölkerungsveränderung Kärntner Bezirke, 2003 – 2012 73
Quelle: STATISTIK AUSTRIA (2013), eigene Berechnungen IHS Kärnten
73Quelle: Aigner-Walder, Birgit (2013): Demografische Entwicklung in Kärnten - Was ist am Arbeitsmarkt zu erwarten?
IHS Kärnten, Vortrag am 27. November 2013, 12. Netzwerktreffen „Arbeit und Alter“ – „Demografie & Arbeitsmarkt“,
Klagenfurt, Folie 7.
71
72
HANDLUNGSFELD D: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM REGIONALEN KONTEXT
Herausforderungen
Insbesondere für die peripheren Gebiete ergeben sich daraus große Herausforderungen in der Erbringung
und Gewährleistung einer öffentlichen Grundversorgung.
„So gilt es einerseits, bestehende Angebote trotz sinkender Auslastung zu erhalten (z. B. Schulen, Kindergärten), um eine zusätzliche Abwanderung zu verhindern; andererseits erfordert der höhere Anteil an
­älteren Menschen den Ausbau beziehungsweise die Anpassung verschiedener zur Verfügung gestellter
Leistungen (z. B. altersgerechte soziale Infrastruktur, Mobilitätsangebote).“ 74
Wie bereits an mehreren Stellen beschrieben wurde (vgl. u. a. Kap. 5) hat der demografische Wandel weitreichende Auswirkungen auf die gegenwärtige und zukünftige Situation im Bereich der Angebots- und
Nachfragerelation am Arbeitsmarkt, insbesondere auch in den ländlichen Gebieten. Da der Bevölkerungsrückgang der 15- bis 60-Jährigen beispielsweise um 58.573 Personen wesentlich höher ist als der aktuelle
Stand der Arbeitslosen und der in Schulung befindlichen Personen, werden in den nächsten Jahren zahlreiche Arbeitskräfte fehlen. Dies gilt auch unter der Prämisse, dass sowohl die geplante Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters realisiert werden kann, als auch die bisher Arbeitslosen beziehungsweise in
Schulung befindlichen Personen in den Arbeitsmarkt integriert werden können.
Um auch in den ländlichen Regionen eine positive Wirtschaftsentwicklung zu sichern beziehungsweise
(wieder) in Gang zu setzen, bedarf es einer Reihe spezifischer Maßnahmen. Schwerpunkte liegen dabei auf
der Integration von gering qualifizierten Personen in den Arbeitsmarkt durch regionale Bildungsangebote
sowie auf der Vermeidung von „Working Poor“ durch einerseits präventive Maßnahmen und andererseits
Hilfe für die Betroffenen, ebenfalls vor allem durch entsprechende Qualifizierungsangebote. Darüber hinaus sind besonders entlegene Regionen mit einem sehr begrenzten Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln konfrontiert, weshalb der Zusammenhang von „Mobilität und Arbeitswelt“ einen zentralen Anknüpfungspunkt für Verbesserungen darstellt.
Humankapitalverlust durch „Brain Drain“
Im Kontext der Wissensgesellschaft ist das Humankapital als wirtschaftlich nutzbare Form des Wissens
ein wichtiger Standortfaktor auf gesamtstaatlicher und regionaler Ebene und fungiert bei entsprechender
Ausstattung als strategischer Wettbewerbsvorteil. Dabei findet hier wie auch in anderen Bereichen eine
Zunahme der regionalen Disparitäten statt. Städtische Ballungsräume steigen als Gewinner aus und verzeichnen aufgrund unterschiedlicher Vorteile positive Entwicklungen. Ländliche und periphere Räume hingegen sind vielfach die Verlierer. Ihre Strukturschwäche und Randlage bedingen sowohl negative Bevölkerungsbilanzen als auch einen Schwund der Eigenständigkeit und Lebensgrundlage für zahlreiche Menschen.
Hierbei erweist sich die Mobilität als überaus selektiv. Es sind vor allem die Jungen, die Hochqualifizierten
und die Talente, also jene Potenziale einer Region, auf denen Innovationen und somit auch wirtschaftliches Wachstum beruhen, welche vermehrt dem „Land“ den Rücken kehren und abwandern. Der Verlust
dieses endogenen Potenzials hat demografische, ökonomische und gesellschaftliche Konsequenzen und
kann zu regionalen Erosionsspiralen führen. Die Mobilität der Qualifizierten steigt ebenfalls durch die
wachsende Internationalisierung des Arbeitsmarktes. Bereits während des Studiums sind Auslandsaufenthalte fast schon zur Selbstverständlichkeit geworden. Folglich wird sich die Konkurrenz der Unternehmen und Regionen um diese „young Professionals“ zunehmend länderübergreifend fortsetzen. 75
74 Aus Aigner-Walder Birgit, Bliem Markus Gilbert 2012: Demographie und Daseinsvorsorge in Kärnten. Herausforderungen und
Lösungsansätze auf kommunaler Ebene; Studie gefördert durch den Kärntner Gemeindebund und die Landesgruppe Kärnten
des Österreichischen Städtebundes, Institut für Höhere Studien und Wissenschaftliche Forschung Kärnten, Klagenfurt, S. 88.
75Vgl. Stieger Jörn Mathias 2010: Humankapitalverlust in ländlichen Räumen. Eine qualitative Bestandsaufnahme des regionalen Brain Drain am Beispiel des Außerfern (Inst. Geografie, Univ. Innsbruck)
HANDLUNGSFELD D: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM REGIONALEN KONTEXT
Strategische Ziele im Handlungsfeld D
Merkmale des „Brain Drain“
• Die zunehmende Mobilität der Studierenden, aber auch der ArbeitnehmerInnen ist Fakt und primär positiv zu sehen. Dadurch können angehende Arbeitskräfte einschlägige Ausbildungen absolvieren, Erfahrungen sammeln und somit erst das „Prädikat Hochqualifiziert“ erlangen. Da
das Studienangebot in der Region trotz mehrerer Hochschulen (Universität, Fachhochschule, Pädagogische Hochschule) begrenzt ist (kein Medizin- und Jus-Studium, nur wenige technische
Fächer etc.), müssen an solchen Studienangeboten Interessierte die Region zumindest auf bestimmte Zeit verlassen.
• Der in unterschiedlichen Branchen auftretende und sich durch demografische Entwicklungen
verschärfende Fachkräftemangel muss entweder durch die Zuwanderung regionsfremder, qualifizierter Arbeitskräfte oder durch Rückkehr des eigenen Potenzials der Region gedeckt werden.
• Das eigene (endogene) Arbeitskräftepotenzial wird nicht vollends ausgeschöpft, da zum einen
die Vernetzung der regionalen Wirtschaft mit den Bildungsinstitutionen des Landes unzureichend ist und zum anderen die überregionale Suche nach (aus der Region stammenden) Fachkräften zu unspezifisch und wenig zielgerichtet ist.
• Arbeitskräfte suchen passende Arbeitsstellen in erster Linie auf der Grundlage beruflicher Kriterien. Soziale und emotionale Bindungen hingegen sind demgegenüber zumeist nachrangig.
Durch fehlende Informationen zum Arbeitsmarkt der Heimatregion werden vorwiegend Berufsoptionen außerhalb der Region gewählt. Eine oftmals vorhandene prinzipielle Bereitschaft zur
Rückkehr wird auf diese Weise nicht realisiert.
Um der Vielschichtigkeit des Themenbereiches gerecht zu werden, gilt es, zentrale Fragestellungen zu
bearbeiten:
• Welche Faktoren beeinflussen die Wanderung junger hochqualifizierter Arbeitskräfte?
• Besteht zwischen den Qualifikationen der Studierenden und der Nachfrage seitens der Unternehmen eine Diskrepanz?
• Welchen Stellenwert nimmt das regionale Potenzial an Fachkräften in den Rekrutierungsstrategien der Unternehmen ein?
• Welchen Bezug weisen die (ehemaligen) Studierenden gegenüber ihrer Heimatregion in persönlicher und berufsbezogener Hinsicht auf?
• Sind die aktuell außerhalb Kärntens studierenden KärntnerInnen rückkehrbereit beziehungsweise wie viele kehren nach dem Studium tatsächlich zurück und welches sind die entscheidenden
Einflussfaktoren?
9.2.Strategische Ziele im Handlungsfeld
Die Analyse der im vorigen Abschnitt skizzierten Herausforderungen für ländliche Regionen führt zu
­folgenden zwei strategischen Zielen:
Gegensteuerung zum Humankapitalverlust durch Abwanderung („Brain Drain“)
Erhaltung der Attraktivität des ländlichen Raumes
73
74
HANDLUNGSFELD D: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM REGIONALEN KONTEXT
D1: Gegensteuerung zum Humankapitalverlust durch Abwanderung („Brain Drain“)
9.3.
Gegensteuerung zum Humankapitalverlust
durch Abwanderung („Brain Drain“)
9.3.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
Abwanderungsmotive
Kärnten verzeichnete bereits in den letzten Jahren eine starke Abwanderungstendenz, die sich voraussichtlich in Zukunft fortsetzen wird. Birgit Aigner-Walder und Robert Klinglmair stellen in einer rezenten
Publikation die Ergebnisse einer umfangreichen empirischen Befragung unter ehemaligen KärntnerInnen
vor, die den Hauptwohnsitz in ein anderes österreichisches Bundesland verlegt haben.
Im Vordergrund der Untersuchung standen dabei Fragen nach den Motiven für die Abwanderung aus
­Kärnten, nach potenziellen Rückkehrabsichten sowie nach jenen Rahmenbedingungen, welche für eine
Verlegung des Lebensmittelpunktes zurück nach Kärnten aus Sicht der Befragten relevant erscheinen.
Den AutorInnen zufolge sind es primär junge Menschen zwischen 15 und 34 Jahren, die Kärnten verlassen
und die darüber hinaus ein hohes Bildungsniveau aufweisen. Als zentrale Abwanderungsgründe sind die
(universitäre) Ausbildung, der Antritt einer Arbeitsstelle und private Faktoren relevant. Ein Achtel der rund
600 Befragten möchte wieder nach Kärnten zurückkehren. Ausschlaggebend dafür sei die soziale Bindung
in Kärnten, aber auch die höhere Lebensqualität. 76
Ansatzpunkte zur Verringerung von Humankapitalverlust durch Abwanderung („Brain Drain“)
Bezüglich der Vorschläge gegen Humankapitalverlust und Fachkräftemangel ist zu beachten, dass viele
der genannten Maßnahmen langfristig anzulegen sind, wobei die Wirkungen oft nur schwer messbar sind.
Trotzdem ist eine möglichst frühe Initiierung erforderlich, da im Falle eines Entwicklungsdefizites das Einholen anderer dahingehend aktiver Regionen aufgrund häufig „verpasster“ Chancen zunehmend schwieriger wird.
• Einem „Brain Drain“, also dem Verlust der regionseigenen, gut ausgebildeten Talente und (wirtschaftlichen) Potenzialträger, kann prinzipiell über zwei Wege entgegengewirkt werden. Zum
einen durch einen „Brain Gain“, das heißt dem Zuzug regionsfremder gut ausgebildeter Arbeitskräfte, zum anderen durch eine Bindung der heimischen Hochqualifizierten an die Herkunftsregion. Aufgrund der Internationalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft sind diese Personen
verstärkt mobil, wobei diese Mobilität positiv zu sehen ist. Das Studium, das Absolvieren von
Praktika und Sammeln von Berufserfahrungen an verschiedenen Orten liefern wertvolle Beiträge
zum fachlichen Wissen und dessen problembezogene Anwendung. Ein steter Kontakt zu diesen
Personen soll letztendlich in eine Rückwanderung münden, also „Brain Circulation“ bewirken.
• Da ein großer Teil des jungen, kreativen und hochqualifizierten Potenzials zu Ausbildungszwecken die Region verlassen muss und eine mehr oder weniger starke Bindung zu dem neuen Umfeld aufbaut und gleichzeitig der Bezug zur Heimatregion meist geringer wird, müssen diese
Personen an jenem Ort „abgeholt“ werden, sei es die Universität oder der erste Arbeitsplatz, an
dem sie sich zum jeweiligen Zeitpunkt befinden. Nur auf ihre emotionale Bindung und eine dadurch eingeleitete Rückkehr sowie auf deren Kenntnis der regionalen Arbeitsmöglichkeiten zu
vertrauen, ist nicht ausreichend.
76 Aigner-Walder Birgit, Klinglmair Robert 2015: Phänomen Brain Drain – Hintergründe zur Abwanderung aus Kärnten.
Hermagoras/Mohorjeva: Klagenfurt (erhältlich ab März 2015)
HANDLUNGSFELD D: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM REGIONALEN KONTEXT
D1: Gegensteuerung zum Humankapitalverlust durch Abwanderung („Brain Drain“)
• Empirische Befunde belegen, dass außerhalb eines jeweiligen Bundeslandes studierende
E­inwohnerInnen zum überwiegenden Teil keine (definitiven) Rückkehrabsichten nach Studien­
ende aufweisen. Dennoch sind sie einer Rückkehr nach einiger Zeit im Berufsleben, einer „Brain
­Circulation“, grundsätzlich aufgeschlossen. Informelle Verbindungen und Anwerbungswege erweisen sich hierbei oft als zielführend. Ein Unternehmen muss jedoch, wenn es professionelle
Arbeitskräfte für sich gewinnen will, auch professionelle Rekrutierungsstrategien wählen. Insbesondere bei der Anwerbung regionsfremder, hochqualifizierter Arbeitskräfte ist dies ein entscheidendes Kriterium. Weiters ist von den aktuell außerhalb Kärntens studierenden KärntnerInnen die Wahl anspruchsvoller und tendenziell geschlechtsunabhängiger Berufe zu erwarten. Die
Suche nach Arbeitsmöglichkeiten ist räumlich weit gestreut. Kärnten wird hierbei nicht bevorzugt einbezogen und die Ansprüche an das regionale Umfeld sind meist hoch.
• Sowohl die Wahl entsprechender Medien sowie deren räumliche Verbreitung und Fokussierung
als auch die zeitgemäß moderne Profilierung des eigenen Unternehmens sowie der regionalen
Arbeitsmarktchancen helfen bei einer erfolgreichen Rekrutierung der Fachkräfte.
• Zur Förderung der Kreativität in der Region, dem wirtschaftlichen Wachstum sowie der Fähigkeit
einer ständigen Veränderung, Anpassung und Aufrechterhaltung des wirtschaftlich nützbaren
Wissens muss neben der Rekrutierung des regional vorhandenen Potenzials ebenso die Anwerbung von außen gefördert werden. Die Region soll dadurch „durchlüftet“ und neuen Ideen genügend Entfaltungsraum gegeben werden.
• Bei der Anwerbung muss die gesamte Familie einbezogen werden. Ihr sollte in verschiedener
Hinsicht aktiv zur Seite gestanden werden, indem Berufsoptionen des Partners/der Partnerin
aufgezeigt werden und Unterstützung beim Finden einer geeigneten Wohnmöglichkeit geboten
wird (Dual Career Beratung). Zusätzlich sind die Verbesserung der regionalen Ausstattung mit
Kinderbetreuungseinrichtungen, welche die Berufstätigkeit beider Elternteile ermöglicht, sowie
das Kommunizieren und die Aufrechterhaltung der angemessenen Bildungsmöglichkeiten in den
Schulen vor Ort erforderlich.
• Die verstärkte Berücksichtigung der gesamten Familie impliziert den Ausbau der Erwerbsmöglichkeiten für Frauen und die Überwindung geschlechtsspezifischer Rollenmuster.
• Ein entsprechend anspruchsvolles Weiterbildungsangebot ist ebenfalls wichtig.
• Das Image der Region muss professionell verbessert und überregional vermarktet werden, weniger im Sinne eines „aggressiven Regionalismus“, sondern vielmehr in der Vermittlung zeitgemäßer und weltoffener Werte.
• Seitens der Unternehmen ist es nicht genug, auf ein Herankommen der Schulen zu warten,
­sondern selbst aktiv auf die höheren Schulen zuzugehen. Etwa durch das Einbringen von Projekt­
ideen, durch attraktive Praktika, wodurch das Interesse potenzieller zukünftiger BewerberInnen
schon früh geweckt und durch Kontaktpflege während der weiterführenden Ausbildungszeit gebunden wird. Dementsprechend sollten die bereits bestehenden Kooperationsprojekte zwischen
Schulen und Unternehmen (vgl. 6.3.2.1.) weiter ausgebaut werden.
• Insgesamt ist die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Unternehmen der Region sowie Berufs­
beratungsinstituten zu verstärken. Zwar besteht diese bereits, konzentriert sich jedoch auf die siebte
und achte Schulstufe. Eine trägerübergreifende Beratung ist aber auch in wachsendem Ausmaß für
MaturantInnen, Studierende und AbsolventInnen erforderlich. So sollten beispielsweise auch Kurzund Schnupperpraktika, insbesondere in der 11. und 12. Schulstufe der AHS angeboten werden.
75
76
HANDLUNGSFELD D: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM REGIONALEN KONTEXT
D1: Gegensteuerung zum Humankapitalverlust durch Abwanderung („Brain Drain“)
• Des Weiteren gilt es, den Anteil jener Studierenden zu erhöhen, deren Studien- und Berufsentscheidungen neben persönlichen Interessen auch auf fundierten Informationsquellen, etwa
durch Praktika, Berufsberatung an Schulen, Arbeitsmarktnachfrage und -prognosen und Ähnliches, basieren.
• Ferner muss die Verbindung zu Universitäten, Forschungsinstituten, Fachhochschulen nicht nur
von Großunternehmen, sondern auch von mittleren und kleineren Unternehmen gefördert und
kontinuierlich gepflegt werden. Beispielsweise können Studierende dualer Ausbildungsinstitute
die Praxisteile in heimischen Betrieben absolvieren. Darüber hinaus ist der Aufbau eines regionalen Wissens- und Bildungsnetzwerkes erforderlich, in dem einem regen Austausch zwischen
den Partnern Raum gegeben wird.
• Sinnvoll erscheint auch der Aufbau einer Plattform, welche als Bindeglied zwischen MaturantInnen und Studierenden sowie den lokalen Unternehmen fungiert und somit den Kontakt auch bei
räumlicher Abwesenheit aufrechterhält. Über diesen Weg können sowohl Praktika als auch Berufseinstiege ermöglicht werden.
9.3.2. Maßnahmenbeispiele
zur Unterstützung des strategischen Zieles
9.3.2.1. Chancen für junge AkademikerInnen
Die Kärntner Wirtschaft bietet jungen AkademikerInnen viele Möglichkeiten, ihre berufliche Karriere in
Kärnten zu starten. Diese Maßnahme richtet sich insbesondere an AbsolventInnen ohne berufliche Praxis,
die ihre Masterthesis, Diplomarbeit oder ihre Dissertation bei einem Kärntner Unternehmen absolvieren
beziehungsweise abgeschlossen haben und unmittelbar vor dem Eintritt ins Berufsleben stehen.
Das Land Kärnten fördert im Rahmen der Initiative „AkademikerInnenjobs in Kärnten“ Betriebe, die zukünftigen Führungskräften die erste berufliche Chance in Kärnten bieten. Dieses Projekt wird auch von
Wirtschaftskammer Kärnten und Industriellenvereinigung Kärnten unterstützt.
Neben der finanziellen Förderung wird vom Projektpartner Business Frauen Center (BFC) ein CoachingProgramm kostenlos angeboten. Dieses umfasst Gruppencoaching, Einzelcoaching und wird thematisch
an die individuellen Bedürfnisse der TeilnehmerInnen angepasst. Die zu bearbeitenden Themen reichen
von der Unterstützung bei der Wohnungssuche bis hin zum Aufbau von sozialen beziehungsweise professionellen Netzwerken.
9.3.2.2. „Projekt pro Kärnten“
Die Aktivitäten zum Ausgleich des demographischen Wandels im Allgemeinen und einer aktuell stattfindenden Abwanderung junger, gut ausgebildeter Menschen im Besondern sollten zumindest in zwei Richtungen gehen:
Steigerung der Attraktivität und Verbesserung der Angebote für den Zuzug junger gutausgebildeter
­Menschen (aus allen Teilen der Welt) nach Kärnten.
HANDLUNGSFELD D: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM REGIONALEN KONTEXT
D1: Gegensteuerung zum Humankapitalverlust durch Abwanderung („Brain Drain“)
Ansatzpunkte:
• Erleichterung der Anerkennung ausländischer Qualifikationsnachweise: Nostrifizierung
• Verbesserung der Integrationsangebote
• Schwerpunktsetzung und Attraktivitätssteigerung der regionalen Ausbildungsangebote mit entsprechenden Marketingaktivitäten zur Erhöhung des Anteils Studierender aus anderen (auch
Bundes-)Ländern → Regionsmarketing
Erleichterung der Rückkehrmöglichkeiten für junge Menschen, die ihren Ausbildungsweg außerhalb
­Kärntens beschreiten wollen.
Dies soll auf mehrfache Weise angestrebt werden:
• Bildung von Ausbildungspatenschaften
Beispielsweise bieten Unternehmen mit Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften Kärntner
MaturantInnen die Möglichkeit, während ihrer Ausbildungszeit erstklassig betreute und anspruchsvolle Praktika zu machen und regelmäßige Termine zur Begleitung ihrer fachlichen Fortschritte, insbesondere während der Semesterferien. Dabei sollen fachliche Informationen ausgetauscht, Feedback gegeben und Möglichkeiten der Präsentation und Erprobung besonders
interessanter Studieninhalte angeboten werden.
• Kooperationen und Vernetzungsangebote an den wichtigsten Studienstandorten in Form von
Vernetzungstreffen, Kamingesprächen, (Fach-)Veranstaltungen, thematischen Abenden, Geselligkeit und Ähnlichem
Starthilfe und Unterstützung im Falle der Rückkehr nach abgeschlossener Ausbildung oder in einer späteren Phase der Karriereentwicklung (z. B. in der Phase der Familiengründung);
zum Beispiel durch
• Dual-Career Beratung für „rückkehrwillige“ Paare bzw. Familien
• günstige Darlehen für Existenzgründung
• Unterstützung bei Arbeitsuche und Wohnraumbeschaffung
• Förderung familienbezogener Infrastruktur (z. B.: Kinderbetreuung, Arbeitszeitmodelle, Gesund­
heitsförderung)
Schaffung einer Informations- und Anlaufstelle in Kärnten mit VernetzungspartnerInnen (Kooperationsverträge) in Graz und Wien
• Zweijähriges Pilotprojekt
• Begleitende Evaluation
• Im Falle positiver Ergebnisse Weiterentwicklung und Fortführung
9.3.2.3. Stärkung der Innovationspotenziale in KMU – ein Beispiel aus Dänemark
Auf der Suche nach geeigneten Strategien und Maßnahmen, mit denen sowohl die Stärkung der Innovationskraft der KMU in Randregionen, eine Verringerung des „Brain Drains“ und ein Trend zur „Brain Circulation“ in die Wege geleitet werden können, filterten die OECD-Studienergebnisse aus der Fülle an Ansätzen
und Versuchen ein besonders erfolgreiches Projekt heraus, das in Dänemark in Regionen, die mit Kärnten
vergleichbar sind, durchgeführt wurde. Das Projekt umfasst folgende Schritte:
• Eine Studie zur Erhebung des Innovations- und Wachstumspotenzials der KMU in einer Rand­beziehungsweise peripheren Region.
Die Durchführung der Studie obliegt der jeweiligen Regionsbehörde, der regionalen Arbeits­
marktinstitution in Kooperation mit einer externen Forschungs- und Beratungseinrichtung.
77
78
HANDLUNGSFELD D: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM REGIONALEN KONTEXT
D1: Gegensteuerung zum Humankapitalverlust durch Abwanderung („Brain Drain“)
Durch die erwähnte Forschungs- und Beratungseinrichtung, die auf Arbeitsmarktpolitik in
­Kooperation mit den Universitäten und Fachhochschulen spezialisiert ist, werden folgende
­Aufgaben wahrgenommen:
• Die Feststellung und Beschreibung der Barrieren und Hindernisse bei der Hebung des gegebnen Innovationspotenzials. Dies kann sich beispielsweise auf unzureichende Entwicklung
des vorhandenen Innovationspotenzials, auf mangelndes qualifiziertes Personal, auf fehlende Mittel zur Finanzierung des Personals in der Implementierungs- und Markteinführungsphase beziehen.
• Suche, Auswahl und Vermittlung angehender HochschulabsolventInnen, die im Rahmen der
Erstellung ihrer Abschlussarbeiten für die KMU erste Innovationsansätze ausarbeiten.
• Vermittlung von arbeitsuchenden AkademikerInnen und FachhochschulabsolventInnen, die
im Rahmen der Erstellung ihrer Abschlussarbeiten für die KMU die noch vorläufigen Innovationsvorstellungen ergänzen und weiter entwickeln.
• Ausarbeitung der Innovationen bis zur Umsetzungssreife durch (arbeitsuchende) HochschulabsolventInnen in Kooperation mit den KMU.
• Planung der Entwicklung der Innovation (Produkt/Dienstleistung) und Marktetablierung der Innovation (Schritte, Kosten, Personalaufwand) ebenfallls durch die oben genannte Gruppe in Kooperation mit Arbeitsmarktinstitution und KMU
• Beantragung von Mitteln aus relevanten regional-, arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen
Förderprogrammen zur Entwicklung und Markteinführung der Innovation.
Durchführung: Personalförderung durch Arbeitsmarktinstitutionen, Wirtschaftsförderung,
­Regionalförderung in Kooperation mit der externen Forschungs- und Beratungseinrichtung
­spezialisiert auf Arbeitsmarktpolitik.
• Begleitung und Evaluierung der Innovationsumsetzung nach Erfolgsfaktoren wie:
• Stärkung der KMU durch Umsatzwachstum, Verbesserung der Marktpräsenz
• Verbesserungsmöglichkeiten beziehungsweise Entwicklung neuer Innovationen
• Entstehung und Beibehaltung neuer Arbeitsplätze
• Erhöhung der Praxisrelevanz der Hochschulabschlüsse
• Verhinderung von „Brain Drain“
• Vermittlung arbeitsuchender HochschulabsolventInnen in KMU
• Auslösen einer „Brain Circulation“
Durchführung: externe Forschungs- und Beratungseinrichtung spezialisiert auf Arbeitsmarktpolitik
• Auswertung der Gesamtergebnisse und gegebenenfalls Neuauflage des Projekts
HANDLUNGSFELD D: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM REGIONALEN KONTEXT
D2: Erhaltung der Attraktivität des ländlichen Raumes
9.4.
Erhaltung der Attraktivität des ländlichen Raumes
9.4.1. Rahmenbedingungen für die Zielerreichung
Der ländliche Raum hat in Österreich nicht nur aufgrund seiner Flächenausdehnung innerhalb des Staatsgebietes, sondern auch bezüglich seiner Funktion als Siedlungsraum eine herausragende Bedeutung.
Nach dem Maßstab der OECD-Klassifikation für den ländlichen Raum leben 78 Prozent der österreichischen Bevölkerung in Regionen, die man im weitesten Sinne als ländlich bezeichnen kann. 47 Prozent leben in „überwiegend ländlichen Gebieten“, weitere 31 Prozent in sogenannten „integrierten Regionen“.
Nur 22 Prozent der österreichischen Bevölkerung leben in „überwiegend urbanisierten Gebieten“ und
­damit deutlich weniger als im EU-Durchschnitt mit 42 Prozent der EinwohnerInnen. 77
Die ländlichen Gebiete sind jedoch nicht einheitlich, sondern unterscheiden sich beträchtlich hinsichtlich
ihrer Entwicklungspfade und -perspektiven. In vielen ländlichen Regionen schlagen sich die regional­
wirtschaftlichen Probleme in deutlich unterdurchschnittlichen Wirtschaftskennziffern und in der Regel in
einer erhöhten Abwanderung in Richtung der Zentralräume nieder. Teilweise ist es aber auch zu einer
Trendumkehr gekommen, welche vor allem durch die Siedlungstätigkeit im Umlandbereich der ­Städte
­hervorgerufen wurde. Die Gebiete mit Bevölkerungszuwächsen haben sich in der Folge von Dekade zu
Dekade immer weiter in ländlich strukturierte Gebiete hinein ausgeweitet. Die Nettowanderungsbilanz
zahlreicher ländlicher Gebiete (also die Differenz aus Zu- und Abwanderung) war demgemäß in vielen
­Fällen durchaus positiv. Diese Trendwende unterstützt auch jene Sichtweise, die das Wirtschaftsgefälle
zwischen Zentralraum und Peripherie nicht als unabänderlich ansieht und sehr wohl Entwicklungsmöglichkeiten der ländlichen Regionen für chancenreich erachtet. Trotzdem stehen Fragen der Abwanderung
und der räumlichen Konzentration im Zentrum der Diskussion um die Entwicklung ländlicher Regionen. Dabei
wird das Augenmerk insbesondere auf neue Aufgaben und Potenziale der ländlichen Gebiete gelegt.
„Ein reiches, kollektives Erbe mit einer großen Bedeutung und Vielfalt der Organisation sozialer Gemeinschaften, schöne Landschaften, reine Luft und attraktive Erholungsmöglichkeiten sind wesentliche Kennzeichen, die über das ländliche Gebiet hinaus von Relevanz sind. Regionale Strategien versuchen, die
­positiven Wechselwirkungen zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Sicherung attraktiver
Kulturlandschaften bewusst zu fördern. Dies ist vor allem im Berggebiet besonders relevant. Zur Erhaltung
und Weiterentwicklung der als öffentliche Güter verstandenen Elemente der Kulturlandschaft bedarf es in
der Regel erheblicher Anstrengungen und eines ganzen Bündels an Maßnahmen. Die Gestaltung der vielfältigen Ressourcen der ländlichen Gebiete, die als Attraktivitätswerte bezeichnet werden können, wird
damit zum zentralen Thema für die Zukunft der Regionen.“ 78
Regionen und Infrastruktur in Kärnten
Neben zentralraumsnahen ländlichen Regionen weist Kärnten einen hohen Anteil ländlicher, peripher
­gelegener Gebiete auf, die durch ungünstige Erreichbarkeitsverhältnisse, einer geringen Arbeitsplatz­
dichte und einer landwirtschaftlich sowie gewerblich geprägten Wirtschaftsstruktur mit zum Teil hoher
Bedeutung des Tourismus charakterisiert sind. Die Bevölkerungsentwicklung begünstigt Gemeinden im
77Bundesministerium für Land und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Hg.) 2011: Österreichisches Programm für
die Entwicklung des Ländlichen Raums 2007-2013, Wien, S. 5
78Dax Thomas, Favry Eva, Fidlschuster Luis, Oedl-Wieser Theresia, Pfefferkorn Wolfgang 2008: Periphere ländliche Räume,
­Thesenpapier im Auftrag der ÖROK, Wien, S. 3
79
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HANDLUNGSFELD D: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM REGIONALEN KONTEXT
D2: Erhaltung der Attraktivität des ländlichen Raumes
städtischen Umland, während peripher gelegene Regionen und Täler mit Abwanderung konfrontiert sind.
Dies führt auch zur Ausdünnung der Versorgungsinfrastrukturen in diesen Regionen.
Auffallend ist die überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit in den Bezirken Spittal und Völkermarkt.
­Insbesondere für Personen mit niedrigem Bildungsgrad, aber auch für Frauen und Jüngere sind größere
Distanzen zum Arbeitsplatz eine unüberwindbare Hürde. Der vergleichsweise geringere Ausbaugrad
­öffentlicher Verkehrsmittel erschwert diesen Personengruppen den Zugang zu potenziellen Erwerbsmöglichkeiten, zumal private PKWs vielfach nicht im entsprechenden Ausmaß zur Verfügung stehen. Passende
und vor allem zugängliche Unterstützungsangebote haben deshalb gerade für diese Personengruppen
häufig existenzielle Bedeutung.
9.4.2. Maßnahmenbeispiele
zur Unterstützung des strategischen Zieles
9.4.2.1. Mobilität
Bereits rund 57 Prozent der Kärntner ArbeitnehmerInnen – somit über 100.000 Personen – haben ihren
Arbeitsplatz außerhalb ihrer Wohngemeinde und sind damit PendlerInnen.
Kärnten ist ein traditionelles „Pendlerland“. Die alpine Topografie und eine starke Zersiedelung sind wesentliche Gründe für eine, vor allem im ländlichen Raum oft unzureichende Erschließung mit öffentlichen
Verkehrsmitteln.
Kärnten ist mit rund 59 EinwohnerInnen pro km2 relativ dünn besiedelt. Der diesbezügliche Durchschnitt
liegt in Österreich bei 93 EinwohnerInnen pro km2. Dieser Umstand und die Topografie verursachen große
PendlerInnenströme in die Mittelkärntner Ballungszentren.
Mehr als jeder zweite unselbstständig Beschäftigte muss seiner Arbeit „nachfahren“.
Im Jahr 2009 mussten bereits 56,6 % der Kärntner ArbeitnehmerInnen aus ihrer Wohngemeinde beziehungsweise aus Kärnten auspendeln. Die diesbezügliche Tendenz ist steigend. Dies ist nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine große finanzielle Belastung. Um die PendlerInnen zu unterstützen, gibt es seitens
des Landes Kärnten den Fahrtkostenzuschuss. Die Förderabwicklung erfolgt über die Arbeiterkammer
Kärnten. ArbeitnehmerInnen, die täglich zur Arbeit pendeln, können bei der Arbeiterkammer Kärnten ­einen
Fahrtkostenzuschuss aus der Arbeitnehmerförderung des Landes beantragen.
9.4.2.2. Regionale Bildungsangebote
„Lifelong Learning“ beziehungsweise das von diesem Begriff abgeleitete „Lebensbegleitende Lernen“
­bezeichnet die Europäische Kommission als „alles Lernen während des gesamten Lebens, das der Verbesserung von Wissen, Qualifikationen und Kompetenzen dient und im Rahmen einer persönlichen, bürger­
gesellschaftlichen, sozialen beziehungsweise beschäftigungsbezogenen Perspektive erfolgt“.
Die Formulierung „alles Lernen“ bezieht sich auf lernfreundliche Architekturen, auf das Schaffen von Lerngelegenheiten im Alltag und im beruflichen Kontext sowie auf die Ermöglichung von motiviertem und sinnerfülltem Lernen, um für die Vielfalt gesellschaftlicher Herausforderungen und den gegebenen Möglichkeiten in der Region vorbereitet zu sein.
Dazu ist es notwendig, neben der arbeitsmarktbezogenen Perspektive Lernen als ganzheitlichen Prozess
zur persönlichen und regionalen Weiterentwicklung zu sehen. Daraus können sich nachhaltig Ressourcen
für die Region eröffnen.
HANDLUNGSFELD D: BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIZIERUNG IM REGIONALEN KONTEXT
D2: Erhaltung der Attraktivität des ländlichen Raumes
Zur Nutzung dieser Möglichkeiten bedarf es neben unmittelbaren Lernangeboten und einer begleitenden
Infrastruktur vor allem auch der Schaffung eines entsprechenden Bewusstseins durch eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Bedeutung von „Lebensbegleitendem Lernen“.
Die vorher skizzierten Bedürfnisse lösten in Österreich die Entwicklung einer „LLL-Strategie 2020“ und
damit verknüpft die Einrichtung einer nationalen „Plattform LLL:2020“ aus. Die in dieser Strategie formulierten Ziele dienen, bezogen auf die Aus- und Weiterbildung im Erwachsenenalter, national und regional
als Grundlage für die Umsetzung von „Lebensbegleitendem Lernen – alles Lernen“, von der Jugend bis zur
nachberuflichen Lebensphase.
Im Rahmen regionaler Bildungsangebote werden folgende Schwerpunktthemen vorgeschlagen:
• Maßnahmen zur verbesserten Neuorientierung in Bildung und Beruf unter Berücksichtigung von
„Work-Life-Balance“ etwa im Rahmen von regionaler Bildungsberatung. Die Umsetzung kann sowohl in direkter Beratung als auch integrativ in Bildungsangeboten stattfinden. Solche Maßnahmen brauchen kaum Infrastruktur, da sie mobil in zur Verfügung stehenden öffentlichen Räumen
(z. B. in öffentlichen Bibliotheken der Gemeinden) angeboten werden können.
• Verstärkung von „Community-Education“-Ansätzen mittels kommunaler Einrichtungen und in
der organisierten Zivilgesellschaft.
• Die Nutzung bereits vorhandener regionaler Umsetzungsstrukturen sowie die Förderung des
Ausbaus von sozialen Netzwerken als unabdingbare Voraussetzungen für eine gelingende Sensibilisierung der regionalen Bevölkerung für die Bedeutung von „Lebensbegleitendem Lernen“.
• Eine professionelle Prozessbegleitung als Voraussetzung für gelingende und nachhaltige Umsetzung.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass auf die Bedürfnisse der Bevölkerung abgestimmte Weiterbildungsangebote dazu beitragen können, den Handlungsspielraum einer Region zu erweitern und neue Beschäftigungsformen und Formen der Wertschöpfung entstehen zu lassen. Für Bildungsmaßnahmen, die eine
bestimmte Infrastruktur voraussetzen und daher regional nicht angeboten werden können, bedarf es zudem einer Förderung der Mobilität.
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AUSBLICK: EIN GEMEINSAMER KÄRNTNER WEG
10. Ausblick:
Ein gemeinsamer Kärntner Weg
Das vorliegende Dokument basiert auf einer gemeinsamen Initiative zwischen AMS Kärnten, den Sozialpartnern und dem Land Kärnten. Ziel ist es, analog dem Territorialen Beschäftigungspakt eine mittel- bis
langfristige strategische Ausrichtung einer gemeinsamen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik zu formulieren. Insbesondere die Vernetzung aller relevanten Partner soll dazu beitragen, die künftigen Herausforderungen für eine effektive und nachhaltige Arbeits- und Beschäftigungspolitik zu gewährleisten. Dabei geht es darum, künftige Szenarien bestmöglich zu antizipieren, um bewährte Lösungen anzupassen
beziehungsweise neue Maßnahmen zu entwickeln.
Wesentlich ist auch die Integration der Inhalte der Europäischen Strukturfonds, insbesondere des ESF, in
den Programmen die auf Grundlage dieser Strategie entwickelt und umgesetzt werden.
Das Hauptaugenmerk des Strategiepapiers liegt zum einen bei ausgewählten Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen und zum anderen in einer Unterstützung des unternehmerischen Umfelds. Ergänzend zu diesen beiden Strategiefeldern kommt noch ein Schwerpunkt hinzu, nämlich die strategische Partnerschaft. Letztere ist, bezogen auf die Gesamtentwicklung des Beschäftigungs- und Arbeitsmarktes, ein
wesentlicher Erfolgsfaktor, um Problemfelder gemeinsam bestmöglich zu erörtern und Antworten zu
­f inden. In dieser Hinsicht wurde daher im Vorfeld besonderes Augenmerk auf eine inhaltliche Vernetzung
der wichtigsten AkteurInnen im Bundesland gelegt. Das Ergebnis dieses Kooperationsprozesses findet
sich in einer abgestimmten Form hinsichtlich der strategisch wichtigen Felder beziehungsweise Handlungsanweisungen wieder.
Im zeitlichen Ablauf ist die erste zentrale Herausforderung die rasche Integration in den Arbeitsmarkt
durch eine optimierte „Schnittstelle Schule – Beruf“.
Die zwei weiteren Handlungsfelder liegen zum einen in einer Unterstützung im unternehmerischen Umfeld
und zum anderen bei ausgewählten Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zur raschen Reintegration in den „Ersten Arbeitsmarkt“.
Das vierte Handlungsfeld betrifft das zentrale Thema der demografischen Entwicklung und der damit
verbun­denen Entwicklung der Regionen und beeinflusst damit auch die anderen 3 Handlungsfelder der
Strategie.
Aufgrund der Volatilität des Arbeits- und Beschäftigungsmarktes unterliegt die Konkretisierung auf
­Maßnahmenebene einem stetigen Wandel beziehungsweise im Sinne einer effektiven und effizienten
­Umsetzung einer ständigen Evaluierung des Erfolges.
Die in der vorliegenden Strategie angeführten Ziele und Maßnahmen in den unterschiedlichen Handlungsfeldern zeigen, dass das Thema „Arbeit“ komplex und vielschichtig ist. Dementsprechend war und ist es
allen Beteiligten wichtig, dass auch zukünftig in Kärnten der Territoriale Beschäftigungspakt (TEP) als
strategische Plattform des Landes, des AMS und der Sozialpartner unter Einbeziehung aller wesentlichen
AkteurInnen dient.
Ergänzend zur strategischen Abstimmung soll auch zukünftig die Einbeziehung der Sozialpartnerorganisationen in die Regierungssitzungsarbeit dienen.
Die Umsetzung der in dieser Strategie angeführten Maßnahmen in den vier zentralen Handlungsfeldern
wird für alle Kärntnerinnen und Kärntner transparent auf www.ktn.gv.at/arbeitsmarktstrategie erfolgen.
LITERATUR
11.Literatur
Aigner-Walder Birgit 2013:
Demografische Entwicklung in Kärnten – Was ist am Arbeitsmarkt zu erwarten? IHS Kärnten,
Vortrag am 27. November 2013, 12. Netzwerktreffen „Arbeit und Alter“ – „Demografie &
Arbeitsmarkt“, Klagenfurt.
Aigner-Walder Birgit, Bliem Markus Gilbert 2012:
Demographie und Daseinsvorsorge in Kärnten. Herausforderungen und Lösungsansätze auf
kommunaler Ebene; Studie gefördert durch den Kärntner Gemeindebund und die Landes­
gruppe Kärnten des Österreichischen Städtebundes, Institut für Höhere Studien und
Wissenschaftliche Forschung Kärnten, Klagenfurt.
Online unter: http://www.kaerntner-gemeindebund.at/dmdocuments/IHS_2012.pdf [03.03.2015]
Aigner-Walder Birgit, Klinglmair Robert 2015:
Phänomen Brain Drain – Hintergründe zur Abwanderung aus Kärnten.
Hermagoras/Mohorjeva: Klagenfurt (erhältlich ab März 2015).
Arbeiterkammer Oberösterreich (o.J.):
Alternsgerechte Personalpolitik. Online unter: http://ooe.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/
arbeitswelt/arbeitsmarktpolitik/AK_Forderung__Alter(n)sgerechte_Personalpolitik.html [03.03.2015]
Arbeiterkammer Österreich AK,
Quelle: http://ooe.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/arbeitswelt/arbeitsmarktpolitik/
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VERZEICHNIS DER GRAFIKEN
Verzeichnis der Grafiken
Abb. 1:
Bevölkerungsentwicklung nach Bundesländern 2013 bis 2060, mittlere Variante
19
Abb. 2:
Bevölkerungsentwicklung in Kärnten im Haupterwerbsalter (15 bis 64 Jahre) nach Altersgruppen 20
Abb. 3:
Unterschiede der formalen Bildungsabschlüsse zwischen Kärnten und Österreich im Zeitablauf:
Differenz der relativen Anteile nach höchstem Bildungsabschluss
21
Abb. 4:
Armutsgefährdung in Kärnten – Statistik Austria EU-SILC, Jahreswerte 2004 – 2013
23
Abb.5:
Bestand an Arbeitslosen, Kärnten 1997 - 2014; nach Altersgrupen in absoluten Zahlen
39
Abb. 6:
Statistik zur Unternehmensdemografie
61
Abb 7:
Schwierigkeiten in der Gründungsphase
62
Abb. 8:
Bestand unselbstständig Beschäftigter (45+ im Detail) Kärnten 2000 - 2014 in absoluten Zahlen
66
Abb. 9:
Bevölkerungsveränderung Kärntner Bezirke, 2003 – 2012
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VERZEICHNIS DER TABELLEN
Verzeichnis der Tabellen
Tab. 1:
Bevölkerungsentwicklung in Kärnten
18
Tab. 2:
Arbeitslosenquoten in Kärnten und Österreich 22
Tab. 3:
Bevölkerung mit Migrationshintergrund nach Bundesländern (Jahresdurchschnitt 2013)
48
Tab. 4:
„Working Poor“ nach Haushaltstyp in Österreich
51
Tab. 5:
Unternehmensgründungen in Österreich und Kärnten zwischen 1993 und 2013
60

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