Sind Implantate die besseren Zähne?

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Sind Implantate die besseren Zähne?
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KRITISIEREN & ARGUMENTIEREN ZAHNERHALT VERSUS IMPLANTAT
Dr. Jan H. Koch, Freising: Dr. Markus Schlee beim DGI-Master – Ein Parodontologe zieht Zwischenbilanz
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Sind Implantate
die besseren Zähne?
Sollten Zähne im Rahmen einer Sanierung parodontal erhalten oder besser extrahiert und durch Implantate ersetzt werden? Das Thema wird zurzeit heftig diskutiert. Beim Einsteiger-Modul zum Master of Science der Deutschen Gesellschaft
für Implantologie in Berlin analysierte Dr. Markus Schlee das Thema aus Sicht
eines niedergelassenen Parodontologen. Sein Zwischenbericht bietet spannende
wissenschaftliche Einblicke – und schließt mit klaren Empfehlungen für die Praxis.
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„Ich bin nachhaltig der Meinung, dass wir zu viel
extrahieren.“ Schlee lässt keine Zweifel, dass sein
Herz für den Zahnerhalt schlägt. Implantate hätten
zwar hohe Überlebensraten. Es sei aber zu bedenken, dass Implantate, die vor oder während der
Freilegung entfernt werden, in Studien häufig nicht
erfasst sind. Patienten kämen zudem nicht mit dem
Wunsch nach aufwändigen implantologischen Eingriffen zum Zahnarzt. Sie wünschten vielmehr schöne, funktionierende, langfristig stabile Zähne.
Moderne parodontologische, endodontologische und
restaurative Methoden führen nach Schlees Überzeugung zu sehr guten Erfolgen. So gingen in einer
Studie der Universität Kiel bei 142 parodontal
behandelten Patienten in der Phase der unterstützenden Parodontaltherapie (Erhaltungstherapie) im
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Verlauf von 11,7 Jahren nur durchschnittlich 0,07
Zähne pro Jahr verloren.
Grenzen der PAR-Therapie
Doch Schlee zeigt auch klar auf, wo die Grenzen
der Parodontaltherapie liegen. So ergab eine
andere Studie mit 600 Patienten, dass nach
durchschnittlich 22 Jahren 31 Prozent der zu
Beginn als fragwürdig eingeschätzten Zähne verloren gegangen waren. Sehr häufig sind Zähne mit
Furkationsbefall betroffen. Hemisektionen und
Wurzelamputationen sind mit hohen Misserfolgsraten belastet.
Ob gesteuerte Geweberegeneration erfolgreich ist,
hängt stark vom Können des Operateurs und der
Quelle: Jörg Kühn/DGI
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Bei einem 49-jährigen Patienten war Zahn 12 alio loco
wegen starker Lockerung mit Komposit geschient worden.
Es waren bereits mehrfach parodontale Abszesse aufgetreten. Die Krone auf Zahn 13 hatte einen stark überkonturierten Rand. (Fall: Dr. Markus Schlee)
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Der Parodontalbefund zeigt vertiefte Taschen vor allem im
Seitenzahnbereich von Ober- und Unterkiefer. Aufgrund
des hohen Attachmentverlusts, des Röntgenbefundes und
des Lockerungsgrades wurde entschieden, Zahn 12 durch
ein Implantat zu ersetzen. Hierfür wurde zunächst durch
Extraktion von 12, 38 und 48 und eine umfassende parodontale Vorbehandlung die Hygienefähigkeit hergestellt.
Die Entzündungswerte wurden reduziert und die klinischen
Parameter (BOP, API) auf ein akzeptables Niveau zurückgeführt. Die Zähne und Implantate 17 bis 12 wurden während der Phase der Parodontaltherapie mit einem laborgefertigtem Langzeitprovisorium versorgt.
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Parodontaler Abschlussbefund: Nach Abheilen der Weichgewebe war bei 12 eine Augmentation des Hartgewebes
mit autogenen Knochenspänen und des Weichgewebes
mit einem Bindegewebstransplantat durchgeführt worden.
Zahn 15 wurde wegen fortgeschrittenen Attachment- und
Knochenverlustes durch ein Implantat ersetzt und eine
Metallkeramikbrücke von 13 über 15 auf 17 hergestellt. Im
zweiten Quadranten wurde Zahn 24 wegen eines Wurzelrisses ebenfalls durch ein Implantat ersetzt.
Schlees Empfehlungen
bei Furkationsbefall: Im
Gegensatz zu furkationsbeteiligten Unterkieferzähnen haben Oberkieferzähne eine schlechte
Prognose.
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Das klinische Abschlussbild zeigt reizlos abgeheilte Gewebe und eine sehr günstige Weichgewebskontur beim
Implantat 12.
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Defektmorphologie ab. Zudem ist die Art der parodontalen Therapie laut Literatur häufig nicht
erfolgsentscheidend: „Tun Sie im Zweifel nicht zu
viel und stellen Sie lieber eine gute Dentalhygienikerin an.“
Schlechte Karten für Raucher
Bei der Entscheidung für Erhalt oder Implantation
spielt nach Schlees Recherche der Zigarettenkonsum eine wichtige Rolle. Der Forchheimer Parodontologe zeigt Röntgenbilder von einem Molaren
mit Paro-Endo-Problem bei einem Raucher. Das
Scaling stabilisiert den Zahn zunächst, doch drei
Jahre später ist der Knochen um die benachbarten
Prämolaren so weit abgebaut, dass eine Implantattherapie ohne Sinuslift nicht mehr möglich ist.
Bei fünf Prozent der Patienten mit aggressiver
Parodontitis hat die Parodontaltherapie keinen
nachhaltigen Erfolg. Unter diesen fünf Prozent
befinden sich 90 Prozent Raucher – also Personen, die mehr als zehn Zigaretten pro Tag rauchen. Das Risiko variert stark und ist dosisabhängig.
Auch eine ungünstige genetische Dispositon kann
das Erkrankungsrisiko erhöhen. Ein genetischer Polymorphismus führt zur Überproduktion des Entzündungs-Mediators Interleukin 1. Ergebnis ist ein
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Die Literaturliste können
Sie als pdf unter
www.dentalmagazin.de
herunterladen.
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Bei einem starken Raucher wurde der Zahn 16 mit ParoEndo-Problem mit geschlossenem Debridement behandelt.
(Fall: Dr. Markus Schlee)
Nach Ablauf eines Jahres ist Zahn 16 stabil, der Patient
raucht aber weiter. Zahn 14 zeigt einen zunehmenden Knochenverlust.
erhöhtes Risiko für generalisierten und stärker progedienten Krankheitsverlauf. Da aber 30 Prozent der
Bevölkerung diesen Polymorphismus aufweisen, ist
allein dadurch noch keine individuelle Prognose
möglich. Zusammen sind Rauchen und genetische
Disposition für zirka 86 Prozent der Parodontitisfälle
verantwortlich. Ein Zusammenhang zwischen der
Schwere einer Erkrankung bei Rauchern und IL1Genotyp wurde aber nicht gefunden. Weitere wichtige Risikofaktoren sind Diabetes und psychosozialer
Stress.
Engmaschiges Recall entscheidend
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Wenn der Knochenerhalt
kritisch ist, sollten fragliche Zähne frühzeitig entfernt werden. Wenn eine
Restauration geplant ist,
ist aus Kostengründen oft
eine Extraktion sinnvoll.
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Implantate bei
aggressiver Parodontitis?
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„Die gegenwärtige
Datenlage spricht dafür,
dass Implantate bei Risikopatienten und fortgschrittenem Knochenabbau möglicherweise die
bessere Lösung sind.“
Die Entscheidung ist bei einem Patienten mit therapierter aggressiver Parodontitis für Implantate
gefallen. Wie hoch ist in diesem Fall das Risiko für
Implantatverluste? Schlee: „Die Datenlage reicht für
eine abschließende Bewertung noch nicht aus.“ Das
Keimspektrum ist laut Literatur bei Periimplantitis
und Parodontitis vergleichbar und die fraglichen
Leitkeime sind um Implantate ebenso wie um
natürliche Zähne nachweisbar.
IgG-Antikörper im Serum waren bei Patienten mit
nicht integrierten Implantaten signifikant niedriger
als bei Patienten mit normalen IgG-Werten. Das
heißt, dass bei ungünstiger Abwehrlage weniger
Implantate osseointegrieren als bei intaktem
Immunsystem.
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Einzelne Studien zeigen aber – bei engmaschigem
Recall – sehr gute Überlebensraten für Implantate
bei Patienten mit therapierter aggressiver Parodontitis.
So betrug die Erfolgsquote in einer Studie mit 59
Patienten 1 bis 7 Jahre nach Implantation 97 Prozent (Unterkiefer) und 98 Prozent (Oberkiefer).
Allerdings waren 57 der 59 Patienten in einem engmaschigen Recall und daher stark selektiert. Als
Risikofaktoren für periimplantären Knochenabbau
waren in einer weiteren Untersuchung das Rauchen
von Bedeutung, Patientenalter und Interleukin 1Genotyp dagegen nicht.
Dr. Markus Schlee
ist in seiner Praxis mit parodontologischer Ausrichtung in Forchheim niedergelassen. Er ist Spezialist für Parodontologie (DGP, EDA) und hat
einen Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie
(BDIZ). Sein Know-how gibt er u.a. als Lehrbeauftragter beim Masterstudiengang der Deutschen
Gesellschaft für Implantologie (DGI) weiter.
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Ein weiteres Jahr später ist Zahn 16 weiterhin stabil, doch
die Prämolaren sind extraktionsreif. Eine Implantattherapie
ist jetzt wegen des starken Knochenverlustes problematisch. Eine frühzeitige Implantation hätte den Knochen
wahrscheinlich erhalten.
Ein anderes Patientenkollektiv mit therapierter
chronischer oder aggressiver Parodontitis erhielt
Implantate, die über drei bzw. fünf Jahre nachuntersucht wurden. Weder bei der Art der Mikroorganismen noch beim Knochen- und Attachmentver-
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Information
Master of Science in Oral Implantology DGI
Der Masterstudiengang der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) startet im März
2006 mit der vierten Studiengruppe. Der praxisbegleitende Studiengang wird in Zusammenarbeit
mit der privaten Steinbeis-Universität Berlin
durchgeführt. Er umfasst 24 Module und dauert
zwei Jahre. Die Dozenten kommen als führende
Experten aus Wissenschaft und Praxis. Die Kursbausteine sind wissenschaftsbasiert, werden aber
etwa zur Hälfte in hoch qualifizierten Praxen
durchgeführt. Im Gegensatz zu anderen Angeboten sind die praktischen Inhalte besonders
umfangreich. Einzelne Kursmodule finden im Ausland statt (zum Beispiel in Wien, Budapest und
auf Mallorca).
Entsprechend den Standards des europäischen
Bologna-Prozesses umfasst das Studium eine
intensiv betreute Masterthese und eine
Abschlussprüfung. Alle Teilnehmer werden intensiv von einem selbst gewählten Tutor betreut.
Das DGI Curriculum Implantologie wird zu 100
Prozent zeitlich und finanziell auf den Studiengang angerechnet.
lust stellten die Forscher signifikante Unterschiede zwischen Implantaten und natürlichen Zähne
fest.
Sondierungstiefen und Attachmentverlust waren
bei den Patienten mit therapierter aggressiver
Parodontitis größer als bei der chronischen Form.
Das gilt für Implantate und therapierte natürliche
Zähne. Interessant ist aber auch, dass der Knochenverlust um Implantate sogar geringer war als
um – zuvor therapierte – natürliche Zähne.
Schlee folgert unter Vorbehalt der dünnen Datenlage, dass Implantate bei aggressiver Parodontitis sogar erfolgreicher sein könnten natürliche
Zähne.
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Bei Patienten mit aggressiver Parodontitis oder
sehr weit fortgeschrittener chronischer Parodontitis wird in Schlees Praxis eine Keimbestimmung
mit entsprechender systemischer Anitibiotikagabe durchgeführt (genaue
Empfehlungen unter
www.dgparo.de, Zahnärzte/Stellungnahmen/Ad
juvante Antibiotika).
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Parodontal geschädigte Zähne lassen sich häufig
erhalten. Schlee weist zum Abschluss noch einmal
auf die hohen Erfolgsraten einer gut durchgeführten
Parodontaltherapie hin. „Doch bei Patienten mit
erhöhtem Risiko und nicht optimaler Mitarbeit sind
vor allem Zähne mit Furkationsbefall, hohem Lockerungsgrad und fortgeschrittenem Knochenabbau
gefährdet.“ Die Entscheidung für Implantate fällt
vor allem, wenn der Zahn unter den genannten
Bedingungen als Pfeiler noch längere Zeit im Mund
bleiben soll.
Abschließend zeigt Schlee eine erfolgreich parodontal therapierte Patientin mit langen Zahnhälsen und hoher Lachlinie. „Als Parodontologe bin
ich stolz auf das Ergebnis. Doch ist das wirklich
ein Erfolg für die Patientin?“ Häufig müsse überlegt werden, ob nicht eine implantatgetragene,
abnehmbare Versorgung mit Kunststoffgingiva die
bessere Lösung sei. „Die sicherste Papille macht
Peter, der Lehrling in unserem Labor. Bei der Therapiewahl muss immer auch das Gesamtbild gesehen werden.“
Schlee weiß, dass seine Zuhörer beim DGI Master
in Berlin sehr engagierte Zahnärzte sind. Sie werden ihre Entscheidungen für oder gegen Zahnerhalt
jetzt noch besser fällen können als bisher. Da der
Studiengang Master of Science in Oral Implantology interdisziplinär ausgerichtet ist, werden sie in
weiteren Kursmodulen noch viel über die Schnittstellen beider Fachgebiete erfahren (siehe auch
Infokasten). Sicher zum Vorteil für ihre Praxis und
ihre Patienten.
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Neben der Art der parodontalen Erkrankung und
dem individuellen Risiko
müssen bei der Entscheidung für oder gegen Zahnerhalt weitere Faktoren
berücksichtigt werden.
Dazu gehören u.a. endodontische Fragen, das
Ausmaß des Knochenund Attachmentverlustes
und der bisherige Krankheitsverlauf.
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