Diabetes mellitus – Definition Meilensteine der Geschichte

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Diabetes mellitus – Definition Meilensteine der Geschichte
Diabetes mellitus:
Ursachen, Formen und aktuelle Therapie
Dr. med. Axel Preßler
Lehrstuhl und Poliklinik für
Präventive und Rehabilitative Sportmedizin
Klinikum rechts der Isar
TU München
Diabetes mellitus – Definition
Diabetes bedeutet:
„Honigsüßer Durchfluss“
(„diabainein“ griech. für „Ausschreiten“,
später Synonym für Wein-Einschankvorrichtung
(Durchfluss); „mellitos“ griech. für „honigsüß“)
Definition:
Erbliche, chronische
Stoffwechselerkrankung,
die auf einem absoluten
oder relativen Mangel an
Insulin beruht
Meilensteine der Geschichte
1550 v. Chr.:
Erste Erwähnung von Symptomen
eines Diabetes im
„Papyrus Ebers“ (Ägypten), 1873 in Theben
von Georg Ebers entdeckt
400 v. Chr.: Erste Diabetes-Klassifikation vom Inder Susutra
6 n. Chr.: Landsmann Charaka schreibt: „Du hast einen Patienten, der Harn
lässt wie ein brünstiger Elefant, dessen Harn Honigharn oder Zuckerrohrharn
heißt und dessen Urin süß schmeckt und die Ameisen und Insekten anlockt.“
100 n. Chr.:
Aretaios beschreibt eindrücklich die typischen Symptome des unbehandelten
Diabetes:
„Fleisch und Bein schmilzt im Urin zusammen…“
„..wie aus geöffneten Schläuchen rinnt es unaufhörlich.“
„Über die Entstehung und Entwicklung der Krankheit dauert es einige Zeit…“
„..nach einem elenden und schmerzvollen Leben erfolgt der schnelle Tod.“
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Meilensteine der Geschichte
1869: Paul Langerhans (1847-1888) beschreibt erstmals eine inselförmige
Zellstruktur in der Bauchspeicheldrüse (kann aber deren Funktion nicht klären)
1921: Isolierung des Insulin
aus dem Pankreas und erste
erfolgreiche Therapie beim
Menschen (1922)
(Nobelpreis 1925)
1955: Frederick Sanger
Entschlüsselt die chemische
Struktur des Insulins
(Nobelpreis 1958)
Anatomie
Insulin…
Postprandiale Spitzen
Basalsekretion
Kohlenhydrate werden
durch Amylasen gespalten
und über den Darm in Form
von u.a. Glucose aufgenommen
Insulin wird aus den
Betazellen freigesetzt
und bindet an
Rezeptoren, die die
Zelle aufnahmefähig
für Glucose machen:
„Schlüssel-SchlossPrinzip“
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Diabetes mellitus = Insulinmangel
• Typ 1: absoluter Insulinmangel durch
Autoimmunerkrankung mit Zerstörung
der Beta-Zellen (jugendlicher Diabetes)
• Typ 2: relativer Insulinmangel durch
Insulinresistenz (Altersdiabetes)
• Typ 3: genetische Defekte,
Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse,
Medikamente, Infektionen
• Typ 4: Schwangerschaftsdiabetes
• Weitere Sonderformen
Problem des Insulinmangels:
GlucoseÜberschuss
im
Blut
Glucose-,
Wasser- und
Elektrolytverlust
über die Niere
Ablagerung von
Glucose
in den
Gefäßwänden
Nervenschädigung
Übersäuerung
des Körpers
Austrocknung
Elektrolytstörungen
Durst
Gefäßschäden
Koma
Lähmungen
Organfunktionsstörungen
Polyurie
Polydipsie
Müdigkeit
Schwäche
Leistungsabfall
Schwitzen
Kopfschmerz
Heißhunger
Diabetes mellitus
Symptome
Sehstörungen
Wadenkrämpfe
Infektionen
Hautkrankheiten
Potenzstörungen
Typ I:
Gewichtsverlust
Typ II:
Gewichtszunahme
Symptome
durch
Folgeerkrankungen
Koma
Azidose
Typ 1: meistens akuter Beginn
Typ 2: oft schleichend, bereits Folgeerkrankungen bei Diagnose vorhanden
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Folgeerkrankungen des Diabetes
mellitus
• Akutkomplikationen:
- selten: Insulinallergie
- Hypoglykämie
- Hyperglykämie
- Ketoazidose
Insulinallergie
• Meistens auf Inhaltsstoffe und tierische
Insuline
• Meistens nur lokale Reaktionen, selten
anaphylaktischer Schock
• Versuch mit Antihistaminika bei leichten
Allergien
• Allergietestung (Zusatzstoffe!)
• Präparatewechsel meist ausreichend
• Manchmal speziell angefertigtes Insulin
notwendig
Hypoglykämie
• Ursachen: Insulinome oder Tumoren, die
insulinähnliche Stoffe produzieren
• Reaktiv zu Beginn eines Diabetes mellitus durch
überschießende Fehlregulation, Dumping-Syndrom
• Exogene übermäßige Insulinzufuhr, ungewollt oder
gewollt
• Symptome: Heißhunger, Übelkeit, Erbrechen,
Verwirrtheit, Schwitzen, Tremor, Automatismen,
Krampfanfall, Koma, Erscheinungsbild wie bei
Schlaganfall möglich
• Therapie: bei leichter Hypoglykämie Traubenzucker
bzw. zuckerhaltige Getränke, bei schwerer
Hypoglykämie Glucose i.v.
• Schulung der Diabetiker bezüglich Erkennen von
Frühsymptomen
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Hyperglykämie
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Insulinmangel führt zu Glucoseanstieg
Osmolarität des Blutes steigt
Intrazellulärer Wasserverlust führt zu Bewusstseinsstörungen
Urinmenge steigt
Schließlich auch extrazellulärer Wasserverlust mit
Volumenmangelschock und Gefahr von Nierenversagen
Symptome: zuerst Durst, Polyurie, Exsikkose, Kollapsneigung,
später Schock, Bewusstseinsverlust, Nierenversagen,
Bauchschmerzen (Pseudoperitonismus)
Therapie: Intensivstation, Flüssigkeitsausgleich, Insulingabe zur
vorsichtigen BZ-Senkung (Vorsicht: Schäden durch schnelles
Absenken des Zuckerwertes z.B. an der Retina)
Auf Elektrolyte achten !
Im Zweifelsfall „draussen“: Glucose verabreichen
Ketoazidose
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Insulinmangel führt zu vermehrtem Fettabbau
Es bilden sich sogenannte Ketonkörper
Körper übersäuert (metabolische Azidose)
Durch Elektrolytverschiebungen kommt es zum
Volumenmangel mit allen genannten Folgen
• Vorkommen meist bei Typ-I-Diabetikern, da bei Typ2 noch etwas Insulin vorhanden ist
• Symptome wie bei Hyperglykämie, allerdings
zusätzlich Acetongeruch
• Therapie: Senkung des erhöhten BZ mittels Insulin,
Korrektur der Übersäuerung, Elektrolytausgleich
Coma diabeticum - Hypoglykämie
Entwicklung:
Langsam
Hunger:
Rasch
+++
Durst:
+++
Muskulatur:
Hypoton
Hyperton
Haut:
Trocken
Feucht
Atmung:
Groß, Aceton Normal
Augen:
Weich
Normal
Vorwiegende
Beschwerden:
Fieber,
Bauchschmerz
Delirium
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Makroangiopathien
Koronare
Herzkrankheit
Makroangiopathien
Periphere
arterielle
Verschlusskrankheit
Makroangiopathie
Schlaganfall
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Mikroangiopathie
Retinopathie
Makulopathie
Mikroangiopathie
Nephropathie
Mikroangiopathie
Neuropathie
Diabetischer Fuß
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Autonome Neuropathie
• Schmerzlose Herzinfarkte
• Herzfrequenzvariabilität vermindert
• Ruhetachykardie
• Kreislauffehlregulation
• Magenlähmung
• Bewegungsstörung der Speiseröhre
• Verdauungsstörungen
• Blasenentleerungsstörung
• Vermindertes Schwitzen
• Gestörte Pupillenreflexe
Diagnostik
Der Nüchternblutzucker ist entscheidend !
Weitere Tests:
• Glukose im Urin, Nierenschwelle
• Bestimmung von Ketonkörpern
• Screening bei Schwangeren
• Test auf Eiweißausscheidung im Urin
• Spezielle Antikörpertests bei Typ 1
Therapie
• Typ 1: Insulintherapie
• Typ 2: zunächst Diät, Gewichtsreduktion,
körperliche Aktivität
• Berechnung des täglichen Energiebedarfs
• Eiweiß 10-15%, Fett 30% (ungesättigte
Fettsäuren), Kohlenhydrate 50-60%
• Berechnung nach Broteinheiten (1 BE = 12 g
KH)
• Keine schnell resorbierbaren Zucker
• Ballaststoffreiche Ernährung
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Medikamente
Klassische und etablierte Stoffe:
• Metformin
• Acarbose, Miglitol
• Glitazone
• Glinide
• Sulfonylharnstoffe
• Evtl. Kombination mit Insulin
Neue Trends
Interessant: Die effektivsten Medikamente in der
Blutzuckersenkung sind die „alten“ !
Nathan, NEJM 2007, Vol. 256;437-440
Insulin zum Inhalieren ?
• Präparat „Exubera“, zugelassen seit 5/2006, wenn
n
oral keine gute BZ-Einstellung zu erreichen eist
m
• Ergebnis vergleichbar mit kurzwirksamem
om Insulin
en
• Bisher keine Lungenschäden bekannt
g
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• Noch keine ausreichenden a
Erfahrungen
in LangzeitM
Wirkung und Dosierungen
om
• Ca. 5-facher Preis im
n v Vergleich zu „herkömmlichem
e
Insulin“
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isc
• DDG: Insulin-Injektion
ist zu bevorzugen, außer
w
Patienten
Inz lehnen dies ab
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Insulintherapie
• Kurz wirkende Insuline / Analoga
• Verzögerungsinsuline (Intermediär / Langzeit)
• Mischinsuline
Therapieprinzipien:
• Konventionelle Insulintherapie
• Intensivierte konventionelle
Insulintherapie
• Insulinpumpentherapie
Das war viel Theorie…
Gääähn…
Aber
gleich
wird’s etwas
praxisnäher!
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