Artisten geben 100 Prozent

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Artisten geben 100 Prozent
Friedrichshafen · Kultur 21
SÜDKURIER NR. 6 | FN
F R E I TA G , 9 . J A N U A R 2 015
Fahndung nach
einem Kindermörder
Maximilian Hecker
solo im Hoftheater
Friedrich Dürrenmatts Kriminalroman
„Das Versprechen“ wird in einer Bühnenadaption vom Schauspiel Frankfurt
in Kooperation mit dem Theater Winterthur aufgeführt – am kommenden
Dienstag, 13. Februar, um 19.30 Uhr im
Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen. Zuvor, um 19 Uhr, gibt Volker Westphal eine Einführung.
Im Wald findet ein Hausierer die Leiche eines kleinen Mädchens. Kommissar Matthäi wird zum Schauplatz gerufen, obwohl er nur noch zwei Tage zu arbeiten hat. Beim Überbringen der
schrecklichen Nachricht verspricht
Matthäi den Eltern, den Mörder zu finden. Auf Druck von Kollegen Matthäis
gesteht der Hausierer im Verhör die Tat
und begeht Selbstmord. Der Fall ist abgeschlossen. Doch der zweifelnde Kommissar beginnt allein erneut mit den Ermittlungen. In der festen Überzeugung,
einen Serienmörder zu suchen, übernimmt er eine Tankstelle. Dort lebt er
mit einer Frau und deren achtjähriger
Tochter, die er als Köder benutzt. Matthäi verfängt sich obsessiv in seiner Idee
vom Täter und manövriert sich damit
ins gesellschaftliche Aus.
Auf der Grundlage des erfolgreichen
Films „Es geschah am helllichten Tag“,
dessen Drehbuch Dürrenmatt verfasst
hatte, schrieb er 1958 den Roman „Das
Versprechen“. Ein packender Krimi, in
der Bühnenfassung von Markus Bothe,
der den Zuschauer in die Verbissenheit
eines Mannes hineinzieht, der sich bis
zur Selbstaufgabe einer Überzeugung
verschreibt.
Maximilian Hecker
gibt am Mittwoch,
14. Januar, um 20
Uhr ein Solokonzert
im Hoftheater in
Baienfurt. Hecker
ist ein Allround-Talent, das alle Instrumente
(Klavier, M. Hecker. B I L D :
Schlagzeug, Bass, W W W. G U T S C H E R A Gitarre und Gesang O S T H O F F. C O M
natürlich)
selbst
einspielt, die Texte selber schreibt und
die Musik selbst komponiert. In seinen
melancholischen Pophymnen hat mal
die ganze Welt Platz – und mal auch nur
ein verlassener, kleiner Junge mit einer
anrührenden Stimme, die jeden Zuhörer in Bann zieht. Seit 2001 hat er ein
Dutzend Alben veröffentlicht. Karten
im Vorverkauf gibt’s für 17,50 Euro (ermäßigt 14,75 Euro) unter www.hoftheater.org.
Karten für 24, 20, 14 und 9 Euro gibt es an
der GZH-Tageskasse unter Telefon 0 75 41/
28 84 44.
Yojo Christen springt
bei Earthquake ein
Anstelle des leider
erkrankten Pianisten Alexander Wagner spielt Yojo
Christen am Sonntag, 11. Januar um 11
Uhr in der Reihe
„Earthquake“
im
Y. Christen
Kiesel in FriedrichsB I L D : K U LT U R B Ü R O
hafen. Neben Beethovens berühmter
„Pathétique“ spielt er Chopin und eigene Kompositionen. Er ist erst 18 Jahre
jung, doch mit seinen musikalischen
Qualitäten ruft Yojo Christen, wo immer er auftritt, große Begeisterung hervor. Der junge Pianist und Komponist
zählt heute schon zu den Ausnahmeerscheinungen unter der jungen Pianisten elite. Namhafte Kritiker vergleichen
ihn mit Kissin und Gulda. Immer wieder
ist seine atemberaubende Technik Gegenstand journalistischer Betrachtungen, ebenso wie seine individuellen,
von jugendlichem Elan bewegten Interpretationen sowie seine oft meditativ
und weltfern gespielten lyrischen Sätze
und Passagen. Zurzeit schreibt Yojo
Christen seine erste Oper über Kemal
Atatürk und studiert bei Franz Hummel
Klavier und Komposition.
Karten für 8 Euro gibt es im Vorverkauf an
der GZH-Tageskasse unter Telefon 0 75 41/
28 84 44.
Ravensburgs fast vergessene Malerin
Eine Gedächtnisausstellung für Meret Eichler wird heute um
19 Uhr in der Mühle Oberteuringen eröffnet. Meret Eichler, 1928 in Ravensburg geboren, war Meisterschülerin
beim Expressionisten Karl Schmitt-Rottluff. 1959 kehrte sie
von Berlin wieder in ihre Heimat zurück, wo sie bis zu
ihrem Tod 1998 in Urbanstobel im Deggenhausertal lebte
und arbeitete. Zu sehen bis 9. Februar, jeweils sonntags
und mittwochs von 14 bis 18 Uhr. B I L D : M Ü H L E
Artisten geben 100 Prozent
„Mother Africa“ – Zirkus der
Sinne – gastierte mit der
atemberaubenden Show
„Khayelitsha“ im GZH
VON ELFI BRASCHEL
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Wie kaum ein anderes Land ist Afrika ein
Land der Gegensätze, besonders im Süden: auf der einen Seite reich, mit Bodenschätzen gesegnet, auf der anderen
Seite die Armenviertel, die so genannten
„Townships“, in denen mehr als ein Drittel der Südafrikaner in Hütten aus Holz,
Wellblech und Pappkartons leben. Dass
diese auch ein hoffnungsvoller Teil mit
Aufbruchsstimmung und Kunst in allen
Formen sein können, wird im Zirkus der
Sinne „Mother Africa“ überdeutlich – eine Show mit Gesang, Tanz und Spitzenartistik. Weltklasseartisten aus sieben
Nationen Afrikas bringen sie in ihrer
Show „Khayelitsha“ – so heißt eines der
größten Townships Südafrikas – auf die
Bühne, am Mittwochabend im nur etwa
zur Hälfte gefüllten Hugo-Eckener-Saal.
Die Kulisse stimmt aufs Haar genau,
die Kostüme sind farbenprächtig und
die Truppe, die in ihrer ansteckenden,
überschäumenden Lebensfreude kaum
zu bremsen ist, strahlt so viel positive
Energie aus, dass man sie beneiden
könnte. Wie sich das Leben in diesem
Township abspielt, wird dabei auch augenzwinkernd karikiert, zum Beispiel
mit Akrobatik in clowneskem Stil.
Zwei Stunden lang (mit Pause) wirbeln die durchtrainierten Akteure wie
Gummibälle hüpfend, tanzend und mit
akrobatischer Kunstfertigkeit über die
Bühne, zeigen waghalsige, atemberaubende Kunststücke, die eine extreme
Körperbeherrschung und Biegsamkeit
Auf der Bühne wird benutzt, was der Alltag
hergibt – so wie diese Schüssel. B I L D : P R
erfordern. Rhythmus und Tanz gehören
in Afrika eben zum Leben wie das tägliche Brot. Das ist auch der rote Faden im
Programm. Die Requisiten und ShowActs kennt man alle: ein Einrad, ein
Springseil, eine Leiter, Ringe, Gegenstände aus dem Alltag wie Waschschüsseln, Balance-Acts oder Menschenpyramide. Nur wie sie benutzt, variiert und
kombiniert werden, zum Beispiel auch
auf wackeligen Konstruktionen in luftiger Höhe, ist einzigartig. Jede Nummer
wird musikalisch begleitet und bringt
pulsierendes Leben auf die Bühne.
Was den Genuss erheblich schmälert,
sind pausenlos von der Bühne kommende Nebelschwaden, die die Sicht trüben
und die Luft verschlechtern. Schlimmer
noch ist die extrem laut ausgesteuerte
Live-Band. Musikalisch ist sie zwar Spitzenklasse, doch geht im dröhnenden
Lärm der Boxen viel von deren Qualität
verloren. Als wäre eine Band mit Schlagzeug und Trommeln auch ohne das nicht
schon laut genug! Ärgerlich auch angesichts der hohen Eintrittspreise.
Zum Atemholen zwischendurch unterhalten Sängerinnen mit erstklassigen
Stimmen das Publikum mit traditionellen afrikanischen Gesängen. Wohltuend
ist dabei, dass sich eine Sängerin einmal
nur mit einer Gitarre begleitet. Gleich
darauf geht es in rasantem Tempo weiter. Not macht erfinderisch. Und so zeigen die Artisten, dass man, auch wenn
man wenig hat, auf allem, was Resonanz
erzeugt, zum Beispiel Kisten oder Fässern, ein spektakuläres Trommelfeuer
entfachen kann. Den Rhythmus nach
„We will rock you“ hat eine Gruppe mit
Bällen vorgegeben.
Einer der Höhepunkte ist ein etwa
neunjähriges Kind, das mit sensationeller Akrobatik und zahllos hintereinander wirbelnden Salti in unnachahmlicher Perfektion den anderen beinahe die
Show stiehlt. Und wie bringt man es fertig, sich zu verbiegen und die Gliedmaßen so zu verdrehen wie der Artist, der
sich schließlich noch durch einen nicht
bespannten Tennisschläger quetscht?
Dabei sieht alles so leicht aus, als wäre es
einfach nur ein Spiel.
Zum Schluss herrscht Partystimmung. Die ganze Truppe tanzt nach modernen, mitreißenden Rhythmen. Einzelne Besucher werden dazugeholt und
können hautnah das unbeschwerte Lebensgefühl miterleben. Das Einzigartige
an dieser Show ist, mit welcher Unverfälschtheit und Natürlichkeit die Artisten agieren, dass sie mit Herz dabei sind
und immer einhundert Prozent geben.
Kabarett glasklar
wie unsichtbar
Das Theater Atrium in Friedrichshafen
(Fallenbrunnen) lädt am morgigen
Samstag um 20 Uhr zu einem heiteren
Abend und der Verleihung des „Onkel
Benz Preises“ mit der Kabarettgruppe
„inflagranti“ ein. Ausgezeichnet mit
dem Kleinkunst-Förderpreis BadenWürttemberg, ist das „Kabarett inflagranti“ seit 1989 in der ganzen Republik
unterwegs mit seiner spannenden Mischung aus Szenen und Songs, furios
begleitet am Piano.
Mit ihrem neuen, zwölften Programm
„Onkel Benz Preis“ ist die sechsköpfige
Gruppe aus Tübingen – angeblich – vom
Staatsministerium engagiert worden,
um die Verleihung des Verdienstordens
des Landes Baden-Württemberg transparenter zu gestalten und stimmungsvoll zu begleiten. Dabei rudern die „inflagrantis“ zurück bis in die Eiszeit, nehmen sogar Afrika mit ins Boot und holen
bei der Ordensverleihung ordentlich
aus: Mit Kabarett von oben ist endgültig
Schluss! „inflagranti“ liefert Kabarett
von ganz weit unten – Bürgerkabarett!
Da wird nichts in geheimen Zirkeln geregelt, „inflagranti“ hat nichts zu verbergen. Die Stücke und Songs sind so
durchsichtig, dass alle sie durchschauen. Und zwischen Comedy und Zeigefingerkabarett wird glasklar unterschieden, bevor es vermischt wird.
Der Eintritt kostet 15 Euro, für Mitglieder des
Kulturvereins Caserne 12 Euro. Kartenreservierung unter Telefon 0 75 41/58 33 38
und www.caserne.de.
„inflagranti“ aus Tübingen kommen mit
neuem Programm ins Atrium. B I L D : P R
Wiederentdeckte Oper eines vergessenen Komponisten
Die Oper Halle führt im GZH Bernhard Sekles’ „Schahrazade“ aus
dem Jahr 1917 auf
Kann Schahrazade den Kalifen von seinem
Wahn erlösen und ihr eigenes Leben retten?
B I L D : FA L K W E N Z E L
Die Oper „Schahrazade“ von Bernhard
Sekles und Gerdt von Bassewitz (Libretto) wird am Donnerstag, 15. Januar, um
19.30 Uhr von der Oper Halle im GrafZeppelin-Haus in Friedrichshafen zur
Aufführung gebracht.
Bernhard Sekles (1872 – 1934) war ein
gefragter und reformfreudiger Musikpädagoge. Zu seinen Schülern am Dr.
Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt zählten Paul Hindemith, Hans Rosbaud und Theodor W. Adorno. Als Direktor dieses renommierten Instituts,
das er nicht unangefochten, aber mit
großem Geschick leitete, eröffnete er
neue Abteilungen, etwa für Oper, Kir-
chenmusik und – als Erster an einem
deutschen Konservatorium – auch für
Jazz. Das war 1928. Zuvor war Bernhard
Sekles, Spross einer jüdischen Familie
aus Frankfurt, selbst Schüler am Frankfurter Konservatorium, hatte dann Positionen als Opernkapellmeister an verschiedenen Theatern inne und verlegte
sich zunehmend auch aufs Komponieren, wobei seinen Opern besondere Resonanz beschieden waren. Eine erfolgreiche und einflussreiche Laufbahn. Sie
endete, als die Nationalsozialisten an
die Macht kamen: Sekles verlor sein
Amt, seine Werke durften nicht mehr
aufgeführt werden, er geriet in Vergessenheit und starb 1934 in einem jüdischen Altenheim in Frankfurt.
Der Oper Halle und ihrem Intendanten Axel Köhler ist es zu verdanken, dass
2013 seine Oper „Schahrazade“, 1917
unter Leitung von Wilhelm Furtwängler
in Mannheim äußerst erfolgreich uraufgeführt und in der Folge auf zahlreichen
deutschen Bühnen gespielt, erneut auf
die Bühne gekommen ist. „’Schahrazade’ verknüpft wirksam einen populären
Stoff, psychologisches Kammerspiel
und Musik in der Tradition der Spätromantik miteinander“, schreibt die Oper
Halle über das wiederentdeckte Werk.
Der deutsche Schriftsteller Gerdt von
Bassewitz (1878 – 1923), heute noch
durch sein Kinderbuch „Peterchens
Mondfahrt“ bekannt, schrieb 1911 sein
Schauspiel „Schahrazade“. Sekles bearbeitete es zum Libretto für seine gleichnamige Oper. Das Drama basiert auf der
arabischen
Geschichtensammlung
„Aus Tausendundeiner Nacht“, insbesondere auf deren Rahmenhandlung.
Zum Inhalt: Der Kalif Schahryar ist
durch die Untreue seiner ersten Frau so
tief verletzt, dass er fortan jede Frau, mit
der er eine Nacht verbringt, am folgenden Tag töten lässt. Als Schahrazade, die
Tochter des Großwesirs davon erfährt,
beschließt sie, den Kalifen durch ihre
aufrichtige Liebe von seinem schrecklichen Wahn zu erlösen. Bassewitz stellt
die eine Nacht, in der Schahrazade die
Liebe des Kalifen gewinnt, ins Zentrum
des Geschehens.
War der Pädagoge Sekles ein innovativer Geist, so gilt das nicht in gleichem
Maß für den Komponisten Sekles. Die
Musik von „Schahrazade“ erklingt lyrisch, spätromantisch, mit impressionistischen Elementen und exotischem
Kolorit.
Karten für 53, 41, 30 und 22 Euro an der
GZH-Tageskasse, Telefon 0 75 41/28 84 44.

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