VW Passat im ersten Fahrvergleich

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VW Passat im ersten Fahrvergleich
Vergleich BMW Dreier Touring, Mercedes C-Klasse T-Modell, VW Passat Variant
VW Passat im ersten Fahrvergleich
Neuer Maßstab in
Die Erwartungen an den neuen VW Passat sind riesig. Mit seinem 240 PS starken Biturbowir ihn doch gleich mal gegen zwei der attraktivsten Konkurrenten ran: den BMW Dreier und
34 22/2014
IM VERGLEICH
BMW 325d TOURING:
218 PS, 0–100 km/h in
6,7 s, ab 43 250 Euro
MERCEDES C 250 T BT:
204 PS, 0–100 km/h in
6,9 s, ab 45 696 Euro
VW PASSAT VARIANT 2.0
TDI 4MOTION: 240 PS,
0–100 km/h in 6,3 s,
ab 44 625 Euro
der Mittelklasse?
Diesel soll der Variant die Hierarchie in der Mittelklasse tüchtig durchrütteln. Dann lassen
die Mercedes C-Klasse. Können Touring und T-Modell mit feinerer Technik kontern?
22/2014 35
Vergleich
A
ngekündigt wurde er jetzt lang
genug, auf Messen bestaunt und im
Fotostudio abgelichtet. Jetzt wird es
Zeit, dass der Passat endlich rausdarf, um
zu zeigen, was tatsächlich in ihm steckt.
Laut VW-Marketingexpertin Christine Roch
ziemlich viel, er bestehe gar „den ein oder
anderen Premiumvergleich“. Na, so ein Zufall, dass wir mit BMW Dreier und Mercedes
C-Klasse den ein oder anderen Vergleichskandidaten zur Fahrvorstellung nach Sardinien gebracht haben. Preislich passt es
ohnehin: Da VW den 240 PS starken TDI
ausschließlich mit Allradantrieb anbietet,
liegt der Variant für 44 625 Euro zwischen
dem 43 250 Euro teuren 325d Touring mit
218 PS und dem 204 PS starken C 250 Bluetec T-Modell für 45 696 Euro.
Obwohl ein paar Millimeter kürzer als
der Vorgänger, überragt der Passat C-Klasse
und Dreier um sieben bzw. 15 Zentimeter.
Und das spürt man praktisch überall: Vorn
sitzen Fahrer und Copilot auf üppig dimensionierten, umfangreich verstellbaren Sesseln, die durchgängigen Lüftungsschlitze
lassen das Cockpit breit erscheinen. Im Fond
wird es noch geräumiger: Der Quermotor
sowie ein um acht Zentimeter gewachsener
Radstand bescheren Mitfahrern superbe
Beinfreiheit, während das hohe Dach für
einen verrenkungsfreien Einstieg sorgt.
Anders bei C-Klasse und Dreier: Durch
niedrigere Türen und wenig Platz zwischen
B-Säule und Rückbank dauert es etwas, bis
44 625 €
Grundpreis. Mit dem 240 PS
starken Diesel erreicht der
Passat preislich Mercedes- und
BMW-Gefilde. Er ist jedoch
besser ausgestattet
die Gliedmaßen einsortiert sind. Zu dritt
wird es auf den schmaleren und straffer
gepolsterten Rückbänken ohnehin deutlich
enger als im Passat, der darüber hinaus auch
noch mehr Gepäck schluckt: Schon im Normalzustand darf eine große Reisetasche
mehr mit als bei den süddeutschen Konkurrenten; wird die Rückbank umgeklappt,
vergrößert sich der Abstand weiter.
Lange Kombi-Erfahrung
Die lange Kombi-Erfahrung spürt man
hingegen bei allen: So lassen sich Rückenlehnen im Verhältnis 40 : 20 : 40 dreigeteilt
umklappen, wodurch ohne mühsames Aufstellen der Sitzf läche ein nahezu ebener
Ladeboden entsteht. An Zusatzfächern,
Zwölf-Volt-Steckdosen, Zurrösen oder
Taschenhaken besteht nirgends Mangel,
sauber gelöst auch die Entnahme der
Gepäckrollos, deren Kassetten sich hier wie
da mühelos entriegeln und ausbauen lassen.
Was Mercedes und BMW beim Platz verlieren, holen sie durch ausgeklügelte Details
immerhin zum Teil wieder auf: Während
beim T-Modell die Heckklappe auf Knopfdruck vom Fahrersitz aus schließt und
gleichzeitig das Gepäckrollo nach unten
surrt, nimmt der Touring Kleinkram durch
seine separat öffnende Heckscheibe entgegen. Besonders praktisch, wenn er dicht an
einer Garagenwand steht, sodass man zum
Öffnen der ganzen Klappe erst vorfahren
müsste. Hochf lorige Teppiche und Edelstahleinlagen auf der Ladekante lassen ihre Gepäckräume zudem hochwertiger wirken als
den des pragmatischen VW.
Die ganz großen Überraschungen sucht
man beim Passat ohnehin vergebens. Mit
seiner scharf konturierten Motorhaube und
den schmalen Rückleuchten ähnelt er dem
Golf Variant, auch innen wirkt er auf Anhieb vertraut. Doch keine Nachrichten sind
in diesem Fall gute Nachrichten. So überzeugt der Passat mit VW-typisch hochwertigen Oberf lächen im Innenraum und liebevoller Verarbeitung bis ins Detail: Selbst
das Münzfach links unterhalb vom Lenkrad
ist samtig weich ausgekleidet und wird von
einer präzise rastenden Klinke gehalten.
Auch das einfach bedienbare Infotainment-System kennt man im Prinzip aus dem
Golf, allerdings erhält der Passat eine aktualisierte Variante mit zusätzlichen OnlineFunktionen wie Parkplatz- und Tankstellensuche samt Spritpreisanzeige. Zudem lassen
Der Passat-Kofferraum schluckt eine große Reisetasche mehr als die Gepäckabteile der süddeutschen Konkurrenten
+
VIDEO:
So variabel
sind die drei
Kombis
36 22/2014
➔ BMW Dreier Mobiles Sportstudio mit bester Internetanbindung
Verbrauch
4,8 l/100 km
Zuladung 485 kg
Kofferraum
495/1500 l
Das Dreier-Cockpit
leistet sich zwar
einige HartplastikAusrutscher, begeistert
sonst jedoch mit umfangreichster Connectivity-Ausstattung, leichter Bedienung und
toller Sitzposition. Hinten geht
es deutlich enger zu, mäßig
auch das Kofferraumvolumen
➔ Mercedes C-Klasse Klassisches Fahrgefühl modern verpackt
Verbrauch
4,5 l/100 km
Zuladung 575 kg
Kofferraum
490/1510 l
C-Klasse-Fahrer
sitzen auf belüfteten
Ledersesseln und blicken auf ein hochwertig
verarbeitetes Cockpit mit
breiter Mittelkonsole. Die Infotainment-Bedienung ist jedoch
umständlich, das Platzangebot
für Mitfahrer und Gepäck wie
im BMW eher knapp bemessen
➔ VW Passat Viel Platz, Komfort und Qualität, wenig Show
Verbrauch
5,4 l/100 km
Zuladung 575 kg
Kofferraum
650/1780 l
Der Passat ist deutlich geräumiger als
die beiden Konkurrenten und überzeugt mit
seiner peniblen Verarbeitung. Das Multimedia-System
lässt sich um die wichtigsten
Online-Funktionen ergänzen
und setzt als einziges auf
Touchscreen-Bedienung
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Vergleich
Hoher Federungskomfort
und wenig Windgeräusche sorgen für
Entspannung
Trailer-Assistent: Mit Anhänger rückwärts einparken ging noch nie leichter
sich Apps von mirrorlinkfähigen Handys
über den hochauf lösenden Acht-Zoll-Monitor bedienen. Da nicht allzu viele Smartphones Mirrorlink unterstützen, kommen ab
Juni 2015 Apple Carplay und Android Auto
hinzu, über die sich fast alle Handys steuern
lassen dürften.
Anhänger freihändig einparken
Überhaupt bleibt es der Elektronik vorbehalten, dann doch noch für zwei WowEffekte zu sorgen: Anstelle des optionalen
Kombi-Instruments mit klassischen Analoguhren liefert VW gegen Aufpreis ein TFTDisplay, dessen Inhalte sich nach Wunsch
auswählen lassen: Wer möchte, legt sich die
Navi-Karte groß in die Mitte und muss für
die Routenführung nicht mehr nach rechts
schielen. Noch faszinierender: Der Anhänger-Assistent, der auch weniger geübte
Biturbo-Diesel: drehfreudiger und
kultivierter Vierzylinder mit 240 PS
1780 Liter
Kofferraumvolumen bietet
der Variant maximal. Damit
schluckt er 270 Liter mehr als
das T-Modell der C-Klasse
Fahrer in Gespannprofis verwandelt. Nach
dem Einlegen des Rückwärtsgangs wird die
gewünschte Fahrtrichtung über den Rückspiegelversteller vorgegeben, der wie ein
Joystick funktioniert. Anschließend heißt
es Lenkrad loslassen, sanft Gas geben und
beeindruckt im Rückspiegel verfolgen, wie
das Elektronik-Hirn unter Zuhilfenahme
Active Info Display: konfigurierbares
Kombi-Instrument für 650 Euro Aufpreis
der Rückfahrkamera den Kurs hält oder den
Anhänger in eine 90-Grad-Lücke kurbelt.
500 Nm aus zwei Litern Hubraum
Doch jetzt übernehmen wir das Steuer, es
geht auf Testfahrt über sardische Küstenstraßen. Hier spielt der Allrad-Passat seinen
Traktionsvorteil aus, lässt sich von 500 Nm
Drehmoment aus engen Kehren wuchten.
Unterstützt vom zackigen Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe nimmt er der hinterradgetriebenen Konkurrenz gleich mal ein
paar Meter ab. Dabei ist es nicht nur die
pure Kraft, die beeindruckt, sondern auch
das schnelle Ansprechen und die Drehfreude des nur zwei Liter großen Biturbo.
Was ebenfalls auffällt: Auch bei vollem
Einsatz kommt keine Hektik auf, präzise
folgt der Variant den Kommandos seines
Fahrers, der ihn ohne großen Aufwand sehr
TECHNISCHE DATEN
VW Passat Variant
Motorbauart/Zylinderzahl
Hubraum
cm3
Leistung kW (PS)
bei 1/min
1.6 TDI
2.0 TDI
2.0 TDI
2.0 TDI 4M.
1.4 TSI
1.4 TSI
R/4
R/4
R/4
R/4
R/4
R/4
1598
1968
1968
1968
1395
1395
88 (120)
110 (150)
140 (190)
176 (240)
92 (125)
110 (150)
3500
3500
3500
4000
5000
5000
max. Drehmoment Nm bei 1/min 250 bei 1500 340 bei 1750 400 bei 1750 500 bei 1750 200 bei 1400 340 bei 1500
Gepäckraum
l/VDA
650–1780
Leergewicht/Zuladung
kg 1485/575
1505/565
k. A.
1735/575
1394/566
1429/571
Beschleunigung 0–100 km/h s
11,0
8,9
k. A.
6,3
9,9
8,6
Höchstgeschwindigkeit
204
218
k. A.
238
206
218
NEFZ-Verbrauch
l/100 km
4,1
4,1 D
k. A.
5,4 D
5,3 S
5,1 S
g/km
107
107
k. A.
140
124
119
CO2-Ausstoß
Grundpreis
ab Euro
29 525,–
31 325,–
k. A.
44 625,–
26 950,–
31 375,–
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Die schmalen Auspuffblenden sind
in die Heckschürze integriert
Radstand 2810 mm
Länge 4624 mm/Breite 1811 mm
schnell bewegen kann. Zum entspannten
Fahrgefühl passen geringe Wind- und Motorgeräusche sowie serienmäßige Adaptivdämpfer, die selbst auf üblen Rüttelpisten
sensibel arbeiten.
Schwebend durchs Internet
Ähnlich souverän geht die luftgefederte
C-Klasse über Unebenheiten hinweg. Ihre
Ingenieure haben es geschafft, das Mercedes-typische Schwebegefühl in die Touchpad-Neuzeit zu transferieren. Ihr Fahrer hat
selten das Bedürfnis, der cremigen Siebengang-Wandlerautomatik ins Handwerk zu
pfuschen, er genießt lieber die Wucht des
ebenfalls 500 Nm mächtigen 2,1-Liter-Vierzylinders. Dass sich der Benz nicht ganz so
vehement auf Kurven stürzt und selbst im
Sportmodus eine stärkere Seitenneigung
aufbaut, verzeiht man da gern.
Radstand 2840 mm
Länge 4702 mm/Breite 1810 mm
4,5 l/100 km
Normverbrauch gibt Mercedes für den C 250 Bluetec an,
womit er den Passat Variant um
0,9 Liter unterbietet
Und der Dreier? Sein schmaler, perfekt
postierter Sportsitz ist in dieser Klasse immer noch Mensch-Maschinen-Schnittstelle
Nummer eins. Von seiner wunderbar direkten Sportlenkung getrieben, verbeißt sich
der Touring geradezu in Kurvenradien. Und
wo seine Vorgänger noch plump über Unebenheiten rumpelten, federt der adaptiv-
VW Passat
Variant
Höhe 1477 mm
Mercedes C-Klasse
T-Modell
Höhe 1457 mm
BMW Dreier
Touring
Höhe 1462 mm
Vergleich
Radstand 2791 mm
Länge 4767 mm/Breite 1832 mm
gedämpfte Dreier inzwischen manierlich,
freilich ohne seine Insassen auf dem hohen
Komfortlevel der Konkurrenten zu verwöhnen. Am meisten vermissen diese allerdings
einen kultivierteren Motor. Mit 120 Nm
weniger als die beiden anderen muss sich
der Zweiliter strecken, um dranzubleiben,
was mit kernigem Vierzylinderdröhnen einhergeht. Doch im Gegensatz zu VW und
Mercedes hat BMW noch zwei Sechszylinder-Diesel mit bis zu 313 PS im Ärmel.
Trotzdem: Den „ein oder anderen Premiumvergleich“ hat der Passat in jedem Fall
bereits bestanden. Ob er tatsächlich zum
neuen Maßstab in der Mittelklasse wird,
muss jedoch ein bepunkteter Vergleichstest
mit objektiven Messwerten zeigen.
Text: Dirk Gulde
Fotos: Hans-Dieter Seufert
➔ Fazit
BMW Dreier
Der Touring fährt am agilsten und bietet
das ausgereifteste Infotainment-Paket.
Sein Platzangebot fällt durchschnittlich
aus, dem Motor fehlt es an Souveränität.
40 22/2014
Mercedes C-Klasse
Die C-Klasse überzeugt mit komfortablem
Fahrgefühl und hochwertigem Ambiente.
Sie schluckt jedoch am wenigsten Gepäck,
die Bedienung ist umständlich.
VW Passat
Geräumig, komfortabel, traktionsstark: Der
Passat hält locker mit und bietet zum Preis
der Konkurrenz mehr Leistung sowie die
bessere Ausstattung samt Allradantrieb.