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BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik
Siemens artsprogram
kiss – Kultur in Schule und Studium
kiss
Kultur in Schule und Studium
Kunst und aktuelle Medienkultur in der Schule: Com & Com, Dellbrügge & de Moll, Melhus, Piller, Rhode
Kunst und aktuelle
Medienkultur in der Schule
Fünf Unterrichtseinheiten zu den Künstlern
Com & Com
Dellbrügge & de Moll
Bjørn Melhus
Peter Piller
Robin Rhode
Herausgegeben vom BDK e.V.
Fachverband für Kunstpädagogik
und dem Siemens Arts Program
Gefördert von der Robert Bosch Stiftung
Inhalt
Man playing piano, close-up (long exposure)
Fotograf: Jahse, Kollektion: Taxi, © gettyimages
02
Das Projekt-Stipendien-Programm »kiss – Kultur in Schule und Studium«
Beate Hentschel
04
Ein Foto von »kiss«
Sara Burkhardt
06
Randgänge des Symbolischen – Kunst und aktuelle Medienkultur
Torsten Meyer
16
Ceci n’est pas un mur
Julia Dick
36
Aus Tönen werden Erlebnisse – Aktiver Umgang mit passivem Medienkonsum
in der 6. Klasse einer Förderschule
Sandra Hampe und Lisa Seebach
52
Auf der Suche nach dem perfekten Ort
50 Schüler machen sich ihre Stadt
Britta Mertens
72
Durch das Wurmloch ins cc-space
Theresa Rieß
96
Bedeutungsflächen im Kunstunterricht
Das Vermittlungsprojekt »Bilder im Alltag finden … für den sechsten, siebten Blick«
Julia Ziegenbein
122
Autoren
124
Impressum / Quellennachweis
Das Projekt-Stipendien-Programm
»kiss – Kultur in Schule und Studium«
Nicht erst seit den alarmierenden PISA-Studien verlangt die Öffentlichkeit verstärkt, »in Bildung zu investieren«. Das Siemens Arts Program
entwarf zu diesem Zweck ein kleines ambitioniertes Projekt, das sich
auf ganz pragmatische Weise der Kunst- wie der Bildungsförderung
gleichermaßen zuwendet: Bereits seit 2004 vergibt das Siemens Arts
Program unter dem Titel »kiss – Kultur in Schule und Studium« Stipendien an Lehramtsstudenten der musisch-ästhetischen Fächer, um neue
Vermittlungsformen zeitgenössischer Kunst zu etablieren, wobei sich
renommierte Künstler als Mentoren engagieren, um den Stipendiaten
die Gelegenheit zum lebendigen Austausch mit ihren zu vermittelnden Werken zu bieten. Ausgangsidee war dabei, diese wichtige Wissensund Inspirationsquelle der Vermittlung zeitgenössischer Kunst nicht
ungenutzt zu lassen und dieses »authentische Kunstmaterial« zu erforschen, pädagogisch aufzubereiten und in einzelne Unterrichtseinheiten umzusetzen. Während sich »kiss« 2004 der zeitgenössischen Musik
widmete, wofür namhafte Komponisten wie Pierre Boulez, Helmut
Lachenmann, Wolfgang Rihm, Rebecca Saunders und Louis Andriessen
gewonnen werden konnten, widmete sich das folgende »kiss«-Projekt
ein Jahr später den Bereichen Film, Fotografie und Videokunst innerhalb der Bildenden Kunst. Es waren die Künstler Thomas Demand, Stan
Douglas, Birgit Hein, Christian Jankowski und Asta Gröting, die in diesem Projekt die Stipendiaten als Mentoren begleiteten. 2006 wurden
dann sechs Stipendien für Theater und neue Dramatik ausgeschrieben,
für die sich angehende Deutschlehrer und Lehrer für Darstellendes Spiel
bewerben konnten. Die Regisseure und Dramatiker Andrea Breth, Luk
Perceval, René Pollesch, Falk Richter, Johan Simons und Dea Loher gaben den Stipendiaten Einblick in ihre Schaffenswelt und unterstützen
sie bei der Erarbeitung einer Unterrichtseinheit, die sie anschließend
Die Stipendiaten Julia Ziegenbein, Sandra Hampe, Julia Dick,
Lisa Seebach, Theresa Rieß und Britta Mertens (v.l.n.r. im
Uhrzeigersinn) während ihres Workshops an der Universität
in Hamburg im Mai 2008
Foto: Alexandra Grieß
im Schulunterricht praktisch umsetzten. Im Herbst
2008 bewarben sich interessierte Studenten der
Kunstpädagogik für Stipendien zeitgenössischer Architektur und werden von den bekannten Architekten Prof. Peter Ebner vom Büro Ebner / Ullmann,
Prof. Gunter Henn vom Büro Henn Architekten,
Johannes Kuehn von KuehnMalvezzi und Jacob van
Rijs von MVRDV betreut und auf ihre Unterrichtssequenzen vorbereitet.
Bei jedem Stipendien-Programm werden die Unterrichtseinheiten in einer aufwändig gestalteten
Publikation inklusive aller Arbeitsmaterialien dokumentiert. Sie sollen zur Nachahmung dienen und
werden allen Lehrenden, die Interesse haben, Zeitgenössisches in ihrem Schulunterricht zu integrieren, kostenlos zur Verfügung gestellt.
Für die Realisation eines solchen Projekts ist eine
fruchtbare Kooperation unerlässlich. Mein Dank gilt
daher allen Beteiligten, die durch ihre vielfältige
Unterstützung zu »kiss« beigetragen haben, insbesondere dem Team des BDK, bestehend aus Sara
Burkhardt, Torsten Meyer, Ernst Wagner und Bärbel
Nordhaus, sowie Anna Mayrhuber und Gereon
Wulftange, die im Projektbüro »kiss« tätig waren.
Beate Hentschel
Projektleiterin Contemporary Culture
Siemens Arts Program
04 / 05
kiss
Ein Foto von kiss
Sara Burkhardt
Vorwort
Ein Foto von »kiss«
Es gibt ein Foto, welches die »kiss«-Stipendiatin Julia
Dick und den Künstler Robin Rhode zeigt (s. Seite 21).
Sie stehen vor einer Wand, auf die sie gemeinsam
mit Kreide geschrieben und gezeichnet haben. Ein
Symbol für ein Gefängnis ist dort zu sehen und
viele Pfeile, die die Worte »Erinnerung«, »Utopia«,
»Imagination«, »Jugend« und »Performance« miteinander verbinden. Das Foto macht die Entwicklung
ihrer Gedanken beim Zeichnen und Schreiben sichtbar: Julia Dick und Robin Rhode sprechen über Unterricht, entwerfen mögliche Handlungen, die Julia
Dick anschließend mit einer Gruppe Jugendlicher
in einem Gefängnis erprobt. Mit dieser Abbildung
einer besonderen Situation kommt zugleich das
Konzept von »kiss« zur Darstellung: Studierende der
Kunstpädagogik treffen auf Künstlerinnen und
Künstler, sie sprechen mit ihnen über Unterricht, erläutern ihre Ideen und kommen mitunter auf ganz
neue Gedanken. Und sie erproben das Besprochene
in der Praxis. Dabei zeigt sich vielleicht, dass es
mehr Reibungen gibt als erwartet, dass die jeweilige (Bildungs-)Institution ihre eigenen Regeln
besitzt und Schülerinnen und Schüler ihre eigene
Vorstellung von Kunstunterricht haben. Es wird
deutlich, dass Theorie der Erprobung in der Praxis
bedarf wie umgekehrt jede Praxis eine theoretische Basis braucht.
Seit 2008 ist der BDK e.V., der Fachverband für
Kunstpädagogik, am Stipendienprogramm »kiss« beteiligt. Initiiert wurde das Programm von Beate
Hentschel, der Projektleiterin für Zeit- und Kulturgeschichte beim Siemens Arts Program. Am ersten Durchgang Bildende Kunst 2005/2006 waren
bereits Torsten Meyer und Ernst Wagner vom BDK
als fachdidaktische Berater und Jurymitglieder beteiligt. Sie regten nach dem ersten Durchgang
eine Fortsetzung des Programms an, woraufhin das
Siemens Arts Program die anteilige Finanzierung
und die konzeptionelle Mitarbeit für drei weitere
Projekte zusagte. Als weiterer Partner wurde die
Robert Bosch Stiftung gewonnen, womit die finanzielle Seite gesichert war.
So konnte »kiss« 2007/08 fortgesetzt werden – mit
einem erweiterten Team, bestehend aus Torsten
Meyer, Ernst Wagner und Sara Burkhardt für den
BDK, Beate Hentschel für das Siemens Arts Program, Anna Mayrhuber als freie Mitarbeiterin im
Projektbüro »kiss« (inzwischen aufgrund ihres Eintritts ins Referendariat abgelöst von Gereon Wulftange) und Bärbel Nordhaus als hilfreiche
Finanzmeisterin in der Geschäftsstelle des BDK.
Im Rahmen der ersten Durchführung von »kiss« mit dem Schwerpunkt
»Fotografie, Film, Video« arbeiteten Thomas Demand, Stan Douglas,
Asta Gröting, Birgit Hein und Christian Jankowski mit den Stipendiaten
zusammen. Für den Durchgang 2007/08 mit dem Schwerpunkt »Kunst
und aktuelle Medienkultur« konnten die Künstler Com&Com, Dellbrügge
& de Moll, Bjørn Melhus, Peter Piller und Robin Rhode als Mentoren
gewonnen werden. Um für jeden der Künstler einen Stipendiaten zu
finden, wurde ein Stipendium für Studierende der Kunstpädagogik
ausgeschrieben. So setzten sich die Bewerberinnen bereits im Vorfeld
mit einem der Künstler auseinander und formulierten eine erste Unterrichtsidee. Diese reichten sie zusammen mit ihrem Lebenslauf und
Angaben zu ihren künstlerischen Schwerpunkten beim Leitungsteam
von »kiss« ein. Dieses traf aus den 67 Bewerbungen eine erste Auswahl
und lud 12 Kandidaten zu einer Jurysitzung in München ein. 2008
war die Jury neben dem Leitungsteam besetzt mit Anna Mayrhuber,
Thomas Trummer (Projektleiter Bildende Kunst beim Siemens Arts
Program) und Gila Kolb (Stipendiatin »kiss« 2005/06, inzwischen wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Kunsthochschule Kassel). Ausgewählt
wurden die sechs Stipendiatinnen Julia Ziegenbein (Hochschule für
Bildende Künste Hamburg/Universität Hamburg), Theresa Rieß (Kunsthochschule Kassel/Universität Kassel), das Team Sandra Hampe und
Lisa Seebach (Hochschule für Bildende Künste Braunschweig), Britta
Mertens (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd) und Julia
Dick (Hochschule für Bildende Künste Braunschweig).
Die vorliegende Publikation stellt vor, was sich seit dieser Auswahl getan
hat. Sie dokumentiert die Zusammentreffen der Stipendiatinnen mit
den Künstlern und die von den Stipendiatinnen durchgeführten Unterrichtsprojekte.
Schon bald nach Beginn der Arbeitsphase stellte sich heraus, dass sich
dieser Durchgang durch mehrere Besonderheiten auszeichnen würde:
Zwei Stipendiatinnen arbeiteten im Team und entwickelten ihr Projekt
für eine Förderschulklasse, eine Stipendiatin plante Unterricht in einer
Untersuchungshaft für jugendliche Straftäter; in einem Entwurf wurde
die Konzeptkunst zum Ausgangspunkt für den Unterricht in einer Grundschule, zu einem anderen Projekt gehörte die Konstruktion einer komplexen virtuellen Plattform und eine Stipendiatin setzte ihren Entwurf
an einer Schule mit besonderem Unterrichtskonzept um. Wenn diese
Abweichungen vom Regelhaften auch manchmal zu Problemen führten,
wurden sie doch von allen als Herausforderung und als Zeichen einer
Vielfalt möglicher kunstpädagogischer Herangehensweisen empfunden.
Das Konzept von »kiss« sieht zwei Workshops vor, diese fanden im Frühling und Sommer 2008 an der Universität Hamburg statt und wurden
von Torsten Meyer geleitet, unterstützt von Sara
Burkhardt, Anna Mayrhuber und Gereon Wulftange.
Bei diesen Workshops wurden Fragen aufgeworfen wie: Was ist Sache der Lernenden, was der
Lehrenden? Inwieweit kann ich die Schülerinnen
und Schüler überfordern – wann kann dies gut
sein? Wie formuliere ich Arbeitsaufträge präzise
und erhalte trotzdem eine Offenheit in der Problemstellung? Welche Rolle spielen Texte oder Referate im Unterrichtsverlauf? Wann ist ein Arbeitsprozess abgeschlossen? Wie werden Medien und
der Umgang mit ihnen thematisiert? Welcher Erkenntnisprozess findet bei den Schülerinnen und
Schülern statt? Welche Rolle spielt der Künstler,
falls er zu Besuch in die Klasse kommt?
Immer wieder wurde deutlich, dass sich die Stipendiatinnen in einer besonderen Situation befanden. Dies wurde in den Gesprächen thematisiert.
Sie waren noch keine »fertigen« Lehrerinnen, nahmen aber während ihres Praktikums die Lehrerrolle
ein. Sie sammelten erste Unterrichtserfahrungen
und konnten in Lehrsituationen nicht auf einen
Fundus von Entscheidungsmöglichkeiten und Reaktionen zurückgreifen. Sie waren also zugleich
in der Rolle des Lernenden und des Lehrenden.
Gleichzeitig standen sie in engem Kontakt mit den
Künstlern, deren Werke und Vorgehensweisen
Ausgangspunkt oder Inhalt ihres Unterrichts waren. Diese Rollen sowie die Frage nach möglichen
Freiräumen und notwendigen Rahmungen galt
es zu klären.
In der vorliegenden Publikation lässt sich nachlesen, was im Unterricht passiert ist. Die Stipendiatinnen erläutern ihre Vorüberlegungen, ihre
Konzepte und Vorstellungen, die Abläufe im schulischen Rahmen und reflektieren die von ihnen
gemachten Erfahrungen, zu denen auch Momente
des Scheiterns gehören. Manches mag für Unterrichtsentwürfe anregend sein, manches besitzt
aufgrund der Besonderheit der Situation Berichtcharakter und ermöglicht doch neuartige Perspektiven auf Unterricht. Es ist wie auf dem Foto
von Julia Dick und Robin Rhode: Kreide reibt sich
an der Wand, Personen verhalten sich zueinander,
ein Prozess findet statt, Gedanken werden entwickelt und aufgezeichnet, es wird etwas ausprobiert. Und es bilden sich Erkenntnisse.
Torsten Meyer
Randgänge des
Symbolischen –
Kunst und
aktuelle Medienkultur
Foto: Alexandra Grieß
Ob das Fach Kunst seinen Namen zu Recht trägt,
steht immer mal wieder zur Debatte. Aktuell,
so scheint es, relativ dringlich. Die aktuelle Dringlichkeit hängt einerseits zusammen mit den allgemeinen Veränderungen im Bildungssystem am
Beginn des 21. Jahrhunderts, die neue Anforderungen an die Schule stellen, andere Formen von
Rechenschaft und Evaluation verlangen und auch
andere Formen der zeitlichen, räumlichen und
curricularen Organisation mit sich bringen. Andererseits hängt die Dringlichkeit der Diskussion
über den Namen des Fachs zusammen mit Veränderungen dessen, was – dem Namen nach – Gegenstand des Fachs ist.
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kiss
Torsten Meyer: Randgänge des Symbolischen – Kunst und aktuelle Medienkultur
Was war Kunst?
»Was war Kunst?« Das fragt sich etwa Wolfgang Ullrich,1 meint das zwar
nicht ganz ernst, argumentiert dann aber immerhin für eine »Abrüstung«
des Kunstbegriffs: »Tiefer hängen« – so sein Plädoyer für die Entlastung der Kunst von den überzogenen Ansprüchen, die den Begriff der
Kunst in den vergangenen zwei Jahrhunderten zu einem »hypertrophen Gebilde« haben anschwellen lassen. Dieses Gebilde scheint nun
zu kippen. Pauschal auf Kunst gerichtete Glücks- und Erlösungsprojektionen sind seltener und schwächer geworden, die Kunst hat – so
Ullrich – als »Fluchtpunkt der größten Sehnsüchte« ausgedient. So
ist durchaus denkbar, dass das Wort »Kunst« mit seiner »seltsamen und
pompösen Geschichte« in ein paar Generationen nur noch für Ideenhistoriker interessant ist, weil es nicht mehr länger eine »notwendige
und sinnvolle Bezeichnung [ist], um irgendwelche Dinge, Ereignisse
oder Phänomene zu beschreiben.«
Ullrich geht es darum, die »Depotenzierung« des Kunstbegriffs zum
einen deutlich zu machen und entsprechend überzogene Ansprüche
zu korrigieren, zum anderen will er eruieren, was diese Depotenzierungen im Weiteren bedeuten könnten: Wo gibt es Indizien einer Emanzipation? Wo Signale der Befreiung? Wo sind neue Perspektiven in
Sicht? Bei dieser Suche nach anderen Perspektiven ist allerdings keineswegs sicher, dass ein »klar abgegrenztes Feld übrigbleibt, das als Kunst
gelten wird.«2
Die Abrüstung des Kunstbegriffs zeitigt Folgen bei denen, die sich professionell mit Kunst beschäftigen. Künstler öffnen Grenzen und lassen
sich nicht mehr nur darauf fixieren, Kunst zu machen. Sie finden es entspannend, nicht mehr dem Meisterwerk und der großen Erzählung
verpflichtet zu sein, und setzen sich entsprechend auch mit anderen
Lebens- und Bildwelten auseinander.
In und an diesen Grenzbereichen arbeitet z.B. das im aktuellen «kiss«Durchgang kooperierende Künstler-Duo Com&Com: »Der institutionalisierte Kunstrahmen, der ist abgegrast. Der ist unspannend, für uns
unspannend«, so Johannes M. Hedinger. Die Konsequenz wäre eigentlich, komplett aus dem Kunstkontext herauszugehen, aber: »Da wird
es natürlich schizophren, auf der anderen Seite brauchen wir das. Wir
brauchen diese Meta-Diskurs-Ebene. Und da sind wir außerdem eitel,
wir wollen ja auch unsere Spuren hinterlassen im kunsthistorischen
Sinn. Außerdem ist da noch die Finanzierbarkeit: Als Kulturprojekt
kannst du das finanzieren, wenn du das als marktwirtschaftliches Projekt durchführen willst, hast du keine Chance. Und irgendwie verstehen wir uns schon als Künstler. Wir sind von da ausgegangen.«3
Neben Künstlern erweitern auch Kunsthistoriker die Zuständigkeit ihrer
Profession um außerkünstlerische Phänomene und wählen zunehmend neutraler klingende Berufsbezeichnungen wie Kultur- oder Bildwissenschaftler. Und Kunstpädagogen? Die schreiben Polemiken »gegen die Kunstorientierung der Kunstpädagogik«.4
Ein Wort wie ein Ölgemälde
Zu ähnlichen Ergebnissen wie Wolfgang Ullrich
kommt aus anderer Perspektive auch der Mediologe Régis Debray in seiner »Geschichte der Bildbetrachtung im Abendland«.5 Debray hat drei
große, durch ihre medientechnologischen Prägungen unterscheidbare Epochen identifiziert,
die er »Mediosphären« nennt und als kulturelle
Makromilieus versteht: Mit »Logosphäre« bezeichnet er die durch mündliche Tradierung und
handschriftliche Aufzeichnungen geprägte Mediosphäre, die bis zur Erfindung des Buchdrucks andauerte. »Vom 15. Jahrhundert bis gestern« prägte
die Medientechnologie des Buchdrucks die »Graphosphäre«. Zurzeit umgibt uns gerade noch die
»Videosphäre«, die aber rasant übergeht in »eine
Art Hypersphäre, die sich hauptsächlich aus digitalen Signalen zusammensetzt.«6
Kunst ist vor diesem Hintergrund »kein unveränderlicher Bestandteil der conditio humana« und
auch keine »transhistorische Substanz«, die sich
als anthropologische Konstante unverändert
durch die Mediosphären zieht. Kunst ist mediologisch betrachtet ein Symptom der Graphosphäre, ein erst spät im neuzeitlichen Abendland aufgetauchter Begriff, dessen Fortbestand nach
Debray (im Einklang mit Ullrich) keineswegs gesichert ist: »Die drei mediologischen Zäsuren der
Menschheitsgeschichte [...] lassen in der Geschichte der Bilder drei verschiedene Kontinente hervortreten: den des Idols, den der Kunst und den
des Visuellen.« Jeder »Kontinent« hat sein eigenes
Gesetz und ihre Verwechslung führt »nur zu unnötigen Problemen«.7
»kiss«-Workshop an der Universität Hamburg
Fotos auf den Folgeseiten: Alexandra Grieß
Paradigmenwechsel
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Mit Blick auf die Fachgeschichte der Kunstpädagogik zeigt sich hier
ein recht hohes Verwechslungspotenzial: Die Idee, dass die Auseinandersetzung mit Kunst zur Bildung, zur Ȁsthetischen Erziehung des
Menschen« führt, stammt aus der Hochzeit graphosphärischen Welt-,
Selbst- und Kunstverständnisses. Schillers Briefe bezogen sich auf eine Kunst, die es als anthropologische Konstante und »transhistorische
Substanz« so nicht mehr gibt. Eine Kunstpädagogik, die sich im 21.
Jahrhundert an einem graphosphärischen Verständnis von Kunst orientiert, scheint sich der eigenen blinden Flecken nicht bewusst und
sitzt folglich jenen Verwechslungen auf, die laut Debray zu eigentlich
»unnötigen Problemen« führen. Und sie zeigt sich damit selbst als
Symptom einer längst vergangenen Mediosphäre.
Für die Schule der Video-/Hypersphäre könnte
dieser mediologische Blick bedeuten, dass das Fach,
das sich mit dem Phänomen Bild beschäftigt,
nicht in erster Linie auf eine Geschichte der Kunst
als große, hochkulturelle Erzählung vergangener
Zeiten rekurriert, sondern sich wesentlich beschäftigt mit dem »Kontinent« des Visuellen. Da
geht es dann gerade nicht mehr um Kontemplation, um das Schöne, ums Gefallen, das Ikonische,
das Meisterwerk, das Pathos, die Obsession, das
Künstlergenie – und auch nicht mehr um die nach
graphosphärischem Verständnis damit zusammenhängenden Bildungs- und Erziehungseffekte.
Ullrich, Wolfgang: Was war Kunst? Biographien eines Begriffs, Frankfurt a.M. 2005.
Ullrich, Wolfgang: Tiefer hängen. Über den Umgang mit der Kunst, Berlin 2003, S. 9ff.
Hedinger, Johannes M.; Meyer, Torsten: »Der Journalist ist unser Pinsel«, in: Kirschenmann, Johannes; Schulz, Frank; Sowa, Hubert (Hg.): Kunstpädagogik im Projekt der allgemeinen Bildung,
München 2006 (Kontext Kunstpädagogik 7), S. 638.
Billmayer, Franz: Paradigmenwechsel übersehen. Eine Polemik gegen die Kunstorientierung der
Kunstpädagogik, hg. von Pazzini, Karl-Josef et al., Hamburg 2008 (Kunstpädagogische Positionen
19).
Debray, Régis: Jenseits der Bilder. Eine Geschichte der Bildbetrachtung im Abendland, Rodenbach
1999. Vgl. dort (S. 149) auch die Zwischenüberschrift über diesem Abschnitt.
Debray, Régis: Der Tod des Bildes erfordert eine neue Mediologie, in: Heidelberger e-Journal für
Ritualwissenschaft, 2001/2002 (http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~es3/e-journal/fundstuecke/
debray.pdf).
Debray 1999, S. 212.
Billmayer, ebd., S. 28.
Ebd., S. 5.
Unter Kunstpädagogen mehren sich entsprechend
Stimmen, die die Depotenzierung der Kunst zu
be grüßen scheinen und entsprechende Konsequenzen für einen Kunst-Unterricht ziehen, der
dann keiner mehr ist. »Der Kunstunterricht kann
sich [...] endlich unverkrampft mit den Sachen
befassen, die anstehen und die die Schülerinnen
und Schüler brauchen, ohne sich noch auf die
Kunst im Speziellen beziehen zu müssen«, schreibt
zum Beispiel Franz Billmayer.8 Es geht ihm dabei
um die Frage, wie Kinder und Jugendliche auf
»die Welt der Bilder« vorbereitet werden und werden könnten. Zentrale These: »die Orientierung
an Kunst behindert dieses Unternehmen eher.«9
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kiss
Torsten Meyer: Randgänge des Symbolischen – Kunst und aktuelle Medienkultur
Substanz der Sache, die da als Kunst behauptet
wird, nichts zu tun hat, wird – so Billmayer – in
der Kunstpädagogik weiterhin verfahren, als wäre
Kunst eine ästhetisch erfahrbare Eigenschaft des
Werks. Und Schülerinnen und Schüler arbeiten
im Sinne des ästhetischen Paradigmas weiterhin
»künstlerisch« als sei nichts geschehen.
»kiss«-Workshop mit Professor Torsten Meyer
Dem institutionellen Paradigma zugehörig verstehen sich Dellbrügge & de Moll in der Rolle der
Künstler als »exemplarisch Kommunizierende«.10
Sie arbeiten kontextbezogen und medienübergreifend an Schnittstellen von öffentlichen, digitalen und institutionellen Räumen. Zu der von ihnen als künstlerisch verstandenen Praxis gehört
es, diskursive Plattformen zu schaffen, Printmedien herauszugeben, Videoprogramme und Ausstellungen zu konzipieren. Dellbrügge & de Moll
gehen – in dieser Hinsicht ähnlich Com&Com –
»den Möglichkeiten nach, aus dem Raum der Kunst
heraus Veränderung zu initiieren.«11 Sie interessieren dabei »Modelle der Wahl, Situationen, in
denen eine Entscheidung getroffen wird und die
Kompetenz, über den Status Quo hinauszudenken.«12
Bezüglich des Paradigmenwechsels in der Kunst
kann man diese Aussage interessanter-, aber auch
verwirrenderweise zugleich auf das Ästhetische
wie auf das Institutionelle beziehen. Es geht um
Gestaltungsfragen, nämlich um die Gestaltung
von Kommunikationsprozessen, die es ermöglichen, über den Status Quo hinauszudenken. Das
ließe sich zwar nicht bildwissenschaftlich, wohl
aber bildungstheoretisch ausbeuten.
Wie Ullrich und Debray geht auch Billmayer aus von wesentlichen Veränderungen des Kunstbegriffs und -verständnisses in den letzten
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts aus. Er spricht (mit Lars Vilks) in
Anlehnung an Thomas S. Kuhn von einem »Paradigmenwechsel«. Der
Wechsel vom »ästhetischen« zum »institutionellen Paradigma« wurde
von der Kunstpädagogik bislang übersehen, falsch verstanden oder
falsch gedeutet. Obwohl Kunst im aktuellen, d.h. »institutionellen Paradigma« nur eine Zuschreibung des Kunstsystems ist, die mit der
Ausgehend von diesem Paradigmenwechsel im
Verständnis von und im Umgang mit Kunst plädiert Franz Billmayer für eine Normalisierung des
Fachs und eine damit zusammenhängende Entlastung von der »umfassenden Verantwortung für
die ganze Welt.«13 So wie der Künstler aus dem
Zwang zum Meisterwerk, der Verpflichtung auf
die große Erzählung und von der Bürde des Genies befreit ist, so darf sich nun auch der Kunstpädagoge als ein Lehrer unter anderen sehen
und »der Kunstunterricht als ein Schulfach [...]
mit spezieller Zuständigkeit, aber keinen umfassenden Verantwortungen und Ansprüchen.«14
Bild-Unterricht
Billmayer rekurriert auf eine offenbar schon gelebte Praxis eines
Kunstunterrichts, der ohnehin schon keiner mehr ist: »KunstpädagogInnen betreiben eigentlich etwas anderes – etwa Bild- oder Medienunterricht – und nennen es nur irrtümlicherweise ›Kunst‹unterricht.
[...] Im Unterricht werden Bilder gemacht, mediale und semiotische Erscheinungen untersucht und reflektiert, es werden Informationen gestaltet und Techniken vermittelt und erlernt« und, so schließt Billmayer
im Einklang mit den neusten Bildungsstandards für das Fach Kunst:
»Auch die Bilder der Kunst werden vor allem als Bilder behandelt.«15
10 Dellbrügge & de Moll: »Exemplarisch Kommunizierende. Ein Gespräch von Dieter Buchhardt«, in:
Kunstforum International, Bd. 191, Juli-September 2006 (zitiert nach http://www.workworkwork.
de/texte/buch.htm vom 21.11.2008).
11 http://www.goethe.de/INS/uz/tas/acv/bku/2007/de2571447v.htm vom 21.11.2008.
12 Dellbrügge & de Moll im eMail-Austausch im Rahmen des Projekts »kiss« 2008, vgl. den Beitrag
von Britta Mertens in diesem Band.
13 Billmayer, S. 28.
14 Ebd., S. 25.
15 Ebd., S. 28; siehe dazu auch die aktuell vom BDK erarbeiteten »Bildungsstandards im Fach Kunst
für den mittleren Schulabschluss«, in denen das Wort »Kunst« nur noch als Fachbezeichnung
vorkommt (http://www.bdk-online.info/xmentor/media/8,1225705103.pdf).
16 Sachs-Hombach, Klaus: »Plädoyer für ein Schulfach ›Visuelle Medien‹«, in: IMAGE 2, Themenbeiheft: Filmforschung und Filmlehre, hg. von Eva Fritsch, Köln: Halem Verlag 2005 (http://www.
bildwissenschaft.org/journal/content.php?function=fnArticle&showArticle=48 vom 21.11.2008).
Damit scheint der Forderung nach einem neuen
Schulfach für »Visuelle Medien« schon vorausgegriffen. Klaus Sachs-Hombach hatte im Bemühen
um die Etablierung einer allgemeinen Bildwissenschaft für ein solches plädiert: Die »Dominanz
des Visuellen« ist den hochgradig vernetzten Mediengesellschaften inhärent, weil die »scheinbar
unmittelbare Verständlichkeit« von Bildern eine
»Reduktion oder Kompensation der durch Vernetzung zunehmenden Komplexität« verspricht.
Diese »unmittelbare Verständlichkeit« ist aber
nur eine scheinbare. Deshalb ist die »Vermittlung
der theoretischen Modelle mit den praktischen
Erfordernissen« nötig und deshalb sollte nach
Sachs-Hombach ein entsprechendes Schulfach
eingeführt werden, in dem es um den Erwerb visueller Kompetenzen und die Einführung in die
Bildwissenschaft geht.16
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kiss
Torsten Meyer: Randgänge des Symbolischen – Kunst und aktuelle Medienkultur
Was war Bild?
Eigentlich geht es also um ein neues, zusätzliches Schulfach für das,
was am Phänomen Bild rational fassbar scheint und methodisch orientiert an der Bildwissenschaft begrifflich beschreibbar ist. Weil die Aussichten, in der gegenwärtigen finanziellen Verfassung des Bildungssystems ein neues Schulfach einzurichten, aber eher trübe scheinen,
hatte Sachs-Hombach das Fach Kunst zur Verortung der Bildwissenschaft in der Schulpraxis vorgeschlagen. Dabei sollte es wegen der
Breitenwirkung zwar hauptsächlich um das Bild in Film und Fernsehen
und im Bereich der digitalen Medien (etwa Computerspiele) gehen,
aber weil »ein Verständnis gestalterischer Prinzipien in besonderer
Weise im Kontext ihrer historischen Entwicklung sinnvoll ist«, würden
»Phänomene der Bildenden Kunst« auch – und wie an der Formulierung erkennbar, nur im Verständnis des ästhetischen Paradigmas –
einen Beitrag liefern können.17
Es mag vor dem Hintergrund des Paradigmenwechsels in der Kunst
und den mediologischen Revolutionen, die die neuen Medien des 20.
und insbesondere 21. Jahrhunderts mit sich bringen, und auch in Bezug auf die veränderten Formen von Rechenschaft und Evaluation im
Bildungssystem recht einleuchtend erscheinen, das Fach für »Visuelle
Medien« als den »Kunstunterricht« für die Video-/Hypersphäre zu verstehen. Aber es besteht hier eine gewisse Gefahr, dass zugunsten des
rational leichter fassbaren und rationeller zu unterrichtenden Gegenstands das Kind mit dem Bad ausgeschüttet wird (und nur noch eine
leere und ebenso veraltete Wanne namens »Bild« übrig bleibt). Nicht
nur das Verständnis und der Umgang mit Kunst, auch die Existenzform
und das Wirkungsprinzip des Bildes verändern sich mit den mediolo-
gischen Revolutionen. Das graphosphärische Bild
war eine Sache, ein Objekt, ein Ding. Ein Ding,
das ein anderes Ding zu sein vorgibt. In der Video-/
Hypersphäre ist das Bild hingegen nur noch Wahrnehmung, es ist virtuell, sein Wirkprinzip ist die
Simulation. Auch hier führen Verwechslungen zu
eigentlich »unnötigen Problemen«.
Versuchen wir das in einem vermutlich angemessenen, weiteren zeitlichen Horizont zu denken:18
In der Logosphäre war das Bild etwas Lebendiges,
ein Wesen. Die Reliquie ist dafür ein Beispiel. Der
Knochen des Heiligen ist der Heilige. Das logosphärische Bild ist semiotisch gesehen ein IndexZeichen, Pars pro Toto. Sein Wirkungsprinzip ist
die Präsenz, seine Beziehung zum Sein ist transzendent.
Das graphosphärische Bild ist demgegenüber kein
Wesen, sondern eine Sache. Aber eine andere
Sache als die, die es abbildet. Es ist ein Ikon-Zeichen, ein Ding, das ein anderes Ding an dessen
Stelle vertritt, ein Portrait des Heiligen zum Beispiel. Sein Wirkprinzip ist die Darstellung (Präsentation), seine Beziehung zum Sein ist illusorisch.
Die Graphosphäre ist nicht allein durch die Medientechnologie des Buchdrucks gekennzeichnet,
auch die Erfindung, Perfektionierung und letztlich
Mechanisierung (Fotografie) der Abbildungstechnologie der Zentralperspektive fällt in diese Zeit.19
Das Bild der Video-/Hypersphäre ist nur noch Wahrnehmung. Es ist kein Ding mehr, es ist virtuell.
Es ist symbolisch und digital, es hat im Gegensatz
zum graphosphärischen Bild keine analoge Beziehung mehr zum Sein. Es basiert, wie alles Symbolische, auf Codes. Auf Codes, die man – im Gegensatz zum Wirkprinzip des Ikonischen – kennen
und also gelernt haben muss.
17 Ebd.
18 Im Anschluss an Debray 1999, S. 218f.
19 Vgl. z.B. Panofsky, Erwin: Die Perspektive als ›symbolische Form‹,
hg. von Oberer, H.; Verheyen, E., Berlin 1927.
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kiss
Torsten Meyer: Randgänge des Symbolischen – Kunst und aktuelle Medienkultur
Was Robin Rhode mit Bildern anstellt – man könnte das als »Bildumgangsspiele« 20 bezeichnen –, kann hier als Beispiel für die Problematisierung der analogen Beziehung des Bilds zum Sein gelten. René
Magritte hatte darauf hingewiesen, dass die Pfeife, wenn sie auf
der Leinwand abgebildet wird, keine ist. Das war ein typisch graphosphärisches Problem. Rhode zeigt nun, dass man diese Pfeife – trotz
Magrittes Beteuerungen, es sei unmöglich21 – eben doch rauchen
kann. Wenn Robin Rhode voller verzweifelter Wut einen Stein in die
Scheibe des Autos wirft, das er zuvor mit extrem gekonnten, schnellen
Strichen an die Wand gezeichnet hatte und dann mit einer Brechstange und fast rührendem Unvermögen aufzuhebeln versuchte, dann
laboriert er nicht mehr nur (wie Magritte) an den Rändern des Ikonischen, der Ähnlichkeitsbeziehungen, am Verhältnis des Imaginären
zum Sein. Robin Rhode arbeitet an den Rändern der Codes, die das
Leben in der südafrikanischen Großstadt im Realen bestimmen, den
sozialen Zuschreibungen und jugendkulturellen Selbstverständnissen
in der postkolonialen Wirklichkeit, an den Beziehungen des Symbolischen zum Realen. Und, das ist auch nicht ganz unwichtig: Es ist kein
dem Vergnügen dienendes Spiel mit Ähnlichkeitsbeziehungen mehr.
Es ist Ernst, in gewisser Weise ein sehr radikaler Ernst.
Bild im Plural
Es geht hier nicht um die Opposition von »Hochkultur« und »Alltagsästhetik«. Es geht vielmehr darum, dass diese Unterscheidung zu Zeiten
graphosphärischer Expertokratie sinnvoll erschien, unter den Gegebenheiten einer hypersphärischen Mediokratie aber nicht mehr. Auch
das, was dem aktuellen medienkulturellen Apriori gemäß als »Kunst«
fungiert, hat zu tun mit dem Bild als Wahrnehmung, mit dem Virtuellen und der Simulation, mit Information, mit Wirkprinzipien des Symbolischen, des Codes und des Digitalen. Und mit dem Bild vor allem
im Plural.
An den Arbeiten Peter Pillers wird deutlich: Die aktuelle Kunst betrachtet das Bild nicht mehr als Ziel der Kunst, sondern als deren Rohstoff
und Material. Und sie produziert nicht mehr das eine Meisterwerk, sondern geht vor allem mit dem Plural von Bild um. Peter Pillers Archiv
umfasst ca. 7000 Bilder. Es handelt sich um Bilder aus der lokalen Tagespresse, aus dem Internet, um Postkarten, Bilder aus Firmennachlässen (beispielsweise die Luftaufnahmen von Einfamilienhäusern) und
auch, aber entgegen dem graphosphärischen Bild des Künstlers, um
eigene Fotos. Aus diesem Fundus stellt er jene Auswahlen zusammen,
die gerade erst durch den Plural jene eigenwilligen, neuen Kontexte
erzeugen: »Auto berühren«, »in Löcher blicken«, »schießende Mädchen« usw.
Die ästhetischen Qualitäten der einzelnen Bilder
sind dabei irrelevant. Es geht gar nicht um das
Bild als Ding und Objekt. Es geht um den symbolischen Umgang mit dem Bild, den medienkulturellen Gebrauch. Es geht nicht mehr um das Prinzip der Singularität (jedenfalls nicht auf dieser
Ebene). Statt dessen wird eine Art Bildüberschuss
inszeniert, der den Betrachter, der mit dem Anspruch, jedem Bild einzeln seine Aufmerksamkeit
zu schenken, in eine Ausstellung geht, ebenso
überfordert wie den Kunstpädagogen, der daran
eine auf das Objekt im Singular bezogene und
deshalb zu kurz verstandene Bildkompetenz entwickeln will.
Auch die Arbeiten Bjørn Melhus’ lassen sich im Kontext des Bilds im Plural verstehen. Es geht dabei
um Ver-Dichtungen der auf das Individuum in der
aktuellen Medienkultur einfallenden Bilder. Ein
Archiv im Kopf zunächst, aus dem heraus Geschichten entstehen: »Ich möchte Geschichten erzählen
in erster Linie«, sagt Melhus, »die kommen aus
mir heraus.« Diese Geschichten stehen in Zusammenhang mit »dem Individuum, das ich bin, zu
dem, was eine Medienkultur produziert, und was
wieder durch mich hindurch fließt.«22 Die (audio-)visuellen Ver-Dichtungen haben etwas zu tun
mit dem Individuum Bjørn Melhus, aber auch
mit der Gesellschaft, die dieses Individuum symbolisch umgibt: Es geht um die in die Struktur
des inneren Archivs hinein vergessenen Bilder, die
das Außen im Innen erzeugen.
20 Vgl. Busse, Klaus Peter: Bildumgangsspiele: Kunst unterrichten,
Norderstedt 2004 (Dortmunder Schriften zur Kunst. Bd. 2).
21 Vgl. Magritte, René: Dies ist kein Buch. Polemik und Malerei,
Hamburg 2. Aufl. 1995.
22 Zitiert nach Schortmann, Cécile: Bjørn Melhus, http://www.hronline.de/website/rubriken/kultur/index.jsp?rubrik=2057&key=
standard_document_764877 vom 21.11.2008.
23 Vgl. z.B. Geertz, Clifford: Dichte Beschreibung. Beiträge zum
Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt a.M. 1983.
24 Balkenhol, Berhard: »Kann Kunst helfen, etwas über die Welt
zu erfahren?«, in: Documenta Dock – Questions about Art,
Kunsthochschule Kassel 2008,
http://www.documenta-dock.net/#p74q194 vom 21.11.2008.
25 Vgl. dazu Kokemohr, Rainer: »Bildung in interkultureller Kooperation«, in: Abeldt, Sönke et al. (Hg.): »... was es bedeutet,
ein verletzbarer Mensch zu sein.« Erziehungswissenschaft im
Gespräch mit Theologie, Philosophie und Gesellschaftstheorie. Helmut Peukert zum 65. Geburtstag, Mainz 2000, S. 421–
436.
Kompliziert wird es erst im Plural. Mit dem Bild
im Plural geht es potenziell auch immer um Perspektive im Plural. Das ist manchmal ebenso
schwer zu ertragen wie die Vorstellung von Konsens im Plural. Vor dem Hintergrund kultureller
Globalisierung und dem Weltweit-Werden der Kommunikation wird dieses Thema immer brisanter.
Bernhard Balkenhol hat es in einem Video-Interview anlässlich der Documenta12 auf den Punkt
gebracht: Aktuelle Kunst »ist immer nie die Perspektive des Betrachters. Und damit habe ich eben
ein Gegenüber, wir sind sozusagen gegenüber
der Welt, wenn man das so pathetisch als Außen
bezeichnet, schon zu zweit. Und wenn man weiß,
dass in der Kunst nicht nur eine, sondern eben
sehr viele Perspektiven auf verschiedenen Ebenen angeboten werden, dann ist man meistens
zu dritt, zu viert, zu fünft, zu sechst ...« 24 Aktuelle Kunst arbeitet an den Rändern des Kommunikationskonsensuellen, an den Rändern dessen,
was eine Kultur als Interpretationsgemeinschaft
zusammenhält.
Am Rand des Konsensuellen
Kultur als historisch übermittelter Komplex von Bedeutungen und Vorstellungen, der es Menschen ermöglicht, ihr Wissen über das Leben
und ihre Einstellungen zur Welt einander mitzuteilen, zu erhalten und
weiterzuentwickeln, basiert auf einem System gemeinsamer Symbole.
Zu diesem System gemeinsamer Symbole zählen neben der Verbalsprache auch Rituale, Institutionen usw. – und Bilder. 23 Bild im Singular ist dabei immer so etwas wie die Vermutung von oder die Hoffnung auf Konsens – zumindest in der Version der Bildwissenschaft. Bild
im Singular geht davon aus, dass es einen Konsens gibt oder geben
kann, auf den sich Produzent und Rezipient des Bildes verständigen können, dass es einen Punkt gibt, an dem sich Produzent und Rezipient
symbolisch treffen können (im Fall der Zentralperspektive der Augpunkt).
Existiert so ein Konsens darüber, was ein Bild bedeutet, bilden Sender
und Empfänger eine Interpretationsgemeinschaft und freuen sich über
die geglückte triviale, weil komplexitätsreduzierende Kommunikation.
Wenn die Kommunikation zwischen Produzent
und Rezipient auf einem solch schmalen Grad
im Übergang von (beiderseitigen) individuellen
imaginären Idiolekten zu den symbolischen Normierungen des Kulturkollektivs läuft, entstehen
leicht Krisensituationen für das fest geglaubte Verhältnis von Imaginärem und Symbolischem. Das
sind hervorragende Anlässe für Bildung im Sinne
von Lernprozessen höherer Ordnung, bei denen
nicht nur neue Informationen aufgenommen werden, sondern der Modus der Informationsverarbeitung selbst, also die Funktionsweise des Denkorgans, des Medium der Auseinandersetzung von
Ich und Welt, sich grundlegend ändert.25
Deshalb – und den gegenwärtigen Tendenzen zur
Beschränkung auf den schlichten Erwerb von
»Bildkompetenzen« zum Trotz: Das Projekt »kiss«
ist ein Plädoyer für Bildung durch Kunst – aktuelle Kunst allerdings.
Julia Dick
Ceci n’est pas un mur
Sehnsucht und Utopie
bei Robin Rhode
Robin Rhode kommt in eine Galerie, zeichnet
mit schnellen, gekonnten Linien ein Auto an die
Wand und versucht dann, es mit unterschiedlichen Werk zeugen aufzubrechen. Es gelingt ihm
nicht. Weder Draht noch Brechstange helfen.
Zornig wirft er einen Stein in die Fensterscheibe
des Autos und flüchtet. Das gezeichnete Auto
bleibt verschlossen. [B1]
Es existieren zwei unvereinbare Räume in Rhodes
Arbeit: zum einen der unendliche Raum des Möglichen der Zeichnung, zum anderen der begrenzte
Raum der Alltagsrealität, in dem die Physis des
Menschen einem etwaigen Scheitern ausgeliefert
ist, wenn sie versucht, in den Raum der Zeichnung einzudringen. Diese beiden Räume sind getrennt durch die Wand, das Medium, die Barre,
die Materie zwischen Zeichen und Bezeichnetem.
In Rhodes Arbeit wird ein geeinter Raum hergestellt, eigentlich ein unmöglicher Raum: Die »Grenze« zwischen den beiden unvereinbaren Räumen
versucht Robin Rhode zu überwinden. Der Versuch
ist real. Durch die Vehemenz, mit der stets aufs
Neue zur Überschreitung der Grenze angesetzt
wird, kann er nicht abgetan werden. Er gelingt
insofern, als vielleicht nicht das Auto aufgebrochen werden kann, dafür jedoch der Bildraum –
denn der Versuch selbst findet im Bild statt. Rhode
wird als Performer selbst zum Bild. Ein Auto anstelle einer Zeichnung wird vorstellbar, weil Robin
Rhode in seinem Spiel das gezeichnete Auto ernst
nimmt, es als wirkliches und nicht als Zeichnung
behandelt.
Foto: Alexandra Grieß
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Julia Dick / Robin Rhode
Die Sehnsucht nach
dem erfahrbaren Freiraum
des Bildes als kunstpädagogischer Versuch
Es existieren zwei unvereinbare Räume in Rhodes Arbeit: Jeder weiß,
Rhode wird das Auto bzw. die Wand niemals aufbrechen können und
Rhode schauspielert. Er ist nicht wirklich so naiv, zu denken, er könne
in die Zeichenwelt eindringen. Er tut nur so als ob, tut so, als wäre er
selbst ein Zeichen. Aber der Leib als Zeichen und Bezeichnendes der
Performance fallen ineinander und befinden sich im Hier und Jetzt
unserer Alltagsrealität. Und unsere Alltagsrealität und die der Zeichnung befinden sich nicht in ein und demselben Raum. Dies wird gerade in dem Moment explizit, in dem Robin Rhode in die Zeichnung
einzudringen versucht: Die Differenz von Körper und schlichter Zeichnung wird im Nebeneinander offensichtlich, und so bleiben die beiden Räume doch geschieden.
dialektisch. Sie stellt wie die Mauer des Gefängnisses einerseits eine physisch unüberwindbare
Grenze dar, andererseits wird sie zum Bildträger
und somit zur Schwelle, zum Fenster in die utopische Welt eines grenzenlosen Freiraums. Diesen
Widerspruch in einem Gefängnis zu erproben,
bedeutet, ihn größer zu machen, da in einem solchen Kontext Utopien noch unerreichbarer zu
sein scheinen. Der Widerspruch in Rhodes Arbeiten wird also nicht untersucht, indem er rational analysiert, aufgelöst und erklärt wird, sondern
indem er beibehalten und in gesteigerter Form
erfahren wird. Es stellt sich die Frage, ob die Utopie eines Freiraums im Bild in einer harten und
begrenzenden Realität wie der des Gefängnisses
eine Relevanz oder Wirkung haben könnte.
Die Rede vom geeinten Raum in Rhodes Arbeit lässt sich präzisieren:
Der Leib als Zeichen und Bezeichnendes der Performance fallen zwar
ineinander, aber erzählen doch von etwas – von dem Wunsch, das
gezeichnete Auto aufbrechen zu können, und damit von der Sehnsucht,
die Grenze zwischen Zeichnung und Bezeichnetem überwinden zu
können. Der Leib im Hier und Jetzt wird auf einer weiteren Ebene wieder zu einem Zeichen für etwas und befindet sich deswegen doch
auch wieder in einem Bild, welches sich der Betrachter von der Performance macht. Es entsteht ein neuer, gemeinsamer Bildraum – in
Form einer Erzählung.
Vergiss die Logik und denke beides zugleich! Die hier aufgezeigte Dialektik kann nicht aufgelöst werden. Viele Arbeiten Rhodes sind Vexierbilder. Sie erzählen von der Utopie eines aufbrechenden Bildraums.
Hierdurch wird dem Künstler Rhode alles möglich. Dies zeigen seine
Fotoserien und Animationen: Hier wird er zum Basketball- und Skateboardprofi, wird unsagbar stark, lässt durch sein Zutun surreale Landschaften wachsen. Die »Erfüllung« der Utopie ist zugleich durch die
Differenz von Körper und Zeichnung mit dem Offenbarwerden ihrer
»Unerreichbarkeit« verbunden – wird doch gerade durch Rhodes
gestische Zeichnung in ihrem Anti-Illusionismus die Bild- bzw. Utopiekonstruktion stets mitgezeigt.
Was sich durch den Versuch, eine derartige Utopie zu konstruieren,
sie einerseits zu erreichen und doch andererseits daran zu scheitern,
vermittelt, ist die Sehnsucht nach dieser Utopie.
Der Sehnsucht ist eine ganz ähnliche Dialektik eigen wie den Bildern
Robin Rhodes. Sehnsucht existiert nur, solange eine Utopie existiert.
Sehnsucht existiert nur, solange sich die Utopie nicht erfüllt. Sehnsucht wird sicht- und greifbar durch den naiven Versuch, eine Utopie
erreichen zu können. Sehnsucht wird sichtbar, solange die Utopie
greif- und doch unerreichbar bleibt. So wird in Rhodes »super-naiven«
Arbeiten vor allem spürbar: Sehnsucht.
Für das Projekt wähle ich einen persönlichen Themenkomplex – es soll um die individuellen Wünsche und Sehnsüchte der Projektteilnehmer gehen.
Diese Entscheidung geht von der Utopie aus, dass
persönliche Wünsche und Sehnsüchte in Kombination mit einer vielleicht überwindbaren Grenze
zwischen Alltags- und Bildraum einen fantas tischen Denkraum schaffen können, im Sinne von:
»Unmögliche-Sachen-werden-mir-im-Bild-möglich«. Jugendliche können sich im Bild bei der »Erfüllung« ihrer Sehnsüchte selbst inszenieren,
mittels der Zeichnung in Kombination mit ihrem
eigenen Leib Bilder produzieren. Dabei gibt es
keine Grenzen.
Robin Rhode und Julia Dick entwickeln Ideen
Fotos auf den Folgeseiten: Alexandra Grieß
Ich folge Robin Rhodes Sehnsucht nach Utopie. Ich habe die Utopie,
durch das Bild Wände als Freiräume umdefinieren zu können. Statt
einer rationalen Vermittlung von Rhodes Arbeit wähle ich die Strategie
der direkten Erfahrung.
Die Vorgehensweise Rhodes soll direkt in einem Rahmen erprobt und
überprüft werden, der Wunsch-Utopien eigentlich fern steht: Statt in
eine Schule gehe ich in ein Gefängnis für jugendliche Straftäter in Untersuchungshaft, die Justizvollzugsanstalt Braunschweig.
»Gleich der Phantasie, die ihren wesentlichen
seelischen Ausdruck darstellt, ist der Bereich
der Ästhetik vorzüglich ›unrealistisch‹, sie hat
sich um den Preis, in der Realität wirkungslos
zu sein, ihre Freiheit vom Realitätsprinzip bewahrt.« 1
Diejenigen Befriedigungen, Lüste und Bedürfnisse
des Individuums, die entweder überhaupt nicht
möglich oder ausgegrenzt werden, um das Zusammenleben der Gesellschaft zu gewährleisten,
können im Bild aufgrund seiner »Wirkungslosigkeit in der Realität« durchexerziert und ausgelebt
werden. Auf das Subjekt könnte dieses Im-BildAusleben aber vielleicht doch eine Wirkung haben:
Im Gefängnis spielt die Wand, in ihrer physischen – vielleicht sogar
auch mentalen Begrenzung – eine größere Rolle als »draußen«. Die
Wand in Robin Rhodes Arbeit hingegen hat zwei Seiten, funktioniert
1
Marcuse, Herbert (1957): Triebstruktur und Gesellschaft. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud, Frankfurt a.M. 1979, S. 150.
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Julia Dick / Robin Rhode
Julia Dick und Robin Rhode im Atelier
die der Sublimierung. Zumindest erlebt sich das Subjekt in einer die
Sehnsüchte als Potenzial umdeutenden, ausnutzenden und deswegen
produktiven, schöpferischen Art und Weise. Es verharrt nicht bloß in
einer konsumorientierten, passiven Sehnsuchtshaltung, wie es vielleicht
für viele der Inhaftierten zumeist die Regel ist. In ein und derselben
Aufgabenstellung wird somit der sich niemals erfüllenden Utopie die
Praxis des aktiven Herstellens und Suchens gegenübergestellt – und
dies mit ganz spartanischen Mitteln. Die hierin wurzelnde künstlerische
Haltung der Kreativität, Aktivität wie Produktivität trotz begrenzter
Möglichkeiten ist meines Erachtens eine sinnvolle Strategie – auch oder
vielmehr gerade im Hinblick auf die Situation in einem Gefängnis.
Aus kunstpädagogischer Sicht ist entscheidend, dass eine Utopie durch
den Prozess der Veräußerlichung und Formwerdung reflektierbar wird:
Das im Bild sich manifestierende »Ausleben« eines Bedürfnisses verweist indirekt zugleich auf den eigentlichen Ist- und Soll-Zustand der
Alltagsrealität. Gerade eine etwaige Differenz zwischen Fantasie und
Alltagsrealität, welche Rhodes Methode immer auch mitzeigt, wird
reflektier- und begreifbar.
Auch die Wahl eines persönlichen Zugangs über
die eigenen Wünsche und Sehnsüchte führt zu
einer Zentrierung des Subjekts. Damit geht einher,
dass das Persönliche zu einem Bilder schaffenden Potenzial umgedeutet wird. Die Jugendlichen
werden darin unterstützt, einen eigenen Ausdruck für individuelle Themen zu finden, auch jenseits der verbalen Sprache. So können sie intime,
unaussprechliche, vielleicht sogar geheime Dinge,
die sie beschäftigen, transformieren, veräußern
und emporheben. Darüber mittels des eigenen
Leibes zu erzählen und durch die Inszenierung
für ein Publikum oder für eine Fotografie auch das
Feedback durch eine Außenperspektive zu erhalten, kann ihnen bei der Selbstvergewisserung,
Selbstreflexion und Identitätskonstitution helfen.
Eine zweifelsfreie Garantie, ob und in welchem
Maße ein solcher Prozess in Gang kommen kann
bzw. zugelassen wird, ob eine Bewusstwerdung
für ein Individuum hilfreich ist, kann es dabei
nicht geben. Das Individuum ist in der Auseinandersetzung mit den eigenen Bildern und dem
eigenen Leib immer auch auf sich selbst zurückgeworfen und gehalten, eine Art »Autopädagogik«
zu betreiben. Ich kann aber versuchen, ein günstiges Setting für die Initiierung solcher Prozesse
herzustellen, ich biete den Anfangspunkt einer
Strategie an. Diese Strategie zu entwickeln und
ihr dann zu folgen, muss jedem Einzelnen selbst
überlassen werden.
Trotz vieler Ideen, wie sich das Projekt entwickeln
und welche Richtung es nehmen könnte, habe
ich vor Beginn keine allzu festen Pläne für die Umsetzung ausgearbeitet. Es erschien mir unrealistisch und darüber hinaus nicht gerechtfertigt, mit
einem festen, durchgeplanten Konzept in eine
mir völlig unbekannte Situation zu gehen. Anstelle einer langfristigen Planung hielt ich es für angemessener, für den Prozess offen zu bleiben, zu
sehen, was da ist, was passiert, und darauf zu
reagieren. Die vage und eher an formalen Kriterien orientierte Zielsetzung bestand darin, im
Rahmen der Projektarbeit zusammen mit den Jugendlichen und ihren Ideen zu einem zeigbaren
Ergebnis zu gelangen.
Die Unterstützung
Ich konnte Robin Rhode in sehr unterschiedlichen Situationen erleben
und lernte: Er hat viele Gesichter. Atmosphärisch privat, in einem
Café, war er zurückhaltend, ruhig und präzise; in einem Vortrag vor
meiner Fachklasse, die ihn besuchte, war er wie ausgetauscht. Er
wirkte präsent und quirlig und bombardierte sein Publikum geradezu
mit immer neuen und weiteren Arbeiten. Dann, beim formloseren
Herumhängen im Park, von seiner Zeit in Südafrika erzählend, wird
sein noch sehr junges Alter offensichtlich, er wirkt wie einer meiner
Kommilitonen – nur dass er bereits eine steile Karriere hinter sich hat
und eine damit verbundene Professionalität an den Tag legt. Bei einem nächsten Treffen, wieder zu zweit, betont er zwar noch, er wolle
sich nicht inszenieren, wenn die Fotografin kommt.
Sobald sie jedoch da ist und zu fotografieren
beginnt, dreht er auf und posiert mit immenser
Begeisterung. Mir wird plötzlich klar, dass auf
Grund dieser Freude am Inszenieren auch seine
Fotos so sind, wie sie sind – die Wirkung der
Fotos scheint ganz eng mit seinem Charakter zusammenzuhängen. Robin Rhode hat mich bei
meinem Vorhaben sehr unterstützt, vor allem dadurch, dass er begeistert war von der Idee, mit
Jugendlichen in einem Gefängnis zu arbeiten. Auch
die Themenwahl »Wünsche und Sehnsüchte«
leuchtete ihm ein. Er machte mir Mut, was wahrscheinlich für mich die wichtigste Motivation war.
Er besprach mit mir meine Ideen, ergänzte sie durch
eigene, stellte mir diverses Material zur Verfügung, war neugierig und interessiert. Er betonte
aber auch, dass es mein Projekt sei.
Da ich trotzdem im Team arbeiten wollte – auch,
da es im Gefängnis keinen Kunstlehrer gab, der
mich begleitete, fragte ich meinen Kommilitonen
Johannes Hock, ob er mein Vorhaben durch seine
Anwesenheit unterstützen könne. Er begleitete
das Projekt, indem er beobachtete und reflektierte,
die Situation von einer Außenposition spiegelte,
mit mir die Unterrichtsplanung besprach und mir
seine Überlegungen und Ideen mitteilte.
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Julia Dick / Robin Rhode
Arbeitsergebnisse im Gefängnis
Fotos auf den folgenden Seiten: Julia Dick
Der Verlauf der Dinge
Die leitende Frage ist:
»Was fehlt dir im Gefängnis? Oder was willst
du können, haben, benutzen, realisieren?
Deine Wünsche, Utopien und die Verwirklichung deines Größenwahns sind per »beposebare« 2 Zeichnung möglich!« [M3]
Jugendliche beim Posieren
In der Untersuchungshaft Braunschweig arbeite ich mit einer in ihrer
Zusammensetzung wechselnden Gruppe von ca. 10 männlichen Jugendlichen zusammen. Die Jungen sind zwischen 14 und 21 Jahre alt
und sitzen wegen ganz unterschiedlicher, teilweise ungeklärter Delikte ein. Manche sind schon seit Monaten in Haft oder haben auch
noch eine längere Zeit in einer Anstalt vor sich, andere sind nur für
wenige Wochen hier.
Der Austausch steht im Mittelpunkt der ersten Unterrichtseinheit.
Ich zeige den neugierigen Jungen Dokumentationen meiner eigenen
Performances, die den Grenzüberschritt thematisieren. Umgekehrt
erzählen die Jungen der Reihe nach etwas von ihren eigenen Interessen. Es zeigt sich, dass sie sich für Dinge interessieren, die für viele
Jugendliche dieses Alters typisch sind: Fußball, Basketball, Feiern, Gras
rauchen, Rumhängen, Techno, Rap und ihre Freunde.
In der Annahme, dass den Jugendlichen sportliche Posen gefallen und
sie hierzu einen Zugang finden könnten, zeige ich ihnen Fotografien
von Robin Rhode, in denen er sich auf der Zeichnung liegend inszeniert,
als würde er Basketball spielen oder Skateboard fahren. [M1]
Und tatsächlich ist es so, dass diese Arbeiten beim
Großteil der Gruppe auf Akzeptanz stoßen und
als »cool« eingestuft werden. Schließlich sollen die
Jungen das von Rhode angewandte Prinzip in
einer offenen, gemeinsamen Unterrichtssituation
selbst ausprobieren. Sie sollen sich selbst auf
dem Boden liegend inszenieren und dabei so posieren, als würden sie Skateboard fahren. Wir
stellen uns auf den Tisch, fotografieren die Posen
von oben und haben die Digitalkamera direkt
mit einem Fernseher verbunden, so dass die Jungen sich und ihren Körper kontrollieren und das
jeweils entstandene Bild sofort gemeinsam ansehen können. Eine eigene Dynamik kommt auf.
Nachdem zwei Jugendliche auf dem Skateboard
posiert haben, fangen andere an, neue Bildmotive zu zeichnen – eine Blutlache, eine Bong
(Wasserpfeife), einen Boxsack. Bis auf den Boxsack werden diese Motive jedoch nicht bespielt.
Mit den Zeichnungen fotografiert zu werden,
sich selbst also wirklich in Bezug zu dem Objekt
zu setzen und darüber zu definieren, stellt –
wie zu erwarten – für die meisten Jungen ein
Problem dar.
wenn keine andere Maßnahme mehr greift. Sie werden zur Beruhigung
und zum Schutz der anderen, aber auch vor sich selbst, in diesem
leeren Raum sich selbst überlassen. Die Absonderung stellt eine Steigerung der Gefängnissituation dar. Während sich die Jugendlichen
nun schweigend in diesem Raum aufhalten, sollen sie Dinge, die an
diesem Ort fehlen, auf Zettel schreiben und diese dann an die Wand
heften. Über die Benennung offensichtlich fehlender Dinge hinaus sind
sie auch angehalten, sich ins Utopische zu steigern.
Die zweite Gruppe hat die Aufgabe, eine Rede zu verfassen, in der
ein imaginärer Politiker der »Knastpartei« Versprechungen darüber
macht, was er demnächst alles Fantastisches anschaffen und einführen werde. Diese Gruppe ist nicht in der Lage, der Aufgabe nachzukommen. Sie ergeht sich darin, zu diskutieren. Einer der Häftlinge vertritt die Position, dass er sich lieber mit den gegebenen Umständen
abfinden möchte, weil er noch drei Jahre im Gefängnis vor sich habe
und glaubt, so das Gefängnis als solches »verdrängen« zu können.
Die Aufgabenstellung, die den Ort mit seinen Gegebenheiten sogar
noch auf spielerisch-ironische und somit distanzierende Art zum
Thema mache, wühle ihn zu sehr auf.
Für die zweite Einheit bereiten Johannes Hoch und
ich zwei Aufgaben vor, zwischen denen die Teilnehmenden auswählen können. Beide Aufgaben
haben zum Ziel, auf das Thema »Sehnsüchte und
Wünsche« einzustimmen und entsprechende Bildmotive zu finden. Die eine Aufgabe verlangt Konzentration, die andere ist eher spielerisch.
Wir gehen mit allen in die Absonderung, sehen uns hier die Ergebnisse
der Gruppe an und kommen darüber ins Gespräch. Anschließend zeigen wir den Jugendlichen Performance-Dokumentationen und Filme
von Robin Rhode [M2]. Die Jugendlichen bekommen per Arbeitsblatt
die Aufgabe, aus den bisher gesammelten utopischen Begriffen ein Motiv zuerst in kleinem Format und dann in Originalgröße für eine Wandzeichnung zu entwickeln. Mit der Wandzeichnung sollen sie sich selbst
für eine Fotografie inszenieren.
Nachdem von den Jugendlichen jeweils eine Aufgabe ausgewählt wurde und sich so zwei Gruppen gebildet haben, begebe ich mich mit der
einen Gruppe in die »Absonderung«. In dieser
Zelle gibt es nichts außer einer Matratze, einer
Decke, einem Klosett und einem Wasserhahn.
Hier werden, wenn auch eher selten, Inhaftierte
zur Bestrafung kurzfristig einzeln eingesperrt,
2
»Beposebar« ist eine eigene Wortschöpfung, die auf das Wort »Pose« zurückgeht.
Gemeint ist, ein passives Ding bzw. in diesem Fall eine Zeichnung durch eine Pose zu beleben.
Es tritt das Problem auf, dass die Jungen keine
Ideen haben oder sie ihre Ideen nicht zeichnen,
geschweige denn sie in Pose darstellen wollen.
Das, was schließlich entsteht, sind Gewaltdarstellungen.
Um ein Motiv leichter finden und auch zeichnen
zu können, bringe ich in der nächsten Einheit
diejenigen Begriffe, die in der Absonderung auf
Papier gebracht worden sind, in Bildform mit.
Hierfür google ich ohne zu zensieren alle Begriffe
und suche zu jedem Begriff jeweils ein bis drei
assoziativ passende Bilder aus. Die begehrten Dinge, die ich natürlich nicht als reale Gegenstände
mitbringen dürfte, bringe ich in Form von Bildern
ins Gefängnis. Die Jungen sind begeistert, gucken sich alle Bilder an, fangen an, Geschichten zu
erzählen, die sie zu den abgebildeten Dingen
assoziieren, und lassen ihre Lieblingsbilder verschwinden. Sie werden nun erneut vor die Aufgabe gestellt, Bildmotive für eine Performance zu
entwerfen. Die meisten zeichnen mittels der
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Julia Dick / Robin Rhode
Inspiration der mitgebrachten Bilder spezifische Gegenstände, mit
denen sich Szenen spielen lassen: Playstation spielen, sich unter eine
Palme legen, auf einen Boxsack boxen, Blumen gießen, Fußball spielen, Bong rauchen. Aber: Die Handlungen am Ende dieser Einheit vor
den anderen vorzuführen, fällt den Jungen erneut schwer.
In der nächsten Einheit versuchen wir, mit den Jugendlichen anhand
inszenierter Zeichnungen eine Narration aufzubauen. Die zuvor gefundenen Bildmotive sollen ausgebaut werden. Vorweg zeigen wir Animationen von Robin Rhode, in denen kleine Geschichten, Prozesse und
Verläufe dargestellt werden. [M4] Dann wird die Aufgabe erteilt, für
eine eigene Animation mindestens drei Zeichnungen anzufertigen, auf
denen sich das jeweilige Bildmotiv verändert. Ein Prozess soll dargestellt werden.
Die Aufgabe:
»Das Ding und ihr selbst sollt euch durch die Interaktion verändern.«
links: Wandbild »Wünsche und Utopien«
oben: Posierende Jugendliche
Schließlich sehen wir uns auf dem Fernseher die entstandenen kurzen
Animationen an.
Eine andere Möglichkeit, ein gefundenes Motiv zu einer Narration
auszubauen, wäre auf darstellerischer Ebene gegeben. Bisher mangelte es jedoch beim Bespielen der Bilder an Präsenz und Körperpräzision, vor allem aber an Spielfreude. Der Bezug zum eigenen Leib, und
deswegen wohl auch zum eigenen Ich und zu den eigenen Sehnsüchten, scheint bei den meisten Jugendlichen der Gruppe schwierig zu
sein. Deswegen erschien ein spielerisches Herangehen an den Körper,
das motivieren sollte, sich selbst zu inszenieren, als nächster Schritt
sinnvoll. [M5]
Der zugespitzte Versuch hat deutlich gemacht, dass die Thematisierung
und Offenbarwerdung der Illusion, welche durch das Bespielen der
Bilder stattfindet, in der harten Alltagsrealität des Gefängnisses, der
das Projekt in einem zu geringen Zeitraum entgegenzuwirken versucht, keinen weiteren Sinn macht. Sie wäre nur unter der Bedingung,
dass von vornherein eine gewisse Spielfreude beim »So-Tun-als-ob«
aufkommt, weiterhin sinnvoll gewesen.
Nachdem wir den bisherigen Verlauf ausgewertet haben, [M6] weichen
wir von der Methodik Robin Rhodes ab. Die ästhetischen Interessen
der Jugendlichen rücken ins Zentrum. Wir fragen die Jungen, worauf
sie Lust hätten und was sie interessieren würde. – Sie würden gerne
ein Graffito sprühen. Das Markieren, das Hinterlassen von Spuren, das Posen und der Hauch von
Coolness und Illegalität, der mit der Graffitikunst
verbunden ist, zieht die Jungen an und scheint
sie zu motivieren. Ein gemeinsames Graffito wird
geplant. Das Thema »Wünsche und Utopien im
Bild« wird aber beibehalten und nun auf diese Art
weiter untersucht. Ziel ist die Darstellung einer
surrealen Landschaft der Wünsche und Sehnsüchte, in der die bisher ent standenen Bildmotive
vorkommen können, jedoch auch neue und übersteigerte Utopien Platz finden können.
Für die nächsten beiden Unterrichtseinheiten übertrage ich diejenigen
Motive, die bisher entstanden sind, einzeln auf Overheadfolie. Auf
dem Projektor kann man diese Zeichnungen hin- und herschieben und
so nach der richtigen Komposition der unter schiedlichen Bildmotive
suchen. 3 Außerdem bringe ich surrealistische Landschaftsmalereien
3
Diese Methode geht auf eine Idee meiner Kommilitonin Corinna Kirchner zurück.
mit, um den Jungen zu verdeutlichen, dass in
einer Landschaft unterschiedliche Dinge nebeneinander stehen, die sich durch die Art ihrer
Anordnung wechselseitig neuen Sinn zusprechen
können. Zusätzlich bringe ich Bücher von Graffitikünstlern mit sowie ein YouTube-Video, [M7]
das eine Gruppe von Graffitikünstlern in einer
Unterführung beim Sprühen eines kollektiven
Bildes zeigt. Der neue und vielseitige Input kommt
gut bei den Jugendlichen an.
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Julia Dick / Robin Rhode
Man schaffe sich die
ungünstigsten Bedingungen, um zu lehren –
und blicke auf die Schule
mit anderen Augen
Nach und nach entsteht eine gemeinsame Skizze. Trotz anfänglicher
Motivation zum Sprühen arbeitet wieder nicht die gesamte Gruppe
mit – viele geben einfach nach einem ersten Versuch auf.
Um noch weitere Bildmotive zum Thema Sehnsüchte und Utopien zu
finden, bekommen die Jungen den Auftrag, Texte zu folgender Aufgabe
zu schreiben:
»Morgens klingelt bei dir das Telefon, Gott ist dran und sagt, dass
heute dein letzter Tag sei. Du fragst, kann man da nicht was machen? Gott sagt, sorry, aber es bleibt leider dabei. Aber, wenn du irgendwelche Wünsche für heute hast, sag einfach Bescheid, ich erfülle die dann … Wie sieht also dieser Tag aus?« [M8]
Alle Jungen entwickeln Geschichten. Bei der Übertragung ins Bildnerische haben allerdings einige Probleme.
Zum Abschluss vergrößern wir an einem Projekttag mit denjenigen,
die sich aktiv eingebracht haben, die Skizze an der Wand und sprühen
sie anschließend. Es entsteht ein über drei Wände verteiltes Bild, auf
dem die Sehnsüchte und Wünsche der Jungen und ihre Assoziationen
zum Thema gezeigt werden: Auf der mittleren Wand ist ein Strand
mit einer Frau zu sehen, ein fliegendes, aggressives Herz und der Sternenhimmel. In dieser Welt gibt es auch fliegende Schweine. Die beiden gegenüberliegenden Wände erzählen gerade in ihrer Gegensätzlichkeit sehr viel über den Kontext Gefängnis: Auf der einen Wand
ist eine bespielbare Gedankenblase entstanden, in der begehrte Dinge
gezeigt werden: ein Hamburger, eine Flasche Cola, ein Spielautomat,
ein Motorrad. Auf der gegenüberstehenden Wand befindet sich ein
Opferaltar, vor dem jemand in opferbringender Geste kniet.
Am Schluss entwickelt die Gruppe eine eigene Dynamik: Diejenigen,
die mit größtem Engagement mitgearbeitet haben, wollen sich selbst
mit ihren Bildern für Fotos inszenieren, so wie sie es vorweg in der
Auseinandersetzung mit Robin Rhode kennen gelernt hatten. Es scheint
so, als ob sie durch die arbeitsintensive Gestaltung des Bildes stolz
und nun auch selbstbewusst genug geworden sind, vor ihren eigenen
Bildern zu posieren. Hier zeigt sich, dass der Schmerz über das Fehlen der ersehnten Dinge unwichtig wird gegenüber dem Stolz über die
eigene Produktion. Die Jungen haben sich als schöpferisch erlebt –
eine positive und sehr wichtige Erfahrung.
Ein weiteres Ergebnis fällt mir erst nach Beendigung des Projektes beim
erneuten Durchschauen der Bilder, die ich ins Gefängnis gebracht hatte,
in die Hände: Ein Formblatt des Gefängnisses, das die Inhaftierten
ausfüllen müssen, um bestimmte Wünsche, wie
z.B. einen Telefonanruf zu beantragen, wurde
mir zwischen die Unterlagen geschoben.
Darauf steht:
»Hiermit beantrage ich ein Schloss.«
Das Formblatt stellt einen Rahmen dar, den das
Gefängnis setzt. Innerhalb des Rahmens wurde
damit in utopischer Art und Weise gespielt. Der
Rahmen wird dadurch verrückt. Ich sehe darin
einen sehr reflektierten und kreativen Kommentar, sowohl auf mein Projekt als auch auf den
Kontext Gefängnis.
Die Jungen hatten keine Probleme, herauszufinden und zu benennen, was ihre Sehnsüchte und
Wünsche waren. Mit Hilfestellung gelang ihnen
auch die Darstellung in Form von Zeichnen und
Sprühen. Über das Thema der Sehnsüchte und somit indirekt über den Kontext Gefängnis hat eine
Auseinandersetzung stattgefunden. Die Selbstinszenierung im Hinblick auf die eigenen Wünsche
fiel den Jungen aber von einigen Ausnahmen
abgesehen sehr schwer. Klar ist indes auch, dass
unter den gegebenen Umständen die aus Robin
Rhodes Konzept übernommene Selbstinszenierung
mit den gezeichneten Gegenständen neben einer »Erfüllung« vor allem gerade deren »Abwesenheit« thematisiert. Es bedürfte eines sich distanzierenden und spielerischen Umgangs damit.
Dieses um seiner selbst willen gespielte Spiel mit
den eigenen Sehnsüchten gelang den Jugendlichen allenfalls in Ansätzen. Insofern ist vielleicht
ein Graffito, mit dem eine Welt der Sehnsüchte
und Wünsche gezeigt wird, für sie die bessere
Möglichkeit, um in der Situation des Gefängnisses
einen potenziellen Freiraum des Bildes zu erleben: Hier wird die Zeichenhaftigkeit und somit die
Abwesenheit der Dinge nicht explizit thematisiert. Die Projektion, das Fenster zur Utopie, der
Freiraum des Bildes, werden nicht angetastet.
Das Entlarven der Bildhaftigkeit, des Bildes als Bild,
findet nicht statt. Dafür sorgt ohnehin bereits
der Kontext, in dem das Bild gezeigt wird.
In einem Gefängnis künstlerisch zu arbeiten, heißt,
sich auf einen ständigen Kampf mit herrschenden Grenzen einzulassen. Als Leiterin des Projekts
wurde ich selbst temporär physisch und gewissermaßen auch in den von mir erwünschten Möglichkeiten des Lehrens eingesperrt. Auch ich geriet
in die Abhängigkeit der bestehenden Strukturen
und zuständigen Beamten. Jeder winzig kleine
und zumeist durch Anträge erkämpfte Freiraum,
sei es eine Kamera oder Sprühdosen benutzen
zu dürfen, bedeutete einen Erfolg. In einigen Punkten ist mir die Leitung entgegengekommen. In
vielen Anliegen wurden die Sicherheitsmaßnahmen und Reglementierungen jedoch vorangestellt. So durften wir z.B. trotz wasserlöslicher Stifte
nicht auf Wände zeichnen und es war uns z.B.
nicht möglich, in einem größeren abgeschlossenen
Raum zu arbeiten. Wir wichen in einen kleinen
Seminarraum, auf den Hof oder auf die Flure aus.
Gerade für die körperliche Arbeit wäre es aber
unbedingt notwendig gewesen, einen größeren
Raum zu bespielen, der Platz, Konzentration, aber
vor allem auch Schutz, um sich selbst neu ausprobieren zu können, gewährleistet hätte. Schwierig waren auch Wechsel in der Gruppe und das
Umgehen mit der stark schwankenden Motivation.
Sicher werde ich in meiner beruflichen Zukunft
nicht im Gefängnis arbeiten. Die Erfahrungen im
Projekt wirken sich aber nachhaltig auf mein Denken und Handeln aus, zum Beispiel im Hinblick auf
meine Vorstellung von kunstpädagogischer Praxis
in der Normalschule. So ist mir deutlich geworden,
dass die von mir zuvor oft wegen ihrer relativ
engen und zum Teil starren institutionellen Rahmenbedingungen wie z.B. enger Stundentaktung
kritisierte Schule ein vergleichsweise offener
Rahmen ist, in dem es nicht nur um Erziehungsund Disziplinierungsprozesse geht, sondern in
dem doch recht große Spielräume für Bildungsprozesse gegeben sind.
Posieren vor dem Wandbild
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kiss
Julia Dick / Robin Rhode
Idealerweise geht es im Kunstunterricht aber genau darum, eine der Schule sonst eher fernstehende Möglichkeit zu schaffen, die es den Schülern
erlaubt, in einem gewissen Rahmen dem eigenen
Lustprinzip zu folgen. Dieser Rahmen kann zum
Beispiel der eines Bildes sein: dem eigenen Lustprinzip im Rahmen eines Bildes zu folgen, um
dadurch dessen Verhältnis zur gesellschaftlichen
Normierung beleuchten zu können. Geeignete
Rahmen zu erfinden, die die Schüler wirklich interessieren und sie zugleich aber auch in diesem
Sinne künstlerisch bilden, sehe ich als große und
schwierige Aufgabe an.
Der direkte wie indirekte Einblick ins Gefängnis
erweitert vor allem den Blick auf die Wirklichkeit
der Gesellschaft, auch auf deren unschöne Seiten. Trägt man Kunst und bildnerische Fragestellungen in diesen Kontext hinein, verändert sich
rückwirkend auch die Perspektive auf Kunst. Kunst
kann hier nicht wie in einer Kunsthochschule
Selbstzweck sein. Sie braucht hier auf Grund des
schwer erträglichen und zugleich unveränderbaren Umfeldes einen realen Sinn, etwas, was durch
Kunst und trotz der Umstände etwa verändern
kann – z.B. die Langeweile oder die Einstellung
und Bereitschaft zur Reflektion oder das mangelnde Selbstbewusstsein. Der Eingriff der Kunst
hat die Wahrnehmung innerhalb des Gefängnisses verändert. So haben sich die ansonsten
links: Text eines Jugendlichen zum
Wunsch-Tagesablauf
rechts: Antragsformular
kleine Abbildungen: Jugendliche
beim Zeichnen und Posieren
Eine überaus wichtige Erfahrung u.a. auch im Hinblick auf die Planung
von Unterricht war die extreme Direktheit der Inhaftierten in ihren
Rückmeldungen und ihrem Verhalten im Allgemeinen. Diese Jugendlichen sind ja, weil sie eben nicht gelernt haben, sich der Gesellschaft
und den an sie gestellten Erwartungen anzupassen und statt dessen
einem eigenen Lustprinzip folgten, überhaupt erst im Gefängnis gelandet. Eine solche durch Sozialisation hervorgebrachte Einstellung hat
auch das Projekt geprägt. Mir wurde meist sehr unmittelbar gespiegelt, ob die, an die ich mich wendete, wirklich Lust auf meine Aufgabenstellungen hatten oder nicht. Die Frage der Legitimierung der
Unterrichtsgegenstände und der Unterrichtsmethoden stellt sich hier
deshalb erheblich deutlicher als in der Schule. In der Schule werde
ich wegen der durch die Institution erfolgten Sozialisation der Schüler
auf sehr viel weniger Widerstände stoßen und nur indirekt erfahren
können, ob der Rahmen, den ich stecke, auch auf die Lust der Schüler
trifft.
permanent Stärke markierenden Jungen untereinander einmal von
einer anderen Seite, einer träumerischen und verletzlichen Seite
kennen gelernt.
Für die Kollision der Kontexte ein Bewusstsein zu entwickeln und die
Reibung, die hierdurch entsteht, wahrzunehmen, wertzuschätzen und
Konsequenzen daraus zu ziehen, habe ich sicherlich aus dem Projekt
mitgenommen. Auch für den Schulunterricht würde ich vergleichbare
künstlerische Experimente suchen, in denen mit gesteigerter Bewusstheit die Unterschiedlichkeiten der Kontexte aufeinander bezogen, ineinander gespiegelt werden, sich gegenseitig durchleuchten. Ein grundlegendes Hinterfragen des Handelns und des Rahmens, in dem gehandelt
wird, bedeutet ein gesteigertes Bewusstsein für
diese Unterschiedlichkeit. In diesem Sinn sollte
künstlerisches Arbeiten, Lehren und Lernen auch
immer verstanden werden als das Wagen von
Forschung am und Experiment mit dem Rahmen,
in dem es stattfindet – den Rahmen also nicht
auszublenden, sondern als verrückbar zu nutzen.
Nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrenden, das Thema und auch die Schule an sich,
sollten als bildbar, als veränderbar angesehen
werden, indem sie ab und an gleichermaßen ins
Experiment miteinbezogen werden.
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Julia Dick / Unterrichtsmaterialien
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Robin Rhode
1976
1998
2000
2000
2001
2003
2005
2006
2007
Geboren in Kapstadt, Südafrika
National Diploma in Fine Art, Witwatersrand Technikon
South African School of Film, Television and Dramatic Arts,
Johannesburg
Artist in Residence, South African National Gallery,
Kapstadt
Artist in Residence, Karl Hofer Gesellschaft (HDK) Berlin
Artist in Residence, Gasworks Gallery, London
Artist in Residence, Walker Art Center, Minneapolis
Artist in Residence, The Rose Art Museum,
Brandeis University, Waltham b. Boston
Ars viva 05/06 Identität/identity, Award, Berlin
Gewinner, ausgesucht von der W. South Beach Commission,
Positionen der Art Basel Miami Beach, Miami
Gewinner des Illy Prize, Art Brussels, Brüssel
Robin Rhode: Einzelausstellungen (Auswahl)
2000
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Fresh, South African National Gallery, Kapstadt
Living in Public, Market Theater Galleries, Johannesburg
Robin Rhode, Perry Rubenstein Gallery, New York
The Score, Artists Space, New York
The Animators, The Rose Art Museum, Brandeis University,
Waltham b. Boston
Street Smart, Rubell Family Collection, Miami
Robin Rhode, Shiseido Gallery, Tokyo
The Storyteller, FRAC Champagne-Ardenne
The Storyteller, carlier | gebauer, Berlin
Empieza el Juego, Zaragoza, Madrid
Walk Off, Haus der Kunst, München
Who Saw Who, Hayward Gallery London
Through the Gate, White Cube London
Robin Rhode, Perry Rubenstein Gallery, New York
Werke (Auswahl)
2002
2003
2004
2005
White Walls, Animation
Catch Air, Fotoserie
Car Theft, Performance
Automatic Drowning,
Performance-Fotoserie
The Score, Performance
Untitled (Air Guitar), Film
Harvest, Animation
Untitled (Hard Rain), Fotoserie
Literatur
Brohl, Christiane
Displacement als kunstpädagogische Strategie:
Vorschlag einer heterotopie- und kontextbezogenen ästhetischen Diskurspraxis des Lehrens
und Lernens
Norderstedt 2003
Ehmer, Hermann, Kämpf-Jansen, Helga (Hg.)
Kunst im Knast 1980 – 1985.
Dokumente ästhetischer und sozialer Erfahrung
Gießen 1985
Henkel, Olivia; Domentat, Tamara; Westhoff,
René (Hg.)
Spray City. Graffiti in Berlin
Berlin 1994
Iclodean, Mihaela
Kreativität – Plädoyer für die Nutzlosigkeit
aus psychoanalytischer und ästhetischer Sicht
Hannover 2007
Josefsohn, Daniel
Robin in the hood
In: Monopol. Magazin für Kunst und Leben,
hg. von Amélie Heydebreck und Florian Illies,
Nr. 12/2007, S. 60 – 66
Literatur
Filme (Auswahl)
Linde, Almut
Formen für Kunst in der Realität
In: Maset, Pierangelo; Reuter, Rebecca; Steffel, Hagen (Hg.):
Corporate Difference – Formate der Kunstvermittlung,
Lüneburg 2006, S. 129 –149
Robin Rhode
Untitled (Air Guitar), 2005, Film
©: Courtesy Robin Rhode and Perry Rubenstein
Gallery New York
Meyer, Kathrin
Robin Rhodes Zeichengeschichten
In: Wenke, Klaus (Hg.):
Kunstpreis der Böttcherstraße in Bremen 2007, Bremen 2007,
S. 32 – 37
Meyer, Torsten
Interfaces, Medien, Bildung: Paradigmen einer pädagogischen
Medientheorie
Bielefeld 2002
Radke, Dirk
Gefängnistheater
In: Koch, Gerd; Streisand, Marianne (Hg.):
Wörterbuch der Theaterpädagogik
Berlin 2003, S. 114
Rollig, Stella; Sturm, Eva (Hg.)
Dürfen die das? Kunst als sozialer Raum: Art, Education, Cultural
Work, Communities
Wien 2004
Rosenthal, Stephanie (Hg.)
Robin Rhode. Walk Off; Katalog zur Ausstellung im Haus der Kunst,
München, vom 07.10.2007 – 08.01.2008
Ostfildern-Ruit 2007
Spies, Werner (Hg.)
Die surrealistische Revolution
Ostfildern-Ruit 2002
Weber, Aleks
RückwärtsSein. Bilder, Zeichnungen und Tagebuchskizzen aus dem
Gefängnis. Mit Texten von Jürgen Wehren
Zürich 1989
Robin Rhode
Car Theft, 2003, Performance-Videodokumentation
©: Courtesy Robin Rhode and Perry Rubenstein
Gallery New York
Robin Rhode
He Got Game, Fotoreihe
©: Courtesy Robin Rhode and Perry Rubenstein
Gallery New York
Robin Rhode
Harvest, 2005, Animation
©: Courtesy Robin Rhode and Perry Rubenstein
Gallery New York
Robin Rhode
White Walls, 2002, Animation
©: Courtesy Robin Rhode and Perry Rubenstein
Gallery New York
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Julia Dick / Unterrichtsmaterialien
Bildbeispiele
B1
Robin Rhode
Car Theft, 2003
Materialien
B2
René Magritte
Attempting the Impossible, 1928
Car Theft, 2003
Performance at the Walker Art Center, Minneapolis (selected still)
Courtesy the artist and Perry Rubenstein Gallery, New York
M1
Robin Rhode
He Got Game, 2000
M2
Robin Rhode
Untitled, Air Guitar, 2005
He Got Game, 2000
Sequence of 12 C-prints (detail from the photographic sequence)
Courtesy the artist and Perry Rubenstein Gallery, New York
René Magrittes Bild kann als Illustration der
Sehnsucht des Künstlers verstanden werden,
dass alle Zeichen in ein und demselben Raum
lägen mit unserer Alltagsrealität. Alles würde
möglich werden …
René Magritte: »Tentative de l’impossible«/»Der
Versuch des Unmöglichen«, Öl auf Leinwand,
105,6 x 81 cm, (1928), Galerie Christine und Isy
Brachot, Brüssel, zitiert nach Meuris, Jacques:
René Magritte. 1898–1967, Köln/Lissabon/New
York et al. 1997, S. 82, © VG Bild-Kunst, Bonn
Untitled, Air Guitar, 2005
Super 8mm film transferred to video (selected
stills)
Courtesy the artist, Perry Rubenstein Gallery,
New York and Tucci Russo Studio per l‘Arte
Contemporanea, Torre Pellice
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Julia Dick / Unterrichtsmaterialien
Materialien
M3
Aufgabenblatt
Entwickle eine »beposebare«/bespielbare Zeichnung, in Anlehnung an
die Methode von Robin Rhode. Das Thema: Was fehlt im Gefängnis?
Oder: Was willst Du können, haben, benutzen, realisieren? Deine
Wünsche, Utopien und die Verwirklichung Deines Größenwahns sind
per »beposebarer« Zeichnung möglich!
Vorgehensweise
1 Auswählen
Wähle aus dem bisher in Worten Erarbeiteten ein Thema/Motiv aus,
das Dir gefällt und das für Dich persönlich die Aufgabenstellung
lösen kann. (Wenn sich unter dem bisher Erarbeiteten nichts befindet, was Dir zusagt, erfinde etwas Neues.)
Wähle nach folgenden Gesichtspunkten aus:
· Inwiefern lässt sich das Motiv zeichnen?
· Wenn dies nicht möglich ist, inwiefern lässt sich für dieses Thema/
Motiv ein Symbol oder eine Vereinfachung finden?
· Inwiefern lässt das Motiv Handlungen und Posen zu, die Du im
Verhältnis zu diesem Bild einnehmen könntest?
· Inwiefern lässt sich das Motiv nutzen?
2 Versuche das Zeichnen
Bevor Du Dich ans Zeichnen Deines Motivs machst, probiere mit
der Kohle auf Deinem Block ein bisschen herum: Versuche, dicke
Striche, dünne, Schraffur, Kohle in Längsrichtung zu benutzen, sie
in unterschiedlichen Winkeln aufzulegen, wende unterschiedliche
Wisch- oder Wassertechniken an …
3 Motivzeichnen im kleinen Format:
Versuche, Dein Motiv in kleinem Format auf dem Block zu zeichnen.
Vielleicht lieber mit Bleistift. Welche Striche sind notwendig, um
das Ding/das Motiv erkennbar zu machen? Es geht nicht darum,
dass es ganz toll und perfekt aussieht. Am wichtigsten ist, dass man
gut erkennen kann, worum es sich handelt!
4 Motivzeichnen im Großformat
Zeichne großformatig, in Deiner Größe, so dass Du Deine Zeichnung nutzen und »beposen« kannst.
M4
Animationen von Robin Rhode
White Walls
In einer Animation wechselt Robin Rhode begleitet von rhythmischer Musik die Reifen eines
gezeichneten Autos. Hierbei hebt er das Auto mit
leichter Hand einfach hoch, um die Reifen zu
wechseln.
Harvest
In einer surrealen Animation streut Robin Rhode
zu hypnotischer Musik gezeichnete Samen und
begießt diese dann mit einer echten Gieskanne.
Die Samen sprießen und es entsteht eine gezeichnete Wiese. Diese mäht Robin Rhode, über den
abgemähten Pflanzen wächst ein Bett, in welches
sich Robin Rhode hineinlegt.
M5
Detaillierter Aufbau der Stunde
für theaterpraktische Arbeit
5 In einer Reihe mit dem Rücken zum Publikum stehend, bekommt
die Hälfte der Gruppe Begriffe zugerufen, welche jeder Einzelne per
Mimik und Gestik spontan umsetzt, indem er sich umdreht und in
ein Standbild übergeht.
6 Durch den Raum gehend nähert man sich einander in der Gangart
an und verwandelt sich in die jeweiligen Figuren, welche die Bildmotive zuvor nahe gelegt haben: in einen Fußballer, einen Kiffer,
einen Boxer, einen Playstation-Nerd, einen Urlauber … Die Schüler
bekommen die Aufgabenstellung, die Bewegungen in Zeitlupe zu
ertesten sowie in Posen zu gehen, die diese Figuren charakterisieren. Eine weitere Aufgabenstellung besteht darin, Bewegungen
und Posen zu finden für das »Vor« der jeweiligen Wandaktion und
jeweils für das »Danach«. Wobei die Wandaktion die jeweilige Figur
verändern soll: Ein Sportler mit Lampenfieber verwandelt sich z.B.
in einen Sieger, ein Kiffer auf Entzug verwandelt sich in einen im
Rausch, etc. – Eine Annäherung an Figuren wird ermöglicht.
7 Die Gruppe wird in zwei Gruppen geteilt: Die eine Hälfte guckt zu,
die andere performt; die einzelnen Posen und Bewegungsarten
werden gegenseitig vorgeführt.
M6
M7
Graffiti-Workshop
Das Video ist unter folgendem Link einsehbar:
http://www.goldmic.com/video/graffiti-workshop/6411
Anhand dieses Videos lassen sich grundlegende
Sprühtechniken aufzeigen:
· Gemeinschaftliches Arbeiten als gemeinsames
und abgesprochenes Nebeneinander.
· Sprühen bedarf des Mutes und des Schwungs.
· Wenn Fehler gemacht werden, können sie
jederzeit ausgebessert werden, indem einfach
immer wieder neu übersprüht wird.
Eine mögliche Vorgehensweise:
1 Zuerst eine Skizze in Kleinformat auf dem
Papier anfertigen.
2 Die Skizze auf die Wand ins Großformat
übertragen (per Bleistift und indem die
»Outlines« gesprüht werden).
3 Danach die »Fill-Ins« (die Innenflächen)
sprühen.
4 Eventuell müssen die Outlines erneut
nachgezogen werden.
Auswertungsbogen zum Projekt
1 Zur Aktivierung des Körpers:
formales Warm-up (auf der Stelle, wenn es keinen Platz gibt, um sich im Raum zu bewegen):
Hüpfen, Schulterkreisen, Armkreisen, Kicks
Was ist Dir bei der Auseinandersetzung mit Bildern aufgefallen?
Was ist ein Bild?
2 Um Gemeinsamkeit herzustellen:
gemeinsames Singen mit Bewegungen, die
das Lied unterstützen
Was ermöglichen Bilder demjenigen, der sie macht?
3 Herstellung von Präsenz/Erzeugung von
Aufmerksamkeit:
Klatschkreis: Im Kreis wird ein Klatscher immer
im Takt weitergegeben oder aber geblockt
oder zurückgegeben. Wer einen Fehler macht,
muss den Kreis verlassen.
Was hat Dir an dem Projekt gefallen?
4 Scharade spielen:
In zwei Gruppen werden Begriffe für einzelne
Personen der Gegenpartei ausgedacht, diese
müssen die einzelnen Personen für ihre Gruppe vormachen, welche versucht, die Begriffe
zu erraten. Punkte werden gesammelt.
Was denkst Du über Kunst?
Was ermöglichen Bilder demjenigen, der sie anguckt?
Was hat Dir nicht gefallen?
Was hat die Auseinandersetzung mit Bildern in Dir ausgelöst?
(z.B. Erinnerungen, Ideen, Frustration, Ablenkung, Abneigung …?)
Wir kommen gerne vorbei, um Dich zu beraten!
Hat sich etwas verändert durch das Projekt?
Zudem ist es unbedingt notwendig, beim Sprühen unterschiedliche »Caps« (Sprühaufsätze) zu
benutzen: »Fatcaps« verteilen die Farbe großflächig, »Skinnys« ermöglichen das feinere Sprühen
von Linien. Da die Caps schnell verstopfen, ist es
sinnvoll, gleich eine ganze Handvoll der billigen
Aufsätze zu kaufen. Gummihandschuhe machen
die Arbeit angenehmer.
M8
Aufgabenstellung
»Morgens klingelt bei Dir das Telefon, Gott ist
dran und sagt, dass heute Dein letzter Tag sei.
Du fragst, kann man da nicht was machen? Gott
sagt, sorry, aber es bleibt leider dabei. Aber
wenn du irgendwelche Wünsche für heute hast,
sag einfach Bescheid, ich erfülle die dann …
Wie sieht also dieser Tag aus? Beschreibe ihn.«
Sandra Hampe, Lisa Seebach
Aktiver Umgang mit passivem
Medienkonsum in der 6. Klasse
einer Förderschule
Wer bestimmt hier wen?
Die gegenseitige
Beeinflussung
von realer und
medialer Wirklichkeit
Aus Tönen
werden Erlebnisse
Foto: Alexandra Grieß
Das in den frühen siebziger Jahren noch überschaubare Medienangebot, eine Welt der klassischen Spielfilme und TV-Serien wie »Fury« und
»Bonanza«, war prägend für die Identität nahezu
einer ganzen Generation, die als erste von Anfang
an mit dem Fernseher aufwuchs, eine Generation, der auch der Videokünstler Bjørn Melhus angehört. Seine persönlichen Fernseherfahrungen
und Erinnerungen fließen direkt in seine Arbeit
ein und werden zu etwas Neuem verarbeitet.
Er konstruiert Geschichten, in denen er stets alle
Charaktere selbst darstellt. Mit einem für ihn
typischen ironischen Unterton reflektiert er so
die Identität in einer massenmedial geprägten
Zeit, auf der Suche nach der Definition des Ichs
vor dem Hintergrund der Frage nach seiner Beeinflussbarkeit und Neukonstruktion unter den
medialen Bedingungen.
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Sandra Hampe, Lisa Seebach / Bjørn Melhus
Betongänge in der
Kunstakademie Kassel,
mit dem Fahrstuhl in das
Atelier Berlin Mitte
»Die jeweilige Stimme bestimmt das Leben, die Artikulation und
Identität.« 1 (Bjørn Melhus)
In seinen Filmen, Videos und Installationen bedient sich Bjørn Melhus
eines der Populärkultur entlehnten Materialfundus, dem er Originaltöne und -stimmen, die mit seiner eigenen Fernseherinnerung2 in Zusammenhang stehen, entnimmt.3 In einem komplexen Zusammenspiel von Fragmentierung, Überlagerung und Wiederholung dieser Töne
wird ein neuer Sinnzusammenhang generiert. Die dadurch entstehende rhythmische Toncollage läuft dabei oft ins Absurde und scheinbar
inhaltlich Leere. Durch ständige Wiederholung banaler Sätze wie »Ich
rasiere mich«4 verlieren die Worte ihre Bedeutung, scheinen auf sich
und ihr Medium zurückgeworfen und lassen die Charaktere innerhalb
der Narration stetig um sich selbst kreisen.
»Je est un autre.« (Rimbaud) – männlich oder weiblich, Schlumpf,
Playmobilmännchen oder Cowboy.« 5
Bjørn Melhus, des Öfteren auch in multipler Ausführung anzutreffen,
gibt vor der Kamera den Stimmen neue Körper und Kontexte. Keine
Verwandlung ist unmöglich: Lippenstift wird aufgelegt, Verkleidungen
werden angepasst, Haare gefärbt, wachsen gelassen oder inklusive
der Gesichtsbehaarung abrasiert. Wie in einem fantasievollen Rollenspiel entwickelt er seine eigenen hybriden Bildwelten und schafft
neue Existenzen, deren Sprache, Mimik und Gestik aus den Identifikationsangeboten der Massenmedien stammen. Durch diese Arbeitsweise legt er Verführung und Fremdbestimmung unserer medialisierten Welt offen – ein Appell an die Rezipienten, sich selbstbestimmt
und reflektiert mit medialen Einflüssen auseinanderzusetzen?
1
2
3
4
5
6
Herzogenrath, Wulf: »›Das scheinbar Leichte und Unterhaltsame ist ein Trojanisches Pferd.‹ Bjørn
Melhus im Gespräch mit Wulf Herzogenrath«, in: Herzogenrath, Wulf, Buschhoff, Anne (Hg.):
Bjørn Melhus, Bremen 2002, S. 15.
Wie beispielsweise die Stimmen von Schauspielerin Judy Garland (»The Wizard of Oz«) oder
Sänger Stevie Wonder (»Ain’t No Sunshine«).
Dieses Prinzip wird unter anderem im filmischen Kontext als »Found Footage« bezeichnet.
Aus: »Das Zauberglas« (»The Magic Glass«), 1991, 6 min.
Diese verschiedenen Rollen hat Melhus beispielsweise eingenommen in seinen Filmen
»Das Zauberglas«; »Happy Rebirth«, 2004, 1’30 min.; »No Sunshine«, 1997, 6 min.; »Silver City«,
1999, 7 min.
Wir danken Bjørn Melhus an dieser Stelle für die inspirierenden Gespräche über Kunst, deren
Vermittlung und das Leben, die Bereitstellung zentraler Film- und Videoarbeiten und den für
alle Beteiligten unvergesslichen Besuch in der Klasse.
Die unterschiedlichen Begegnungen mit Bjørn
Melhus konkretisierten für uns sowohl die inhaltlichen Hintergründe und Produktionsbedingungen seines Werks als auch sein Verständnis von
Vermittlung als Professor der bildenden Kunst
für »virtuelle Realitäten« an der Kunstakademie
Kassel.
In seinem Atelier, das als Aufnahmestudio für
Videoproduktionen fungiert, sind Requisiten seiner Videos und Filme verstreut. An zwei großen
Schreibtischen wird gearbeitet, nur das provisorische Bett auf Rollen lässt vermuten, dass auch
ein Bjørn Melhus zwischendurch ruhen muss. Die
Kirschblüte habe er dieses Jahr verpasst, sagt er
bedauernd. Während unseres Gesprächs in Berlin
surren die Computer und übertragen die Daten der
Videoinstallation »Deadly Storms« nach Moskau.
Die Timeline des in dem Videoschnittprogramm
Final Cut geöffneten Projektes »Deadly Storms«
lässt auf ein technisch komplexes Gebilde schließen. An dieser Arbeit verdeutlicht uns Bjørn Melhus beispielhaft sein konkretes Vorgehen von der
Idee und dem in der Populärkultur gefundenen
Tonmaterial ausgehend, über dessen Collagierung,
hin zu den darauf folgenden Videoaufnahmen
und ersten Entwürfen für 3D-Animationen bis zur
exakten Planung der räumlichen Anordnung der
Videoinstallation im spezifischen Ausstellungskontext. Der Einblick in den Entstehungsprozess, der
»Blick hinter die Kulissen«, bildet damit eine spannende Ergänzung zur anschließenden Auseinandersetzung mit Literatur, Filmen und Videos
und bietet uns die Möglichkeit eines tieferen
Zugangs zu Melhus’ Werk.
Durch seine unkomplizierte, kommunikative Art
finden wir uns in kürzester Zeit inmitten von
intensiven Gesprächen, die sich sowohl mit den
Inhalten seiner Arbeiten, möglichen Vermittlungsstrategien seines Werkes in der Schule als
auch mit unseren eigenen künstlerischen Ansätzen beschäftigen.
Sandra Hampe und Lisa Seebach im Gespräch mit Bjørn Melhus
Fotos auf den folgenden Seiten: Alexandra Grieß
Gemeinsam wollen wir die Schwierigkeit meistern, die Vermittlung von
Bjørn Melhus’ vielschichtigem Werk an die Lebenswelten und Möglichkeiten der Schüler anzupassen. Der entscheidende Impuls zu unserem
Vermittlungskonzept geht dabei aus dem für Melhus charakteristischen
Prinzip hervor, aus bereits bestehenden, der Medienwelt entlehnten Tönen, bewegte Bilder zu schaffen. Das Online-Portal YouTube spielt dabei eine zentrale Rolle. Nicht nur der Künstler selbst lässt sich durch zufällig dort gefundene oder gezielt gesuchte Clips inspirieren und nutzt
es als Ressource für seine Arbeiten. Auch die Schülerinnen und Schüler
kennen sich zum größten Teil mit der Oberfläche aus, nutzen YouTube
im Alltag jedoch lediglich im konsumierenden Unterhaltungs-Kontext.
Über das Medium lassen sich sowohl aktuell aufgezeichnete Fernsehsendungen ansehen als auch jegliche Art von »privaten« Home Videos.
Repräsentativ für das World Wide Web sind nicht nur Clips jeglicher
Nationalität abrufbar, sondern vor allem auch
Aufzeichnungen aus der US-amerikanischen Medienwelt, deren Prinzipien und Strategien zunehmend in unserer medialen Umgebung vertreten
sind. Mit dem Phänomen dieser Strategien und
Mechanismen beschäftigt sich Bjørn Melhus in seinen Arbeiten. Das Projekt der Vermittlung ist somit eng mit den Inhalten von Melhus’ Werk verbunden und umfasst sowohl das Erkennen der eigenen
Bedingtheit durch die Medienwelt als auch den
Übergang von dieser bewussten Rezeption hin zu einem eigenverantwortlichen Umgang mit Medien.6
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Sandra Hampe, Lisa Seebach / Bjørn Melhus
Vermittlung in der Schule
Assoziationsbilder
Früher waren es gemütliche Fernsehabende mit Freunden und Chipskrümeln auf dem Sofa, heutzutage bestimmen außerdem Videofunktionen von Handys, das Onlineportal YouTube und die Musiksender MTV und VIVA das mediale Umfeld von Jugendlichen.
Bewegte Bilder bestimmen maßgeblich den Alltag und damit die Sozialisation der gegenwärtigen Schülerschaft. Die vermeintlichen Wirklichkeiten, an denen sie ihre Handlungen orientieren und mit den Protagonisten von Serie zu Serie »ihre« Erfahrungen sammeln, sind medial
generierte, also von Medienkonzernen konstruierte virtuelle ScheinWirklichkeiten. Diese werden oft passiv konsumiert und nicht angemessen kritisch rezipiert.
Im Alltag ziehen die Schüler und Schülerinnen die Videofunktionen der
Handys wegen ihrer geringen Gerätegröße, der ständigen Verfügbarkeit und der leichten Handhabung den traditionellen Videokameras vor.
Die Handys werden zu Datenträgern, mit denen Videos gedreht, per
Bluetooth ausgetauscht und aus dem Internet heruntergeladen werden
können. Damit steht auch das Onlineportal YouTube in Verbindung,
welches dazu dient, Videos (gleichgültig ob diese von Privatpersonen
selbst aufgenommen wurden oder ob es sich um aufgezeichnete Fernsehsendungen handelt) der Öffentlichkeit zugänglich und nach Belieben im Internet konsumierbar zu machen. MTV und VIVA, gefolgt
von Daily Soaps, vervollständigen den Videokonsum im Schüleralltag.
Durch die tägliche Nutzung der Medien wird ein erhebliches Maß an
Zeit mit der gewohnheitsmäßigen, passiven Rezeption dieser Formate
verbracht. Nach Produktionsbedingungen und Rezeptionsmöglichkeiten wird dabei in der Regel nicht gefragt.
In unserem Projekt in der 6. Klasse greifen wir diese Verhaltensweisen
auf, um im Ausgang von diesen Bedingungen eine Befragung von Medienwirklichkeiten zu initiieren. Im Zuge ästhetischer Prozesse soll einerseits der aktive Umgang mit der Technik der Videokamera erlernt
werden. Die Fähigkeit zur selbstständigen Handlung soll darüber hinaus
zu einem »Begreifen« der Kamera als Medium hinführen. Dieses Be-
Bjørn Melhus im Gespräch mit den Schülerinnen
und Schülern der 6. Klasse
Soziale Synergien
greifen beinhaltet das Wahrnehmen medialer
Wirkungsmechanismen und die kritische Reflexion von medial konstruierten (Schein-)Realitäten –
insbesondere im Hinblick auf Identitätsbildungsprozesse. Die Schülerinnen und Schüler sollen zu
einem sensibleren, selbstverantworteten und kompetenten Umgang mit Medien befähigt werden.
Konkret sollen die Schülerinnen und Schüler zu einem selbstständig
experimentierenden Umgang mit den verschiedenen Formaten des
Mediums Video angeregt werden.
Durch die Erfahrung, das neu erworbene technische Know-How bei
der Selbst-Inszenierung vor der Kamera anwenden zu können, wächst
das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit und Kompetenz.
Zudem stärken die sozialen Prozesse bei der ästhetisch-experimentierenden Projektarbeit den Gruppenzusammenhalt in der Klasse. Die Schüler lernen,
ihre Ideen und Auffassungen in die Gruppe einzubringen und diese in der Diskussion sowohl zu verteidigen als auch Kompromisse einzugehen, um
den gemeinsamen Arbeitsprozess weiterzubringen.
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Sandra Hampe, Lisa Seebach / Bjørn Melhus
Handicap als Handicap?
Besonderheit der Projektarbeit
an der Förderschule
Mein Freund die Flimmerkiste, technisches
Know-How und Tagebuch
in neuem Format
Zum Ablauf des Projekts
Verschiedene Formen von Beeinträchtigungen können sich negativ auf
aktive Handlungsprozesse auswirken, da sie den Aktionsradius und
somit bestimmte Möglichkeiten von Erfahrungen einschränken können. Zudem ist festzustellen, dass bei Schülern mit verringerten motorischen Erfahrungsmöglichkeiten der Medienkonsum teilweise als
Ersatz für reale Erfahrungen fungiert. Daher ist es in diesem Fall besonders wichtig, ausgehend von der alltäglichen Lebenswelt der Schüler die Kompetenz zu vermitteln, die Funktionsweisen der Medien
analysieren und deren Inhalte kritisieren und einordnen zu können.
Auch der Ich-Stärkung kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Es soll
erreicht werden, dass die Schülerinnen und Schüler sich trauen, ihre
Ideen selbstbewusst in die Gruppe einzubringen, dass sie lernen,
sich selbst zu inszenieren und als Experten eigenverantwortlich mit
der Technik umzugehen.
Vermittlung als Experiment
Wir wählen für die Arbeit mit den Schülern eine Projektform, die den
Anspruch erfüllt, einen orientierenden Rahmen zu bieten, der dennoch Freiraum für die Selbstbestimmung und Selbstorganisation der
Schüler bietet. Wir möchten den Schülerinnen und Schülern sowohl
die Möglichkeit von Erfahrungen in ästhetischen Prozessen (im Sinne
Pierangelo Masets7) bieten als auch diese Erfahrungen durch die
Schaf fung von spezifischen Rahmenbedingungen fördern. Das Experiment als offene Form, die auch das Scheitern als eine Lernform
beinhaltet, hat dabei für uns einen großen Stellenwert. Diese Form der
Kunstvermittlung dient dazu, sich ästhetisch-forschend Zugänge zu
bestimmten Ebenen der künstlerischen Praxis zu erschließen, um auf
je unterschiedliche Weise zu Ansätzen des Verstehens zu gelangen.
»Dann haben wir ein Set aufgebaut und es
hat Spaß gemacht.« (Anton, Videotagebuch)
Auch weiterführende Experimente mit Video und
Audio ermöglichen einen tieferen Einblick in
den technischen Entstehungsprozess von Melhus’
Werk und bieten den Schülern eine Erweiterung
ihres bereits erworbenen Wissens. Sie per fektionieren ihre Fähigkeiten beim Aufbau eines Videosets und der Bedienung der Videokamera. Zudem
werden sie im Zuge ihres eigenen Handelns auf
technische Charakteristika und Feinheiten bei der
Produktion aufmerksam, die sie in einer anschließenden Besprechung von ausgewählten Videoarbeiten als Experten erkennen können. Gespräche
und Diskussionen sowie das von mehreren Schülerinnen und Schülern täglich geführte Videotagebuch dienen der Reflexion und Festigung dieser
Erfahrungen.
Als zweiköpfiges Team haben wir die Möglichkeit, offene Projektformen gleichzeitig in unterschiedlichen Rollen zu begleiten. Zugleich
können wir die Vermittlungsarbeit durch die Bildung von Kleingruppen differenzierter und intensiver gestalten.
»Das ist halt anders als mit normalen Bildern und normalen
Wasserfarben.« (Egzon)
Ein Projekt zu Videokunst in einer 6. Klasse durchzuführen kann heißen,
die bisherigen Vorstellungen der Schüler von Kunst durch ein für sie
im künstlerischen Kontext bisher unbekanntes Ausdrucksmedium zu
erweitern.
Unser Ziel ist es, anhand der Arbeiten von Bjørn Melhus eine altersgerechte Annäherung an die Thematik der Rezeption medialer Wirklichkeitskonstruktionen und Bedingungen zu bieten. Dabei konzentrieren
wir uns darauf, mit den Schülerinnen und Schülern in Form von Experimenten (nach dem Arbeitsprinzip von Bjørn Melhus vorgehend)
zu einem in den Medien gefundenen Ton Videobilder entstehen zu
lassen.
Um einen Überblick über das Fernsehverhalten
zu erhalten, füllen alle Schülerinnen und Schüler
am Beginn des Projektes ein Arbeitsblatt aus,
welches ihren persönlichen »Fernsehstundenplan« dokumentiert. [M1] Durch das Aufschreiben
ihrer Lieblingsfilme und -serien können sie sich
der Zeit bewusst werden, die sie pro Tag mit der
Unterhaltung vor dem Fernseher verbringen.
Dieser »Fernsehstundenplan« dient auch den Lehrenden als Grundlage für die Wahl der Tonfragmente aus den Lieblingsserien der Schüler, mit
denen im weiteren Verlauf gearbeitet werden
soll. Außerdem hilft er einzuordnen, welche Anknüpfungspunkte aus dem Alltag der Schüler
in das Projekt aufgenommen werden können. In
einer Gesprächsrunde stellen sich die Schüler
mit eigenem Namen und der Nennung ihrer Lieblingssendung sowie ihrer Lieblingsfernsehfigur
vor. Es ist beabsichtigt, dass sie dabei reflektieren,
mit welchen virtuellen Lieblingscharakteren sie
sich identifizieren und warum. Die Fernsehstundenpläne werden für alle Schüler sichtbar in der
Klasse aufgehängt, so dass der Ausgangspunkt der
eigenen Fernseher fahrungen im Verlauf des
Projekts präsent bleibt.
7
Vgl. Maset, Pierangelo: Praxis, Kunst Pädagogik. Ästhetische
Operationen in der Kunstpädagogik, Lüneburg 2001.
Die Schüler sollen befähigt werden, sowohl die
Videokamera in ihren Funktionen zu bedienen
als auch den Aufbau eines Sets, bestehend aus
Kamera, Stativ, Licht und Kontrollmonitor, und
die damit verbundenen Handlungsabfolgen nachzuvollziehen, so dass sie in den nächsten Tagen
in der Lage sind, in selbstständiger Teamarbeit
alles zum Videodreh Benötigte aufzubauen. Dazu
findet eine kurze Einführung in die Videotechnik und den Aufbau eines Videosets statt. Die Bedienung der Videokamera, d.h. das Einlegen der
Kassette, verschiedene Kamerafunktionen und
-einstellungen werden an zwei Gruppentischen
besprochen und ausprobiert. Die Videosets jeder
Gruppe werden mithilfe des Arbeitsblattes [M2]
aufgebaut, einzelne Komponenten schriftlich benannt. Da das technische Vor wissen sehr unterschiedlich sein kann, werden die Erfahrungen der
Schüler im filmischen oder dem verwandten fotografischen Bereich durch gezielte Fragen in den
Prozess der Erkenntnisgewinnung miteinbezogen. Des Weiteren ist es uns wichtig, dass sich die
Schüler so weit es geht untereinander helfen,
bevor sie uns ansprechen.
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Sandra Hampe, Lisa Seebach / Bjørn Melhus
»Heute fand ich es gut, dass wir so viel mit der
Videokamera machen durften …«
(Alex, Videotagebuch)
»Das ist halt mein erstes Videotagebuch …
Was soll ich denn sagen?« (Jan, Videotagebuch)
Tonfragmente
werden zu Videogeschichten
»Wir drehen gerade so Videos, da machen wir
Playback.« (Jan, Videotagebuch)
Zum Erproben der gelernten Technik und zur Förderung der sozialen
Bindungen in der Gruppe stellen sich die Schülerinnen und Schüler
der jeweils anderen Gruppe mit filmischen Mitteln vor. Wie sie diese
Aufgabe lösen, steht ihnen frei. So soll die Chance erhöht werden,
dass in den Gruppen unterschiedliche Formen, Kameraeinstellungen
oder Sprachen ausprobiert werden.
Mit der Einführung eines Videotagebuchs soll den Schülern nach jedem Projekttag die Möglichkeit gegeben werden, Reflexionsprozesse
festzuhalten und sich an bereits praktizierte Handlungsabläufe zu erinnern, die durch die Wiederholung gefestigt werden können. Außerdem wird hier Raum geboten, eigene Erfahrungen im Umgang mit
der Kamera zu machen und die Selbstdarstellung und eigene Wirkung
gleichzeitig im umgeklappten Display wie in einem Spiegel zu beobachten. Das »Verfassen« des Videotagebuchs sollte deshalb in einem
geschlossenen, leeren und möglichst leisen Raum stattfinden, so dass
die Schüler unbeobachtet Ruhe finden können, um über den Tag nachzudenken.
Anhand von Beispielen gleichaltriger Jugendlicher, die bei YouTube
herausgesucht wurden, wird das Format des Videotagebuchs im
Unterricht vorgestellt.
Jede Gruppe bekommt für die Arbeit einen CDPlayer mit einer CD, die mehrere Tonfragmente
als einzeln abspielbare Tracks enthält. Diese Tonsequenzen sind zurückzuführen auf die Lieblingsserien der genannten »Fernsehstundenpläne«
und können von den Schülerinnen und Schülern
teils eindeutig, teils überhaupt nicht erkannt werden. Die Aufgabe besteht darin, dass jede Gruppe versuchen soll, sich zu den einzelnen Tracks
kleine Szenen auszudenken. Von dem vorgespielten Ton ausgehend soll ein Video entwickelt
werden, das unter den vor Ort gegebenen Bedingungen, also minimalistisch, realisiert werden soll.
»Gestern haben wir einen Film über ein Handy
gedreht und dann noch einen über ›Deutschland sucht den Superstar‹ und dann noch einen
Film über einen Einbrecher und die Polizei …«
(Egzon, Videotagebuch)
»Was genau findet in der Szene statt? Wo findet es statt? Welche Figuren
kommen vor? Welche Requisiten brauchen wir?« Diese schriftlich zu
beantwortenden Fragen dienen dazu, die Gedanken der Schüler zu strukturieren, damit vor dem Dreh alles Nötige geplant werden kann. Nach
der ersten Probe finden sich meist noch Verbesserungsvorschläge und
dann heißt es Generalprobe und ›ACTION‹. Die Schüler arbeiten in dieser Projektphase selbstständig in den beiden eigenständig gebildeten
Gruppen, wir fungieren als zurückhaltende Begleiterinnen.
»Ein paar Aufnahmen sind nicht so geworden,
wie wir sie geplant haben, weil wir als Gruppe so
viel gelacht haben.« (Anton, Videotagebuch)
Exkurs 1:
Aus Tönen von
YouTube werden
Geschichten auf
Papier
Die Schüler durchstöbern das Internetportal YouTube nach für sie interessanten Tonfragmenten
und nehmen mit der Videokamera ein kurzes Tonfragment auf, welches auch losgelöst von den
Videobildern Sinn ergeben sollte. Jeder Schüler/
jede Schülerin schreibt/malt nach dem wiederholten Vorspielen des aufgenommenen Tons eine Geschichte dazu auf. Die schriftliche Fixierung
soll dazu dienen, die Abstraktionsfähigkeit herauszufordern, da ja noch vor kurzem die »passenden« Bilder gleichzeitig mit dem Ton konsumiert
wurden. Dieser Exkurs dient hauptsächlich der Erweiterung der vorangegangenen Projek tarbeit.
Über die Reflexion von reproduzierten Handlungsund Situationsinhalten sollen die Schüler zu einem
vom Ursprungsbild gelösten Umgang mit den
Tonfragmenten gelangen.
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kiss
Sandra Hampe, Lisa Seebach / Bjørn Melhus
»Ist das ein
Zauberglas?«
8
»Heute Morgen haben wir erstmal besprochen,
was Videokunst eigentlich ist […] das ist halt
anders als so richtige Kunst, anders als Kunstmalerei wie mit Bildern, sondern das ist mit
Videokamera.« (Egzon, Videotagebuch)
Exkurs 2:
Technische Finessen
Wie ist es möglich, dass Bjørn Melhus in dem Video »Das Zauberglas«
sowohl vor dem Fernseher als auch im Fernseher zu sehen ist und
sozusagen mit sich selbst spricht?
Das bleibt kein Geheimnis für die Schüler, die mit den technischen Möglichkeiten nun hinreichend vertraut sind, um selbst herauszufinden,
wie das funktionieren könnte. Die theoretisch möglichen Erläuterungen
hierzu werden von den Schülerinnen und Schülern mit der Videokamera experimentell erprobt. Neben dem hinterfragenden Verstehen
der technischen Gegebenheiten besteht für den Schüler/die Schülerin
zugleich die Möglichkeit, sich selbst bewusst und mit Abstand im Bildschirm wahrzunehmen. Im Gegensatz zu einer spiegelartigen Echtzeitübertragung des Bildes kann man sich und seine Körperbewegungen
außerhalb dessen, was man gerade tut, betrachten, man kommuniziert mit seinem vergangenen Ich, d.h. mit seinen vergangenen Ichs –
es kommt ganz darauf an, wie viele Ichs gerade »da« sind!
Bevor wir Videos von Bjørn Melhus zeigen, führen wir zum Einstieg
eine kleine Umfrage mit der ganzen Klasse am Gruppentisch zum
Thema Kunst und Videokunst durch. Wir besprechen, welche Künstlerinnen und Künstler den Schülerinnen und Schülern bekannt sind,
an welchen Orten und in welchen Situationen man Kunst begegnen
kann, was Kunst sein kann, was der Unterschied zwischen einem
Videobild und einem mit Ölfarbe gemalten Bild ist, und viele weitere
Fragen, die von den Schülern selbst gestellt werden.
»Ich fand alles eigentlich sehr schön, gestern und heute. Außer
das Video ›Das Zauberglas‹, das war ein bisschen verrückt,
ansonsten fand ich […] eigentlich alles toll.« (Florian, Videotagebuch)
Gemeinsam werden die Arbeiten »Das Zauberglas«9 [B1], »No Sunshine«10 [B2] und »Happy
Rebirth«11 [B3] von Bjørn Melhus angesehen und
besprochen. Die Schülerinnen und Schüler stellen im Gespräch die besonderen, ihnen durch ihren eigenen Umgang mit dem Medium Video
vertraut gewordenen Merkmale heraus: das Auftauchen von Elementen wie Verdopplung, Verkleidung, Wiederholungen der Tonfrequenzen,
Playback etc.
Offen bleibende Fragen, die sich auf die Arbeiten
und auf die Künstlerpersönlichkeit beziehen, werden von den Schülern schriftlich festgehalten,
damit sie Bjørn Melhus am folgenden Tag gestellt
werden können.
8
9
10
11
Zitat aus »Das Zauberglas«.
»Das Zauberglas«, 1991, 6 min.
»No Sunshine«, 1997, 6 min.
»Happy Rebirth«, 2004, 1’30 min.
»Bjørn«
heißt »Bär«
auf Norwegisch
»Der kommt dann ja morgen und wir gucken
unsere Aufnahmen dann an und ich würde
euch viel Spaß wünschen!« (Alex, Videotagebuch)
Am Tag der Präsentation der in den beiden Gruppen entstandenen
Videos ist auch Bjørn Melhus zu Gast. Nachdem er sich der Klasse
kurz vorgestellt hat, nutzen wir die Möglichkeit, ihm als Experten unsere Videos zu präsentieren und von der Projektwoche zu erzählen.
»Am Anfang des Projektes haben wir uns einen Fernsehstundenplan aufgeschrieben. Dann haben wir ein Stativ mit einer Kamera
aufgebaut. Dann haben wir uns einen Gruppennamen überlegt.
Dann haben wir ein Videotagebuch gedreht. Das hat uns sehr viel
Spaß gemacht. Und an den anderen Tagen haben wir mehr Videos
gedreht. Z.B. ein Suppenvideo, ein Fußballspiel, einen Überfall,
ein kaputtes Handy, ein DSDS-Video, wir haben ein Videotagebuch
gedreht. Heute haben wir uns über Künstler
unterhalten, was für Kunst die machen. Dann
haben wir uns Filme von Bjørn Melhus angeguckt. Diese Filme waren komisch, weil der Titel nicht passte. Der Künstler hat sich immer
wiederholt. Aber das war halt ein bisschen anders, die Kunst, die Bjørn Melhus macht, ist
aber sehr cool und die Kunst von Björn Melhus
ist ganz anders als normale Kunst. Seine Kunst
ist sehr interessant und sehr cool. Bei dieser
Kunst kann man sehr viel lernen.« (Egzon)
Die Schüler stellen Bjørn Melhus Fragen, die im
Verlauf des Projektes aufgekommen sind und
sich sowohl spezifisch auf seine künstlerischen
Arbeiten als auch auf die Technik und Produktionsbedingungen der Videos beziehen.
»Wie kamen Sie auf die Idee, Künstler zu sein?«
»Wie viele Leute arbeiten mit Ihnen an einem
Video?«
»Wie lange brauchen Sie, um ein Video fertig
zu machen?«
»Haben Sie eine Profi-Videoausrüstung?«
»Wo stellen Sie überall aus?«
»Warum haben Ihre Filme keine spanischen
Untertitel, die verstehen die ja dann gar
nicht!«
Auch wollen die Kinder viel über den Künstler als
Person erfahren. Wie alt er ist, ob er Kinder hat
und ob er mit einem Privatjet zur Schule gekommen ist. Bjørn Melhus beantwortet bereitwillig
alles, erklärt, dass »Bjørn« in seinem Herkunftsland Norwegen »Bär« heißt, dass er kein besonders großer Fußballfan ist und wo Honolulu liegt.
Und verrät, dass auch er sich ohne Fernsehen
manchmal einsam fühlen würde …
Dank
Ein großer Dank geht an Nadine Beilfuß, Esther
Irle und Tina Ritterbecks, sowie die »WBS zur
Verlach«. Außerdem möchte ich Notburga Karl
und Prof. Dr. Petra Kathke für ihre »Verführungskünste« danken.
kiss
Sandra Hampe, Lisa Seebach / Unterrichtsmaterialien
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Bjørn Melhus
Einzelausstellungen
Einzelausstellungen
Geboren in Kirchheim/Teck
Adolf-Lazi-Schule Stuttgart (Berufsfachschule für
Fotografie und Audiovision)
1988–96 Studium der Freien Kunst an der HBK Braunschweig
(Film/Video)
1996
EMARE-Programm Budapest (European Media Artists in
Residence Exchange)
1996/97
Meisterschüler bei Prof. Birgit Hein, HBK Braunschweig
1997/98
DAAD-Jahresstipendium in Los Angeles, California
Institute of the Arts
1998
Förderstipendium des Vereinigten Kloster & Studienfonds
Braunschweig
1999
Gastlehrauftrag für den Bereich Video an der BauhausUniversität Weimar
1999–2001 Preis des Kunstvereins Hannover (Aufenthaltsstipendium)
2001/02
New York Stipendium des Landes Niedersachsen am
ISCP (International Studio and Curatorial Program)
Seit 2003 Professur an der Kunsthochschule Kassel (Bildende Kunst/
Virtuelle Realitäten)
2001
2006
1966
1985–87
2002
2003
Bjørn Melhus: Werke (Auswahl)
1991
1994
1995
1997
1997
1998
2001
2003
Das Zauberglas, Video, 6 min.
Happy Rebirth, Video, 1 min.
Weit Weit Weg, 16 mm Film, 39 min.
No Sunshine, Video, 6 min.
Blue Moon, Video, 6 min.
Again and Again, Installation, 6 min.
Weeping, Installation, 7 min.
Still Men Out There, Installation, 10 min.
Auto Center Drive, 16 mm Film, 25 min.
2004
2005
Einzelausstellungen
1999
ich bin du, Skulpturenmuseum Glaskasten, Marl (Katalog)
1999/2000 Galerie Anita Beckers, Frankfurt am Main
2000
again & again, Galerie Birner und Wittmann, Nürnberg
Gute Freunde, Schloß Hardenberg, Velbert
Gute Freunde, Art Association Wolfenbüttel
2001
Du bist nicht allein/you are not alone,
Stadtgalerie Saarbrücken (Katalog)
Du bist nicht allein/you are not alone,
Kunsthalle Göppingen (Katalog)
Primetime, Kunstverein Hannover
(Katalog)
Sivercity 1+2, Sprengel-Museum,
Hannover
Bjørn Melhus – Video, Kunsthalle
Bremen (Katalog)
Early Video Works, Goethe Institute,
New York
Primetime, Lothringer 13 / halle,
München (Katalog)
TWINS (with Christoph Girardet),
The Garage, Stavanger
Sometimes, Roebling Hall, Brooklyn,
New York
STILL MEN OUT THERE, Galerie Anita
Beckers, Frankfurt am Main
STILL MEN OUT THERE, Projektraum,
Deutscher Künstlerbund, Berlin
MediaScope, Museum of Modern Art,
New York (Selected Retrospective
Screenings)
Retrospective, Goethe Institute, Kyoto
Retrospective, Arsenal, Berlin
The Magic Glass at the Metropolis
Cinema, Berlin und Hamburg
PRIMETIME, FACT, Liverpool
Fighting The Forces Of Evil, Städtische
Galerie Wolfsburg
Gallery opening from Roebling Hall
Gallery in Chelsea, New York
Films, Orita. Sinclair Intl Frontroom
Gallery, Singapur
Galerie Bob van Orsouw, Zürich
Bjørn Melhus, Selected Works, Kyoto
Art Center, Kyoto
Shows Auto Center Drive, CGAC,
Santiago de Compostela
No Sunshine 2005, Galeria Senda
Espai, Barcelona
No Sunshine, CAC. Centro de Arte
Contemporáneo de Málaga, Málaga
eastern_western_park, Spiral Garden,
Tokyo
BJOERN MELHUS: EASTERN WESTERN
PARK, Honolulu Academy of Art,
Honolulu
2007
2008
Bjørn Melhus, Viafarini, Mailand
Bjørn Melhus, Fondazione Bevilacqua
La Masa, Palazzetto Tito Dorsoduro,
Venedig
Bjørn Melhus, Galerie Anita Beckers, Frankfurt am Main
Bjørn Melhus The Castle – The Meadow – The City,
Roebling Hall, New York
Seven Screens, OSRAM, München
Deadly Storms, Gallery Marina Goncharenko, Moskau
Captain/Deadly Storms, Denver Art Museum:
FUSEBOX, Denver
Videostills
V1
Bjørn Melhus
No Sunshine, 1997,
Video, 6 min. loop
Literatur
Becker, Barbara; Schneider, Irmela (Hg.)
Was vom Körper übrig bleibt, Körperlichkeit, Identität, Medien
Frankfurt a.M. 2003
Herzogenrath, Wulf; Buschhoff, Anne (Hg.)
Bjørn Melhus – Video
Bremen 2002
Lukesch, Helmut
Das Forschungsfeld »Mediensozialisation« – eine Übersicht
In: Roters, Gunnar; Klingler, Walter; Gerhards, Maria (Hg.):
Mediensozialisation und Medienverantwortung
Baden Baden 1999, S. 59–83
Bjørn Melhus: Still aus: »No Sunshine« (1997),
Video, 6 min. loop, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers,
© Bjørn Melhus/VG Bild-Kunst, Bonn
V2
Bjørn Melhus
Das Zauberglas (The Magic Glass), 1991,
Video, 6 min.
Maset, Pierangelo
Zwischen Vermittlungskunst und Maschinengefüge: Ästhetische Bildung der Differenz
In: Internationale Gesellschaft der Bildenden Künste, IGBK, Bonn; Kettel, Joachim (Hg.): Kunst lehren? Künstlerische Kompetenz und kunstpädagogische Prozesse – Neue subjektorientierte Ansätze in der
Kunst und Kunstpädagogik in Deutschland und Europa
Stuttgart 1998, S. 196–205
Schulz, Bernd (Hg.)
DU BIST NICHT ALLEIN. Bjørn Melhus (Katalog zur Ausstellung Stadtgalerie Saarbrücken in der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, Saarbrücken vom 17.02.–25.03.2001)
Heidelberg 2001
Turkle, Sherry (1995)
Leben im Netz. Identität in Zeiten des Internet
Reinbek 1998
Still aus: »Das Zauberglas«/»The Magic Glass«
(1991), Video, 6 min., mit freundlicher Genehmigung des Künstlers, © Bjørn Melhus/VG BildKunst, Bonn
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Sandra Hampe, Lisa Seebach / Unterrichtsmaterialien
Materialien
M2
3 Kameras (eine für jede Gruppe und eine für das Videotagebuch)
3 Stative
2 Scheinwerfer für die Beleuchtung
2 Verlängerungskabel
2 Fernseher
2 CD-Player
Arbeitsblatt zum Videosetaufbau
Das Videoset
Bitte schreibe die Bezeichnungen für die einzelnen Geräte des Sets
auf die Linien im Bild und fülle die Lücken in dem Satz unten auf der
Seite aus.
Wenn das Set aufgebaut ist, lege ich
Tonfragmente der Lieblingsserien der Schülerinnen und Schüler
aus dem Internet (ca. 4 pro Gruppe)
die ..................................... in die ..................................... ein
und es geht los!
Computerraum mit Internetzugang
Einen freien Raum für das Videotagebuch
(Im Idealfall hat auch jede Gruppe ihren eigenen Raum.)
Papier und Stifte
M1
Arbeitsblatt Fernsehstundenplan
Fernsehstundenplan von: .....................................
Zeit
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Um wieviel Uhr schaue ich am meisten Fernsehen? .....................................
Meine Lieblings-Serie? .....................................
Meine Lieblings-Figur? .....................................
Freitag
Samstag
Sonntag
Britta Mertens
Auf der Suche nach
dem perfekten Ort
50 Schüler machen
sich ihre Stadt
Bereits seit ihrer gemeinsamen Studienzeit an der
Kunstakademie Karlsruhe firmieren die Berliner
Künstler Christiane Dellbrügge und Ralf de Moll
als »Dellbrügge & de Moll«.
»Dellbrügge & de Moll arbeiten kontextbezogen
und medienübergreifend an Schnittstellen
von öffentlichen, digitalen und institutionellen
Räumen. […] Seit Beginn ihrer Zusammenarbeit 1984 gehört es zu ihrer künstlerischen Praxis,
diskursive Plattformen zu schaffen, Printmedien herauszugeben, Videoprogramme oder
Ausstellungen zu konzipieren. Sie verstehen
sich in der Rolle des Künstlers als ›exemplarisch
Kommunizierende‹ und gehen den Möglichkeiten nach, aus dem Raum der Kunst heraus
Veränderung zu initiieren.«1
1
Foto: Alexandra Grieß
www.workworkwork.de
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Britta Mertens / Christiane Dellbrügge, Ralf de Moll
Britta Mertens im Gespräch mit Christiane Dellbrügge
und Ralf de Moll in Berlin
Fotos auf den Folgeseiten: Alexandra Grieß
In ihrem Projekt »Hamburg Ersatz« (1997) geht es beispielsweise um
die Möglichkeit der Veränderung und Erweiterung des städtischen
Raumes, um Utopien. »Hamburg Ersatz« wurde im Rahmen des Hamburger Programms »Kunst im öffentlichen Raum« entwickelt und ist
im Internet unter www.hamburg-ersatz.de zu betrachten.
Der Austausch
mit Dellbrügge
& de Moll
Die zunächst im Hamburger Bahnhof in Berlin realisierte Arbeit »Farbcodierte Kleidung für Museumspersonal« (2003) reflektiert das Museum als Institution des Kunstbetriebes: An den Farben der Uniform des
Museumspersonals können die Museumsbesucher erkennen, welche
Sprachen die Museumsmitarbeiter sprechen, ob sie Kunst studiert haben
oder wie sie sich gegenüber Besuchern verhalten. Zum Beispiel steht
die Farbe Schwarz für: »Ich bin Künstler/in« oder Violett für: »Ich spreche Besucher an«. Dellbrügge & de Moll ordnen sich dem Bereich der
Kontextkunst zu. In ihren Arbeiten thematisieren sie den Ort und das
institutionelle Umfeld der Kunst. Diese Kontexte werden für Dellbrügge
& de Moll zum Auslöser für ihre Projekte, die Reflexion des Kunstbetriebes wird so zu einem zentralen Bestandteil ihrer Praxis. Ihre häufig
interdisziplinären ortsspezifischen Vorgehensweisen zielen auf eine
Neubestimmung der künstlerischen Produktion.
Ihr jüngstes Projekt aus dem Jahr 2008 geht vom Ort Schule aus. Dieses
Projekt war ein wichtiger Impuls für meinen Unterrichtsentwurf.
Der Titel »Wer einen Stuhl bauen kann, kann auch eine Stadt bauen«
[B1] lässt sich im Sinne einer Weiterentwicklung des erweiterten Kunstbegriffs von Beuys verstehen. Beuys’ Diktum »Jeder Mensch ein
Künstler« zielt ja darauf ab, potenziell alle Mitglieder der Gesellschaft
in den Prozess der gesellschaftlichen Veränderung einzubeziehen.
der die Aussteiger der Stadt ihr eigenes System entwickelt und aus Fundstücken ihre individuellen Häuser errichtet haben. Die Gründung der
Freistadt Christiania liegt mittlerweile fast zwei Generationen zurück.
Als Entwurf eines »perfekten Ortes« ganz anderer Art wurde der Vergnügungspark Tivoli als Teil der aktuellen Stadtentwicklung zum Gegenstand ihrer Forschung.
»Es ist eine 5-Kanal-Videoinstallation für das OSZ Holz technik,
Glastechnik, Design und Bautechnik. 40 Schülerinnen und Schüler
sprechen darüber, wie sie wohnen und arbeiten wollen, und
entwerfen ihre Visionen einer Stadt. Die Videoporträts sind eine
Momentaufnahme der Schülergeneration zum Zeitpunkt des
Einzugs in das neue Schulgebäude. Wie eine Zeitkapsel konservieren sie politische Mentalitäten und psychische Befindlichkeiten.«2
einzelnen Schülerbeiträgen hergestellt, die bereits
bestehende Stadtstrukturen zur Grundlage haben.
Das Projekt von Dellbrügge & de Moll nimmt die Annahme ernst, dass
Schülerinnen und Schüler potenziell in der Lage sind, durch ihre eigenen Ideen, Gedanken und noch bestehenden Utopien ihre Umwelt zu
verändern. Vielleicht haben sie mit ihren Vorstellungen über ihre eigene Zukunft bereits etwas verändert, wenn auch erst im kleinen Kreis
oder nur für sich selber. Dellbrügge & de Moll dienen als Katalysatoren,
indem sie die Schülerinnen und Schüler bei der Umsetzung ihrer Ideen
und Wünsche begleiten und zu potenziellen Veränderungen des Gegebenen anregen. Die Meinung des Einzelnen steht im Vordergrund und
findet Platz in der Installation. Es werden neue Bezüge zwischen den
Ein weiteres Projekt aus dem Jahre 2006 war für
die Konzeption und Orientierung meines Unterrichts von grundlegender Bedeutung: »In quest of
the perfect location« – eine Fotodokumentation,
die als Buch erschienen ist [B2]. Über einen Zeitraum von zwei Monaten haben Dellbrügge &
de Moll zwei Orte in Kopenhagen verglichen, die
neben dem alltäglichen Stadtleben eigene, in sich
geschlossene Welten bilden. Zum einen zeigen
sie Christiania, eine alternative Wohngegend, in
Wie kommen Dellbrügge & de Moll zur Entscheidung, bestimmte Orte
– in diesem Falle Christiania und Tivoli – zum Gegenstand einer eingehenden Untersuchung und Dokumentation zu machen? Was macht
diese Orte für eine Konstellation und Dokumentation interessant?
In einer E-Mail auf diese Fragen antworten mir die beiden, dass sie
ein besonderes Interesse haben:
· an »Modellen der Wahl«
· an »Situationen, in denen eine Entscheidung getroffen wird«
· an der» Kompetenz, über den Status Quo hinauszudenken«
2
Ebd.
Ein direkter Austausch mit Dellbrügge & de Moll
über ihre eigenen Arbeiten, die die Grundlage
für meinen Unterrichtsentwurf bildeten, war äußerst fruchtbar: Nicht nur gelang es mir, einen
direkteren Einblick in ihre konzeptuelle Vorgehensweise zu bekommen, als dies über Literatur möglich ist. Darüber hinaus wurde mir in unseren Gesprächen deutlich, dass für Dellbrügge & de Moll
die Vermittlung ihrer eigenen Arbeiten nicht bloß
als äußerliche »Zutat« zum »eigentlichen Werk«
hinzukommt, sondern die Vermittlung selbst ein
wesentliches Moment ihres künstlerischen Arbeitens bildet. Dies war ein enormer Vorteil im Prozess der Verdichtung meiner ersten Idee zu einem
Unterrichtsprojekt.
Wir nahmen zunächst eine Ortsbegehung zu ihrem
aktuellen Projekt »Wer einen Stuhl bauen kann,
kann auch eine Stadt bauen« vor. Wir besuchten
die Marcel-Breuer-Schule, OSZ für Holztechnik,
Glastechnik und Design, OSZ Bautechnik II in Berlin,
in deren Gartenfoyer die 5-Kanal-Videoinstallation sich mittlerweile befindet. Es waren die ersten
Teile der Arbeit zu sehen und wir konnten uns
vor Ort mit den Schülerinnen und Schülern über
ihre Arbeit auseinandersetzen. Die Grundideen
zu dieser Arbeit flossen ebenso in mein Unterrichtskonzept ein wie unser Gespräch über »In quest
of the perfect location«, woraus sich der Titel meiner Unterrichtseinheit abgeleitet hat: »Auf der
Suche nach dem perfekten Ort«.
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Britta Mertens / Christiane Dellbrügge, Ralf de Moll
Übersetzung:
Die Vermittlung der Arbeitsweise von Dellbrügge & de
Moll an einer Grundschule
Bei der Konzeption meines Unterrichts ging es mir weniger darum, einzelne
Bei der Konzeption meines Unterrichts ging es mir weniger darum, einzelne Arbeiten von Dellbrügge & de Moll mit den Schülerinnen und
Schülern zu besprechen. Es ging nicht so sehr um bestimmte Inhalte
im Einzelnen, sondern vielmehr darum, die Leitgedanken und vor
allem die Strategien des Künstlerduos auf eine Unterrichtseinheit zu
übertragen, in der die Kinder im Vordergrund stehen und ihre individuellen Stärken in einen gemeinsamen Arbeitsprozess einfließen lassen
können. Es galt also, eine Übersetzung der Strategien von Dellbrügge
& de Moll für die Verhältnisse an der Grundschule zu finden. Diese
Überlegungen bildeten in Verbindung mit dem Konzept der »Ästhetischen Forschung« von Helga Kämpf-Jansen die Basis der Unterrichtseinheit. So waren die künstlerischen Strategien von Dellbrügge & de
Moll der Orientierungsrahmen für das selbstbestimmte Handeln der Schülerinnen und Schüler.
Diese forschten, um etwas selbst Entdecktes für
andere sichtbar zu machen. 3
Die Schüler sollten sich zunächst mit ihrer Stadt
vertraut machen. Dies haben sie anhand einer
von mir gestellten Forschungsaufgabe,4 die verschiedene Ebenen berücksichtigte, getan. Auch
wenn die Ausgangsfrage von mir gelenkt war,
hatten die Schüler genügend Freiraum, um ihre
eigenen Ideen einzubringen und so an der Herstellung ihrer »perfekten Orte« zu arbeiten.
Schülerinnen und Schüler im Unterricht
von Britta Mertens
Folgendes sollte durch die Durchführung
des Projekts erreicht werden
In einem ersten Schritt ging es darum, die Sensibilität der Schülerinnen
und Schüler für Situationen, in denen eine Entscheidung getroffen
wird, zu schärfen. Es galt, diese Situationen wahrzunehmen und zu
beschreiben.
über den Status Quo hinauszudenken, die Meinung des Einzelnen zu beachten und das Potenzial der Veränderung zu erkennen. Dabei sollten
die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt
werden, die Schnittstellen zwischen privaten
und öffentlichen bzw. institutionellen Räumen zu
lokalisieren und für ein Projekt zu nutzen. Das
Projekt von Dellbrügge & de Moll wurde mit Jugendlichen an einem Oberstufenzentrum durchgeführt. Wie lassen sich die dort praktizierten
Arbeitsformen, die auf Veränderungen im öffentlichen Raum abzielen, in der Grundschule altersgerecht vermitteln? Kann man mit Kindern im
Grundschulalter Fragen, die die Grenzen zwischen
dem Einzelnen und dem Sozialen, mithin die Frage nach dem Politischen betreffen, bearbeiten?
Die Erprobung, ob die Bearbeitung derartiger Fragen bei einer wesentlich jüngeren Altersgruppe
initiiert werden könnte, war die Herausforderung
dieser Unterrichtseinheit. Darin bestand das Experiment.
Nach der gelungenen Durchführung dieser Einheit
lässt sich zeigen, dass auch komplexe Formen
zeitgenössischer Kunst nicht aus der Grundschule
ferngehalten werden müssen – im Gegenteil:
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Umstand, dass die Schüler in diesem Alter noch nicht
so stark von einem Wissen darüber geprägt sind,
was »Kunst« oder gar »gute Kunst« ist, sehr förderlich sein kann. Dadurch sind sie häufig noch offen für neue, eher ungewöhnliche Sichtweisen.
Vor diesem Hintergrund war es durchaus möglich, mit ihnen eine Verständnisbasis für die Vorgehensweise von Dellbrügge & de Moll aufzubauen. Es war von Vorteil, dass die Schüler in dieser
Altersgruppe nicht daran zweifeln, ob es sich tatsächlich um Kunst handelt, sondern neugierig
sind auf das, was kommt.
3
Im zweiten Schritt sollten Strategien entwickelt werden, die es erlaubten, solche Situationen als Momente möglicher Veränderung aufzufassen. Anders formuliert: Ziel war die Bildung der Kompetenz,
4
Vgl. Kämpf-Jansen, Helga: Ästhetische Forschung. Wege durch
den Alltag, Kunst und Wissenschaft. Zu einem innovativen
Konzept ästhetischer Bildung, Köln 2000.
S.u. im Abschnitt »Vor Ort: Die Durchführung des Projekts im
Unterricht«.
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Britta Mertens / Christiane Dellbrügge, Ralf de Moll
Vor Ort:
Die Durchführung des
Projekts im Unterricht
Schülerinnen und Schüler bauen
ihren »perfekten Ort«
Zunächst galt es, einen eigenen, direkten Bezug
zu den »Orten« herzustellen. Die Schüler gingen
in die Stadt, um an folgender Aufgabe zu arbeiten:
»Sucht euch euren Lieblingsort in der Stadt.
Skizziert ihn kurz (schnelle Zeichnung),
schreibt eine Begründung, warum dies euer
Lieblingsort ist, und fotografiert ihn.«
Hierfür bekamen die Schüler 30 Minuten Zeit, es
wurden Gruppen von mindestens drei Schülerinnen und Schülern gebildet.
Was heißt in diesem Zusammenhang »Ort«?
Schülerinnen und Schüler beim
Modellbau und beim Betrachten
von Zwischenergebnissen
Nach dem französischen Ethnologen und Anthropologen Marc Augé
sind Orte nicht einfach »gegeben«, vielmehr gilt es zu differenzieren
zwischen dem, was einen Ort ausmacht, und dem, was Augé mit
»Nicht-Ort« bezeichnet:
»So wie ein Ort durch Identität, Relation und Geschichte gekennzeichnet ist, so definiert ein Raum, der keine Identität besitzt und
sich weder als relational noch als historisch bezeichnen läßt, einen
Nicht-Ort.« 6
Der Unterricht fand an einer mir bereits länger bekannten Schule, der
Wilhelm-Busch-Schule in Hilden, statt. Der vertraute Umgang mit den
Lehrern und Klassen war für meine Vorbereitung von großem Vorteil.
Konkret hatte ich es mit Schülerinnen und Schülern eines ersten und
vierten Schuljahres zu tun, die zum Teil gemeinsam unterrichtet wurden.
Insgesamt waren es 50 Schülerinnen und Schüler, die sich im Zuge
des Projekts auf »die Suche nach dem perfekten Ort« begeben und sich
so mit ihrer Stadt vertraut gemacht haben.5
In mehreren Teilschritten kamen die Schüler ihrem »perfekten Ort«
näher. Skizzen, Texte und Modelle wurden angefertigt. Auf diesem
Weg setzten sich die Schüler imaginierend und reflektierend mit ihrer
Stadt auseinander.
5
6
7
An dieser Stelle ein großer Dank an: Esther Irle, Tina Ritterbecks, Nadine Beilfuß
und »die WBS zur Verlach«.
Augé, Marc (1992): Orte und Nicht-Orte, Frankfurt a.M. 1994, S. 92.
Vgl. ebd.
Zu Beginn der Unterrichtseinheit zeigte ich den
Schülern Ausschnitte aus der aktuellen Videoarbeit von Dellbrügge & de Moll »Wer einen Stuhl
bauen kann, kann auch eine Stadt bauen«. Für
den Einstieg war es angebracht, die Arbeitsweise
der beiden Künstler auf diese Weise anschaulich
zu machen. Alternativ hätten auch Fotos der im
Werk agierenden Schüler gezeigt und Ausschnitte der Transkriptionen vorgelesen werden
können. [B1– B4]
Mit einer kurzen reflektierenden Besprechung
der Videoausschnitte fand eine Überleitung zum
eigenen Projektvorhaben statt. Die Schüler würden sich ihre Stadt vertraut machen und neue,
eigene Orte entwerfen. Die Schüler sollten in
den kommenden Stunden ihre Stadt erkunden,
bereits bestehende Orte fotografieren, skizzieren
und auf dieser Basis ihre »perfekten Orte« entwerfen.
Vor diesem Hintergrund ging es nicht darum, etwas Gegebenes durch
ein anderes Gegebenes zu ersetzen, sondern im Prozess der Wahl
der Orte und in der Diskussion um die Zerstörung und Errichtung von
etwas Neuem wurden die »Orte« allererst hergestellt. Mit Augé gesprochen ging es in diesem Projekt um die Umwandlung des StadtRaumes in ein Geflecht aus Orten. Im Unterschied zum bloßen Raum
ermöglicht der Ort das Erzählen von Geschichten und spielt damit
eine wichtige Rolle in Identitätsbildungsprozessen.7
Die Schüler konnten Abbildungen oder andere Darstellungen der
von ihnen ausgewählten Orte gemeinsam sammeln, damit ein breites
Spek trum gegeben sein würde und sie sich nicht nur an Gebäuden
orientierten. Mögliche Anhaltspunkte für die Auswahl bzw. Identifizierung der Orte konnten sein: Häuser, in denen man sich wohl fühlt,
ein Schwimmbad mit Rutsche, dort wo Boden ist, der Himmel, wo man
Spaß haben kann, die Berge, die Natur, der Abenteuerspielplatz, das
Zuckerwatteland, der Streichelzoo und die Reithalle. Wie die Schüler
auf diese Orte kamen bzw. wie das Auffinden der Orte initiiert wurde,
wird später erläutert.
Die Bearbeitung der Aufgaben erfolgte in einem
kleinen Projektbuch, das die Schüler während der
gesamten Arbeit mit sich führten und für alle
Aufgaben und Ideen nutzen konnten.
Zurück am vereinbarten Treffpunkt fand eine kurze Reflexion statt, einzelne Schüler präsentierten
ihre Ergebnisse und machten die anderen Schüler
auf besondere Orte in der Stadt aufmerksam.
Anschließend wurde eine formal ähnliche Aufgabe gestellt – nun sollte allerdings ein Ort gewählt
werden, den die Schülerinnen und Schüler von
Grund auf verändern würden, um dort ihren »perfekten Ort« entstehen zu lassen. Wieder galt es,
den Ort zu dokumentieren. Auch im Anschluss an
diese Arbeit fand eine Reflexion statt, bei der erste Diskussionen in der Gruppe über die geplanten
»Abrissvorhaben« entstanden.
Durch die Einbeziehung ihrer eigenen Empfindungen zu einem Ort war das persönliche Interesse der Schülerinnen und Schüler am Projekt
geweckt. Orte bekamen für sie eine Bedeutung
und sie waren emotional am Geschehen beteiligt.
Als Hausaufgabe haben die Schüler leere Schachteln, Klopapierrollen und Kisten gesammelt und
mit zur Schule gebracht. Zur Steigerung der Neugier wurde der Verwendungszweck dieses Materials zunächst nicht erläutert.
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Britta Mertens / Christiane Dellbrügge, Ralf de Moll
In der folgenden Stunde stellten einige Schüler ihre Ergebnisse vor.
Wichtig war dabei die jeweilige Begründung der Wahl des Ortes: So
blieb es nicht nur bei einer willkürlichen Nennung und Aufzählung,
sondern die Kinder waren gehalten, sich konkrete Gedanken über die
von ihnen gewählten Orte zu machen und einen subjektiven Bezug
zum Gesehenen herzustellen. Darüber hinaus hatte die Versprachlichung des Gesehenen die wichtige Funktion, der Gefahr des Verharrens in der Identifizierung mit den Bildern vorzubeugen. Im Verlauf
der Verbalisierung konnten sich die Kinder vom Gesehenen lösen. So
blieb es nicht bei der bloßen Reproduktion der Bilder. Insofern war das
Gespräch notwendig für den Übergang in das eigenständige Arbeiten.
In der nächsten Stunde erstellten die Kinder Plakate: Zum einen wurden
hier die Fotos der Orte, die sie verändern wollten, gezeigt, zum anderen sollte die Begründung für den Wunsch, diese Orte zu zerstören, zur
Darstellung kommen. Die Plakate wurden im Flur aufgehängt und alle
Schülerinnen und Schüler der Schule hatten im Laufe des Tages Zeit, jeweils mit zwei Stimmen in Form von Klebepunkten anzugeben, welche Orte sie anders gestalten würden. So entschieden nicht nur die zwei
unmittelbar mit dem Projekt befassten Klassen darüber, welche Orte
verändert werden sollten, sondern die gesamte Schule. Die Abstimmung fungierte als Regulativ: Nicht bloß einige wenige Schüler sollten
für eine Veränderung im öffentlichen Raum verantwortlich sein, sondern es sollten nur diejenigen Orte verändert werden, die den meisten
Schülerinnen und Schülern nicht mehr gefielen. [M1]
Zur Initiierung der Imagination schauten sich die Schülerinnen und
Schüler gemeinsam den Anfang (die ersten 35 Minuten) einer Verfilmung von »Alice im Wunderland« an.8 Hier werden viele verschiedene Orte gezeigt, die auf ganz unterschiedliche Weise zugänglich
gemacht werden. Es handelt sich nicht um gewöhnliche Orte, sondern um das »Buchhaus« eines Kaninchens, einen Baum, den Wald
der »Grinsekatze« oder ähnliche fiktionale Orte.
Für die Rezeption des Films hatten die Schüler die Aufgabe:
»Merkt euch möglichst viele Orte und ihre Besonderheiten!«
In den Vorgesprächen wurde deutlich, dass die Kinder bei dem Begriff
»Ort« anfangs lediglich an real existierende Orte dachten. Es fiel ihnen
schwer, sich auch ganz andere Arten von Orten vorzustellen. »Alice
im Wunderland« sollte zunächst eine Vorstellung davon vermitteln, was
möglich ist. Im Anschluss an die Vorführung des Filmausschnitts
wurde auf der Tafel eine gemeinsame Sammlung der Orte angefertigt.
Nun sollte jedes Kind die Frage beantworten:
»Welcher Ort hat dir am besten gefallen und warum?«
In einem nächsten Schritt sollten die Anregungen des Films von den
Kindern auf ihre eigenen Vorhaben übertragen und erweitert werden.
8
9
Regie: Nick Willing, WVG Medien GmbH, 1999.
Vgl. Kämpf-Jansen, Helga: Ästhetische Forschung, a.a.O.
In einer nächsten Phase übertrugen die Schüler
ihre Beobachtungen aus dem Film auf ihre eigene Vorstellung vom perfekten Ort. Mit einem
dicken Buntstift fertigten sie eine Skizze von ihrem
imaginierten perfekten Ort an. Diese musste
sich noch nicht auf den konkreten Ort in der Stadt
beziehen. Damit sie nur eine grobe Skizze anfertigten und sich auf die wesentlichen Punkte beschränkten, erhielten die Schüler keine weiteren
Farbstifte. Zu dieser Skizze schrieben sie einen
Text, in dem der Ort beschrieben wurde und seine Besonderheiten genannt wurden.
Diese Einzelarbeit diente zur Vorbereitung der
anschließenden Gruppenarbeit. So hatte sich
jede/r Einzelne intensiv mit der Frage auseinandergesetzt und ging mit einer eigenen Idee
vom »perfekten Ort« in die gemeinsame Arbeit.
Wären die ersten Ideen erst innerhalb der Gruppe
entstanden, hätte diese Phase vermutlich sehr
viel Zeit gekostet und es wäre womöglich verhindert worden, dass wirklich die Ideen aller in den
Prozess einfließen konnten. Häufig kommt es bei
arbeitsteiligen Gruppenprozessen vor, dass besonders leistungsstarke Schüler »das Ruder übernehmen« und schwächere Schüler keine Ideen
einbringen können. Bei diesem Ablauf war gewährleistet, dass jede/r bereits eine Idee mit in die
Gruppe bringen würde und somit vorbereitet auf
die anderen treffen würde. [M2]
Parallel zu diesen Vorgängen war auch die Abstimmung der gesamten Schülerschaft über die
Auswahl der vier zu verändernden Orte vollzogen worden.
Nun konnten vier Gruppen gebildet werden,
wobei eine Gruppe jeweils für die Veränderung
eines Ortes verantwortlich war. Dabei ist es
wichtig, dass bei der Einteilung der Gruppen dem
Interesse der Schülerinnen und Schüler Rechnung getragen wird, dass sich die Schüler also
für den Ort, den sie verändern möchten, selbst
entscheiden. Dies ist die Voraussetzung dafür,
dass die Kinder sich der Sache und ihrer Erforschung mit echtem Interesse hingeben.9 Aus organisatorischen Gründen wurde die Gruppeneinteilung jedoch in der 1. und 4. Klasse getrennt
vorgenommen.
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Britta Mertens / Christiane Dellbrügge, Ralf de Moll
Der rote Faden
Die Hausaufgabe für
diese Phase lautete:
»Beschreibt euren perfekten
Ort, den ihr gemeinsam in der
Gruppe entworfen habt, möglichst genau, damit die anderen Kinder euer Vorhaben verstehen können.«
um die Verbindungen für den Betrachter zu verdeutlichen. Die einzelnen Gruppen stellten ihre
neuen Orte vor und gingen dabei auf die Besonderheiten ein. Bei der Präsentation waren alle
vier Klassen anwesend, so haben die beiden anderen Klassen auch erfahren, was aus ihrer Abstimmung geworden war. [M6 und M7]
Durch das Feedback wurden die Schülerinnen
und Schüler positiv bestärkt und erlebten einen
gelungenen Abschluss ihres Projekts.
Diese Präsentation der Projektergebnisse war ein
wichtiger Bestandteil des Unterrichts. Es konnten
Diskussionen und eine Auseinandersetzung mit
anderen über die Arbeiten entstehen und die Spuren und Ergebnisse der ästhetischen Prozesse
blieben nicht im Klassenzimmer eingeschlossen.10
Innerhalb der Klassen wurden in einem letzten
Schritt die eigenen Arbeiten zu den Videos aus
dem Projekt »Wer einen Stuhl bauen kann, kann
auch eine Stadt bauen« von Dellbrügge & de Moll
in Bezug gesetzt. Die Schüler konnten Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Projekte erkennen und beschreiben. Sie waren darüber hinaus
sichtlich stolz auf ihre gelungene Ausstellung.11
In einer Gruppe von sieben Schülern der 1. Klasse arbeiteten sehr leistungsstarke Schüler mit leistungsschwächeren Schülern zusammen.
Dabei profitierte jeder von dem individuellen Können der anderen und
es war wichtig, dass sich jeder Einzelne bei der Planung und dem Bau
des Modells einbrachte. So konnten auch leistungsschwächere Schüler
ein Erfolgserlebnis in der Schule verspüren. [M3]
Die Schüler entwarfen gemeinsam eine Skizze für die Neugestaltung,
die an der Stelle eines bestehenden Ortes in der Stadt Hilden vollzogen werden sollte. Gruppenarbeit ist nicht immer einfach, hier wurde
von den Kindern ein hohes Maß an sozialer Kompetenz gefordert. Sie
mussten in der Lage sein, sich zurückzunehmen und die Ideen der anderen mit ihren eigenen zu verbinden und zu verhandeln. Die fertigen
Skizzen wurden der Klasse präsentiert, damit alle über die Vorhaben
der anderen Gruppen informiert waren und jede Gruppe in einer Art
Rückkopplungseffekt noch Tipps der anderen in ihre eigene Arbeit
einfließen lassen konnte. [M4 und M5]
10 Vgl. ebd.
11 Um sich eine genaue Vorstellung der perfekten Orte der Schüler machen zu können, kann man
eine Vorstellung des Projekts und seines Verlaufs einsehen unter: www.brittamertens.de
Für die Umsetzung der Orte in Modelle hatten die
Schüler vier Schulstunden Zeit.
Im Zuge der Zusammenarbeit mit Dellbrügge &
de Moll erhielten die Schülerinnen und Schüler
die Möglichkeit, in Zeiten des Leerlaufs Fragen
an die Künstler zu formulieren. Erst durch das Aufzeichnen dieser Fragen wurde mir bewusst, welche Vorstellung Kinder von Künstlern haben und
wie wichtig es ist, das Leben und Werk einzelner
Künstler kennen zu lernen. Hier eine Auflistung
ihrer Fragen:
Es sollten Orte für Schwimmbäder, Spielplätze,
Erlebnishotels, Tierhäuser oder sogar Kombinationen von unterschiedlichen Orten entstehen.
Diese Ideen entstanden in den einzelnen Gruppen und wurden eigenständig von den Kindern
entwickelt.
Für die Anfertigung der Modelle standen den Kindern ihre zuvor gesammelten Schachteln, Draht,
Kordel, Zahnstocher, Schaschlikspieße sowie
schwar ze und weiße Farbe zur Verfügung. Die
reduzierte Auswahl der Materialien ließ eine Konzentration auf die wesentlichen Merkmale des
Ortes zu.
In diesen vier Stunden arbeiteten die Schülerinnen und Schüler sehr konzentriert. Sie entwickelten Befestigungsmöglichkeiten der einzelnen
Elemente, bauten Leitern für Rutschen und waren nicht auf die Hilfe der Lehrerin angewiesen.
Es fand eine sehr intensive und sozial starke Arbeit in den einzelnen Gruppen statt. Die Meinungen jedes Einzelnen wurden berücksichtigt
und die Gruppen wuchsen immer stärker zusammen. Den Schülerinnen und Schülern wurde
bewusst, dass sie an ihrem Werk arbeiteten
und dass ihre persönlichen Ideen wirklich zählten.
Verdient
Verdient
ihr Geld?
ihr Geld?
Wo arbeitet
Wo arbeitet
ihr? ihr?
Wie seid
Wieihr
seid
eigentlich
ihr eigentlich
Künstler
Künstler
geworden?
geworden?
Wie habt
Wieihr
habt
so ihr
schnell
so schnell
so tolle
soBilder
tolle Bilder
erfunden?
erfunden?
Wollten
Wollten
sie alssie
Kind
alsauch
Kind Künstler/in
auch Künstler/in
werden?
werden?
Wo kann
Wo man
kannsich
mandie
sich
Bilder
die Bilder
anschauen?
anschauen?
Zum Abschluss des Projekts wurde eine Präsentation im Schulgebäude
organisiert, zu der alle Lehrerinnen, Lehrer, Schülerinnen und Schüler
eingeladen wurden. Die Gruppen verorteten die neu gestalteten Orte
auf der Bühne, eine Stadt war im Entstehen. Die Abstimmungsplakate wurden neben den Skizzen der neuen Orte aufgehängt. Über einen
roten Faden wurden die fertigen Modelle mit den Skizzen verbunden,
Dellbrügge & de Moll haben auf diese Fragen
geantwortet – die Schülerinnen und Schüler
waren sehr stolz darauf, Kontakt zu »echten«
Künstlern zu haben.
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Britta Mertens / Unterrichtsmaterialien
Dellbrügge & de Moll
Literatur
Ausstellungen (Auswahl)
Christiane Dellbrügge geboren in Moline/USA. Ralf de Moll
geboren in Saarlouis
Studium an der Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe
Seit 1984 Zusammenarbeit
1988
Arbeitsstipendium Kunststiftung Baden-Württemberg;
Arbeitsstipendium Kunstfonds Bonn
1988/89 Artists in Residence, Künstlerhaus Bethanien, Berlin
1992
Arbeitsstipendium Centre National des Arts Plastiques, Paris
1993
Artists in Residence ZKM, Karlsruhe
1993/94 Artists in Residence Kunst-Werke, Berlin
1995
Auslandsstipendium des Berliner Senats für das Institute of
Contemporary Art, Moskau
1996
Kunstpreis Villa Romana, Florenz
2002
EMARE – European Media Artists in Residence, Dundee;
Kunstpreis Berlin, Förderpreis Bildende Kunst
2006
DIVA, Danish International Visual Art Exchange Program;
CRiR, Christiania Researcher in Residence, Kopenhagen
Kämpf-Jansen, Helga
Ästhetische Forschung. Wege durch den Alltag,
Kunst und Wissenschaft. Zu einem innovativen
Konzept ästhetischer Bildung
Köln 2000
1991 Ein Leben für die Kunst, Museum für Neue Kunst, Freiburg
(Einzelausstellung)
1993 Parlare d’arte, AOC F58, Rom (Einzelausstellung)
1994 Kunstkonsumentenprofile, Contemporary Art Center, Moskau
(Einzelausstellung)
1996 Substitute@ICA, Institute of Contemporary Art, Moskau
(Einzelausstellung)
T-Salon, Kunstraum München (Einzelausstellung)
1998 Modell, Haus am Waldsee Berlin; k3 Hamburg
(Einzelausstellung)
1999 Der Kunst im öffentlichen Raum gehört die Zukunft,
Galerie SIMA, Nürnberg (Einzelausstellung)
2000 log.in – netz | kunst | werke, greater Nürnberg, Fürth,
Erlangen, Schwabach
Models of Resistance, Overgaden, Kopenhagen
ein | räumen, Hamburger Kunsthalle
cITy Daten zur Stadt, ZKM Karlsruhe
Pilot. The Audience from a Distance, Museum van Bommel
van Dam, Venlo, Niederlande
2001 Plug-In. Einheit und Mobilität, Westfälisches Landesmuseum,
Münster
Space and Time in Megalopolis, Mestská knihovna, Prag
2002 Kunstwerke 93 – Sparwasser HQ 02, Sparwasser HQ Berlin
(Einzelausstellung)
How do you feel?, Visual Research Centre Dundee, GB
(Einzelausstellung)
2004 Trotzmodell, Kunsthaus Baselland (Einzelausstellung)
Sommerfrische, Hamburger Kunsthalle
Berlin North, Hamburger Bahnhof, Berlin
2005 Science + Fiction – Zwischen Nanowelt und globaler Kultur,
Miraikan Museum Tokyo, Sprengel Museum Hannover,
ZKM Karlsruhe et al.
Wittgenstein in New York, Kupferstichkabinett, Staatliche
Museen zu Berlin
Artrónica III Muestra Internacional de Artes Electrónicas,
Bogotá, Kolumbien
City Rumble, Overgaden, Institute of Contemporary Art,
Kopenhagen, DK
X Wohnungen, HAU – Hebbel am Ufer et al., Märkisches
Viertel, Berlin
2006 Artist Migration Berlin, Kunstverein Heidelberg
(Einzelausstellung)
40jahrevideokunst.de, K21 Kunstsammlung NordrheinWestfalen, Düsseldorf
DESTROYED WORLDS and the Utopia of Reconstruction,
Århus Kunstbygning, Århus, DK
2007 New Harmony, Künstlerhaus Bethanien, Berlin
(Einzelausstellung)
1961
Peez, Georg
Einführung in die Kunstpädagogik
Stuttgart 2005
Internetquellen
Dellbrügge und de Moll
www.workworkwork.de
Lehrer-Online
www.lehrer-online.de/kontextkunst.php
Veröffentlichungen
Dellbrügge & de Moll
Wer einen Stuhl bauen kann, kann auch eine Stadt bauen
Berlin 2008
Dellbrügge & de Moll
In Quest of the Perfect Location
Kopenhagen 2007
Dellbrügge & de Moll
New Harmony
Berlin 2007
Dellbrügge & de Moll
Artist Migration Berlin
Heidelberg 2006
Dellbrügge & de Moll
Morse by Horse. Manual
Stuttgart/Berlin 2006
Dellbrügge & de Moll
Morse by Horse. Mit Texten von Dieter Daniels,
Stefan Münker, Claudia Emmert, Ulrich Mellitzer
Stuttgart /Berlin 2006
Prestel
www.prestel-kuenstlerlexikon.de/search.php?
type=detail&id=1366&searchkey=Kontextkunst
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Britta Mertens / Unterrichtsmaterialien
Materialien
M1
Hermine, Lisa und Lisanne
M2
Schmetterling- und Marienkäferland
Angelina, Lia, Maryam, Maside, Milena und Vanessa
M3
Jaguarbad
Lisa, Hermine, Lisanne, Phil, Eric, Can, Felix
M4
Skizze Jaguar Bad
(Lisa, Hermine, Lisanne, Phil, Eric, Can, Felix)
M5
Skizze Der Zoo für Menschen und für Tiere
(Jonas, Merve, Sabri und Souhaila)
M6
Präsentation
M7
Präsentation
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Britta Mertens / Unterrichtsmaterialien
Bildbeispiele
B1
Dellbrügge & de Moll
Wer einen Stuhl bauen kann, kann auch eine Stadt bauen
2008
B2
Dellbrügge & de Moll
Wer einen Stuhl bauen kann, kann auch eine Stadt bauen
2008
5-Kanal-Video Installation und Wandbeschriftung, Kunst am Bau, Marcel-Breuer-Schule, OSZ für Holztechnik,
Glastechnik und Design, OSZ Bautechnik II, Berlin, mit freundlicher Genehmigung der Künstler,
© Dellbrügge & de Moll /VG Bild-Kunst
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Britta Mertens / Unterrichtsmaterialien
Materialien
B3
Anna Belinda
»Ich würde meiner Stadt keinen Namen geben. Ich finde, das sollte
eine Gemeinschaftsentscheidung sein zwischen allen Leuten, die da
wohnen. Das sollte abgestimmt werden. Jeder kann einen Vorschlag
machen. Aber ich bin der Sheriff – also, ich entscheide das nicht, aber
ich bin trotzdem der Sheriff. Im Großen und Ganzen ist meine Stadt
rund, weil das eine schöne geschlossene Form ist. Es gibt einen Stadtkern, der ist auch rund. Das ist ein großer Marktplatz und von da aus
gehen ein paar Straßen ab, wo Wohnblöcke sind, aber alles relativ überschaubar. Man kennt die Nachbarn. Die Einkaufssituation wird so sein:
Es gibt nur kleine Tante-Emma-Läden, es gibt keine Einkaufszentren
oder so. Es ist ein bisschen selbstversorgermäßig. Vielleicht gibt es auch
außerhalb Felder, wo man selber was anpflanzt. Gärten gibt es, richtig, Bäume, ganz viele. Am Stadtrand ist ein Wald mit einem See. Der
Rhein oder irgendein anderer schöner Fluss fließt einmal durch die
Stadt durch, am Stadtkern vorbei. Das ist sehr wichtig, damit man auf
dem Marktplatz sitzen kann, am Rhein oder am Fluss und einen Tee
trinken kann. Das finde ich sehr gut. Dieser Stadtkern – da kann jeder,
der will, kommen und es gibt immer was zu feiern. Es gibt immer ein
Fest. Es soll sehr sozial sein. Leute, die zum Beispiel zu viel gekocht
haben, können das zum Marktplatz bringen und Leute, die ein bisschen knapp bei Kasse sind, Studenten auch gerne, können das dann
essen.
Die Energieversorgung: Also, es gibt auch einen Industrieteil. Der ist
aber außerhalb, weil man ja doch ein bisschen industriellen Kram
braucht. Man kann ja nicht alles nur aus Gras herstellen oder Bäumen,
das geht ja nicht! Ich setze auf Wasser und Wind. Da wir einen Fluss
haben, der durch die Stadt fließt, können wir da Mühlräder dran machen und Energie gewinnen und auch Windräder aufstellen. Wir
haben auch bestimmt den einen oder anderen Berg, wo man die draufsetzen könnte. Ansonsten – es wird ein sehr angenehmes Miteinander, hoffe ich. Das ist meine Stadt. – Ah! Es gibt keine Autos! Es gibt
keine Autos in der Stadt, weil wir die auch nicht brauchen und die
Straßen viel zu eng sind. Es gibt nur Fahrräder. Wenn man wirklich
dringend nach außerhalb muss, gibt es vielleicht einen Bus oder so
etwas wie eine Mitfahrgelegenheit. Vielleicht haben so drei Leute
im Dorf ein Auto, dann kann man sich das leihen. Aber in der Stadt
gibt es keine.«
»Ich hätte gerne ein Haus mit verschiedenen Türen. Die Haustür sollte
immer in die Stadt führen, die man sich ausgesucht hat, und die nächste Tür möchte ich gerne nach Spanien haben, weil da ein Großteil
meiner Familie lebt, damit ich einfach mehr Kontakt zu haben kann.
Dann sollte eine Tür ins Rheinland führen, ganz klar, weil ich da her-
kommen tu und es schön ist da. Und Vater Rhein
– ist ja auch immer wieder nett, da spazieren zu
gehen und auch da wohnt ein Teil meiner Familie. Die nächste Tür sollte irgendwo
hinführen, wozu man gerade Lust hat. Vielleicht,
dass man das vorher eintippt: ›Brasilien‹ und
dann: Dingdingdiding! Wäre vielleicht gut.
Ich mag gerne alte Sachen, die müssen nicht immer gerade und glatt und perfekt sein, sondern
können auch ruhig kaputt sein und runzelig und
mit abgeblättertem Lack oder so. Das macht
nichts. Ich bin nicht so dieser Beton-Glas-Typ. Das
ist einfach nicht meine Materie. Deswegen bin
ich auch Tischler und nicht Glaser. Zurzeit wohne
ich mit zwei anderen Leuten zusammen. Im
Moment kann ich mir nicht vorstellen, mit mehr
Leuten zusammen zu wohnen. Wir sind jetzt zu
dritt in der Wohnung und das reicht mir. Man hat
zwei Bezugspersonen, dann ist es auch noch
sehr persönlich. Ich glaube, je größer eine WG
wird, desto unpersönlicher wird es wieder. Es
sind so viele Leute und dann kann man ja nicht
auf jeden eingehen. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass ich meine Unterkunft teile und dass
es eine Gemeinschaft gibt, so eine Gruppe praktisch. Ich bin nicht gerne alleine, ich bin eher so
ein gesellschaftlicher Typ. Ich mag gerne Leute
um mich haben, ich mag gerne nach Hause kommen und ein Echo hören, wenn ich schreie:
›HALLO!‹, und dann kommt es irgendwie zurück
– wäre super!«
»Zum Leben brauche ich Luft, Essen, Zigaretten
und jemanden, mit dem ich quatschen kann, vielleicht Freunde – wäre nicht schlecht. Verzichten
kann ich sehr gut auf Luxusartikel, auf ein Auto
zum Beispiel, das brauche ich nicht. Wenn ich
ein Fahrrad habe – super! Ich bin eher der bescheidene Typ, ich brauche nicht viel, um klarzukommen oder um mich wohl zu fühlen. Es reichen ein
paar Kleinigkeiten und wenn es nur das Lieblingskissen ist oder ein schönes Buch. Dann geht es
schon. Ich bin zwar schon eher der bescheidene
Typ, nichtsdestotrotz habe ich trotzdem nie Geld.
Und sparen ist da einfach nicht drin. Ich verdiene
ja auch nicht viel.«
»Wenn ich mir meine Arbeitszeit selber einteilen könnte, würde ich
um acht anfangen zu arbeiten bis, sagen wir, halb drei. Das wäre klasse! Weil, morgens muss man früh aufstehen. Vor der Arbeit macht
man eh’ nix mehr, aber wenn man früh aufsteht, dann hat man mehr
vom Tag. Wenn man bis halb drei arbeitet, hat man noch voll viel Zeit,
um einkaufen zu gehen und Wäsche zu waschen oder einfach im Park
zu liegen. Man hat was vom Tag, wo die Sonne noch scheint. Schon
gut, das wäre super! Ich finde, ein Chef ist schon nicht schlecht, weil
man nämlich alles auf den abschieben kann: Der ist schuld! Was mir
wichtig ist bei der Arbeit, ist einfach ein Team. Mir ist Teamwork total
wichtig, weil ich das ganz gut kann und weil es dann auch viel mehr
Spaß macht, wenn man zur Arbeit geht und ein Team hat und jeder
macht irgendwas, und zusammen baut man dann einen Schrank oder
so. Dann macht das einfach mehr Spaß, es passiert einfach was. Ja,
Teamwork ist gut!«
Aus: Dellbrügge & de Moll: Wer einen Stuhl bauen kann, kann auch
eine Stadt bauen, Berlin 2008, S. 9–11
B4
Martin
»Wenn ich die einmalige Chance bekommen würde, eine Stadt zu
errichten, dann würde ich mir die besten Ingenieure der ganzen Welt
zusammensuchen und mir Vorschläge machen lassen für die kreativsten Gebäude überhaupt. Die würde ich mir dann raussuchen und
zusammenwürfeln und zu einer Stadt machen. Das wäre das Verrückteste, was es je gegeben hat, aber mir würde es gefallen. Ganz
sicher.«
»Ich werde ein mobiles Haus errichten, das man einpacken kann und
auspacken kann. Irgendwo aufbauen und wieder einpacken. Egal
wann, egal wo. Mein mobiles Haus ist genauso wie ein ganz normales
Haus, wie es sich jeder vorstellt: Ziegel, Klinker, Dachziegel, Warmwasserleitung, alles dabei, und mit einem Knopfdruck kann man das
ganze Ding zusammenpacken, auf den Sattelschlepper, raus und los.
Wenn ich unterwegs merke: ›Wow, hier sieht’s total toll aus, hier bleibe
ich‹, dann drücke ich wieder auf den Knopf, packe das Ding wieder
aus und bleibe da stehen. Mein mobiles Haus soll mal eine ganz große
Geschichte werden. Es soll über die ganze Welt vermarktet werden,
damit jeder was davon hat. Ich sehe bloß ein Problem: Wie wird die
Energieversorgung gespeist? Eine Idee wäre zum Beispiel mit einem
Akku. Das Ding hat im Keller oder im Dachboden, je nachdem, einen
riesengroßen Akku, der sich immer wieder auflädt durch Solarenergie
oder durch Windräder, die man aufs Dach setzt.
So wird das eine ganz coole Geschichte.«
»Mich in meiner Arbeit selbst zu verwirklichen,
bedeutet mir, dass andere Menschen an meinen
Phantasien, Ideen und Kreativität teilhaben
können, dass meine Auffassungen von anderen
Leuten geteilt werden, die entweder ähnliche
Ansichten haben oder sogar auf einen anderen
Trichter kommen durch mich.«
Aus: Dellbrügge & de Moll: Wer einen Stuhl
bauen kann, kann auch eine Stadt bauen,
Berlin 2008, S. 33
Theresa Rieß
Durch das
Wurmloch
ins cc-space
Foto: Alexandra Grieß
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Theresa Rieß / Com&Com
Com&Com und die Kunst
»Wir wollen ein Markenartikel werden,
so wie Coca Cola oder die Spice Girls!« 1 …
Mit diesem Interview-Zitat ließe sich die Geschichte vom Ursprung der
Künstlergruppe Com&Com einleiten. Die Köpfe hinter diesem »Markenartikel« sind die beiden Schweizer Künstler Johannes M. Hedinger
(*1971) und Marcus Gossolt (*1969).
Den leiser werdenden Song im Ohr widmen wir
uns einem anderen Projekt des Künstlerduos, dem
mittlerweile älter gewordenen »GugusDADA«
Baby mit Namen Dada. [B2]
Unter dem 1997 gegründeten Label Com&Com (Commercial Communications) produzieren sie Musik, Filme, Theater, Denkmäler und, oder
auch, und auch und sowie auch Kunst.
Im Herbst 2004 schalteten Com&Com Anzeigen
mit folgendem Inhalt:
»Wir schenken ihrem Baby CHF 10.000,–,
wenn sie ihm den Namen DADA geben.« 7
Gezielt nutzen und erforschen sie die Wege der Vermarktung, von Dingen, von Kunst. Sie bewegen sich in der Sphäre der alltäglichen Kommunikation und pflegen einen professionellen Umgang mit den neuen
Medien und Medienverbünden. Es bleibt allerdings nicht bei der routinierten Anwendung der bestehenden Kommunikationssysteme: Ziel von
Com&Com ist es, an bestimmten Punkten anzusetzen, um Störungen
zu streuen und auf diese Weise unvorhersehbare Prozesse freizusetzen.
Es werden Fragen wie die nach kollektiven Identitäten oder die Frage
nach dem Kunstbegriff selbst thematisiert. In ihren Aktionen verschiebt
sich das Verhältnis von High und Low Culture, von Kunst und aktuellen Medien: Einerseits gehen Com&Com offensiv mit den Medien und
alltäglichen Formen der kommerziellen Kommunikation um, zugleich
bewegen sie sich damit jedoch im Feld der Kunst. Dabei ist »der Journalist [ihr] Pinsel«2; das Feld der Kunst fungiert als notwendige »MetaDiskurs-Ebene«.3
Der Hintergrund des Projekts: Anlässlich der Wiedereröffnung des Cabaret Voltaire 8 im September 2004 wurde ein Baby gesucht, welches im
Sinne einer »Wiedergeburt des Dadaismus« als
»Botschafter« des Club Voltaire fungieren sollte.
Dada wurde am 6.2.2005 geboren und kann als
das erste menschliche Readymade der Kunstgeschichte bezeichnet werden.9 Im ersten Lebensjahr wird Dada von den Künstlern begleitet; alles,
was er tut, wird medial dokumentiert, archiviert
und auch veröffentlicht. Dada ist Mensch und
Kunstwerk zugleich.
Wie gehen Com&Com konkret bei ihrer Arbeit vor? Um besser mit dem
Duo vertraut zu werden, zunächst eine kurze Vorstellung einiger ihrer
Projekte, die auch in der Unterrichtseinheit thematisiert werden:
Das Herzstück des Projekts »Side by Side« (2002) [B1] ist ein stylischer
Musik Clip, der in den Schweizer Charts in den Top 10 landete. In diesem Musikvideo werden Versatzstücke moderner Mythenbildung zu
einer Erzählung montiert: Zwei erfolgreiche Schweizer Rennfahrer
(Hedinger und Gossolt) siegen beim Grand American Road Racing für
ihr Land und ihren Rennstallbesitzer. Ein solcher Sieg wird gebührend
und standesgemäß gefeiert: mit Champagnerduschen und Boxenludern,
mit Pathos und Ruhm »… side by side we stand – sons of Swizerland –
in God unite – stand up and fight – for our faith and right …«4
Doch bei allem Vertrauen in sich selbst und Gott, das Heimatland und
den Partner lässt sich der Einbruch des tragischen Schicksals nicht abwenden. Ein früher Unfalltod bei einem der Rennen setzt dem Rennfahrerleben ein jähes Ende. Der Beginn einer Legende: »… because our
life is the race – and the race is our life …«5 Die Schweiz trauert um ihre
Helden, die großen Rennfahrer Hedinger und Gossolt, die fortan in
der Legende weiterleben. Im Sinne von: »… We, we are the best to entertain – You try to imitate, it’s a shame, It’s our game, our fame …«6
[M1]
An diesem Projekt, das auf ungeahnte Weise in
die Realität eingreift, spalten sich die Meinungen.
Es wird viel diskutiert, niemand kann sich der
Stellungnahme entziehen. Unterdessen wächst
Dada heran, langsam legt sich der Rummel, geht
über in eine Geschichte, die auf einer wahren
Begebenheit beruht. Vielleicht wird er einmal zurücksehen und sein erstes Lebensjahr betrachten. Vielleicht aber auch nicht.
Theresa Rieß im Gespräch mit Johannes M. Hedinger
von Com&Com in Berlin
Fotos auf den Folgeseiten: Alexandra Grieß
1
Baumann, Daniel: »Interview. Daniel Baumann im Gespräch mit COM&COM«, in:
Hedinger, Johannes M.; Gossolt, Marcus (Hg.): The Book of COM&COM. Zürich 2000, S. 30.
2 Hedinger, Johannes M.; Meyer, Torsten: »Der Journalist ist unser Pinsel«, in: Kirschenmann,
Johannes; Schulz, Frank; Sowa, Hubert (Hg.): Kunstpädagogik im Projekt der allgemeinen
Bildung, München 2006, S. 638.
3 Ebd., S. 640.
4 Songtext zu »Side by Side«, unter www.side-by-side.ch vom 15.11.2008. Siehe auch Materialteil.
5 Ebd., siehe auch Materialteil.
6 Ebd., siehe auch Materialteil.
7 Slogan zum Projekt »GugusDADA«, um Eltern zu finden, die bereit sind, ihr Kind DADA zu nennen.
8 Das Cabaret Voltaire wurde 1916 als Kunstsalon in der Züricher Altstadt eröffnet. Als »Kritik am
Wahnsinn der Zeit« wurde die Idee von Hugo Ball weiterentwickelt und ein Ort für Künstler des
Dadaismus gegründet. Sie wendeten sich mit sogenannter Anti-Kunst gegen bürgerliche Normen, trugen Laut- und Lärm-Gedichte vor, beschimpften das Publikum und wurden unerlässlich
für die Entwicklung der zeitgenössischen Kunst.
9 Vgl. http://www.gugusdada.ch/?q=News&from=20 vom 15.11.2008.
10 Com&Com in ihrem Dossier zu GugusDADA, nachzulesen unter www.gugusdada.ch vom
15.11.2008, Dossier als PDF.
»Der Künstler muss wieder vermehrt die Verantwortung für Manipulation und Verführung
übernehmen: Kunst muss eine ebenso große
politische Wirkung haben wie die Unterhaltungsindustrie, der Film, die Popmusik und die
Werbung. Es gab eine Zeit, da brauchten
Künstler nur in das Ohr des Königs oder des
Papstes zu flüstern, um politische Wirkung zu
haben. Heute müssen sie in die Ohren von
Millionen Menschen flüstern. Da muss man
halt auch die Form und das Medium anpassen.« 10
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Theresa Rieß / Com&Com
Ein Fischerjunge namens Roman lebt in einem
Städtchen am Bodensee. Sein einziger Freund
ist Mocmoc, ein pokémonartig aussehendes
Seeungeheuer mit großen Augen und einem
Horn an der Stirn. Jeden Morgen, wenn Roman
mit dem Boot zum Fischen auf den See fährt,
hält er mit Mocmoc Zwiesprache. Eines Morgens bricht im Ort ein Feuer aus. Nur durch eine Tat, durch die er seinen einzigen Freund
Mocmoc verlieren wird, kann Roman den Ort
vor der Feuersbrunst retten: Er bricht das Horn
des Ungeheuers ab und bläst hindurch. Der
Klang des Horns weckt die Ortschaft. Mocmoc
jedoch muss für die nächsten 100 Jahre in
die Tiefe hinabsteigen und so lange dort unten
verweilen, bis ihm ein neues Horn gewachsen
ist. Roman ist also vor die Wahl gestellt, sich
entweder für die Freundschaft zu einem Einzelnen oder für die Menschen im Ort zu entscheiden. »...entschlossen legte Roman das
Horn an seine Lippen, atmete tief durch und
blies mit aller Kraft hinein…«11 Fortan nennen
die Bewohner ihm zu Ehren ihren Ort Romanshorn. [M2]
… Eine Möglichkeit dieser Anpassung besteht im Erfinden von Legenden. So geschehen im Projekt »Mocmoc«, [B3] welches im Jahr 2001
mit der Einladung der Gemeinde Romanshorn an Com&Com zur Beteiligung an einem Wettbewerb für die künstlerische Gestaltung des
neuen Bahnhofsplatzes seinen Ausgang nahm. Zentraler Bestandteil
des Projekts ist das Konstrukt der Legende vom Seeungeheuer aus
dem Bodensee:
11 Guggenheim, Gilgi; Tschirky, Marius: »Die Legende von MocMoc«, in: Hedinger, Johannes M.; Gossolt, Marcus (Hg.): Kunst, öffentlicher Raum, Identität. Mocmoc, das ungeliebte Denkmal, Sulgen/
Zürich 2004, S. 276.
12 Ebd.
13 Hawking, Stephen; Leonard Mlodinow: Wurmlöcher, in: Dies.: Die kürzeste Geschichte der Zeit,
Reinbek 2005, S. 122–137, S. 129.
14 Zur Einstein-Rosen-Theorie in der Physik vgl. ebd., S. 130.
Von den Einwohnern von Romanshorn wird die
vermeintlich zufällig im Stadtarchiv zutage beförderte Gründerlegende des Städtchens zunächst
begeistert aufgenommen, die einsetzenden Mechanismen des Merchandisings und Marketings
verschaffen dem Ort eine bisher nicht gekannte
Aufmerksamkeit und versprechen Profit. Kurz
nach der feierlichen Enthüllung des Mocmoc-Denkmals auf dem Bahnhofsplatz im September 2003
findet jedoch eine weitere Enthüllung statt:
Das St. Gallener Tagblatt, in dem zuvor das Manuskript der Legende abgedruckt worden war,
deckt nun die näheren Umstände des Legendenkonstrukts auf, Mocmoc ist nun leicht als Anagramm von Com&Com zu dechiffrieren. Ein Sturm
der Entrüstung bricht los, ein Politikum ist entstanden. Schließlich münden die erhitzten Debatten um die fingierte Legende, die zu ganz realen
parteipolitischen Konsequenzen führen, in eine
Abstimmung. Mit knapper Mehrheit entscheiden
sich die Bürger am 16.5.2004 für das Denkmal
und somit für die öffentliche Weiterarbeit an und
mit der Gründungslegende. Vielleicht wird man
von der Gemeinde Romanshorn dereinst sagen:
»am Ufer von Romanshorn sitzt manchmal
eines ihrer Ururenkelkinder und isst einen Apfel.
Und wenn es genau hinschaut, sieht es weit
draussen im See etwas Gelbes hervorblitzen.«12
Wurmlöcher – in der Schule,
in der Kunst, bei Com&Com
Ein Ansatz zum Entwurf
einer Unterrichtseinheit
Beim Versuch, die Vorgehensweise der beiden
Künstler in eigenen Worten und Begriffen zu fassen, drängte sich mir der Gedanke an ein Phänomen auf, das aus der theoretischen Physik und aus
der Science Fiction stammt: Das Wurmloch. Wie
sich herausstellte, erwies sich die Entfaltung und
Ausarbeitung dieser Metapher als fruchtbare Denkfigur für den Unterrichtsentwurf.
Wurmloch: Ein wundersames Gebilde, welches
die verschiedensten Assoziationen anregt. Kann
man dort hindurch schlüpfen? Was erwartet
einen dann? Wo findet man ein solches? Wissenschaftlich lassen sich solche Fragen nicht beantworten. Wissenschaftlich gesprochen ist das
Wurmloch ein aus der Einstein’schen Theorie
entwickeltes mathematisches Konstrukt, »… eine
dünne Röhre, ein schmaler Gang in der Raumzeit, der zwei weit auseinander liegende, nahezu
flache Regionen verbinden kann.«13
Fänden wir ein solches Wurmloch und begäben
wir uns dorthinein, so würden wir mit Sicherheit
niemals hindurchtauchen. Denn Wurmlöcher
existieren nur für einen winzigsten Bruchteil eines
Moments; das bedeutet, wir müssten schneller
als Licht reisen.14 Wer wären wir dann? Und wie
wären wir dann? – Immateriell?
Anders sieht es mit der Vorstellung von Wurmlöchern aus, wenn wir uns im Feld der Kunst bewegen. Insofern die Herstellung von unmöglichen Verbindungen und die Arbeit an ihnen
genuiner Bestandteil künstlerischen Arbeitens
ist, treffen wir hier auf Wurmlöcher jeglicher Art.
Wurmlöcher, die einen oftmals unvorhersehbaren Übergang an einen nicht nur topografisch,
sondern auch topologisch ganz anderen Ort
ermöglichen, finden sich oftmals gerade dort,
wo man sie am wenigsten vermutet hätte, an
ganz alltäglichen Orten, deren Funktion fraglos
geworden zu sein scheint.
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Theresa Rieß / Com&Com
Die besondere
Schule
Reformschule
Kassel
Künstler sind besonders sensibel für das Aufspüren und Nutzen von
Wurmlöchern. Für Com&Com ist ein solches Wurmloch das Fehlen einer Gründungserzählung um den Stadtnamen Romanshorn. Wie ein
Wurmloch einen einfängt, wenn man in seine Nähe kommt, so verselbständigte sich die Legende um den Ortsnamen. Ob man diese nun
liebt oder hasst, von der Legende kommt
»… in Romanshorn kaum mehr einer los. Was einmal in der Welt
ist, kann man nur formal negieren. Und die Negation, die macht es
stark, vielleicht sogar stärker als ohne Negation, ohne den Willen,
es wieder weg haben zu wollen; lädt es mit Energie auf. Unausweichliches Schicksal der Gemeinde Romanshorn.«15
Betrachtet man das System Schule als ein weitgehend geschlossenes
System,16 welches nach außen allenfalls semi-durchlässig ist, so eröffnen sich durch das Finden, Erforschen und Anwenden von Wurmlöchern bisher nicht gekannte Möglichkeiten.
Doch wie findet man ein Wurmloch? Das Finden ereignet sich nicht in
einem Augenblick, sondern ist das Resultat eines Prozesses, der zunächst auf genauem Beobachten der Schüler, der anderen Lehrer, der
Umgebung und der Schule beruht. Hier gilt es, kleinste Risse im System ausfindig zu machen: seien es gehypte Videos, skurrile Sounds oder
andere Dinge, die die Schüler aus ihrer medialen Alltagswelt mit in
die Schule »herübernehmen«. Bei genauerer Betrachtung kann man
Risse und winzige Wurmlöcher entdecken.
Diese möchten nun kultiviert, erforscht und gepflegt werden, um
schließlich theoretisch durchzuspielen, was möglich wäre, wenn man
sich durch diese Löcher hindurchbewegen würde. Die bloße Negation von Rissen im System schien weder sinnvoll noch produktiv. Die
Aufmerksamkeit für und die Arbeit an Wurmlöchern versprach die
Möglichkeit, einer anderen, ungewohnten Art des Denkens Einlass in
das System Schule zu gewähren. An diesem Punkt setzte der Unterrichtsentwurf an.
15 Pazzini, Karl-Josef: »Das zu Lesende«, in: Hedinger, Johannes M.; Gossolt, Marcus (Hg.):
Kunst, öffentlicher Raum, Identität, a.a.O., S. 42.
16 Vgl. z.B. Meyer, Torsten: Interfaces,Medien, Bildung. Paradigmen einer pädagogischen
Medientheorie, Bielefeld 2002, S. 217.
17 Weitere Informationen unter: www.reformschule.de vom 15.11.2008.
18 Pazzini, Karl-Josef: »Kunst existiert nicht. Es sei denn als angewandte«, in: Thesis. Tatort
Kunsterziehung, Nr. 2, 2000, S. 8–17.
cc-space
Eine Anwendung
der Wurmlochtheorie
Die Reformschule Kassel zeichnet sich durch
jahrgangsgemischten und fächerverbindenden
Unterricht aus. Drei Jahrgänge werden in einer
Klasse von ca. 24 Schülerinnen und Schülern zusammengefasst. Es wird die Verbindung unterschiedlicher Schultypen und Modelle wie Ganztagsschule, Projektunterricht oder die Möglichkeit
der Einschulung mit 5 Jahren erprobt.
In einer Gruppe werden jeweils sieben Schüler aus
drei Jahrgängen unterrichtet. An der Unterrichtseinheit im Rahmen des »kiss«-Projektes nimmt die
Gruppe 3B, die sich aus den Jahrgängen sechs
bis acht (die Altersgruppe der 10- bis 16-Jährigen)
zusammensetzt, teil. Dieser für eine aus drei Jahrgängen zusammengesetzte Gruppe immer noch
enorme Altersunterschied ergibt sich dadurch, dass
sich nicht allein Schüler verschiedener Schularten
(Haupt-, Real- und Gymnasialschule), sondern darüber
hinaus auch Hochbegabte und Integrationsschüler in der Gruppe befinden. Was auf den ersten
Blick als ungewohnte Herausforderung erscheint,
wird für mich in kürzester Zeit zum Alltag. Die
ungewöhnliche Zusammensetzung der Lerngruppen, vor allem aber das gewachsene Vertrauen
der Schülerinnen und Schüler untereinander, birgt
zugleich ein großes Repertoire an Möglichkeiten
des Lernens.
Der Unterricht findet kaum in der klassischen
Form statt; beim fächerverbindenden Unterricht
(wie zum Beispiel dem Laborunterricht) wären
klassische Muster auch gar nicht anwendbar.
Die Selbstständigkeit der Schüler ist hoch und es
herrscht eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens.
Von besonderer Bedeutung für den Schulalltag ist
der Projektunterricht. Dieser nimmt einen großen Teil der Schulwoche ein und die Schüler arbeiten oftmals völlig selbstständig an teils selbstgestellten Themen. Der Lehrende muss sich ständig
auf neue Situationen einlassen, in sehr unterschiedliche Themen einarbeiten und zwischen verschiedenen Rollen wechseln. Für die einen ist
man Berater, bei einer anderen Arbeitsgruppe
Streitschlichter, die nächsten Schüler haben Wissensfragen und eine andere Gruppe braucht
einen Zuhörer, um eine Präsentation einzuüben.17
Schülerinnen und Schüler im Gespräch mit Theresa Rieß
und Johannes M. Hedinger in der Ausstellung cc-space
Wie bei einem Geflecht verdichten sich nun die Stränge, die zuvor
zwischen Kunst, Anwendung18 und Schule aufgespannt wurden, zu
einer Unterrichtseinheit.
Die erste Verwebung entsteht beim ersten Treffen mit Marcus Gossolt
und Johannes M. Hedinger in Zürich. Bei anregenden Gesprächen lernen wir uns gegenseitig kennen und schätzen. Mein Vergleich ihrer Vorgehensweise mit der Denkfigur des Wurmlochs weckt bei beiden reges Interesse. Ebenso werde ich bei der Entfaltung dieses Vergleichs
und der Ausarbeitung zu einem Konzept für den Unterricht an der
Reformschule Kassel denk- und tatkräftig von Com&Com unterstützt.
Zunächst geht es für mich darum, im schulischen
Alltag auf diejenigen Bruch- und Schnittstellen
aufmerksam zu werden, die in einem weiteren
Schritt als Wurmlöcher produktiv gemacht werden können.
Die Beobachtung des schulischen Alltags führt zu
der Vermutung, dass ein solches Wurmloch im permanenten Austausch über die Social Networking
Plattform SchülerVZ lokalisiert werden könnte:
Virulent kreisen die Gespräche der Schülerinnen
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Theresa Rieß / Com&Com
Linolschnitt, Bleistift, Ölmalerei, Stempeltechnik und ccspace: eine Technik im Kunstunterricht
und Schüler um die außerschulische Kommunikation. Immer wieder
wird die Selbstdarstellung im virtuellen Raum thematisiert. Sätze wie:
»Auf dem Foto siehst du aber nicht aus wie in echt!« oder »Geh’ mal
wieder ins SchülerVZ, ich hab dir was geschrieben«, sind im Alltag der
Schüler sehr präsent. (Was spricht in diesem Augenblick dagegen, die
Frage »in echt« zu stellen und eine direkte Kommunikation von Angesicht zu Angesicht zu beginnen?)
In der Diskussion dieses Ansatzpunktes mit Com&Com entsteht die
Idee, eine virtuelle Community als Möglichkeitsraum zu schaffen. Als
experimentelles Feld – mit realen und fiktiven Personen, mit realen
und fiktiven Gesprächen und Kommunikation. Im weiteren Verlauf des
Gesprächs findet sich ein Name für das Projekt: cc-space.
C&C-space: »Com&Com«-space oder cc-space: »cool-community«-space:
Anfänglich wird den Schülerinnen und Schülern das Projekt nur unter
dem zuletzt genannten Namen vorgestellt.
Der Titel dieses Webspace ist nicht bloß eine äußerlich-formale Annäherung an Com&Com, es wird nicht nur der Name und der Aspekt
der Corporate Identity (Typografie/die Farbe Pink) geteilt, sondern das
Projekt impliziert auch die Aktivität von Com&Com im virtuellen Raum.
Die Künstler haben ebenfalls die Möglichkeit, zu »spielen« und mit
Fake-Identitäten zu agieren. Ebenso gut können sie aber auch in ihrer
Identität als Künstler in dieser Community auftreten. [M3]
Doch bis es so weit ist, muss viel geschehen. Zunächst gilt es, die Schülerinnen und Schüler zu sensibilisieren, der Webspace muss erst noch
gebaut werden. Und viele Fragen sind noch offen.
Schon bald kristallisierte sich aus den Treffen mit
Com&Com heraus, dass ein Möglichkeitsraum in
Form einer Social Community für die Schüler vorhanden sein muss. Dieser sollte dem den Schülern
bekannten SchülerVZ ähneln und ein abgeschlossener Raum in der virtuellen Welt sein. cc-space
sollte nur für die am Projekt beteiligten Schüler
zugänglich sein!
Für die Umsetzung lag es zunächst nahe, mit
einem Content Management System (CMS) wie
Drupal oder Joomla zu arbeiten. Da hier durch
Erweiterungen (Packages) relativ einfach verschiedenste Optionen hinzugefügt werden können und es relativ einfach ist, eine Social Community zu erstellen, ohne auf einer Code-Ebene
agieren zu müssen.
Durch diese Bedingung kam eine Nutzung einer
bestehenden und offenen Community (z.B.:
SchülerVZ), auch innerhalb einer Gruppe, nicht
in Frage. Die Schüler hätten hier die Möglichkeit, mit ihren gefakten Identitäten auch außerhalb dieser Benutzergruppe zu agieren, was
nicht im Sinne der Communities ist. Denn es ist
nicht erlaubt, Personen zu »erfinden«. Somit
fielen die bestehenden Social Communities weg,
da hier das Problem der Öffentlichkeit und Zugänglichkeit gegenüber dem Vorhaben, einen geschützten Versuchsraum zu haben, bestand.
Hierbei ergab sich aber das Problem der Verantwortung gegenüber den Schülern und das Problem,
dass diese Communities erst nach einigem Umbau für das Projekt geeignet gewesen wären: Auch
hätte man die sichtbare Oberfläche komplett
nach eigenen Wünschen umbauen müssen. Aus
diesen Gründen wurde für das Projekt cc-space
eine neue Community erstellt. Die zu Grunde liegende Datenbank ist nun eine mySQL Datenbank
mit einer PHP5 Oberfläche, deren Erscheinungsbild die Corporate Identity von cc-space bildet.
Diese entstand in Anlehnung an Com&Com und
SchülerVZ, um den Zugang für die Schüler zu
erleichtern. Das ganze Projekt wurde auf einem
privaten Server gehostet.
Somit musste eine eigene Social Community, nur
für dieses Projekt, entstehen. Die elementaren
Funktionen sollten sein: Neue Benutzer anmelden,
Sicherheitsabfrage (damit nur autorisierte Personen einen Benutzer erschaffen können); ein
Schüler/eine Schülerin kann sich auch mit mehreren Benutzernamen anmelden; Benutzer haben
ein Profil (Name, Ort, Alter, Hobbys, Lieblingsfächer etc.); Benutzer können die Profile gegenseitig betrachten; Benutzer können ein Bild zu ihrem
Profil hinzufügen/ändern; Benutzer können sich
gegenseitig Nachrichten auf einer Pinnwand hinterlassen (die innerhalb dieser Community öffentlich ist); Benutzer können sich gegenseitig als
Freunde hinzufügen (mit Einverständnis des
Angefragten); Benutzer können nicht-öffentliche
Nachrichten an einen anderen schicken.
Neben diesen Basis-Funktionen wären noch weitere Funktionen bzw. Möglichkeiten interessant
gewesen. Wie »Petz-Funktion«, »Hitlisten«, »SuperUser«, »Gruppen eröffnen« oder andere bereits
aus Social Communities bekannte Funktionen.
Diese konnten aber aus Zeitmangel nicht realisiert
werden.
Hat man eine Community erstellt, muss diese
noch für alle Nutzer zugänglich sein. Hierzu
benötigt man einen Host, in diesem Fall einen
Host, der auch eine Datenbank zulässt.
If you try this at home ... Vorsicht! Es ist nicht ganz
einfach, sich so weit hineinzufuchsen, aber auch
als Kunstlehrerin ist dies machbar. Vielleicht gibt
es auch jemanden, der helfen kann und einen
bei einem solchen Projekt unterstützt. Aber man
sollte immer die »Gefahren« im Auge behalten,
damit sich das Ganze nicht verselbstständigt und
unkontrollierbar wird. Dies kann von technischer
Seite her passieren (Bsp.: Andere Leute kommen
durch die Sicherheitsabfrage und agieren in der
Community), aber eben auch durch die Benutzer
(Bsp.: Schüler fangen an, sich zu mobben und
zu beleidigen). In diesen Fällen muss einem die
Verantwortung bewusst sein, und man kann
nicht einfach abschalten und so tun, als ob nichts
gewesen wäre.
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Unterricht
»Er hat nur Bier, Würstchen, Senf, eine Zeitung
und kein Benzin in der Tankstelle gekauft.
Also muss dieser Mann, der sich gerade auf
die Stelle eines Grundschullehrers bewirbt, ein
geselliger und alleinstehender Typ sein, der
gerne Freunde einlädt, aber kein Auto hat.«
Die Unterrichtseinheit cc-space verläuft
in drei Abschnitten:
1 Heranführung an die Thematik der Identität und Fiktion. Diese
Auseinandersetzung könnte auch zu einer eigenständigen Unterrichtseinheit ausgebaut werden, wobei hier der fiktive Möglichkeitsraum nicht in einem virtuellen Raum im digitalen Sinne endet.
2 Die Phase des experimentellen Agierens im virtuellen Raum
cc-space.de und parallel dazu die Reflexion der Kommunikationsformen und der Generierung von Identitäten.
3 Schließlich die Präsentation des Projekts in einer Ausstellung sowie
der persönliche Kontakt mit den Künstlern.
In ersten Teil der Unterrichtseinheit erfinden die Schülerinnen und
Schüler fiktive Personen, die in der Folge miteinander in Kontakt treten. Diese Figuren und die Formen ihres jeweiligen Umgangs miteinander werden im Anschluss visualisiert. Schließlich werden die fiktiven Personen durch Muster beschrieben und analysiert.
Den Einstieg bildet die Erschaffung von fiktiven Personen in Gruppenarbeit. Jedes Team bekommt einen Umschlag mit verschiedenen
»Ausgangsmaterialien«. In einem Umschlag befinden sich etwa eine
Zugkarte, eine Parfum-Probe, ein Einkaufszettel und eine Stellenausschreibung zum Bibliothekar. In einem anderen ein Gutschein für
ein Fitness-Studio, eine Fußballeintrittskarte und ein Zugticket. In
einem dritten Umschlag befinden sich Informationen zur DADA-Bewegung etc. Zu diesem Zeitpunkt wird noch keine Verbindung zu Com&
Com und zum Feld der Kunst hergestellt, dies wird erst im späteren
Verlauf der Unterrichtseinheit thematisiert.
Aus diesen zur Verfügung gestellten Materialien »erfinden« die Schülerinnen und Schüler nun eine Person und versehen diese mit Bildern
aus den Printmedien.
Solche und ähnliche Schlussfolgerungen werden
am Ende der Stunde vorgestellt und durch das
Zusammenwirken der Bilder und der Beschreibungen entsteht ein detailliertes Bild zu den fiktiven Personen. So auch zu den eingeflochtenen
Elementen über DADA:
»Das ist ein Kind. Mit einem Schnuller, der
Dada heißt. Dieses Kind muss so 3 Jahre alt
sein. Es ist echt moppelig.«
Im nächsten Schritt wird per Losverfahren eine
Zuordnung der fiktiven Figuren zu den einzelnen
Schülern vorgenommen. Jeder kennt die nun
»anwesenden« Personen. Über das Zusammentreffen zweier Personen werden Geschichten
und Dialoge erfunden. Diese werden schriftlich
festgehalten und den anderen Schülerinnen und
Schülern vorgestellt.
Plötzlich passiert es, dass auf einmal Robert
seine alte Freundin Almut trifft:
»Was machst du so? – Ich bewerbe mich hier
an der Uni als Professor. – Ahaaa – Und du? –
Ach ich bin auf der Durchreise.« [M4]
Alles ist möglich. So könnte das Kind mit dem
Schnuller namens Dada bereits erwachsen geworden sein.
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einheit. Durch die Kommunikation zwischen Fiktionen kann eine Hinterfragung der eigenen Identitätskonstrukte in Gang kommen. Derart können
statische, festgeschriebene Identitäten gelockert
werden; es kann zu Verschiebungen und Erweiterungen der Identitätskonzepte kommen.
Konkret lautet die Frage: Was macht eine Person
aus? Setzt sie sich aus realen genauso wie aus
fiktiven Anteilen zusammen? Was muss man über
eine Person wissen, um in fantastischen Welten
ein Eigenleben zu haben? Den Namen? Das Alter?
Gemeinsam werden Kriterien erarbeitet und Steckbriefe entworfen. So bereiten die Schülerinnen
und Schüler sich auf den Eintritt in den virtuellen
Raum vor.
Der zweite Teil der Unterrichtseinheit beginnt.
Den vorangegangenen Part haben die Schülerinnen und Schüler als Sensibilisierung, als Trockenübung im Hinterkopf.
An diesem Punkt der Auseinandersetzung mit den bereitgestellten
Materialien werden die Schülerinnen und Schüler mit Com&Com und
deren Projekt »GugusDADA« bekannt gemacht. Durch den entstandenen Bezug zu dieser kleinen Figur, die als fiktive Person bereits ein
Eigenleben führt, entsteht reges Interesse an der Kunst von Com&Com.
gebaut. Sie erhalten den Arbeitsauftrag, den
wichtigsten und treffendsten Moment der Dialoge der durch das Losverfahren zugeteilten
Geschichten zu finden. Dieser Moment soll mit
einem Foto dokumentiert werden.
Als es darum geht, die Personen und Szenen »in Szene« zu setzen
und mit einer Digitalkamera zu fotografieren, wird es turbulent. [M5]
Die Schülerinnen und Schüler beschaffen sich Kleidung zum Verkleiden, proben, agieren, beziehen Litfasssäulen mit ein, ein parkendes
Auto wird zum Hintergrund, kurzerhand wird ein Fahrkartenautomat
In der nächsten Stunde herrscht gespannte Erwartungsstimmung. Wie sind die ausgedruckten
Fotos geworden? Welches ist am besten? Welches
bringt die Geschichte genau auf den Punkt? Wer
spielte am überzeugendsten Ben, Almut, Mischa,
Katerina?
Die fotografierten Szenen der Schülerinnen und Schüler werden nun,
einem Realitätsbeweis gleich, an Schnüren zwischen den Plakaten der
einzelnen Personen befestigt. Dadurch entsteht ein visualisiertes Kommunikationsnetz. Durch diese materialisierte Form der Vernetzung werden die zunächst im Kopf produzierten Bilder und Vorstellungen gleichsam veräußerlicht. Es wird möglich, die Grenze zwischen Realität und
Fiktion und das Medium der Fotografie zu reflektieren.
Der Beschäftigung der Schülerinnen und Schüler
mit ihren eigenen Fotos wird die Auseinanderset-
Fragen, die auf die Überprüfung und Reflexion der Herstellung der
eigenen Identität abzielen, sind ein zentrales Moment der Unterrichts-
19 Vgl. Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie, Göttingen, 4. überarbeitete Auflage
1989 (European Photography).
20 Beim Anmelden werden mehrere Sicherheitsabfragen zur Überprüfung der Authentizität
gestellt, denn es ist sehr wichtig, die Sicherheit zu haben, dass die Gruppe tatsächlich nur
aus den bekannten »Mitspielern« besteht und keine unbekannten Personen dabei sind.
zung mit einer Arbeit von Com&Com vorangestellt. Wir schauen uns
einige Videostills aus dem Projekt »Side by Side« an. Aus dem Umgang mit den Stills entstehen eigene Fiktionen, die der von Com&Com
erzählten Geschichte sehr ähneln. Ein Foto als Realitätsversprechen?19
Im cc-space haben die Schülerinnen und Schüler
die Möglichkeit, sich in einer virtuellen Community zu bewegen. Die Social Community im cc-space
ist nur den am Projekt beteiligten Schülerinnen
und Schülern zugänglich.20 In diesem virtuellen
Raum können sie Dinge in einer Art »(noch-)NichtSchwimmerbecken« ausprobieren, ohne dass
dies zu unangenehmen Konsequenzen führt. Sie
können Möglichkeiten und Grenzen erfahren,
haben dabei aber die Sicherheit, dass es einen regulierenden Mechanismus im Hintergrund gibt,
der zur Not eingreifen und Probleme thematisieren kann.
Nun liegt es an den Schülern, ob sie diesen Möglichkeitsraum mit ihrer Präsenz füllen. Um das
anzuregen, wird der Webspace in einem ansprechenden Design präsentiert. Mit aufforderndem
Pink leuchtet dieser Raum in die Welt der Schülerinnen und Schüler hinein. Die Gestaltung weist
zwar Ähnlichkeiten mit SchülerVZ auf, der Raum
ist jedoch viel stärker personalisiert.
Der Arbeitsauftrag besteht darin, sich auf ein Spiel
einzulassen, sich auf einen geheimen Pakt einzulassen. Es kommt durchaus ein Moment der Verführung zum Einsatz:
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Theresa Rieß / Com&Com
In einer Ecke des Ausstellungsraumes, den die
Schülerinnen und Schüler in grellem Pink mit
einem großen Logo des cc-space gestrichen haben, steht ein Computer, auf dem die »eingefrorene« Plattform cc-space mit Navigationsmöglichkeiten präsentiert wird. Die Nachrichten,
die dort verschickt werden können, erreichen nur
»den großen Anderen«23 – auch wenn sie an
einen direkten Adressaten geschickt werden, denn
diesen werden sie nie erreichen. Denn das Kennzeichen des der Öffentlichkeit präsentierten »eingefrorenen« Systems ist, dass es keine Verbindung nach außen unterhält.
»Ihr sollt euch selbst mit einem Profil anmelden. Zudem sollt ihr eine oder mehrere
›gefakte‹ Personen erschaffen, entweder
in Teams oder alleine!« [M6] [M7]
Es besteht die Möglichkeit nachzufragen, Hilfestellung zu bekommen, in einem provisorischen
Fotostudio gestellte Fotos von sich bzw. den »erfundenen« Personen zu machen, für Realitätsbeweise im cc-space. Auf Anfrage der Schülerinnen
und Schüler melden sich Com&Com als nun greifbarer gewordene Künstler an. Doch was die Schülerinnen und Schüler noch nicht wissen: Auch
Com&Com spielen das gleiche Spiel.
Während ich mit dem Abfassen dieses Textes befasst bin, befindet sich das Ausstellungsteam,
welches mit der Präsentation der Unterrichtseinheit betraut ist, noch in der Planungsphase. Da
bis zum jetzigen Zeitpunkt, vor der öffentlichen
Ausstellung, nicht klar ist, wer wer ist im virtuellen Raum, und hierüber viele Vermutungen kursieren, liegt es nahe, im Rahmen der öffentlichen
Präsentation eine »Enthüllung« der Identitäten
vorzunehmen. Die Schülerinnen und Schüler veranstalten eine Performance, in der sie sich den
fiktiven Profilen zuordnen. Viele Schülerinnen und
Schüler haben mehrere fiktive Identitäten betreut.
Sie entscheiden sich, bei der Ausstellung nicht
alle, sondern nur bestimmte Profile zu zeigen.
Der Möglichkeitsraum cc-space öffnet sich und
ein sehr komplexes System beginnt, sich selbst
zu generieren, eine Eigendynamik zu entwickeln,
die von keinem Einzelnen mehr steuerbar ist.
Es ist ein Raum eröffnet, der sich nach eigenen
Gesetzen ordnet und wächst. Ähnlich verhält
es sich im Mocmoc-Projekt. Mit dem »zufälligen
Finden« der Legende wurde zunächst ein Möglichkeitsraum eröffnet. Was sich daraus entwickelt,
war vor-zu-überlegen. Es gab Vorstellungen von
dem, was passieren könnte, was passieren müsste
und was man evozieren könnte. Aber der ganz
konkrete Verlauf war offen, nicht planbar.
In dieser Phase des Projekts wird den Schülerinnen
und Schülern eine Einführung in das MocmocProjekt 21 von Com&Com gegeben. Die Legende
wird vorgetragen und davon ausgehend entwerfen sie einen möglichen Verlauf, eine Schilderung, wie es nach dem Finden der Geschichte
weitergehen könnte. Sie tragen diese Fiktion in
die Reflexion über Mocmoc und seine Geschichte
hinein. Umgekehrt verschaffen sie Mocmoc Zugang zu ihrer eigenen Lebenswelt. Wie die Kinder von Romanshorn. Fiktion ist kinderleicht!22
Die Schülerinnen und Schüler suchen den Kontakt
mit Com&Com im cc-space. Es werden Fragen
formuliert wie:
»Wie ist es Künstler zu sein? Bist du wirklich
der von Com&Com?«
Der virtuelle Raum wird angenommen und besetzt. Nach kurzer Zeit tummeln sich dort ca. 70
Identitäten.
In der Ausstellung werden jeweils ein Ausdruck
des virtuellen Profils und ein leerer Stuhl darunter
zu sehen sein, für einen kurzen Moment wird diese Leerstelle besetzt. Was aber bleibt? – Nur der
Realitätsbeweis durch ein Foto? Oder doch mehr?
Wer ist wer? Wer ist »echt«? Mit wem spreche ich? Kann ich sicher
sein, dass sich hinter einem in der »realen« Gruppe existierenden
Namen auch die »reale« Person verbirgt? Wer spricht hier? Diese
Fragen werden virulent, aber der Pakt wird weiterhin eingehalten:
Die Teilnehmer verraten ihr geheimes Double nicht.
»Wer bist du?« – Und dadurch auch:
»Wer bin ich, wenn ich nicht du bin?«
Den Abschluss der Unterrichtseinheit bildet eine Präsentation des Projekts im Kunstraum »Stellwerk«. Bei dieser Präsentation werden Com&
Com »ganz echt«, in Real Life, anwesend sein. Stühle stehen in einem
Raum – Platzhalter für Personen. Darüber hängen Profile aus dem ccspace. Dort ist zu lesen, was Ebbie (Spitzname Ebb) als Lieblingsfach
hat, was ihr Lieblingsbuch ist, welche Hobbys sie hat. Doch wer steckt
hinter Ebbie? Die Künstler? Eine Schülerin, ein Schüler oder ein Team
aus Schülerinnen und Schülern?
Bevor die Präsentation der Öffentlichkeit zugänglich wird, treten Com&Com mit den Schülerinnen und Schülern in einen direkten Kontakt. Im
gemeinsamen Gespräch geben Com&Com den
Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zur Reflexion der bisherigen Unternehmungen auf einer Metaebene. Auch die Einbindung der beiden
Künstler in den cc-space tritt zutage. Die Erkundung der Wurmlöcher zeigt Folgen: Die Schülerinnen und Schüler und Com&Com befinden sich
für einen Moment lang im selben Raum. Die Besucher können kommen … 24 stolze Schülerinnen
und Schüler zeigen ihr »Werk«.
21 Siehe Vorstellung der Arbeiten von Com&Com im ersten Teil:
Mocmoc.
22 Vgl. Pazzini, Karl-Josef: »Das zu Lesende«, a.a.O.
23 Vgl. hierzu Lacan, Jacques (1966): »Das Seminar über E.A.
Poes ›Der entwendete Brief‹«, in: Ders.: Schriften I, Olten/
Freiburg i.Br. 1973, S. 7–60.
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Theresa Rieß / Unterrichtsmaterialien
Com&Com
Monografische Kataloge
Literatur
Johannes M. Hedinger
1971
Geboren in St. Gallen
Studium der Kunst an der Hochschule der Künste Zürich
sowie der University of California Los Angeles;
Studium der Kunstgeschichte/Cultural Studies/Filmwissenschaft/Deutsche Sprachwissensenschaft an der Universität
Zürich und an der Humboldt Universität Berlin
Seit 2006 Dozent an der Hochschule der Künste Zürich ZHdK
Seit 2007 Dissertation an der philosophischen Fakultät der
Universität Zürich
Hedinger, Johannes M.; Gossolt, Marcus (Hg.)
TELL STAR
Luzern 2002
Pazzini, Karl-Josef
Das zu Lesende
In: Hedinger, Johannes M.; Gossolt, Marcus (Hg.): Kunst, öffentlicher
Raum, Identität. Mocmoc, das ungeliebte Denkmal, Sulgen/Zürich
2004, S. 42–46
Marcus Gossolt
1969
Geboren in St. Gallen
Studium der Architektur und Kunst an der Hochschule
für Gestaltung und Kunst Basel; Studium der Kunst- und
Medienwissenschaften an der Kunsthochschule für
Medien Köln
Seit 2005 Projektagentur Alltag für visuelle und strategische
Kommunikation
Literatur
Werke (Auswahl)
2002
Projekt »Side By Side«, www.side-by-side.ch
seit 2003 Projekt »Mocmoc«, www.mocmoc.ch
2004 –2006 Projekt »GugusDADA«, www.gugusdada.ch
Monografische Kataloge
Hedinger, Johannes M.; Gossolt, Marcus (Hg.)
Die Odysee
Zürich 1998
Hedinger, Johannes M.; Gossolt, Marcus (Hg.)
THE BOOK OF COM & COM
Zürich 1999/2000
Hedinger, Johannes M.; Gossolt, Marcus
Com&Com. C-Files: Tell Saga
Zürich 2001
Hedinger, Johannes M.; Gossolt, Marcus (Hg.):
WE LOVE YOU
Zürich Fink 2002
Hedinger, Johannes M.; Gossolt, Marcus (Hg.)
Kunst, öffentlicher Raum, Identität. Mocmoc, das
ungeliebte Denkmal
Sulgen/Zürich 2004
Baumann, Daniel
Interview. Daniel Baumann im Gespräch mit
COM&COM
In: Hedinger, Johannes M.; Gossolt, Marcus (Hg.):
COM&COM. the artists formerly known as Marcus Gossolt and Johannes M. Hedinger. Nr. 3,
Zürich 2000
Flusser, Vilém
Eine Philosophie der Fotographie
Göttingen, 4., überarbeitete Auflage 1989
(European Photography)
Bildbeispiele
B1
Side by Side
Die beiden Rennfahrer, Videostill
Pazzini, Karl-Josef
Kunst existiert nicht. Es sei denn als angewandte
In: Thesis. Tatort Kunsterziehung, Nr. 2, 2000, S. 8–17
Žižek, Slavoj
Lacan. Eine Einführung
Frankfurt a.M. 2008
Internetquellen
Reformschule Kassel
www.reformschule.de
COM&COM
www.com-com.ch
Still aus dem Videoclip »Side by Side« aus dem
gleichnamigen Projekt (2002)
Zitiert nach: http://www.side-by-side.ch/index3.
php vom 14.10.2008, mit freundlicher Genehmigung von Com&Com © Com&Com
B2
Der kleine Dada
Guggenheim, Gilgi; Tschirky, Marius
Die Legende von MocMoc
In: Hedinger, Johannes M.; Gossolt, Marcus (Hg.):
Kunst, öffentlicher Raum, Identität. Mocmoc, das
ungeliebte Denkmal, Sulgen/Zürich 2004
Hedinger, Johannes M.
Mocmoc – Kann man Mythen fälschen?
In: Kirschenmann, Johannes; Schulz, Frank;
Sowa, Hubert (Hg.): Kunstpädagogik im Projekt
der allgemeinen Bildung, München 2006
Hedinger, Johannes M.; Meyer, Torsten
Der Journalist ist unser Pinsel
In: Kirschenmann, Johannes; Schulz, Frank;
Sowa, Hubert (Hg.): Kunstpädagogik im Projekt
der allgemeinen Bildung, München 2006
Meyer, Torsten
Interfaces,Medien, Bildung. Paradigmen
einer pädagogischen Medientheorie
Bielefeld 2002
Foto aus der Galerie der Homepage zum Projekt
»GugusDADA« (2004–2006): »dada pk3«
Zitiert nach: http://www.gugusdada.ch/?q=node/
view/124 vom 14.10.2008, mit freundlicher
Genehmigung von Com&Com © Com&Com
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Theresa Rieß / Unterrichtsmaterialien
Bildbeispiele
B3
Mocmoc
Das Mocmoc-Denkmal vor dem Bahnhof in Romanshorn
Materialien
Refrain
Side by side we stand
Sons of Switzerland.
In god unite
Stand up and fight
For our faith and right.
Vers 2
We are chilling at the bar
Girls close, fat ladies far
Better close your jaw.
We, we are just top of the line
We are the best at the time
Wanna try, stand behind.
Bestandteil des Projekts »Mocmoc« (seit 2003)
Zitiert nach: http://www.com-com.ch/arbeiten/22 vom 14.10.2008,
mit freundlicher Genehmigung von Com&Com © Com&Com
Materialien
M1
Pre-Refrain
Again we’re standing face to face
With danger – it’s another race
To fight and win’s our only choice
Together we’ll sing at one voice …
Performed by Com&Com, featurig Dieter Meier
Text: Johannes M. Hedinger / Mike Moling /
Sergio Fertitta / Leeshy Delle Torre / Dieter Meier
Musik: Manuel Stangars / Johannes M Hedinger /
Sergio Fertita
Audiofile zum Anhören unter www.side-by-side.ch
Com&Com
Songtext zu »Side by Side«
Intro
For the glory of my country Switzerland
We are ready to give everything
Because our life is the race
And the race is our life.
Vers1
We, we are what we are
Crazy people in a big fat car
Shining like a star.
We, we are the best to entertain
you try to imitate, it’s a shame,
it‘s our game, our fame.
Pre-Refrain
Again we’re standing face to face
With danger – it’s another race
To fight and win’s our only choice
Together we’ll sing at one voice:
M2
Die Legende vom Mocmoc
Vor langer Zeit, als die Menschen noch mit Zwergen und Elfen sprechen konnten, lebte in einem
Dorf am Bodensee ein Fischerjunge. Er hiess
Roman. Jeden Morgen, bevor die Vögel erwachten und die Eule von ihrer Jagd zurückflog, ruderte Roman in seinem Boot zu den Fischen hinaus.
Seinen Fang tauschte er jeweils im Dorf gegen
Brot und Äpfel ein.
Roman sprach wenig. Da er beim Sprechen stotterte, nannten ihn die Dorfbewohner »Staggerlrömeli«. So sagte er nur noch dann etwas, wenn
es ihm ganz wichtig war. Und besonders wichtig
war im Babeth. Sie lachte ihn nie aus, wenn
er mit ihr sprach. Ihr langes rotes Harr flocht sie
jeden Tag zu Zöpfen. Ihre Augen leuchteten
braunorange wie ein Sonnenaufgang über dem See. Roman hatte
Babeth sehr gern. Aber es fehlte ihm der Mut, es ihr zu sagen. Er
dachte, Babeth würde einen solch schüchternen Jungen bestimmt
nicht mögen.
Eines Tages, als Roman draussen auf dem See war, hing im Dunkel
der Morgendämmerung kein einziger Nebelfetzen. Es sollte ein schöner Morgen werden. Gross und schwer und warm kam die Sonne
über das Wasser. Roman mochte Sonnenaufgänge – da bekam er immer Sehnsucht nach Babeth. Wie so oft wünschte er sich, er wäre
ein Fisch. Dann müsste er nie mehr sprechen und hätte trotzdem einen Schwarm Freunde. Als er dies dachte, fühlte sich Roman so sehr
einsam, dass ihm der Hunger verging und er seinen angebissenen
Znüniapfel ins Wasser warf. Er beugte sich über den Bootsrand und
betrachtete den Apfel wie er zwischen den Ringen seiner Tränen
schwankte. In den Stahlen der Sonne waren Romans Tränen besonders schwer und dick. Sie perlten wie die ersten Tropfen eines Sommergewitters auf dem ruhigen See.
War da nicht soeben etwas unter seinem Boot vorbeigehuscht? Eine
Forelle war es nicht. Roman hörte unmittelbar zu schluchzen auf. Da!
Noch einmal … War er nicht alleine? Langsam tauchte ein schwarzes,
leicht gekrümmtes Horn aus dem Wasser auf. Das kann keine Kuh
sein, dachte sich Roman, denn die hätte zwei Hörner. Ausserdem können Kühe nicht schwimmen – das wusste er ganz genau! Nach und
nach erschien an der Wasseroberfläche der Körper eines gelben Wesens, das nicht viel grösser war als der Fischerjunge selbst. Und während Roman wie versteinert in seinem Boot sass, verzehrte dieses gelbe
Wesen genüsslich seinen Apfel! »Mmokmogg …?«, lächelte es und
seine spitzen kleinen Zähnchen kamen zum Vorschein. »Mmokmogg
…?«, sagte es wieder und winkte ihm freundlich mit einer Flosse zu.
Der Fischerjunge räusperte sich: »Roman … ich bin Roman!« »Warum
bist du so traurig?«, fragte das lustige Wassertier. Roman fühlte ganz
fest, dass es ihm wohlgesonnen war, und begann zu erzählen. Er
sprach vom Dorf und seinen Bewohnern, vom Fischen, vom Sonnenaufgang – und natürlich von Babeth.
»Mocmoc«, wie Roman das Wasserwesen inzwischen nannte,schaute
ihm mit grossen Augen an und hörte aufmerksam zu. Darauf stillte
Mocmoc Romans Neugier, indem es ihm verriet, dass es schon seit Urzeiten im See lebte. Mit seinem Horn habe es schon manches Unheil
von den Fischern fern gehalten – und Äpfel habe es zum Fressen gern.
Von diesem Tag an trafen sich die beiden jeden Morgen und immer
teilte Roman mit Mocmoc seinen Znüniapfel. Niemand wusste, dass
Roman einen neuen Freund hatte, doch alle wunderten sich über Romans Lächeln.
Die warme Jahreszeit kehrte ein. Dieser Sommer sollte ein ganz besonderer werden. Seit Wochen füllte kein Regentropfen mehr den
See und der Wind trocknete jedes feuchte Fleckchen aus. Keine Schnecke wagte sich aus ihrem
Häuschen, und wenn man genau hinhörte, konnte man die Blumen seufzen hören, so groß war
ihr Durst. In einer solchen Morgennacht waren
die beiden Freunde wieder weit draußen auf dem
See.
Plötzlich zuckte Roman erschrocken zusammen.
Er sah etwas Schreckliches: ein helles Feuer am
Ufer. Es brannte im Dorf! Um diese Tageszeit schliefen ja noch alle. Jemand musste sie warnen!
Roman ruderte so schnell er konnte. Mocmoc half
mit, indem es mit seinem Horn das Boot stieß,
doch sie waren zu langsam. Die Flammenzungen
frassen sich von einem Baum zu nächsten, und
schon brannte die erste Scheune.
»Babeth, Babeth«, rief Roman so laut er konnte,
doch niemand konnte ihn hören. Sie waren viel
zu weit vom Ufer entfernt.
Da wandte sich Mocmoc mit ernster Stimme an
Roman: »Nimm mein Horn und blase hinein! Alle
werden aufwachen und sich vor dem Feuer in
Sicherheit bringen.« – Roman zögerte. – »Fürchte
dich nicht«, sagte Mocmoc ruhig, »es wird mir
nicht weh tun, doch werde ich in die Tiefe des
Wassers zurückkehren müssen. Erst in hundert
Jahren darf ich wieder kommen. Dann wird mir
ein neues Horn nachgewachsen sein.« – »Ja,
aber – dann können wir uns nicht mehr sehen!
Wir sind doch Freunde!«, erwiderte Roman ganz
verzweifelt. »Ich werde immer dein Freund bleiben. Ich werde jeden Tag mit meinen Gedanken
bei dir sein. Du musst es jetzt tun, Roman, sonst
ist es zu spät!«
Behutsam und traurig brach Roman das Horn ab.
In diesem Augenblick erhellte die Sonne den
See zu einem goldenen Teppich. Mocmoc entschwand in die Tiefen des Sees.
Nun aber galt es keine Zeit mehr zu verlieren.
Entschlossen legte Roman das Horn an seine Lippen, atmete tief durch und blies mit aller Kraft
hinein. Es erklang ein lautes Seufzen, gewaltiger
als der mächtigste Donner den See je hatte erzittern lassen. Roman weckte auf einen Schlag das
ganze Dorf. Die Stille des Morgens war gebrochen.
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Theresa Rieß / Unterrichtsmaterialien
Materialien
Sofort wurde die Gefahr erkannt und jeder Eimer mit Wasser gefüllt,
um das Feuer zu bannen. Als Roman das Ufer erreichte, war die letzte
Flamme gelöscht und niemand wurde verletzt.
Die Menschen versammelten sich auf dem Dorfplatz. Kinder, Frauen
und Männer sprachen wild durcheinander. Sie fragten sich, woher wohl
dieser fremde Ton gekommen war, der sie gerettet hat. Babeth sah
Roman als Erste. Erschöpft stapfte er auf den Dorfplatz zu. In der Hand
hielt er das Horn. Ein Horn, wie es nicht einmal der älteste Dorfbewohner je gesehen hatte. »Roman!«, rief Babeth, »Roman hat uns gerettet!«
Alle liefen auf Roman zu. Voller Freude hielten sie ihn in die Höhe. Sie
feierten ihn wie einen König, denn sie wussten: ohne Romans Horn
wäre ihr Dorf am Bodensee niedergebrannt. »Romans Horn hat uns
gerettet!«, riefen alle im Chor und jubelten: »Romans Horn! Romans
Horn!« Und erst im Morgengrauen verstummten die letzten Rufe.
M3
Das cc-space-Logo
M5
Katerina hilft Olga
Realitätsbeweis zum Treffen der fiktiven Personen?
M6
Profil einer fiktiven Person aus dem cc-space
SchülerInnen der Reformschule Kassel Mai/Juni 2008
© Theresa Rieß und Com&Com
M4
Almut trifft Robert
Das Aufeinandertreffen der fiktiven Personen
Das niedergebrannte Dach der Scheune wurde wieder aufgebaut. Mit
Ziegeln wurde darauf in großen Buchstaben »Romans Horn« geschrieben, um immer an jenen Sommermorgen zu erinnern. Die Geschichte
sprach sich weit herum und schon bald wurde das Dorf von allen
»Romanshorn« genannt.
Das Geheimnis von Mocmocs Horn verriet Roman aber nur seiner
besten Freundin Babeth. Bald darauf heirateten sie. Es gab ein wunderbares Fest mitten auf dem Bodensee auf einem großen Schiff,
geschmückt mit Apfelblüten. Apfelsaft wurde ausgeschenkt, Lieder
wurden gesungen und rote Äpfel in den See geworfen.
Ihren Kindern erzählten Babeth und Roman die Geschichte vom Mocmoc, und diese erzählten es wiederum ihren Kindern weiter.
Am Ufer von Romanshorn sitzt manchmal eines ihrer Ururenkelkinder
und isst einen Apfel. Und wenn es ganz genau hinschaut sieht es weit
draußen im See etwas Gelbes hervorblitzen …
Hermine, Lisa und Lisanne
Nach einer Idee von Johannes M. Hedinger und Marcus Gossolt /
Kindergeschichte von Gilgi Guggenheim und Marius Tschirky.
Mocmoc © 2003, Com&Com
Quelle: http://www.mocmoc.ch/mocmoc.html vom 17.10.2008
Dialog von Schülern der Reformschule Kassel
im Mai 2008, © Theresa Rieß
© Theresa Rieß
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Theresa Rieß / Unterrichtsmaterialien
Materialien
M7
Profil einer fiktiven Person aus dem cc-space
Schüler der Reformschule Kassel Mai/Juni 2008
Glossar
M8
Gefakte Identität
Johannes M. Hedinger im cc-space
Aus dem Gespräch zwischen Com&Com und den Schülern: (O-Töne)
»Neue Community ist spannend.«
»Erst sinnlos, dann spannend …«
»Jemand hat sich unter meinem echten Namen angemeldet.«
»Ein zweites Ich, man konnte alles machen.«
Social Network
Soziales Netzwerk, bestehend aus Freunden und
Freundesfreunden. Soziale Felder, in denen sich
ein Individuum bewegt. In der digitalen Welt kann
dieses weltumspannend sein.
Community
Eine digitale Form der Vernetzung. Hier treffen
sich Benutzer mit gleichen Interessen zum Austausch. In einer Community muss man sich
zunächst anmelden, um Zugang zu bekommen.
Hat man dies einmal getan, ist man Mitglied
einer digitalen Gemeinschaft.
SchülerVZ
Schüler Verzeichnis. Beispiel einer Community,
die nur für den Austausch unter Schülerinnen
und Schülern konzipiert ist.
Pinnwand
Ein Freiraum, meist auf der Profilseite eines
Benutzers. Hier können öffentliche Nachrichten
hinterlassen werden, die von allen Benutzern
eingesehen werden können.
Mitteilung/Message
Mitteilungen werden entweder an eine oder
mehrere Personen geschickt. Diese Mitteilungen
sind personengebunden und können nur vom
jeweiligen Empfänger gelesen werden. Sozusagen ein digitaler Brief innerhalb der Community,
in der man sich bewegt.
© Theresa Rieß
© Com&Com
Profil
Früher hätte man dazu Steckbrief gesagt. In
einer Community beschreibt ein Profil die sich
dahinter verbergende Person. Hier werden Angaben wie Name, Wohnort, Spitznamen, Hobbys,
Lieblingsessen … versammelt. Die anderen
Benutzer können anhand des Profils eine Vorstellung der Person gewinnen bzw. imaginieren,
wer »hinter« dem Profil steckt.
Julia Ziegenbein
Bedeutungsflächen
im Kunstunterricht
Das Vermittlungsprojekt
»Bilder im Alltag finden …
für den sechsten, siebten
Blick«
Nichts als Linien
Über Peter Piller
Foto: Alexandra Grieß
Peter Piller (*1968) war ab Mitte der neunziger
Jahre elf Jahre in einer großen Hamburger Medienagentur nebenberuflich als Belegkontrolleur tätig.
Seine tägliche Aufgabe bestand darin, in über
100 Regionalzeitungen zu überprüfen, ob geschaltete Inserate auch wirklich abgedruckt worden
waren. Diese Tätigkeit wurde Anlass für Pillers
künstlerische Arbeit, aus der inzwischen das »Archiv Peter Piller« hervorgegangen ist, denn hierbei fielen ihm immer wieder abgedruckte Amateuraufnahmen von auf den ersten Blick absurden
und zugleich sensationell gewöhnlichen Situationen ins Auge. Nach Motiven und Textunterschriften unterteilt, fasste er nunmehr Tag für Tag,
insgesamt siebentausend Bilder in einer subjektiven, bald 100 Sammelgebiete umfassenden Systematik zusammen.
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Julia Ziegenbein / Peter Piller
Ein Beispiel findet sich im zehnten Band der Reihe
»Archiv Peter Piller«, welcher 2006 unter dem Titel
»Bedeutungsflächen (Da ist es)« beim Revolver
Verlag veröffentlicht wurde: Hier zeigt der Künstler eine Zusammenstellung von Regionalzeitungsfotos, auf denen jeweils eine am linken oder rechten Bildrand stehende Person mit ausgestrecktem
Zeigefinger auf eine Brachfläche deutet [B1 A–D].
Wenn Eva Sturm schreibt: »Künstlerinnen […]
stellen aus, was gewöhnlich ›nur‹ Medium ist, zeigen auf den Zeigefinger«,1 so präsentiert Piller
in dieser Arbeit etwas, das auf den zusammengestellten Amateurfotos stets wie aus Versehen mit
abgebildet wird.
Auch im Falle seiner »Bürozeichnungen« arbeitet Peter Piller mit den
vor Ort gegebenen Materialien: Er zeichnet direkt auf dem verfügbaren Papier besagter Medienagentur und gewährt Einsichten in die
systematisierte Alltagswelt der Büroangestellten, »dieser zusammengewürfelten Individuen, die dennoch fünf Tage in der Woche, eine
nicht unbeträchtliche Zeit miteinander verbringen, deren ›wirkliches
Leben‹ sich jedoch […] an einem anderen Ort […] abspielt«.7 Betrachtet man Pillers Beobachtungen vom Teddybären der Kollegin, der an
den Computer der Arbeitskollegin gelehnt dasitzt,8 seine Sammlungen
von abwegigen Dialogen unter Kollegen9 oder auch die Aufzeichnung
der Kante seines Schreibtisches, wenn er 15 Jahre früher angestellt
worden wäre,10 so wird auch hier das Randständige, von dem er in all
seinen Arbeiten ausgeht, zum »Zentrum des Systems und der Ort
selbst zu dessen Grenze oder Rand«.11
Im Zentrum eines jeden Bildes dieser Serie ist weniger das Bedeutete zu finden als vielmehr der
bedeutende Zeigefinger der zeigenden Person.
Anders gesagt: Im Mittelpunkt des gezeigten
Bildes zeigt sich das Mittel des Zeigens selbst.
Damit geht es bei dieser Arbeit im Grunde »um
die Kamera und nicht um das, was sie abbildet«.2
In einem Interview der taz sagt Piller:
Mit diesen Angeboten zur Verlagerung der Aufmerksamkeit von fertigen Aussagen hin zu Optionen von Welt, die etwa bislang unter der
Oberfläche der Kommunikationsmedien der Gesellschaft verborgen
waren oder im unmittelbaren Arbeitsalltag nicht sichtbar erschienen,
erinnern nicht zuletzt auch Pillers »Büroregeln« wie z.B. »Kollegialen
Berührungen entgehen«12 an den Forschungsstil des Soziologen Erving Goffman (1922–1982). In dessen Strategie der »Kontraste und
des Fremden«13 bilden nämlich, ähnlich wie bei Piller, gerade »die
Ausnahmesituation, der missglückte Moment, der Witz, die extreme
Abweichung, die Krise, das Anormale […] eine Brücke zum Normalen
und der Verstoß macht die Regelhaftigkeit des Alltags wahrnehmbar«.14
»Ich kann bloß zeigen, wie was aussieht. Darauf hinweisen, woran das Aussehen erinnert.
Darauf hinweisen, dass ein zweiter Blick oft
lohnend ist.«3
Für diese weniger suchende als vielmehr für Piller typische Tätigkeit
des zufälligen Vor findens von seltsam fremden und dennoch vertrauten Alltagsphänomenen erwiesen sich zudem Bilderquellen wie das
Internet, professionelle Fotonachlässe oder auch der Fundus einer Firma zur Beseitigung von Blindgängern als ergiebig.
Während die seit Jahren wachsende und wuchernde Sammlung als
Ganzes nicht ausgestellt wird, sondern jeweils eine unsichtbare Station in einem Durchgang (und damit Sache des Künstlers) bleibt, zeigt
Piller ausgewählte Bilderserien, in denen feinsinnige Komik mit kritischer Distanz gepaart ist. Stets aus ihrem funktionalen Entstehungskontext herausgelöst, neu betitelt und nicht selten von der Originalgröße abweichend, werden die Bilder zu Motivgruppen verdichtet und
in Form von Bilderflies-Installationen und/oder in Künstlerbüchern in
die Gesellschaft zurückgeführt.
Mindestens. Wenn nämlich die Fotografie als alltägliches Massenmedium, zum Beispiel in Form
von Agenturbildern überregionaler Zeitungen, in
ihrem Aussagewert vornehmlich standardisiert
und gleichgeschaltet daherkommt, und damit allererst jene Situationen hervorruft, in denen
Personen Einweihungsbänder durchschneiden,4
Autos berühren, in Löcher blicken oder Rätselgewinner Geld zeigen,5 besteht Pillers Kunst gerade in der besonderen Aufmerksamkeit, die
er den fotografischen Abbildungen jener Situationen beimisst. Denn seine Arbeit – nicht als
Kritik, sondern als Hommage an amateurhafte Fotografie gelesen – besteht nicht in dem, was
gesammelt, sondern in dem, was daraus gemacht
wird.6 So verändern Pillers Titelsetzungen in Kombination mit dem Mittel der Serie insofern die
Sehweise der/des Blickenden, als nun überhaupt
erst seltsame, Bedeutung tragende fotografische
»Verfehlungen« auf dem vorgefundenen Bildmaterial wahrgenommen werden können. Das
ins Bild Geratene, eher randständig Gemeinte,
das zunächst absurd und fremd Erscheinende gerät in den Blick, wird als das Besondere im Allgemeinen erkennbar.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
Sturm, Eva: »Kunst-Vermittlung ist nicht Kunst-Pädagogik und umgekehrt«, in: Kirschenmann,
Johannes; Wenrich, Rainer; Zacharias, Wolfgang (Hg.): Kunstpädagogisches Generationengespräch. Zukunft braucht Herkunft, München 2004, S. 176–182, hier S. 178.
Goffman, Erving (1977): Rahmen-Analyse. Ein Versuch über die Organisation von Alltagserfahrungen, Frankfurt a.M. 1980, S. 10.
Droschke, Martin: »›Es geht nicht um die Wahrheit.‹ Peter Piller im Interview mit Martin Droschke
anlässlich seiner Werkschau bei Barbara Wien in Berlin«, in: taz vom 06.07.2004: www.taz.de/
index.php?id=archivseite&dig= 2004/07/06/a0233 vom 14.10.2008.
Piller, Peter: »›Durchschnittene Einweihungsbänder‹. Archiv, Zeichnungen, Photos, Publikationen«.
Website des Hamburger Künstlers Peter Piller: www.peterpiller.de vom 17.10.2008.
Vgl. ebd.: »Auto berühren«; »In Löcher Blicken«; »Geld Zeigen«.
Droschke, Martin: »›Es geht nicht um die Wahrheit.‹ …«, a.a.O.
Vgl. Schmidt, Eva: »Das Imaginäre des Büros und die Effizienz von Peter Piller«, in: Piller, Peter
(Hg.): Vorzüge der Absichtslosigkeit. Ausstellungskatalog anlässlich der 5. Verleihung des Förderpreises zum Rubenspreis der Stadt Siegen an Peter Piller, Frankfurt a.M. 2004, S. 9–11, hier S. 11.
Vgl. Piller, Peter: Vorzüge der Absichtslosigkeit, a.a.O.
Vgl. ebd.
Vgl. ebd.
Vgl. Smithson, Robert (1979), S. 177 zit. n. Berg, Stephan: »Im Labyrinth der Kartografie«, in:
Berg, Stephan; Engler, Martin u.a. (Hg.): Die Sehnsucht des Kartografen. Ausstellungskatalog
Kunstverein Hannover 2004, S. 4–7, hier S. 7.
Vgl. Piller, Peter: »Büroregel«, in: Vorzüge der Absichtslosigkeit, a.a.O.
Erving Goffman »greift zur Untersuchung des Normalen auch das Gegenteilige auf und wendet
sich dem Anormalen zu«, s. Heil, Christine: Kartierende Auseinandersetzung mit aktueller Kunst.
Erfinden und Erforschen von Vermittlungssituationen, München 2007, S. 75. »Indem er sich als
›Außenstehender‹ mit der zu erforschenden Sozial- und Sinnwelt vertraut macht, erfährt er deren
Besonderheit als Ensemble von Differenzen zu seinen eigenen Selbstverständlichkeiten«, Herbert
Willems 2004, S. 44 zit. n. ebd.
Heil, a.a.O., S. 82.
Vgl. ebd., S. 27. Die Kartografie ist hingegen »die Wissenschaft und Technik der Herstellung von
Land- und Seekarten. In diesem Bereich wird das Kartieren das Vermessen einer Landschaft und
ihre Darstellung auf einer Karte verstanden. Kartieren heißt auch «in eine Kartei einordnen«, d.h.
etwas wird in eine bestehende Ordnung einsortiert […] Eine Kartierung kann demnach als eine
Form der Bestandaufnahme und der Einordnung angesehen werden […] in Wirtschaftszusammenhängen meint ›mapping‹ […] auch das Entschlüsseln. Das deutet darauf hin, dass Kartierungen
Erkenntnisfunktion haben«, ebd., S. 25.
Vgl. Küng, Max: »In Ordnung! Künstler Peter Piller kriegt alles auf die Reihe«, in: Das Magazin
2007/37, Artikel vom 16.09.2007 unter http://dasmagazin.ch/index.php/in-ordnung/ vom
11.10.2008.
Vgl. Berg, Stephan: »Im Labyrinth der Kartografie«, in: Berg, Stephan; Engler, Martin u.a. (Hg.):
Die Sehnsucht des Kartografen. Ausstellungskatalog Kunstverein Hannover 2004, S. 4–7, hier S. 5.
Julia Ziegenbein im Gespräch mit Peter Piller
in seiner Hamburger Wohnung
Fotos auf den Folgeseiten: Alexandra Grieß
Vor diesem Hintergrund kann Peter Pillers Arbeitsweise insgesamt als soziologisch-künstlerische
Kartierung des Randständigen im Alltag bezeichnet werden. So umfasst der Begriff der Kartierung nach Christine Heil »Vorgehensweisen des
Beobachtens, Sammelns, Kommunizierens und
Aufzeichnens«15 – all diese Vorgehensweisen sind
auch bei Peter Piller zu finden.
Ein weiteres wichtiges Beispiel hierfür ist die Arbeit »Peripherienwanderung Bonn«. Hier umrundete Peter Piller das Stadtgebiet entlang der Besiedlungsgrenzen und der angrenzenden Natur.
Sein Blick richtete sich stets auf einen Bereich,
wo die Dinge aufhören, bevor andere wieder anfangen. Zeichnend, fotografierend, schreibend,
entstanden vom Rande aus Bilder, deren Sinn
»sich nicht nach dem ersten Blick erschliessen
sollte […] Und auch nicht nach dem zweiten.«16
Mit jedem Medienwechsel stellt er sich der Tatsache, »dass jede Karte […] ein Text ist, der nicht
nur informiert, sondern auch desinformiert, nicht
nur eine Fülle von Sachverhalten verdichtet enthält, sondern auch eine Fülle ver weigert«.17 Stets
ist das Ergebnis »ein Bild«, wie er sagt, »für den
sechsten, siebten Blick […], auf dem niemand
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Julia Ziegenbein / Peter Piller
Durchgangsstation
Die Begegnungen
mit Peter Piller
mehr sehen kann, worum es eigentlich geht«18 – außer eben um »die
vagen begrenzungen der gärten, die hausflure als braves niemandsland, die übergänge von nutzland zur brache, die ratlosigkeit der jugendlichen über spuckeseen an endhaltestellen«.19 [B2, B3 A–C]
Doch Peter Piller bewegt sich nicht nur bei Bonn, dem Ruhrgebiet, Hamburg oder anderswo strukturell ambivalent an der Peripherie zwischen der Sehnsucht des Kartografen nach Zusammenhang, Ordnung
und Sinn und dem Wissen um die damit gleichzeitig einhergehende
Unmöglichkeit eines Ineinanderfallens von Zeichen und Bezeichnetem.
Jede seiner Arbeiten erinnert an die von Gilles Deleuze und Félix
Guattari entworfene Figur des Rhizoms als netzförmige Weltkarte, in
der es keine Punkte oder Positionen gibt, sondern nichts als Linien.
Die rhizomatische Karte ist wie die Piller’sche offen, »sie kann in allen
ihren Dimensionen verbunden, demontiert oder umgekehrt werden,
sie ist ständig modifizierbar«.20 [B4]
Wenn Eva Sturm in ihrem Entwurf einer rhizomatischen Kunstvermittlung resümiert, dass auch »ein Lehrer oder ein Vermittler ›mit dem
arbeiten [solle], was sich zeigt‹, um Anschlussstellen an das wachsende
rhizomatische Netz zu finden«,21 sind Pillers Kartierungen in diesem
18 Vgl. Küng, a.a.O.
19 Vgl. Piller, Peter: Materialien (B) Peripherienwanderung Bonn, Bonn: Beethovenstiftung, Frankfurt
a.M. 2007.
20 Vgl. Deleuze, Gilles; Guattari, Félix (1976): Rhizom, Berlin 1977, S. 21.
21 Vgl. Sturm, Eva: Mythos rhizomatische Kunstvermittlung? Zum Beispiel das Projekt what>. Vortrag
im Rahmen der Ringvorlesung »Kunstpädagogische Positionen. Mythos Widerstand?« an der Universität Hamburg, FB Erziehungswissenschaft, gehalten am 19.06.2006, zit. n. Heil, a.a.O., S. 339.
22 Vgl. Berg, Stefan: »Im Labyrinth der Kartografie«, in: Berg, Stephan; Engler, Martin u.a. (Hg.): Die
Sehnsucht des Kartografen. Ausstellungskatalog Kunstverein Hannover, Hannover 2004, S. 4–7,
hier S. 7f.
die Unterrichtseinheit auf Interesse stießen und
dass meine erste Vorlage viele Anknüpfungspunkte für eine weitere Ausarbeitung in Kooperation mit Peter Piller bereithielt.
Zusammenhang insbesondere für die Kunstvermittlung an Schulen interessant. Wird nämlich im
Kontext Schule mit Stephan Berg von einem Individuum ausgegangen, »das sich aufgrund seiner
historischen Entwicklung selbst in einer Randsituation erlebt, […] selbst fragil und disparat geworden […] nicht mehr souverän über eine teleologisch geordnete Wirklichkeit [verfügt]«,22 geben
Peter Pillers vom Rand ausgehende Kartierungen
bereits Bezugsräume und Vermittlungsstrukturen
vor, die für die Lebensrealitäten der Schülerinnen
und Schüler relevant sind.
Zur Überarbeitung meines ersten Unterrichtsentwurfes vereinbarten
wir ein Treffen in Peter Pillers Hamburger Wohnung, deren Schnitt
an sein Archiv erinnert. Sie ist in erster Linie strukturiert durch einen
Durchgang: Ein Flur trennt den Bereich der »Arbeit« – den kleinen
Raum mit all den gesammelten Bildern am einen Ende – von dem des
»Lebens« – dem Wohnzimmer am anderen Ende. Mein erster Eindruck
in diesem fremden Zwischenraum: »Ich habe wirklich Glück gehabt.«
Vielleicht habe ich das Glück einer absichtslosen Suche, wie sie Peter
Piller zueigen ist, verspürt, denn eine genaue Vorstellung, wie dieses
Treffen sein würde, hatte ich mir bis zu dieser ersten Station nicht
gemacht.
Ich sollte Glück behalten, denn nicht nur das erste, sondern auch das
zweite und dritte Treffen zeigten mir, dass meine Überlegungen für
Gemeinsam gingen wir Schritt für Schritt meinen
Entwurf durch, wobei zu erwähnen ist, dass Peter Piller etwa alle fünf Minuten mit den Worten
»Kennst du den schon?«, »Kennst du die Künstlerin?«, oder »Da hab ich noch was, warte kurz«,
am anderen Ende des Raumes einen Katalog nach
dem anderen aus seiner umfangreichen Büchersammlung hervorholte. So stapelte sich eine be achtliche Sammlung an künstlerischen Verwandtschaf ten, theoretischen Referenzen und auch
persönlichen Favoriten von Peter Piller nach und
nach neben mir auf dem Tisch. Darüber hinaus
überreichte er mir eine CD mit sämtlichen Powerpoint-Präsentationen seiner Vorträge und die
Kataloge »Vorzüge der Absichtslosigkeit«, »Materialien (B) – Peripheriewanderung Bonn«, und
»Nijverdal/Hellendoorn«.
Nach meinen Begegnungen mit Peter Piller hatte
ich den Eindruck, nicht nur Ansätze hinsichtlich
des Unterrichtsprojektes gesammelt, sondern
auch wertvolle Tipps für mein eigenes künstlerisches Arbeiten erhalten zu haben. Auf diesem
Wege nochmals herzlichen Dank für die Zusammenarbeit.
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Julia Ziegenbein / Peter Piller
Produktives Verirren
Vermittlung der Arbeiten
Peter Pillers in der Schule
Galerie in Form eines Bilderpools zusammengefasst.23 Dieser Pool
ist, ungeachtet der ursprünglichen Autorschaft, für alle Schülerinnen
und Schüler sowohl jederzeit als auch (möglichst) vielerorts zugänglich und ermöglicht die Erprobung des Sammelns und Zusammenstellens von selbst gewählten Motivgruppen. Die Präsentation der entstandenen Kartierungen an einem außerschulischen Ort stellt den
abschließenden Höhepunkt des Projekts dar.
Während dieser ungewohnte Einstieg die Schülerinnen und Schüler
zunächst vor die besondere Herausforderung stellt, »aufmerksam [zu]
sein und auch [zu] ertragen, erst mal nicht zu wissen, was man damit
überhaupt anfangen soll«,24 zielt dieses Projekt in seinem weiteren Verlauf darauf ab, dass die Schüler durch die wiederholte Verschiebung
ihrer Wahrnehmung des Fremden eigene Seh- und Lerngewohnheiten
aktiv zu hinterfragen lernen. Indem sie sich in einer Wirklichkeit, die
ohnehin kein Zentrum mehr bietet, auf das Verfahren der bewussten,
produk tiven Verirrung einlassen, wird Randständigkeit nicht mehr
nur als Bedrohung erfahren, sondern kann als relevante Möglichkeit
anerkannt werden.
Wenn Peter Piller anmerkt
»das hält doch in unserer zweckgerichteten Verwertungsgesellschaft kaum mehr einer aus – und die Spielräume werden immer
enger«,25
geht es mir bei meinem Projekt darum, dass die Schülerinnen und
Schüler lernen, in ihrem Alltag selbst wieder Spielräume eröffnen zu
können.
Die Einladung Pillers zum genaueren Hinsehen als Spielmöglichkeit zu
erproben heißt genauer: zu lernen, die umgebende Welt nicht als objektiv und unveränderbar gegeben anzusehen, sondern sich ihrer als
perspektivische Projektion, die je nach Standpunkt ihr Gesicht wechseln kann, bewusst zu werden und damit auch den Anspruch der alltäglichen Massenmedien, vollständige Welthaltigkeit abzubilden, durch
den eigenen reflexiven Umgang mit denselben als Konstrukt zu erkennen.
Julia Ziegenbein unterrichtet Schülerinnen und Schüler der Max-Brauer-Gesamtschule in Hamburg
Fotos auf den Folgeseiten: Alexandra Grieß
Das Vermittlungsprojekt »Bilder im Alltag finden […] für den sechsten,
siebten Blick« zum Thema »Kunst und aktuelle Medienkultur« ist auf
Schülerinnen und Schüler ab der Vorstufe der gymnasialen Oberstufe
ausgerichtet.
Ausgangspunkt zur Erprobung von Peter Pillers künstlerischer Verfahrensweise des absichtslosen Suchens und rhizomatischen Kartierens
von erst auf den »zweiten« oder gar »sechsten, siebten Blick« zu entschlüsselnden Phänomenen des Alltags sollen Erkundungen in der
realen Peripherie der Umgebung zwischen dem »Arbeitsort« Schule und
dem »Wohnort« zu Hause sein.
Hierbei geht es zunächst um das Erstellen eigener Kartierungen mittels Zeichnung und Digitalfotografie, wobei im alltäglichen »Durchgang« –
dem Schul-/Heimweg – Randständiges in den
Mittelpunkt der Aufzeichnungen rücken soll. In
einer anschließenden Phase bildet die archivierende Aneignung von vorgefundenem, bereits
medial vermitteltem Bildmaterial den Schwerpunkt des Projekts. Hierfür werden sämtliche auf
den Schul- und Heimwegen aufgenommenen
Fotografien aller Schülerinnen und Schüler zunächst in einer eigens eingerichteten Online-
23
24
25
26
Zur Einrichtung einer Web-Galerie s. unter »Materialien« T1.
Droschke, a.a.O.
Ebd.
Vgl. Busse, Klaus-Peter: Vom Bild zum Ort. Mapping Lernen. Dortmunder Schriften zur Kunst, Norderstedt/Köln 2007 (Studien zur Kunstdidaktik, Band 3), S. 238.
27 Vgl. Meyer, Torsten: Interfaces, Medien, Bildung. Paradigmen einer pädagogischen Medientheorie. Bielefeld 2002, S. 125.
28 Vgl. Busse, Klaus-Peter: »Tracks, Spots, Maps. Vor der ›kartierenden Auseinandersetzung mit
aktueller Kunst‹ von Christine Heil«, in: Heil, Christine: Kartierende Auseinandersetzung mit
aktueller Kunst, a.a.O., S. 7–12, hier S. 8.
Damit folge ich zum einen der von Christine Heil
vorgeschlagenen Vermittlungsform der »kartierenden Auseinandersetzung mit aktueller Kunst«
sowie dem kunstdidaktischen Ansatz des »Mapping-Lernens« nach Klaus-Peter Busse. Hier werden Kartografie und Mapping als Methoden bzw.
Lernformen kultureller Praxis verstanden, die es
möglich machen, Lebensräume zu erkunden, in
denen »sich Erfahrungen entwickeln können, die
im Umgang mit Kunst ganz wesentlich von Entkonventionalisierung geprägt sind, also von der
Bereitschaft und Fähigkeit, aus gewohnten Blickweisen herauszutreten, das Bekannte anders zu
sehen und Neues zu entdecken«.26
Dass es angesichts neuer Medientechnologien, die
das moderne Verständnis von Subjekt, Bildung
und Gesellschaft grundlegend in Frage stellen, in
der Schule vor allem auch eines »Heraustretens«
aus gewohnten Lehr-Lern-Situationen bedarf, ist
bei genauerer Betrachtung nichts grundlegend
Neues. Denn die Pädagogik hat, Torsten Meyer zufolge, spätestens seitdem sie institutionell betrieben wird, grundsätzlich mit dem »Ausgang«
zu tun.27
Zugegeben, dass der paidagogos (gr. Pais »Kind«,
agein »führen«) im antiken Griechenland zunächst
ein Sklave war, der die Kinder aus dem Haus der
Eltern zum gymnasion führte, und dass nicht zuletzt Platons paideia auf den Ausgang aus der
Höhle zielte, zählt heute vielleicht nicht mehr unmittelbar zu »Bekanntem«. Aber die Wiederentdeckung dieses historischen Hintergrundes und
die Neubetrachtung desselben im Zusammenhang mit aktuellen Auseinandersetzungen mit
Begriffen wie Medium und Medialität können zu
einer zeitgemäßen Auffassung vom Raum der
Schule führen. Denn wenn dieser von seinem Ausgang aus, zwischen dem Zuhause und der Schule, und damit von seinen sich ständig verschiebenden Rändern her begriffen wird, kann er als
temporäre Konstellation erfahrbar werden, »als
offenes System, in dem Grenzen kollaborieren
und der sich immer neu konfiguriert, vor allem
wenn künstlerisches Mapping auf ihn zugreift«.28
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Julia Ziegenbein / Peter Piller
Vielfalt ist Reichtum35
Die besondere Schule
im Allgemeinen
zulassen«.33 Dies trifft auch auf die von den
Schülerinnen und Schülern zu erstellenden Aufzeichnungen und Fotografien zu. Bevor im Folgenden von der Durchführung des Projekts in
einem Leistungskurs des zwölften Jahrganges
berichtet wird, soll der Ort der Projektdurchführung, die Max-Brauer-Gesamtschule in Hamburg-Ottensen, als ein bereits bestehendes Beispiel für eine zeitgemäße Reaktion auf einen
Zustand in der Schullandschaft vorgestellt werden, den bereits Gunter Otto als wachsende
»Distanz zwischen dem ›konkreten‹ Leben und
der Schule« beschrieben hat, in dem »bis zum
heutigen Tag der Ausgangspunkt für die Forderung nach Projekten« liegt.34
Die Vermittlung von Peter Pillers Vorgehensweise des Kar tierens kann
somit das Verständnis der Relevanz von Erkundungen im realen Raum
außerhalb der Schule erweitern und als Anlass zu einer notwendigen
Hinterfragung konventioneller Lehr-Lern-Situationen dienen.
Daher wird im vorliegenden Unterrichtsentwurf »Bildung« auch nicht
als ein zu erreichendes Ziel, sondern nach Rainer Kokemohr eher als
ein »Verarbeitungsmodus von Welt- und Selbsterfahrungen«29 gedacht,
der das Herstellen von unablässig neuen Bezügen und Lesarten von
Welt- und Selbstbildern ermöglichen soll. Das Vermittlungskonzept orientiert sich insbesondere an Kokemohrs Text »Bildung als Welt- und
Selbstentwurf im Fremden«, in dem der hier übernommene Bildungsbegriff in Bezug auf die Fremderfahrung30 differenziert wird. So ist
»das Fremde« nach Kokemohr eine Erfahrung, die in die vertrauten
Welt- und Selbstverhältnisse einbricht und sich einer Zuordnung zu
Strukturen eines gegebenen Welt- und Selbstentwurfs widersetzt. 31
Die Initiation eines zunächst als »fremd« empfundenen Vermittlungsprozesses, d.h. »einer grundlegenden Transformation von Welt- und
Selbstverhältnissen dort, wo auf neue Problemer fahrungen in schon
erworbenen Orientierungen nicht mehr angemessen geant wortet
werden kann«,32 ist mir ein wichtiges Anliegen.
Hinsichtlich des von den Schülerinnen und Schülern angewandten
Verfahrens der Kartierung lässt sich eine Parallele zu Andrea Sabischs
Ausführungen zur »Inszenierung der Suche« ziehen, man könnte von
einer »grafierenden Kartierung« sprechen. Denn Grafien können, so
Andrea Sabisch, als »Instrumente des Antwortens bezeichnet [werden],
die auf verschiedene mediale, materielle und zeitliche Erfahrungen,
Erfahrungswege und Erfahrungsräume verweisen und das Fremde
29 Kokemohr, Rainer: »Bildung in interkultureller Kooperation«, in:
Abeldt, Sönke; Bauer, Walter (Hg.): »… was es bedeutet, verletzbarer Mensch zu sein«. Erziehungswissenschaft im Gespräch mit
Theologie, Philosophie und Gesellschaftstheorie. Helmut Peukert
zum 65. Geburtstag, Mainz 2000, S. 421–436, hier S. 421.
30 So wie sie Bernhard Waldenfels im Anschluss an Edmund Husserl
thematisiert hat.
31 Kokemohr, Rainer: »Bildung als Welt- und Selbstentwurf im
Anspruch des Fremden«, in: Koller, Hans-Christoph; Marotzki,
Winfried; Sanders, Olaf (Hg.): Bildungsprozesse und Fremdheitserfahrung. Beiträge zu einer Theorie transformatorischer Bildungsprozesse, Bielefeld 2007, S. 13–68, hier S. 23.
32 Kokemohr, Rainer: »Bildung in interkultureller Kooperation«,
a.a.O., S. 421.
33 Vgl. Sabisch, Andrea: Inszenierung der Suche. Vom Sichtbarwerden ästhetischer Erfahrung im Tagebuch. Entwurf einer wissenschaftskritischen Grafieforschung, Bielefeld 2007, S. 219.
34 Otto, Gunter: »Projektunterricht als besondere Unterrichtsform«, in: Bastian, Johannes; Gudjons, Herbert; Schnack, Jochen
u.a. (Hg.): Theorie des Projektunterrichts, Hamburg 2004,
S.187–198, hier S. 189.
35 Vgl. www.maxbrauerschule.de vom 11.10.2008.
36 Vgl. Duncker, Ludwig: »Projektlernen: Neue Rollen für die Schüler.
Eine schultheoretische Ortsbestimmung«, in: Bastian, Johannes;
Gudjons, Herbert (Hg.): Das Projektbuch II. Über die Projektwoche hinaus – Projektlernen im Fachunterricht, Hamburg 1998.
S. 65–80, hier S. 71.
37 Vgl. Bastian, Johannes; Combe, Arno: »Lehrer und Schüler im
Projektunterricht. Zur Theorie einer neuen Balance zwischen der
Verantwortung des Lehrenden und der Selbstverantwortung der
Lernenden«, in: Bastian; Gudjons; Schnack, a.a.O., S. 245–257,
hier S. 245.
38 Gerstenmaier, Jochen; Mandl, Heinz: Wissenserwerb aus
konstruktivistischer Perspektive, in: Z.f.Päd., H. 6/1995,
S. 867–888, hier S. 881.
39 Ebd.
40 Heil, a.a.O., S. 17. Heil bezieht sich hier auf: Peters, Maria: Blick
– Wort – Berührung. Differenzen als ästhetisches Potential in
der Rezeption plastischer Werke von Arp – Maillol – F.E. Walther,
München 1996 und Sturm, Eva: Von Kunst aus bilden, in:
Landesverband der Kunstschulen Niedersachen e.V. (Hg.):
bilden mit kunst, Bielefeld 2004, S. 135–147.
41 Vgl. Sturm, Eva: Mythos rhizomatische Kunstvermittlung?, a.a.O.
dies nach Ludwig Duncker, »daß Schüler nicht zu
Rezipienten und ›Objekten‹ einer vorab fertigen
Sache bestimmt sind, sondern als Subjekte des
Lerngeschehens beansprucht werden«.36 Damit
einhergehend wurde an dieser Schule das Planungs-, Organisations-, Informationsbeschaffungs-,
Kontroll- und Bewertungsmonopol der Lehrenden aufgegeben, so dass die Schülerinnen und
Schüler inzwischen auch an genuin didaktischen
Aufgaben beteiligt werden.37 In diesem Sinne
werden selbstbestimmtes und fächerübergreifendes Arbeiten, das Lernen in Kleingruppen, sowie
erfahrungsbezogener Unterricht mit Lebenspraxis- und Gesellschaftsbezug in besonderem Maße
gefördert.
Vermittlungssituationen also auch für Schüler als
»aktiven Prozeß«38 zu initiieren, bedeutet nach
Herbert Gudjons, »daß Lernen einen ›rich context‹
braucht, also ein Höchstmaß an Situiertheit […],
und zwar gerade auch außerhalb des Klassenzimmers«. 39 [B5] Da sich gerade im Feld (zeitgenössischer) Kunst »der Raum zwischen Subjekt und
Werk […] nur symbolisch oder performativ, beispielsweise sprachlich, in medialen Übergängen
und in Inszenierungen« vermittelt,40 ist das Heraustreten aus konventionellen Lehr-Lern-Situationen einmal mehr als Herausforderung zur Mündigkeit der Lernenden zu verstehen.
Die im Jahre 2006 mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnete MaxBrauer-Schule in Hamburg ist eine Reformschule mit gymnasialer Profiloberstufe, die von etwa 1200 Schülerinnen und Schülern aus über
30 Nationen besucht wird. Damit es den Schülerinnen und Schülern
möglich wird, einen Umgang mit dieser Vielfalt zu erlernen, sich mit
ihr auseinanderzusetzen und sie als selbstverständlich zu akzeptieren,
hat sich die Schule auf handlungsorientierten Projektunterricht spezialisiert, der im Unterschied zu anderen deutschen Gesamtschulen auf
die übliche Zuweisung der Schüler zu Kursen mit unterschiedlichem
Lernanspruch verzichtet.
Herzstück der hier praktizierten Projektidee ist die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler. Für ein »neues« Verständnis von Unterricht heißt
In ähnlicher Weise wie Peter Piller den Mythos
des alleinig schöpfenden Künstlergenies zugunsten der Einbeziehung der Betrachter in Frage
stellt, indem er Kategorien wie Autorschaft und
Originalität als unbewusste, die Kunsterfahrung
steuernde Anteile entlarvt, und wie auch Eva Sturm
deutlich macht, dass schon »in der Vermittlung
[…] die Mitte [steckt], das Dazwischen«, steht auch
an der Max-Brauer-Schule der/die Lehrende als
uneindeutige Ver-Mittlerin im Wechselspiel mit
den Schülern »in der Mitte, am Rand, im Weg,
dabei und daneben, anwesend-abwesend, zwischen aktiv und passiv, ist ›Medium‹«.41
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Julia Ziegenbein / Peter Piller
Nicht zu fassen
Kartierende Auseinandersetzung mit Peter Pillers
Kunst im Projektunterricht
Übergang
Planung
des Unplanbaren
Das in diesem Fall vier Wochen umfassende Projekt besteht aus wöchentlich fünf Stunden und
ist an den fünf Phasen des Projektunterrichts 42
orientiert, innerhalb derer versucht wurde, die
hier vorgestellten Aspekte in Peter Pillers Arbeit
zu berücksichtigen und diese wiederum mit der
Idee des Projektunterrichts in einer sich gegenseitig erhellenden Weise zu verbinden.
anonymen Raum, das bisher nicht aufgefallen war, möglichst spontan
in Form von Digital-/Handyfotos festgehalten. Dies können Gegenstände, Situationen, Konstellationen o.Ä. sein, die – im Gegensatz zu
der allseits sichtbaren Identität der Orte – die Aufmerksamkeit der
Schüler insofern herausfordern, als sie diese nicht sofort einordnen
oder eine unmittelbare Erklärung hierfür finden können.43
Ausgang
Grafierendes Kartieren
im realen Raum
Um den Alltag als Möglichkeitsraum für die Erprobung der zunächst fremden Handlungsform des
künstlerischen Kartierens zu eröffnen, erhalten die
Schülerinnen und Schüler in der ersten Sitzung
der Einstiegsphase einen Arbeitsauftrag mit dem
Titel »Die Unsichtbarkeit der Dinge in meinem
Alltag«. [M1] Ausgestattet mit Zeichenmaterial
und einer Digitalkamera oder dem eigenen fotofähigen Handy, geht es darum, sich die Zeit zu
nehmen, das alltägliche Ritual Schulweg/Heimweg
an seiner Peripherie grafierend zu dokumentieren. Zunächst erfahren die Schülerinnen und Schüler sich als alleinige Autoren der gezeichneten
und fotografierten Originale.
Während die Zeichnung in erster Linie ermöglicht, dieses Ritual als Durchgang zwischen den
Orten ernst zu nehmen und sich allererst zu
vergegenwärtigen, wird Randständiges in diesem
In der folgenden Sitzung werden die so entstandenen Dokumente von
jedem Schüler im Kurs präsentiert und Überlegungen für das weitere
Vorgehen angestellt. Der Arbeitsauftrag wird anschließend bis zur nächsten Stunde wiederholt, um die jeweiligen Ideen zur Durchführung des
Auftrages zu vertiefen.44
Zusätzlich zu dieser Wiederholung des Arbeitsauftrages verteile ich
Stephan Bergs Artikel »Im Labyrinth der Kartografie«, [M2] der dem
Katalog der Ausstellung »Die Sehnsucht des Kartografen« entnommen ist, die 2004 unter Teilnahme Peter Pillers im Kunstverein Hannover stattfand. Die praktische Arbeit der Schüler begleitend, dient
dieser das Verwandtschaftsverhältnis kartografischer und künstlerischer
Praxis in Geschichte und Gegenwart untersuchende Text als Ausgangspunkt für die Reflexion des eigenen Tuns in der nächsten Stunde.
42 Vgl. Ehmer, Wolfgang; Lenzen, Dieter: »Methoden des Projektunterrichts«, in: Bastian, Johannes;
Gudjons, Herbert; Schnack, Jochen u.a. (Hg.): Theorie des Projektunterrichts, a.a.O., S. 213–230.
43 Je nach Verfahren sind beliebig viele Zeichnungen möglich. Der Richtwert für die Fotografien liegt
bei etwa 30 Stück.
44 Erfahrungsgemäß ist es ratsam, den Schülerinnen und Schülern bei dieser Aufgabe möglichst viel
Zeit zum Experimentieren einzuräumen und daher von Anbeginn mehr Zeit als ggf. benötigt einzuplanen.
45 Vgl. entsprechende Verweise in Berg, Stephan: »Im Labyrinth der Kartografie«, a.a.O.
46 Es ist wichtig, die Vorstellung der Arbeiten Pillers nach der Einstiegsphase vorzunehmen. Hierbei
sollten nicht nur Pillers Aneignungen von vorgefundenem Bildmaterial vorgestellt werden, sondern
vor allem auch seine Zeichnungen und eigenen Fotografien.
47 Es ist sinnvoll, die Bilder jedes Schülers auf CDs einzusammeln, denn die Übertragung von
einem USB-Stick dauert erfahrungsgemäß zu lange, um alle Bilder auf den Laptop der Lehrkraft
zu »ziehen«.
Im Übergang zur Planungsphase geht es zunächst
um das Verständnis des Textes »Im Labyrinth der
Kartografie«. Als ergänzende Visualisierung über
den Beamer dienen neben exemplarischen Bildmaterialien aus der Kunstgeschichte45 auch aktuelle Beispiele aus den täglichen Massenmedien.
So habe ich z.B. Screenshots aus Google Maps
verwendet, die eigentlich den Eiffelturm zeigen
sollen, aber durch sämtliche Detailfotografien
von Touristen diesen nahezu vollkommen überdecken. Darüber hinaus bot sich ein WahlkampfFoto von Barack Obama an, auf dem zu beobachten ist, dass die meisten Personen im Publikum
nicht auf den Kandidaten, sondern in die auf sie
gerichteten Kameras sowie auf die Großbildmonitore, auf denen sie sich zum Teil selbst zuwinken,
schauen. Im Zuge des Austauschs über die eigenen Zwischenergebnisse findet eine kurze Diskussion über den Zusammenhang zwischen der Textaussage und dem Arbeitsauftrag statt.
Kurz darauf haben wir die Ehre, Peter Piller selbst
in der Schule begrüßen zu dürfen. Gemeinsam
mit mir stellt er wie geplant erst zu diesem Zeitpunkt Auszüge aus seiner Arbeit vor und stellt
sich den interessierten Fragen der Schülerinnen
und Schüler.46 Im Gegenzug präsentierten diese
dem Künstler ihre Zwischenergebnisse aus der
Wiederholung des Arbeitsauftrages »Die Unsichtbarkeit der Dinge in meinem Alltag«.
Nach diesem interessanten und anregenden Besuch Peter Pillers wird mit der Planung der nun
folgenden Gruppenprojekte zur Erprobung der
kar tierenden Aneignung von vorgefundenem
Bildmaterial begonnen. Um in Kleingruppen von
etwa vier Personen selbstorganisiertes Arbeiten
an eigens gewählten Lernorten oder ggf. auch von
zu Hause aus zu ermöglichen, habe ich im Vorwege die dafür notwendige passwortgesicherte
Online-Galerie47 eingerichtet. [T1] Darin habe
ich sämtliche von den Schülerinnen und Schülern
erstellten Fotografien in einem ca. 250 Einzelbilder umfassenden Bilderpool zusammengefasst.
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Julia Ziegenbein / Peter Piller
Zugang
Über kartierende Aneignung
von vorgefundenem Bildmaterial
Einblick
Ausstellung
Gerade die kooperative Arbeit in der Gruppe birgt
die Möglichkeit, eigene Erwartungshaltungen
an Bilder im Allgemeinen, aber auch an Kunst im
Besonderen zu hinterfragen, insofern Überlegungen darüber angestellt werden, was eigentlich
passiert, wenn ein einzelner Autor eines vorgefundenen Bildes bzw. der gemeinsam erstellten Serie nicht mehr auszumachen ist.
Rückblick
»Türen schliessen selbsttätig.«51
Mit Beginn der nächsten Sitzung präsentieren die
Schülerinnen und Schüler die gemeinsam erstellten Fotoserien und dazugehörigen Titel unter Verwendung des Beamers. In jeweils begleitenden
Gesprächen wird gemeinsam darüber verhandelt
und abgestimmt, ob Manipulationen an Größe,
Farbe, Material und Medium vorgenommen werden sollen und in welcher Größe Abzüge zu erstellen sind oder ob die Bilderserien in der geplanten Ausstellung wiederum mit dem Beamer präsentiert werden sollen.
Ausblick
Anschlüsse finden
und vermitteln
Die Durchführungsphase der Gruppenprojekte beginnt genau genommen bereits nach Unterrichtsschluss, wobei den Schülerinnen und
Schülern der Großteil der Unterrichtszeit zur Ent wicklung, Realisation
und Produktion ihrer Kartierungen eingeräumt wird. Denn die Aufgabe besteht in dieser Phase darin, in den gebildeten Gruppen die in der
Online-Galerie gesammelten Bilder nach neuen, selbst gewählten
Ordnungskriterien und Sinnzusammenhängen zu Serien zu ordnen.48
Überlegungen zum Arbeitstitel sind dabei ebenso wichtig wie die Auswahl der Bilder, wobei Paradoxien und Ungereimtheiten alles andere
als unerwünscht sind.
48 Die Bilder können in der Webgallery einzeln angeklickt werden, um sie zu vergrößern und
anschließend auf einem angelegten Archivordner auf dem genutzten Rechner zu speichern.
Dabei geht es nicht darum, durch eine Menge an Bildern zu beeindrucken, sondern ein Archiv
als eine Sammlung zu verstehen, die keine Anhäufung ist.
49 Vgl. http://www.myspace.com/diebeduerfnisanstalt vom 17.10.2008.
50 Die in den Projektprozessen entstandenen Einzel- und Gruppenarbeiten können beispielsweise
in einer Installation, in der die Bilder und Betrachter in einen offenen Dialog treten, präsentiert
werden.
51 Vgl. Piller, Peter: »Büroregel«, a.a.O.
Zur kontextuellen Einbettung des bisher Erlernten,
aber auch um Anschlüsse für die Zeit nach dem
Projekt zu eröffnen, werden beim letzten Treffen
vor der öffentlichen Projektpräsentation Kurzreferate in den bereits bestehenden Kleingruppen
gehalten. Gemeinsam mit Peter Piller habe ich
eine Liste ausgewählter künstlerischer Positionen
zusammengestellt, bei denen es ebenfalls um
die Aneignung von vorgefundenem Fotomaterial
geht und die ihm im Laufe seines eigenen künstlerischen Schaffens sehr wichtig geworden sind.
[M3] Es bietet sich an, jeweils zwei zeitgenössische Künstler aus dieser Liste bzw. jeweils eine
bis zwei exemplarische Arbeiten aus deren Werk
auswählen und diese in den bestehenden Arbeitsgruppen unter Einbezug eigener Recherchen
bis zur nächsten Stunde erarbeiten zu lassen. Für
die insgesamt vier etwa zehnminütigen Kurzreferate besteht die Aufgabe darin, die jeweiligen Verfahrensweisen der Künstlerinnen und Künstler
kurz zu erläutern, miteinander zu vergleichen und
im Verlauf einer gemeinsamen abschließenden
Diskussion in Bezug zu Peter Pillers Arbeit und
zu den eigenen Projekten zu setzen. [B6, B7, B8]
Um die entstandenen Kartierungen für den sechsten, siebten Blick in
Form einer Ausstellung in die Öffentlichkeit zurückzuführen, fällt in
der Präsentationsphase unsere Wahl auf einen Ort in Ottensen, der
jahrelang als unterirdische, öffentliche Toilette (als »Bedürfnisanstalt«)
mit oberirdischer Wartehalle gedient hatte, anschließend eine Zeit
lang leer und ebenfalls randständig blieb, inzwischen jedoch selbst zu
einem bedeutungstragenden Ort geworden ist: als Galerie mit dem
Namen »Die Bedürfnisanstalt, das kleine Örtchen, wo die Ideen zu
Hause sind«.49 [B9]
Dort treffen sich die Schülerinnen und Schüler einen Tag vor der Ausstellung, um gemeinsam ein Konzept für die sich über zwei Etagen
erstreckende Ausstellung zu erarbeiten50 und den Aufbau vorzunehmen. [B10] So kann in der Arbeitsphase die Galerie zu einem Möglichkeitsraum werden – die Schülerinnen und Schüler können die Erfahrung machen, dass Kunst und Vermittlung aus mehr bestehen als
aus dem »Werk« an der Wand und den »Inhalten« an der Tafel.
Im oberen Stockwerk wird eine Auswahl der Zeichnungen jedes Schülers und der Fotoserien aus der Gruppenarbeit gezeigt, während im
unteren Stockwerk eine Art Blackbox für die Präsentation weiterer Fotoserien über einen Beamer eingerichtet wird. [optional B11–B21 C] In
der Erfahrung zeigt sich jedoch, dass Kunst und Vermittlung nicht von
objektiven Maßstäben abhängen, sondern von jedem/jeder Einzelnen
geschaffen werden, indem einem Ort Lebenszeit zuteil wird. Damit entstehen Kunst und ihre Vermittlung nicht nur aus einer »Mitte« heraus, sondern ereignen sich unter Beteiligung der Ränder, der Peripherie und sogar der unsichtbaren Dinge auf (Um-)Wegen, die einfach
nicht zu fassen sind.
In der Auswertungsphase machen Einzel- und
Gruppenresultate nur einen Teil der Leistung aus,
da gerade im Verlauf von Prozessen vielerlei
Optionen entstehen, welche die Ergebnisse mit
beeinflussen. Meines Erachtens ist daher ein
das Projekt begleitendes Tagebuch in Form eines
Arbeitsprozessberichtes, [M4] der zur selbstständigen Einschät zung der eigenen Kompetenzen sowie zur Beurteilung der Gruppenleistungen dient
und bei der Bewertung durch den Lehrenden
maßgeblich berücksichtigt wird, von großer Bedeutung. Der Bericht kann beispielsweise in das
eingangs genutzte Zeichenheft integriert werden, Zeichnungen und Notizen ergänzen und damit auch eine eigene ästhetische Qualität entfalten. [B22]
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Julia Ziegenbein / Unterrichtsmaterialien
Peter Piller
Ausstellungen (Auswahl)
Literatur
Geboren in Fritzlar
1968
1993–2000 Studium der Geografie, Germanistik, Kunstpädagogik,
1. Staatsexamen, Universität Hamburg / HfBK Hamburg;
Diplom Freie Kunst bei Prof. Franz Erhard Walther, HfBK
Hamburg
2005
Gastprofessur, HfBK Hamburg
seit 2006 Professur für Fotografie im Feld zeitgenössischer Kunst,
HGB Leipzig
1999
Berg, Stephan
Im Labyrinth der Kartografie
In: Berg, Stephan; Engler, Martin u.a. (Hg.): Die Sehnsucht
des Kartografen. Ausstellungskatalog Kunstverein Hannover,
Hannover 2004, S. 4–7
Publikationen (Auswahl)
2001
2002
2003
2004
2006
2007
Bilder: Berühren, Fundstücke aus der Regionalpresse, in:
Mittelweg 36, Institut für Sozialforschung, Heft 2/01,
Hamburg, S. 2–7.
In der Reihe »Archiv Peter Piller«, Berlin/Frankfurt am Main:
Band 1, durchsucht und versiegelt, Tatorthäuser
Band 2, diese Unbekannten, Täter
Band 3, Die Verantwortlichen sind einstimmig,
Ortsbesichtigungen
Band 4, Noch ist nichts zu sehen, Bauerwartungsflächen
Unangenehme Nachbarn, Kulturbehörde der Freien und
Hansestadt Hamburg, Revolver, Frankfurt am Main
In der Reihe »Archiv Peter Piller«, Berlin/Frankfurt am Main:
Band 5, Stein des Anstoßes
Band 6, Schandfleck/Schmuckstück
Von Erde schöner, Vice Versa, Berlin; Revolver, Frankfurt
am Main
Vorzüge der Absichtslosigkeit, Museum für Gegenwartskunst Siegen; Revolver, Frankfurt am Main
I. d. Reihe »Archiv Peter Piller«, Vice Versa, Berlin;
Revolver, Frankfurt am Main:
Band 7, Regionales Leuchten
Band 8, Auto berühren
I. d. Reihe »Archiv Peter Piller«, Vice Versa, Berlin;
Revolver, Frankfurt am Main:
Band 9, (Pfeil)
Band 10, Bedeutungsflächen
Peter Piller nimmt Schaden, Christoph Keller Editions
published by JRP Ringier
Peter Piller Zeitung, Christoph Keller Editions
published by JRP Ringier
Peter Piller Nijverdal/ Hellendoorn, Christoph Keller Editions
published by JRP Ringier
Peter Piller Teilzeitkraft, Christoph Keller Editions
published by JRP Ringier
2000
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Wohin kein Auge reicht (G),
Deichtorhallen Hamburg
Deep Distance (G), Kunsthalle Basel
Bürozeichnungen (E),
Galerie Frehrking Wiesehöfer Köln
Die Sehnsucht des Kartografen (G),
Kunstverein Hannover
Vorzüge der Absichtslosigkeit (E),
Museum für Gegenwartskunst Siegen
Hamburg Group Show (G), Museum Of
Contemporary Photography Chicago
Archiev Peter Piller (E),
Witte de With Rotterdam
Contrabando (G),
Galeria Luisa Strina Sao Paulo
Just Off Focus (G),
Andrew Kreps Gallery New York
First the artist defines meaning (G),
Camera Austria Kunsthaus Graz
Ästhetik und Langeweile (E),
Kunsthaus Glarus
Archive Peter Piller (E),
Andrew Kreps Gallery New York
Vertrautes Terrain. Aktuelle Kunst in
und über Deutschland (G),
ZKM Karlsruhe
The Order Of Things (G),
Muhka Antwerpen
Literatur
Bastian, Johannes, Combe, Arno; Gudjons,
Herbert; Herzmann, Petra; Rabenstein, Kerstin
(Hg.)
Profile in der Oberstufe. Fächerübergreifender
Projektunterricht in der Max-Brauer-Schule
Hamburg, Hamburg 2000
Bastian, Johannes; Combe, Arno
Lehrer und Schüler im Projektunterricht.
Zur Theorie einer neuen Balance zwischen
der Verantwortung des Lehrenden und der
Selbstverantwortung der Lernenden
In: Bastian, Johannes; Gudjons, Herbert; Schnack,
Jochen; Speth, Martin (Hg.): Theorie des Projektunterrichts, Hamburg 2004, S. 245–257
Busse, Klaus-Peter
Vom Bild zum Ort: Mapping Lernen
Dortmunder Schriften zur Kunst, Norderstedt/Köln 2007
(Studien zur Kunstdidaktik Band 3)
Busse, Klaus-Peter
Tracks, Spots, Maps. Vor der »kartierenden Auseinandersetzung
mit aktueller Kunst« von Christine Heil
In: Heil, Christine: Kartierende Auseinandersetzung mit aktueller
Kunst. Erfinden und Erforschen von Vermittlungssituationen,
München 2007, S. 7–12, hier. S. 8
Duncker, Ludwig
Projektlernen: Neue Rollen für die Schüler.
Eine schultheoretische Ortsbestimmung
In: Bastian, Johannes; Gudjons, Herbert (Hg.): Das Projektbuch II.
Über die Projektwoche hinaus – Projektlernen im Fachunterricht,
Hamburg 1998, S. 65–80
Ehmer, Wolfgang; Lenzen, Dieter
Methoden des Projektunterrichts
In: Bastian, Johannes; Gudjons, Herbert; Schnack, Jochen; Speth, Martin
(Hg.): Theorie des Projektunterrichts, Hamburg 2004, S. 213–230
Gudjons Herbert
Lernen – Denken – Handeln. Lern-, kognitions- und handlungspsychologische Aspekte zur Begründung des Projektunterrichts
In: Bastian, Johannes; Gudjons, Herbert; Schnack, Jochen; Speth, Martin
(Hg.): Theorie des Projektunterrichts, Hamburg 2004, S. 111–150
Heil, Christine
Kartierende Auseinandersetzung mit aktueller Kunst. Erfinden und
Erforschen von Vermittlungssituationen
München 2007
Kokemohr, Rainer
Bildung in interkultureller Kooperation
In: Abeldt, Sönke; Bauer, Walter (Hg.): »… was es bedeutet,
verletzbarer Mensch zu sein«, Mainz 2000, S. 421–436
Kokemohr, Rainer
Bildung als Welt- und Selbstentwurf
im Anspruch des Fremden
In: Koller, Hans-Christoph; Marotzki, Winfried;
Sanders, Olaf (Hg.): Bildungsprozesse und
Fremdheitserfahrung. Beiträge zu einer Theorie
transformatorischer Bildungsprozesse, Bielefeld
2007, S. 13–68
Meyer, Torsten
Interfaces, Medien, Bildung.
Paradigmen einer pädagogischen Medientheorie
Bielefeld 2002
Otto, Gunther
Projektunterricht als besondere Unterrichtsform
In: Bastian, Johannes; u.a (Hg.): Theorie des
Projektunterrichts, Hamburg 2004, S. 187–198
Piller, Peter
Materialien (B) Peripheriewanderung Bonn
Bonn: Beethovenstiftung, Frankfurt am Main 2007
Sabisch, Andrea
Inszenierung der Suche. Vom Sichtbarwerden
ästhetischer Erfahrung im Tagebuch. Entwurf
einer wissenschaftskritischen Grafieforschung
Bielefeld 2007
Schmidt, Eva
Das Imaginäre des Büros und die Effizienz
von Peter Piller
In: Piller, Peter (Hg.): Vorzüge der Absichtslosigkeit. Museum für Gegenwartskunst Siegen.
Ausstellungskatalog anlässlich der 5. Verleihung
des Förderpreises zum Rubenspreis der Stadt
Siegen an Peter Piller, Frankfurt am Main 2004,
S. 9–11
112 / 113
kiss
Julia Ziegenbein / Unterrichtsmaterialien
Internetquellen
Droschke, Martin
Es geht nicht um die Wahrheit. Peter Piller im Interview mit Martin
Droschke anlässlich seiner Werkschau bei Barbara Wien in Berlin
In: taz vom 06.07.2004
www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2004/07/06/a0233
vom 14.10.2008
Bildbeispiele
B1A–D
Peter Piller
Bedeutungsflächen (Da ist es). (Auszug)
A
B2
Peter Piller
Materialien (B). Peripheriewanderung Bonn. (Auszug)
6. Peripheriewanderung. Bus 615 Bad Godesberg Fähre –
Bus 622 Niederholtorf Mitte, 1. September 2006
Küng, Max
In Ordnung! Künstler Peter Piller kriegt alles auf die Reihe
In: Das Magazin 2007/37, Artikel vom 16.09.2007
http://dasmagazin.ch/index.php/in-ordnung
vom 11.10.2008
Piller, Peter
Archiv, Zeichnungen, Photos, Publikationen
Website des Hamburger Künstlers Peter Piller
www.peterpiller.de
vom 17.10.2009
B
C
B
In: Keller, Christoph (Hg.): Archiv Peter Piller, Bonn,
Frankfurt am Main 2007. © Peter Piller; Revolver – Archiv
für aktuelle Kunst, Frankfurt; Beethovenstiftung, Bonn
Ziegenbein, Julia
Bilder im Alltag finden … für den sechsten, siebten Blick
www.bedeutungsflaechen.de
vom 20.11.2008
B3 A–C
C
Peter Piller
Materialien (B). Peripheriewanderung Bonn. (Auszug)
A
In: Keller, Christoph (Hg.): Archiv Peter Piller. Bonn,
Frankfurt am Main 2007. © Peter Piller; Revolver – Archiv
für aktuelle Kunst, Frankfurt; Beethovenstiftung, Bonn
B4
Rhizom von Convallaria multiflora
D
In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens, 6., gänzlich neubearbeitete
und vermehrte Auflage. 16. Band. Plaketten bis Rinteln,
Leipzig / Wien 1907, S. 879
In: Archiv Peter Piller, Bd. 10. Berlin, Frankfurt am
Main 2006. © Peter Piller; Revolver – Archiv für
aktuelle Kunst, Frankfurt am Main; Vice Versa
114 / 115
kiss
Julia Ziegenbein / Unterrichtsmaterialien
Bildbeispiele
B5
Bild vor dem Eingang zum Lehrerzimmer der MaxBrauer-Schule, im Durchgang zwischen Schulhof
und Aufgang zu den Klassenräumen
B7
© Pascal Schoenmakers, Christopher Bokeloh;
Julia Ziegenbein
B10
© Vanessa Carroccia, Hannah Hildebrandt, Yvonne Eisele;
Julia Ziegenbein
B13
© Christopher Bokeloh, Jeronimo Molkenthin,
Pascal Schoenmakers; Julia Ziegenbein
© Julia Ziegenbein
B6
B8
© Hannah Hildebrandt; Julia Ziegenbein
B9
B11
© Julia Ziegenbein
B12
B14
© Vanessa Carroccia; Julia Ziegenbein
B15
A
B
© Inka Fischer; Julia Ziegenbein
© Julia Ziegenbein
© Julia Ziegenbein
Kugel in Acrylfarbe getaucht auf Papier. Aus dem Arbeitsauftrag: »Die Unsichtbarkeit der Dinge in meinem Alltag«
(Auszug) © Hannah Hildebrandt; Julia Ziegenbein
116 / 117
kiss
Julia Ziegenbein / Unterrichtsmaterialien
Bildbeispiele
Textbeispiele
B16
c
B20 A–C
zurückgeblieben
A
Weg nach Hause. Rad fahrend
B21 A–C
Hinter Gittern
A
© Yvonne Eisele, Inka Fischer, Hannah Hildebrandt;
Julia Ziegenbein
Kugelschreiber auf Papier. Aus dem Arbeitsauftrag: »Die
Unsichtbarkeit der Dinge in meinem Alltag« (Auszug)
© Yvonne Eisele; Julia Ziegenbein
B
B19 A–C
Geheime Zeichen
A
B17
B
Im Bus. Bei jeder Station Farbe abgewechselt
C
B
Filzstift auf Papier. Aus dem Arbeitsauftrag: »Die Unsichtbarkeit der Dinge in meinem Alltag« (Auszug)
© Nadine Moritz; Julia Ziegenbein
B18 A–C
Sinnfrei
A
C
© Yvonne Eisele, Inka Fischer, Hannah Hildebrandt;
Julia Ziegenbein
B22
C
Prozessheft
B
© Yvonne Eisele, Inka Fischer, Hannah Hildebrandt;
Julia Ziegenbein
© Yvonne Eisele, Inka Fischer, Hannah Hildebrandt;
Julia Ziegenbein
© Vanessa Carroccia, Julia Ziegenbein
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kiss
Julia Ziegenbein / Unterrichtsmaterialien
Materialien
Textbeispiele
Folgende Materialen werden für einen Kurs von ca. 16 Schülern
benötigt:
· Pro Schüler eine Digitalkamera oder ein Mobiltelefon
mit integrierter Kamera
· Pro Schüler ein Zeichenblock oder Heft, Zeichenstifte
· Pro Schüler eine Mappe oder ein Heft, in dem sämtliche
Materialen gesammelt, und der Projektprozess in Tagebuchform
dokumentiert werden
· Pro Schüler ein Speichermedium, z.B. ein USB-Stick
· Ein Rechner und ein Beamer in der Klasse
· Pro Gruppe ein Rechner mit einem
installierten Fotobearbeitungsprogramm
· CD-Rohlinge nach Bedarf
Zusätzliche Literaturempfehlungen zur Vorbereitung für Lehrende
Buchloh, Benjamin H.D.
Gerhard Richters Atlas. Das anomische Archiv
In: Wolf, Herta (Hg.): Paradigma Fotografie. Fotokritik am Ende des
fotografischen Zeitalters, Frankfurt a.M. 2002, S. 399–427
Daniels, Dieter
Duchamp und die anderen. Der Modellfall einer künstlerischen Wirkungsgeschichte in der Moderne
Köln 1992
Deleuze, Gilles; Guattari, Félix (1976)
Rhizom
Berlin 1977
Flam, Jack; Smithson, Robert (Hg.)
Robert Smithson: The Collected Writings
Berkeley 1996 (Documents of Twentieth Century Art)
Foucault, Michel (1966)
Die Ordnung der Dinge
Frankfurt a.M. 1974
Gombrich, Ernst H.
Aby Warburg. Eine intellektuelle Biographie
Frankfurt a.M. 1984
Malraux, André
Psychologie der Kunst. Das imaginäre Museum
Reinbek 1957
Fichte, Hubert
Die Palette
Reinbek 1968
M1
Die Unsichtbarkeit der Dinge in meinem Alltag
Seit einiger Zeit, wenn nicht sogar beinahe seit
zwölf Jahren, gehst du montags bis freitags
jeden Morgen zur Schule und nachmittags wieder zurück nach Hause. Eine vertraute Strecke.
Aber hast du wirklich schon alles entdeckt? Gibt
es auf dieser Strecke vielleicht Dinge, die sich
deinem Blick bisher verschlossen haben?
Ideen, Probleme, Lösungsversuche … Bringe bitte deine Zeichnungen
in dieser Mappe/diesem Heft und ca. 30 Fotos (Richtwert) auf einem
Speichermedium zur nächsten Stunde mit in den Kurs, damit du deine
Ergebnisse kurz vorstellen kannst.
Viel Spaß beim Finden!
M2
Hausaufgabe
Bitte nimm dir dafür einen Zeichenblock oder ein
Zeichenheft, einen Stift und eine Digitalkamera
oder ein fotofähiges Handy sowie etwas mehr
Zeit als sonst für deine tägliche Route. Zeichne
dabei aus der Bewegung heraus, d.h. im Gehen,
im Bus, in der Bahn …
Berg, Stephan
Im Labyrinth der Kartografie
In: Berg, Stephan; Engler, Martin u.a. (Hg.): Die Sehnsucht des
Kartografen. Katalog zur Ausstellung vom 13.12.2003–01.02.2004
im Kunstverein Hannover, Hannover 2004, S. 4–7
Gruppe 3: Marianne Wex – Richard Prince
Bildmaterial
· Wex, Marianne (Hg.): »Weibliche« und
»männliche« Körpersprache als Folge patriarchalischer Machtverhältnisse, Hamburg 1980
· Prince, Richard: Girlfriends, Rotterdam 1993
Textmaterial
· Groys, Boris: Medien und Mediatoren. In: Carl
Haenlein (Hg.): Richard Prince – Photographien/
Photographs 1977–1993, Hannover 1994, S. 9–19
· Wex, Marianne: Vorwort. In: Wex, Marianne (Hg.):
»Weibliche« und »männliche« Körpersprache
als Folge patriarchalischer Machtverhältnisse,
Hamburg 1980, S. 5–10
Gruppe 4: Gerhard Richter – Christian Boltanski
Hinweis: Dabei geht es nicht darum, eine detailgetreue, realistische Zeichnung von Einzelheiten
zu machen, sondern darum, möglichst spontan
den gesamten Weg zeichnerisch zu erfassen.
Findest du während dieses Verfahrens einen
Gegenstand, eine Situation oder ein Phänomen
vor, der/die/das dir rätselhaft, seltsam oder auch
komisch vorkommt, dann fotografiere ihn/sie
oder was immer es ist, mit deiner Digitalkamera.
Hast du ein Foto geschossen, so setze deine
Zeichnung bis zum nächsten Foto fort. Und so
weiter, bis du an deinem Wegziel angekommen
bist.
Zeichne und fotografiere jeden Tag bis zur nächsten Unterrichtsstunde auf deinem Hin- und
Rückweg zwischen zu Hause und der Schule
bzw. auch umgekehrt.
Hinweis: Ganz wichtig ist hierbei, dass das von
dir gefundene Bildmotiv deine Aufmerksamkeit
insofern weckt, als du es nicht sofort einordnen
oder dir unmittelbar erklären kannst. Denn das
Ziel ist, Bilder aufzuspüren, die erst auf den
sechsten oder siebten Blick etwas sichtbar
machen, auf denen vielleicht ein/e Dritte/r nicht
sofort sieht, worum es eigentlich geht.
Bitte lege dir eine Mappe oder ein Heft an, in
der/dem du deine Zeichnungen und sämtliche
Projektmaterialen sammelst, dir Notizen machst
und deinen Arbeitsprozess täglich, wie in einem
Tagebuch, dokumentierst. Notiere auch Fragen,
M3
Text- und Bildmaterial zur Vorbereitung auf die Kurzreferate
Gruppe 1: Hannah Höch – Luis Jacob
Bildmaterial
· Luyken, Gunda (Hg.): Hannah Höch. Album, Ostfildern-Ruit 2004
· Jacob, Luis: Album III. Image Bank by Luis Jacob, Köln 2007
Textmaterial
· Gunda, Luyken: Das Album von Hannah Höch. Materialsammlung,
Skizzenbuch oder Konzeptkunst?, In: Luyken, Gunda (Hg.): Hannah
Höch. Album, Ostfildern-Ruit 2004, o.S.
· www.documenta12.de/uebersichtsdetails, vom 30.06.2008
· www.regiowiki.hna.de/Luis_Jacob, vom 30.06.2008
Gruppe 2: Hans-Peter Feldmann – Isa Genzken
Bildmaterial
· Feldmann, Hans-Peter: Der Überfall, Köln 1975
· Genzken, Isa: Der Spiegel 1989–91, Köln 2003
Textmaterial:
· Kern, Hermann: Bilder von Feldmann. In: Kunstraum München e.V.
(Hg.): Hans-Peter Feldmann – Bilder Pictures, München 1975.
· Loers, Veit: Spiegel-Serien. In: Genzken, Isa: Isa Genzken, Köln 1992,
S. 50f.
Bildmaterial
· Jahn, Fred (Hg.): Gerhard Richter. Atlas.
München: Städtische Galerie im Lenbachhaus
1989/Köln: Museum Ludwig 1990, Köln 1990
· Metken, Günter; Museum für Moderne Kunst
(Hg.): Christian Boltanski – Les Suisses Morts,
Frankfurt am Main 1991
Textmaterial
· Zweite, Armin: Gerhard Richter Atlas der Fotos,
Collagen und Skizzen. In: Jahn, Fred (Hg.):
Gerhard Richter. Atlas. München: Städtische
Galerie im Lenbachhaus 1989/Köln: Museum
Ludwig, 1990, Köln 1990, S. 7–20
· Metken, Günter: Christian Boltanski. Memento
mori und Schattenspiel. In: Metken, Günter;
Museum für Moderne Kunst (Hg.): Christian
Boltanski – Les Suisses Morts, Frankfurt am Main
1991, S. 5–12
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kiss
Julia Ziegenbein / Unterrichtsmaterialien
Materialien
Textbeispiele
Technikglossar
M4
T1
Mögliche Kriterien für den Arbeitsprozessbericht
A Darstellung und Reflexion der Schwierigkeiten und Erfolge
im Arbeitsprozess
· Was habe ich gelernt?
· Was hat mir dabei Schwierigkeiten bereitet?
· Was möchte ich noch lernen?
· Was hat mir gefehlt?
B Selbsteinschätzung der selbstständigen Einzelleistung
· Warum habe ich mein spezielles zeichnerisches Verfahren gewählt?
· Warum halte ich folgende drei Fotografien von mir für besonders
gelungen?
· Warum halte ich folgende drei Fotografien von mir für weniger
gelungen?
C Selbsteinschätzung des eigenen Arbeitsanteils
in der Kleingruppe
· Wie schätze ich meinen Arbeitsanteil bei der Erstellung der
Bilderserien ein?
… bei der Vorbereitung und der Durchführung des Kurzreferates …?
… beim Auf- und Abbau der Abschlusspräsentation …?
D Selbsteinschätzung des entstandenen Produktes
in der Kleingruppe
· Warum halte ich folgende Fotoserie von unserer Gruppe für
besonders gelungen?
· Warum halte ich folgende Fotoserie von unserer Gruppe für
weniger gelungen?
· Wie schätze ich die Wahl des Ausstellungsortes ein?
· Wie schätze ich die Präsentationsform ein?
E Vergleich zum »Regelunterricht«
(Im Falle einer Durchführung an Regelschulen):
· Welche Besonderheiten (Vor-/Nachteile) kann ich im Vergleich
zum »normalen« Unterricht benennen?
Einrichten einer Webgallery
Um eine kostengünstige, aber funktionale OnlineGalerie als geschütztes Experimentierfeld mit
Passwortsicherung zu erstellen, ohne über Programmierkenntnisse verfügen zu müssen, wird
zunächst eine Internetadresse benötigt. Diese
registrieren Sie bei einem Internetdienstanbieter,
wie z.B. www.goneo.de (Kosten ca. 1,25 €/
Monat). Diese Domain kann, wie in dem vorliegenden Fall, für die Einrichtung einer Projektwebsite genutzt werden.
Darüber hinaus benötigen Sie mindestens einen
Speicherplatz von 500 MB und einen PHP-fähigen
Server, den Ihnen Ihr Provider zur Verfügung
stellt, sowie eine Software, die die Bilder automatisch in die Internetseite hinein lädt. Ich habe
die PHP Mini Gallery verwendet, die Sie z.B.
unter www.shredzone.net/go/minigallery downloaden können. Die PHP Mini Gallery kommt
ohne gesonderte Datenbank aus und läuft auf
jedem Server, der PHP ausführen kann.
Wenn Sie die Software heruntergeladen haben,
entpacken Sie den Zip-Ordner. Dieser enthält
mindestens zwei Dateien: »index.php« und »template.php«. Benennen Sie nun den Ordner mit
dem Namen »bilder«. Um die Dateien »index.php«
und »template.php« von einem lokalen Rechner
auf den Webspace zu übertragen, wird ein kostenloses FTP-Programm wie z.B. ws_FTP (für Windows, unter www.vollversion.de/download/ws_ftp
_pro_1800.html) oder Cyberduck (für Mac, z.B.
unter www.softonic.de/s/cyberduck:mac ) benötigt. Laden Sie das Programm herunter, starten
Sie es und klicken Sie auf »neue Verbindung erstellen«. Tragen Sie hierfür Ihre Zugangsdaten,
die Sie von Ihrem Provider bekommen haben, ein.
Wurde die Verbindung erfolgreich hergestellt, sehen Sie sämtliche auf
dem Server befindliche Dateien. Übertragen Sie nun Ihre Daten auf
den Server, wählen Sie hierzu das Stammverzeichnis1 aus und klicken
Sie in Ihrem FTP-Client auf »Upload«. Wählen Sie über das Dialogfenster den Ordner »bilder« auf Ihrem Desktop aus und bestätigen Sie mit
»Ok« den Upload. Nun werden die Daten auf den Server übertragen.2
Beide Dateien legen Sie in das zu schützende
Verzeichnis (»bilder«) mittels ihrem FTP-Client
auf dem Server ab.8 Nun können sich die Schüler
mit dem festgelegten Benutzernamen und Passwort in das Bilderverzeichnis einloggen.
Im nächsten Schritt übertragen Sie die Fotos der Schüler in den Ordner
»bilder« auf dem Server.3 Das Skript, welches die Galerie steuert, erzeugt dann automatisch die Vorschaubilder4 und legt diese auch mit
in dem Verzeichnis ab.
1
Die Bilder müssen im JPG-Format, Farbmodus RGB vorliegen! Da von
den Bildern Fotoabzüge erstellt werden, müssen sie eine Auflösung
von mindestens 200 dpi haben. Wir haben alle Bilder auf 200 dpi und
auf eine Breite von 1200 Pixel verkleinert.
Soll ein Bild aus der Galerie entfernt werden, muss auch das entsprechende Vorschaubild entfernt werden.5 Werden neue Bilder in die
Galerie gespielt, ist darauf zu achten, dass die Dateien nicht namensgleich mit den bereits vorhandenen Bildern sind, da diese sonst überschrieben werden.
Um den Bilderordner vor unerlaubten Zugriffen zu schützen, öffnen
Sie den auf jedem Rechner standardmäßig installierten Editor, der bei
einem Windowsrechner unter Zubehör zu finden ist. Schreiben Sie in
diese Datei Folgendes hinein:
AuthName »Demo«
AuthType Basic
AuthUserFile /home/projekte/www/htdocs/kiss/bilder/.htpasswd //6
<Limit GET POST>
require valid-user
</Limit>
Diese Datei wird mit folgendem Namen auf dem Desktop unter dem
Namen ».htaccess« abgespeichert. Die zweite Datei ist die eigentliche
Passwortdatei, die unter dem Namen ».htpasswd« abgespeichert wird
und in die Sie Folgendes schreiben:7
»benutzername:passwort«.
2
3
4
5
6
7
8
Üblicherweise ist »htdocs« das Stammverzeichnis. Dieses
kann jedoch von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich sein.
Informieren Sie sich hierzu bei Ihrem Provider
Hilfe zum Einrichten des FTP-Clients finden Sie üblicherweise
in den Hilfedateien Ihres Providers
Der Upload der Bilder funktioniert genauso wie eben
beschrieben. Dieses Mal wählen Sie jedoch als Zielverzeichnis
das Verzeichnis »bilder«
Diese dürfen nicht gelöscht werden!
Heißt das Bild beispielsweise »picture1.jpg«, hat die Galerie
das dazugehörige Bild mit »th_picture1.jpg« benannt
Hier ist der Pfad zu der Passwortdatei anzugeben
Hilfe zu dem beschriebenen Vorgang finden Sie z.B. unter
http://de.wikipedia.org/wiki/htaccess
Upload wie oben beschrieben
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kiss
Autoren
Autoren
Sara Burkhardt
Sara Burkhardt, geboren 1970, Dr. phil., Studium der Anglistik und Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg, der TU Braunschweig
und am Trinity College Dublin, Studium der Kunst und Kunstpädagogik an der HBK Braunschweig, anschließend Studienrätin an einem Hamburger Gymnasium, Promotion zum Thema Netz Kunst Unterricht.
Künstlerische Strategien im Netz und kunstpädagogisches Handeln an
der HBK Braunschweig. Seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin für
das Fach Kunst im Institut für Ästhetisch-Kulturelle Bildung an der Universität Flensburg. Stellvertretende Vorsitzende des BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik. Näheres siehe www.kunst-flensburg.de
Julia Dick
Julia Dick wurde 1981 in Bielefeld geboren. Seit 2003 studiert sie an
der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig Darstellendes Spiel
und Kunstpädagogik bei Dorothea Hilliger, David Reuter und Reimar
Stielow. In den Fachklassen der freien Kunst studiert sie bei Else Gabriel,
Shimabuko und Candice Breitz. Im Herbst 2006 absolvierte sie ein
Praktikum an der Laborschule Bielefeld, welches mit einer Hospitanz
beim internationalen Schultheaterprojekt »EUROPA« verbunden war.
Im Winter 2006 bis zum Sommer 2007 arbeitete sie als Tutorin von Prof.
Hilliger zur wissenschaftlichen und organisatorischen Begleitung des
Videotriadischenklangfigurinenexperimentes. Im Frühjahr 2008 hospitierte sie bei der Performance- und Theatergruppe Forced Entertainment bei der Entwicklung des Stückes Spectacular in Sheffield und in
Essen. Seit Winter 2007 leitet sie die Theater-AG an der Comeniusschule. Ihre künstlerische Arbeit zeigte sie 2005 in der Gruppenausstellung plattform im Kunstverein Hannover, 2007 auf dem Kunstrundgang Kunst 8 – Temporäre Heimat in Braunschweig, sowie im
Rahmen von Kunst … hierundjetzt in der Malerkapelle Königslutter,
2008 in der Ausstellung Parasit im Satellit/Galerie Anita Beckers in
Frankfurt, dem Zoom! – Performancefestival in Hildesheim sowie
im Rahmen des Festivals StadtMachtKunst in Hannover. Seit Sommer
2007 arbeitet sie mit der Tänzerin und Performance-Künstlerin
Katharina Sandner zusammen und gründet mit ihr das Duo katze und
krieg. Seit Winter 2007 ist sie zudem Mitglied des neu gegründeten
Performancelabors Braunschweig.
Sandra Hampe
Sandra Hampe wurde 1985 geboren. Nach einem einjährigen Auslandsaufenthalt in den USA machte sie ihr Abitur am Friedrich-von-Bodelschwingh Gymnasium Bethel, Bielefeld. Danach begann sie das Studium der Kunstgeschichte und Philosophie an der Kunsthochschule
Kassel. 2007 wechselte sie den Studiengang, um an der Hochschule
für Bildende Künste Braunschweig das Studium der Kunstvermittlung
und Kunstwissenschaft aufzunehmen. Das Grundstudium der Freien
Kunst absolvierte sie bei Prof. Anna Gollwitzer. Zurzeit studiert sie in
der Klasse von Prof. John Armleder.
Torsten Meyer
Torsten Meyer, geboren 1965, Dr. phil., 1989 Studium der Erziehungswissenschaft der Universität
Lüneburg, 1992 Studium der Erziehungswissenschaft, Soziologie, Philosophie und Kunst an der
Universität Hamburg und Hochschule für Bildende Künste Hamburg. 1996 – 1999 DFG-Graduiertenkolleg Ästhetische Bildung, Universität Hamburg, Promotion zum Thema Interfaces, Medien,
Bildung. Paradigmen einer pädagogischen Medientheorie. Seit 2004 Juniorprofessor für Erziehungswissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Forschung und Lehre im Bereich
Multimedia mit einem Schwerpunkt in der Didaktik der Bildenden Kunst, Universität Hamburg,
Fachbereich Erziehungswissenschaft. Näheres
siehe http://mms.uni-hamburg.de/meyer
Britta Mertens
Britta Mertens wurde 1984 in Tönisvorst geboren.
Nach dem Abitur absolvierte sie ein halbjähriges
Praktikum an der Wilhelm-Busch-Grundschule in
Hilden und begann 2005 ihr Studium für Grundund Hauptschullehramt, Schwerpunkt Grundschule an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch
Gmünd mit den Fächern Kunst, Deutsch und evangelische Theologie. Seit 2007 ist sie Tutorin im
Fach Kunst bei Notburga Karl und Prof. Dr. Petra
Kathke. Von September 2007 bis August 2008
erhielt sie ein Atelierstipendium der Eduard-Dietenberger-Stiftung in Schwäbisch Gmünd. Während
des Studiums beteiligte sie sich an diversen Ausstellungen des Faches Kunst: Buchobjekte, beDINGungen (Video-Performance) und Schatten.
Außerdem ist sie an der Reliefgestaltung des Besinnungsweges beteiligt, einem Projekt der Stadt
Schwäbisch Gmünd in Kooperation mit Kunststudenten der PH Schwäbisch Gmünd. Im September 2008 erhielt sie mit ihren beiden Klassen aus
dem »kiss«-Projekt einen der beiden ersten Preise
beim Schülerwettbewerb im ZKM zum Thema:
WIR + HIER = VERTRAUTES TERRAIN? Im November 2008 absolvierte sie ihr erstes Staatsexamen
für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen.
Theresa A. Rieß
Theresa A. Rieß wurde 1984 in Nürnberg geboren.
Nach dem Abitur nahm sie das Studium der
Kunstpädagogik und Germanistik für das Lehramt
an Gymnasien, der Kunstwissenschaft sowie der bildenden Kunst an
der Kunsthochschule und der Universität Kassel auf (Studium der
Kunstpädagogik bei Bernhard Balkenhold und Prof. Dr. Tanja Wetzel,
Studium der bildenden Kunst bei Prof. Feldmann und Prof. Stoya;
kunstwissenschaftliches Studium vor allem bei Prof. Dr. Ursula PanhansBühler). Im Vorfeld der documenta12 arbeitete sie im Projekt documenta-dock.de, einer Plattform zu aktuellen Fragen zur Kunst und der
documenta12, mit. Im Rahmen dieses Projektes nahm sie im März
2007 an einem Austauschprogramm mit der Parsons New School in
New York teil. Ebenfalls 2007 absolvierte sie ein Praktikum bei dem
Projekt der Vermittlung der d12, Die Welt bewohnen – Schülerinnen
und Schüler führen Erwachsene über die documenta12. In diesem
Kontext erarbeitete sie mit den Schülern eine Führung speziell für Blinde und Sehbehinderte und führte zudem selbst Besucher. Darüber
hinaus entwickelte Theresa Rieß ein Programm für das Vermittlungsprogramm aushecken, welches sie mit Kindern und ihren Großeltern
durchführte. An der Reformschule Kassel betreute sie im Schuljahr
2007/2008 eine Lerntrainingsschülerin (Schulpraktikum). Seit 2008 ist
sie Teil des Teams im Stellwerk, einem selbstverwalteten studentischen
Ausstellungsraum im Kulturbahnhof Kassel. Bei diversen Workshops
(u.a. für den Denkmalschutzbund) sammelte sie außerhalb der Schule
Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Lisa Seebach
Lisa Seebach wurde 1981 in Köln geboren. Nach dem Abitur leistete
sie einen Europäischen Freiwilligendienst (EVS) in Spanien ab und
nahm im Anschluss das Studium für Lehramt Sonderschulpädagogik
mit dem Fach Kunst- und Medienwissenschaften an der Universität
Oldenburg auf. Dieses Studium begleiteten verschiedene Fachpraktika
in sonderpädagogischen Bildungsinstitutionen und sozialen Einrichtungen im künstlerischen Bereich in Deutschland und Südamerika.
2005/06 studierte sie im Rahmen eines Austauschprogramms im Bereich
Freie Kunst an der Universidad de Bellas Artes in Granada. 2007 begann sie nach dem Ersten Staatsexamen ein Studium der Freien Kunst
an der Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig. Dort absolvierte sie das Studium bei Prof. Anna Gollwitzer und studiert derzeit in
den Klassen von Prof. Raimund Kummer und als Gast bei Prof. Candice
Breitz mit dem Schwerpunkt auf Skulptur, Videoinstallation und Performance. Seit 2008 leitet sie als wissenschaftliche Hilfskraft zusammen
mit Sylvia Franzmann das studentische Projektbüro FÜRundMIT der
HBK Braunschweig. In diesem Zusammenhang führt sie Beratungen von
Studierenden durch, setzt sich für den Aufbau von Strukturen für die
interdisziplinäre Vernetzung zwischen den Studiengängen ein und arbeitet in kuratorischer Funktion im Stadtraum Braunschweigs. Seit
2003 nimmt sie regelmäßig an künstlerischen Projekten und Ausstellungen im In- und Ausland teil.
Julia Ziegenbein
Julia Ziegenbein wurde 1982 in Hamburg geboren.
Nach dem Abitur 2002 nahm sie das Studium
der Pädagogik, Germanistik und der Romanistik
an der Universität Hamburg für das Lehramt
Oberstufe/Allgemeinbildende Schulen auf. Nach
einem Fachbereichswechsel begann sie 2004
das Studium der Kunstpädagogik an der Hochschule für bildende Künste Hamburg in der Grundklasse bei Achim Hoops und setzte ihr Lehramtsstudium in der Fächerkombination Deutsch und
Bildende Kunst fort. Ihr Schwerpunktstudium absolvierte sie in der Fachklasse für zeitbezogene
Medien bei Prof. Michaela Mélian, sowie u.a. bei
Prof. Dr. Matthias Lehnhardt und Prof. Michael
Lingner. Im Fachbereich Kunstdidaktik an der Universität Hamburg studierte sie bei Dr. Eva Sturm,
Ulrich Schötker und Prof. Dr. Karl-Josef Pazzini
und im Fachbereich Schulpädagogik bei Prof. Dr.
Johannes Bastian. Von 2004 bis 2006 war sie
freie Mitarbeiterin in der privaten Kunstschule dasKunstlabor in Hamburg-Eimsbüttel. 2007 nahm
sie am Vermittlungsprojekt der documenta12 in
Kassel unter der Leitung von Ulrich Schötker teil.
Neben der Erarbeitung und Erprobung von alternativen Vermittlungsformaten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene war sie Mit-Initiatorin
des Projekts Sprechen über Kunst auf der documenta12. Darüber hinaus leitete sie einen Workshop für Schüler der Sozialpädagogik im Rahmen
des Kinder- und Jugendlichenprogramms aushecken. Seither war sie bis 2008 unter der Leitung
von Carmen Mörsch im Rahmen der Begleitforschung zur Vermittlung auf der documenta12 an
einer Publikation beteiligt. Seit 2008 arbeitet
Julia Ziegenbein als selbstständige Kunstvermittlerin in der Sammlung Falckenberg in HamburgHarburg. Zudem leitet sie zwei Werkstätten mit
künstlerischem Schwerpunkt für die Klassen
fünf und sechs an der Max-Brauer-Schule und setzt
ihr Studium an der HFBK Hamburg fort. Im Rahmen des von Prof. Michael Lingner angebotenen
Seminars »Kunstvermittlung als künstlerische
Aufgabe? Möglichkeiten, die Erfahr- und Verstehbarkeit von Kunst wahrscheinlicher zu machen«
erarbeitet und erprobt sie zur Zeit künstlerische
Vermittlungsformate für das 2009 stattfindende
Off-Kunst-Festival subvision.
124
kiss
Impressum / Quellennachweis
Impressum
kiss – Kultur in Schule und Studium / Stipendien für Studierende der Kunstpädagogik wird
vom BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik und dem Siemens Arts Program zur Förderung
der Vermittlung zeitgenössischer Kultur in der Schule ausgeschrieben. Das Vorhaben wird von
der Robert Bosch Stiftung gefördert.
Die hier vorliegenden Unterrichtseinheiten sind Ergebnisse des 2008 durchgeführten Stipendienprogramms und widmen sich dem Kunstunterricht mit dem Schwerpunkt »Kunst und aktuelle Medienkultur«.
Herausgegeben vom BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik
und vom Siemens Arts Program
Projektleitung: Dr. Sara Burkhardt, Dr. Beate Hentschel, Prof. Dr. Torsten Meyer, Dr. Ernst Wagner
Projektbüro: Anna Mayrhuber, Gereon Wulftange
Stipendiatinnen
Julia Dick, Sandra Hampe und Lisa Seebach, Britta Mertens, Theresa Rieß, Julia Ziegenbein
Betreuende Künstler
Com & Com, Dellbrügge & de Moll, Bjørn Melhus, Peter Piller, Robin Rhode
Jury
Dr. Sara Burkhardt, Dr. Beate Hentschel, Gila Kolb, Anna Mayrhuber, Prof. Dr. Torsten Meyer,
Thomas Trummer, Dr. Ernst Wagner
Lektorat
Adrienne van Wickevoort Crommelin
Redaktion
Dr. Alexander Müller
Gestaltung
Surface Gesellschaft für Gestaltung mbH, www.surface.de
Oliver Kuntsche
Druck
Mediahaus Biering GmbH, München
Abbildungsnachweise / Copyrights
Umschlaginnenseite
Foto: Alexandra Grieß
Beitrag Julia Ziegenbein
Vier Bilder (a–d):
Peter Piller: »Bedeutungsflächen (Da ist es)«. (Auszug)
In: Archiv Peter Piller, Bd. 10. Berlin, Frankfurt a.M. 2006.
Peter Piller; Revolver – Archiv für aktuelle Kunst, Frankfurt; Vice
Versa. © Peter Piller/VG Bild-Kunst Bonn, 2009
Peter Piller: »Materialien (B). Peripheriewanderung Bonn«. (Auszug)
6. Peripheriewanderung. Bus 615 Bad Godesberg Fähre – Bus 622
Niederholtorf Mitte, 1. September 2006
In: Keller, Christoph (Hg.): Archiv Peter Piller, Bonn, Frankfurt a.M.
2007.
Peter Piller; Revolver – Archiv für aktuelle Kunst, Frankfurt a.M.;
Beethovenstiftung, Bonn. © Peter Piller/VG Bild-Kunst Bonn, 2009
Drei Bilder (a–c)
Peter Piller: »Materialien (B). Peripheriewanderung Bonn«. (Auszug)
In: Keller, Christoph (Hg.): Archiv Peter Piller. Bonn, Frankfurt a.M.
2007.
Peter Piller; Revolver – Archiv für aktuelle Kunst, Frankfurt a.M.;
Beethovenstiftung, Bonn. © Peter Piller/VG Bild-Kunst Bonn, 2009
Rhizom von Convallaria multiflora
In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. Ein Nachschlagewerk
des allgemeinen Wissens, 6., gänzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage. 16. Band. Plaketten bis Rinteln, Leipzig / Wien
1907, S. 879
© 2009
für alle nicht gesondert aufgeführten Abbildungen beim BDK
Textnachweis / Copyright
Beitrag Britta Mertens
Textabdruck aus Dellbrügge, Christiane; de Moll; Ralf: »Wer einen
Stuhl bauen kann, kann auch eine Stadt bauen«, Berlin 2008,
S. 9–11. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Künstler
Wir danken den Schülern und Lehrern der beteiligten
Schulen und Institutionen für die engagierte Unterstützung
des Projekts
Julia Dick: Justizvollzugsanstalt Braunschweig (U-Haft)
Beitrag Julia Dick
Robin Rhode: Still aus der Performance »Car Theft« (2003), mit freundlicher Genehmigung von
Robin Rhode. © Robin Rhode/Perry Rubenstein Gallery New York
Britta Mertens: Wilhelm-Busch-Schule, Städtische Gemeinschaftsgrundschule Hilden
René Magritte: »Tentative de l’impossible«/»Der Versuch des Unmöglichen«, Öl auf Leinwand,
105,6 x 81 cm, (1928). © VG Bild-Kunst, Bonn 2009
Theresa Rieß: Reformschule Kassel
Robin Rhode: Fotografien von »He Got Game« (2000), mit freundlicher Genehmigung von
Robin Rhode. © Robin Rhode/Perry Rubenstein Gallery New York
Lisa Seebach und Sandra Hampe: Frida-Kahlo-Schule, (LVR-Förderschule St. Augustin, Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung)
Robin Rhode: Fotografien von »He Got Game« (2000), mit freundlicher Genehmigung von
Robin Rhode. © Robin Rhode/Perry Rubenstein Gallery New York
Robin Rhode: Stills aus »Untitled (Air Guitar)« (2005), mit freundlicher Genehmigung von
Robin Rhode. © Robin Rhode/Perry Rubenstein Gallery New York
Beitrag Sandra Hampe und Lisa Seebach
Bjørn Melhus: Still aus »No Sunshine« (1997), Video, 6 min. loop, mit freundlicher
Genehmigung des Künstlers. © Bjørn Melhus/VG Bild-Kunst, Bonn 2009
Bjørn Melhus: Still aus »Das Zauberglas«/»The Magic Glass« (1991), Video, 6 min.,
mit freundlicher Genehmigung des Künstlers. © Bjørn Melhus/VG Bild-Kunst, Bonn 2009
Beitrag Britta Mertens
Dellbrügge, Christiane; de Moll, Ralf: »Wer einen Stuhl bauen kann, kann auch eine Stadt bauen«
(vier Bilder 2008), 5-Kanal-Video Installation und Wandbeschriftung, Kunst am Bau MarcelBreuer-Schule, OSZ für Holztechnik, Glastechnik und Design OSZ Bautechnik II, Berlin, mit
freundlicher Genehmigung der Künstler. © Dellbrügge & de Moll/VG Bild-Kunst, Bonn 2009
Beitrag Theresa Rieß
Still aus dem Videoclip »Side by Side« aus dem gleichnamigen Projekt (2002). Zitiert nach:
http://www.side-by-side.ch/index3.php vom 14.10.2008, mit freundlicher Genehmigung von
Com&Com. © Com&Com
Foto aus der Galerie der Homepage zum Projekt GUGUSDADA (2004–2006): »dada pk3«
Zitiert nach: http://www.gugusdada.ch/?q=node/view/124 vom 14.10.2008, mit freundlicher
Genehmigung von Com&Com. © Com&Com
Mocmoc-Denkmal vor dem Bahnhof in Romanshorn, Bestandteil des Projekts »Mocmoc« (seit
2003). Zitiert nach: http://www.com-com.ch/arbeiten/22 vom 14.10.2008, mit freundlicher
Genehmigung von Com&Com. © Com&Com
Das cc-space-Logo. © Theresa Rieß/Com&Com.
Gefakte Identität von Johannes M. Hedinger im cc-space mit freundlicher Genehmigung von
Com&Com. © Com&Com
Julia Ziegenbein: Max-Brauer-Schule, Staatliche Gesamtschule in
der Freien und Hansestadt Hamburg
Trotz Bemühungen war es nicht in allen Fällen möglich, alle
Rechteinhaber ausfindig zu machen. Berechtigte Ansprüche
bitten wir den Herausgebern zu melden.
Bei der Bezeichnung von Personen oder Personengruppen sind zur
sprachlichen Vereinfachung und besseren Lesbarkeit im gesamten
Heft Personen beiderlei Geschlechts gemeint.
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